Oberlandesgericht München Beschluss, 16. Mai 2017 - 1 AR 188/17

bei uns veröffentlicht am16.05.2017

Gericht

Oberlandesgericht München

Tenor

I. Gegen den rumänischen Staatsangehörigen A. L., geboren am ... in .../Rumänien, wird zur Sicherung der Auslieferung an die rumänischen Behörden zur Strafvollstreckung Auslieferungshaft angeordnet.

II. Dem Auslieferungshaftbefehl wird der Europäische Haftbefehl des Judecatoria O. vom 24.03.2017, Gz.:…, zugrunde gelegt.

III. Der Auslieferungshaftbefehl wird unter folgenden Auflagen außer Vollzug gesetzt:

Der Verfolgte hinterlegt seine Ausweispapiere (Reisepass und Personalausweis) bei der Generalstaatsanwaltschaft München.

Der Verfolgte meldet sich persönlich zweimal wöchentlich (dienstags und freitags) bei der Polizeiinspektion.

Der Verfolgte reist nicht aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aus.

Der Verfolgte zeigt der Generalstaatsanwaltschaft München zu obigem Aktenzeichen unverzüglich und unaufgefordert jeden Wohnsitzwechsel schriftlich an.

Der Verfolgte leistet gerichtlichen, staatsanwaltschaftlichen und polizeilichen Ladungen in dieser Sache unverzüglich und termingerecht Folge.

Jeder Verstoß gegen eine der vorgenannten Auflagen hat die sofortige Invollzugsetzung dieses Auslieferungshaftbefehls zur Folge.

IV. Dem Verfolgten wird Rechtsanwalt ... als Pflichtbeistand beigeordnet.

Gründe

I.

Die rumänischen Behörden haben um vorläufige Festnahme des rumänischen Staatsangehörigen A. L. zur Sicherung der Auslieferung zur Strafvollstreckung durch Ausschreibung im Schengener Informationssystem (SIS) ersucht.

Gegen den Verfolgten liegt der im Tenor unter Ziffer II. aufgeführte Europäische Haftbefehl vor.

Danach wurde der Verfolgte, möglicherweise in Abwesenheit, durch Strafurteil Nr. 11 des Amtsgerichts O. vom 26.01.2017, rechtskräftig seit 27.02.2017, wegen folgenden Sachverhalts zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr verurteilt, die noch vollständig zu verbüßen ist:

Am 21.04.2015 wurde der Verfolgte von der Polizei angehalten, als er zwischen R. und N. (Rumänien) ohne Fahrerlaubnis ein Fahrzeug auf öffentlichen Straßen steuerte.

Einbezogen in das Urteil vom 26.01.2017 wurde nach Aktenlage das Urteil Nr. 8 des Amtsgerichts O. vom 21.01.2013, durch das der Verfolgte wegen folgenden Sachverhalts zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr 6 Monaten verurteilt wurde, von der noch ein Rest von 4 Monaten 4 Tagen zu verbüßen ist:

Am 27.04.2012 wurde der Verfolgte von der Polizei in R. (Rumänien) von der Polizei verfolgt und angehalten, als er ein Fahrzeug im betrunkenen Zustand und ohne Fahrerlaubnis auf öffentlichen Straßen steuerte. Der Blutalkoholspiegel betrug mindestens 1,85 g/l und der Atemalkoholgehalt 0,95 mg/l.

Insgesamt ist aus den vorgenannten Freiheitsstrafen noch 1 Jahr 4 Monate 4 Tage zu verbüßen.

Der Verfolgte, der seit 2 Jahren mit seiner Familie in R. (Deutschland) wohnhaft ist, wurde am 06.05.2017 in A., Landkreis Berchtesgadener Land, zur Sicherung der Auslieferung vorläufig festgenommen und befindet sich derzeit in der Justizvollzugsanstalt München.

Zu Protokoll des Ermittlungsrichters des Amtsgerichts L. hat sich der Verfolgte am 07.05.2017 mit seiner vereinfachten Auslieferung einverstanden erklärt. Auf die Beachtung des Spezialitätsgrundsatzes hat er hierbei verzichtet.

II.

Das Oberlandesgericht München ist gemäß § 13 Abs. 1 IRG sachlich und als Gericht des Ergreifungsorts bzw. des ersten ermittelten Aufenthalts auch örtlich gemäß § 14 Abs. 1 IRG zuständig.

Gegen den Verfolgten war auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft München zur Sicherung und Durchführung der Auslieferung an die rumänischen Behörden zur Strafvollstreckung Auslieferungshaftbefehl zu erlassen, §§ 15, 17 IRG.

Dem Auslieferungshaftbefehl war der im Tenor unter Ziffer II. aufgeführte Europäische Haftbefehl zugrunde zu legen.

Der Verfolgte hat gegen seine Auslieferung keine Einwendungen erhoben. Gründe, die die Auslieferung von vornherein als unzulässig erscheinen lassen könnten, liegen nicht vor, § 15 Abs. 2 IRG.

Das dem Verfolgten angelastete Verhalten ist auch nach deutschem Recht mit Strafe bedroht gemäß §§ 316, 53 des deutschen Strafgesetzbuchs, § 21 des deutschen Straßenverkehrsgesetzes.

Die Auslieferungsfähigkeit folgt aus § 81 Nr. 2 IRG.

Zwar handelt es sich bei dem gegen den Verfolgten ergangenen Urteil möglicher Weise um ein Abwesenheitsurteil; ein Auslieferungshindernis nach § 83 Abs. 1 Nr. 3 IRG besteht jedoch nicht aufgrund der im rumänischen Recht bestehenden Garantien auf Durchführung eines neuen Verfahrens. Entscheidend ist insoweit die Frage, ob der Verfolgte nach seiner Überstellung das Recht auf ein neues Gerichtsverfahren hat, in welchem der gegen ihn erhobene Vorwurf umfassend geprüft wird und ihm die Anwesenheit in der Verhandlung eingeräumt wird. Dies ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats durch Art. 466 der rumänischen Strafprozessordnung hinreichend gewährleistet.

Die Haftbedingungen in Rumänien sind jedoch bekanntermaßen äußerst problematisch. Ausweislich des CPT-Berichts vom 24.09.2015 bestand zum damaligen Zeitpunkt eine erhebliche Überbelegung in den rumänischen Haftanstalten. Hieran hat sich auch bis heute nichts Entscheidendes geändert.

Nach den vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 25.04.2017 (EGMR, Beschluss vom 25.04.2017, 61467/12, 39516/13, 48231/13 und 68191/13 -Rezmives und andere/Rumänien) aufgeführten Zahlen, die auf den von Rumänien im vorgenannten Verfahren mitgeteilten Zahlen basieren, die wiederum von der rumänischen nationalen Verwaltung der Haftanstalten erhoben wurden, ist von einer Überbelegung von 149,11%, bezogen auf den 09.08.2016 auszugehen. Für eine gravierende Abnahme der Überbelegung bis zum Tag der Entscheidung des Senats fehlt es an tragfähigen Anhaltspunkten.

Es erscheint daher naheliegend, dass der Verfolgte im Falle seiner Auslieferung in Rumänien unmenschlichen Haftbedingungen, insbesondere infolge der fortbestehenden Überbelegungsproblematik in rumänischen Haftanstalten, ausgesetzt wäre. Dies stünde der Zulässigkeit der Auslieferung nach § 73 Abs. 2 IRG entgegen, da eine Verletzung von Art. 3 EMRK eine Verletzung des europäischen Ordre Publics darstellt.

Bei einer Auslieferung auf der Grundlage des Europäischen Haftbefehls hat nach Ansicht des Senats die Prüfung, ob die Haftbedingungen im ersuchenden Mitgliedsstaat Art. 3 EMRK genügen, anhand der vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in seiner Grundsatzentscheidung vom 20.10.2016 (EGMR, Urteil der Großen Kammer vom 20. Oktober 2016, 7334/13 - Mursic/Kroatien) aufgestellten Kriterien zu erfolgen (vgl. die Senatsentscheidung vom 13.04.2017 - OLG München, Beschluss vom 13. April 2017 - 1 AR 126/17 -, juris).

Schon wegen der seit vielen Jahren andauernden Überbelegung in rumänischen Haftanstalten geht der Senat in ständiger Rechtsprechung (vgl. auch Beschluss vom 20.04.2017 - 1 AR 165/17) vom Vorliegen systemischer Mängel in rumänischen Haftanstalten im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 5. April 2016 im Verfahren Aranyosi und Cäldäraru - C-404/15, C-659/15 PPU) aus.

Infolge der bekannt problematischen Haftbedingungen in Rumänien und aufgrund des Umstands, dass dem Senat zuletzt von den rumänischen Behörden in einer Vielzahl von Auslieferungsverfahren zusätzliche Informationen dahingehend erteilt wurde, dass der Verfolgte nach einer dreiwöchigen Quarantänezeit, in welcher ihm 3 qm persönliche Fläche zur Verfügung stehen, entweder in den geschlossenen Vollzug kommt (mit einer persönlichen Fläche von 3 qm) oder aber in den halboffenen oder offenen Vollzug (mit einer persönlichen Fläche von 2 qm), sieht der Senat schon aufgrund dieser Quadratmeterzahlen - jedenfalls im halboffenen oder offenen Vollzug - die naheliegende Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung.

Aufgrund der im Unionsrecht gewährleisteten Schutzstandards der Grundrechte und insbesondere von Art. 4 der EU-Grundrechtscharta (vgl. das Urteil des Europäischen Gerichtshofs im Fall Melloni vom 26.02.2013 - C-399/11) ist der Senat verpflichtet, das Vorliegen dieser Gefahr zu würdigen, denn der Vollzug des Europäischen Haftbefehls darf nicht zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung des Verfolgten führen.

Objektive, zuverlässige, genaue und gebührend aktualisierte Angaben über die Haftbedingungen in Rumänien liegen in Form der Angaben im CPT-Bericht vom 24.09.2015 und der in der Entscheidung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs vom 25.04.2017 (EGMR, Beschluss vom 25.04.2017, 61467/12, 39516/13, 48231/13 und 68191/13 - Rezmives und andere/Rumänien) aufgeführten Zahlen vor.

Wie der Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 05.04.2016 (Aranyosi und Cäldäraru - C-404/15, C-659/15 PPU) ausgeführt hat, können sich die erforderlichen Angaben aus Entscheidungen internationaler Gerichte, insbesondere den Urteilen des EGMR, aber auch aus Entscheidungen von Gerichten des Ausstellungsmitgliedstaats oder aus Entscheidungen, Berichten und anderen Schriftstücken von Organen des Europarats oder aus dem System der Vereinten Nationen ergeben. Bei der Kommission zur Verhinderung der Folter (CPT) handelt es sich um ein Organ des Europarats.

Schon aufgrund der insoweit bekanntgewordenen Überbelegungszahlen ist derzeit im rumänischen Strafvollzug weiterhin vom Vorliegen systemischer Mängel auszugehen.

Art. 3 EMRK legt den Behörden des ersuchten Mitgliedsstaats, in dessen Hoheitsgebiet eine Person zum Zwecke der Auslieferung inhaftiert ist, eine positive Verpflichtung auf, sich zu vergewissern, dass der Verfolgte im Falle der Auslieferung im ersuchenden Mitgliedsstaat unter Bedingungen untergebracht wird, die die Wahrung der Menschenwürde gewährleisten und dass der Verfolgte keiner Bürde oder Last ausgesetzt ist, deren Intensität über das dem Freiheitsentzug unvermeidlich innewohnende Maß des Leidens hinausgeht. Gesundheit und 1 ar 188/17 - Seite 6 Wohlergehen des Verfolgten müssen im ersuchenden Mitgliedsstaat auch in Haft in angemessener Weise sichergestellt werden (vgl. Urteil des EGMR vom 8. Januar 2013 in der Sache Torreggiani und andere/Italien - 43517/09, 46882/09, 55400/09, 57875/09, 61535/09, 35315/10 und 37818/10).

Das Bestehen einer echten Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung aufgrund der allgemeinen Haftbedingungen im ersuchenden Mitgliedsstaat Rumänien führt im gegenwärtigen Zeitpunkt jedoch nicht zur Ablehnung der Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls des Judecatoria O. vom 24.03.2017, Gz.: … .

Um die Beachtung von Art. 4 der EU-Grundrechtscharta im Hinblick auf die Person, gegen die sich der Europäische Haftbefehl richtet, sicherzustellen, muss nach der Rechtsprechung des EuGH nach der Feststellung von systemischen Mängeln in den Haftanstalten des ersuchenden Mitgliedsstaats in einem weiteren Schritt geprüft werden, ob es ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme gibt, dass (auch) der Verfolgte aufgrund dieser Bedingungen im Ausstellungsmitgliedstaat einer solchen Gefahr ausgesetzt sein wird.

Zu diesem Zweck muss nach Art. 15 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses die Justizbehörde des Ausstellungsmitgliedstaats um die unverzügliche Übermittlung aller notwendigen zusätzlichen Informationen in Bezug auf die Bedingungen ersucht werden, unter denen die betreffende Person in diesem Mitgliedstaat inhaftiert werden soll. Die Anfrage kann sich auch darauf erstrecken, ob es im Ausstellungsmitgliedstaat nationale oder internationale Verfahren und Mechanismen zur Überprüfung der Haftbedingungen gibt, z. B. in Verbindung mit Besuchen in den Haftanstalten, die es ermöglichen, den aktuellen Stand der dortigen Haftbedingungen zu beurteilen.

Die der Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 03.01.2017 betreffend eine Auslieferung nach Rumänien (Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 03. Januar 2017 - Ausl 81/16 -, juris) zugrunde liegenden Unterlagen hat der Senat ausgewertet (vgl. OLG München, Beschluss vom 20. Februar 2017 - 1 AR 68/17 -, juris). Der Senat erachtet durch diese Unterlagen - trotz des erkennbaren Bemühens der rumänischen Behörden, die Haftbedingungen zu verbessern - auch weiterhin seine Bedenken hinsichtlich der Haftbedingungen in Rumänien als nicht ausgeräumt.

Die vom Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg in der vorgenannten Entscheidung angestellte Gesamtbetrachtung vermag angesichts der vielfältigen und von Vollzugsanstalt zu Vollzugsanstalt durchaus verschiedenen Probleme, die das Risiko gravierender Menschenrechtsverletzungen durch die Art der Haftbedingungen in sich bergen, aus der Sicht des Senats nicht generell mit ausreichender Sicherheit auszuräumen, weswegen der Senat in den Fällen, in denen er über die Zulässigkeit einer Auslieferung nach Rumänien zu entscheiden hat, immer zusätzliche Informationen bei den rumänischen Behörden anfordert, aus denen sich ergibt, in welcher Haftanstalt der Verfolgte nach der Auslieferung inhaftiert sein wird und wie sich die Haftbedingungen dort gestalten, insbesondere im Hinblick darauf, wieviel Quadratmeter persönliche Fläche ihm zur Verfügung stehen werden.

Die Besonderheit ist vorliegend, dass sich der Verfolgte bereits mit seiner vereinfachten Auslieferung nach Rumänien einverstanden erklärt hat, sodass der Senat nicht über die Zulässigkeit der Auslieferung zu entscheiden hat.

In Fällen der vereinfachten Auslieferung nach Rumänien fordert die Generalstaatsanwaltschaft München im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung des Senats regelmäßig entsprechende ergänzende Informationen bei den rumänischen Behörden an. Im gegenständlichen Fall ist dies bislang nicht erfolgt.

Dies wird umgehend nachzuholen sein, denn die Generalstaatsanwaltschaft muss im Rahmen ihrer Bewilligungsentscheidung prüfen, ob in Bezug auf den Verfolgten ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK durch die rumänischen Haftbedingungen ausgeschlossen ist.

In den Rumänien betreffenden Auslieferungsverfahren, in denen der Senat zuletzt über die Zulässigkeit der Auslieferung zu entscheiden hatte, lauteten die Auskünfte regelmäßig dahingehend, dass der Verfolgten nach einer Quarantänezeit von ca. 3 Wochen, in welcher er über eine garantierte persönliche Fläche von 3 qm verfügt, entweder in den geschlossenen Vollzug kommt mit einer garantierten persönlichen Fläche von 3 qm oder in den halboffenen oder offenen Vollzug mit einer garantierten persönlichen Fläche von nur 2 qm. Es ist daher wahrscheinlich, dass auch im gegenständlichen Auslieferungsverfahren eine entsprechende Auskunft erteilt werden könnte.

Insoweit hat der Europäische Menschenrechtsgerichtshof seiner Grundsatzentscheidung vom 20.10.2016 auf der Grundlage seiner zahlreichen bisherigen Entscheidungen zu der Frage des Vorliegens noch hinnehmbarer Haftbedingen ausgeführt, dass eine starke Vermutung für eine Verletzung von Art. 3 EMRK durch erniedrigende Haftbedingungen besteht, wenn einem Gefangenen in einem Gemeinschaftshaftraum weniger als 3 qm als persönliche Fläche zur Verfügung stehen (vgl. bereits EGMR, NVwZ-RR 2013, 284, 288).

Dabei, so der Europäische Menschenrechtsgerichtshof, können im Ausnahmefall weitere Umstände diese starke Vermutung widerlegen, es handelt sich somit nicht um eine unwiderlegbare Vermutung. Allerdings, so der Europäische Menschenrechtsgerichtshof, sei es schwer, diese Vermutung zu widerlegen, wenn die persönliche Fläche eklatant weniger als 3 qm ausmacht oder es für eine längere Zeitdauer an einer persönlichen Fläche von unter 3 qm fehlt. Für widerlegbar hält der Europäische Menschenrechtsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 20.10.2016 die starke Vermutung für eine Verletzung von Art. 3 EMRK durch eine persönliche Fläche von unter 3 qm in einem Gemeinschaftshaftraum im Normalfall nur dann, wenn drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:

1. Die Mindesthaftraumgröße wird nur kurzfristig, gelegentlich und geringfügig unterschritten („the reductions in the required minimum personal space of 3 sq. m are short, occasional and minor“).

2. Die Gefangenen haben ausreichende Bewegungsfreiheit außerhalb ihrer Hafträume und angemessene Möglichkeit zur Teilnahme an Außenaktivitäten („such reductions are accompanied by sufficient freedom of movement outside the cell and adequate out-of-cell activities“).

3. Es gibt keine anderen, den Gefangenen zusätzlich beschwerenden Haftumstände („the appli-cant is confined in what is, when viewed generally, an appropriate detention facility, and there are no other aggravating aspects of the conditions of his or her detention“).

Nur wenn es sich um eine kurzfristige, gelegentliche und geringfügige Unterschreitung der persönlichen Mindestfläche von 3 qm handeln würde, kommt es nach Ansicht des Senats noch auf die weiteren Haftbedingen an (ausreichende Bewegungsfreiheit außerhalb der Hafträume, angemessene Möglichkeit zur Teilnahme an Außenaktivitäten und keine anderen, den Gefangenen zusätzlich beschwerende Haftumstände).

Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 20.10.2016 die Unterbringung eines Gefangenen in einer Gemeinschaftszelle für die Dauer von 27 Tagen, in der ihm weniger als 3 qm persönliche Fläche (nämlich 2, 62 qm) zur Verfügung standen, als eine Verletzung von Art. 3 EMRK erachtet wegen erniedrigender Behandlung.

Soweit das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 22.03.2016 (NJW 2016, 1872, 1874) Ausführungen dazu gemacht hat, dass das Recht des Gefangenen auf Achtung seiner Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) einer deutschen Justizvollzugsanstalt Grenzen bei der Belegung und Ausgestaltung der Hafträume setzt und dass die Beurteilung der Frage, ob die Art und Weise der Unterbringung eines Strafgefangenen die Menschenwürde verletzt, von einer Gesamtschau der tatsächlichen, die Haftsituation bestimmenden Umstände abhängt (wobei in erster Linie die Bodenfläche pro Gefangenem und die Situation der sanitären Anlagen, namentlich die Abtrennung und Belüftung der Toilette, einfließen und als die Haftsituation abmildernder Faktor die Verkürzung der täglichen Einschlusszeiten berücksichtigt werden kann), so beziehen sich diese Ausführungen auf die Unterbringung eines Gefangenen in Einzelhafträumen in Deutschland. Diese sind - schon weil es sich vorliegend nicht um eine Unterbringung in einer Einzelzelle handelt - nur bedingt übertragbar auf die Unterbringung in einer Gemeinschaftszelle in Rumänien, würden aber vorliegend auch nicht zu einer abweichenden Sachentscheidung führen.

Sollte sich aus den von der Generalstaatsanwaltschaft anzufordernden ergänzenden Informationen ergeben, dass der Verfolgte planmäßig und dauerhaft in einen Gemeinschaftshaftraum, in dem dem einzelnen Gefangenen unter 3 qm persönliche Fläche zur Verfügung stehen, würde dies nach dem oben Ausgeführten der Bewilligung der Auslieferung entgegenstehen.

Ausweislich der jüngsten Entscheidung des Menschenrechtsgerichtshofs vom 25.04.2017 halten die rumänischen Behörden selbst (Anordnung Nr. 433/2010) eine persönliche Fläche von mindestens 4 qm in einer Gemeinschaftszelle im geschlossenen Vollzug und im Hochsicherheitsvollzug für erforderlich, was auch für Minderjährige und die Untersuchungshäftlinge gilt. Für die Gefangenen im halboffenen oder offenen Vollzug soll nach der vorgenannten Anordnung die persönliche Freifläche sogar mindestens 6 qm betragen.

Dem stehen ausweislich der Entscheidung des Menschenrechtsgerichtshofs vom 25.04.2017 folgende tatsächliche Zahlen gegenüber:

Am 09.08.2016 waren in Rumänien 28.062 Menschen inhaftiert bei einer Haftplatzkapazität von insgesamt 18.820 Plätzen (!). Hieraus errechnet sich eine Überbelegung von 149,11%, bezogen auf den 09.08.2016. Bei dieser Berechnung wurde eine persönliche Fläche von 4 m² (wie es die Anordnung Nr. 433/2010 vorsieht) zugrunde gelegt. Dafür, dass sich die Zahl der Inhaftierten bezogen auf den Tag der Entscheidung des Senats signifikant reduziert hätte, bestehen keinerlei Anhaltspunkte.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte führt in seiner Entscheidung vom 25.04.2017 aus, dass es sich bei der Überbelegung in rumänischen Haftanstalten um ein chronisches Problem handelt. Der Gerichtshof betont, dass er in einer Vielzahl von Fällen seit 2008 immer wieder die Zustände in rumänischen Haftanstalten gerügt hat, insbesondere im Hinblick auf die Überbelegung. Seither musste er wiederholt über die Überbelegung in rumänischen Haftanstalten entscheiden. Auch mehr als 4 Jahre, nachdem das strukturelle Problem der Überbelegung in rumänischen Haftanstalten durch den Menschenrechtsgerichtshof herausgearbeitet wurde, würden die Fälle, die vor ihn gebracht werden, nicht aufhören anzusteigen. Im August 2016 seien 3200 vergleichbare Anträge beim Menschenrechtsgerichtshof eingegangen.

Der Menschenrechtsgerichtshof hat dabei betont, dass die bestehende Praxis mit der Menschenrechtskonvention unvereinbar ist und hat dringend angemahnt, die Überbelegung nunmehr effektiv zu reduzieren.

Zu diesem Zweck hat er verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt, um die Anzahl der Gefangenen zu reduzieren, etwa durch die Verhängung von Strafen, die nicht mit Freiheitsentzug verbunden sind oder den Ausbau der bedingten Entlassung. Hierbei hat er den rumänischen Behörden 1 ar 188/17 - Seite 10 unter Anerkennung der bereits in die Wege geleiteten Reformen - nahegelegt, weitere strukturelle Änderungen vorzunehmen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die vorgenannte Entscheidung Bezug genommen.

Da der Menschenrechtsgerichtshof befürchtet, dass aufgrund der strukturellen Mängel ohne entscheidende Reformen auch in Zukunft eine Vielzahl von Personen Haftbedingungen ausgesetzt sein wird, die gegen Art. 3 EMRK verstoßen, hat er den rumänischen Behörden eine Frist von 6 Monaten ab Rechtskraft der Entscheidung gesetzt, um einen konkreten Zeitplan vorzulegen, aus dem sich geeignete Maßnahmen zur Lösung der strukturellen Probleme ergeben.

Obwohl das CPT eine persönliche Fläche von 4 qm in Gemeinschaftshafträumen für erforderlich hält, liege - so der Menschenrechtsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 25.04.2017 - der persönliche Raum in rumänischen Haftanstalten sehr häufig unterhalb von 3 qm.

Der Menschenrechtsgerichtshof weist hierbei (erneut) darauf hin, dass eine persönliche Fläche von 3 qm in einer Gemeinschaftszelle die Untergrenze ist und dass bei einer persönlichen Freifläche unter 3 qm eine starke Vermutung dafür spricht, dass eine Verletzung von Art. 3 EMRK vorliegt.

Der Menschenrechtsgerichtshof hat in der vorgenannten Entscheidung betont, dass die Inhaftnahme nicht dazu führt, dass dem Gefangenen die durch die Menschenrechtskonvention garantierten Rechte verloren gingen. Im Gegenteil, der Gefangene habe aufgrund seiner besonderen Stellung im Freiheitsentzug Anspruch auf einen erhöhten Schutz, da er vollkommen von der Verantwortlichkeit des Staats abhänge. Art. 3 EMRK erlege den betroffenen Staaten eine positive Verpflichtung auf, jedem Gefangenen Bedingungen zu garantieren, die im Einklang mit der Würde des Menschen stehen.

Die Beachtung von Art. 3 EMRK kann nicht abbedungen werden, auf seine Schutzwirkung kann nicht wirksam verzichtet werden.

In Art. 1 und 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie in Art. 3 EMRK sind Grundwerte der Union und ihrer Mitgliedstaaten verankert. Die EMRK sieht unter allen Umständen ein absolutes Verbot der Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung vor, das unabhängig vom Verhalten des Betroffenen gilt (vgl. Urteil des EGMR, Bouyid/Belgien, Nr. 23380/09, vom 28. September 2015).

Aus diesem Grund kann zur Überzeugung des Senats auch nicht in unmenschliche Haftbedingungen gleichsam „eingewilligt“ werden, indem der Verfolgte der vereinfachten Auslieferung zustimmt.

Der Verfolgte hat sich gemäß § 41 IRG mit seiner vereinfachten Auslieferung einverstanden erklärt. Damit hat er einer Verfahrensvereinfachung zugestimmt und dadurch insbesondere auch auf eine gerichtliche Zulässigkeitsentscheidung verzichtet. Hierdurch hat er aber nicht zugleich in Haftbedingungen im ersuchenden Mitgliedsstaat, die gegen Art. 3 EMRK verstoßen, eingewilligt. Dies folgt schon aus der ihm vor dieser Erklärung erteilten Belehrung, die mit keinem Wort Fragen der Haftbedingungen im ersuchenden Mitgliedsstaat beinhaltet.

Selbst wenn sich aber der Verfolgte mit seiner vereinfachten Auslieferung und Haftbedingungen, die gegen Art. 3 EMRK verstoßen, einverstanden erklärt hätte (wie nicht), wäre dies nach Ansicht des Senats unbeachtlich. Denn in eine Behandlung, die gegen Art. 3 EMRK verstößt, sei es durch Folter, sei es durch unmenschliche Behandlung infolge von unzureichenden Haftbedingungen, kann nach Ansicht des Senats nicht wirksam eingewilligt werden.

Art. 3 EMRK schützt, so führt der Menschenrechtsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 25.04.2017 aus, fundamentale Werte demokratischer Gesellschaften. Das Verbot der Folter und von unmenschlichen Strafen und unmenschlicher Behandlung ist ein Zivilisationswert, der eng verbunden ist mit der Würde des Menschen. Art. 3 EMRK sieht keine Begrenzungen bzw. Einschränkungen vor, auch nicht nach Art. 15 Abs. 2 EMRK, also im Notstandsfall.

Dies hat zur Folge, dass auch in Fällen der vereinfachten Auslieferung die Prüfung der Haftbedingungen im ersuchenden Staat nicht entfallen kann, in diesem Fall ist sie von die Generalstaatsanwaltschaft im Bewilligungsverfahren durchzuführen, falls sie sich nicht entscheidet, im Hinblick auf die Haftbedingungen gem. § 29 Abs. 2 IRG trotz Zustimmung zur vereinfachten Auslieferung eine Zulässigkeitsentscheidung des Oberlandesgerichts herbeizuführen (vgl. OLG München, Beschluss vom 04. April 2017 - 1 AR 328/16 -, juris).

Nachdem die Generalstaatsanwaltschaft vorliegend bislang nicht gemäß § 29 Abs. 2 IRG eine Zulässigkeitsentscheidung des Senats beantragt hat, ist sie die Stelle, die darüber wachen muss, dass ausgeschlossen werden kann (vgl. das EuGH-Urteil vom 05.04.2016 im Verfahren Aranyosi und Cäldäraru(C-404/15, C-659/15 PPU), dass der Verfolgte in Rumänien unmenschlichen Haftbedingungen ausgesetzt wird.

Angesichts des Umstands, dass trotz des oben ausgeführten die Möglichkeit besteht, dass die rumänischen Behörden die Bedenken im Hinblick auf die Haftbedingungen ausräumen, indem sie mitteilen, dass der Verfolgte dort unter Bedingungen, die mit Art. 3 EMRK in Einklang zu bringen sind, inhaftiert werden wird und ihm mindestens 3 qm persönliche Fläche zur Verfügung stehen werden für die Dauer seiner Inhaftierung, war der beantragte Erlass eines Auslieferungshaftbefehls nicht bereits nach § 15 Abs. 2 IRG abzulehnen.

Der Senat legt seiner Entscheidung die Erwartung zugrunde, dass die Generalstaatsanwaltschaft München als zuständige Bewilligungsbehörde die Auslieferung nur dann bewilligen wird, wenn aufgrund der - wie oben ausgeführt nun eilig anzufordernden -ergänzenden Informationen ausreichend sichergestellt ist, dass die Haftbedingungen, die den Verfolgten nach der Auslieferung in Rumänien erwarten, den europäischen Mindeststandards für die Unterbringung von Gefangenen entsprechen und der ihm in einer Gemeinschaftszelle zur Verfügung stehende persönliche Freiraum mindestens 3 qm beträgt - und zwar für die Dauer seiner Inhaftierung.

Der Senat weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass (wie oben ausgeführt) die rumänischen Behörden selbst eine persönliche Freifläche von 4 qm (geschlossener Vollzug) bzw. 6 qm (halboffener und offener Vollzug) pro Gefangenem für erforderlich halten.

Zur Sicherung der Auslieferung ist Haft erforderlich und zulässig, §§ 15, 16 IRG. Es besteht die Gefahr, dass sich der Verfolgte dem Auslieferungsverfahren durch Flucht bzw. Untertauchen in der Bundesrepublik Deutschland entzieht, wenn er auf freien Fuß käme.

Da der verheiratete Verfolgte seit 2015 im Inland über einen festen Wohnsitz verfügt und hier auch soziale Bindungen hat (er lebt mit seiner Frau und seiner 17-jährigen Tochter in Rosenheim) konnte der Auslieferungshaftbefehl jedoch gem. § 25 IRG unter den im Tenor unter Ziffer III genannten Auflagen außer Vollzug gesetzt werden.

Jeder Verstoß gegen eine der Außervollzugsetzungsauflagen hat die sofortige Invollzugsetzung des Auslieferungshaftbefehls zur Folge.

Die Beiordnung des Pflichtbeistandes beruht auf § 40 Abs. 2 Nr. 1 IRG. Aufgrund der Eilbedürftigkeit der Sache wurde der Verfolgte vor der Auswahl nicht gehört. Sollte er binnen einer Woche einen anderen Rechtsanwalt benennen, wird der Senat eine Auswechslung prüfen, §§ 40 Abs. 3 IRG, 142 Abs. 1 StPO.

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(1) Das Oberlandesgericht kann den Vollzug des Auslieferungshaftbefehls aussetzen, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Gewähr bieten, daß der Zweck der vorläufigen Auslieferungshaft oder der Auslieferungshaft auch durch sie erreicht wird. (2)

Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen - IRG | § 14 Örtliche Zuständigkeit


(1) Örtlich zuständig sind das Oberlandesgericht und die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht, in deren Bezirk der Verfolgte zum Zweck der Auslieferung ergriffen oder, falls eine Ergreifung nicht erfolgt, zuerst ermittelt wird. (2) Werden me

Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen - IRG | § 17 Auslieferungshaftbefehl


(1) Die vorläufige Auslieferungshaft und die Auslieferungshaft werden durch schriftlichen Haftbefehl (Auslieferungshaftbefehl) des Oberlandesgerichts angeordnet. (2) In dem Auslieferungshaftbefehl sind anzuführen 1. der Verfolgte,2. der Staat, an

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Oberlandesgericht München Beschluss, 16. Mai 2017 - 1 AR 188/17 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Oberlandesgericht München Beschluss, 16. Mai 2017 - 1 AR 188/17 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Oberlandesgericht München Beschluss, 13. Apr. 2017 - 1 AR 126/17

bei uns veröffentlicht am 13.04.2017

Tenor 1. Die Auslieferung des Verfolgten an die rumänischen Behörden zur Strafvollstreckung wegen der in der im Europäischen Haftbefehl des Amtsgerichts S. vom 29.11.2013, Gz.:…, aufgeführten Straftat wird für unzulässig erklär

Hanseatisches Oberlandesgericht Beschluss, 03. Jan. 2017 - Ausl 81/16

bei uns veröffentlicht am 03.01.2017

Tenor Die Auslieferung des Verfolgten an die Republik Rumänien zum Zwecke der Verfolgung der in dem Europäischen Haftbefehl des Gerichts in Medgidia vom 12. August 2016 (Nr. 7 - Az.: 5379/256/2015) bezeichneten Straftaten ist zulässig. Gründe 1
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Oberlandesgericht München Beschluss, 16. Mai 2017 - 1 AR 188/17.

Oberlandesgericht München Beschluss, 25. Juli 2018 - 1 AR 300/18

bei uns veröffentlicht am 25.07.2018

Tenor 1. Gegen den bulgarischen Staatsangehörigen V. A. Y., geboren am … in …/Bulgarien, wird zur Sicherung der Auslieferung an die bulgarischen Behörden zur Strafvollstreckung Auslieferungshaft angeordnet. 2. Dem A

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(1) Die gerichtlichen Entscheidungen erläßt vorbehaltlich der §§ 21, 22 und 39 Abs. 2 das Oberlandesgericht. Die Entscheidungen des Oberlandesgerichts sind unanfechtbar.

(2) Die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht bereitet die Entscheidung über die Auslieferung vor und führt die bewilligte Auslieferung durch.

(1) Örtlich zuständig sind das Oberlandesgericht und die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht, in deren Bezirk der Verfolgte zum Zweck der Auslieferung ergriffen oder, falls eine Ergreifung nicht erfolgt, zuerst ermittelt wird.

(2) Werden mehrere Verfolgte, die wegen Beteiligung an derselben Tat oder im Zusammenhang damit wegen Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei ausgeliefert werden sollen, in den Bezirken verschiedener Oberlandesgerichte zum Zweck der Auslieferung ergriffen oder ermittelt, so richtet sich die Zuständigkeit danach, welches Oberlandesgericht oder, solange noch kein Oberlandesgericht befaßt ist, welche Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht zuerst mit der Sache befaßt wurde.

(3) Ist der Aufenthalt des Verfolgten nicht bekannt, so bestimmt der Bundesgerichtshof das zuständige Oberlandesgericht.

(1) Nach dem Eingang des Auslieferungsersuchens kann gegen den Verfolgten die Auslieferungshaft angeordnet werden, wenn

1.
die Gefahr besteht, daß er sich dem Auslieferungsverfahren oder der Durchführung der Auslieferung entziehen werde, oder
2.
auf Grund bestimmter Tatsachen der dringende Verdacht begründet ist, daß der Verfolgte die Ermittlung der Wahrheit in dem ausländischen Verfahren oder im Auslieferungsverfahren erschweren werde.

(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn die Auslieferung von vornherein unzulässig erscheint.

(1) Die vorläufige Auslieferungshaft und die Auslieferungshaft werden durch schriftlichen Haftbefehl (Auslieferungshaftbefehl) des Oberlandesgerichts angeordnet.

(2) In dem Auslieferungshaftbefehl sind anzuführen

1.
der Verfolgte,
2.
der Staat, an den die Auslieferung nach den Umständen des Falles in Betracht kommt,
3.
die dem Verfolgten zur Last gelegte Tat,
4.
das Ersuchen oder im Fall des § 16 Abs. 1 Nr. 2 die Tatsachen, aus denen sich ergibt, daß der Verfolgte einer Tat, die zu seiner Auslieferung Anlaß geben kann, dringend verdächtig ist, sowie
5.
der Haftgrund und die Tatsachen, aus denen er sich ergibt.

(1) Nach dem Eingang des Auslieferungsersuchens kann gegen den Verfolgten die Auslieferungshaft angeordnet werden, wenn

1.
die Gefahr besteht, daß er sich dem Auslieferungsverfahren oder der Durchführung der Auslieferung entziehen werde, oder
2.
auf Grund bestimmter Tatsachen der dringende Verdacht begründet ist, daß der Verfolgte die Ermittlung der Wahrheit in dem ausländischen Verfahren oder im Auslieferungsverfahren erschweren werde.

(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn die Auslieferung von vornherein unzulässig erscheint.

§ 3 findet mit den Maßgaben Anwendung, dass

1.
die Auslieferung zur Verfolgung nur zulässig ist, wenn die Tat nach dem Recht des ersuchenden Mitgliedstaates mit einer Freiheitsstrafe oder sonstigen Sanktion im Höchstmaß von mindestens zwölf Monaten bedroht ist,
2.
die Auslieferung zur Vollstreckung nur zulässig ist, wenn nach dem Recht des ersuchenden Mitgliedstaates eine freiheitsentziehende Sanktion zu vollstrecken ist, deren Maß mindestens vier Monate beträgt,
3.
die Auslieferung in Steuer-, Zoll- und Währungsangelegenheiten auch zulässig ist, wenn das deutsche Recht keine gleichartigen Steuern vorschreibt oder keine gleichartigen Steuer-, Zoll- und Währungsbestimmungen enthält wie das Recht des ersuchenden Mitgliedstaates,
4.
die beiderseitige Strafbarkeit nicht zu prüfen ist, wenn die dem Ersuchen zugrunde liegende Tat nach dem Recht des ersuchenden Staates mit einer freiheitsentziehenden Sanktion im Höchstmaß von mindestens drei Jahren bedroht ist und den in Artikel 2 Absatz 2 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. L 190 vom 18. 7. 2002, S. 1), der durch den Rahmenbeschluss 2009/299/JI (ABl. L 81 vom 27.3.2009, S. 24) geändert worden ist, (Rahmenbeschluss Europäischer Haftbefehl) aufgeführten Deliktsgruppen zugehörig ist.

(1) Die Auslieferung ist nicht zulässig, wenn

1.
der Verfolgte wegen derselben Tat, die dem Ersuchen zugrunde liegt, bereits von einem anderen Mitgliedstaat rechtskräftig abgeurteilt worden ist, vorausgesetzt, dass im Fall der Verurteilung die Sanktion bereits vollstreckt worden ist, gerade vollstreckt wird oder nach dem Recht des Urteilsstaates nicht mehr vollstreckt werden kann,
2.
der Verfolgte zur Tatzeit nach § 19 des Strafgesetzbuchs schuldunfähig war oder
3.
bei Ersuchen zum Zweck der Strafvollstreckung die verurteilte Person zu der dem Urteil zugrunde liegenden Verhandlung nicht persönlich erschienen ist oder
4.
die dem Ersuchen zugrunde liegende Tat nach dem Recht des ersuchenden Mitgliedstaates mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder einer sonstigen lebenslangen freiheitsentziehenden Sanktion bedroht ist oder der Verfolgte zu einer solchen Strafe verurteilt worden war und eine Überprüfung der Vollstreckung der verhängten Strafe oder Sanktion auf Antrag oder von Amts wegen nicht spätestens nach 20 Jahren erfolgt.

(2) Die Auslieferung ist abweichend von Absatz 1 Nummer 3 jedoch zulässig, wenn

1.
die verurteilte Person
a)
rechtzeitig
aa)
persönlich zu der Verhandlung, die zu dem Urteil geführt hat, geladen wurde oder
bb)
auf andere Weise tatsächlich offiziell von dem vorgesehenen Termin und Ort der Verhandlung, die zu dem Urteil geführt hat, in Kenntnis gesetzt wurde, sodass zweifelsfrei nachgewiesen wurde, dass die verurteilte Person von der anberaumten Verhandlung Kenntnis hatte, und
b)
dabei darauf hingewiesen wurde, dass ein Urteil auch in ihrer Abwesenheit ergehen kann,
2.
die verurteilte Person in Kenntnis des gegen sie gerichteten Verfahrens, an dem ein Verteidiger beteiligt war, eine persönliche Ladung durch Flucht verhindert hat oder
3.
die verurteilte Person in Kenntnis der anberaumten Verhandlung einen Verteidiger bevollmächtigt hat, sie in der Verhandlung zu verteidigen, und sie durch diesen in der Verhandlung tatsächlich verteidigt wurde.

(3) Die Auslieferung ist abweichend von Absatz 1 Nummer 3 auch zulässig, wenn die verurteilte Person nach Zustellung des Urteils

1.
ausdrücklich erklärt hat, das ergangene Urteil nicht anzufechten, oder
2.
innerhalb geltender Fristen keine Wiederaufnahme des Verfahrens oder kein Berufungsverfahren beantragt hat.
Die verurteilte Person muss zuvor ausdrücklich über ihr Recht auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder auf ein Berufungsverfahren, an dem sie teilnehmen kann und bei dem der Sachverhalt, einschließlich neuer Beweismittel, erneut geprüft und das ursprüngliche Urteil aufgehoben werden kann, belehrt worden sein.

(4) Die Auslieferung ist abweichend von Absatz 1 Nummer 3 ferner zulässig, wenn der verurteilten Person unverzüglich nach ihrer Übergabe an den ersuchenden Mitgliedstaat das Urteil persönlich zugestellt werden wird und die verurteilte Person über ihr in Absatz 3 Satz 2 genanntes Recht auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder ein Berufungsverfahren sowie über die hierfür geltenden Fristen belehrt werden wird.

Die Leistung von Rechtshilfe sowie die Datenübermittlung ohne Ersuchen ist unzulässig, wenn sie wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung widersprechen würde. Bei Ersuchen nach dem Achten, Neunten, Zehnten und Dreizehnten Teil ist die Leistung von Rechtshilfe unzulässig, wenn die Erledigung zu den in Artikel 6 des Vertrages über die Europäische Union enthaltenen Grundsätzen im Widerspruch stünde.

Tenor

1. Die Auslieferung des Verfolgten an die rumänischen Behörden zur Strafvollstreckung wegen der in der im Europäischen Haftbefehl des Amtsgerichts S. vom 29.11.2013, Gz.:…, aufgeführten Straftat wird für unzulässig erklärt.

2. Der Auslieferungshaftbefehl des Senats vom 23.03.2017 wird aufgehoben.

Gründe

I.

Die rumänischen Behörden ersuchen mit Europäischem Haftbefehl des Amtsgerichts S. vom 29.11.2013, Gz.: ., um Auslieferung des rumänischen Staatsangehörigen C. B. zur Sicherung der Auslieferung zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr 1 Monat wegen Sachbeschädigung u. a.

Aus dem vorgenannten Europäischen Haftbefehl ergibt sich, dass der Verfolgte wegen folgenden Sachverhalts in Rumänien in Abwesenheit durch Urteil des Amtsgerichts S. vom 26.03.2013 zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr 1 Monat verurteilt wurde:

Am 23.07.2011 störte der unter Alkoholeinfluss stehende Verfolgte nach Streitigkeiten gemeinsam mit Mittätern die öffentliche Ordnung in einer Bar. Sie flößten anderen Besuchern der Bar Angst ein und bedrohten sie. Des Weiteren kam es zu körperlichen Auseinandersetzungen mit anderen Besuchern der Bar. Sie zerstörten zudem mehrere Gegenstände in der Bar.

Nach Aktenlage ist die verhängte Freiheitsstrafe noch vollständig zu verbüßen.

Der Verfolgte wurde am 12.03.2017 zur Sicherung der Auslieferung vorläufig festgenommen.

Bei seiner Anhörung durch den Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Passau am 13.03.2017 hat der Verfolgte die Tat bestritten und sich nicht mit seiner vereinfachten Auslieferung einverstanden erklärt.

Hinsichtlich des bisherigen Verfahrensgangs wird im Übrigen auf die Senatsentscheidung vom 23.03.2017 Bezug genommen, durch die der Senat gegen den Verfolgten Auslieferungshaft angeordnet, dem Auslieferungsbefehl den Europäischen Haftbefehl des Amtsgerichts S. vom 29.11.2013, Gz.: zugrunde gelegt und die Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung zurückgestellt hat, weil die Haftbedingungen, die den Verfolgten in Rumänien erwarten würden, weiter aufzuklären waren (Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 05.04.2016 in der verbundenen Rechtssache Aranyosi und Cäldäraru - C 404/15 und C 659/15).

Im Hinblick auf die Haftbedingungen in Rumänien hält der 1. Strafsenat des OLG München wie in seiner Entscheidung vom 20.02.2017 ausgeführt (OLG München, Beschluss vom 20. Februar 2017 - 1 AR 68/17 -, juris) weiterhin Erklärungen der dortigen Behörden zu den Haftbedingungen für erforderlich, um nach deren Eingang im Einzelfall entscheiden zu können, ob hierdurch ausreichend sichergestellt ist, dass die den Verfolgten erwartenden Haftbedingungen den Europäischen Mindeststandards für die Unterbringung von Gefangenen entsprechen und nicht gegen Art. 3 EMRK verstoßen. Handelt es sich bei dem ersuchenden Staat um einen EU-Mitgliedsstaat wird insoweit keine „völkerrechtlich verbindliche Zusicherung“ mehr verlangt, sondern „zusätzliche Informationen“ im Sinne der diesbezüglichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 05.04.2016 in der verbundenen Rechtssache Aranyosi und Cäldäraru - C 404/15 und C 659/15).

Mit Schreiben vom 24.03.2017 hat das Amtsgericht S. die Stellungnahme der Nationalen Verwaltung der Strafanstalten vom 23.03.2017 zur Frage der in Rumänien zu erwartenden Haftbedingungen übermittelt.

Der Auslieferungshaftbefehl vom 23.03.2017 wurde dem Verfolgten am 30.03.2017 richterlich eröffnet. Der Verfolgte hat sich weiterhin nicht mit seiner vereinfachten Auslieferung einverstanden erklärt.

II.

Nach Eingang der ergänzenden Informationen zu den Haftbedingungen war gemäß § 29 Abs. 1 IRG über die Zulässigkeit der Auslieferung zu entscheiden.

Soweit der Verfolgte, zuletzt mit Schreiben vom 04.04.2017, eingegangen beim Senat am 10.04.2017, erklärt hat, er würde die Strafe gerne in Deutschland verbüßen, besteht keine Entscheidungszuständigkeit des Senats.

Die für die Entscheidung über die Zulässigkeit erforderlichen Unterlagen liegen in Form des Europäischen Haftbefehls (§ 83a Abs. 1 IRG) und der ergänzenden Informationen vom 23. bzw. 24.03.2017 vor.

Die beiderseitige Strafbarkeit ist gegeben (§ 81 Nr. 2 i. V. m. § 3 IRG). Von der verhängten Freiheitsstrafe sind auch noch mehr als vier Monate zu vollstrecken (§ 81 Nr. 2 IRG).

Zwar handelt es sich bei dem Urteil des Amtsgerichts S. vom 26.03.2013 um ein Abwesenheitsurteil. Ein Auslieferungshindernis nach § 83 Abs. 1 Nr. 3 IRG besteht jedoch gemäß § 83 Abs. 2 Nr. 1 lit. a) aa), b) IRG nicht aufgrund der Angaben im Europäischen Haftbefehl des Amtsgerichts S. vom 29.11.2013 (unter Punkt d).

Soweit der Verfolgte bestreitet, die Tat begangen zu haben, ist eine Tatverdachtsprüfung im Auslieferungsverfahren nach § 10 Abs. 2 IRG nur bei Vorliegen besonderer Umstände zulässig. Allein das Bestreiten der Tat durch den Verfolgten ermöglicht keine Prüfung des Tatverdachts (vgl. Grützner/Vogel, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, § 10 IRG Rn. 93).

Auf der Grundlage des Schreibens des Amtsgerichts S. vom 24.03.2017 und der Stellungnahme der Nationalen Verwaltung der Strafanstalten vom 23.03.2017 begründen die im Falle der Auslieferung zu erwartenden Haftbedingungen in Rumänien ein Auslieferungshindernis nach § 73 IRG, da die Haftbedingungen, die der Verfolgte im Falle seiner Auslieferung in Rumänien im dortigen Strafvollzug zu erwarten hat, den in Art. 3 EMRK verankerten menschenrechtlichen Mindestanforderungen nicht genügen. Die Anforderungen, die Art. 3 EMRK normiert, gehören gemäß Art. 6 Abs. 3 EUV zu den von § 73 IRG in Bezug genommenen Grundsätzen aus Art. 6 EUV.

Aufgrund der ergänzenden Informationen zu den Haftbedingungen ist davon auszugehen, dass der Verfolgte im Falle seiner Übergabe an die rumänischen Behörden zunächst für die Dauer von 21 Tagen in der Haftanstalt Bukarest-Rahova untergebracht werden würde. Die dortigen Hafträume verfügen über eine individuelle Mindestfläche von 3 qm.

Anschließend würde der Verfolgten jedoch „wahrscheinlich“ in der Haftanstalt Satu Mare im halboffenen Vollzug die Freiheitsstrafe verbüßen.

Mangels anderer belastbarer Angaben der rumänischen Behörden nimmt der Senat die Prüfung der Haftbedingungen auf der Grundlage einer Unterbringung des Verfolgten im halboffenen Vollzug in der Haftanstalt Satu Mare vor. Dort steht den Gefangenen in den vorhandenen Gemeinschaftshafträumen jedoch lediglich eine individuelle Mindestfläche von 2 qm zur Verfügung, allerdings sind die Hafträume ausweislich des Schreibens vom 24.03.2017 täglich von 8.00 Uhr bis 12.30 und 13.30 bis 18.00 Uhr geöffnet.

Wie das OLG Celle in seiner Entscheidung vom 02.03.2017 (OLG Celle, Beschluss vom 02. März 2017 - 1 AR (Ausl) 99/16 -, juris) ausgeführt hat, hat auch nach Ansicht des Senats die Prüfung, ob die Haftbedingungen im ersuchenden Mitgliedsstaat Art. 3 EMRK genügen, anhand der vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in seiner Grundsatzentscheidung vom 20.10.2016 (EGMR, Urteil der großen Kammer vom 20. Oktober 2016 - 7334/13, Mursic/Kroatien) aufgestellten Kriterien zu erfolgen.

In seiner Grundsatzentscheidung vom 20.10.2016 führt der Europäische Menschenrechtsgerichtshof auf der Grundlage seiner zahlreichen bisherigen Entscheidungen zu der Frage des Vorliegens noch hinnehmbarer Haftbedingen aus, dass eine starke Vermutung für eine Verletzung von Art. 3 EMRK durch erniedrigende Haftbedingungen besteht, wenn einem Gefangenen in einem Gemeinschaftshaftraum weniger als 3 qm als persönliche Fläche zur Verfügung stehen (vgl. bereits EGMR, NVwZ-RR 2013, 284, 288).

Dabei, so der Europäische Menschenrechtsgerichtshof, können im Ausnahmefall weitere Umstände diese starke Vermutung widerlegen, es handelt sich somit nicht um eine unwiderlegbare Vermutung. Allerdings, so der Europäische Menschenrechtsgerichtshof, sei es schwer, diese Vermutung zu widerlegen, wenn die persönliche Fläche eklatant weniger als 3 qm ausmacht oder es für eine längere Zeitdauer an einer persönlichen Fläche von unter 3 qm fehlt.

Für widerlegbar hält der Europäische Menschenrechtsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 20.10.2016 die starke Vermutung für eine Verletzung von Art. 3 EMRK durch eine persönliche Fläche von unter 3 qm in einem Gemeinschaftshaftraum im Normalfall nur dann, wenn drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:

1. Die Mindesthaftraumgröße wird nur kurzfristig, gelegentlich und geringfügig unterschritten („the reductions in the required minimum personal space of 3 sq. m are short, occasional and minor“).

2. Die Gefangenen haben ausreichende Bewegungsfreiheit außerhalb ihrer Hafträume und angemessene Möglichkeit zur Teilnahme an Außenaktivitäten („such reductions are accompanied by sufficient freedom of movement outside the cell and adequate out-of-cell activities“).

3. Es gibt keine anderen, den Gefangenen zusätzlich beschwerenden Haftumstände („the applicant is confined in what is, when viewed generally, an appropriate detention facility, and there are no other aggravating aspects of the conditions of his or her detention“).

Soweit der Europäische Menschenrechtsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 20.10.2016 Ausführungen zu der Frage der hinnehmbaren Haftbedingungen bei einer persönlichen Fläche von 3 bis 4 qm macht, ist dies für den hier zu entscheidenden Fall ohne Belang, da die rumänischen Behörden mitgeteilt haben, dass der Verfolgte nach der „Quarantänezeit“ von wenigen Wochen, in welcher ihm 3 qm persönliche Fläche zur Verfügung stehen, für den Rest der Strafzeit (somit für mehrere Monate bis hin zu mehr als 1 Jahr, wenn die Freiheitsstrafe von 1 Jahr 1 Monat vollständig vollstreckt wird) in einer Gemeinschaftszelle untergebracht werden wird, in der ihm lediglich 2 qm persönliche Fläche zur Verfügung stehen.

Es bedarf keiner weiteren Erörterung, dass bei einer planmäßigen und dauerhaften Unterbringung in einer Gemeinschaftszelle, in der dem einzelnen Gefangenen nur 2 qm persönliche Fläche zur Verfügung stehen, keinesfalls eine nur „kurzfristige und gelegentliche und geringfügige“ Unterschreitung der Mindesthaftraumgröße vorliegt.

Schon deswegen war die Auslieferung des Verfolgten für unzulässig zu erklären.

Nur wenn es sich - wie nicht - um eine kurzfristige, gelegentliche und geringfügige Unterschreitung der persönlichen Mindestfläche von 3 qm handeln würde, käme es noch auf die weiteren Haftbedingen an (ausreichende Bewegungsfreiheit außerhalb der Hafträume, angemessene Möglichkeit zur Teilnahme an Außenaktivitäten und keine anderen, den Gefangenen zusätzlich beschwerende Haftumstände). Vorliegend führt bereits die mitgeteilte planmäßige und dauerhafte Unterschreitung von 3 qm persönlicher Fläche zur Unzulässigkeit der Auslieferung des Verfolgten.

Zur Verdeutlichung sei an dieser Stelle ausgeführt, dass der Europäische Menschenrechtsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 20.10.2016 die Unterbringung eines Gefangenen in einer Gemeinschaftszelle für die Dauer von 27 Tagen, in der ihm weniger als 3 qm persönliche Fläche (nämlich 2, 62 qm) zur Verfügung standen, als eine Verletzung von Art. 3 EMRK erachtet hat wegen erniedrigender Behandlung. Vorliegend handelt es sich aber um eine mehrmonatige und planmäßige Unterbringung in einer Gemeinschaftszelle, in der dem einzelnen Gefangenen nur eine persönliche Fläche von 2 qm zur Verfügung steht.

Soweit das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 22.03.2016 (NJW 2016, 1872, 1874) Ausführungen dazu gemacht hat, dass das Recht des Gefangenen auf Achtung seiner Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 des deutschen Grundgesetzes) einer deutschen Justizvollzugsanstalt Grenzen bei der Belegung und Ausgestaltung der Hafträume setzt und dass die Beurteilung der Frage, ob die Art und Weise der Unterbringung eines Strafgefangenen die Menschenwürde verletzt, von einer Gesamtschau der tatsächlichen, die Haftsituation bestimmenden Umstände abhängt (wobei in erster Linie die Bodenfläche pro Gefangenem und die Situation der sanitären Anlagen, namentlich die Abtrennung und Belüftung der Toilette, einfließen und als die Haftsituation abmildernder Faktor die Verkürzung der täglichen Einschlusszeiten berücksichtigt werden kann), so beziehen sich diese Ausführungen auf die Unterbringung eines Gefangenen in Einzelhafträumen in Deutschland. Diese sind -schon weil es sich vorliegend nicht um eine Unterbringung in einer Einzelzelle handelt - nur bedingt übertragbar auf die Unterbringung in einer Gemeinschaftszelle in Rumänien, würden aber vorliegend auch nicht zu einer abweichenden Sachentscheidung führen.

Nach dem Schreiben des Amtsgerichts S. vom 24.03.2017 sind im halboffenen Vollzug in der Haftanstalt Satu Mare in den Zeiträumen von 8.00 bis 12.30 Uhr und von 13.30 Uhr bis 18.00 Uhr - insgesamt also für einen Zeitraum von neun Stunden täglich - diverse Betätigungen der Gefangenen einschließlich von Spaziergängen im Hof vorgesehen bzw. ermöglicht.

Dies ist jedoch schon deswegen unbeachtlich, da - wie bereits ausgeführt - bei einer planmäßigen und dauerhaften Unterbringung in einer Gemeinschaftszelle, in der dem einzelnen Gefangenen nur 2 qm persönliche Fläche zur Verfügung stehen, keinesfalls eine nur „kurzfristige und gelegentliche und geringfügige“ Unterschreitung der Mindesthaftraumgröße vorliegt und es damit bereits an einer der kumulativ erforderlichen Bedingungen fehlt, unter denen im Ausnahmefall eine Unterbringung, bei der 3 qm persönliche Fläche unterschritten wird, ggfs. - und nur beim Vorliegen der weiteren beiden vorgenannten Bedingungen - keine Verletzung von Art. 3 EMR darstellt.

Wie das OLG Celle in seiner Entscheidung vom 02.03.2017 ausgeführt hat, kann nach der jüngsten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, Urteil vom 14. Februar 2017 - 14249/07, Lazar/Rumänien; EGMR, Urteil der Großen Kammer vom 20. Oktober 2016 - 7334/13, MursiC/Kroatien) bei einer Unterschreitung von 3 qm persönlicher Fläche pro Gefangenem nur dann entgegen der vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte aufgestellten Regelvermutung ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK ausnahmsweise verneint werden, wenn die drei vorgenannten (kompensatorischen) Voraussetzungen kumulativ gegeben sind. In seiner vorgenannten Entscheidung hat auch das OLG Celle für den halboffenen Vollzug in Rumänien die Voraussetzungen, unter denen ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK trotz Unterschreitung einer persönlichen Fläche von 3 qm pro Gefangenem ausnahmsweise verneint werden könnte, als nicht gegeben erachtet.

Soweit das OLG Hamburg in seiner Entscheidung vom 03.01.2017 (Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 03. Januar 2017 - Ausl 81/16 -, juris) bei der gebotenen Gesamtschau der Haftbedingungen in Rumänien eine Auslieferung im Einzelfall auch dann für zulässig hält, wenn die persönliche Fläche von 3 qm in einer Gemeinschaftszelle unterschritten wird, kann sich der Senat dem nicht anschließen (vgl. hierzu auch die Senatsentscheidung vom 20.02.2017, OLG München, Beschluss vom 20. Februar 2017 - 1 AR 68/17 -, juris).

Nachdem die Auslieferung des Verfolgten für unzulässig zu erklären war, war der Auslieferungshaftbefehl des Senats vom 23.03.2017 aufzuheben.

Tenor

Die Auslieferung des Verfolgten an die Republik Rumänien zum Zwecke der Verfolgung der in dem Europäischen Haftbefehl des Gerichts in Medgidia vom 12. August 2016 (Nr. 7 - Az.: 5379/256/2015) bezeichneten Straftaten ist zulässig.

Gründe

1

Die Voraussetzungen für die von der Republik Rumänien ersuchte Auslieferung des derzeit in anderer Sache in Strafhaft befindlichen (Ablauf von 2/3: 24. Juli 2017; Ende: 24. September 2017) Verfolgten zum Zwecke der Strafverfolgung sind entsprechend den hier anwendbaren rechtlichen Maßgaben der §§ 29, 32 Satz 1, §§ 78 ff. IRG gegeben.

I.

2

Es liegt ein formgerechtes Auslieferungsersuchen nach § 83a Abs. 1 IRG vor.

3

1. Gegen den Verfolgten besteht der in der Beschlussformel benannte, bei den Akten befindliche Europäische Haftbefehl und seit dem 24. August 2016 eine entsprechende Ausschreibung im Schengener Informationssystem, die alle nach § 83a Abs. 1 Nr. 1 bis 6 IRG erforderlichen Angaben enthalten und deshalb eine ausreichende Auslieferungsgrundlage darstellen. Grundlage ist ein nationaler Haftbefehl desselben Gerichts vom 1. Juli 2015 (13/UP/01.07.2015).

4

2. Dem Verfolgten werden darin folgende Taten zur Last gelegt:

5

a) Im Juni 2015 schloss er einen Vertrag für einen Aufenthalt in dem Hotel B. in Medgidia für eine Aufenthaltsdauer vom 21. Juni bis zum 21. Juli 2015, wobei er von vornherein nicht beabsichtigte das Entgelt zu entrichten. Tatsächlich hielt er sich vom 21. bis zum 25. Juni 2015 in dem Hotel auf und verschwand dann, ohne zu bezahlen.

6

b) Am 24. Juni 2015 spiegelte er in Medgidia dem Zeugen M. St.-R. vor, diesen als Buchhalter bei der N. ST. einzustellen und verlangte als Gegenleistung von dem Zeugen, ein falsches Dokument herzustellen, in dem der Wahrheit zuwider bestätigt wurde, die Einkünfte der N. ST. würden 12.000 Ron (2.700 €) betragen.

7

c) Im Zeitraum vom 24. bis zum 25. Juni 2016 verwendete er das gefälschte Dokument und versuchte auf Kredit Elektrogeräte im Gesamtwert von 30.000 RON (6.700 €) bei der Firma SC A. R. SRL in Medgidia zu kaufen, wurde jedoch auf frischer Tat von der Polizei gefasst.

II.

8

Die Auslieferung des Verfolgten im Übrigen ist zulässig (§ 15 Abs. 2 IRG).

9

1. Gemäß § 81 Nr. 4 IRG erfolgt keine Prüfung der beiderseitigen Strafbarkeit, da die dem Ersuchen zugrunde liegenden Taten nach rumänischem Recht den in Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. L 190 vom 18. Juli 2002, S. 1) aufgeführten Deliktsgruppen zugehörig (Betrug) und im Höchstmaß mit Freiheitstrafe von mindestens drei Jahren bedroht sind.

10

2. Die Voraussetzungen des § 81 Nr. 1 IRG liegen vor. Die dem Verfolgten zur Last gelegten Straftaten sind im Höchstmaß mit einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren bedroht, so dass das erforderliche Mindestmaß von zwölf Monaten überschritten ist.

11

3. Verfolgungsverjährung ist ersichtlich noch nicht eingetreten.

12

4. Die Grundsätze der Gegenseitigkeit und Spezialität (§§ 5 und 11 IRG) sind gemäß § 82 IRG nicht zu berücksichtigen.

III.

13

Auslieferungs- und Bewilligungshindernisse liegen nicht vor (§§ 73, 83, 83b IRG).

14

1. Die Tat weist mit Blick auf ihren Begehungs- und Erfolgsort die notwendige Beziehung zum ersuchenden Staat auf (§ 83b Abs. 2 lit. a i.V.m. § 81 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 IRG).

15

2. Auslieferungshindernisse bestehen nicht. Dies gilt vor dem Hintergrund der Gewährleistungen von § 73 Satz 1 und 2 IRG i.V.m. Art. 4 der EU-Grundrechtecharta namentlich auch mit Blick auf die Haftbedingungen in Rumänien.

16

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Urteil vom 5. April 2016 in den verbundenen Rechtssachen Aranyosi und Căldăraru - C-404/15 und C-659/15 PPU, NJW 2016, 1709 ff., m. Anm. Böhm) ist klargestellt, dass der in Art. 1 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. L 190, S. 1) in der durch den Rahmenbeschluss 2009/299/JI des Rates vom 26. Februar 2009 (ABl. L 81, S. 24) geänderten Fassung (im Folgenden: Rahmenbeschluss) verankerte Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens die Mitgliedstaaten zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls verpflichtet. Lediglich die abschließend im Rahmenbeschluss aufgezählten Zurückweisungsgründe können ausnahmsweise die Ablehnung der Auslieferung begründen. Außerdem kann die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls nur an eine der in Art. 5 des Rahmenbeschlusses erschöpfend aufgeführten Bedingungen geknüpft werden. Allerdings ist unter außergewöhnlichen Umständen eine Beschränkung der Grundsätze der gegenseiteigen Anerkennung und des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaten möglich (EuGH, a.a.O., Rn. 80), die etwa in einem Verstoß gegen das in Art. 4 der EU-Grundrechtecharta aufgestellte Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung begründet sein können (EuGH, a.a.O., Rn. 91-95).

17

a) Die vollstreckende Justizbehörde hat daher zunächst zu prüfen, ob objektive, zuverlässige, genaue und gebührend aktualisierte Angaben vorliegen für die Annahme systemischer oder allgemeiner, bestimmte Personengruppen oder bestimmte Haftanstalten betreffende Mängel der Haftbedingungen im Ausstellungsmitgliedstaat vorliegen. Diese Angaben können sich unter anderem aus Entscheidungen internationaler Gerichte, wie Urteilen des EGMR, aus Entscheidungen von Gerichten des Ausstellungsmitgliedstaates oder aus Entscheidungen, Berichten oder anderen Schriftstücken von Organen des Europarates oder aus dem System der Vereinten Nationen ergeben (EuGH, a.a.O., Rn. 89).

18

Schon vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (inter alia: Urt. v. 19. März 2013, Blejuşcă v. Rumänien, Individualbeschwerde Nr. 7910/10; Urt. v. 10. Juni 2014, Marin v. Rumänien, Individualbeschwerde Nr. 79857/12; Urt. v. 10. Juni 2014, Vociu v. Rumänien, Individualbeschwerde Nr. 22015/10; Urt. v. 10. Juni 2014, Bujorean v. Rumänien, Individualbeschwerde Nr. 13054/12; Urt. v. 10. Juni 2014, Burlacu v. Rumänien, Individualbeschwerde Nr. 51318/12; zuletzt - soweit über www.hudoc.echr.coe.int ersichtlich - Urt. v. 21. Juni 2016, Eze v. Rumänien, Individualbeschwerde Nr. 80529/13) und mit Blick auf die Rechtsprechung verschiedener deutscher Oberlandesgerichte (OLG Stuttgart, Beschl. v. 17. Juni 2016 - 1 Ausl 6/16; OLG Koblenz, Beschl. v. 6. Juni 2016 - 1 AR 26/16 A; HansOLG Bremen, Beschl. v. 30. Juni 2016 - 1 Ausl. A 23/15; OLG Hamm, Beschl. v. 23. August 2016 - III-2 Ausl 125/16) erkennt der Senat derart substantiierten Anhalt für das Vorliegen systemischer und allgemeiner Mängel der Haftbedingungen im Ausstellungsmitgliedstaat.

19

b) In einem weiteren Schritt ist sodann zu prüfen, ob es ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme gibt, dass der Verfolgte im Fall seiner Auslieferung einer „echten Gefahr“ unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta ausgesetzt sein wird. Dazu können nach Art. 15 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses unter Beachtung der Frist des Art. 17 Nachfragen an die Justizbehörde des Ausstellungsmitgliedstaats gestellt werden. Werden die Informationen erteilt und stellt das Gericht im Vollstreckungsstaat fest, dass eine solche Gefahr besteht, ist die Vollstreckung des Haftbefehls „aufzuschieben“ (EuGH, a.a.O., Rn. 92-98). Es ist dann unter Beachtung namentlich des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und der Unschuldsvermutung darüber zu befinden, ob der Auslieferungshaftbefehl aufrechterhalten werden kann. Kann letztlich das Vorliegen einer „echten Gefahr“ nicht (innerhalb einer angemessenen Frist) ausgeschlossen werden, muss die vollstreckende Justizbehörde darüber entscheiden, ob das Übergabeverfahren zu „beenden“ ist (EuGH, a.a.O., Rn. 104).

20

c) Eine solchermaßen verstandene „echte Gefahr“ liegt für den Verfolgten nicht vor.

21

aa) Der Senat hat über die Generalstaatsanwaltschaft verschiedene Stellungnahmen der rumänischen Behörden eingeholt. Ihm liegen vor: eine Stellungnahme des Gerichts in Medgidia vom 4. Oktober 2016 (Bl. 95 ff. d.A.), eine Stellungnahme des rumänischen Justizministeriums vom 21. Oktober 2016 (in der Übersetzung versehentlich: 19. Oktober 2016, überreicht mit Schreiben vom 25. Oktober 2016, Bl. 107 ff. d.A.) sowie eine weitere Stellungnahme des rumänischen Justizministeriums vom 15. Dezember 2016 (überreicht mit Schreiben vom 21. Dezember 2016, Bl. 189 d.A.). Darüber hinaus liegt dem Senat der Besuchs- und Gesprächsvermerk des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 1. Dezember 2016 (Az.: II B 4 - 9123/2R1-27 298/2016) sowie eine diesem Vermerk beigeschlossene Stellungnahme des rumänischen Justizministeriums vom 8. September 2016 (Bl. 195 ff. d.A.) vor.

22

bb) Die Auswertung der vorerwähnten Unterlagen ergibt folgendes Bild:

23

(1) Nach der begehrten Überstellung des Verfolgten wird seine anschließende rumänische Untersuchungshaft aufgrund des Gesetzes Nr. 254 vom 19. Juli 2013 unter der Aufsicht der Justizbehörden in den Haftzentren des Innenministeriums vollstreckt werden (Stellungnahme vom 15. Dezember 2016). Sollte der Verfolgte im Rahmen des gegen ihn geführten Strafverfahrens zu einer zu verbüßenden Freiheitsstrafe verurteilt werden, erfolgt zunächst die Aufnahme in eine Haftanstalt zur Durchführung der nach rumänischem Recht vorgesehenen Quarantäne- und Aufsichtszeit von 21 Tagen. In dieser Zeit werden der Gesundheitszustand des Gefangenen sowie der Bedarf an notwendiger sozialer und psychologischer Unterstützung erhoben und dem Gefangenen die Aktivitäten im Justizvollzug sowie dessen Möglichkeiten erläutert. Daraufhin wird ein individueller Plan für jeden Gefangenen erstellt werden, aufgrund dessen eine Fachkommission das Vollzugsregime, in das der Gefangene nach der Quarantäneperiode eingewiesen werden soll, festlegen wird. Dabei ist maßgeblich, dass er so nah wie möglich an seinem Wohnort untergebracht wird. Alle Strafanstalten verfügten über Fachpersonal, das soziale und psychologische Hilfe anbieten könne (vgl. auch Bericht des BMJV). Die Aufnahmeanstalt Bukarest Rahova verfügt über 24 „Quarantänezimmer“, in denen jedem Häftling ein individueller Raum von drei Quadratmetern zur Verfügung steht (Stellungnahme vom 21. Oktober 2016).

24

Im rumänischen Justizvollzug gibt es vier Vollzugsregime: zwei strenge und zwei gelockerte. Bei einer zu verbüßenden Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren beginnt die Vollstreckung regelhaft im halb-offenen oder offenen Regime. Bei Freiheitsstrafen darüber zunächst im „strengen“ oder „sehr strengen“ geschlossenen Vollzug (Stellungnahme des rumänischen Justizministeriums vom 8. September 2016). Nach Verbüßung von einem Fünftel der Strafe prüft die Fachkommission eine Änderung des Vollzugsregimes für den betreffenden Gefangenen. In den Fällen, in denen ein Gefangener beispielsweise Straftaten während der Inhaftierung begangen hat, verbleibt er in einem regressiven System. Ansonsten kann er in ein progressives verlegt werden. Im offenen Vollzug können die Gefangenen auch außerhalb der Anstalt an Aktivitäten teilnehmen (Stellungnahme vom 8. September 2016, a.a.O.).

25

In den strengen Regimen sind die Haftraumtüren grundsätzlich tagsüber und nachts verschlossen, da hier hohe Sicherheitsstandards herrschen. Die hier untergebrachten Gefangenen können sich etwa drei Stunden pro Tag außerhalb ihres Haftraumes bewegen, um z.B. mindestens zwei Stunden lang am Aufenthalt im Freien teilzunehmen, zu duschen oder zu telefonieren. Zudem besteht das Recht, Besuch zu empfangen und wöchentlich in der Anstalt einzukaufen. Darüber hinaus können sich die Gefangenen an kulturellen, sportlichen und religiösen Aktivitäten beteiligen. In den gelockerten Regimen haben die Gefangenen die Möglichkeit, sich tagsüber frei zu bewegen. Im offenen Vollzug sind die Haftraumtüren auch nachts geöffnet (vgl. auch BMJV, a.a.O.). Im Krankheitsfall besteht die Möglichkeit der Überweisung in ein Haftkrankenhaus.

26

Mit Blick auf die Wohnortnähe wird die Vollstreckung einer etwaigen unbedingten Freiheitsstrafe für den Verfolgten voraussichtlich in der Haftanstalt Tulcea erfolgen (Stellungnahme vom 21. Oktober 2016). Die dortigen Haftzellen verfügen jeweils über ein Badezimmer mit Zugang von der Haftzelle, mit Waschbecken, Toilette und Dusche. Tageslicht wird in der Haftzelle über ein Fenster in der Größe 1,13m x 1,15m, künstliche Beleuchtung über weißes Neonlicht mit 4x18W gewährleistet. Natürliche Zimmerbelüftung wird über das Fenster der Haftzelle sowie über das Badezimmerfenster (0,52m x 0,45m) bewirkt. Neben dem Bett stehen als Mobiliar Tisch, Stühle, Kleiderhaken und Regalräume mit einer Fläche von 0,78 Quadratmetern zur Verfügung. Fließendes Kaltwasser wird ununterbrochen, fließendes Warmwasser dreimal wöchentlich zur Verfügung gestellt. Desinfektionsmaßnahmen werden regelmäßig und anlassbezogen durchgeführt. Renovierungsmaßnahmen (Anstrich) erfolgen jährlich. Wäschewaschgelegenheit besteht wöchentlich.

27

Die rumänischen Behörden sichern darüber hinaus zu, dass dem Verfolgten ein „minimaler persönlicher Raum einschließlich Bett und entsprechende Möbel“ von drei Quadratmetern bei Vollstreckung im geschlossenen Regime und von zwei Quadratmetern bei Vollstreckung im halboffenen oder offenen Regime zu Verfügung stehen wird.

28

(2) Zur Situation und zur Entwicklung des Strafvollzuges in Rumänien im Allgemeinen ist der Senat zu folgenden Erkenntnissen gelangt:

29

Die Haftanstalten in Rumänien sind auch derzeit noch deutlich überbelegt, es fehlen ca. 9.500 Haftplätze. Die rumänische Regierung hat jedoch, die Haftplatzkapazität noch im Jahr 2016 um 659 neue Haftplätze erhöht und 200 Haftplätze modernisiert. Für 2017 ist die Schaffung von 200 neuen Haftplätzen geplant. In den Jahren 2018 bis 2020 sollen 5.500 neue Plätze geschaffen werden (Bericht des BMJV, a.a.O.).

30

Die Gesamtanzahl der Strafgefangenen ist seit Januar 2014 (33.434 Gefangene) signifikant zurückgegangen und betrug im Januar 2015 noch 29.969 und im Juni 2016 noch 28.234. (Stellungnahme des rumänischen Justizministeriums vom 8. September 2016). Dies beruht auch auf aktuellen Änderungen des rumänischen Strafverfahrens- und Strafrechts, wodurch eine Ausweitung der Möglichkeit von Haftstrafen vermeidenden Geldstrafen sowie insgesamt eine Herabsetzung der Strafandrohungen erreicht wurden (Stellungnahme vom 8. September 2016 a.a.O.). Aus denselben Gründen ist auch die Anzahl von Untersuchungshaftanordnungen von 3.055 auf 2.082 zurückgegangen. Gleichwohl sind per 15. Juli 2016 noch 28.125 Personen inhaftiert, was bei Zugrundelegung einer Mindestfläche an individuellem Raum von vier Quadratmetern immer noch zu einer Überbelegung mit einer Belegungsquote von 150,46% führt (Stellungnahme vom 8. September 2016, a.a.O.).

31

Die rumänischen Behörden sind bemüht, den Zugang zu heißem Wasser für die Gefangenen über das nunmehr nach eigenem Recht (Gesetz Nr. 254/2013) notwendige Maß (zweimal wöchentliches Baden) hinaus auszubauen. Derzeit gibt es in 21 Haftanstalten täglich heißes Wasser und in 15 weiteren Haftanstalten mindestens dreimal wöchentlich heißes Wasser (Stellungnahme vom 8. September 2016, a.a.O.).

32

Im Jahr 2015 seien 1.200 Gefangene aufgrund eines Europäischen Haftbefehls nach Rumänien ausgeliefert worden. Für das Jahr 2016 wird die Zahl auf 2.000 geschätzt. Aus Sicht der rumänischen Behörden ist es daher problematisch, für jeden einzelnen Fall Zusicherungen abzugeben. Gleichwohl wolle man sich in Zukunft bemühen, die Zusicherungen auf den Einzelfall abzustimmen. Zudem habe man die Zusicherungen inzwischen dahingehend aktualisiert, dass man einen Raum von mindestens drei Quadratmetern für Gefangene zusichern könne, die sich in einem geschlossenen Regime befänden und zwei Quadratmetern Raum für Gefangene, die in einem Mehrfachhaftraum mit offenen Türen untergebracht seien (BMJV, a.a.O.).

33

Im Rahmen der aktuellen Rechtsveränderungen hat Rumänien darüber hinaus die Rechtsschutzmöglichkeiten für Strafgefangene ausgeweitet. Nunmehr existiert ein - der deutschen Strafvollstreckungskammer vergleichbarer - „Judge for the supervision of the depriviation of liberty“, der eine effektive und unabhängige Kontrolle des Strafvollzugsregimes gewährleistet, sowie - seit Anfang 2015 - ein Ombudsmann, der die Haftbedingungen im rumänischen Strafvollzug überwacht und rechtlich abgesicherte umfangreiche Kontroll- und Interventionsmöglichkeiten besitzt und von den einzelnen Strafgefangenen angerufen werden kann (Stellungnahme vom 8. September 2016, a.a.O.). Schließlich ist die Gewährung von Hafturlaub (bis zu 24 Stunden und über 24 Stunden hinaus) zwischen 2012 (1.273 Beurlaubungen) und 2015 (3.619 Beurlaubungen) konsequent ausgeweitet worden (Stellungnahme vom 8. September 2016, a.a.O.).

34

cc) Auf der Grundlage der dem Senat vorliegenden tatsächlichen Erkenntnisse vermag er keine die „Aufschiebung“ oder „Beendigung“ des Auslieferungsersuchens gebietende „echte Gefahr“ für den Verfolgten zu erkennen. Auch steht die Erledigung des Auslieferungsersuchens nicht im Widerspruch zu den in Art. 6 des Vertrages über die Europäische Union enthaltenen Grundsätzen (§ 73 Satz 2 IRG).

35

(1) Bei dieser Prüfung legt der Senat folgende rechtliche Maßstäbe und Erwägungen zu Grunde:

36

(aa) zum grundgesetzlichen Prüfungsmaßstab: Ein Verstoß gegen grundrechtsgleiche und rechtsstaatliche Garantien kann wegen der grundsätzlichen, im vertraglichen Bereich bestehenden Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland zur Auslieferung und der Achtung und dem Respekt vor fremden Rechtsordnungen nur beschränkt auf eine Verletzung ihres Kernbereiches zu einem Auslieferungshindernis führen, wobei hierfür maßgeblich ist, ob die Auslieferung und ihr zugrundeliegende Akte gegen den nach Art. 25 GG völkerrechtlich verbindlichen Mindeststandard sowie gegen unabdingbare verfassungsrechtliche Grundsätze der öffentlichen Ordnung verstoßen würden. Damit ist eine Auslieferung unzulässig, wenn diese fundamentalen Grundsätze der deutschen Rechtsordnung oder dem völkerrechtlich verbindlichen Mindeststandard auf dem Gebiet der Menschenrechte widerspricht. Das ist der Fall, wenn der ersuchte Staat mit einer Rechtshilfehandlung dazu beitragen würde, dass der Ausgelieferte der Folter oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe ausgesetzt würde. Diese Mindestvoraussetzungen gehören inzwischen zum festen Bestand des völkerrechtlichen Menschenrechtsschutzes.

37

(bb) zum europarechtlichen Prüfungsmaßstab: Diese Grundsätze werden im Kontext des Rahmenbeschlusses europarechtlich überwölbt und durch § 73 Satz 2 IRG innerstaatlich weiter konkretisiert. Der Rahmenbeschluss ist darauf gerichtet, durch die Einführung eines neuen vereinfachten und wirksameren Systems der Übergabe von Personen, die wegen einer Straftat verurteilt wurden oder einer Straftat verdächtigt werden, die justizielle Zusammenarbeit zu erleichtern und zu beschleunigen, um zur Verwirklichung des der Union gesteckten Ziels beizutragen, zu einem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu werden, und setzt ein hohes Maß an Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten voraus. Der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung, auf den sich das System des Europäischen Haftbefehls stützt, beruht seinerseits auf dem gegenseitigen Vertrauen der Mitgliedstaaten darauf, dass ihre jeweiligen nationalen Rechtsordnungen in der Lage sind, einen gleichwertigen und wirksamen Schutz der auf Unionsebene und insbesondere in der Charta anerkannten Grundrechte zu bieten (EuGH, Urt. v. 5. April 2016, verbundene Rechtssachen Aranyosi und Căldăraru - C-404/15 und C-659/15 PPU). Sowohl der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten als auch der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung haben im Unionsrecht fundamentale Bedeutung, da sie die Schaffung und Aufrechterhaltung eines Raums ohne Binnengrenzen ermöglichen. Konkret verlangt der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens, namentlich in Bezug auf den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, von jedem Mitgliedstaat, dass er, abgesehen von außergewöhnlichen Umständen, davon ausgeht, dass alle anderen Mitgliedstaaten das Unionsrecht und insbesondere die dort anerkannten Grundrechte beachten (EuGH, a.a.O.).

38

(cc) zum konventionsrechtlichen Prüfungsmaßstab des EGMR: Rumänien ist in der Vergangenheit - betreffend Haftzeiten bis einschließlich 2014 - mehrfach wegen konventionswidriger, einen Verstoß gegen Art. 3 der EMRK begründender Haftbedingungen durch den EGMR verurteilt worden. Nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR verpflichtet Art. 3 EMRK die Mitgliedstaaten dazu, die Haftbedingungen so auszugestalten, dass sie mit der Menschenwürde vereinbar sind und die konkrete Art der Durchführung der Freiheitsentziehung den Strafgefangenen nicht über das mit der Freiheitsentziehung selbst unbedingt notwendige Maß hinaus beeinträchtigt (vgl. z.B. EGMR, Urt. v. 19. März 2013, Blejuşcă v. Rumänien, Individualbeschwerde Nr. 7910/10 m.w.N. zur Rspr. des Gerichtshofs). Bei der Beurteilung eines Konventionsverstoßes ist dabei auf die kumulativen Effekte der Haftbedingungen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung Bedacht zu nehmen („…account has to be taken of the cumulative effects of these conditions, as well as of the specific allegations made by the applicant…“, EGMR, a.a.O., Rn. 40).

39

Allerdings kann - möglicherweise aber nur wegen im Streit befindlicher Haftbedingungen im Einzelfall („…the conditions of the … detention are in dispute between the parties.“) - auch eine unzureichende Haftraumgröße allein einen Konventionsverstoß begründen. Vor diesem Hintergrund hat der EGMR - trotz Betonung der Notwendigkeit einer Gesamtbetrachtung („cumulative effects of the conditions“) - unter Verweis auf seine Rechtsprechung in der Sache Orchowski v. Polen (Urt. v. 22. Oktober 2009, Individualbeschwerde Nr. 17885/04) einen Konventionsverstoß bejaht und jedenfalls einen individuellen Haftraumplatz von unter drei Quadratmetern als nicht konventionskonform beanstandet (vgl. z.B. EGMR, Urt. v. 10. Juni 2014, Marin v. Rumänien, Individualbeschwerde Nr. 79857/12).

40

(dd) Mit Blick auf die Funktionsfähigkeit der Strafrechtspflege innerhalb der Europäischen Union ist zudem Folgendes zu bedenken: Lehnt die Bundesrepublik die hier begehrte Auslieferung zur Strafverfolgung ab, werden die in Rumänien begangenen Straftaten ungesühnt bleiben. Ein etwaiges Ersuchen der rumänischen Behörden, die dort mutmaßlich begangenen Straftaten hier aufzuklären und ggf. abzuurteilen wäre ersichtlich unzweckmäßig und mit Blick auf die in Rumänien zu erhebenden Beweise kaum praktisch durchführbar. Aber auch die Konsequenzen aus einer verweigerten Auslieferung zur Strafvollstreckung erscheinen - jedenfalls soweit rumänische Staatsangehörige ohne Verwurzelung in Deutschland betroffen sind - mit Blick auf die durch die Sprachbarriere hier verringerten Resozialisierungschancen durchgreifend verfehlt. Schließlich würde die Schaffung eines „safe havens“ in Deutschland solche rumänischen Beschuldigten und Verurteilten privilegieren, die sich nach Begehung ihrer Straftaten in Rumänien erfolgreich nach Deutschland absetzen konnten. All das liefe den Zielen der Europäischen Union und namentlich einer wirksamen innereuropäischen Strafrechtspflege erkennbar diametral entgegen. Möglicherweise vor diesem Hintergrund ist die Haltung der eine Auslieferung für unzulässig erklärenden deutschen Oberlandesgerichte innerhalb der Europäischen Union auch nahezu singulär. Ein Treffen von Fachleuten aus den EU Mitgliedstaaten, das am 20. Oktober 2016 auf Einladung der Europäischen Kommission in Brüssel stattgefunden hat, ergab, dass in den meisten anderen Mitgliedstaaten die Gefahr menschenrechtswidriger Haftbedingungen im Falle Rumäniens nicht gesehen wird. Die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Urteil vom 5. April 2016 in den verbundenen Rechtssachen Aranyosi und Căldăraru - C-404/15 und C-659/15 PPU) erforderliche zweite Stufe (Einforderung von Zusicherungen oder ergänzenden belastbaren Informationen) wird von den meisten Mitgliedstaaten daher nicht betreten (BMJV, a.a.O.).

41

(2) Bei Anwendung und Beachtung der vorstehenden rechtlichen Grundsätze und Erwägungen sieht der Senat mit Blick auf die Haftbedingungen in Rumänien keine Auslieferungshindernisse. Dabei berücksichtigt er namentlich, dass die jedenfalls bis 2014 bestehenden Haftbedingungen Anlass zu Verurteilungen Rumäniens durch den EGMR wegen Verstoßes gegen Art. 3 der EMRK gegeben haben und dass der Gerichtshof - jedenfalls teilweise - auch allein auf unzureichende Haftraumgröße abgestellt hat. Der Senat hält gleichwohl - auch mit Blick auf europarechtliche Vorgaben (vgl. hierzu im Kontext der Überprüfung mitgliedstaatlicher Beweisgewinnung durch deutsche Strafgerichte auch BGH, Beschl. v. 21. November 2012 - 1 StR 310/12, BGHSt 58, 32 ff., Rn. 33 ff.) - eine Gesamtbetrachtung der Haftsituation in Rumänien für angezeigt, bei der freilich der Haftraumgröße wesentliche indizielle Bedeutung zukommt („A serious lack of space in a prison cell weighs heavily as a factor to be taken into account for the purpose of establishing whether the detention conditions … are 'degrading' from the point of view of Article 3…“, EGMR, Urt. v. 10. Juni 2014, Marin v. Rumänien, Individualbeschwerde Nr. 79857/12, Rn. 28).

42

Seit 2014 haben sich die Haftbedingungen - wie oben dargelegt - sowohl in rechtlicher wie auch in tatsächlicher Hinsicht durchgreifend verbessert, auch wenn die Überbelegungsquote derzeit immer noch bedenklich hoch ist und die von den rumänischen Behörden zugesicherte individuelle Haftraumgröße daher bei alleiniger Betrachtung der Quadratmeterzahl bei einer Vollstreckung jedenfalls im offenen Vollzugsregime (nur zwei Quadratmeter) hinter den Maßgaben des EGMR zurückzubleiben scheint. Bei der notwendigen Gesamtbetrachtung der Haftbedingungen ist aber auch zu berücksichtigen, dass die zum Teil insuffizienten Platzverhältnisse in der Zelle durch sehr weitgehende Aufschlusszeiten erheblich abgemildert werden. Innerhalb dieser Aufschlusszeiten stehen den Gefangenen inzwischen in den Haftanstalten separate Freizeiträume, Bibliotheken und Sporträume zur Verfügung. Darüber hinaus sind in allen Anstalten umfangreich bauliche Möglichkeiten für Freigänge geschaffen worden. Ferner sind - neben der durchgreifenden Verbesserung der baulichen Anlagen im Hinblick auf Heizung, sanitäre Anlagen und Hygiene - die Möglichkeiten für Hafturlaube, den Empfang von Besuch, das Waschen privater Wäsche und den Einkauf persönlicher Dinge verbessert worden. Schließlich sind mit der Einführung eines „Judges for the supervision of the depriviation of liberty“ und der Etablierung eines „Ombudsmannverfahrens“ wirksame innerstaatliche Kontrollmechanismen für die Einhaltung der vorgenannten Mindeststandards im Strafvollzug geschaffen worden.

43

3. Die Generalstaatsanwaltschaft hat als zuständige Bewilligungsbehörde mit Schreiben vom 19. September 2016 mitgeteilt, sie beabsichtige nicht, Bewilligungshindernisse nach § 83b IRG geltend zu machen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Voraussetzungen des § 83b Abs. 1 und 2 IRG seien nicht erfüllt. Hierbei hat sie namentlich die Dauer des Aufenthalts des Verfolgten im Bundesgebiet und das im Einzelnen näher gewürdigte Maß seiner sozialen, kulturell-sprachlichen und familiären Verwurzelung in den Blick genommen. Ermessensfehler sind diesbezüglich nicht ersichtlich.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Die Auslieferung eines Verfolgten, gegen den ein Auslieferungshaftbefehl besteht, kann auf Ersuchen einer zuständigen Stelle eines ausländischen Staates um Auslieferung oder um vorläufige Festnahme zum Zweck der Auslieferung ohne Durchführung des förmlichen Auslieferungsverfahrens bewilligt werden, wenn sich der Verfolgte nach Belehrung zu richterlichem Protokoll mit dieser vereinfachten Auslieferung einverstanden erklärt hat.

(2) Im Fall des Absatzes 1 kann auf die Beachtung der Voraussetzungen des § 11 verzichtet werden, wenn sich der Verfolgte nach Belehrung zu richterlichem Protokoll damit einverstanden erklärt hat.

(3) Das Einverständnis kann nicht widerrufen werden.

(4) Auf Antrag der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht belehrt der Richter beim Amtsgericht den Verfolgten über die Möglichkeit der vereinfachten Auslieferung und deren Rechtsfolgen (Absätze 1 bis 3) und nimmt sodann dessen Erklärung zu Protokoll. Zuständig ist der Richter bei dem Amtsgericht, in dessen Bezirk sich der Verfolgte befindet.

(1) Hat sich der Verfolgte nicht mit der vereinfachten Auslieferung (§ 41) einverstanden erklärt, so beantragt die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht die Entscheidung des Oberlandesgerichts darüber, ob die Auslieferung zulässig ist.

(2) Die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht kann die Entscheidung des Oberlandesgerichts auch dann beantragen, wenn sich der Verfolgte mit der vereinfachten Auslieferung einverstanden erklärt hat.

(1) Nach dem Eingang des Auslieferungsersuchens kann gegen den Verfolgten die Auslieferungshaft angeordnet werden, wenn

1.
die Gefahr besteht, daß er sich dem Auslieferungsverfahren oder der Durchführung der Auslieferung entziehen werde, oder
2.
auf Grund bestimmter Tatsachen der dringende Verdacht begründet ist, daß der Verfolgte die Ermittlung der Wahrheit in dem ausländischen Verfahren oder im Auslieferungsverfahren erschweren werde.

(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn die Auslieferung von vornherein unzulässig erscheint.

(1) Die Auslieferungshaft kann unter den Voraussetzungen des § 15 schon vor dem Eingang des Auslieferungsersuchens angeordnet werden, wenn

1.
eine zuständige Stelle des ersuchenden Staates darum ersucht oder
2.
ein Ausländer einer Tat, die zu seiner Auslieferung Anlaß geben kann, auf Grund bestimmter Tatsachen dringend verdächtig ist.

(2) Der Auslieferungshaftbefehl ist aufzuheben, wenn der Verfolgte seit dem Tag der Ergreifung oder der vorläufigen Festnahme insgesamt zwei Monate zum Zweck der Auslieferung in Haft ist, ohne daß das Auslieferungsersuchen und die Auslieferungsunterlagen bei der in § 74 bezeichneten Behörde oder bei einer sonst zu ihrer Entgegennahme zuständigen Stelle eingegangen sind. Hat ein außereuropäischer Staat um Anordnung der vorläufigen Auslieferungshaft ersucht, so beträgt die Frist drei Monate.

(3) Nach dem Eingang des Auslieferungsersuchens und der Auslieferungsunterlagen entscheidet das Oberlandesgericht unverzüglich über die Fortdauer der Haft.

(1) Das Oberlandesgericht kann den Vollzug des Auslieferungshaftbefehls aussetzen, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Gewähr bieten, daß der Zweck der vorläufigen Auslieferungshaft oder der Auslieferungshaft auch durch sie erreicht wird.

(2) § 116 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4, §§ 116a, 123 und 124 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 der Strafprozeßordnung sowie § 72 Abs. 1, 4 Satz 1 des Jugendgerichtsgesetzes gelten entsprechend.

(1) Die verfolgte Person kann sich in jeder Lage des Verfahrens eines Rechtsbeistands bedienen.

(2) Die Auslieferung ist ein Fall der notwendigen Rechtsbeistandschaft, wenn eine Festnahme der verfolgten Person erfolgt.

(3) Erfolgt keine Festnahme der verfolgten Person, liegt ein Fall der notwendigen Rechtsbeistandschaft vor, wenn

1.
wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Rechtsbeistands geboten erscheint, bei Verfahren nach Abschnitt 2 des Achten Teils insbesondere bei Zweifeln, ob die Voraussetzungen der §§ 80 und 81 Nummer 4 vorliegen,
2.
ersichtlich ist, dass die verfolgte Person ihre Rechte nicht selbst hinreichend wahrnehmen kann oder
3.
die verfolgte Person noch nicht 18 Jahre alt ist.

(4) Liegt ein Fall der notwendigen Rechtsbeistandschaft vor und hat die verfolgte Person noch keinen Rechtsbeistand, so ist ihr auf Antrag oder von Amts wegen ein Rechtsbeistand zu bestellen. Hat die verfolgte Person keinen Rechtsbeistand, ist sie in den Fällen des Absatzes 3 Nummer 1 und 2 bei Bekanntgabe des Ersuchens darauf hinzuweisen, dass sie die Bestellung eines Rechtsbeistands beantragen kann.

(5) Die Bestellung eines Rechtsbeistands erfolgt von Amts wegen

1.
im Fall des Absatzes 2 unverzüglich nach Festnahme,
2.
im Fall des Absatzes 3 Nummer 3 unverzüglich nach Bekanntgabe des Auslieferungsersuchens,
3.
in den Fällen des Absatzes 3 Nummer 1 und 2 nach Bekanntgabe des Auslieferungsersuchens, sobald die dort genannten Voraussetzungen vorliegen.

(6) Über die Bestellung entscheidet das Gericht, dem die verfolgte Person vorzuführen ist oder dem sie vorzuführen wäre. Nach einer Antragstellung gemäß § 29 Absatz 1 entscheidet das zuständige Oberlandesgericht.

(7) Die Bestellung endet mit der Übergabe der verfolgten Person oder mit der abschließenden Entscheidung, die verfolgte Person nicht zu übergeben. Die Bestellung umfasst Verfahren nach § 33. Falls keine gerichtliche Entscheidung ergeht, die die Auslieferung für unzulässig erklärt, und die Person nicht übergeben wird, endet die Bestellung mit der Entscheidung der Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht, die verfolgte Person nicht zu übergeben. Die Bestellung kann in den Fällen des Absatzes 3 Nummer 1 und 2 aufgehoben werden, wenn kein Fall der notwendigen Rechtsbeistandschaft mehr vorliegt.

(8) Die Vorschriften des Elften Abschnittes des Ersten Buches der Strafprozessordnung mit Ausnahme der §§ 139, 140, 141, 141a, 142 Absatz 2 und 3, von § 143 Absatz 1 und 2 Satz 2 bis 4 sowie § 143a Absatz 3 gelten entsprechend. § 142 Absatz 7, § 143 Absatz 3 und § 143a Absatz 4 der Strafprozessordnung gelten mit der Maßgabe entsprechend, dass über die sofortige Beschwerde das Gericht entscheidet, das für die Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung zuständig ist. Entscheidungen des Oberlandesgerichts nach Absatz 6 Satz 2 und Absatz 7 Satz 4 sind unanfechtbar.