Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil, 30. Sept. 2008 - 12 U 65/08

bei uns veröffentlicht am30.09.2008

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 6. März 2008 - 2 O 421/07 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

 
I.
Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Zahlung von Krankenversicherungsbeiträgen für den Zeitraum vom 01.04.2007 bis 31.12.2007 aus einer zum 01.06.2003 genommenen Krankenversicherung.
Der Beklagte nahm zum 01.01.2007 eine Tätigkeit als Angestellter auf und wurde dadurch pflichtversichertes Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse. Er trägt vor, den Versicherungsvertrag durch Telefaxschreiben vom 17.12.2006 unter Hinweis auf seine zum 01.01.2007 eintretende gesetzliche Krankenversicherungspflicht „mit sofortiger Wirkung“ gekündigt zu haben. Die Klägerin stellt den Zugang des Telefaxschreibens in Abrede.
Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen im angefochtenen Urteil vom 06.03.2008 Bezug genommen wird, soweit sie mit den hier getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht in Widerspruch stehen, hat der Klage stattgegeben. Dagegen richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der er seinen erstinstanzlich gestellten Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Die Klägerin tritt der Berufung entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze der Parteien in beiden Instanzen nebst Anlagen sowie auf den Inhalt der gerichtlichen Verfügungen und Sitzungsprotokolle Bezug genommen. Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen W vom 01.09.2008, auf dessen Inhalt ebenfalls Bezug genommen wird, und durch Vernehmung der Zeugin H. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 16.09.2008 verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet und führt zur Abweisung der Klage. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
1. Der Beklagte hat den bestehenden Versicherungsvertrag wirksam durch Telefaxschreiben vom 17.12.2006 gekündigt. Entgegen der Vorinstanz ist der Senat - sachverständig beraten - davon überzeugt, dass das Telefaxschreiben vom 17.12.2006 der Klägerin am 18.12.2006 gegen 1.46 Uhr zugegangen ist. Dabei lässt der Senat offen, ob es am Empfangsgerät der Klägerin zu einem Ausdruck des Schreibens gekommen ist.
a) Der Bundesgerichtshof hatte in seiner früheren Rechtsprechung mehrfach ausgesprochen, dass ein durch Telefax übermittelter Schriftsatz grundsätzlich erst in dem Zeitpunkt bei Gericht eingegangen ist, in welchem das Telefaxgerät des Gerichts ihn vollständig ausgedruckt hat (vgl. BGH, Urteil vom 7. Dezember 1994 - VIII ZR 153/93 - NJW 1995, 665 unter II 3 b bb aaa; Beschlüsse vom 4. Mai 1994 - XII ZB 21/94 - NJW 1994, 2097 unter II 2; vom 19. April 1994 - VI ZB 3/94 - NJW 1994, 1881 unter II 2 a; vom 12. Dezember 1990 - XII ZB 64/90 - VersR 1991, 894 unter 2 b). Diese den technischen Gegebenheiten der Telekommunikation nicht mehr gerecht werdende Auffassung hat der Bundesgerichtshof jedoch inzwischen aufgegeben. Für den Eingang eines per Telefax übermittelten Dokuments stellt er nunmehr auf den vollständigen Empfang (Speicherung) der gesendeten technischen Signale im Telefaxgerät des Gerichts ab (BGHZ 167, 214, 219 f., 223).
b) Es liegt nicht fern, diese Grundsätze auch auf die Zugangsproblematik im Privatrechtsverkehr zu übertragen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Dezember 1994 aaO). Dem folgt der Senat zumindest dann, wenn es sich beim Empfänger wie hier um eine Aktiengesellschaft handelt, die zu den Kaufleuten zählt (§§ 1, 6 HGB, 3 Abs. 1 AktG). Zumindest ihnen ist im geschäftlichen Verkehr ein Signalzugang als Zugang im Sinne des § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB jedenfalls dann zuzurechnen, wenn wie hier konkrete Anhaltspunkte dafür, dass ein (ordnungsgemäßer) Ausdruck des Schreibens aus von der Klägerin nicht zu vertretenden Gründen gescheitert sein könnte, weder vorgetragen noch ersichtlich sind. Denn damit ist das Telefaxschreiben - entsprechend den allgemeinen Grundsätzen (vgl. nur Palandt/Heinrichs/Ellenberger, BGB, 67. Auflage 2008, § 130 Rn. 5) - so in ihren Empfangsbereich gelangt, dass sie die Möglichkeit hatte, vom Inhalt der enthaltenen Willenserklärung Kenntnis zu nehmen.
c) Die Überzeugung dafür, dass der Beklagte das Kündigungsschreiben vom 17.12.2006 an die Klägerin gesendet hat und die gesendeten technischen Signale am 18.12.2006 gegen 1.46 Uhr vollständig im Telefaxgerät der Klägerin angekommen sind, hat der Senat kumulativ anhand der Aussage der Zeugin H, des „OK“-Vermerks auf dem zugehörigen Sendebericht und den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen W in seinem Gutachten vom 01.09.2008 gewonnen.
10 
Die Zeugin H hat zur Überzeugung des Senats bestätigt, dass der Beklagte das - in Ablichtung in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 18.12.2007 zur Akte gegebene - Kündigungsschreiben von ihrem Telefaxanschluss aus versandt hat. Ihr Freund - der Beklagte - sei ein Nachtarbeiter. Es sei am letzten Sonntag vor Weihnachten 2006 gewesen. Als sie schon habe zu Bett gehen wollen, habe ihr ihr Freund erklärt, dass er noch einen Brief an die Krankenversicherung schreiben müsse. Sie sei dann noch aufgeblieben und habe gesehen, wie er eine Faxvorlage verfasst und ausgedruckt habe. Sie habe sich das kurz angesehen und gemeint, dass das so sicher in Ordnung gehe. Sie sei dann zwar nicht daneben gestanden, als ihr Freund das Telefaxgerät bedient habe, sondern habe sich für das Bett fertig gemacht. Als ihr Freund dann auch ins Bett gekommen sei, habe er ihr jedoch erklärt, dass die Faxübertragung geklappt und er sich auch einen Sendebericht ausgedruckt habe. Der Senat hält diese Angaben für wahr. Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin haben sich nicht ergeben.
11 
Das Vorliegen eines „OK“-Vermerks im Sendebericht belegt das Zustandekommen der Verbindung (BGH, Beschluss vom 23. Oktober 1995 - II ZB 6/95 - MDR 1996, 99 (Leitsatz 2) und in juris unter Tz. 8). Infolgedessen steht aufgrund des vom Beklagten vorgelegten Sendeprotokolls fest, dass zwischen dem von ihm benutzten Telefaxgerät der Zeugin H und dem von ihm angewählten Telefaxgerät der Klägerin am 18.12.2006 zwischen 1.45 Uhr und 1.46 Uhr eine Leitungsverbindung bestanden hat.
12 
Die Wahrscheinlichkeit, dass die Übermittlung der Telefaxnachricht trotz Vorliegens eines Sendeberichts mit „OK“-Vermerk an Leitungsstörungen, die zum Abbruch der Verbindung geführt haben könnten und die nach dem Grundgedanken des § 120 BGB in den Risikobereich des Beklagten gefallen wären (vgl. OLG Brandenburg, Urteil vom 05.03.2008 - 4 U 132/07 - veröffentlicht in juris - unter Tz. 22), gescheitert sein könnte, bewertet der Sachverständige W mit 0%. Diesem eindeutigen Ergebnis schließt sich der Senat an. Aufgrund des Ablaufs der Kommunikation bei den hier verwendeten Geräten kann bei einem „OK“-Vermerk generell davon ausgegangen werden, dass die Faxübertragung im Speicher des empfangenden Geräts angekommen ist. In Anbetracht dessen, dass die vom Sachverständigen realitätsgerecht nachgestellte Übertragung des Kündigungsschreibens vom 17.12.2006 per Telefax nach einer Übertragungsdauer von 38 Sekunden erfolgreich abgeschlossen war und der Übertragungsvorgang nach dem vom Beklagten vorgelegten Sendebericht 39 Sekunden gedauert hat, hat der Senat keinen Zweifel, dass die Seite nicht nur „mindestens in großen Teilen“, sondern vollständig in das Empfangsgerät der Klägerin übertragen wurde und nach § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB zugegangen ist.
13 
Welche Bedeutung einem Empfangsjournal hier gegebenenfalls zugekommen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 7. Dezember 1994 aaO unter II 3 c), konnte der Senat nicht prüfen, weil die Klägerin Telefaxeingänge nicht dokumentiert bzw. archiviert.
14 
2. Durch die Kündigung vom 17.12.2006 ist ein (etwaiger) Prämienanspruch der Klägerin mit Wirkung vom 01.01.2007, dem Tag des Eintritts der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht des Beklagten, nach den §§ 178h Abs. 2 Sätze 1 und 2, 178o VVG a.F. entfallen (vgl. BGH, Urteil vom 3. November 2004 - IV ZR 214/03 - VersR 2005, 66 vor 1 und unter 2 d). Der Klägerin stehen daher für den Zeitraum vom 01.04.2007 bis 31.12.2007 Krankenversicherungsbeiträge nicht zu.
III.
15 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf die §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage des Zugangs eines per Telefax übermittelten Dokuments beim Empfänger zuzulassen.

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Versicherungsvertragsgesetz - VVG

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 130 Wirksamwerden der Willenserklärung gegenüber Abwesenden


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(1) Die in betreff der Kaufleute gegebenen Vorschriften finden auch auf die Handelsgesellschaften Anwendung. (2) Die Rechte und Pflichten eines Vereins, dem das Gesetz ohne Rücksicht auf den Gegenstand des Unternehmens die Eigenschaft eines Kaufmann

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Eine Willenserklärung, welche durch die zur Übermittlung verwendete Person oder Einrichtung unrichtig übermittelt worden ist, kann unter der gleichen Voraussetzung angefochten werden wie nach § 119 eine irrtümlich abgegebene Willenserklärung.

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(1) Kaufmann im Sinne dieses Gesetzbuchs ist, wer ein Handelsgewerbe betreibt.

(2) Handelsgewerbe ist jeder Gewerbebetrieb, es sei denn, daß das Unternehmen nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert.

(1) Die in betreff der Kaufleute gegebenen Vorschriften finden auch auf die Handelsgesellschaften Anwendung.

(2) Die Rechte und Pflichten eines Vereins, dem das Gesetz ohne Rücksicht auf den Gegenstand des Unternehmens die Eigenschaft eines Kaufmanns beilegt, bleiben unberührt, auch wenn die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 nicht vorliegen.

(1) Eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, wird, wenn sie in dessen Abwesenheit abgegeben wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihm zugeht. Sie wird nicht wirksam, wenn dem anderen vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht.

(2) Auf die Wirksamkeit der Willenserklärung ist es ohne Einfluss, wenn der Erklärende nach der Abgabe stirbt oder geschäftsunfähig wird.

(3) Diese Vorschriften finden auch dann Anwendung, wenn die Willenserklärung einer Behörde gegenüber abzugeben ist.

Eine Willenserklärung, welche durch die zur Übermittlung verwendete Person oder Einrichtung unrichtig übermittelt worden ist, kann unter der gleichen Voraussetzung angefochten werden wie nach § 119 eine irrtümlich abgegebene Willenserklärung.

(1) Eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, wird, wenn sie in dessen Abwesenheit abgegeben wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihm zugeht. Sie wird nicht wirksam, wenn dem anderen vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht.

(2) Auf die Wirksamkeit der Willenserklärung ist es ohne Einfluss, wenn der Erklärende nach der Abgabe stirbt oder geschäftsunfähig wird.

(3) Diese Vorschriften finden auch dann Anwendung, wenn die Willenserklärung einer Behörde gegenüber abzugeben ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 214/03 Verkündet am:
3. November 2004
Fritz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: nein
_____________________
VVG § 178h Abs. 2 Satz 1
§ 178h Abs. 2 Satz 1 VVG setzt für eine wirksame Kündigung nicht voraus, dass der
Versicherungsnehmer dem Versicherer den Eintritt seiner gesetzlichen Versicherungspflicht
nachweist.
BGH, Urteil vom 3. November 2004 - IV ZR 214/03 - LG Koblenz
AG Bad Neuenahr-Ahrweiler
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat dur ch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch auf die mündliche Verhandlung
vom 3. November 2004

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 7. August 2003 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der Kündi gung einer privaten Krankenversicherung.
Seit Beginn des Jahres 2001 unterhielt der Beklagt e beim Kläger eine Krankheitskostenvollversicherung und eine Krankentagegeldversicherung. Dem Versicherungsvertrag lagen Allgemeine Versicherungsbedingungen des Klägers zugrunde, die den Musterbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung 1994 (MB/KK 94) und den Musterbedingungen für die Krankentagegeldversicherung (MB/KT 94) entsprechen. Der monatliche Beitrag betrug im Jahre 2001 195,06 DM (99,73 €) und sollte sich mit Beginn des Jahres 2002 auf 108,40 € erhöhen.

Infolge von Arbeitslosigkeit unterlag der Beklagte in der Zeit vom 29. August 2001 bis 4. September 2001 der gesetzlichen Versicherungspflicht. Unter Berufung darauf kündigte er das Versicherungsverhältnis am 24. September 2001. Den vom Kläger daraufhin mit Schreiben vom 4. Oktober 2001 geforderten Nachweis über den Eintritt der Versicherungspflicht erbrachte der Beklagte erst im August 2002.
Der Kläger fordert mit seiner Klage die Zahlung vo n Versicherungsprämien in Höhe von insgesamt 1.374,53 € für die Monate September 2001 bis September 2002. Er verweist darauf, daß der Versicherungsvertrag über eine Laufzeit von mindestens zwei Jahren abgeschlossen gewesen und die vom Beklagten erklärte außerordentliche Kündigung unwirksam sei. Zum einen habe die gesetzliche Versicherungspflicht im Zeitpunkt der Kündigungserklärung schon nicht mehr bestanden , zum anderen habe der Beklagte bei der Kündigung nicht den nach Auffassung des Klägers erforderlichen Nachweis über den Eintritt seiner Versicherungspflicht geführt.
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben, das Be rufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:


Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat die v om Beklagten am 24. September 2001 erklärte Kündigung das Versicherungsverhältnis rückwirkend zum 29. August 2001, dem Zeitpunkt des Eintritts der gesetzlichen Versicherungspflicht, beendet. Das ergebe sich aus § 178h Abs. 2 Satz 1 VVG, der nach seinem klaren Wortlaut nicht von dem allgemeinen Grundsatz abweiche, wonach die Wirksamkeit der Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses nicht vom Nachweis des Kündigungsgrundes abhänge. Soweit für eine Kündigung nach § 178h Abs. 2 Satz 3 VVG ein solcher Nachweis erforderlich sei, erstrecke sich diese Nachweispflicht nicht auf die Kündigung nach § 178h Abs. 2 Satz 1 VVG.
Das einmal entstandene Kündigungsrecht des Beklagt en sei auch nicht deshalb rückwirkend entfallen, weil er im Zeitpunkt der Kündigungserklärung bereits nicht mehr versicherungspflichtig gewesen sei. Entscheidend sei dabei, daß die innerhalb der Zweimonatsfrist des § 178h Abs. 2 Satz 1 VVG erklärte Kündigung auf den Zeitpunkt des Eintritts der Versicherungspflicht zurückwirke. Für eine Einschränkung des Kündigungsrechts bei nur kurzzeitig bestehender Versicherungspflicht ergebe das Gesetz keine Anhaltspunkte.
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
Der Prämienanspruch des Klägers ist mit Wirkung ab dem 29. August 2001, dem Tag des Eintritts der gesetzlichen Versicherungspflicht des Beklagten, nach § 178h Abs. 2 Satz 2 VVG erloschen, weil seine innerhalb der zweimonatigen Frist des § 178h Abs. 2 Satz 1 VVG erklärte

Kündigung das Versicherungsverhältnis rückwirkend zu diesem Zeitpunkt beendet hat.
§ 178h Abs. 2 VVG soll es dem Versicherungsnehmer einer privaten Krankheitskosten-, Krankentagegeld- oder Pflegeversicherung ermöglichen , das Versicherungsverhältnis mittels einer außerordentlichen Kündigung zu beenden, wenn er kraft Gesetzes kranken- oder pflegeversicherungspflichtig wird. Er soll so vor der mit einer "Doppelversicherung" verbundenen Beitragsbelastung geschützt werden. Anders als § 178h Abs. 2 Satz 3 VVG setzt Satz 1 für eine wirksame Kündigung nicht voraus, daß der Versicherungsnehmer dem Versicherer den Eintritt seiner gesetzlichen Versicherungspflicht zusammen mit der Kündigungserklärung nachweist (so auch LSG Berlin EzS 130/537 - zitiert nach juris

).


1. Das ergibt die Auslegung der Vorschrift.

a) Dafür ist vorrangig der objektivierte Wille des Gesetzes maßgebend , wie er sich aus seinem Wortlaut und dem Sinnzusammenhang ergibt (BGHZ 37, 58, 60 m.w.N.):
§ 178h Abs. 2 VVG eröffnet zwei unterschiedliche K ündigungsmöglichkeiten. Erklärt der Versicherungsnehmer die Kündigung innerhalb von zwei Monaten nach Eintritt der Versicherungspflicht, so wirkt seine Kündigung auf diesen Zeitpunkt zurück. An die Wirksamkeit dieser in § 178h Abs. 2 Satz 1 VVG geregelten Kündigung sind nach dem Wortlaut der Vorschrift keine weiteren Voraussetzungen geknüpft. Insbesondere

spricht Satz 1 nicht davon, daß der Versicherungsnehmer dem Versicherer den Eintritt der Versicherungspflicht nachweisen muß.
Ein solcher Nachweis wird vom Gesetz nur für die i n § 178h Abs. 2 Satz 3 VVG geregelte spätere Kündigungsmöglichkeit gefordert. Nach Ablauf der vorgenannten Zweimonatsfrist kann der Versicherungsnehmer nämlich weiterhin kündigen. Allerdings beendet die Kündigung das private Versicherungsverhältnis dann erst zum Ende des Monats, in dem der Versicherungsnehmer dem Versicherer den Eintritt der Versicherungspflicht nachweist. In diesem Fall ist der Nachweis also erforderlich, um den Zeitpunkt festzulegen, zu dem die Kündigung wirken kann. Ohne den geforderten Nachweis bliebe die Kündigungserklärung insoweit unvollständig.
Aus der unterschiedlichen Wirkweise beider Kündigu ngen ergibt sich ohne weiteres, weshalb im ersten Fall der Nachweis des Eintritts der Versicherungspflicht entbehrlich und vom Gesetz auch nicht gefordert ist. Denn der Zeitpunkt, zu dem die Kündigung Wirkung entfaltet, ist hier mit dem Eintritt der Versicherungspflicht bereits ausreichend festgelegt. Die Auffassung von Prölss (in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 178h Rdn. 10; ebenso wohl BK/Hohlfeld, § 178h Rdn. 5 a.E.), es gebe keinen sachlichen Grund für die Beschränkung der Relevanz des Nachweises auf Kündigungsfälle des § 178h Abs. 2 Satz 3, kann der Senat schon deshalb nicht nachvollziehen (dagegen auch LSG Berlin aaO).

b) Demgegenüber wird allerdings teilweise die Auff assung vertreten , die in § 178h Abs. 2 Satz 3 VVG geregelte Nachweispflicht diene rechtlich einem doppelten Zweck, weil sie nicht nur eine materielle Wirk-

samkeitsvoraussetzung für die Kündigung aufstelle, sondern zugleich eine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung enthalte. Der systematische Zusammenhang , in den das Gesetz beide Kündigungsmöglichkeiten stelle, ergebe, daß die Nachweispflicht als formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für beide Formen der Kündigung gleichermaßen gelten müsse. Denn einerseits bestehe zwischen beiden Kündigungsregelungen ein enger "textlicher Zusammenhang", andererseits läge beiden sachlich jeweils der Eintritt der gesetzlichen Versicherungspflicht zugrunde. Deshalb sei es nicht einzusehen und systemwidrig, daß das "schwächere" Kündigungsrecht nach Satz 3 der Vorschrift strengeren formellen Voraussetzungen unterliegen solle als das "stärkere" Kündigungsrecht nach Satz 1 (so LG Kassel, Urteil vom 3. August 2001 - 10 S 162/01 - unveröffentlicht ; ihm folgend LG Magdeburg, Urteil vom 18. Januar 2002 - 1 S 627/01 - unveröffentlicht; AG Lebach, Urteil vom 14. Juni 2002 - 3A C 35/02 - unveröffentlicht).
Das überzeugt nicht. Dem letztgenannten Argument i st bereits entgegenzuhalten, daß bei der späteren Kündigung nach § 178h Abs. 2 Satz 3 VVG die Möglichkeit der Rückwirkung entfällt und es deshalb erforderlich wird, den Wirkungszeitpunkt anderweitig festzulegen. Die Nachweispflicht ergibt sich mithin bereits aus dem Regelungskonzept des Gesetzes, ohne daß es darauf ankommt, ob es im Allgemeinen gerechtfertigt ist, an eine "schwächere" Kündigungsmöglichkeit strengere Voraussetzungen zu knüpfen.
Eine Erstreckung des formellen Erfordernisses auf die in § 178h Abs. 2 Satz 1 VVG geregelte Kündigung läßt sich mit Gesetzeswortlaut und -systematik nicht begründen. Dem eindeutigen Wortlaut, der in den

Sätzen 1 und 3 hinsichtlich der Voraussetzungen und Wirkungen beider Kündigungsformen klar differenziert und insoweit deutlich macht, daß gerade zwei voneinander unterschiedliche Regelungen für unterschiedliche Sachverhalte getroffen werden, stehen gesetzessystematische Hinweise für eine Erstreckung der Nachweispflicht auf beide Kündigungsformen nicht mit einer dem Bestimmtheitsgebot genügenden Klarheit gegenüber. Daß beide Kündigungsregelungen im selben Absatz des § 178h VVG "textlich eng beieinander stehen", besagt nichts. Denn es gibt keine Auslegungsregel oder Vermutung, derzufolge alles, was im selben Absatz einer Vorschrift geregelt wird, regelmäßig gleichen Voraussetzungen unterliegt. Vielmehr entspricht es üblicher Gesetzgebungstechnik, gemeinsame Voraussetzungen unterschiedlicher Regelungen im Gesetzestext voranzustellen und so "vor die Klammer zu ziehen". Das ist in § 178h Abs. 2 VVG hinsichtlich der Nachweispflicht aber gerade nicht geschehen. Als gemeinsame Voraussetzung ist dort einleitend lediglich der Eintritt der gesetzlichen Versicherungspflicht genannt. Daß allein deshalb die daran anknüpfenden unterschiedlichen Kündigungsmöglichkeiten noch weiteren gemeinsamen Voraussetzungen unterliegen sollen, läßt das Gesetz gerade wegen der nachfolgenden Differenzierung in bezug auf Kündigungs- und Wirkungszeitpunkt nicht erkennen.
2. In der Entstehungsgeschichte des § 178h Abs. 2 VVG finden sich ebenfalls keine ausreichenden Hinweise auf einen dieser Auslegung entgegenstehenden Willen des Gesetzgebers, der es rechtfertigen würde , die Vorschrift entgegen ihrem Wortlaut dahin zu verstehen, daß beide Kündigungsmöglichkeiten an einen Nachweis des Eintritts der Versicherungspflicht geknüpft sein sollen.


a) Bis Ende 1988 eröffnete § 173b Abs. 2 Satz 1 RV O dem Versicherungsnehmer einer privaten Krankenversicherung die Möglichkeit, das Versicherungsverhältnis durch Kündigung zu beenden, wenn er infolge einer Erhöhung der gesetzlichen Jahresarbeitsverdienstgrenze versicherungspflichtig wurde. Die Kündigung war ihm nach dem Gesetzeswortlaut möglich "zum Ende des Monats …, in dem er den Eintritt der Versicherungspflicht nachweist." Parallel dazu hieß es in § 13 Abs. 3 der seinerzeit verwendeten Musterbedingungen des Verbandes der privaten Krankenversicherer von 1976 (MB/KK 76): "Wird eine versicherte Person kraft Gesetzes krankenversicherungspflichtig , so kann der Versicherungsnehmer eine Krankheitskostenvollversicherung insoweit zum Ende des Monats kündigen, in dem er den Eintritt der Versicherungspflicht nachweist. Will der Versicherungsnehmer von diesem Recht Gebrauch machen, so hat er spätestens innerhalb zweier Monate nach Eintritt der Versicherungspflicht zu kündigen." Gesetz und Vertragsbedingungen forderten seinerzei t also gleichermaßen den Nachweis des Eintritts der Versicherungspflicht als Kündigungsvoraussetzung.

b) Die juristische Auseinandersetzung um die Bedeu tung der Nachweispflicht für die Kündigung setzte erst ein, nachdem mit dem Gesundheits -Reformgesetz vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I 2477) § 173b Abs. 2 RVO durch § 5 Abs. 9 SGB V abgelöst wurde. Satz 1 der neuen Vorschrift lautete: "Wer versicherungspflichtig wird und bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert ist, kann den

Versicherungsvertrag mit Wirkung vom Eintritt der Versicherungspflicht an kündigen." Die Vorschrift sah damit erstmals die Möglichkeit einer Rückwirkung der Kündigung auf den Eintritt der Versicherungspflicht vor und verzichtete nach ihrem Wortlaut zugleich auf dessen Nachweis und jede Fristbindung für die Kündigungserklärung. Das warf die Frage auf, ob und inwieweit die schärferen Kündigungsvoraussetzungen nach den in § 13 Abs. 3 MB/KK 76 geregelten vertraglichen Bestimmungen daneben noch Geltung beanspruchen konnten. Während ein Teil der Rechtsprechung sich am Wortlaut des § 5 Abs. 9 SGB V orientierte und der gesetzlichen Regelung Vorrang vor vertraglichen Vereinbarungen gab (AG Lüneburg VersR 1992, 563; AG Weiden VersR 1992, 564; weitere Nachweise bei Kammler, VersR 1993, 785, 787 f.), vertrat eine Gegenmeinung die Auffassung, weil § 5 Abs. 9 SGB V keine formellen Wirksamkeitsvoraussetzungen für die Kündigungserklärung in bezug auf Frist und Nachweispflicht aufstelle, komme insoweit die vertragliche Regelung des § 13 Abs. 3 MB/KK 76 weiterhin zum Tragen (LG Deggendorf VersR 1993, 1135 mit zust. Anm. Brams; AG Worms VersR 1993, 1137). Teilweise wurde sogar angenommen, § 5 Abs. 9 SGB V enthalte eine Regelungslücke , weil die Vorschrift nichts über die formellen Voraussetzungen der Kündigungserklärung enthalte. Diese Regelungslücke lasse sich über § 13 Abs. 3 MB/KK 76 (bzw. die gleichlautende Regelung in § 13 Abs. 3 MB/KT 78) und die dort genannten Kündigungsvoraussetzungen schließen (Kammler, aaO S. 789).

c) Vor dem Hintergrund dieser Auseinandersetzung w urde § 178h VVG mit dem Dritten Durchführungsgesetz/EWG zum VAG vom 21. Juli

1994 (BGBl I S. 1630, in Kraft getreten am 29. Juli 1994) geschaffen. Der amtlichen Begründung (BT-Drucks. 12/6959 S. 106) zufolge sollte Absatz 2 der Vorschrift § 5 Abs. 9 SGB V und vergleichbare Bestimmungen zum Wechsel zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung aufnehmen. Weiter enthält die amtliche Begründung den Hinweis, die Regelung entspreche den jeweiligen §§ 13 Abs. 3 in den MB/KK 76 und MB/KT 78. Letzteres ist jedoch - wie bereits gezeigt - gerade nicht der Fall (vgl. dazu auch LSG Berlin aaO), weil die genannten Musterbedingungen lediglich eine nicht rückwirkende, an die Zweimonatsfrist gebundene Kündigung kannten, die erst zum Zeitpunkt des - insoweit erforderlichen - Nachweises des Eintritts der gesetzlichen Versicherungspflicht wirkte. Demgegenüber erweist sich die neu geschaffene Regelung als eine Kombination aus den Regelungen des § 5 Abs. 9 SGB V einerseits und den vorgenannten Bestimmungen des § 13 Abs. 3 MB/KK 76 (§ 13 Abs. 3 MB/KK 78) andererseits, wobei die erste Kündigungsmöglichkeit die Rückwirkung der Kündigung dem früheren Gesetz und die Fristgebundenheit den Musterbedingungen entnimmt, während die spätere Kündigungsmöglichkeit sich vorwiegend an die Bestimmungen der Musterbedingungen anlehnt, jedoch auf die Fristbindung verzichtet.

d) Insoweit hat der Gesetzgeber mit der in Teilen unzutreffenden amtlichen Begründung keine verläßlichen Hinweise darauf gegeben, daß er - abweichend vom Wortlaut des § 178h Abs. 2 Satz 1 VVG - die dort geregelte Kündigung vom Nachweis des Eintritts der Versicherungspflicht abhängig machen wollte. Denn gerade zu dem oben dargestellten Streit nimmt die amtliche Begründung in keiner Weise Stellung.

Klargestellt hat der Gesetzgeber allerdings, daß d as neue Gesetz eine Verschärfung der Kündigungsvoraussetzungen durch vertragliche Vereinbarungen nicht mehr zuläßt. Denn gemäß § 178o VVG kann sich der Versicherer auf eine Vereinbarung, die zum Nachteil des Versicherungsnehmers von § 178h abweicht, nicht mehr berufen. Einer ergänzenden Heranziehung von zusätzlichen Kündigungsvoraussetzungen aus Allgemeinen Versicherungsbedingungen (so die Lösung des LG Deggendorf - aaO - und des AG Worms - aaO - zur Zeit der Geltung des § 5 Abs. 9 SGB V) ist damit der Boden entzogen.
3. Eine Regelungslücke, die Veranlassung zu einer ergänzenden Auslegung der Vorschrift gäbe, enthält § 178h Abs. 2 Satz 1 VVG nicht. Zu Recht weist das Berufungsgericht darauf hin, daß die Rechtsordnung bei vielen Dauerschuldverhältnissen Kündigungsrechte der Vertragsparteien vorsieht, ohne dabei den Nachweis des Kündigungsgrundes zur Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigungserklärung zu machen (vgl. dazu auch LSG Berlin aaO). Dies gilt selbst bei Dauerschuldverhältnissen , in denen Vertragspartner aus sozialen Gründen mitunter besonders schutzwürdig erscheinen und deshalb ein gesteigertes Bedürfnis nach Rechtsklarheit über den Fortbestand des Vertrages bestehen kann, etwa beim Wohnraummietvertrag und im Arbeitsverhältnis. Ein Rechtsgrundsatz , wonach eine Kündigungserklärung notwendigerweise an besondere formelle Voraussetzungen, etwa den Nachweis der tatsächlichen Voraussetzungen des Kündigungsgrundes, zu knüpfen ist, ist der Rechtsordnung deshalb fremd. Eine Vorschrift, die die Kündigung eines Versicherungsverhältnisses durch den Versicherungsnehmer regelt, enthält somit entgegen der Auffassung von Kammler (aaO) keine Rege-

lungslücke, wenn sie vom Kündigenden einen solchen Nachweis nicht fordert.
Eine ergänzende Gesetzesauslegung im Wege richterl icher Rechtsfortbildung, nach der die Kündigung nach § 178h Abs. 2 Satz 1 VVG über den Wortlaut der Vorschrift hinaus nur bei Nachweis des Eintritts der Versicherungspflicht wirksam wäre, kommt auch nicht deshalb in Betracht, weil eine andere Regelung - etwa im Interesse der Rechtssicherheit (dazu Prölss, aaO) - besser oder den Interessen der Vertragsparteien gerechter (dazu LG Kassel aaO) wäre. Der Senat weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß auch die vom Bundesministerium der Justiz eingesetzte Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts in ihrem Abschlußbericht vom 19. April 2004 unter Ziff. 1.3.2.4.5.11. die Auffassung vertritt, § 178h Abs. 2 Satz 1 VVG sehe in seiner derzeitigen Fassung keine Nachweispflicht vor. Infolgedessen schlägt die Kommission insoweit eine Gesetzesergänzung dahingehend vor, daß die Kündigung nur dann unwirksam sein soll, wenn der Versicherungsnehmer der Nachweispflicht auch auf ein schriftliches Verlangen des Versicherers nicht binnen zwei Monaten nachkommt (vgl. dazu § 197 Abs. 2 des Kommissionsentwurfs).
4. Das Kündigungsrecht des Beklagten ist hier nich t deshalb erloschen , weil er der gesetzlichen Versicherungspflicht lediglich sieben Tage lang - und damit im Zeitpunkt der Kündigungserklärung bereits nicht mehr - unterlag.

a) § 178h Abs. 2 Satz 1 VVG läßt das Kündigungsrec ht des Versicherungsnehmers mit dem Eintritt seiner gesetzlichen Versicherungs-

pflicht entstehen. Da die binnen zwei Monaten zu erklärende Kündigung nach dem Gesetz auf den Zeitpunkt des Eintritts der Versicherungspflicht zurückwirkt, kann die Vorschrift ihren Zweck, den Versicherungsnehmer vor einer "doppelten Beitragsbelastung" zu schützen, für die Zeit der Überschneidung von gesetzlicher und privater Krankenversicherung (hier vom 29. August bis zum 4. September 2001) auch dann noch entfalten, wenn im Zeitpunkt der Kündigungserklärung die gesetzliche Versicherungspflicht bereits wieder geendet hat.

b) Die Berufung auf das Kündigungsrecht verstößt a uch nicht gegen Treu und Glauben. Auch insofern ist entscheidend, daß die vom Beklagten erklärte Kündigung infolge ihrer Rückwirkung nach wie vor geeignet war, eine "Doppelversicherung" zu beseitigen.
Allein der Umstand, daß die gesetzliche Versicheru ngspflicht vorliegend lediglich sieben Tage lang bestand, lässt die Berufung des Beklagten auf sein Kündigungsrecht noch nicht treuwidrig erscheinen. Zwar

mag der Fall anders liegen, wenn feststeht, daß der Versicherungsnehmer die gesetzliche Versicherungspflicht für kurze Zeit in der Absicht herbeiführt, sich vorzeitig aus dem privaten Versicherungsvertrag zu lösen. Dafür gibt es hier aber keine ausreichenden Anhaltspunkte.
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Dr. Kessal-Wulf Felsch

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
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5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
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7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.