Sozialgericht Dortmund Urteil, 19. Mai 2015 - S 27 AS 2651/11

ECLI:ECLI:DE:SGDO:2015:0519.S27AS2651.11.00
bei uns veröffentlicht am19.05.2015

Tenor

Der Bescheid des Beklagten vom 04.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.05.2011 wird aufgehoben und der Beklagte verurteilt, dem Kläger die Kosten des Widerspruchsverfahrens in Höhe von 309,40 Euro zu erstatten. 1. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers. 2. Die Berufung wird zugelassen.


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Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 44 Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes


(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbrach

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(1) Soweit der Widerspruch erfolgreich ist, hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 3 Gebühren in sozialrechtlichen Angelegenheiten


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(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Soweit der Widerspruch erfolgreich ist, hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Dies gilt auch, wenn der Widerspruch nur deshalb keinen Erfolg hat, weil die Verletzung einer Verfahrens- oder Formvorschrift nach § 41 unbeachtlich ist. Aufwendungen, die durch das Verschulden eines Erstattungsberechtigten entstanden sind, hat dieser selbst zu tragen; das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten im Vorverfahren sind erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war.

(3) Die Behörde, die die Kostenentscheidung getroffen hat, setzt auf Antrag den Betrag der zu erstattenden Aufwendungen fest; hat ein Ausschuss oder Beirat die Kostenentscheidung getroffen, obliegt die Kostenfestsetzung der Behörde, bei der der Ausschuss oder Beirat gebildet ist. Die Kostenentscheidung bestimmt auch, ob die Zuziehung eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten notwendig war.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 28. Mai 2010 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt Erstattung der in einem Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen.

2

Der Kläger, dem sein Arbeitgeber am 21.4.2008 zum 31.5.2008 gekündigt hatte, meldete sich am 25.4.2008 zum 1.6.2008 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg). In der Arbeitsbescheinigung vom 12.6.2008 gab der Arbeitgeber an, die Kündigung sei wegen unentschuldigten Fehlens am Arbeitsplatz erfolgt. Auf Nachfrage der Beklagten übersandte der Arbeitgeber mit Schreiben vom 10.9.2008 die Kopie eines beim Arbeitsgericht eingereichten Schriftsatzes und die Mitteilung des Arbeitsgerichts, wonach Termin auf den 3.12.2008 bestimmt war.

3

Mit Bescheid vom 1.10.2008 bewilligte die Beklagte dem Kläger vorläufig gemäß § 328 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) Alg für die Zeit vom 1.6. bis 23.8.2008 "in Höhe von 0 Euro" und für die Zeit ab 24.8.2008 bis 22.5.2009 in Höhe von 39,65 Euro täglich. Sie teilte mit, über den Auszahlungsanspruch für die Zeit vom 1.6. bis 23.8.2008 werde gesondert entschieden. Mit zwei weiteren Bescheiden vom 6.10.2008 wurde dem Kläger Alg für die Zeit vom 1.9. bis 4.9.2008 und vom 5.9.2008 bis 24.5.2009 in gleicher Höhe von 39,65 Euro täglich bewilligt.

4

Der Kläger erhob mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 30.10.2008 Widerspruch gegen die drei Bescheide. Der Bevollmächtigte führte ua aus, es sei unklar, weshalb drei unterschiedliche Bescheide erlassen worden seien. Die Vorgehensweise, für den Zeitraum 1.6. bis 23.8.2008 keinerlei Leistung zu erbringen, sei unzulässig.

5

Nachdem der Kläger vor dem Arbeitsgericht am 3.12.2008 mit dem Arbeitgeber einen Vergleich geschlossen hatte, wonach das Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher Kündigung zum 31.5.2008 endete und der Kläger eine Abfindung von 8000 Euro erhielt, bewilligte die Beklagte dem Kläger unter Aufhebung des Ausgangsbescheids vom 1.10.2008 Alg für die Zeit vom 1.6. bis 31.8.2008 in Höhe von 39,65 Euro täglich (Bescheid vom 29.12.2008).

6

Eine Erstattung der dem Kläger im Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, es habe sich zunächst nur um eine vorläufige Bewilligung gehandelt (Bescheid vom 29.12.2008; Widerspruchsbescheid vom 17.2.2009).

7

Das Sozialgericht (SG) hat den Bescheid vom 29.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.2.2009 abgeändert, die Beklagte zur Tragung der außergerichtlichen Kosten für den Widerspruch gegen den Bescheid vom 1.10.2008 verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen (Urteil vom 24.7.2009). Das SG hat angenommen, der Bescheid vom 1.10.2008 sei vom Kläger erfolgreich angefochten worden; die Widersprüche gegen die Bescheide vom 6.10.2008 seien dagegen nicht erfolgreich gewesen.

8

Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des SG abgeändert und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 29.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.2.2009 verurteilt, die außergerichtlichen Kosten des Klägers für den Widerspruch gemäß Schreiben vom 30.10.2008 zu tragen; im Übrigen hat es die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 28.5.2010). In den Entscheidungsgründen hat das LSG ua ausgeführt: Das SG sei zu Recht davon ausgegangen, dass der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 1.10.2008 erfolgreich iS des § 63 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) gewesen sei. § 328 SGB III stelle keine Rechtsgrundlage für die vorläufige Versagung von Leistungen dar. Die Zuziehung eines Rechtsanwalts sei notwendig gewesen. Dem SG könne nicht gefolgt werden, soweit dieses angenommen habe, der Kläger habe drei Widerspruchsverfahren geführt, von denen lediglich eines erfolgreich gewesen sei. Der Bevollmächtigte des Klägers habe im Schreiben vom 30.10.2008 klargestellt, dass es nur um die Leistungsablehnung für den Zeitraum 1.6. bis 23.8.2008 gehe. Auch die Beklagte sei offensichtlich von nur einem Widerspruchsverfahren ausgegangen.

9

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 63 Abs 1 S 1 SGB X und sinngemäß des § 328 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB III. Ein Widerspruch sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nur dann erfolgreich iS des § 63 Abs 1 S 1 SGB X, wenn zwischen dem Rechtsbehelf und der begünstigenden Entscheidung der Behörde eine ursächliche Verknüpfung im Rechtssinne bestehe. Allein der Umstand der Klaglosstellung führe noch nicht zum Erfolg. Nach diesen Maßstäben sei der Widerspruch des Klägers nicht erfolgreich gewesen, weil der angefochtene Bescheid über die vorläufige Ablehnung rechtmäßig gewesen sei. Der Wortlaut des § 328 SGB III schließe die Möglichkeit einer negativen Entscheidung nicht definitiv aus. Eine negative vorläufige Entscheidung diene dem Interessenausgleich zwischen Bürger und Behörde und zugleich der Minimierung des Verwaltungsaufwands. Da die Abhilfeentscheidung auf die Vorlage des arbeitsgerichtlichen Vergleichs zurückgehe, sei die vorliegende Sachverhaltsgestaltung mit den Fällen der nachträglichen Erfüllung von Mitwirkungspflichten vergleichbar, in denen das BSG eine Kausalität zwischen Rechtsbehelf und dessen Erfolg verneint habe.

10

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG vom 28. Mai 2010 aufzuheben, das Urteil des SG vom 24. Juli 2009 zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

11

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

12

Er hält das angefochtene Urteil des LSG für zutreffend und tritt dem Revisionsvorbringen entgegen.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision der Beklagten ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 Sozialgerichtsgesetz).

14

1. Von Amts wegen zu beachtende Verfahrensfehler liegen nicht vor. Die Revision und die Berufung sind jeweils zugelassen und damit statthaft. Sie sind auch nicht nach § 144 Abs 4 iVm § 165 S 1 SGG ausgeschlossen, weil in der Hauptsache über die Kosten eines isolierten Vorverfahrens gestritten wird(vgl BSGE 106, 21 = SozR 4-1300 § 63 Nr 12, RdNr 11 mwN).

15

2. Das LSG hat zu Recht entschieden, dass die Beklagte dem Kläger die für den Widerspruch vom 30.10.2008 entstandenen notwendigen Aufwendungen zu erstatten hat.

16

Anspruchsgrundlage für die begehrte Erstattung ist § 63 Abs 1 S 1 SGB X. Nach dieser Vorschrift hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich ist. Dies war bei dem Widerspruch des Klägers vom 30.10.2008 der Fall.

17

a) Der Senat geht mit dem LSG davon aus, dass der Widerspruch vom 30.10.2008 nur gegen die im Bescheid vom 1.10.2008 zum Ausdruck kommende Leistungsablehnung gerichtet war und dass deshalb entgegen der Auffassung des SG nicht angenommen werden kann, es lägen auch "Widersprüche" gegen die weiteren Bescheide vom 6.10.2008 vor und diese seien nicht erfolgreich gewesen. Das LSG hat insoweit das Widerspruchsschreiben vom 30.10.2008 zutreffend ausgelegt.

18

b) Ein Erfolg des Widerspruchs iS des § 63 Abs 1 S 1 SGB X liegt bereits deshalb vor, weil die Beklagte die im Bescheid vom 1.10.2008 getroffene Entscheidung, dem Kläger für die Zeit vom 1.6. bis 23.8.2008 vorläufig Alg "in Höhe von 0 Euro" zu gewähren, durch den späteren, die Leistung bewilligenden Bescheid vom 29.12.2008 ersetzt und damit dem Widerspruch abgeholfen hat. Ein Widerspruch hat im Regelfall immer dann Erfolg im Sinne des Gesetzes, wenn ihm die Behörde stattgibt (vgl BSG SozR 3-1300 § 63 Nr 3 S 13, ua mit Hinweis auf BVerwG Buchholz 316 § 18 VwVfG Nr 12).

19

Gegen einen Erfolg in dem vorbezeichneten Sinn spricht entgegen der Auffassung der Beklagten nicht der Umstand, dass die Beklagte im Ausgangsbescheid vom 1.10.2008 nur eine vorläufige Entscheidung getroffen hat. Denn es ist dem Adressaten eines Verwaltungsakts nicht verwehrt, auch gegen eine vorläufige Regelung Widerspruch einzulegen (vgl BSG, Urteil vom 19.10.2011, B 6 KA 35/10 R, zur Veröffentlichung in SozR 4-1300 § 63 Nr 16 vorgesehen). Der Kläger war nach den getroffenen Feststellungen durch den vorläufigen Bescheid der Beklagten, mit dem ihm Entgeltersatzleistungen verweigert worden sind, beschwert und er war deshalb nicht gehindert, auf eine Änderung dieser Entscheidung mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln hinzuwirken (vgl BSG, Urteil vom 19.10.2011 aaO RdNr 18).

20

Dahinstehen kann deshalb, ob § 328 Abs 1 S 1 SGB III überhaupt Rechtsgrundlage für eine vorläufige Leistungsablehnung sein kann. Dies dürfte allerdings nach dem Gesetzeswortlaut ("Erbringung von Geldleistungen") und nach dem Zweck der Vorschrift, existenznotwendige Leistungen möglichst schnell zur Verfügung zu stellen, zu verneinen sein (in diesem Sinne Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, § 328 RdNr 1, 41, Stand 2011; Schmidt-De Caluwe, NZS 2001, 240, 243). Etwas anderes folgt nicht aus der von der Revision zitierten Rechtsprechung des BSG (ua BSGE 82, 198 = SozR 3-4100 § 242v Nr 1), die nicht § 328 Abs 1 S 1 SGB III betrifft.

21

c) Die in der Rechtsprechung zu § 63 Abs 1 S 1 SGB X geforderte ursächliche Verknüpfung zwischen Rechtsbehelf und begünstigender Entscheidung(BSG SozR 3-1300 § 63 Nr 3 S 13 f; SozR 4-1300 § 63 Nr 1 RdNr 9; SozR 4-1300 § 63 Nr 13 RdNr 13 mwN) ist unter den Umständen des vorliegenden Falls ebenfalls zu bejahen. Es genügt insoweit, dass der Abhilfe eine vom Ausgangsbescheid abweichende Beurteilung der Sach- und Rechtslage (hier hinsichtlich Eintritt einer Sperrzeit) zugrunde liegt; einer Kausalität zwischen Widerspruchsbegründung und Aufhebung des angefochtenen Bescheids bedarf es nicht (vgl BSG, Urteil vom 19.10.2011 - B 6 KA 35/10 R - RdNr 20).

22

Soweit die Revision geltend macht, die Abhilfeentscheidung beruhe auf der Vorlage des arbeitsgerichtlichen Vergleichs und insofern sei die vorliegende Fallgestaltung mit Fällen der nachträglichen Erfüllung von Mitwirkungspflichten vergleichbar, in denen das BSG eine ursächliche Verknüpfung zwischen Rechtsbehelf und begünstigender Entscheidung verneint habe, folgt ihr der Senat nicht. Denn die von der Revision angeführte Rechtsprechung beruht auf der Erwägung, dass ein ursächlicher Zusammenhang dann nicht besteht, wenn dem Widerspruch deswegen stattgegeben wird, weil der Widerspruchsführer während des Widerspruchsverfahrens eine Handlung nachholt, die er bis zur Erteilung des angefochtenen Bescheids pflichtwidrig unterlassen hat (vgl BSG SozR 3-1300 § 63 Nr 3 S 14; BSG USK 2001-61; BSG SozR 4-1300 § 63 Nr 1 RdNr 10). Im vorliegenden Fall, in dem der arbeitsgerichtliche Vergleich erst am 3.12.2008 zustande gekommen ist, kann keine Rede davon sein, der Kläger habe in der Zeit bis zum Erlass des Bescheids vom 1.10.2008 eine ihm obliegende Mitwirkungshandlung unterlassen. Dies steht auch nicht im Widerspruch zu der Tatsache, dass die Beklagte ausweislich der vom LSG in Bezug genommenen Verwaltungsakten mit Schreiben vom 30.9.2008 den Kläger unter Hinweis auf dessen Mitwirkungspflicht um Vorlage des arbeitsgerichtlichen Vergleichs gebeten hatte.

23

d) Gegen die Annahme eines Erfolgs iS des § 63 Abs 1 S 1 SGB X spricht auch nicht die von der Revision weiter angeführte Entscheidung des BSG vom 25.1.2011 (B 5 R 14/10 R = SozR 4-1300 § 63 Nr 15), in der ein Erfolg des Widerspruchs deshalb verneint worden ist, weil überhaupt kein Verwaltungsakt vorlag und der Widerspruch damit ins Leere ging (zu einer solchen Fallgestaltung vgl bereits BSG SozR 4-1300 § 63 Nr 2). Im vorliegenden Fall wird auch von der Beklagten nicht bezweifelt, dass sie mit dem Bescheid vom 1.10.2008 einen Verwaltungsakt erlassen hat.

24

e) Nach den vom LSG getroffenen Feststellungen war die Zuziehung eines Rechtsanwalts notwendig (vgl § 63 Abs 3 S 2 SGB X). Hiervon ist auch die Beklagte von Anfang an ausgegangen.

25

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 24. Februar 2010 aufgehoben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21. November 2007 zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen.

Der Streitwert des Revisionsverfahrens beträgt 1542 Euro.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Erstattung der hälftigen Kosten eines isolierten Vorverfahrens.

2

Der Kläger war in den Quartalen II/1999 bis IV/2002 als Zahnarzt in D zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen. Er stand in ständigen Geschäftsbeziehungen zur Firma G, von der er zahntechnisch Leistungen bezog. Im Jahr 2003 wurde in einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren dem Anfangsverdacht nachgegangen, er habe von diesem Unternehmen Rückzahlungen (sog "Kick-back"-Zahlungen) erhalten, die er nicht an die gesetzlichen Krankenkassen weitergeleitet habe. Die Beklagte hob mit zwei Bescheiden vom 23.9.2003 unter Hinweis auf dieses Ermittlungsverfahren die dem Kläger für die Quartale II/1999 bis einschließlich IV/2002 erteilten Honorarbescheide in Höhe von vorläufig insgesamt 269 807,60 Euro auf und forderte die zu Unrecht gezahlte Vergütung bzw die zu Unrecht erstatteten Kosten zurück.

3

Dem Widerspruch des Klägers hiergegen gab die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7.11.2006 in Höhe von 137 046,50 Euro statt und wies ihn im Übrigen als unbegründet zurück. Gebühren und Auslagen des Bevollmächtigten seien nicht zu erstatten. Die Honorarbescheide seien nur vorläufig aufgehoben worden, weil nach den Erfahrungswerten noch privatärztliche Leistungen in der zurückgeforderten Summe hätten enthalten sein können. Unter Berücksichtigung des Ermittlungsergebnisses, der beschlagnahmten Abrechnungsunterlagen des Klägers und nach den Auskünften der betroffenen Krankenkassen sei ein Schaden in Höhe von 132 761,10 Euro entstanden. Dieser Betrag sei an die Krankenkassen und die Patienten zurückzuzahlen. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes werde zwar für notwendig gehalten, Kosten könnten aber dennoch nicht erstattet werden. Es liege zwar rein formal eine teilweise Abhilfe vor. Hierfür sei der Widerspruch jedoch nicht kausal gewesen. Die Beklagte habe zunächst nur den in der Ermittlungsakte als Höchstschaden benannten Betrag zurückgefordert. Sie hafte gegenüber den Krankenkassen, wenn ein Vertragszahnarzt bei Erfüllung der vertragszahnärztlichen Pflichten die nach den Umständen erforderliche Sorgfalt außer Acht lasse und ihr ein Rückgriff gegen den Zahnarzt durch Aufrechnung gegen die Honorarforderungen möglich sei. Daher habe sie den vorläufigen Schadensbetrag bei dem Kläger sicherstellen müssen. Nach der nachvollziehbaren Darlegung der Kassen- und Patientenanteile werde der übersicherte Betrag für die Privatpatienten an den Kläger freigegeben, weil die Beklagte insoweit nicht für die Schadensrückabwicklung zuständig sei. Nach dem Abgleich mit dem Zahnarzt und den Krankenkassen werde der vorläufige Ausgangsbescheid endgültig auf den ermittelten Gesamtschaden festgesetzt. Dies geschehe unabhängig davon, ob der Zahnarzt Widerspruch gegen den Bescheid eingelegt habe oder nicht. Deshalb seien nicht der Widerspruch, sondern die Erkenntnisse aus dem Strafverfahren ursächlich für die teilweise Aufhebung des Widerspruchs. Hätte der Widerspruchsausschuss zum Zeitpunkt der Einlegung des Widerspruchs am 27.10.2003 über den Widerspruch entschieden, hätte er den Widerspruch zurückweisen müssen.

4

Das SG Düsseldorf hat die Beklagte verurteilt, die Gebühren und Auslagen des Vorverfahrens des Bevollmächtigten in hälftiger Höhe zu erstatten, weil der Widerspruch des Klägers teilweise erfolgreich gewesen sei. Es sei hier allein auf das Ergebnis abzustellen. Umstände, die eine ursächliche Verknüpfung zwischen der begünstigenden Entscheidung der Behörde und dem Widerspruch ausschlössen, lägen nicht vor. Zwar hätte die Beklagte möglicherweise auch ohne den Widerspruch von Amts wegen ihre Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide nach Konkretisierung der strafrechtlichen Vorwürfe angepasst. Es entspreche jedoch dem typischen Risiko einer Behörde, dass von ihr getroffene Maßnahmen mit dem gesetzlich vorgesehenen Rechtsbehelf angegriffen würden. Der Adressat eines belastenden Verwaltungsakts könne nicht darauf verwiesen werden, dass die Behörde der ihr obliegenden Amtsermittlungspflicht im Laufe des Verfahrens von sich aus fehlerfrei nachkommen werde.

5

Das LSG Nordrhein-Westfalen hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG geändert und die Klage abgewiesen (Urteil vom 24.2.2010). Die Änderung des Rückforderungsbescheides durch Reduzierung auf etwa die Hälfte des Rückforderungsbetrages beruhe nicht auf dem Widerspruch des Klägers. Die Beklagte, die zunächst keine exakte Berechnung des rechtswidrig erhaltenen Honorars habe durchführen können, habe lediglich einen vorläufigen, auf einer Schätzung beruhenden Bescheid erlassen. Bei einem vorläufigen Verwaltungsakt werde eine Regelung unter dem Vorbehalt der späteren endgültigen Entscheidung getroffen. Die Beklagte hätte auch die Möglichkeit gehabt, nach Erlass eines neuen Rückforderungsbescheides den Widerspruch für erledigt zu erklären und mit der entsprechenden Kostenfolge in vollem Umfang abzuweisen.

6

Dagegen richtet sich Revision des Klägers. Er trägt zur Begründung vor, allein entscheidend sei der Ausgang des Widerspruchsverfahrens. Nur so sei für den Betroffenen auch das Kostenrisiko eines Widerspruchsverfahrens absehbar. Die Einlegung eines Widerspruchs sei stets kausal für die sodann ergehende Widerspruchsentscheidung. Durch nicht ausreichend konkretisierbare Anforderungen an die Kausalität werde die Kostenerstattungsentscheidung nach § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X entgegen ihrem Wortlaut schleichend zu einer Ermessensentscheidung. Das LSG habe der Beklagten auch zu Unrecht die Möglichkeit zugestanden, einen vorläufigen Rückforderungsbescheid zu erlassen.

7

Der Kläger beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 24. Februar 2010 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21. November 2007 zurückzuweisen.

8

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

9

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

10

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Sentas durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

Entscheidungsgründe

11

Die Revision des Klägers ist begründet. Das LSG hat zu Unrecht das Urteil des SG geändert. Die Beklagte ist verpflichtet, eine Kostengrundentscheidung zugunsten des Klägers zu treffen.

12

1. Die Klage unmittelbar gegen die Entscheidung der Beklagten im Widerspruchsbescheid über die Kosten des Widerspruchsverfahrens war zulässig (zur Trennung von Sach- und Kostenentscheidung vgl BSG SozR 4-1300 § 63 Nr 5 RdNr 13). Eines gesonderten Vorverfahrens nach § 78 Abs 1 SGG hinsichtlich der Kostengrundentscheidung bedurfte es nicht (vgl Becker in Hauck/Noftz, SGB X, Stand: August 2011, K § 63 RdNr 25). Die Beklagte war als Behörde, die über den Widerspruch entschieden hat, auch für die Kostenentscheidung zuständig (vgl BSG SozR 4-1300 § 63 Nr 9, RdNr 16 zur Kostenfestsetzungsentscheidung des Berufungsausschusses).

13

2. Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers ist § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X. Danach hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich ist. Diese Voraussetzung war hier gegeben. Der Widerspruch des Klägers war erfolgreich iS des § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X, weil die Beklagte die Rückforderungssumme auf etwa die Hälfte reduziert hat.

14

3. Dem Erfolg des Widerspruchs iS des § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X steht eine mangelnde Ursächlichkeit zwischen dem Widerspruch und der begünstigenden Entscheidung nicht entgegen. Der Senat hält grundsätzlich daran fest, dass ein Widerspruch nicht immer schon dann erfolgreich ist, wenn zeitlich nach der Einlegung des Rechtsbehelfs eine den Widerspruchsführer begünstigende Entscheidung ergeht, sondern auch erforderlich ist, dass zwischen der Einlegung des Rechtsbehelfs und der begünstigenden Entscheidung der Behörde eine ursächliche Verknüpfung im Rechtssinne besteht (vgl zuletzt Urteil vom 13.10.2010 - B 6 KA 29/09 R, SozR 4-1300 § 63 Nr 13 RdNr 16 unter Bezugnahme auf BSG SozR 4-1300 § 63 Nr 5 RdNr 15; BSG SozR 4-1300 § 63 Nr 4 RdNr 11; BSG SozR 3-1500 § 144 Nr 13 S 34; BSG SozR 3-1300 § 63 Nr 3 S 13).

15

Ausgangspunkt für die Rechtsprechung des BSG zum Erfordernis einer kausalen Verknüpfung zwischen Widerspruch und begünstigender Widerspruchsentscheidung ist eine Entscheidung des 4. Senats des BSG vom 21.7.1992 (SozR 3-1300 § 63 Nr 3). Dort wurde eine solche Verknüpfung für einen Fall verneint, in dem durch eine nachträgliche Vorlage des Antragsvordrucks und einer Bescheinigung über die Staatsangehörigkeit im Widerspruchsverfahren die Voraussetzungen für die Berechtigung zur Nachentrichtung von Beiträgen nachgewiesen wurden. Der Forderung nach einer ursächlichen Verknüpfung im Rechtssinne hat der 12. Senat sich in einem zurückverweisenden Urteil vom 29.1.1998 angeschlossen (BSG SozR 3-1500 § 144 Nr 13 S 34). In seiner abschließenden Entscheidung in dieser Sache hat der 12. Senat des BSG (Urteil vom 18.12.2001 - USK 2001-61 S 377) einen ursächlichen Zusammenhang abgelehnt, weil dem Widerspruch im Hinblick darauf stattgegeben worden war, dass der Widerspruchsführer ausstehende Beitragszahlungen geleistet hatte, nachdem die Krankenkasse wegen eines Beitragsrückstandes das Ende der Mitgliedschaft festgestellt hatte. In den entschiedenen Fällen beruhte die Stattgabe mithin allein darauf, dass der Widerspruchsführer während des Widerspruchsverfahrens eine Handlung nachgeholt hatte, die er zuvor pflichtwidrig unterlassen hatte. Das Verhalten der Widerspruchsführer, die erst im Widerspruchsverfahren die gebotene Handlung nachgeholt und dann die Erstattung der Vorverfahrenskosten verlangt hatten, ist als widersprüchlich angesehen worden (BSG SozR 4-1300 § 63 Nr 1 RdNr 10). Der 5. Senat hat in einem Urteil vom 17.10.2006 (SozR 4-1300 § 63 Nr 5) die Kausalität für den Fall verneint, dass bei einem unzulässigen Widerspruch wegen der fehlenden Kostenentscheidung in einem Abhilfebescheid aufgrund einer Kostennote die geltend gemachten Beträge überwiesen worden waren. Als mangels Kausalität nicht erfolgreich hat der 13. Senat am 20.10.2010 in einem obiter dictum den Widerspruch gegen einen Bescheid angesehen, der nach § 96 SGG Gegenstand eines sozialgerichtlichen Verfahrens geworden war (SozR 4-1500 § 193 Nr 6). Der erkennende Senat hat mit Urteil vom 13.10.2010 - B 6 KA 29/09 R - (SozR 4-1300 § 63 Nr 13 RdNr 18 ff) entschieden, dass auch dann, wenn eine während des Widerspruchsverfahrens eingetretene Rechtsänderung zu einem für den Widerspruchsführer günstigen Verfahrensausgang führt, die erforderliche Ursächlichkeit im Rechtssinne grundsätzlich nicht entfällt (vgl hierzu bereits BSG SozR 4-1300 § 63 Nr 1 RdNr 11, wo die Frage aber nicht zu entscheiden war; Becker aaO, K § 63 RdNr 27; Diering in LPK-SGB X, 2. Aufl 2007, § 63 RdNr 5 f).

16

Ob die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung und die Literatur zu § 80 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) die Prüfung der Kausalität des Widerspruchs als Voraussetzung für den Kostenerstattungsanspruch für entbehrlich halten (hierfür sprechen etwa BVerwG Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr 12 und 25; Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 11. Aufl 2010, § 80 RdNr 25 unter Hinweis auf zT widersprüchliche Entscheidungen; dagegen etwa Hamburgisches OVG, NVwZ-RR 1999, 706; Kallerhoff in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl 2008, § 80 RdNr 31) oder ob sie nur die Unmaßgeblichkeit der Widerspruchsbegründung betonen, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Das BVerwG verfolgt immerhin auch einen kausalitätsbezogenen Ansatz, wenn es in einer neueren Entscheidung bei der Prüfung, ob die Behörde treuwidrig statt einer Abhilfeentscheidung nach § 72 VwGO eine Rücknahmeentscheidung nach § 48 VwVfG getroffen hat, darauf abstellt, ob das die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auslösende Ereignis im Verantwortungsbereich des Widerspruchsführers lag (BVerwGE 118, 84: Kriegsdienstverweigerungsantrag, der zwischen Absendung und Zugang des Einberufungsbescheides gestellt worden war). Eine Konstellation, in der der Widerspruch nicht kausal für die begünstigende Entscheidung ist, ist hier jedenfalls nicht gegeben.

17

4. Der Kläger hat sich als Widerspruchsführer im Ergebnis teilweise durchgesetzt, weil die Beklagte den vom Kläger angegriffenen Honorareinbehalt im Widerspruchsverfahren deutlich reduziert hat. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Beklagte in den Bescheiden vom 23.9.2003 die Höhe der Rückforderungssummen lediglich vorläufig festgesetzt hatte. Es ist dem Adressaten eines Verwaltungsaktes nicht verwehrt, auch gegen eine vorläufige Festsetzung Widerspruch einzulegen. Die Beklagte kann nicht mit Erfolg darauf verweisen, dass sie den Widerspruch hätte zurückweisen müssen, wenn sie früher über ihn entschieden hätte. Es kann offenbleiben, ob dies zutrifft, hat sich doch ihre Schätzung als deutlich überzogen erwiesen. Auf hypothetische Entscheidungsalternativen kommt es nicht an. Tatsächlich hat die Beklagte jedenfalls nicht in angemessener Zeit über den Widerspruch entschieden, sondern abgewartet, bis sie eine endgültige Entscheidung über die Höhe der Rückforderung hat treffen können. Wenn die Beklagte dann - unter Vermengung der Entscheidungen über den Widerspruch hinsichtlich der vorläufigen Festsetzung einerseits und über die endgültige Festsetzung andererseits - dem Widerspruch teilweise abhilft, ist dieser als erfolgreich im Rechtssinne anzusehen.

18

Dass die Beklagte möglicherweise auch ohne den Widerspruch eine endgültige Festsetzung in Höhe von 132 761,10 Euro vorgenommen hätte, lässt die Kausalität des Widerspruchs nicht entfallen. Das SG hat zu Recht ausgeführt, dass dem Kläger nicht zuzumuten war, auf die Einlegung eines Rechtsbehelfs im Hinblick auf die Vorläufigkeit der Festsetzung zu verzichten. Er war auch durch die vorläufige Regelung beschwert und nicht gehindert, auf deren Änderung mit den ihm zur Verfügung stehenden rechtlichen Mitteln hinzuwirken. Gerade wenn die Feststellung der Schadenssumme einige Zeit in Anspruch nimmt, kann ein Interesse an der Reduzierung des vorläufig festgestellten Betrages oder gar der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides insgesamt bestehen. Wenn die Beklagte zeitnah, also zumindest innerhalb der Drei-Monats-Frist des § 88 Abs 2 SGG, entschieden hätte, hätte sie ihrer Widerspruchsentscheidung den im Entscheidungszeitpunkt vorhandenen Kenntnisstand zu Grunde legen müssen und dürfen. Nach damaligem Sachstand hätte die Beurteilung, ob ihr Rückzahlungsansprüche in der ursprünglich angenommenen Höhe von ca 270 000 Euro zustanden, möglicherweise noch anders ausfallen können (zur Schätzungsbefugnis vgl BSG SozR 3-5550 § 35 Nr 1 S 6). Allein der Umstand, dass die Beklagte den Widerspruch nicht zeitnah beschieden und die Entscheidung sodann mit der endgültigen Festsetzung verknüpft hat, ändert nichts daran, dass auf den Widerspruch hin eine teilweise Stattgabe erfolgte.

19

Entgegen der Auffassung der Beklagten besteht hier auch wertungsmäßig keine Parallele zu dem Fall, in dem der Widerspruchsführer sich widersprüchlich verhält, weil er erst im Widerspruchsverfahren eine gebotene Handlung nachholt und dann die Erstattung der Vorverfahrenskosten verlangt (vgl BSG SozR 4-1300 § 63 Nr 1 RdNr 10). Zwar war der Kläger, nachdem feststand, dass er Kick-Back-Zahlungen erhalten hatte, zur Mitwirkung bei der Ermittlung der Schadenshöhe verpflichtet. Die Beklagte hat in ihrem Widerspruchsbescheid selbst ausgeführt, der Kläger habe mit Schreiben vom 3.11.2003 an das Amtsgericht den Schaden auf ca 130 000 Euro beziffert, was der letztlich festgesetzten Summe nahekommt. Die Höhe der vorläufigen Festsetzung resultierte außerdem nach den Angaben der Beklagten auch daraus, dass zunächst der maximale Schadensbetrag sichergestellt werden sollte ohne Differenzierung zwischen Kassen- und Privatpatienten. Zur Neuberechnung der Rückforderung reichte damit nicht allein eine einfache Mitwirkungshandlung des Widerspruchsführers aus. Es bedurfte vielmehr einer Auswertung der Abrechnungsunterlagen sowie der strafrechtlichen Ermittlungen, um die Schadenssumme zu konkretisieren. Dem Kläger ist ein widersprüchliches Verhalten im Widerspruchsverfahren nicht vorzuwerfen. Dass letztlich das gesamte Verfahren auf sein Fehlverhalten zurückgeht, ist in diesem Zusammenhang ohne Belang, weil die Kostengrundentscheidung - außerhalb des engen Rahmens eines venire contra factum proprium im Verwaltungsverfahren selbst - grundsätzlich keinen Raum für die Berücksichtigung von Verschuldensgesichtspunkten bietet. Die Vorschrift des Satz 3 in § 63 Abs 1 SGB X betrifft nicht die hier streitige Grundentscheidung, sondern kann allenfalls die Erstattung dem Umfang nach beschränken (vgl BSG Urteil vom 8.10.1987, 9a RVs 10/87, juris RdNr 12, 13; Roos in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 63 RdNr 25).

20

Schließlich berührt die Kausalität hier auch nicht, dass der Kläger seinen Widerspruch nicht ausdrücklich gesondert begründet hat. Der Sachverhalt, um den gestritten wurde, und das Vorbringen des Klägers hierzu war der Beklagten hinreichend bekannt, wie sich nicht zuletzt aus den Bezugnahmen im Widerspruchsbescheid auf das Strafverfahren sowie auf das Verfahren der Zulassungsentziehung ergibt. Welche rechtlichen Erwägungen letztlich zur (teil)stattgebenden Entscheidung im Widerspruchsverfahren geführt haben (vgl BSG SozR 4-1300 § 63 Nr 13 RdNr 19; BSG SozR 3-1500 § 144 Nr 13 S 34), ist grundsätzlich ohne Belang. Der Erfolg eines Widerspruchs bemisst sich nicht daran, ob der Argumentation des Widerspruchsführers gefolgt wurde. Einer Kausalität zwischen Widerspruchsbegründung und der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsaktes bedarf es nicht. Auch wenn dem Widerspruch aus vom Widerspruchsführer nicht vorgetragenen Gründen stattgegeben wird, ist er erfolgreich gewesen, wenn der Abhilfe eine vom Ausgangsbescheid abweichende Beurteilung der Sach- und Rechtslage zugrunde liegt (vgl Krasney in Kasseler Komm, Stand: Januar 2009, § 63 SGB X RdNr 5).

21

Der Verwaltungsträger wird dadurch auch nicht in unbilliger Weise mit Kosten belastet. Der Widerspruchsführer hat von einem ihm zustehenden Rechtsbehelf zur Wahrung seiner Rechte Gebrauch gemacht. Das SG hat zu Recht darauf hingewiesen, dass sich für die Beklagte als Behörde das typische Risiko realisierte, dass eine von ihr getroffene Maßnahme mit dem gesetzlich vorgesehenen Rechtsbehelf angegriffen wurde. Auch der Umstand, dass sie über diesen Rechtsbehelf nicht innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist des § 88 Abs 2 SGG entschieden hat und damit auch nicht mehr allein aufgrund einer Schätzung, ist der Beklagten zuzurechnen.

22

Es kann offenbleiben, ob die Beklagte die Kostenfolge hätte vermeiden können, wenn sie bezogen auf den vorläufigen Bescheid einen negativen Widerspruchsbescheid und einen gesonderten Bescheid über die endgültige Festsetzung der Rückforderung erlassen hätte. Eine hypothetische Gestaltungsmöglichkeit stellt die Rechtsfolgen der tatsächlichen Gestaltung nicht in Frage. Soweit die Beklagte noch zum Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung im Jahr 2006 so vorgegangen wäre, hätten erhebliche Zweifel an der Zulässigkeit eines solchen allein zur Vermeidung von Kosten gewählten Vorgehens bestanden (vgl insoweit auch BVerwG, NJW 2009, 2968, 2969).

23

5. Die Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwalts für das Rechtsbehelfsverfahren, § 63 Abs 2 iVm Abs 3 Satz 2 SGB X, hat die Beklagte zu Recht nicht in Frage gestellt (anders gelagert BSG SozR 4-1300 § 63 Nr 4 RdNr 22, zum formalen Akt der Widerspruchserhebung in einem Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren).

24

6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 GKG.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR163/13 Verkündet am:
19. Februar 2014
Schick
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
1. Ein privater Krankheitskostenversicherungsvertrag wird nicht vom Insolvenzbeschlag
erfasst und unterliegt daher nicht dem Wahlrecht des Insolvenzverwalters
2. Zum Nachweis des Zugangs eines im Sendeprotokoll mit "OK-Vermerk" versehenen
Telefaxes.
BGH, Urteil vom 19. Februar 2014 - IV ZR 163/13 - OLG Jena
LG Erfurt
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin Mayen, die Richter Wendt, Felsch, Lehmann und die Richterin
Dr. Brockmöller auf die mündliche Verhandlung vom19. Februar 2014

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena - 4. Zivilsenat - vom 9. April 2013 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger, ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, nimmt den Beklagten, über dessen Vermögen am 10. Juni 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, auf Zahlung rückständiger Prämien für die Zeit vom 1. Juli 2009 bis 30. Juni 2010 aus einem Vertrag über Kranken- und Pflegeversicherung in Anspruch. Versicherungsnehmer dieses Vertrages war der Beklagte; seine (getrennt lebende) Ehefrau und seine beiden Kinder waren zunächst Mitversicherte, später Alleinversicherte des Vertrages.
2
Der Beklagte behauptet, dass er den Vertrag hinsichtlich seiner Frau und seiner Kinder per Telefax am 15. Juli 2008 zum Jahresende gekündigt habe. Am 17. November 2008 habe auch seine Ehefrau nochmals eine Kündigung per Telefax ausgesprochen. Seine Familienmitglieder seien seit dem 1. Januar 2009 anderweitig versichert.
3
Der Kläger bestreitet unter Vorlage von Faxeingangsjournalen den Erhalt dieser Faxe und akzeptierte erst eine unter dem 15. Juni 2010 ausgesprochene Kündigung mit Wirkung zum 30. Juni 2010. Streitig ist außerdem, ob dem Beklagten Mitteilungen über Prämienerhöhungen mit Wirkung zum Jahresanfang 2009 und 2010 zugegangen sind.
4
Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang entsprochen.
5
Mit seiner Berufung hat der Beklagte zusätzlich eingewandt, dass die geltend gemachten Ansprüche sämtlich nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden und deshalb nicht mehr durchsetzbar seien, da der Treuhänder, der dem Rechtsstreit als Streithelfer des Beklagten beigetreten ist, mit Schreiben vom 7. Januar 2010 unstreitig die Erfüllung der Verträge gemäß § 103 Abs. 2 InsO abgelehnt habe.
6
Außerdem hat der Beklagte in zweiter Instanz hilfsweise die Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch in Höhe von 3.747 € (Beiträge für das Jahr 2010) erklärt, weil der Kläger es trotz Kenntnis von der Insolvenz und Kontaktaufnahme mit dem Treuhänder bis zum 11. Mai 2010 unterlassen habe, mit ihm zur Klärung der Beitragszahlung Kontakt aufzunehmen; für den Fall der Unzulässigkeit der Aufrechnung hat er Hilfswiderklage erhoben.
7
Die Berufung des Beklagten hat lediglich insoweit Erfolg gehabt, als das Berufungsgericht die Hauptforderung auf 6.608,76 € und die An- waltskosten auf 603,92 € gekürzt hat. Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Revision des Beklagten.

Entscheidungsgründe:


8
Die Revision hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
9
I. Dieses hat ausgeführt, dass der Beklagte den Zugang der Faxschreiben vom 15. Juli und 17. November 2008 nicht habe beweisen können und auch § 103 InsO der Durchsetzbarkeit der Forderungen nicht entgegenstehe. Zwar sei § 103 InsO grundsätzlich auf Versicherungsverträge anwendbar; da aber Ansprüche des Schuldners aus einer privaten Krankenversicherung gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 InsO wegen Unpfändbarkeit nach § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO nicht in die Insolvenzmasse fielen, fehle es für diesen Vertrag an den Voraussetzungen des § 103 InsO.
10
Die vom Insolvenzverwalter erklärte Erfüllungsablehnung enthalte keine wirksame Kündigung des Vertrages, da diese jedenfalls vom Beklagten hätte abgegeben werden müssen. Der Kläger handele auch nicht treuwidrig, wenn er eine Kündigung durch den Insolvenzverwalter nicht gelten lassen wolle, obwohl er in einem Schreiben an ihn vom 10. August 2009 von einer Kündigungsmöglichkeit gesprochen habe. Zudem sei der Erklärung des Insolvenzverwalters keine Kündigung zu entnehmen und dem Kläger ein Anschlussversicherungsnachweis für die Versicherten auch erst am 16. Juni 2010 zugegangen.
11
Die Klage sei allerdings nur in Höhe der Prämien ohne die geltend gemachten Prämienerhöhungen ab 2009 begründet, weil der Kläger den Zugang entsprechender Erhöhungsmitteilungen nicht bewiesen habe.
12
Ein Schadensersatzanspruch aus § 280 BGB in Verbindung mit dem Versicherungsvertrag, den er im Wege der Aufrechnung oder der Widerklage durchsetzen könnte, stehe dem Beklagten nicht zu.
13
II. Dies hält rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
14
1. Zutreffend ist allerdings die Annahme des Berufungsgerichts, dass § 103 InsO der Durchsetzbarkeit der Klageforderung nicht entgegensteht. Zwar fallen auch Versicherungsverträge als Dauerschuldverhältnisse , die noch nicht vollständig erfüllt sind, im Grundsatz unter das Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO(MünchKomm-InsO/ Huber, 3. Aufl. § 103 Rn. 118; Uhlenbruck/Wegener, InsO 13. Aufl. § 103 Rn. 44; Braun/Kroth, InsO 5. Aufl. § 103 Rn. 10), sofern sie vom Insolvenzbeschlag erfasst werden. Letzteres trifft aber aufgrund der Regelung in § 850b ZPO nicht auf private Krankenversicherungsverträge zu.
15
a) Die Vorschrift des § 850b ZPO findet auch im Insolvenzverfahren entsprechende Anwendung (BGH, Urteil vom 3. Dezember 2009 - IX ZR 189/08, VersR 2010, 953 Rn. 5 ff., insbesondere Rn. 13). Somit werden die unter diese Bestimmung fallenden Ansprüche nicht vom Insolvenzbeschlag erfasst.

16
b) Das gilt auch für private Krankheitskostenversicherungsverträge (ebenso OLG Frankfurt VersR 2013, 990; LG Köln VersR 2013, 1389; LG Dortmund r+s 2012, 248; MünchKomm-InsO/Huber aaO § 103 Rn. 87; Senger/Finke, ZInsO 2012, 997, 1000 f.; a.A. früher LG Köln NJW -RR 2004, 552). Zu den in § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO genannten Bezügen zählen nämlich auch die Leistungsansprüche aus einer privaten Krankheitskostenversicherung , die auf Erstattung von Kosten für ärztliche Behandlungsmaßnahmen im Krankheitsfall gerichtet sind (BGH, Beschluss vom 4. Juli 2007 - VII ZB 68/06, VersR 2007, 1435 Rn. 12).
17
Kann jedoch der Insolvenzverwalter oder der Treuhänder (§ 313 InsO) die Forderungen des Schuldners aus dem Vertrag nicht zur Masse ziehen, so ist auch kein Raum für die Anwendung von § 103 InsO (OLG Frankfurt aaO S. 992; LG Köln aaO; LG Dortmund aaO; Senger/Finke aaO). Der Sinn des Erfüllungswahlrechts nach § 103 InsO besteht darin, dass der Insolvenzverwalter durch die Erfüllungswahl ggf. Vermögenswerte zur Masse ziehen oder anderenfalls die Belastung der Masse mit den Gegenforderungen vermeiden kann. Die Vorschrift setzt deshalb einen Massebezug voraus. Insolvenzfreie Schuldverhältnisse werden von ihr generell nicht erfasst (MünchKomm-InsO/Huber aaO).
18
c) Auf die Erklärungen des Streithelfers zu einer Erfüllungswahl kommt es daher nicht an; sie sind insoweit gegenstandslos.
19
Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur bedingten Pfändbarkeit von Leistungen aus Berufsunfähigkeitsversicherungen gemäß § 850b Abs. 2 ZPO und der insoweit gegebenen Anwendbarkeit von § 103 InsO (BGH, Urteil vom 3. De- zember 2009 - IX ZR 189/08, VersR 2010, 953). Abgesehen davon, dass bei nur bedingt pfändbaren Ansprüchen eine Übertragung der Versicherung selbst auf den Verwalter nicht in Frage kommt, das Stammrecht vielmehr dem Schuldner erhalten bleiben muss (BGH aaO Rn. 15), entspricht es - anders als bei einer Berufsunfähigkeitsrente - nicht der Billigkeit i.S. von § 850b Abs. 2 ZPO, dass Gläubiger des Schuldners auf zukünftige Erstattungsleistungen des Krankheitskostenversicherers zugreifen dürfen, die ausschließlich der Abdeckung neu entstandener tatsächlicher krankheitsbedingter Aufwendungen dienen.
20
d) Weiter ist eine abweichende Beurteilung für den Streitfall nicht deshalb geboten, weil es vorliegend um eine Versicherung zugunsten der Ehefrau des Beklagten und seiner Kinder geht, die bei Insolvenzeröffnung bereits anderweitig krankenversichert waren, weshalb nach Auffassung der Revision jedes Bedürfnis für eine Pfändungsbeschränkung nach § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO entfalle, so dass zumindest aus diesem Grunde der Versicherungsvertrag vom Insolvenzbeschlag erfasst werde.
21
Allein die Existenz eines weiteren Krankenversicherungsvertrages zugunsten des Versicherten kann es nicht rechtfertigen, dass der Insolvenzverwalter des Versicherungsnehmers abweichend von obigen Erwägungen den Vertrag mit Wirkung für die Masse fortführen kann. Denn der Versicherte (gleichgültig, ob es sich um den Versicherungsnehmer oder einen mitversicherten Dritten handelt) hätte keinen ausreichenden Schutz, wenn der Verwalter nach § 103 InsO Erfüllung wählen und dann die Erstattungsleistungen zur Masse ziehen könnte: Da die Versicherer im Falle der Mehrfachversicherung nach dem auch in der Krankenversicherung gemäß § 194 Abs. 1 Satz 1 VVG anwendbaren § 78 Abs. 1 VVG als Gesamtschuldner haften, kann der Versicherungsnehmer oder der Versicherte die Leistung nur einmal verlangen und hätte somit auch gegen den anderen Versicherer keinen Anspruch mehr, wenn der Insolvenzverwalter den Erstattungsbetrag beim ersten Versicherer liquidiert hat.
22
2. Aus der fehlenden Massezugehörigkeit des Vertrages und der aus ihm folgenden Rechte und Pflichten ergibt sich zugleich, dass dem Streithelfer des Beklagten die Befugnis zur Kündigung des Vertrages fehlte, so dass es auf eine Auslegung seiner Erklärung im Schreiben vom 7. Januar 2010 unter diesem Gesichtspunkt nicht ankommt.
23
3. Dagegen hat das Berufungsgericht eine Beendigung des Vertrages durch die mit den Telefaxschreiben vom 15. Juli und 17. November 2008 erklärten Kündigungen mit unzureichender Begründung verneint.
24
a) Jedenfalls die Kündigung vom 15. Juli 2008 war geeignet, die Vertragsbeendigung zum Jahresende herbeizuführen. Ein fehlender Anschlussversicherungsnachweis steht einer Kündigung zum 31. Dezember 2008 schon deshalb nicht entgegen, weil die Absätze 3 bis 7 des § 193 VVG sowie § 205 Abs. 6 VVG erst mit Wirkung zum 1. Januar 2009 in das Gesetz eingefügt worden sind, eine Versicherungspflicht mithin erst ab diesem Zeitpunkt bestand; die zuvor bestehende Versicherung bis zum 31. Dezember 2008 hatte deshalb nicht den Charakter einer Pflichtversicherung. Zudem bedurfte die Kündigung für die mitversicherte volljährige Ehefrau nicht des Nachweises einer Anschlussversicherung (vgl. Senatsurteil vom 18. Dezember 2013 - IV ZR 140/13, r+s 2014, 83).
25
b) Für das Revisionsverfahren ist ferner davon auszugehen, dass auch die von der Ehefrau des Beklagten erklärte Kündigung vom 17. No- vember 2008 eine Vertragsbeendigung herbeiführen konnte. Insoweit bedürfte es, wenn es mangels wirksamer Kündigung am 15. Juli 2008 auf diese Erklärung ankommen sollte, weiterer Feststellungen, ob die Kündigung den Umständen nach im Namen des Beklagten als Versicherungsnehmer und mit einer entsprechenden Vollmachterklärt wurde.
26
c) Den Zugang der beiden Telefaxe vom 15. Juli und 17. November 2008 hätte das Berufungsgericht ohne weitere Sachaufklärung nicht verneinen dürfen.
27
aa) Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Beklagte den Zugang der Kündigungserklärungen beweisen muss. Ferner deckt sich seine Auffassung, dass der "OKVermerk" eines Sendeberichts lediglich ein Indiz für den Zugang eines Telefaxes darstellt und insoweit keinen Anscheinsbeweis erbringt, mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (zuletzt BGH, Beschlüsse vom 8. Oktober 2013 - VIII ZB 13/13 juris Rn. 12; vom 14. Mai 2013 - III ZR 289/12, NJW 2013, 2514 Rn. 11; vom 21. Juli 2011 - IX ZR 148/10, juris Rn. 3; ferner Urteil vom 7. Dezember 1994 - VIII ZR 153/93, NJW 1995, 665 unter II 3) und anderer oberster Bundesgerichte (BAG, BAGE 102, 171; vgl. auch BSG, Beschluss vom 20. Oktober 2009 - B 5 R 84/09 B, juris Rn. 12).
28
bb) Allerdings wird diese Rechtsprechung - wie die Revision insoweit zutreffend geltend macht - im Hinblick auf technische Weiterentwicklungen auf dem Gebiet der Telekommunikation zum Teil in Frage gestellt (OLG Frankfurt, Urteil vom 5. März 2010 - 19 U 213/09, juris Rn. 17; OLG Karlsruhe VersR 2009, 245; OLG Celle VersR 2008, 1477, 1478; OLG München MDR 1999, 286 Rn. 12; Singer/Benedict in Staudinger, BGB [2012] § 130 Rn. 109; Gregor, NJW 2005, 2885, 2885 f.; Riesenkampff , NJW 2004, 3296, 3298 f.).
29
cc) Ob und inwieweit diese Kritik berechtigt ist, kann im Streitfall offen bleiben. Das Berufungsgericht hat unabhängig hiervon den Sachverhalt nicht umfassend gewürdigt und sich über Beweisantritte des Beklagten hinweggesetzt, die bereits auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine weitere Aufklärung geboten.
30
(1) Das Berufungsgericht hat zunächst nicht genügend bedacht, dass der "OK-Vermerk" auf dem Sendebericht auch nach der dargestellten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs immerhin das Zustandekommen einer Verbindung mit der in der Faxbestätigung genannten Nummer belegt. In Anbetracht dieses Umstands kann sich der Empfänger nicht auf ein bloßes Bestreiten des Zugangs beschränken; er muss sich im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast vielmehr näher dazu äußern, welches Gerät er an der fraglichen Gegenstelle betreibt, ob die Verbindung im Speicher enthalten ist, ob und in welcher Weise er ein Empfangsjournal führt und dieses gegebenenfalls vorlegen usw. (ebenso OLG Frankfurt, Urteil vom 5. März 2010 - 19 U 213/09, juris Rn. 17). Die Beweiskraft des im "OK-Vermerk" liegenden Indizes ist sodann unter Berücksichtigung dieses Vorbringens zu würdigen.
31
Im Streitfall ist diese Würdigung durch das Berufungsgericht unzureichend erfolgt. Zwar hat der Kläger Eingangsjournale vorgelegt; diese lassen aber nicht erkennen, auf welchen Telefaxanschluss sie sich beziehen und zum Teil enthalten die darin aufgelisteten eingegangenen Faxe auch keine Absendernummern. Dabei gibt es zumindest in einem Punkt eine auffallende Übereinstimmung mit dem Vortrag des Beklagten: Das vorgelegte Empfangsjournal des Klägers vom 17. November 2008 führt unter anderem um 10:36 Uhr ein einseitiges Fax mit einer Sendedauer von 16 Sekunden ohne Absendernummer auf, und der Beklagte hat unter diesem Datum einen Sendebericht mit der Uhrzeit 10:34 Uhr und einer Sendedauer von 17 Sekunden vorgelegt. Dies könnte unter Berücksichtigung nicht exakt gleich eingestellter Uhrzeiten an Sendeund Empfangsgerät durchaus miteinander korrespondieren. Auch das hätte das Berufungsgericht würdigen müssen. Möglicherweise wäre dann eine Auflage zur Ergänzung des Vorbringens (z.B. eine Vorlage des um 10:36 Uhr eingegangenen Faxes in anonymisierter Form) in Betracht gekommen.
32
Das Berufungsgericht hat demgegenüber eine Berücksichtigung der Umstände, dass die vorgelegten Empfangsjournale keine Anschlussnummer erkennen lassen und teilweise keine Absendernummern wiedergeben , unter Hinweis auf § 531 Abs. 2 ZPO abgelehnt, weil der Beklagte diese Einwände erst in zweiter Instanz erhoben habe. Das ist rechtsfehlerhaft ; es handelt sich hierbei nicht um neues tatsächliches Vorbringen der Partei, sondern um jederzeit mögliche Beweiseinreden, nämlich die bloße Würdigung des Beweiswerts gegnerischen Vorbringens. Den Beweiswert von Indizien muss das Gericht aber selbständig und umfassend würdigen und dabei die Umstände, die sich aus den vorgelegten Urkunden selbst ergeben, auch ohne entsprechende Einreden von Parteien berücksichtigen. Davon abgesehen handelt es sich hier um unstreitige Umstände , die stets zu berücksichtigen sind.
33
(2) In jedem Fall war das Berufungsgericht gehalten, den Beweisantritten des Beklagten und seines Streithelfers auf Einholung eines Sachverständigengutachtens dazu, dass die mit dem "OK-Vermerk" versehenen Faxe auch beim Kläger eingegangen sind, nachzugehen.
34
Mit diesem Beweisantrag hat sich das Berufungsgericht in der angefochtenen Entscheidung nicht näher befasst.
35
Gründe, diesen Antrag zurückzuweisen, sind nicht ersichtlich. Da die Wahrscheinlichkeit, dass ein Schriftstück trotz eines mit einem "OKVermerk" versehenen Sendeprotokolls den Empfänger nicht erreicht, jedenfalls so gering ist, dass sich ein Rechtsanwalt bei Gestaltung seiner Büroorganisation in Fristensachen auf den "OK-Vermerk" verlassen darf (BGH, Beschlüsse vom 11. Dezember 2013 - XII ZB 229/13, juris Rn. 6; vom 28. März 2001 - XII ZB 100/00, VersR 2002, 1045 unter 2), handelt es sich nicht um eine unzulässigerweise ohne tatsächliche Anhaltspunkte "ins Blaue hinein" aufgestellte Behauptung (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Mai 2013 - III ZR 289/12, NJW 2013, 2514 Rn. 12). Dies gilt insbesondere deshalb, weil gleich zwei mit "OK-Vermerk" versehene Faxe an unterschiedliche Nummern des Klägers nicht angekommen sein sollen.
36
Zudem ist das Beweismittel nicht von vornherein ungeeignet. Aus den oben genannten Entscheidungen der Oberlandesgerichte Celle (VersR 2008, 1477) und Karlsruhe (VersR 2009, 245) ist vielmehr ersichtlich , dass zumindest im Einzelfall gesicherte Feststellungen darüber, welche Daten im Speicher des Empfangsgerätes eingegangen sind, getroffen werden können (vgl. auch BSG, Beschluss vom 20. Oktober 2009 - B 5 R 84/09 B, juris Rn. 12).
37
Im Rahmen der Beweisaufnahme wird das Berufungsgericht - gegebenenfalls nach ergänzendem Parteivortrag - auch Gelegenheit ha- ben, den in der Revision aufgeworfenen Fragen zur technischen Bedeutung des "OK-Vermerks" nachzugehen.
38
d) Die Sache ist deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen , damit dieses zunächst die notwendigen Feststellungen zur Übermittlung der Kündigungserklärungen vom 15. Juli und erforderlichenfalls auch 17. November 2008 nachholen kann.
39
4. Auf den vom Beklagten lediglich hilfsweise geltend gemachten Schadensersatzanspruch kommt es wegen der ausstehenden Sachverhaltsaufklärung zu seinem Hauptvorbringen derzeit nicht an. Allerdings sind Rechtsfehler des Berufungsurteils insoweit auch nicht erkennbar.
Mayen Wendt Felsch
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Erfurt, Entscheidung vom 20.09.2011 - 8 O 288/11 -
OLG Jena, Entscheidung vom 09.04.2013 - 4 U 880/11 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB 20/05
vom
25. April 2006
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
_____________________
Für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Eingangs eines per Telefax übersandten
Schriftsatzes kommt es allein darauf an, ob die gesendeten Signale
noch vor Ablauf des letzten Tages der Frist vom Telefaxgerät des Gerichts
vollständig empfangen (gespeichert) worden sind.
BGH, Beschluss vom 25. April 2006 - IV ZB 20/05 - OLG Hamm
LG Hagen
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Wendt, Felsch und
Dr. Franke
am 25. April 2006

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 25. Februar 2005 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 21.815,13 € festgesetzt.

Gründe:


1
I. Die Parteien streiten um die Leistung aus einer von der Klägerin bei der Beklagten genommenen Einbruchdiebstahlversicherung. Die Beklagte beruft sich unter anderem auf Obliegenheitsverletzungen und lehnt eine Eintrittspflicht ab.

2
Das Landgericht wies die Klage ab. Nach form- und fristgerechter Berufungseinlegung und Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung bis einschließlich 14. Juli 2004 übermittelten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin dem Berufungsgericht mit zwei Telefaxsendungen eine siebenseitige Berufungsbegründung nebst Anlagen. Eine erste Telefaxverbindung bestand nach einer Einzelverbindungsübersicht der D. T. am 14. Juli 2004 ab 23:55:40 h mit einer Dauer von vier Minuten 24 Sekunden, also bis am 15. Juli 2004 um 00:00:04 h. Mit ihr wurden die siebenseitige Berufungsbegründung sowie zwei Seiten Anlagen übermittelt. Eine zweite Telefaxverbindung am 15. Juli 2004 ab 00:02:08 h diente der Übermittlung weiterer Anlagen.
3
Das Telefaxgerät des Berufungsgerichts war so eingestellt, dass der Ausdruck einer Telefaxsendung erst nach dem Empfang sämtlicher Seiten der Sendung im Speicher dieses Geräts erfolgte. Das Gerät druckte sortiert aus, die zuletzt gesendete Seite zuerst und die zuerst gesendete Seite zuletzt. Bei der ersten Telefaxsendung wurden demgemäß - nach vollständigem Empfang der gesendeten technischen Signale - zunächst die zweite und die erste Seite der Anlagen, danach die Seite 7 der Berufungsbegründung mit der Wiedergabe der Unterschrift des unterzeichnenden Prozessbevollmächtigten und sodann die weiteren Seiten der Berufungsbegründung von Seite 6 bis Seite 1 gedruckt.
4
Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Rechtsbeschwerde.

5
II. Das Rechtsmittel hat Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
6
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Ein per Telefax übermittelter Schriftsatz sei grundsätzlich erst in dem Zeitpunkt bei Gericht eingegangen , in welchem das Telefaxgerät des Gerichts das Telefaxschreiben ausgedruckt habe. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz sei nur dann zu machen, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass das Telefaxgerät des Gerichts defekt gewesen oder falsch gehandhabt worden sei und die eingehenden Signale deshalb nicht sofort hätten ausgedruckt werden können. Darüber hinaus sei bei rechtzeitiger Telefaxsendung eine Ausnahme geboten, wenn ein Gericht die nachts eingehenden Telefaxsendungen zunächst lediglich speichern und erst am nächsten Morgen ausdrucken lasse. Solche Ausnahmefälle lägen hier jedoch nicht vor. Maßgeblich bleibe daher der Zeitpunkt des Ausdrucks. Da die Frist zur Berufungsbegründung mit Ablauf des 14. Juli 2004 geendet habe und die Berufungsbegründung bis zum Ablauf dieses Tages nicht vollständig ausgedruckt gewesen sei, habe die Klägerin die Berufungsbegründungsfrist versäumt.
7
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
8
Die a) Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft und im Übrigen nach § 575 ZPO zulässig. Die Klägerin hat in der Beschwerdebegründung hinreichend dargetan , dass die Rechtsfrage, ob ein per Telefax übermittelter Schriftsatz bei störungsfreier Übermittlung und störungsfrei ausdruckendem Telefaxgerät des Gerichts erst in dem Zeitpunkt bei Gericht eingegangen ist, in dem das Telefaxgerät des Gerichts ihn vollständig ausgedruckt hat, oder - wie die Rechtsbeschwerde meint - bereits mit dem vollständigen Empfang (Speicherung ) der gesendeten technischen Signale im Telefaxgerät des Gerichts, grundsätzliche Bedeutung hat (§ 575 Abs. 3 Nr. 2 i.V. mit § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Diese kommt einer Rechtsfrage zu, wenn sie entscheidungserheblich , klärungsbedürftig und klärungsfähig ist und sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann (BGHZ 152, 182, 191; 151, 221, 223 m.w.N.).
9
DerEntscheidungserheblichkeitst eht nicht entgegen, dass das Berufungsgericht nicht ausdrücklich (positiv) festgestellt hat, dass die Übermittlung/Speicherung der gesendeten Signale der Seiten 1 bis 7 der Berufungsbegründung, auf die es allein ankommt, im Telefaxgerät des Berufungsgerichts vor Mitternacht abgeschlossen war. Die in der Rechtsbeschwerdeinstanz zu berücksichtigenden unstreitigen weiteren Übermittlungsfakten belegen dies. Die (erste) Telefaxverbindung war am 15. Juli 2004 um 00:00:04 h zu Ende, die mit ihr erfolgte Übermittlung der zwei Seiten Anlagen im Anschluss an die Übermittlung der siebenseitigen Berufungsbegründung hat mindestens fünf Sekunden in Anspruch genommen. Das folgert auch das Berufungsgericht aus den hier gegebenen Umständen. Der entsprechende vollständige Ausdruck kann erst nach Mitternacht erstellt worden sein.

10
b) Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
11
aa) Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, dass nach bisheriger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und überwiegender Ansicht in der Literatur ein per Telefax übermittelter Schriftsatz grundsätzlich erst in dem Zeitpunkt bei Gericht eingegangen ist, in welchem das Telefaxgerät des Gerichts ihn vollständig ausgedruckt hat (BGH, Beschlüsse vom 4. Mai 1994 - XII ZB 21/94 - NJW 1994, 2097 unter II 2; vom 19. April 1994 - VI ZB 3/94 - NJW 1994, 1881 unter II 2 a; vom 12. Dezember 1990 - XII ZB 64/90 - VersR 1991, 894 unter 2 b; zum Fernschreiben vgl. BGHZ 105, 40, 42 f. u. 45; 101, 276, 279 f.; vgl. ferner BGH, Urteil vom 7. Dezember 1994 - VIII ZR 153/93 - NJW 1995, 665 unter II 3 b bb aaa; Albers in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 63. Aufl. § 519 Rdn. 4 und 10; Ball in Musielak, ZPO 4. Aufl. § 519 Rdn. 22; Feiber in MünchKomm zur ZPO, 2. Aufl. § 233 Rdn. 104; Gerken in Wieczorek/Schütze, ZPO 3. Aufl. § 519 Rdn. 20; Leipold in Stein/Jonas, ZPO 22. Aufl. § 130 Rdn. 56; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO 27. Aufl. § 129 Rdn. 13; Zimmermann, ZPO 7. Aufl. § 519 Rdn. 8; offen geblieben in BGH, Beschluss vom 24. Juli 2003 - VII ZB 8/03 - NJW 2003, 3487 unter II 2 b). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz wird zugelassen , wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das Telefaxgerät des Gerichts defekt war oder falsch gehandhabt wurde und deswegen die eingehenden Signale nicht oder nicht sofort (vollständig) ausgedruckt werden konnten, wenn also die Ursache für den Mangel der Lesbarkeit oder (der Vollständigkeit) des Ausdrucks in der Sphäre des Gerichts gelegen hat; was vom Empfangsgerät eines Gerichts aufgenommen und infolge eines Fehlers im Gerät oder bei dessen Bedienung nicht oder nicht sofort (vollständig) ausgedruckt worden sei, müsse aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit und des Vertrauensschutzes so behandelt werden, als habe das Gerät es ordnungsgemäß ausgedruckt und als sei es auf diese Weise in die Verfügungsgewalt des Gerichts gelangt (BGH, Beschlüsse vom 4. Mai 1994 aaO; vom 19. April 1994 aaO unter II 2 a und b; vom 12. Dezember 1990 aaO; BGHZ 105, 40, 42 ff.; BGH, Urteil vom 14. März 2001 - XII ZR 51/99 - NJW 2001, 1581 unter 2 b; vgl. ferner BGH, Urteil vom 7. Dezember 1994 aaO; BGH, Beschluss vom 23. November 2004 - XI ZB 4/04 - NJW-RR 2005, 435 unter II 2; Albers, aaO; Ball, aaO; Gerken, aaO; Reichold, aaO; Zimmermann, aaO). In diesen Fällen wird schon bei vollständigem Empfang der gesendeten Signale im Telefaxgerät des Gerichts vor Fristablauf von einer rechtzeitigen Übermittlung des Schriftsatzes ausgegangen.
12
bb) Von dieser Rechtsprechung ist der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofes mit seinem Beschluss vom 9. November 2004 (5 StR 380/04) nicht abgewichen. Er hat darin einen Beschluss des Landgerichts Hamburg "aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts" aufgehoben. Der Generalbundesanwalt hatte zunächst dargelegt, dass eine per Telefax übermittelte Rechtsmittelbegründungsschrift grundsätzlich erst in dem Zeitpunkt zugegangen sei, in dem sie im Telefaxgerät des Gerichts ausgedruckt worden sei. Gleichwohl hatte er im konkreten Fall die von der Verteidigerin des Angeklagten per Telefax übermittelte (342 Seiten umfassende) Revisionsbegründungsschrift für fristgerecht eingegangen gehalten, nachdem die gesendeten Signale von den über einen Internspeicher verfügenden Telefaxgeräten des Landgerichts noch am letzten Tag der Frist vollständig empfangen worden waren, der Ausdruck des Schriftsatzes ab Blatt 90 jedoch erst am Folgetag nach Wie- derauffüllen der Papierfächer der beiden Geräte abgeschlossen werden konnte. Bei Papiermangel liege zwar - anders als in den Fällen des Papierstaus - keine technische Störung der Empfangsgeräte, wohl aber eine andere Verzögerung bei der Entgegennahme rechtzeitig in den Gewahrsam des Gerichts gelangter fristwahrender Schriftsätze vor, deren Ursache allein in der Sphäre des Gerichts zu finden sei (Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 2. September 2004 - 5 StR 380/04 - S. 2 ff. unter Hinweis auf BVerfG NJW 1986, 244 = BVerfGE 69, 381, 385 f.; vgl. ferner Maul in Karlsruher Kommentar zur StPO, 5. Aufl. § 43 Rdn. 19; Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl. Vor § 42 Rdn. 18; Pfeiffer, StPO 5. Aufl. § 43 Rdn. 2).
13
cc) Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes wird vom Bundesfinanzhof geteilt. Auch nach seiner Auffassung ist ein dem Gericht per Telefax übermittelter Schriftsatz, wenn der Ausdruck nicht durch einen Fehler in der Funktion oder bei der Bedienung des Telefaxgeräts des Gerichts verzögert wurde, in dem Zeitpunkt eingegangen, in dem er vom Telefaxgerät des Gerichts vollständig ausgedruckt worden ist (BFH/NV 2004, 519 f.; BFH/NV 2004, 358; BFH/NV 1992, 532 f.; vgl. ferner BFHE 186, 491, 492 f.). In den vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fällen waren jedoch nicht nur der Ausdruck, sondern auch der (vollständige) Empfang (Speicherung) der übermittelten Signale jeweils erst nach Fristablauf abgeschlossen, so dass es bei seinen Entscheidungen auf die hier entscheidungserhebliche Rechtsfrage (letztlich) nicht angekommen war.
14
dd) Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG NJW 1996, 2857 unter B I) und das Bundesarbeitsgericht (BAGE 90, 329, 331 f.) stellen demgegenüber auch bei nicht durch technische Störungen oder Bedienungsfeh- ler verzögertem Ausdruck für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Eingangs eines per Telefax übersandten Schriftsatzes allein darauf ab, ob die gesendeten Signale noch vor Ablauf des letzten Tages der Frist vom Telefaxgerät des Gerichts vollständig empfangen (gespeichert) wurden. Dass der Ausdruck des Empfangenen bei Gericht (teilweise) erst nach Fristablauf erfolgt, wird nicht als erheblich angesehen. Auch diese Ansicht hat in der Literatur (Greger in Zöller, ZPO 25. Aufl. § 167 Rdn. 9; Gummer/Heßler in Zöller, ZPO 25. Aufl. § 519 Rdn. 18 d; von Albedyll in Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, VwGO 3. Aufl. § 57 Rdn. 16) Zustimmung gefunden.
15
ee) Der Senat gibt der letzteren Ansicht den Vorzug.
16
aaa)Diebisherige, grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Ausdrucks abstellende Rechtsprechung wird den technischen Gegebenheiten der Telekommunikation nicht mehr gerecht. Sie geht zurück auf zwei Verfahren , in denen sich Parteien zur Wahrung von Fristen eines Fernschreibers bedient hatten (BGHZ 101, 276 ff.; 105, 40 ff.). Mit diesem Kommunikationsmittel wurde es dem rechtsuchenden Bürger ermöglicht, “auf einem schnellen und in der Regel sicheren Wege durch die Übermittlung von Signalen fristgebundene Eingaben an Behörden und Gerichte zu richten, die zeitgleich mit ihrem Eingeben beim Empfänger eingehen und dort ebenso zeitgleich wie eingegeben ausgedruckt werden“ (BGHZ 105, 40, 42).
17
Von “Eingabe“ und Ausdruck stets zu ein und demselben Zeitpunkt kann bei Telefaxgeräten heutiger Art jedoch nicht (mehr) ausgegangen werden. Sie sind regelmäßig mit verschiedenen Empfangseinstellungen ausgestattet und lassen sich vom jeweiligen Benutzer unterschiedlich programmieren. Man kann sie etwa so einstellen, dass der Ausdruck nicht während, sondern erst nach der (kompletten) Übertragung der Daten erfolgt. Je nach Einstellung können die Geräte dann unmittelbar nach Abschluss der Datenübertragung mit dem Ausdruck beginnen oder aber - bei entsprechendem Speicherchip - zunächst mehrere hundert “Seiten“ empfangen, speichern und sie Stunden oder sogar erst Tage später ausdrucken. In der gerichtlichen Praxis wird von diesen Möglichkeiten auch Gebrauch gemacht. So werden beispielsweise beim Oberlandesgericht München nächtlich eingehende Telefaxsendungen regelmäßig erst am nächsten Morgen ausgedruckt (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Mai 2004 - II ZB 22/03 - NJW 2004, 2525 unter II 1). Das ist sinnvoll, weil dadurch ein möglicher Papierstau, der mehrstündige Unterbrechungen der Telefaxverbindung und hieraus resultierende Wiedereinsetzungsverfahren zur Folge haben kann (vgl. BGH, Beschluss vom 23. November 2004 - XI ZB 4/04 - NJW-RR 435 ff.; Senatsurteil vom 2. Oktober 1991 - IV ZR 68/91 - NJW 1992, 244 f.), nicht stundenlang unbemerkt bleibt.
18
liegt Es auf der Hand, dass ein solcher gewollter Aufschub des Ausdrucks der Partei nicht zum Nachteil gereicht (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Mai 2004 aaO). In Anbetracht der mittlerweile zur Verfügung stehenden vielfältigen Möglichkeiten, den Zeitpunkt des Ausdrucks eingegangener Telefaxsendungen auch bei Gericht den Bedürfnissen entsprechend zu variieren, erscheint es angezeigt, diesen Zeitpunkt bei der Beurteilung, ob ein per Telefax übermitteltes Dokument fristgerecht oder verspätet bei Gericht eingegangen ist, generell nicht mehr heranzuziehen und stattdessen auf den Zeitpunkt des vollständigen Empfangs (Speicherung ) der gesendeten technischen Signale im Telefaxgerät des Gerichts abzustellen. Dieser Zeitpunkt lässt sich in aller Regel zuverlässig bestimmen - wie hier mittels Einzelverbindungsübersicht des in Anspruch genommenen Dienstleisters D. T. , deren Zeitangaben mangels entgegenstehender Feststellungen der gesetzlichen Zeit im Sinne des Zeitgesetzes entsprechen (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juli 2003 aaO unter II 2 c und d) - und unterscheidet sich auch dadurch von demjenigen des Ausdrucks, der mitunter - wie im vorliegenden Fall - nicht einmal erfasst wird.
19
bbb) Dies steht im Einklang mit der fortschreitenden technischen Entwicklung, wie sie auch in der Zivilprozessordnung bereits berücksichtigt worden ist. Seit 1. August 2001 gibt § 130a ZPO der Bundesregierung und den Landesregierungen die Möglichkeit, elektronische Dokumente im Verkehr mit den Gerichten zuzulassen. Nach § 130a Abs. 3 ZPO ist ein elektronisches Dokument eingereicht, sobald die für den Empfang bestimmte Einrichtung des Gerichts es aufgezeichnet hat. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll hierfür derjenige Zeitpunkt maßgebend sein, in dem diese Einrichtung den “Schriftsatz“ gespeichert hat - und nicht der Zeitpunkt des Ausdrucks (BT-Drucks. 14/4987, S. 24; Greger, aaO § 130a Rdn. 6; Stadler in Musielak, ZPO 4. Aufl. § 130a Rdn. 5).
20
Telefax und Computerfax fallen zwar nach überwiegend vertretener Ansicht (Dästner, NJW 2001, 3469 f.; Leipold, aaO § 130a Rdn. 5; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 63. Aufl. § 129 Rdn. 44 u. § 130a Rdn. 1; Greger, aaO Rdn. 2; a.A. Peters in MünchKomm zur ZPO, 2. Aufl. § 130a Rdn. 2) nicht unter § 130a ZPO, weil die Gerichte bei der Schaffung der Vorschrift im Jahre 2001 bereits flächendeckend über Telekopieeinrichtungen verfügten und der Gesetzgeber nicht hinter bereits bestehende Übermittlungsmöglichkeiten zurückgehen oder diese Einschränkungen unterwerfen wollte (Dästner, aaO). Die Vorschrift erfasst daher nur solche elektronischen Dokumente wie z.B. E-Mails, deren Empfang und weitere Bearbeitung besondere technische und organisatorische Vorbereitungen bei den Gerichten erfordert (BT-Drucks. 14/5561, S. 20). Auf der anderen Seite ist jedoch zu beachten, dass auch bei Telefax und Computerfax Dokumente auf elektronischem Wege übermittelt werden, es sich also auch hier (im weiteren Sinne) um elektronische Dokumente handelt (vgl. BT-Drucks. 14/4987, S. 19; BT-Drucks. 14/5561 aaO; GmS-OBG BGHZ 144, 160 ff.; BGH, Urteil vom 10. Mai 2005 - XI ZR 128/04 - NJW 2005, 2086 ff.). Vor diesem Hintergrund vermag nicht zu überzeugen, dass es für die Bestimmung des Eingangszeitpunkts bei der Übermittlung durch Telefax (weiterhin) grundsätzlich auf den Ausdruck im Telefaxgerät des Gerichts ankommen soll, während man bei der Übermittlung durch E-Mail nicht auf den Ausdruck am Computer (der Geschäftsstelle) des Gerichts abstellt, sondern stets bereits die Speicherung im von Seiten des Gerichts dafür vorgesehenen Gerät genügen lässt.
21
ccc) Richtig ist zwar, dass erst dann, wenn ein Ausdruck vorliegt, das Gericht in der Lage ist, “von dem Inhalt des Schriftsatzes Kenntnis zu nehmen“ (BGH, Beschluss vom 4. Mai 1994 aaO unter II 2). Auch vermag die elektronische Speicherung der Nachricht im Telefaxgerät des Gerichts nicht an die Stelle der Schriftform (vgl. § 130 Nr. 6 ZPO) zu treten (so zutreffend Gerken aaO). Beides gibt aber keine Veranlassung, für die Bestimmung des Eingangszeitpunktes weiterhin an dem Zeitpunkt des vollständigen Ausdrucks durch das Telefaxgerät des Gerichts festzuhalten.
22
(1) Im Störungsfall - d.h. bei einem Fehler in der Funktion oder der Bedienung des Telefaxgeräts des Gerichts und einer dadurch bedingten Verzögerung des Ausdrucks - haben diese Erwägungen ihre Maßgeblichkeit ohnehin “aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit und des Vertrauensschutzes“ (BGH, Beschluss vom 4. Mai 1994 aaO; BGHZ 105, 40, 45) bereits eingebüßt.
23
(2) Auch im Normalfall kann das Gericht bei der Übermittlung eines Schriftsatzes über einen von ihm eingerichteten Briefkasten nicht ohne weiteres von dem Inhalt des Schriftsatzes Kenntnis nehmen. Der Schriftsatz muss vielmehr zuerst aus dem Briefkasten herausgeholt und in der Regel muss zunächst auch erst noch ein Briefumschlag entfernt werden, ehe das Gericht vom Inhalt des Schriftsatzes Kenntnis nehmen und die Einhaltung der Form (§ 130 Nr. 6 ZPO) überprüfen kann. Gleichwohl ist anerkannt, dass für die Fristwahrung schon der rechtzeitige Einwurf des Schriftsatzes in den Briefkasten des Gerichts genügt (BGHZ 80, 62, 63 f.; BGH, Beschluss vom 21. Juni 2004 - II ZB 18/03 - NJW-RR 2005, 75 unter II 2). Entnahme aus dem Briefkasten und Entfernen des Briefumschlages zählen bereits zur Weiterbearbeitung des Schriftsatzes durch das Gericht. Dem entspricht es, den Ausdruck durch ein Telefaxgerät des Gerichts ebenfalls lediglich als gerichtsinterne Weiterbearbeitung eines bereits im elektronischen Briefkasten - dem Speicher - eingegangenen Dokuments zu begreifen (vgl. Gummer/Heßler, aaO).

24
Die Senate des Bundesgerichtshofs haben auf Nachfrage mitgeteilt , dass sie an einer eventuell entgegenstehenden Rechtsprechung nicht festhalten.
25
ff) Die Klägerin hat mithin die Berufungsbegründungsfrist gewahrt. Der angefochtene Beschluss muss deshalb aufgehoben werden. Das gilt auch, soweit ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt worden ist, weil die Klägerin den Wiedereinsetzungsantrag lediglich hilfsweise für den Fall der Unzulässigkeit der Berufung gestellt hat; dieser Fall ist aber nicht eingetreten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. Dezember 2005 - XII ZB 33/05 - zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen, unter II 2; vom 24. Juli 2003 aaO unter IV; vom 22. Oktober 1997 - VIII ZB 32/97 - NJW 1998, 1155 unter II 2).
Terno Dr. Schlichting Wendt
Felsch Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Hagen, Entscheidung vom 25.02.2004 - 2 O 397/03 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 25.02.2005 - 20 U 98/04 -

(1) Eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, wird, wenn sie in dessen Abwesenheit abgegeben wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihm zugeht. Sie wird nicht wirksam, wenn dem anderen vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht.

(2) Auf die Wirksamkeit der Willenserklärung ist es ohne Einfluss, wenn der Erklärende nach der Abgabe stirbt oder geschäftsunfähig wird.

(3) Diese Vorschriften finden auch dann Anwendung, wenn die Willenserklärung einer Behörde gegenüber abzugeben ist.

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 6. März 2008 - 2 O 421/07 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

 
I.
Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Zahlung von Krankenversicherungsbeiträgen für den Zeitraum vom 01.04.2007 bis 31.12.2007 aus einer zum 01.06.2003 genommenen Krankenversicherung.
Der Beklagte nahm zum 01.01.2007 eine Tätigkeit als Angestellter auf und wurde dadurch pflichtversichertes Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse. Er trägt vor, den Versicherungsvertrag durch Telefaxschreiben vom 17.12.2006 unter Hinweis auf seine zum 01.01.2007 eintretende gesetzliche Krankenversicherungspflicht „mit sofortiger Wirkung“ gekündigt zu haben. Die Klägerin stellt den Zugang des Telefaxschreibens in Abrede.
Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen im angefochtenen Urteil vom 06.03.2008 Bezug genommen wird, soweit sie mit den hier getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht in Widerspruch stehen, hat der Klage stattgegeben. Dagegen richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der er seinen erstinstanzlich gestellten Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Die Klägerin tritt der Berufung entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze der Parteien in beiden Instanzen nebst Anlagen sowie auf den Inhalt der gerichtlichen Verfügungen und Sitzungsprotokolle Bezug genommen. Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen W vom 01.09.2008, auf dessen Inhalt ebenfalls Bezug genommen wird, und durch Vernehmung der Zeugin H. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 16.09.2008 verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet und führt zur Abweisung der Klage. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
1. Der Beklagte hat den bestehenden Versicherungsvertrag wirksam durch Telefaxschreiben vom 17.12.2006 gekündigt. Entgegen der Vorinstanz ist der Senat - sachverständig beraten - davon überzeugt, dass das Telefaxschreiben vom 17.12.2006 der Klägerin am 18.12.2006 gegen 1.46 Uhr zugegangen ist. Dabei lässt der Senat offen, ob es am Empfangsgerät der Klägerin zu einem Ausdruck des Schreibens gekommen ist.
a) Der Bundesgerichtshof hatte in seiner früheren Rechtsprechung mehrfach ausgesprochen, dass ein durch Telefax übermittelter Schriftsatz grundsätzlich erst in dem Zeitpunkt bei Gericht eingegangen ist, in welchem das Telefaxgerät des Gerichts ihn vollständig ausgedruckt hat (vgl. BGH, Urteil vom 7. Dezember 1994 - VIII ZR 153/93 - NJW 1995, 665 unter II 3 b bb aaa; Beschlüsse vom 4. Mai 1994 - XII ZB 21/94 - NJW 1994, 2097 unter II 2; vom 19. April 1994 - VI ZB 3/94 - NJW 1994, 1881 unter II 2 a; vom 12. Dezember 1990 - XII ZB 64/90 - VersR 1991, 894 unter 2 b). Diese den technischen Gegebenheiten der Telekommunikation nicht mehr gerecht werdende Auffassung hat der Bundesgerichtshof jedoch inzwischen aufgegeben. Für den Eingang eines per Telefax übermittelten Dokuments stellt er nunmehr auf den vollständigen Empfang (Speicherung) der gesendeten technischen Signale im Telefaxgerät des Gerichts ab (BGHZ 167, 214, 219 f., 223).
b) Es liegt nicht fern, diese Grundsätze auch auf die Zugangsproblematik im Privatrechtsverkehr zu übertragen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Dezember 1994 aaO). Dem folgt der Senat zumindest dann, wenn es sich beim Empfänger wie hier um eine Aktiengesellschaft handelt, die zu den Kaufleuten zählt (§§ 1, 6 HGB, 3 Abs. 1 AktG). Zumindest ihnen ist im geschäftlichen Verkehr ein Signalzugang als Zugang im Sinne des § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB jedenfalls dann zuzurechnen, wenn wie hier konkrete Anhaltspunkte dafür, dass ein (ordnungsgemäßer) Ausdruck des Schreibens aus von der Klägerin nicht zu vertretenden Gründen gescheitert sein könnte, weder vorgetragen noch ersichtlich sind. Denn damit ist das Telefaxschreiben - entsprechend den allgemeinen Grundsätzen (vgl. nur Palandt/Heinrichs/Ellenberger, BGB, 67. Auflage 2008, § 130 Rn. 5) - so in ihren Empfangsbereich gelangt, dass sie die Möglichkeit hatte, vom Inhalt der enthaltenen Willenserklärung Kenntnis zu nehmen.
c) Die Überzeugung dafür, dass der Beklagte das Kündigungsschreiben vom 17.12.2006 an die Klägerin gesendet hat und die gesendeten technischen Signale am 18.12.2006 gegen 1.46 Uhr vollständig im Telefaxgerät der Klägerin angekommen sind, hat der Senat kumulativ anhand der Aussage der Zeugin H, des „OK“-Vermerks auf dem zugehörigen Sendebericht und den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen W in seinem Gutachten vom 01.09.2008 gewonnen.
10 
Die Zeugin H hat zur Überzeugung des Senats bestätigt, dass der Beklagte das - in Ablichtung in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 18.12.2007 zur Akte gegebene - Kündigungsschreiben von ihrem Telefaxanschluss aus versandt hat. Ihr Freund - der Beklagte - sei ein Nachtarbeiter. Es sei am letzten Sonntag vor Weihnachten 2006 gewesen. Als sie schon habe zu Bett gehen wollen, habe ihr ihr Freund erklärt, dass er noch einen Brief an die Krankenversicherung schreiben müsse. Sie sei dann noch aufgeblieben und habe gesehen, wie er eine Faxvorlage verfasst und ausgedruckt habe. Sie habe sich das kurz angesehen und gemeint, dass das so sicher in Ordnung gehe. Sie sei dann zwar nicht daneben gestanden, als ihr Freund das Telefaxgerät bedient habe, sondern habe sich für das Bett fertig gemacht. Als ihr Freund dann auch ins Bett gekommen sei, habe er ihr jedoch erklärt, dass die Faxübertragung geklappt und er sich auch einen Sendebericht ausgedruckt habe. Der Senat hält diese Angaben für wahr. Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin haben sich nicht ergeben.
11 
Das Vorliegen eines „OK“-Vermerks im Sendebericht belegt das Zustandekommen der Verbindung (BGH, Beschluss vom 23. Oktober 1995 - II ZB 6/95 - MDR 1996, 99 (Leitsatz 2) und in juris unter Tz. 8). Infolgedessen steht aufgrund des vom Beklagten vorgelegten Sendeprotokolls fest, dass zwischen dem von ihm benutzten Telefaxgerät der Zeugin H und dem von ihm angewählten Telefaxgerät der Klägerin am 18.12.2006 zwischen 1.45 Uhr und 1.46 Uhr eine Leitungsverbindung bestanden hat.
12 
Die Wahrscheinlichkeit, dass die Übermittlung der Telefaxnachricht trotz Vorliegens eines Sendeberichts mit „OK“-Vermerk an Leitungsstörungen, die zum Abbruch der Verbindung geführt haben könnten und die nach dem Grundgedanken des § 120 BGB in den Risikobereich des Beklagten gefallen wären (vgl. OLG Brandenburg, Urteil vom 05.03.2008 - 4 U 132/07 - veröffentlicht in juris - unter Tz. 22), gescheitert sein könnte, bewertet der Sachverständige W mit 0%. Diesem eindeutigen Ergebnis schließt sich der Senat an. Aufgrund des Ablaufs der Kommunikation bei den hier verwendeten Geräten kann bei einem „OK“-Vermerk generell davon ausgegangen werden, dass die Faxübertragung im Speicher des empfangenden Geräts angekommen ist. In Anbetracht dessen, dass die vom Sachverständigen realitätsgerecht nachgestellte Übertragung des Kündigungsschreibens vom 17.12.2006 per Telefax nach einer Übertragungsdauer von 38 Sekunden erfolgreich abgeschlossen war und der Übertragungsvorgang nach dem vom Beklagten vorgelegten Sendebericht 39 Sekunden gedauert hat, hat der Senat keinen Zweifel, dass die Seite nicht nur „mindestens in großen Teilen“, sondern vollständig in das Empfangsgerät der Klägerin übertragen wurde und nach § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB zugegangen ist.
13 
Welche Bedeutung einem Empfangsjournal hier gegebenenfalls zugekommen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 7. Dezember 1994 aaO unter II 3 c), konnte der Senat nicht prüfen, weil die Klägerin Telefaxeingänge nicht dokumentiert bzw. archiviert.
14 
2. Durch die Kündigung vom 17.12.2006 ist ein (etwaiger) Prämienanspruch der Klägerin mit Wirkung vom 01.01.2007, dem Tag des Eintritts der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht des Beklagten, nach den §§ 178h Abs. 2 Sätze 1 und 2, 178o VVG a.F. entfallen (vgl. BGH, Urteil vom 3. November 2004 - IV ZR 214/03 - VersR 2005, 66 vor 1 und unter 2 d). Der Klägerin stehen daher für den Zeitraum vom 01.04.2007 bis 31.12.2007 Krankenversicherungsbeiträge nicht zu.
III.
15 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf die §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage des Zugangs eines per Telefax übermittelten Dokuments beim Empfänger zuzulassen.

(1) Soweit der Widerspruch erfolgreich ist, hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Dies gilt auch, wenn der Widerspruch nur deshalb keinen Erfolg hat, weil die Verletzung einer Verfahrens- oder Formvorschrift nach § 41 unbeachtlich ist. Aufwendungen, die durch das Verschulden eines Erstattungsberechtigten entstanden sind, hat dieser selbst zu tragen; das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten im Vorverfahren sind erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war.

(3) Die Behörde, die die Kostenentscheidung getroffen hat, setzt auf Antrag den Betrag der zu erstattenden Aufwendungen fest; hat ein Ausschuss oder Beirat die Kostenentscheidung getroffen, obliegt die Kostenfestsetzung der Behörde, bei der der Ausschuss oder Beirat gebildet ist. Die Kostenentscheidung bestimmt auch, ob die Zuziehung eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten notwendig war.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 12. Mai 2010 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten für das Revisionsverfahren zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig sind die Erstattung der Kosten eines Widerspruchsverfahrens sowie die Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwalts.

2

Die Klägerin steht seit 2005 im laufenden Bezug von Leistungen nach dem SGB II durch die Arbeitsgemeinschaft für Beschäftigung München GmbH - ARGE - (nunmehr Jobcenter Landeshauptstadt München). Im Mai 2008 wurde für die Klägerin vom AG München eine Betreuerin bestellt. Der Aufgabenkreis umfasst ua die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung für den Bereich der Vermögenssorge einschließlich Schuldenregulierung, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern.

3

Bereits mit Bescheid vom 17.4.2007 machte die Arbeitsgemeinschaft für Beschäftigung München GmbH gegenüber der Klägerin eine Erstattungsforderung wegen überzahlter Leistungen in Höhe von 351,87 Euro geltend. Dem hiergegen erhobenen Widerspruch half die Arbeitsgemeinschaft mit Bescheid vom 9.7.2008 ab.

4

Mit Schreiben vom 20.5.2007, tituliert als "Mahnung", forderte die Beklagte die Klägerin zur Zahlung des von der ARGE geltend gemachten Erstattungsbetrages auf und machte in diesem Schreiben zusätzlich Mahngebühren in Höhe von 2,05 Euro geltend. Hiergegen legte die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, dass der gegen den Bescheid vom 17.4.2007 erhobene Widerspruch aufschiebende Wirkung habe und die Forderung daher nicht fällig sei.

5

Nachdem die Beklagte am 13.7.2007 die Forderung gegen die Klägerin "mit Widerspruch eingelegt" kennzeichnete, wurde die Mahngebühr storniert. Mit Bescheid vom 13.11.2007 verwarf die Beklagte den Widerspruch als unzulässig und lehnte die Erstattung der im Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen ab.

6

Auf die Klage änderte das SG den Widerspruchsbescheid vom 13.11.2007 im Tenor unter Ziffer 2 dahingehend ab, dass die Beklagte die notwendigen Kosten des Widerspruchsverfahrens zu erstatten habe und die Zuziehung eines Bevollmächtigten für notwendig erklärt werde (Gerichtsbescheid vom 5.11.2009). Die hiergegen vom SG zugelassene und von der Beklagten eingelegte Berufung wies das LSG zurück (Urteil vom 12.5.2010). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Das SG habe die Beklagte zu Recht verurteilt, die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu erstatten und die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts für erforderlich erklärt. Dies folge aus § 63 SGB X. Das Schreiben der Beklagten vom 20.5.2007 enthalte insoweit einen Verwaltungsakt, als gegenüber der Klägerin Mahngebühren festgesetzt worden seien. Es handele sich aufgrund gesetzlicher Grundlage um ein hoheitliches Handeln mit Außenwirkung zur Regelung eines Einzelfalls. Die Regelung bestehe darin, dass der Adressat unmittelbar verpflichtet werde, die Mahngebühr zu zahlen. Der Rechtsgrund für das Entstehen der Mahngebühr werde erst durch die Mahnung selbst begründet, daher teile die Mahngebühr, als von der Mahnung unabhängig, nicht den Rechtscharakter der Mahnung. Der auf Aufhebung gerichtete Widerspruch der Klägerin sei daher zulässig und begründet. Die der Mahngebühr zugrundeliegende Forderung sei nicht fällig gewesen und die Beklagte habe die Mahngebühr aufgehoben. Angesichts dessen komme es auch nicht darauf an, ob die Beklagte überhaupt in eigenem Namen Mahngebühren erheben könne. Die Beklagte habe die Mahngebühr aufgehoben, sodass der Widerspruch erfolgreich gewesen sei und die Beklagte die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten habe. Eine ursächliche Verknüpfung zwischen der Widerspruchserhebung und der begünstigenden Entscheidung der Beklagten bestehe insoweit, als die Beklagte die Mahngebühr nach Bestätigung der Widerspruchseinlegung durch die ARGE und entsprechender Kennzeichnung der Forderung aufgehoben habe. Auch sei die Hinzuziehung des Rechtsanwalts notwendig gewesen. Der Klägerin sei aufgrund ihrer individuellen Fähigkeiten nicht zuzumuten gewesen, das Verfahren alleine zu betreiben. Dies habe sich durch die Ausführungen des Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung - die Klägerin sei Analphabetin und stehe zwischenzeitlich sogar unter Betreuung - zur Überzeugung des Senats verfestigt.

7

Die Beklagte rügt - nach Zulassung der Revision durch den Senat mit Beschluss vom 6.4.2011 (B 4 AS 160/10 B) - nur noch die Verletzung materiellen Rechts - des § 63 Abs 2 SGB X. Zwar habe das BSG mit Urteil vom 26.5.2011 - B 14 AS 54/10 R - inzwischen entschieden, dass es sich bei der Festsetzung von Mahngebühren um einen Verwaltungsakt handele, der mit Widerspruch und Anfechtungsklage angefochten werden könne. Die Rechtsauffassung des LSG zu diesem Punkt sei daher nicht zu beanstanden. Unabhängig von der Frage, ob der Widerspruch vorliegend "erfolgreich" iS des § 63 Abs 1 S 1 SGB X gewesen sei, sei jedenfalls die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts nicht "notwendig" iS des § 63 Abs 2 SGB X gewesen. Der Klägerin sei zuzumuten gewesen, das Verfahren selbst zu führen. So habe sie noch vor Widerspruchserhebung durch ihren Prozessbevollmächtigten bei der Beklagten telefonisch eine Ratenzahlungsvereinbarung, die auch die Mahngebühr beinhaltet habe, geschlossen. Dies zeige, dass sie durchaus auch ohne anwaltliche Beratung imstande gewesen sei, ihre Rechte eigenständig wahrzunehmen. Zudem impliziere bereits das Verhältnis der Höhe der Mahngebühr an sich als auch im Verhältnis zur Hauptforderung, dass bei objektiver Betrachtung ein vernünftiger Bürger sich keines Rechtsanwalts bedient hätte.

8

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 12. Mai 2010 sowie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 5. November 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

10

Eine Verletzung des § 63 SGB X durch das LSG sei nicht ersichtlich. Ein rechtswidriger Verwaltungsakt müsse nicht hingenommen werden. Auch die Geringfügigkeit der Mahngebühr rechtfertige nicht, von einem Kostenübernahmeerfordernis abzusehen. Allenfalls sei denkbar, im Rahmen der Entscheidung bezüglich der Höhe der geltend gemachten Anwaltsgebühr Abstriche zu machen, nicht jedoch dem Grunde nach.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet.

12

Das LSG hat zu Recht entschieden, dass die Beklagte der Klägerin die für den Widerspruch mit Schreiben vom 18.6.2007 entstandenen notwendigen Aufwendungen zu erstatten hat.

13

1. Von Amts wegen zu beachtende Verfahrensfehler liegen nicht vor. An der Prozessfähigkeit der Klägerin bestehen keine durchgreifenden Zweifel. Jedenfalls wäre ein etwaiger Mangel in der Prozessführung durch ausdrückliche Genehmigung der Betreuerin geheilt.

14

2. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist ausschließlich die Entscheidung über die Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen im Widerspruchsbescheid vom 13.11.2007 für das Vorverfahren gegen die Festsetzung der Mahngebühren mit Schreiben vom 20.5.2007. Die Klägerin hat ihr Begehren ausdrücklich hierauf beschränkt. Sie verfolgt ihr Begehren zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG).

15

3. Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, dass die Klägerin gegen die Beklagte Anspruch auf Aufwendungsersatz gemäß § 63 Abs 1 S 1 SGB X hat.

16

Nach § 63 Abs 1 S 1 SGB X hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich ist.

17

Der Anwendungsbereich des § 63 Abs 1 S 1 SGB X ist eröffnet, weil die Verwerfung des Widerspruchs als unzulässig durch die Beklagte zu Unrecht erfolgte. Vielmehr handelt es sich bei der in der Mahnung enthaltenen Festsetzung von Mahngebühren um einen Verwaltungsakt gemäß § 31 SGB X, der mit Widerspruch und Anfechtungsklage angefochten werden kann. Der erkennende Senat schließt sich insoweit der Auffassung des 14. Senats des BSG, die Festsetzung von Mahngebühren enthalte eine für den betroffenen Schuldner verbindliche Einzelfallregelung, ausdrücklich an (s zur Verwaltungsaktqualität der Festsetzung von Mahngebühren und zur Unzulässigkeit der Übertragung der Aufgabe "Forderungseinzug" auf die BA: BSG Urteil vom 26.5.2011 - B 14 AS 54/10 R - BSGE 108, 229 = SozR 4-4200 § 44b Nr 3). Es kann deshalb unentschieden bleiben, ob die Rechtsprechung des BSG, dass die Geltendmachung einer Forderung selbst durch Mahnung kein Verwaltungsakt sei (vgl BSG Beschluss vom 5.8.1997 - 11 BAr 95/97 - juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 7.6.1999 - B 7 AL 264/98 B - juris RdNr 8) auch Fallgestaltungen erfasst, bei denen die Mahnung durch eine unzuständige Behörde erfolgt (hierzu BSG Urteil vom 26.5.2011 - B 14 AS 54/10 R - BSGE 108, 229 = SozR 4-4200 § 44b Nr 3, jeweils RdNr 18 ff).

18

Der Widerspruch der Klägerin gegen das Schreiben der Beklagten vom 20.5.2008 war auch erfolgreich. Erfolg iS des § 63 Abs 1 S 1 SGB X hat nach der ständigen Rechtsprechung des BSG der Widerspruch dann, wenn die Behörde ihm stattgibt(vgl zuletzt BSG Urteil vom 19.6.2012 - B 4 AS 142/11 R sowie BSG Urteile vom 21.7.1992 - 4 RA 20/91 - SozR 3-1300 § 63 Nr 3, S 13; vom 17.10.2006 - B 5 RJ 66/04 R - SozR 4-1300 § 63 Nr 5 RdNr 14; vom 20.10.2010 - B 13 R 15/10 R - SozR 4-1500 § 193 Nr 6 RdNr 30; vom 2.5.2012 - B 11 AL 23/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen). Dabei ist der Erfolg oder Misserfolg eines eingelegten Widerspruchs am tatsächlichen (äußeren) Verfahrensgang der §§ 78 ff SGG zu messen. Die Beklagte hat ihm dadurch stattgegeben, dass sie die Mahngebühr storniert hat und dies gegenüber der Klägerin verlautbart hat. Unerheblich ist insoweit, aus welchen Gründen der Widerspruch in der Sache Erfolg hatte.

19

4. Die Beklagte kann sich insoweit auch nicht darauf berufen, dass ein Kostenerstattungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte hinsichtlich der Gebühren und Auslagen des bevollmächtigten Rechtsanwalts mit Rücksicht auf die geringe Höhe der Mahngebühr ausscheide. Insoweit ist mit den Tatsacheninstanzen zu erkennen, dass die Zuziehung eines Rechtsanwalts notwendig iS des § 63 Abs 2 SGB X gewesen ist. Nach dieser Vorschrift sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig ist. Es ist insoweit auf die Sicht eines verständigen Beteiligten im Zeitpunkt der Beauftragung abzustellen (vgl nur Roos in von Wulffen, 7. Aufl 2010, § 63 RdNr 26; Feddern in jurisPK-SGB X § 63 RdNr 33 f).

20

Ob die Zuziehung eines Rechtsanwalts notwendig ist, kann nicht allein anhand des im Widerspruchsverfahren geltend gemachten Betrages beurteilt werden. Insoweit kann sinngemäß zur weiteren Ausfüllung des Merkmals auf die Grundsätze zurückgegriffen werden, die das BVerfG zum Merkmal der Erforderlichkeit von Prozesskostenhilfe entwickelt hat (BVerfG vom 24.3.2011 - 1 BvR 2493/10 - NZS 2011, 775; BVerfG vom 24.3.2011 - 1 BvR 1737/10 - NJW 2011, 2039). Entscheidender Maßstab ist hiernach nicht das Verhältnis von Streitwert und Kostenrisiko, sondern die Wahrung des Grundsatzes der Waffengleichheit. Da dem Widerspruchsführer rechtskundige und prozesserfahrene Vertreter einer Behörde gegenüberstehen, kann die Notwendigkeit einer Zuziehung nur ausnahmsweise verneint werden. Denn es ist davon auszugehen, dass die Beauftragung eines Rechtsanwalts mit der Wahrnehmung der eigenen Interessen regelmäßig erfolgt, wenn im Kenntnisstand und Fähigkeiten der Prozessparteien ein deutliches Ungleichgewicht besteht.

21

Die vorstehenden Grundsätze werden durch das Urteil des 14. Senats des BSG vom 12.7.2012 - B 14 AS 35/12 R - zur Veröffentlichung vorgesehen - nicht infrage gestellt. Zwar ist mit dieser Entscheidung das Rechtsschutzbedürfnis für ein Klagebegehren in der Hauptsache verneint worden, das aus Sicht des Klägers denkbar allein auf die Verletzung der Rundungsregelung des § 41 Abs 2 SGB II gestützt werden konnte. Gleichwohl hat der 14. Senat jedoch ausgeführt, dass die Höhe der geltend gemachten Forderung nicht "schlechterdings und für sich allein betrachtet zum Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses" führe. Vielmehr fehle es am Rechtschutzbedürfnis nur dann, wenn besondere Umstände vorlägen, die das subjektive oder objektive Interesse an der Durchführung des Rechtsstreits entfallen ließen. Derartige besondere Umstände hat der 14. Senat bei einem isolierten Streit über die Anwendung der Rundungsregelung angenommen, die nicht aus Gründen der Existenzsicherung sondern zur Vereinfachung verwaltungsinterner Abläufe geschaffen worden sei. Eine Abkehr vom "Grundsatz der Waffengleichheit" kann aus dieser Entscheidung folglich nicht hergeleitet werden.

22

Die hier vorliegenden Gesamtumstände rechtfertigen die Annahme einer Ausnahme nicht. Ein derartiger - hier jedoch nicht vorliegender - Ausnahmefall kann in Fällen der vorliegenden Art zB erwogen werden, wenn es um die Klärung tatsächlicher Fragen geht oder aus dem angegriffenen Bescheid ersichtlich ist, dass die Entscheidung auf einem Missverständnis beruht, das vom Widersprechenden leicht aufzuklären ist. Die Klägerin konnte der Mahnung insbesondere nicht entnehmen, dass die Geltendmachung der Forderung einschließlich der Mahngebühren auf der Vorstellung beruhte, dass kein Widerspruch gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid eingelegt worden war.

23

Der zu beurteilende Sachverhalt ist im Übrigen dadurch gekennzeichnet, dass sich die Klägerin der Geltendmachung des gesamten Rückforderungsbetrages zuzüglich der fraglichen Mahngebühren durch eine unzuständige Behörde ausgesetzt sah. In einer derartigen Situation lag die Einschaltung eines Rechtsanwalts für einen verständigen Betroffenen jedenfalls nahe.

24

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz nicht anzuwenden ist, entstehen Betragsrahmengebühren. In sonstigen Verfahren werden die Gebühren nach dem Gegenstandswert berechnet, wenn der Auftraggeber nicht zu den in § 183 des Sozialgerichtsgesetzes genannten Personen gehört; im Verfahren nach § 201 Absatz 1 des Sozialgerichtsgesetzes werden die Gebühren immer nach dem Gegenstandswert berechnet. In Verfahren wegen überlanger Gerichtsverfahren (§ 202 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes) werden die Gebühren nach dem Gegenstandswert berechnet.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend für eine Tätigkeit außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens.

(1) Die Steuer beträgt für jeden steuerpflichtigen Umsatz 19 Prozent der Bemessungsgrundlage (§§ 10, 11, 25 Abs. 3 und § 25a Abs. 3 und 4).

(2) Die Steuer ermäßigt sich auf sieben Prozent für die folgenden Umsätze:

1.
die Lieferungen, die Einfuhr und der innergemeinschaftliche Erwerb der in Anlage 2 bezeichneten Gegenstände mit Ausnahme der in der Nummer 49 Buchstabe f, den Nummern 53 und 54 bezeichneten Gegenstände;
2.
die Vermietung der in Anlage 2 bezeichneten Gegenstände mit Ausnahme der in der Nummer 49 Buchstabe f, den Nummern 53 und 54 bezeichneten Gegenstände;
3.
die Aufzucht und das Halten von Vieh, die Anzucht von Pflanzen und die Teilnahme an Leistungsprüfungen für Tiere;
4.
die Leistungen, die unmittelbar der Vatertierhaltung, der Förderung der Tierzucht, der künstlichen Tierbesamung oder der Leistungs- und Qualitätsprüfung in der Tierzucht und in der Milchwirtschaft dienen;
5.
(weggefallen);
6.
die Leistungen aus der Tätigkeit als Zahntechniker sowie die in § 4 Nr. 14 Buchstabe a Satz 2 bezeichneten Leistungen der Zahnärzte;
7.
a)
die Eintrittsberechtigung für Theater, Konzerte und Museen, sowie die den Theatervorführungen und Konzerten vergleichbaren Darbietungen ausübender Künstler
b)
die Überlassung von Filmen zur Auswertung und Vorführung sowie die Filmvorführungen, soweit die Filme nach § 6 Abs. 3 Nr. 1 bis 5 des Gesetzes zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit oder nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 des Jugendschutzgesetzes vom 23. Juli 2002 (BGBl. I S. 2730, 2003 I S. 476) in der jeweils geltenden Fassung gekennzeichnet sind oder vor dem 1. Januar 1970 erstaufgeführt wurden,
c)
die Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten, die sich aus dem Urheberrechtsgesetz ergeben,
d)
die Zirkusvorführungen, die Leistungen aus der Tätigkeit als Schausteller sowie die unmittelbar mit dem Betrieb der zoologischen Gärten verbundenen Umsätze;
8.
a)
die Leistungen der Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen (§§ 51 bis 68 der Abgabenordnung). Das gilt nicht für Leistungen, die im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ausgeführt werden. Für Leistungen, die im Rahmen eines Zweckbetriebs ausgeführt werden, gilt Satz 1 nur, wenn der Zweckbetrieb nicht in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen durch die Ausführung von Umsätzen dient, die in unmittelbarem Wettbewerb mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer ausgeführt werden, oder wenn die Körperschaft mit diesen Leistungen ihrer in den §§ 66 bis 68 der Abgabenordnung bezeichneten Zweckbetriebe ihre steuerbegünstigten satzungsgemäßen Zwecke selbst verwirklicht,
b)
die Leistungen der nichtrechtsfähigen Personenvereinigungen und Gemeinschaften der in Buchstabe a Satz 1 bezeichneten Körperschaften, wenn diese Leistungen, falls die Körperschaften sie anteilig selbst ausführten, insgesamt nach Buchstabe a ermäßigt besteuert würden;
9.
die unmittelbar mit dem Betrieb der Schwimmbäder verbundenen Umsätze sowie die Verabreichung von Heilbädern. Das Gleiche gilt für die Bereitstellung von Kureinrichtungen, soweit als Entgelt eine Kurtaxe zu entrichten ist;
10.
die Beförderungen von Personen
a)
im Schienenbahnverkehr,
b)
im Verkehr mit Oberleitungsomnibussen, im genehmigten Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen, im Verkehr mit Taxen, mit Drahtseilbahnen und sonstigen mechanischen Aufstiegshilfen aller Art und im genehmigten Linienverkehr mit Schiffen sowie die Beförderungen im Fährverkehr
aa)
innerhalb einer Gemeinde oder
bb)
wenn die Beförderungsstrecke nicht mehr als 50 Kilometer beträgt;
11.
die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält, sowie die kurzfristige Vermietung von Campingflächen. Satz 1 gilt nicht für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, auch wenn diese Leistungen mit dem Entgelt für die Vermietung abgegolten sind;
12.
die Einfuhr der in Nummer 49 Buchstabe f, den Nummern 53 und 54 der Anlage 2 bezeichneten Gegenstände;
13.
die Lieferungen und der innergemeinschaftliche Erwerb der in Nummer 53 der Anlage 2 bezeichneten Gegenstände, wenn die Lieferungen
a)
vom Urheber der Gegenstände oder dessen Rechtsnachfolger bewirkt werden oder
b)
von einem Unternehmer bewirkt werden, der kein Wiederverkäufer (§ 25a Absatz 1 Nummer 1 Satz 2) ist, und die Gegenstände
aa)
vom Unternehmer in das Gemeinschaftsgebiet eingeführt wurden,
bb)
von ihrem Urheber oder dessen Rechtsnachfolger an den Unternehmer geliefert wurden oder
cc)
den Unternehmer zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt haben;
14.
die Überlassung der in Nummer 49 Buchstabe a bis e und Nummer 50 der Anlage 2 bezeichneten Erzeugnisse in elektronischer Form, unabhängig davon, ob das Erzeugnis auch auf einem physischen Träger angeboten wird, mit Ausnahme der Veröffentlichungen, die vollständig oder im Wesentlichen aus Videoinhalten oder hörbarer Musik bestehen. Ebenfalls ausgenommen sind Erzeugnisse, für die Beschränkungen als jugendgefährdende Trägermedien oder Hinweispflichten nach § 15 Absatz 1 bis 3 und 6 des Jugendschutzgesetzes in der jeweils geltenden Fassung bestehen, sowie Veröffentlichungen, die vollständig oder im Wesentlichen Werbezwecken, einschließlich Reisewerbung, dienen. Begünstigt ist auch die Bereitstellung eines Zugangs zu Datenbanken, die eine Vielzahl von elektronischen Büchern, Zeitungen oder Zeitschriften oder Teile von diesen enthalten;
15.
die nach dem 30. Juni 2020 und vor dem 1. Januar 2024 erbrachten Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen, mit Ausnahme der Abgabe von Getränken.
-----
*)
§ 12 Abs. 2 Nr. 10: Gilt gem. § 28 Abs. 4 idF d. Art. 8 Nr. 9 G v. 20.12.2007 I 3150 bis zum 31. Dezember 2011 in folgender Fassung:
"10.
a)
die Beförderungen von Personen mit Schiffen,
b)
die Beförderungen von Personen im Schienenbahnverkehr, im Verkehr mit Oberleitungsomnibussen, im genehmigten Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen, im Verkehr mit Taxen, mit Drahtseilbahnen und sonstigen mechanischen Aufstiegshilfen aller Art und die Beförderungen im Fährverkehr
aa)
innerhalb einer Gemeinde oder
bb)
wenn die Beförderungsstrecke nicht mehr als 50 Kilometer beträgt."

(3) Die Steuer ermäßigt sich auf 0 Prozent für die folgenden Umsätze:

1.
die Lieferungen von Solarmodulen an den Betreiber einer Photovoltaikanlage, einschließlich der für den Betrieb einer Photovoltaikanlage wesentlichen Komponenten und der Speicher, die dazu dienen, den mit Solarmodulen erzeugten Strom zu speichern, wenn die Photovoltaikanlage auf oder in der Nähe von Privatwohnungen, Wohnungen sowie öffentlichen und anderen Gebäuden, die für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten genutzt werden, installiert wird. Die Voraussetzungen des Satzes 1 gelten als erfüllt, wenn die installierte Bruttoleistung der Photovoltaikanlage laut Marktstammdatenregister nicht mehr als 30 Kilowatt (peak) beträgt oder betragen wird;
2.
den innergemeinschaftlichen Erwerb der in Nummer 1 bezeichneten Gegenstände, die die Voraussetzungen der Nummer 1 erfüllen;
3.
die Einfuhr der in Nummer 1 bezeichneten Gegenstände, die die Voraussetzungen der Nummer 1 erfüllen;
4.
die Installation von Photovoltaikanlagen sowie der Speicher, die dazu dienen, den mit Solarmodulen erzeugten Strom zu speichern, wenn die Lieferung der installierten Komponenten die Voraussetzungen der Nummer 1 erfüllt.

(1) Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Ein besonderes Haftungsrisiko des Rechtsanwalts kann bei der Bemessung herangezogen werden. Bei Rahmengebühren, die sich nicht nach dem Gegenstandswert richten, ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.

(2) Ist eine Rahmengebühr auf eine andere Rahmengebühr anzurechnen, ist die Gebühr, auf die angerechnet wird, so zu bestimmen, als sei der Rechtsanwalt zuvor nicht tätig gewesen.

(3) Im Rechtsstreit hat das Gericht ein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer einzuholen, soweit die Höhe der Gebühr streitig ist; dies gilt auch im Verfahren nach § 495a der Zivilprozessordnung. Das Gutachten ist kostenlos zu erstatten.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.