Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 26. Feb. 2015 - 10 A 1432/12
Gericht
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Der Beschluss ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 von Hundert des auf Grund des Beschlusses vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 von Hundert des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 3.000,00 Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2I.
3Wegen des Sach- und Streitstandes bis zum Erlass des angefochtenen Urteils wird entsprechend § 130b Satz 1 VwGO auf dessen Tatbestand Bezug genommen.
4Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 20. März 2012 abgewiesen. Die angefochtene Beseitigungsverfügung betreffend den Wintergarten auf dem Grundstück C.-Straße 7 in C1. sei rechtmäßig. Der Wintergarten sei weder genehmigt noch genehmigungsfähig. Er liege außerhalb der nach den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 10-4a der Beklagten überbaubaren Grundstücksflächen. Ein Anspruch auf Ausnahme oder Befreiung bestehe nicht. Zudem verstoße der Wintergarten gegen § 6 BauO NRW, da die dafür erforderlichen Abstandflächen nicht auf dem Grundstück selbst lägen. Schließlich werde § 31 Abs. 1 Nr. 1 BauO NRW verletzt, da der Wintergarten nicht die nötige Gebäudeabschlusswand habe und kein Anspruch auf Zulassung einer Abweichung von dieser Vorschrift bestehe. Die Beklagte habe ihre Befugnis zum Einschreiten gegen den Wintergarten nicht verwirkt und ermessensfehlerfrei ausgeübt. Die mit dem Beseitigungsgebot verbundene Zwangsgeldandrohung stehe mit dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz Nordrhein-Westfalen in Einklang.
5Zur Begründung der vom Senat zugelassenen Berufung macht der Kläger im Wesentlichen geltend, er habe Anspruch auf eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans zu der überbaubaren Grundstücksfläche. Grundzüge der Planung würden dadurch nicht berührt. Der Plan sehe nicht nur Versprünge in der Bebauung vor, sondern auch einheitliche Bautiefen. Der Wintergarten reiche über die Bebauungstiefe der Gebäude der Nachbarn nicht hinaus und füge sich in die festgesetzte geschlossene Bauweise ein. Eine Befreiung sei städtebaulich vertretbar. Auch führe die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte. Der Wintergarten schütze den Keller vor einer Überflutung durch über die Kellertreppe eindringendes Niederschlagswasser. Die Befreiung sei auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar. Der Beigeladene habe auf seine nachbarlichen Abwehrrechte vertraglich verzichtet. Im Übrigen seien diese verwirkt. Hinsichtlich des erstinstanzlich festgestellten Verstoßes gegen § 6 BauO NRW könne eine Abweichung erteilt werden, insbesondere wegen der eingetretenen Verwirkung des nachbarlichen Abwehrrechts. Ein Verstoß gegen Vorschriften des Brandschutzes, insbesondere gegen § 31 Abs. 1 BauO NRW, liege ausweislich der Stellungnahme des staatlich anerkannten Sachverständigen für die Prüfung des Brandschutzes Dipl. Ing. I. aus D. vom 19. März 2012 nicht vor. Eine Brandgefahr bestehe nicht, denn die auf dem Grundstück des Beigeladenen befindliche Gebäudeabschlusswand sei ausreichend. Auf Wintergärten seien die Brandschutzvorschriften höchstens modifiziert anzuwenden. Schließlich sei die Beseitigungsverfügung auch unverhältnismäßig und ermessensfehlerhaft. Durchgreifende Gründe für ein behördliches Tätigwerden nach jahrzehntelanger Duldung lägen nicht vor. Die Duldung sei im Rahmen der Aufforderung, einen Bauantrag zu stellen, erfolgt und unterliege keinem Schriftformerfordernis. Durch die Beseitigungsverfügung drohe ein erheblicher Eingriff in das Eigentumsgrundrecht. Das Hauptgebäude sei bei einem Abbruch des Wintergartens dem Niederschlagswasser und windbedingten Geräuschen ausgesetzt. Die Beklagte habe ihr Ermessen „unsachgemäß gesetzesverhaftet“ ausgeübt.
6Der Kläger beantragt,
7das angefochtene Urteil zu ändern und die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 27. September 2010 aufzuheben.
8Die Beklagte beantragt,
9die Berufung zurückzuweisen.
10Sie bezieht sich auf ihr bisheriges Vorbringen. Die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB seien nicht gegeben. Der gezackte Zuschnitt der Baufenster, welche die Gebäude in Kettenbauweise beträfen, gehöre zu den Grundzügen der mit dem Bebauungsplan Nr. 10-4a realisierten Planung. Eine bodenrechtlich atypische Situation, die eine unzumutbare Härte begründen könnte, liege nicht vor. Unabhängig davon, ob die nachbarlichen Abwehrrechte des Beigeladenen verwirkt seien, werde aus Brandschutzgesichtspunkten von Amts wegen eingeschritten. Eine Duldung des baurechtswidrigen Zustandes sei nie erfolgt. Mildere Mittel zur Erreichung eines rechtmäßigen Zustandes gebe es nicht. Aus der Stellungnahme der Feuerwehr vom 19. Dezember 2014, die auf einer Ortsbesichtigung vom 24. Oktober 2014 beruhe und die Stellungnahme des Sachverständigen I. vom 19. März 2012 berücksichtige, ergebe sich, dass erhebliche Brandschutzmängel bestünden, die die Errichtung einer neuen, mit den Brandschutzvorschriften übereinstimmenden Gebäudeabschlusswand erforderten.
11Der Beigeladene stellt keinen Antrag und hat zur Sache nicht Stellung genommen.
12Wegen des Ergebnisses des Ortstermins vom 16. Juni 2014 wird auf das Terminsprotokoll verwiesen.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge (Beiakten Hefte 1 bis 5) Bezug genommen.
14II.
15Der Senat entscheidet gemäß § 130a Satz 1 VwGO (in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 EMRK) durch Beschluss über die Berufung, da er diese einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind nach § 130a Satz 2 in Verbindung mit § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO gehört worden. Sie haben keine Einwände erhoben, die die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gebieten.
16Die Berufung ist wegen zu gewährender Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 60 Abs. 1 und 4 VwGO) hinsichtlich der unverschuldet versäumten Berufungsbegründungsfrist (§ 124a Abs. 6 Satz 1 und 2 VwGO) zwar zulässig, aber unbegründet.
17Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist bezüglich der in Ziff. 2 der Ordnungsverfügung der Beklagten vom 27. September 2010 enthaltenen Zwangsgeldandrohung unzulässig, im Übrigen, hinsichtlich der Beseitigungsverfügung (Ziff. 1) und der Verwaltungsgebühr (Ziff. 3), unbegründet.
18Die Unzulässigkeit der Klage bezüglich der Zwangsgeldandrohung beruht darauf, dass der Kläger insoweit weder über ein Rechtschutzbedürfnis noch über eine Klagebefugnis verfügt, da eine Aufhebung der Zwangsgeldandrohung nicht möglich beziehungsweise nicht erforderlich ist und diese den Kläger offensichtlich nicht in seinen Rechten verletzt.
19Als Mittel des Verwaltungszwangs (§§ 57 Abs. 1 Nr. 2, 60, 63 VwVG NRW) geht eine Zwangsgeldandrohung, anders als die Grundverfügung, regelmäßig nicht auf den (Gesamt-)Rechtsnachfolger des Adressaten einer Ordnungsverfügung über.
20Vgl. OVG NRW, Urteile vom 9. Mai 1979 – XI A 963/78 –, BRS 35 Nr. 217, und vom 15. Juli 2002 – 7 A 1717/01 –, juris, Rn. 78; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. Mai 2009 – VI-3 Kart 45/08 (V), 3 Kart3 Kart 45/08 (V), juris, Rn. 30; Sadler, VwVG, VwZG, 9. Aufl. 2014, § 13 VwVG Rn. 19.
21Dies entspricht der bundesgesetzlichen Regelung in § 45 Abs. 1 Satz 2 AO.
22Hier gilt nichts anderes. Durch den Tod der ursprünglichen Adressatin der Beseitigungsverfügung, der Rechtsvorgängerin des Klägers hinsichtlich des Grundstückseigentums, hat sich die Zwangsgeldandrohung auf andere Weise erledigt (§ 43 Abs. 2 VwVfG NRW), sodass von ihr keine Rechtswirkungen mehr ausgehen. Daher kann der Kläger auch offensichtlich nicht geltend machen, durch die Zwangsgeldandrohung im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO in seinen Rechten verletzt zu sein.
23Die Beseitigungsverfügung und die diesbezüglich festgesetzte Verwaltungsgebühr sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
24Das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 61 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW für die Anordnung der Beseitigung des auf dem Grundstück des Klägers errichteten Wintergartens vorliegen und die Beklagte ihre Befugnis zum Einschreiten nicht verwirkt und ermessensfehlerfrei ausgeübt hat.
25Für die nach § 63 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW genehmigungsbedürftige Errichtung und Nutzung des Wintergartens ist keine Baugenehmigung erteilt worden. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf nachträgliche Erteilung einer Baugenehmigung, da einer solchen Legalisierung des Wintergartens mit § 30 Abs. 1 BauGB und § 6 Abs. 1 Satz 1 sowie § 31 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegenstehen (§ 75 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW).
26Der Wintergarten liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 10-4a der Beklagten, dessen Unwirksamkeit weder gerügt noch ersichtlich ist. Dies gilt insbesondere für die Festsetzung über die überbaubaren Grundstücksflächen auf dem Grundstück des Klägers. Diese Festsetzung ist auch nicht funktionslos geworden.
27Der Wintergarten befindet sich außerhalb der mittels Baugrenzen festgesetzten überbaubaren Grundstücksflächen.
28Eine Ausnahme von den Festsetzungen über die überbaubare Grundstücksfläche gemäß § 31 Abs. 1 BauGB sieht der Bebauungsplan nicht vor.
29Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Befreiung (§ 31 Abs. 2 BauGB). Durch die Befreiung von der Festsetzung der überbaubaren Grundstücksflächen würden die Grundzüge der Planung berührt. Denn der Plangeber hat im südlichen und im östlichen Bereich der C.-Straße gemäß § 22 Abs. 4 BauNVO gerade Wohnbebauung in Kettenbauweise dergestalt festgesetzt, dass jeweils an den zweigeschossigen Gebäudeteil ein schmalerer eingeschossiger Teil angebaut wird, der wegen seines baulichen Versatzes nach Norden eine geringere Bautiefe als der zweigeschossige Teil aufweist.
30Diesem städtebaulichen Konzept des Plangebers hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksflächen liefe die begehrte Befreiung zuwider. Sie würde die Überbauung einer Fläche zulassen, die der Plangeber bewusst von Bebauung freihalten wollte. Würde die Befreiung erteilt, wäre sie ein Vorbild für weitere entsprechende Befreiungsanträge aus der Nachbarschaft, welche die planerische Konzeption hinsichtlich der in Kettenbauweise überbaubaren Grundstücksflächen grundlegend in Frage stellen würden.
31Im Übrigen hat der Kläger auch deshalb keinen Anspruch auf Erteilung einer entsprechenden Befreiung, weil selbst bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB die dann der Beklagten eröffnete Entscheidung nach Ermessen nicht wegen einer Ermessensreduzierung auf null nur zu Gunsten des Klägers ausfallen könnte.
32Der Wintergarten verstößt zudem gegen § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BauO NRW. Danach sind vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandflächen von oberirdischen Gebäuden freizuhalten. Diese Abstandflächen müssen auf dem Grundstück selbst liegen.
33Dies ist hier nicht der Fall, weil der Wintergarten ohne Grenzabstand und daher ohne die erforderliche Abstandfläche errichtet worden ist. Die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 6 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW liegen nicht vor, da der Wintergarten außerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche steht und ein Anspruch auf eine diesbezügliche Befreiung, wie gezeigt, nicht gegeben ist.
34Ein Anspruch des Klägers auf Erteilung einer Abweichung nach § 73 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW von dem Erfordernis der Freihaltung einer Abstandfläche ist nicht ersichtlich.
35Der Wintergarten verstößt zudem gegen die Regelungen des § 31 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 BauO NRW. Danach sind Gebäudeabschlusswände herzustellen bei Gebäuden, die weniger als 2,50 m von der Nachbargrenze entfernt errichtet werden, es sei denn, dass ein Abstand von mindestens 5 m zu bestehenden oder nach den baurechtlichen Vorschriften zulässigen Gebäuden öffentlich-rechtlich gesichert ist. Bei ‑ wie hier ‑ aneinandergereihten Gebäuden müssen die Gebäudeabschlusswände von innen nach außen der Feuerwiderstandsklasse F 30 und von außen nach innen der Feuerwiderstandsklasse F 90 entsprechen.
36Dies ist hinsichtlich der westlichen Außenwand des Wintergartens gemäß den von dem Kläger insoweit nicht in Frage gestellten Feststellungen der Feuerwehr der Beklagten vom 19. Dezember 2014 offensichtlich nicht der Fall. Danach besteht die Außenwand in einem erheblichen Bereich nur aus Holzbrettern. Dies ergibt sich auch aus den in dem Ortstermin des Senats gefertigten Lichtbildern. Damit ist weder die von innen nach außen nötige Feuerwiderstandsklasse F 30 noch die von außen nach innen gebotene Feuerwiderstandsklasse F 90 gegeben. Die Feuerwehr der Beklagten hat zutreffend dargelegt, dass die von dem Kläger vorgelegte Stellungnahme des Sachverständigen Dipl. Ing. I. vom 19. März 2012 insoweit von falschen Voraussetzungen ausgeht und daher unverwertbar ist.
37Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers reicht es auch nicht aus, dass auf dem Grundstück des Beigeladenen eine grenzständige Wand vorhanden ist. Unabhängig von der Frage, ob diese die nach § 31 Abs. 5 Satz 2, § 29 Abs. 1 Zeile 5 Spalte 2 BauO NRW für eine gemeinsame Gebäudeabschlusswand erforderliche Feuerwiderstandsklasse F 90-AB aufweist und ob eine nur auf einem Grundstück befindliche Gebäudeabschlusswand überhaupt eine gemeinsame Gebäudeabschlusswand sein kann, handelt es sich bei dieser Wand jedenfalls mangels einer darauf bezogenen öffentlich-rechtlichen Sicherung im Sinne des § 15 Abs. 2 BauO NRW nicht um eine gemeinsame Gebäudeabschlusswand.
38Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Abweichung hinsichtlich des Brandschutzerfordernisses einer Gebäudeabschlusswand.
39Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW kann die Baugenehmigungsbehörde Abweichungen von bauaufsichtlichen Anforderungen der Bauordnung und der aufgrund der Bauordnung erlassenen Vorschriften zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderungen und unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sind. Soll von einer technischen Anforderung abgewichen werden, ist nach § 73 Abs. 1 Satz 4 BauO NRW der Baugenehmigungsbehörde nachzuweisen, dass dem Zweck dieser Anforderung auf andere Weise entsprochen wird.
40Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 BauO NRW sind restriktiv zu handhaben. Dies gebietet schon der Umstand, dass durch die baurechtlichen Vorschriften die schutzwürdigen und schutzbedürftigen Belange und Interessen regelmäßig schon in einen gerechten Ausgleich gebracht worden sind und die Gleichmäßigkeit des Gesetzesvollzuges ein mehr oder minder beliebiges Abweichen von den Vorschriften der Bauordnung nicht gestattet.
41Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 1991 – 4 C 17.90 –, BRS 52 Nr. 157; OVG NRW, Urteil vom 28. Januar 2009 – 10 A 1075/08 –, BRS 74 Nr. 156, Beschlüsse vom 5. März 2007 – 10 B 274/07 –, BRS 71 Nr. 124, vom 5. November 2007 – 7 E 737/07 –, juris, Rn. 9, und vom 25. November 2009 – 10 A 2849/08 –, juris, Rn. 9.
42Abweichungen können grundsätzlich von zwingenden wie von dispositiven Vorschriften zugelassen werden. Die Voraussetzungen für eine Abweichung sind jedoch wegen der Gesetzesbindung der Verwaltung strenger, wenn von zwingendem Recht abgewichen werden soll. Soweit die Abweichung mit den öffentlichen Belangen vereinbar sein muss, handelt es sich um einen gerichtlich voll überprüfbaren unbestimmten Rechtsbegriff. Die Auslegung der Norm, von der abgewichen werden soll, ergibt, welche öffentlichen Belange mit ihr verfolgt werden. Außerdem sind gegebenenfalls übergreifend die mit dem einschlägigen Recht verfolgten Belange von Bedeutung, die sich nicht nur aus dem Bauordnungsrecht ergeben können.
43Die Vorschriften über Gebäudeabschlusswände dienen dem vorbeugenden baulichen Brandschutz und damit dem Schutz von Leben und Gesundheit der Bewohner und Besucher eines Gebäudes. Sie enthalten ein System von allgemeinverbindlich festgelegten Mindestanforderungen, die aufeinander abgestimmt sind.
44Der Kläger hat nicht dargelegt, dass beziehungsweise wie dem Zweck des § 31 Abs. 1 Nr. 1, 5 Satz 1 BauO NRW, wonach auch bei aneinandergereihten Gebäuden Gebäudeabschlusswände erforderlich sind, die von innen nach außen der Feuerwiderstandsklasse F 30 und von außen nach innen der Feuerwiderstandsklasse F 90 entsprechen, gemäß § 73 Abs. 1 Satz 4 BauO NRW auf andere Weise entsprochen wird.
45Wie bereits ausgeführt, ersetzt die auf dem Grundstück des Beigeladenen vorhandene Wand die für den Wintergarten gesetzlich geforderte Gebäudeabschlusswand nicht, da sie für dieses Grundstück nicht im gleichen Maße Schutz vermittelt wie eine zusätzliche Gebäudeabschlusswand des Wintergartens. Die Feuerwehr der Beklagten hat nachvollziehbar dargelegt, weshalb aus ihrer Sicht zwar hinsichtlich des Daches und der tragenden Bauteile des Wintergartens eine Abweichung in Betracht kommen könnte, nicht aber bezüglich der Gebäudeabschlusswand. Diese Erwägungen hat sich die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 19. Dezember 2014 zu eigen gemacht.
46Der Kläger setzt dem nichts Durchgreifendes entgegen. Sein Vortrag, dass die Gefahr eine Brandübertragung von seinem zu dem angrenzenden Grundstück nicht bestehe, überzeugt schon wegen der überwiegend aus Holz gefertigten westlichen Außenwand des Wintergartens nicht. Seine Rechtsauffassung, auf Wintergärten seien die Brandschutzvorschriften höchstens modifiziert anzuwenden, geht fehl. Sie entspricht weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck des § 31 Abs. 1 Nr. 1, 5 Satz 1 BauO NRW.
47Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5. November 2007 ‑ 7 E 737/07 ‑, juris, Rn. 3 bis 5.
48Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Beklagte ihre Befugnis zum ordnungsrechtlichen Einschreiten gegen den Wintergarten unabhängig von der Beantwortung der Frage nach einem Fortbestehen nachbarlicher Abwehrrechte des Beigeladenen nicht verwirkt hat. Eine Verwirkung behördlicher Eingriffsbefugnisse kommt grundsätzlich nicht in Betracht. Selbst Fehlverhalten von Amtsträgern, die ein illegales und materiell-rechtswidriges Verhalten zumindest sehenden Auges in Kauf genommen, wenn nicht gar unterstützt haben, hindert die Bauaufsichtsbehörde nicht, darunter einen Schlussstrich zu ziehen und wieder baurechtmäßige Zustände zu bewirken.
49Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. November 2008 ‑ 7 A 103/08 ‑, juris, Rn. 66.
50Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Beklagte vor Erlass der Ordnungsverfügung bereits seit Jahren Kenntnis von dem Wintergarten gehabt habe. Die schlichte Hinnahme eines baurechtlich formell illegalen Geschehens für eine längere Zeit hindert die Bauaufsichtsbehörde nicht, ihre bisherige Praxis zu beenden und auf die Herstellung baurechtmäßiger Zustände hinzuwirken. Für eine von der bloßen Hinnahme zu unterscheidenden Duldung des Wintergartens durch die Beklagte ist nichts ersichtlich. Von der Duldung einer formell illegalen Nutzung ist im Regelfall erst dann auszugehen, wenn die Bauaufsichtsbehörde in Kenntnis der Umstände zu erkennen gibt, dass sie sich auf Dauer oder für einen zum Zeitpunkt des Einschreitens noch nicht abgelaufenen Zeitraum mit der Existenz dieser Nutzung abzufinden gedenkt.
51Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 6. Juli 2009 – 10 B 617/09 –, juris, und vom 14. Januar 2015 – 10 B 1441/14 und 10 B 1470/14 –.
52Angesichts des Ausnahmecharakters und der weitreichenden Folgen einer solchen Duldung spricht vieles dafür, dass jedenfalls eine länger andauernde Duldung, soll sie Vertrauensschutz vermitteln, schriftlich erfolgen muss.
53Vgl. OVG NRW, Urteile vom 22. August 2005 – 10 A 4694/03 –, BRS 69 Nr. 189, und vom 23. Oktober 2006 – 7 A 4947/05 –, BRS 70 Nr. 187, Beschluss vom 5. August 2011 – 2 A 2137/10 –, juris, Rn. 30.
54Für einen entsprechenden Willen der Beklagten bestehen hier keine Anhaltspunkte. Weder liegt eine schriftlich gegenüber dem Kläger beziehungsweise seiner Rechtsvorgängerin erteilte Duldung vor noch ein entsprechender Aktenvermerk der Beklagten. Soweit der Kläger auf mündliche Äußerungen eines Sachbearbeiters des Bauamtes aus dem April 1987 im Rahmen der Aufforderung, einen Bauantrag zu stellen, verweist, spricht bereits der Zusammenhang mit dieser behördlichen Aufforderung dagegen, dass eine dauerhafte oder langfristige Duldung erfolgt sein könnte.
55Die diesbezüglich mit Schriftsatz vom 24. Februar 2015 übersandte Kopie eines Laufzettels der Beklagten aus dem Jahr 1987, deren Original sich in der Beiakte Heft 1 befindet, führt zu keinem anderen Ergebnis. Sie spricht vielmehr gegen die Annahme, die Beklagte könnte in Kenntnis der Umstände zu erkennen gegeben haben, dass sie sich auf Dauer oder für einen zum Zeitpunkt des Einschreitens noch nicht abgelaufenen Zeitraum mit der Existenz des Wintergartens abgefunden hat. Der Laufzettel betraf den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Baugenehmigung vom 9. Februar 1987. Nicht nur war danach die vorgesehene Stellungnahme der Ämter IV und 63 noch nicht erfolgt, vielmehr hat das Amt 06 offensichtlich das Vorliegen der Zustimmung der Nachbarn, also des Beigeladenen, sowie die Erteilung eines Dispenses als erforderlich angesehen. Nach dem Vortrag des Klägers lag jedenfalls damals eine Zustimmung des Beigeladenen gerade nicht vor. Ein Dispens, also eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB, wurde nicht erteilt.
56Im Übrigen hatte der Kläger insoweit nicht die Nutzung eines Wintergartens, sondern nur einer Terrassenüberdachung nebst Außenkamin zur Genehmigung gestellt. Eine solche stellt aber angesichts des Fehlens von Seitenwänden ein sogenanntes aliud gegenüber dem Wintergarten dar. Schon aus diesem Grund kann eine damalige Duldung des Wintergartens nicht angenommen werden.
57Nach alledem hat der Senat keine Veranlassung, den vagen und inhaltlich nicht substantiierten Angaben des materiell beweisbelasteten Klägers zu einer mündlich erfolgten Duldung im Wege der Amtsermittlung weiter nachzugehen. Dafür fehlt es an belastbaren Anhaltspunkten.
58Schließlich hat die Beklagte das ihr durch § 61 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW eingeräumte Ermessen auch fehlerfrei ausgeübt.
59Wegen der aufgezeigten Verstöße gegen das Bauplanungsrecht und eine Grundnorm des vorbeugenden Brandschutzes ist das Gebot der Beseitigung des formell und materiell illegal errichteten Wintergartens auch in Ansehung der dafür aufgewendeten finanziellen Mittel, der durch die Beseitigung entstehenden Kosten sowie der befürchteten mittelbaren negativen Folgen für das Wohngebäude des Klägers ein gerechtfertigter, insbesondere verhältnismäßiger Eingriff in dessen Eigentumsrecht (Art. 14 Abs. 1 GG). Dass der Kläger bei Beseitigung des Wintergartens ein Eindringen von Niederschlagswasser in den Keller des Wohngebäudes befürchtet, rechtfertigt nicht die weitere Hinnahme des baurechtswidrigen Zustandes, sondern erfordert gegebenenfalls auf die Kellertreppe und den Kellereingang bezogene Schutzmaßnahmen. Dass die Fassade und andere Bauteile eines Hauses der Witterung ausgesetzt sind, ist der Normalfall und stellt keinen Umstand dar, der im Rahmen der Verhältnismäßigkeit von ausschlaggebender Bedeutung sein kann.
60Das Recht auf Eigentum berechtigt nicht dazu, im Widerspruch zu den Vorschriften des Bauplanungsrechts und des Bauordnungsrechts bauliche Anlagen zu errichten und zu nutzen. Dem Kläger und seiner verstorbenen Ehefrau war bei Errichtung des Wintergartens der Verstoß gegen den Bebauungsplan Nr. 10-4a bekannt. Jedenfalls hätte ihnen der Verstoß bekannt sein müssen, denn sie waren wie jeder Bauherr, der ein Bauvorhaben plant, verpflichtet, sich zuvor Kenntnis von den dafür maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Umständen zu verschaffen.
61Die erheblichen Risiken für Leib oder Leben Dritter im Falle eines Brandes rechtfertigen es sogar gegenüber rechtmäßig bestehenden baulichen Anlagen nachträglich Schutzmaßnahmen nach § 87 BauO NRW zu fordern, die in jeder Hinsicht „auf der sicheren Seite“ liegen. Die zuständige Baugenehmigungsbehörde ist nicht gehalten, allein im finanziellen Interesse des Ordnungspflichtigen wesentliche Abstriche an den zum Schutz dieser Rechtsgüter sachgerechten Sicherheitserfordernissen hinzunehmen.
62Vgl. OVG NRW, Urteil vom 25. August 2010 – 7 A 749/09 –, NVwZ-RR 2011, 47.
63Der weitere Vortrag des Klägers, die Beklagte habe ihr Ermessen „unsachgemäß gesetzesverhaftet“ ausgeübt, zeigt einen Ermessensfehler nicht auf. Er verkehrt damit die Realität ins Gegenteil, denn er selbst und/oder seine Rechtsvorgängerin haben sich mit der Errichtung des Wintergartens als Schwarzbau über jegliches Recht hinweggesetzt. Die auf Seite 3 des Schriftsatzes des Klägers vom 24. Februar 2015 wiedergegebenen etwaigen mündlichen Äußerungen von Mitarbeitern der Beklagten sind schon deshalb irrelevant, weil sie keinen Eingang in die angefochtene Beseitigungsverfügung gefunden haben, deren schriftliche Gründe sich aus den vorstehenden Ausführungen als ermessensfehlerfrei erweisen.
64Die Rechtmäßigkeit der Verwaltungsgebühr ergibt sich aus § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1 und 2, § 3 Abs. 1, § 9 Abs. 1, § 11 Abs. 1, § 13 Abs. 1 Nr. 1 GebG NRW, § 1 Abs. 1 AVerwGebO NRW, Ziff. 2.8.2.1 des Allgemeinen Gebührentarifs zur AVerwGebO NRW in der bei Erlass der Beseitigungsverfügung geltenden Fassung. Die Beklagte hat innerhalb des dortigen Gebührenrahmens die geringstmögliche Gebühr festgesetzt.
65Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.
66Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit den §§ 708 ff. ZPO.
67Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
68Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 40, 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG. Da die unselbständige Zwangsgeldandrohung den Streitwert nicht erhöht, hat der Senat auf einen rechtlichen Hinweis verzichtet, dass die Klage insoweit schon unzulässig ist. Eine diesbezügliche teilweise Klagerücknahme hätte zu keiner Verringerung der Verfahrenskosten geführt.
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Annotations
Das Oberverwaltungsgericht kann in dem Urteil über die Berufung auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug nehmen, wenn es sich die Feststellungen des Verwaltungsgerichts in vollem Umfange zu eigen macht. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe kann es absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.
(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.
(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und
- 1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder - 2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder - 3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.
Das Oberverwaltungsgericht kann über die Berufung durch Beschluß entscheiden, wenn es sie einstimmig für begründet oder einstimmig für unbegründet hält und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. § 125 Abs. 2 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.
(1) Für das Berufungsverfahren gelten die Vorschriften des Teils II entsprechend, soweit sich aus diesem Abschnitt nichts anderes ergibt. § 84 findet keine Anwendung.
(2) Ist die Berufung unzulässig, so ist sie zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluß ergehen. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Gegen den Beschluß steht den Beteiligten das Rechtsmittel zu, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Die Beteiligten sind über dieses Rechtsmittel zu belehren.
(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
(2) Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; bei Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung, des Antrags auf Zulassung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Beschwerde beträgt die Frist einen Monat. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.
(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag unzulässig, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.
(4) Über den Wiedereinsetzungsantrag entscheidet das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat.
(5) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.
(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.
(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.
(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.
(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.
(1) Bei Gesamtrechtsnachfolge gehen die Forderungen und Schulden aus dem Steuerschuldverhältnis auf den Rechtsnachfolger über. Dies gilt jedoch bei der Erbfolge nicht für Zwangsgelder.
(2) Erben haben für die aus dem Nachlass zu entrichtenden Schulden nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten einzustehen. Vorschriften, durch die eine steuerrechtliche Haftung der Erben begründet wird, bleiben unberührt.
(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.
(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.
(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.
(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält, ist ein Vorhaben zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.
(2) Im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach § 12 ist ein Vorhaben zulässig, wenn es dem Bebauungsplan nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.
(3) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht erfüllt (einfacher Bebauungsplan), richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben im Übrigen nach § 34 oder § 35.
(1) Der Flächennutzungsplan bedarf der Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde.
(2) Die Genehmigung darf nur versagt werden, wenn der Flächennutzungsplan nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist oder diesem Gesetzbuch, den auf Grund dieses Gesetzbuchs erlassenen oder sonstigen Rechtsvorschriften widerspricht.
(3) Können Versagungsgründe nicht ausgeräumt werden, kann die höhere Verwaltungsbehörde räumliche oder sachliche Teile des Flächennutzungsplans von der Genehmigung ausnehmen.
(4) Über die Genehmigung ist binnen eines Monats zu entscheiden; die höhere Verwaltungsbehörde kann räumliche und sachliche Teile des Flächennutzungsplans vorweg genehmigen. Aus wichtigen Gründen kann die Frist auf Antrag der Genehmigungsbehörde von der zuständigen übergeordneten Behörde verlängert werden, in der Regel jedoch nur bis zu drei Monaten. Die Gemeinde ist von der Fristverlängerung in Kenntnis zu setzen. Die Genehmigung gilt als erteilt, wenn sie nicht innerhalb der Frist unter Angabe von Gründen abgelehnt wird.
(5) Die Erteilung der Genehmigung ist ortsüblich bekannt zu machen. Mit der Bekanntmachung wird der Flächennutzungsplan wirksam. Jedermann kann den Flächennutzungsplan, die Begründung und die zusammenfassende Erklärung nach § 6a Absatz 1 einsehen und über deren Inhalt Auskunft verlangen.
(6) Mit dem Beschluss über eine Änderung oder Ergänzung des Flächennutzungsplans kann die Gemeinde auch bestimmen, dass der Flächennutzungsplan in der Fassung, die er durch die Änderung oder Ergänzung erfahren hat, neu bekannt zu machen ist.
(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.
(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und
- 1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder - 2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder - 3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.
(1) Im Bebauungsplan kann die Bauweise als offene oder geschlossene Bauweise festgesetzt werden.
(2) In der offenen Bauweise werden die Gebäude mit seitlichem Grenzabstand als Einzelhäuser, Doppelhäuser oder Hausgruppen errichtet. Die Länge der in Satz 1 bezeichneten Hausformen darf höchstens 50 m betragen. Im Bebauungsplan können Flächen festgesetzt werden, auf denen nur Einzelhäuser, nur Doppelhäuser, nur Hausgruppen oder nur zwei dieser Hausformen zulässig sind.
(3) In der geschlossenen Bauweise werden die Gebäude ohne seitlichen Grenzabstand errichtet, es sei denn, dass die vorhandene Bebauung eine Abweichung erfordert.
(4) Im Bebauungsplan kann eine von Absatz 1 abweichende Bauweise festgesetzt werden. Dabei kann auch festgesetzt werden, inwieweit an die vorderen, rückwärtigen und seitlichen Grundstücksgrenzen herangebaut werden darf oder muss.
(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.
(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und
- 1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder - 2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder - 3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.
Für die Wertberechnung ist der Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung maßgebend, die den Rechtszug einleitet.
(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.
(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.
(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.