Oberlandesgericht Köln Urteil, 13. Okt. 2016 - 15 U 189/15
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten zu 1) wird das am 07.10.2015 verkündete Urteil des Landgerichts Köln (28 O 370/14) teilweise abgeändert.
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe
2I.
3Die Klägerin betrieb seit dem 24.05.2013 unter der Firma „P GmbH“ in der Eer Innenstadt einen Fachhandel für Elektronikzubehör. Geschäftsführer der Gesellschaft waren zunächst Herr B und Herr C. Bei dem Unternehmen handelte es sich um einen rechtlich und wirtschaftlich selbständigen Ableger der „P GmbH“ mit Sitz und Filialen in G. Deren Geschäftsführer ist der Vater des Geschäftsführers der Klägerin B, der wiederum für die Ger P GmbH über Einzelprokura verfügt.
4Die Beklagte zu 1) betreibt u.a. auf der Internetseite www.H.de eine Internetsuchmaschine. Die Beklagte zu 2) ist eine Tochtergesellschaft der Beklagten zu 1).
5Ab dem 06.05.2013 war bei der Klägerin Herr B2, ein Cousin des Geschäftsführers der Klägerin, beschäftigt, der zuvor bei der Ger P GmbH tätig gewesen war. Ausweislich seines Arbeitsvertrags (Anl. K 31) wurde er bei der Klägerin als „Assistenz der Geschäftsführung“ eingestellt.
6Am 21.09.2013 veröffentlichte die Gruppierung B3 G u.a. über den Link „https://B3.org/?article268“ ein „Communiqué“ mit dem Titel „Vernetzte Einzeltäter in G und Umgebung“, welches sich inhaltlich mit verschiedenen als rechtsextrem identifizierten Personen insbesondere in G beschäftigt. Dort heißt es u.a.: „Der langjährige Angestellte des Ger Elektronik-Fachhandels P, B2, bewirbt auf G2 Nazimusik wie „Die Juden sind unser Unglück“ und „teilt“ mit aller Welt die Partei seiner Wahl: die NPD. Kürzlich ist B2 als Leiter der in der Ctraße 40 neueröffneten Eer P-Filiale in die nordrhein-westfälische Nazihochburg gezogen.“ Wegen der weiteren Einzelheiten des Artikels wird auf die Anlagen K 1, 27 Bezug genommen.
7Hierüber berichtete der Radiosender „radio E“ in einem kurzen Beitrag auf seiner Internetseite unter der Überschrift „Unfassendes Outing vernetzter Nazi "Einzeltäter"“ und dem Link „https://E.de/beitrag/umfassendes-outing-vernetzter-nazi-einzeltäter“. In dem Beitrag heißt es u.a.: „Auch die Elektronik-Kette P scheint auf Abteilungsleiterebene mit A. einen Nazi (SS-Ruhnen Tattoo: „Meine Ehre heisst Treue“) zu beschäftigen. Ob die Ausleihe in die Nazi-Kameradschaftshochburg E nur der FilialAusbreitung oder auch direkt strategischer Aufbau Arbeit von Nazikadern im Umfeld um die Worch-Partei „Die Rechte“ geschuldet ist, bleibt dabei offen.“ Wegen der weiteren Einzelheiten des Berichts wird auf die Anlage K 2 Bezug genommen.
Am 28.09.2013 wurde in dem Nachrichtenportal M.org unter der Überschrift „B2, Nazi und Filialleiter P GmbH E, auf G2“ und dem Link "https://M.org/de/node/96180" eine Sammlung von Screenshots von G2einträgen B2s eingestellt, welche dessen Zugehörigkeit zur Partei NPD und seine rechtsextreme Gesinnung belegen soll. Wegen der weiteren Einzelheiten der Veröffentlichung wird auf die Anlagen K 44 - 46 (= GA 225 ff.) Bezug genommen.
8Nach diesen Veröffentlichungen kündigte die Klägerin den Arbeitsvertrag mit Herrn B2 zum 31.12.2013 und stellte ihn ab dann von der Arbeit frei. Am 23.03.2014 schloss die Klägerin ihr Ladenlokal in E und änderte mit Gesellschafterbeschluss vom 07.05.2014 ihre Firma in „P GmbH“. Ende Juni 2014 wurde ihr Gewerbe in E abgemeldet und wurden ihr Firmensitz und Ladenlokal nach N verlegt; außerdem schied der bisherige Geschäftsführer C aus.
9Mit Schreiben vom 24.01.2014 (Anl. K 50 = GA 245) forderten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Beklagte zu 1) im Namen der Klägerin und der Ger „P GmbH“ auf, bis zum 31.01.2014 u.a. die Links https://M.org/de/node/96180; https://B3.org/ und https://E.de/beitrag/unfassendes-outing.vernetzter-nazi-einzeltäter in ihrem Suchindex in Deutschland dauerhaft zu sperren, die Blogseiten in ihrem Cache zu löschen und einen Suchfilter bezüglich der konkret beanstandeten Textpassagen auf den verlinkten Internetseiten einzurichten. Zur Begründung führten sie im Einzelnen aus, dass die verlinkten Seiten der Klägerin und der Ger GmbH wahrheitswidrig Verbindungen zur rechten Szene unterstellten und unwahre Tatsachen behaupteten, da Herr B2 nicht Filialleiter in E gewesen sei, keine verantwortliche Position innegehabt habe und die Klägerin und die Ger GmbH rechtlich selbständig und auch wirtschaftlich nicht verbunden seien. Wegen der Einzelheiten des Schreibens wird auf die Anl. K 50 = GA 245 verwiesen.
10Die Beklagte zu 1) erwiderte mit e-mail vom 31.01.2014 (Anl. K 51 = GA 273), sie werde insoweit vorerst keine Maßnahmen ergreifen. Sie könne die Inhalte auf Webseiten Dritter nicht entfernen, sondern erfasse lediglich die im Internet vorhandenen Informationen und stelle sie zusammen. Die Klägerin möge die Angelegenheit daher unmittelbar mit dem Inhaber der betreffenden Webseite klären; sobald dieser die Website anpasse, würden die entsprechenden Änderungen in ihren Suchergebnissen angezeigt. Wenn die im Cache gespeicherte Kopie entfernt werden solle, möge die Klägerin einen entsprechenden Antrag auf Entfernung einreichen.
11Mit Schreiben vom 06.02.2014 (Anl. K 52 = GA 274) forderten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Beklagte zu 1) auf, bis zum 12.02.2014 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung zugunsten der Klägerin und der Ger GmbH dahingehend abzugeben, u.a. die drei streitgegenständlichen Links über ihre Suchmaschine auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr auffindbar zu machen. Hierauf reagierte die Beklagte zu 1) nicht.
12Mit Schreiben vom 12.02.2014 (Anl. K 3) übersandte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in deren und im Namen der Ger GmbH der Beklagten zu 1) unter Bezugnahme auf seine vorangehenden Schreiben vom 24.01.2014 und vom 06.02.2014 eine Liste weiterer Links, in der u.a. die streitgegenständlichen Links https://B3.org/?article268 und https://E.de/beitrag/unfassendes-outing.vernetzter-nazi-einzelt%C3%A4ter enthalten waren, und forderte auch diesbezüglich deren Sperrung, Löschung der Blogseiten im Cache der Beklagten sowie (erneut) die Einrichtung eines Suchfilters bis zum 18.02.2014. Nachdem die Beklagte zu 1) auch hierauf nicht reagierte, verlangte der Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom 18.03.2014 (Anl. K 4) von ihr auch diesbezüglich – wiederum erfolglos – die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung betreffend ein „Auffindbarmachen“ der betreffenden Links.
13Mit Schreiben vom 01.07.2014 setzte die Klägerin auch die Beklagte zu 2) von den mutmaßlichen Rechtsverstößen in Kenntnis und forderte die Sperrung im Suchindex, Löschung im Cache und Einrichtung eines Suchfilters; mit Schreiben vom 18.07.2014 mahnte sie die Beklagte zu 2) ebenfalls erfolglos ab (Anlagen K 6 und K 7).
14Die Klägerin hat die Beklagten daraufhin auf Unterlassung der Anzeige der Suchergebnisse https://B3.org/?article269; und https://E.de/beitrag/unfassendes-outing-vernetzter-nazi-einzeltäter, die Beklagte zu 1) darüber hinaus auch des Suchergebnisses https://M.org/de/node/96180), auf Einrichtung eines Suchfilters für bestimmte Suchwortkombinationen und auf Zahlung einer Geldentschädigung in Anspruch genommen. Sie hat geltend gemacht, die Links würden bei Eingabe ihres (früheren) Firmennamens als Suchergebnisse bei der Beklagten angezeigt. Auf den derart verlinkten Internetseiten sei wahrheitswidrig behauptet worden, sie sei eine Filiale der Ger P GmbH und bei ihr sei deren früherer Mitarbeiter B2 mit rechtsradikaler Gesinnung als Filialleiter und damit in leitender Funktion beschäftigt. Das sei unzutreffend, da Herr B lediglich als Assistent der Geschäftsleitung und damit nur in untergeordneter Funktion tätig gewesen sei. Durch die Veröffentlichungen sei der falsche Eindruck entstanden, sie sei ein Unternehmen der rechten Szene. Die politische Einstellung Herrn B2s sei ihr indes nicht bekannt gewesen und ihr nicht zurechenbar, zudem habe sie ihm – nachdem sie (ihrer Behauptung nach erst) im November 2013 von seiner politischen Haltung erfahren habe - unstreitig zum 31.12.2013 gekündigt. Durch die Veröffentlichungen sei ihr ein massiver Imageschaden entstanden, der letztlich sogar ihre Namensänderung und Sitzverlegung erforderlich gemacht habe. Für diese gravierende Verletzung ihres Unternehmenspersönlichkeitsrechts und ihres Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb sei die Beklagte (mit-) verantwortlich, da sie durch die Anzeige der drei Links als Suchergebnisse erst deren Auffindbarkeit im Internet ermöglicht und trotz der konkreten Hinweise auf die Rechtsverletzung mit Aufforderung zur Entfernung/Unterlassung dieser Ergebnisanzeigen nicht reagiert habe.
15Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 07.10.2015 (28 O 370/14 LG Köln, GA 471 ff.) gegen die Beklagte zu 2) mangels Passivlegitimation abgewiesen; gegen die Beklagte zu 1) hat es der Klage - unter Zurückweisung im Übrigen - hinsichtlich des Unterlassungsbegehrens der Klägerin wie folgt stattgegeben:
16I. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,00 EUR; Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre, zu vollziehen an ihren gesetzlichen Vertretern), gegenüber der Klägerin zu unterlassen,
171. die folgenden Links
18• https://B3.org/?article268
19• https://E.de/beitrag/unfassendes-outing-vernetzter-nazi-einzeltäter
20über die unter www.H.de erreichbare Suchmaschine auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland auffindbar zu machen, wie geschehen durch das Auffindbarmachen in den Suchergebnissen unter „www.H.de“ vom 2.7.2014, Anlage K1 und K2.
212. sowie den Link
22• https://M.org/de/node/96180
23über die unter www.H.de erreichbare Suchmaschine auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland auffindbar zu machen, wie geschehen durch das Auffindbarmachen in den Suchergebnissen unter „www.H.de“ vom 5.1.2015, Anlage K 43.
24Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei zulässig, insbesondere fehle nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin, da die Möglichkeit, wegen der von ihr beanstandeten Links gegen weitere – auch unmittelbare Störer – vorzugehen, für sie kein einfacherer oder schnellerer Weg zum Erreichen ihres Rechtsschutzziels sei. Die Klage sei hinsichtlich des Unterlassungsbegehrens gegen die Beklagte zu 1) auch begründet, da diese zwar nicht als unmittelbare, wohl aber als mittelbare Störerin hafte. Insoweit seien die Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Haftung von Host-Providern auf die Beklagte zu 1) als Suchmaschinenbetreiberin übertragbar. Danach hafte sie zwar (nur) für die Verletzung von reaktiven Prüfpflichten; eine solche Pflichtverletzung liege hier aber vor, da die Klägerin die Beklagte zu 1) mit ihren Schreiben vom 24.01.2014 und vom 12.02.2014 hinreichend konkret über eine offensichtliche Verletzung ihres Unternehmenspersönlichkeitsrechts durch die verlinkten Seiten hingewiesen habe. Die Inhalte auf den verlinkten Seiten beeinträchtigten das Unternehmenspersönlichkeitsrecht der Klägerin, weil dort der – für ihren sozialen Geltungsanspruch als Wirtschaftsunternehmen abträgliche – Eindruck erweckt werde, sie beschäftige einen als rechtsextrem identifizierten Mitarbeiter in einer maßgeblichen Position. Diese Tatsachenbehauptung sei unwahr, da der betreffende Mitarbeiter lediglich als Assistent der Geschäftsführung beschäftigt gewesen sei und damit grundsätzlich keine Leitungsfunktion gehabt habe. Hierbei handele es sich nicht um eine nur unerhebliche Falschaussage, weil aus Sicht des Durchschnittsrezipienten im Gesamtkontext von erheblicher Bedeutung sei, ob der betreffende Mitarbeiter in einer untergeordneten, gewöhnlichen oder aber einer leitenden Position eingesetzt werde. Die von den Beklagten zu 1) angeführte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 13.01.2015 (VI ZR 386/13, GRUR 2015, 293 – „Promi-Friseur“) sei insoweit nicht übertragbar. Da an der Verbreitung unwahrer Tatsachen kein schützenswertes Interesse bestehe, sei die Beeinträchtigung des Unternehmenspersönlichkeitsrechts der Klägerin rechtswidrig. Inwiefern darüber hinaus – wie von der Klägerin geltend gemacht – auch in ihrer Bezeichnung als Filiale des Ger Unternehmens eine erhebliche Falschbehauptung liege, bedürfe daher keiner Entscheidung. Mangels Löschung nach Kenntniserlangung habe die Beklagte zu 1) gegen ihre Prüfpflichten verstoßen; auch sei die Wiederholungsgefahr trotz der Umfirmierung und der Sitzverlegung der Klägerin nicht entfallen, da bereits aufgrund der regionalen Nähe zu erwarten sei, dass Rezipienten der Artikel weiterhin eine Zuordnung der Meldungen zur Klägerin vornähmen. Wegen der Einzelheiten der Begründung des Landgerichts wird ebenso wie wegen der Einzelheiten des zugrunde liegenden Sachverhalts auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
25Die Beklagte zu 1) (im Folgenden: Beklagte) hat gegen das Urteil form- und fristgerecht Berufung eingelegt, mit der sie ihren Antrag auf Abweisung der gesamten Klage weiterverfolgt.
26Sie ist der Ansicht, die Klage sei bereits unzulässig, da sie – ebenso wie der Tenor der angefochtenen Entscheidung – die Verletzungsform verfehle, indem die Klägerin Beseitigung und nicht Unterlassung begehre. Außerdem werde das im Tenor genannte „Auffindbarmachen“ weder durch die in den Tenor aufgenommenen Anlagen schlüssig gemacht, noch fänden sich in diesen Anlagen alle beanstandeten Drittseiten. Darüber hinaus fehle es an der nach höchstrichterlicher Rechtsprechung erforderlichen Bezugnahme auf den Kontext der beanstandeten Äußerungen; zudem wiesen die in den Anlagen angegebenen Suchanfragen keinen Bezug zur Klägerin auf, da diese sämtlich aus einem Zeitraum nach ihrer Umfirmierung und Sitzverlegung nach N stammten. Schließlich fehle das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin, weil sie sich nicht vorrangig an bzw. gegen die Betreiber der drei Internetseiten, deren Host-Provider oder aber die jeweils Äußernden gewandt habe.
27Das Urteil sei aber auch in der Sache fehlerhaft. Das Landgericht habe völlig übergangen, dass sie als Suchmaschinendienst nach den Vorschriften der E-Commerce-Richtlinie bzw. nach den (jedenfalls analog anwendbaren) §§ 8, 9 Telemediengesetz (im Folgenden: TMG) haftungsprivilegiert sei. Insoweit sei sie einem Access-Provider gleichzustellen, da es bei ihr – ebenso wie bei diesem – an einer Sach- und Verantwortungsnähe im Hinblick auf die von Dritten ins Internet gestellten Inhalte fehle; § 10 TMG sei auf Suchmaschinendienste nicht anwendbar. Darüber hinaus gälten die Privilegierungen der §§ 8 ff. TMG nach neuerer höchstrichterlicher Rechtsprechung auch für Unterlassungsansprüche. Dies folge – ebenso wie die Anwendbarkeit der Privilegierungen der §§ 8, 9 TMG auf Suchmaschinendienste - zudem aus den Vorgaben der E-Commerce-Richtlinie 2000/31/EG und der diesbezüglichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 23.03.2010 – C- 236 – 238/08, GRUR 2010, 445 = NJW 2010, 2029; Urt. v. 12.07.2011 – C-324/09, GRUR 2011, 1025). Da die Klägerin eine juristische Person sei, ergebe sich auch nichts anderes aus der Datenschutzrichtlinie 95/46 und der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 13.05.2014 (Rs. C-131/12). Darüber hinaus habe das Landgericht verkannt, dass die Tätigkeit von Suchdiensten (hier in Form der Verlinkung) auch deshalb von der Haftung freigestellt sei, weil – wie sich aus zahlreichen von ihr angeführten gerichtlichen Entscheidungen ergebe - eine „hinreichende Distanz“ zu den beanstandeten Drittinhalten vorliege.
28Selbst wenn man aber die Grundsätze der Störerhaftung in Erwägung ziehen wolle, seien diese im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Da sich die Funktion und Aufgabenstellung von Suchmaschinen von denen von Internetplattformen grundsätzlich unterschieden, könnten auf sie – anders als vom Landgericht angenommen – nicht die Maßstäbe übertragen werden, die der Bundesgerichtshof insbesondere für die Haftung von Hosting-Diensten entwickelt habe. Vielmehr seien – wenn überhaupt – (nur) die vom Bundesgerichtshof für Presseunternehmen entwickelten Maßstäbe anzusetzen (wie etwa in den Entscheidungen GRUR 2011, 513 – AnyDVD und GRUR 2004, 693 – Schöner Wetten), da insbesondere auch ihre Funktion als Vermittler im Sinne des Art. 5 GG zu berücksichtigen sei. Danach seien hier indes die Voraussetzungen einer Störerhaftung nicht erfüllt, da bereits keine widerrechtliche, geschweige denn eine offensichtliche Persönlichkeitsrechtsverletzung der Klägerin durch die von ihr beanstandeten drei Internetinhalte vorliege. Die Klägerin sei in Anbetracht ihrer Umfirmierung und Sitzverlegung bereits nicht betroffen, ebenso wenig sei ersichtlich, dass sie dadurch abträglich in ihrem sozialen Geltungsanspruch beeinträchtigt worden sei oder die Artikel eine (zumal schwerwiegende) Beeinträchtigung für sie zur Folge gehabt hätten. Hierzu bestreitet die Beklagte – wie bereits in erster Instanz - mit Nichtwissen, dass die Auffindbarkeit dieser Internetbeiträge der Klägerin geschäftlich geschadet hätten, sie deswegen ihre Firma geändert und ihren Sitz nach N verlegt habe, die Klägerin oder die „P GmbH“ mit Sitz in G nicht dem rechten politischen Bereich zugehörig seien bzw. keine Kontakte zum rechten politischen Spektrum unterhielten, Herr B2 keine verantwortungsvolle Position bei der Klägerin ausgefüllt habe und seine politische Gesinnung dem Geschäftsführer der Klägerin - seinem Cousin – nicht bekannt gewesen sei. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin - wenn überhaupt - nur in ihrer Sozialsphäre als Wirtschaftsunternehmen und zudem im Rahmen von Veröffentlichungen betroffen sei, die ersichtlich politisch geprägt und auch für einen Durchschnittsleser dem linken Spektrum zuzuordnen seien. Des weiteren habe das Landgericht zu Unrecht die Ausführungen des Bundesgerichtshofs in seiner Entscheidung „Promi-Friseur“ für nicht übertragbar gehalten und unberücksichtigt gelassen, dass es sich vorliegend um provozierte Suchanfragen gehandelt habe, die nicht auf die alleinige Eingabe des Namens (der Firma) der Klägerin angezeigt worden seien. Dem demnach geringen Schutzbedürfnis der Klägerin stünden erhebliche Interessen Dritter an den Veröffentlichungen – insbesondere in Form des Rechts auf auch scharfe, abwertende und übersteigerte Meinungsäußerungen in der politischen Auseinandersetzung – gegenüber, denen jedenfalls bei der gebotenen Gesamtabwägung der Vorrang einzuräumen sei.
29Darüber hinaus fehle es wegen der Umfirmierung und Sitzverlegung der Klägerin an einer Wiederholungsgefahr. Selbst wenn man aber eine Rechtsverletzung durch die Veröffentlichungen unterstellen wolle, sei diese jedenfalls in Anbetracht der o.g. Entscheidung des Bundesgerichtshofs („Promi-Friseur“) nicht offensichtlich; ein diesbezüglicher konkreter Hinweis sei seitens der Klägerin auch nicht erfolgt. Zudem fehle es an einem willentlichen adäquat-kausalen Beitrag ihrerseits zu der behaupteten Rechtsverletzung, da sie auf den Inhalt der Internetseiten keinen Einfluss habe und die Suchergebnisse vollautomatisiert generiert und angezeigt würden; auch liege ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vor, da die Klägerin nicht generell gegen die von ihr beanstandeten Inhalte vorgegangen sei.
30Die Beklagte beantragt,
31das Urteil des Landgerichts Köln (Az. 28 O 370/14), verkündet am 07.10.2015, teilweise aufzuheben (im Hinblick auf den Tenor zu I. und dem folgend im Hinblick auf die Kostenentscheidung zu Lasten der Beklagten) und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
32Die Klägerin beantragt,
33die Berufung zurückzuweisen.
34Die Klägerin behauptet, ihrem Geschäftsführer sei November 2013 zugetragen worden, dass der betreffende Mitarbeiter „ein Nazi“ sei; dies sei ihrer Geschäftsführung trotz der verwandtschaftlichen Beziehung zuvor nicht bekannt oder erkennbar gewesen. Der Mitarbeiter habe lediglich eine untergeordnete Funktion gehabt und nie Verantwortung getragen, er sei als Assistent der Geschäftsführung und teilweise als Verkäufer tätig gewesen. Nach der Offenbarung seiner Gesinnung habe man mit ihm ein klärendes Gespräch geführt, woraufhin ihm zum 31.12.2013 gekündigt worden sei. Damit sei der Vorgang für sie abgeschlossen gewesen. Danach sei sie jedoch wiederholt – von Geschäftspartnern, ihrem Vermieter und ihren Mitarbeitern – zu ihren Verbindungen in die rechte Szene befragt worden, woraufhin sie bei Suche in der Suchmaschine der Beklagten mit ihrem damaligen Unternehmensnamen die streitgegenständlichen Verweise erhalten habe. Dabei habe sie mit verschiedenen Wortkombinationen, die teilweise auch nur aus ihrem Firmennamen bestanden hätten (Auflistung GA 370 f.), gesucht; die streitgegenständlichen Links seien dabei stets in den TOP 10 der Suchergebnisse erschienen. Zunächst habe sie den Link „M“ gefunden. Ein Vorgehen gegen die dortigen unberechtigten Artikel bzw. Blogspots sei aber mangels Angabe eines Impressums stark erschwert gewesen. Man habe eine Adresse in Brasilien recherchiert und sogar ein auf Portugiesisch verfasstes Anwaltsschreiben dorthin versandt, aber keine Antwort erhalten. Ein Freund der Geschäftsführungsfamilie sei daraufhin über die Kommentarfunktion mit der Seite in Kontakt getreten, habe aber ebenfalls keine Reaktion erhalten. Über die Weihnachtszeit habe sie u.a. die anderen beiden streitgegenständlichen Links und den radikal extremistischen Hintergrund der dortigen Seiten recherchiert, so dass ihr klar geworden sei, dass ein Ende der Angelegenheit für sie nicht in Sicht sei. Dies habe sich durch die fortgesetzten Nachfragen, die Verunsicherung ihrer Mitarbeiter und das Ausbleiben von Kunden gezeigt. Um nicht in den Sog linksextremistischer Gewalttaten hineingezogen und selbst Opfer linksradikaler Anschläge zu werden, habe sie beschlossen, sich an die Beklagte zu wenden, um auf diesem Weg die Auffindbarkeit der streitgegenständlichen Seiten zu beseitigen. Da die Beklagte jedoch nicht reagiert bzw. Maßnahmen verweigert habe, sei ihr nur die Möglichkeit der Schließung des Ladenlokals in E und der Sitzverlagerung nach N mit Umfirmierung geblieben.
35In rechtlicher Hinsicht ist die Klägerin der Auffassung, die Klageanträge bzw. der Tenor der landgerichtlichen Entscheidung seien hinreichend konkretisiert und ihr Rechtsschutzbedürfnis sei zu bejahen, da das Problem nicht die Zielseiten seien, sondern deren Auffindbarkeit, die durch die Beklagte als „Herrin der Informationsvielfalt und Auffindbarkeit im Internet“ erst geschaffen werde. Im Übrigen sei es ihr unzumutbar, sich mit linksextremistischen Seiten auseinanderzusetzen und damit u.U. Gewalttaten zu riskieren. Die Klage sei auch begründet, weil die Aussagen auf den verlinkten Webseiten massiv ihr Unternehmenspersönlichkeitsrecht verletzten, indem sie weltweit – wahrheitswidrig - als rechtsradikales Unternehmen dargestellt und damit stigmatisiert werde. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zum „Promi-Friseur“ sei insofern nicht übertragbar, zumal in den Artikeln auch nicht mitgeteilt werde, dass Herr B2 bei ihr nicht mehr beschäftigt sei. Die Beklagte habe die ihr obliegenden Prüfpflichten verletzt, da sie von ihr mehrfach auf die Persönlichkeitsrechtsverletzung hingewiesen worden sei und dennoch nicht bzw. nicht ausreichend reagiert habe. Die Haftungsprivilegien des TMG seien nicht einschlägig, da die Beklagte nicht (nur) Access-Provider sei, sondern die Suchergebnisse organisiere und personalisiere; im Übrigen bestehe selbst bei einer Privilegierung eine Haftung bei Untätigkeit trotz Kenntnis von Rechtsverletzungen, wie sich insbesondere aus der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 26.11.2015 (I ZR 3/14 und 147/14) zur Haftung von Access-Providern ergebe. Sie – die Klägerin – sei auch trotz ihrer Umfirmierung weiterhin betroffen, da für die Internetnutzer erkennbar; somit sei auch die Wiederholungsgefahr nicht entfallen.
36Wegen der Einzelheiten des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze und zu den Akten gereichten Unterlagen verwiesen.
37II.
38Die gemäß §§ 511 ff. ZPO statthafte und zulässige Berufung der Beklagten zu 1) ist begründet. Sie führt zur teilweisen Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und zur Abweisung der Klage insgesamt.
39A. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Klage allerdings zulässig.
40Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte hat das Landgericht mit zutreffender und von der Beklagten unangegriffener Begründung bejaht.
41Der Einwand der Beklagten, der Klageantrag bzw. der dem entsprechende Tenor verfehle die konkrete Verletzungsform, da die Klägerin mit der dauerhaften Entfernung der Suchergebnisse aus der Ergebnisliste eine Beseitigung und nicht Unterlassung verlange, greift nicht. Zutreffend ist, dass die Verpflichtung der Beklagten, es zu unterlassen, die streitgegenständlichen Links in ihren Suchergebnissen unter www.H.de „auffindbar“ zu machen, nicht nur ein künftiges Unterlassen beinhaltet, sondern auch eine Beseitigung der derzeit noch bei der Beklagten vorhandenen Programmierung. Auch dieses Begehren ist aber von dem geltend gemachten Anspruch aus § 1004 analog, § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3 GG erfasst. Der Betroffene kann den Störer gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog nicht nur auf Unterlassung künftiger Störungen in Anspruch nehmen, sondern auch auf Beseitigung des bereits geschaffenen rechtsverletzenden Störungszustands (vgl. BGH, Urt. v. 28.07.2015 – VI ZR 340/14, recht§billig, BGHZ 206, 289 ff., juris Tz. 13 m.w.Nachw.). Dabei ist auch nicht zu beanstanden, dass die gerichtliche Tenorierung es dem Störer überlässt, auf welche Weise er die (unterstellte) rechtswidrige Störung konkret beseitigt. Dass damit der Streit teilweise in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden mag, steht dem nicht entgegen (vgl. BGH, Urt. v. 15.08.2013 – I ZR 80/12, File-Hosting, NJW 2013, 3245, juris Tz. 21; Urt. v. 26.11.2015 – VI ZR 174/14, Access-Provider, NJW 2016, 794, juris Tz. 12).
42Ohne Erfolg macht die Beklagte auch geltend, der Tenor der angefochtenen Entscheidung verfehle die konkrete Verletzungsform, weil das „Auffindbarmachen“ über die im Tenor genannten Anlagen nicht schlüssig gemacht werde und der Tenor die konkret beanstandeten Drittinhalte, die Gegenstand und Grundlage des Verbots seien, nicht aufführe. Der Senat verkennt nicht, dass ein Verbot nach Rechtsprechung und Literatur stets auf den jeweiligen konkreten Kontext bezogen sein und – bei Inanspruchnahme eines Druckers oder einem Vertriebsunternehmen als Verbreiter – die konkrete Wiedergabe der Behauptung in einer bestimmten Ausgabe der Druckschrift enthalten sein soll (vgl. BGH, Urt. v. 11.12.2012 – VI ZR 314/10, IM „Christoph“, GRUR 2013, 312 = NJW 2013, 790, juris Tz. 32; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Kap. 10 Rdn. 222). Diese Voraussetzung ist hier indes nach Ansicht des Senats durch die Bezugnahme im Tenor auf die Anlagen K 1, K 2 und K 43 und die Angabe des Datums der jeweiligen Suchanzeige hinreichend erfüllt: Die Anlage K 1 enthält sowohl die URL der „B3“ auf der Ergebnisliste der Beklagten, als auch die dadurch verlinkte Internetseite mit dem von der Klägerin konkret beanstandeten Artikelausschnitt; zudem wird im Tenor der konkrete Seiteninhalt durch die Angabe des Datums der Suchanzeige (02.07.2014) präzisiert. Gleiches gilt für die Anlage K 2 und die Suchanzeige „E.de/beitrag“ (die streitgegenständliche Suchanzeige ist hier am Ende der Anlage angeheftet). Auch die Anlage K 43 (GA 224) enthält die von der Klägerin angegriffene URL-Anzeige in der Ergebnisliste der Beklagten. Dass der dadurch verlinkte Artikel erst in der Anlage K 44 (GA 225) enthalten ist, ist unschädlich, da der der Entscheidung zugrunde liegende konkrete Inhalt dieser Seite – ebenso wie bei den anderen beiden Links – jedenfalls hinreichend durch die Angabe des Datums der Suchanzeige (hier: 05.01.2015) im Tenor bestimmt wird.
43Der weitere Einwand der Beklagten, die in den Anlagen wiedergegebenen Suchanfragen wiesen keinen Bezug zur Klägerin auf, weil sie aus dem Zeitraum vor ihrer Umfirmierung und Sitzverlegung stammten und zudem ganz unterschiedliche Suchanfragen auswiesen, denen zufolge nur in der Anlage K 43 einmal mit dem früheren Namen der Klägerin gesucht worden sei, betrifft nicht die Zulässigkeit, sondern die Begründetheit der Klage unter dem Aspekt der Aktivlegitimation (Betroffenheit) der Klägerin. Zwar mag u.U. bei evident fehlender Aktivlegitimation bereits das Rechtsschutzinteresse des Klägers zu verneinen sein. Ein solch evidenter Fall liegt hier aber in Anbetracht der - unstreitigen - Tatsache, dass die Klägerin als Rechtspersönlichkeit weiterhin existiert und lediglich umfirmiert sowie ihren Sitz verlegt hat, nicht vor.
44Entsprechendes gilt für den Einwand der Beklagten unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 28.07.2015 (VI ZR 340/14, BGHZ 206, 289 = GRUR 2016, 104, Tz. 17; recht§billig), der Tenor der landgerichtlichen Entscheidung bzw. der diesem zugrunde liegende Klageantrag sei zu weit gefasst, weil die Klägerin sich nur gegen wenige Begriffe und nicht gegen die gesamten Inhalte auf den streitgegenständlichen URLs wende. Auch wenn das zutreffen sollte, würde dies nicht zur Unzulässigkeit des Antrags, sondern - wie sich auch aus der genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs ergibt (a.a.O. Tz. 12 ff.) - ggfls. zur (teilweisen) Unbegründetheit der Klage führen.
45Schließlich hat das Landgericht das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin zu Recht auch trotz einer evtl. nur subsidiären Haftung der Beklagten bejaht, weil nicht ersichtlich ist, dass der Klägerin ein schnellerer oder einfacherer Weg zum Erreichen ihres Rechtsschutzziels durch Inanspruchnahme der Verfasser der Artikel oder der Betreiber der Internetseiten zur Verfügung steht. Dass die Beklagte gegenüber diesen evtl. nur subsidiär haften mag, ist hingegen wiederum (erst) eine Frage der Begründetheit und nicht der Zulässigkeit des Klagebegehrens (vgl. BGH, Urt. v. 26.11.205 – I ZR 174/14 – Access-Provider, NJW 2016, 794, juris Tz. 81 ff.).
46B. Mit Erfolg wendet die Beklagte sich aber dagegen, dass das Landgericht dem - im Berufungsverfahren allein noch streitgegenständlichen - Unterlassungsbegehren der Klägerin in der Sache stattgegeben hat.
47Anders als vom Landgericht angenommen, steht der Klägerin gegen die Beklagte kein Anspruch auf Unterlassung des "Auffindbarmachens" der drei streitgegenständlichen URLs durch Anzeige in den Suchergebnissen wie in den im Tenor genannten Suchanfragen vom 02.07.2014 und vom 05.01.2015 zu.
48I. Einzig in Betracht kommende Anspruchsgrundlage für das - gemäß Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB nach deutschem Recht zu beurteilende - Unterlassungsbegehren der Klägerin ist § 823 Abs. 1, § 1004 analog BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3 GG, Art. 8 EMRK.
49Auf Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes kann sich die Klägerin nicht berufen, da diese nur für personenbezogene Daten natürlicher Personen gelten (§ 3 Abs. 1 BDSG; siehe dazu Simitis/Dammann, Bundesdatenschutzgesetz, 8. Aufl. 2014, § 3 Rdn. 17 ff.). Aus den Vorschriften des Telemediengesetzes (TMG) ergeben sich keine Anspruchsgrundlagen; insbesondere haben die §§ 7-10 TMG keinen haftungsbegründenden Charakter, sondern setzen eine Verantwortlichkeit nach allgemeinen Vorschriften des Zivil– oder Strafrechts voraus (vgl. BGH Urteil vom 30.06.2009 – VI ZR 210/08, Domain-Verpächter, NJW – RR 2009, 1413, juris Tz. 10).
50II. Ein Unterlassungsanspruch der Klägerin gemäß § 823 Abs. 1, § 1004 analog BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK scheitert indes bereits daran, dass die Veröffentlichungen auf den drei verlinkten Ergebnisanzeigen das Unternehmerpersönlichkeitsrecht der Klägerin nicht verletzen.
511. Die Klägerin ist zwar durch die von ihr konkret beanstandeten Passagen in den verlinkten Veröffentlichungen in ihrem Unternehmerpersönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3 GG betroffen.
52a. Dem steht nicht entgegen, dass in den Beiträgen weder der aktuelle noch der (im Zeitpunkt der Veröffentlichungen noch geltende) frühere Name der Klägerin ausdrücklich bzw. korrekt genannt wird.
53Auch ohne eine solche Namensnennung ist die Klägerin als Arbeitgeberin Herrn B2s unschwer auch anhand der übrigen Angaben in den Beiträgen zu identifizieren, und zwar auf der Seite "autonome–antifa.org" anhand der Angabe ihrer Anschrift (Brückstraße 40) und Bezeichnung als „neu eröffnete(n) Eer P–Filiale“; auf der Seite "E.de/beitrag" aus der Kombination der Angabe „Elektronik–Kette P“ mit der Ausleihe des Mitarbeiters B "in die „Nazi–Kameradschaftshochburg E“, die möglicherweise nur zur „FilialAusbreitung“ erfolgt sein könne und in der Überschrift auf "M.org" anhand der Angabe „B, Nazi und Filialleiter P GmbH E auf G2“, in der im Namen der Klägerin lediglich die Wörter E und GmbH vertauscht sind.
54Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass die Klägerin inzwischen ihre Firma geändert und ihren Sitz nach N verlegt hat. Dies mag zwar das Gewicht ihrer Beeinträchtigung für die künftige Zeit mindern. Es ändert aber nichts daran, dass – wie das Landgericht im Zusammenhang mit der Wiederholungsgefahr zutreffend ausgeführt hat – bereits aufgrund der regionalen Nähe zu erwarten ist, dass Rezipienten der streitgegenständlichen Artikel weiterhin eine Zuordnung zur Klägerin als nordrhein–westfälisches P-Unternehmen herstellen. Insofern unterscheidet der Fall sich nicht von demjenigen einer natürlichen Person, die – um den Auswirkungen einer beeinträchtigenden Veröffentlichung zu entgehen – ihren Namen und Wohnort gewechselt hat. Vielmehr ist gerade im Hinblick auf die Umfirmierung und Sitzverlegung der Klägerin zu befürchten, dass ihr vorgeworfen wird, sie habe versucht, auf diesem Wege die in E aufgedeckte rechtsextreme Orientierung ihres früheren Mitarbeiters zu verschleiern.
55b. Diese Mitteilung ist für den sozialen Geltungsanspruch der Klägerin als Wirtschaftsunternehmen auch abträglich und deshalb als Beeinträchtigung ihres Unternehmerpersönlichkeitsrechts anzusehen.
56Die Tatsache, dass in einem Unternehmen rechtsextreme Mitarbeiter beschäftigt sind, wird in der Öffentlichkeit im Allgemeinen negativ bewertet und führt - zumindest - zu einer Distanzierung oder Zurückhaltung von Geschäftspartnern und Kunden. Ob die streitgegenständlichen Artikel darüber hinaus auch tatsächlich die von der Klägerin behaupteten Auswirkungen auf ihren Geschäftsbetrieb hatten, kann in diesem Kontext daher dahinstehen.
57An dieser abträglichen Wirkung ändert - entgegen der Ansicht der Beklagten - auch nichts, dass die Zielrichtung der drei Veröffentlichungen auch für einen Durchschnittsrezipienten ersichtlich auf als rechtsextrem identifizierte Einzelpersonen und nicht auf die Klägerin ausgerichtet ist. Zutreffend ist, dass die Klägerin nur im Kontext der Darstellung Herrn B2s bzw. zu seiner näheren Identifizierung als seine (damalige) Arbeitgeberin genannt wird; ihr selbst wird dagegen in keinem der Berichte konkret rechtsradikales Verhalten vorgeworfen. Dies mag zwar durchaus die Intensität des Eingriffs in ihr Unternehmenspersönlichkeitsrecht mindern. Es ändert aber nichts daran, dass – wie das Landgericht zu Recht festgestellt hat – die als solche abträgliche Mitteilung der Beschäftigung eines als rechtsextrem identifizierten Mitarbeiters bei der Klägerin in E verbleibt.
58Das gleiche gilt für den weiteren Einwand der Beklagten, der durchschnittliche Leser könne an dem Gesamtkontext der Beiträge erkennen, dass diese politisch dem linken Spektrum zuzuordnen, ihre Ausführungen politisch gefärbt und womöglich überspitzt sind. Auch wenn der Durchschnittsleser die Darstellung in den Berichten entsprechend würdigen und ihrer tendenziösen Bewertung nicht folgen mag, entnimmt er den Artikeln trotzdem die - für sich genommen bereits abträgliche - Mitteilung, dass die Klägerin bei sich einen rechtsextremen Mitarbeiter beschäftigt.
592. Diese Beeinträchtigung des Unternehmenspersönlichkeitsrechts der Klägerin ist indes nicht rechtswidrig.
60a. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BGH, Urt. v. 17.12.2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237; BGH, Urt. v. 15.09.2015 - VI ZR 175/14, VersR 2015, 1437; BGH, Urt. v. 28.07.2015 - VI ZR 340/14, AfP 2015, 425; BGH, Urt. v. 13.01.2015 - VI ZR 386/13, VersR 2015, 336) liegt wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als Rahmenrecht seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (vgl. BGH, Urt. v. 01.03.2016 – VI ZR 34/15, MDR 2016, 518, juris Tz. 30 m.w.N.).
61b. Im Streitfall sind daher das durch Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Interesse der Klägerin am Schutz ihrer sozialen Anerkennung und ihrer Geschäftsehre mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 10 EMRK verankerten Recht der Autoren der Veröffentlichungen auf Meinungsfreiheit abzuwägen.
62aa. Für die Zulässigkeit einer Äußerung kommt es maßgeblich darauf an, ob es sich um Tatsachenbehauptungen oder Meinungsäußerungen handelt. Tatsachenbehauptungen sind durch die objektive Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit charakterisiert. Demgegenüber werden Werturteile und Meinungsäußerungen durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage geprägt. Bei Tatsachenbehauptungen hängt die Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen von ihrem Wahrheitsgehalt ab. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie für den Betroffenen nachteilig sind, unwahre dagegen nicht (vgl. BGH, Urt. v. 13.01.2015 – VI ZR 386/13 – „Promi-Friseur“, NJW 2015, 776, juris Tz. 15 m.w.Nachw.). Sofern eine Äußerung, in der Tatsachen und Meinungen sich vermengen, durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist, wird sie als Meinung von dem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG geschützt. Ist eine Äußerung danach insgesamt als Werturteil anzusehen, fällt bei der Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen allerdings ebenfalls der Wahrheitsgehalt ihrer tatsächlichen Bestandteile ins Gewicht (vgl. BGH, Urt. vom 01.03.2016 - VI ZR 34/15 – jameda.de II, NJW 2016, 2106, juris Tz. 33, 36).
63Voraussetzung für eine zutreffende Einordnung einer Äußerung ist damit die Ermittlung des Aussagegehalts. Dabei darf nicht isoliert auf den durch den Antrag herausgehobenen Text abgestellt werden. Vielmehr ist dieser im Zusammenhang mit dem gesamten Aussagetext zu deuten. Maßgeblich für das Verständnis der Behauptung ist dabei weder die subjektive Sicht des sich Äußernden noch das subjektive Verständnis der von der Äußerung Betroffenen, sondern der Sinn, den sie nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittspublikums hat (BVerfG, Urt. v. 25.10.2005 – 1 BvR 1696/98 – „IM Stolpe“, NJW 2006, 207, juris Tz. 31).
64bb. Danach hat das Landgericht die von der Klägerin beanstandeten Äußerungen in den verlinkten Veröffentlichungen zwar zu Recht als Tatsachenbehauptungen gewertet. Anders als vom Landgericht angenommen ist den Äußerungen jedoch über die Mitteilung der Beschäftigung eines rechtsextremen Mitarbeiters bei der Klägerin hinaus keine weitere – verdeckte oder offene – Spekulation über eine mögliche Beteiligung der Klägerin oder der Ger P GmbH an rechtsextremen Tendenzen (Herrn Bs) zu entnehmen.
65In dem Bericht auf autonome.antifa.org wird die – dem Beweis zugängliche - Behauptung aufgestellt, B2 sei als Leiter der neu eröffneten Filiale zur Klägerin nach E gewechselt. Im Übrigen enthält der Bericht jedoch keine weiteren Angaben zur Klägerin, sondern nur Mitteilungen von Fakten über andere, ebenfalls als rechtsextrem identifizierte Einzelpersonen, versehen mit tendenziösen Beschreibungen. Insbesondere wird darin - entgegen dem Landgericht – weder eine rechtsextreme Orientierung der Klägerin oder der Ger GmbH behauptet, noch ein entsprechender Verdacht geäußert oder für den Durchschnittsleser als Eindruck erweckt. Der Artikel verhält sich in keiner Weise dazu, dass bzw. ob die Klägerin oder die Ger GmbH Kenntnis von der politischen Ausrichtung Herrn Bs habe, diese dulde oder gar billige, sondern spricht diesen Punkt überhaupt nicht an. Soweit das Landgericht zur Begründung seiner Auffassung darauf verweist, dass in der Äußerung von einer „nordrhein-westfälischen Nazihochburg“ die Rede ist, bezieht sich das - auch aus Sicht eines Durchschnittslesers - nicht auf die Klägerin, sondern auf die Stadt E und die dort vorhandene rechtsextreme Szene.
66Der Bericht auf E.de/beitrag enthält die Mitteilung der Tatsache, dass der bislang in G auf Abteilungsleiterebene beschäftigte B2 in eine Filiale nach E gewechselt sei. Dies wird zwar verbunden mit der Frage, ob dieser Ortswechsel „in die Nazi-Kameradschaftshochburg E“ nur „der FilialAusbreitung“ der Kette oder aber auch der strategischen Aufbauarbeit im Umfeld um eine rechte Partei dienen solle. Hierbei handelt es sich aber um eine offene Frage, die dem Durchschnittsleser keine der beiden Antworten tendenziell nahelegt und jedenfalls – entgegen der Ansicht der Klägerin – auch aus Sicht eines Durchschnittslesers nicht einmal indirekt die Behauptung oder Verdachtsäußerung enthält, diese "Aufbauarbeit" und Ausbreitung könnte auch von der Klägerin und/oder der Ger P GmbH beabsichtigt sein. Hierzu fehlt es wiederum an jeglichen weiteren Angaben, die zu einer solchen Schlussfolgerung Anlass geben könnten.
67Mit der Überschrift in M.org wird schlichtweg die Tatsache mitgeteilt, B2 sei Filialleiter der Klägerin in E. Weitere Informationen zur Klägerin oder zur Ger GmbH enthält die Veröffentlichung nicht.
68cc. Diese Tatsachenbehauptungen sind unstreitig insoweit wahr, als Herr B2 früher bei der Ger P GmbH beschäftigt, im Berichtszeitpunkt bei der Klägerin tätig und politisch rechtsextrem eingestellt war. Dass Herr B seit dem 31.12.2013 nicht mehr bei der Klägerin beschäftigt ist, ist insofern unerheblich, da er jedenfalls sowohl im Zeitpunkt der Veröffentlichungen als auch der diesbezüglichen streitgegenständlichen Suchanzeigen der Beklagten noch bei der Klägerin angestellt war.
69Unstreitig unwahr sind hingegen die Angabe, dass es sich bei der Klägerin um eine Filiale der Ger P GmbH handelte, und die Mitteilung, dass Herr B bei der Klägerin als Filialleiter bzw. auf Abteilungsleiterebene beschäftigt war. Vielmehr ist mit dem Landgericht laut dem von der Klägerin auszugsweise vorgelegten Arbeitsvertrag (Anl. K 31) davon auszugehen, dass er als „Assistenz der Geschäftsführung“ eingestellt war.
70c. Bei der gebotenen Gesamtabwägung der widerstreitenden Interessen hat die Klägerin indes die streitgegenständlichen Äußerungen nach Auffassung des Senats - anders als vom Landgericht angenommen - einschließlich ihres unwahren Gehalts hinzunehmen.
71aa. Die Beeinträchtigung des geschützten Unternehmenspersönlichkeitsrechts der Klägerin wiegt gering.
72(1) Die Klägerin ist lediglich in ihrem sozialen Geltungsbereich, mithin in ihrer Sozialsphäre betroffen. Äußerungen betreffend die Sozialsphäre dürfen indes nur im Falle schwerwiegender Auswirkung auf das Persönlichkeitsrecht mit negativen Sanktionen verknüpft werden, etwa wenn eine Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung oder Prangerwirkung droht (vgl. BGH, Urt. vom 13.01.2015 - VI ZR 386/13, Promi–Friseur, NJW 2015,776, juris Tz. 16). Insbesondere im Bereich der beruflichen Sphäre muss sich derjenige, der am Wirtschaftsleben beteiligt ist, in gesteigertem Maße der öffentlichen Kritik stellen (vgl. BGH, Urt. v. 21.11.2006, VI ZR 259/05, Klinik-Geschäftsführer, juris Tz. 14).
73(2) Eine solche Stigmatisierung oder Prangerwirkung ist hier indes nicht gegeben. Das gilt sowohl für die Mitteilung der wahren Tatsache, dass der als rechtsextrem identifizierte Herrr B bei der Klägerin angestellt ist, als auch für die beiden unwahren Falschbehauptungen betreffend seine Position bei der Klägerin und deren rechtliche und wirtschaftliche Beziehung zur Ger P GmbH.
74Sämtliche Veröffentlichungen zielen gegen Herrn B2 als Einzelperson und nicht gegen die Klägerin. Die Angabe seiner Beschäftigung bei der Klägerin erfolgt lediglich zur Mitteilung seiner persönlichen Daten bzw. Beschreibung seines Lebensumfelds und damit (auch) zum Zweck seiner Identifizierung. Die Klägerin wird lediglich als Arbeitgeberin Herrn Bs in dem Artikel benannt, ohne dass ihr persönlich ein Vorwurf gemacht würde; insbesondere ist den streitgegenständlichen Äußerungen nicht zu entnehmen, dass sie selbst politisch rechtsextrem orientiert sei.
75Der mit dieser Mittelung allenfalls (implizit) verbleibende Vorwurf, dass die Klägerin rechtsextreme Mitarbeiter beschäftige, ohne sich um deren Einstellung zu kümmern oder darüber zu informieren, ist jedenfalls keinesfalls so schwerwiegend, dass dies eine Stigmatisierung oder gar Prangerwirkung ihrerseits bewirken könnte. Die von ihr behaupteten Auswirkungen auf ihr geschäftliches Umfeld und ihre Mitarbeiter erreichen - selbst wenn sie tatsächlich erst durch die Veröffentlichung verursacht worden sein sollten - jedenfalls nicht ein solches Ausmaß, dass den Autoren der Beiträge die Mitteilung der wahren Tatsache der Beschäftigung Herrn Bs bei der Klägerin untersagt werden könnte.
76(3) Eine andere Beurteilung ergibt sich nach Auffassung des Senats - insofern abweichend vom Landgericht - auch nicht aus den beiden unwahren Falschbehauptungen über die Filialeigenschaft der Klägerin und die Position Herrn B2s in ihrem Betrieb. Diesen Falschbehauptungen kommt aus Sicht des Durchschnittsrezipienten der Veröffentlichungen gegenüber den übrigen wahren Aussagen in Bezug auf die Klägerin und im Verhältnis zu einer korrekten Darstellung (keine Filiale und nur "Assistent der Geschäftsführung") kein besonderer (zusätzlicher) persönlichkeitsbeeinträchtigender Gehalt zu.
77Die Falschbehauptung, dass die Klägerin eine Filiale der Ger P GmbH sei, ist in Bezug auf ihr Unternehmenspersönlichkeitsrecht in dem konkreten Kontext wertneutral, da in den Artikeln – wie oben ausgeführt – auch gegenüber der Ger GmbH nicht der Vorwurf erhoben oder der Eindruck erweckt wird, diese sei dem rechtsextremen Umfeld zuzuordnen. Zudem stellt es aus Sicht eines Durchschnittslesers keinen wesentlichen Unterschied dar, ob die Klägerin rechtlich ein Tochterunternehmen der Ger GmbH ist, oder aber – wie tatsächlich – zwischen den beiden Unternehmen (nur) eine enge persönliche (familiäre Beziehung der Geschäftsführer) und rechtliche Verknüpfung (Einzelprokura des Geschäftsführers der Klägerin für die Ger GmbH) besteht.
78Auch die weitere Falschbehauptung, dass Herr B2 bei der Klägerin als Filialleiter bzw. auf Abteilungsleiterebene beschäftigt sei, hat aus Sicht eines Durchschnittslesers in dem konkreten Berichtskontext gegenüber der wahrheitsgemäßen Mitteilung, er sei als „Assistenz der Geschäftsführung“ eingestellt, keine erhebliche zusätzliche persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigende Relevanz. Nach dem zugrunde zu legenden Sachvortrag ist davon auszugehen, dass Herr B2 auch als „Assistenz der Geschäftsführung“ jedenfalls keine völlig unbedeutende Tätigkeit bei der Klägerin ausgeübt hat. Immerhin war er nicht nur in völlig untergeordneter Position beschäftigt, sondern hatte – wie die Beklagte zu Recht geltend macht – als „Assistenz der Geschäftsführung“ unmittelbaren Kontakt und Zugang zur Geschäftsführung der Klägerin. Dass diese „Assistenz“ nur in völlig unbedeutenden Arbeiten bestanden haben sollte, ist nicht ersichtlich und wird von der Klägerin auch nicht vorgetragen. Dem von ihr zur Akte gereichten Anstellungsvertrag Herrn Bs lässt sich hierzu nichts entnehmen, da die Klägerin lediglich die Titelseite und § 1 Ziffer 1 des neunseitigen Schriftstücks vorgelegt hat (Anl. K 31).
79Darüber hinaus hält der Senat auch die Wertung des Bundesgerichtshofs in der Entscheidung „Promi-Friseur“ (Urt. v. 13.01.2015 - VI ZR 386/13, NJW 2015, 776) auf den vorliegenden Fall für übertragbar. Dort hat der Bundesgerichtshof es für die Abwägung der Persönlichkeitsrechtsverletzung eines Starfriseurs, bei dem ein Mitarbeiter wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung verhaftet worden und von der Presse darüber berichtet worden war, für unerheblich erachtet, ob dieser Mitarbeiter als Filialleiter oder (nur) als Verantwortlicher am Empfang der Filiale des Klägers tätig war. Der Begründung, mit der das Landgericht diese Entscheidung für nicht übertragbar erachtet hat, vermag der Senat nicht zu folgen. Gerade dann, wenn das betroffene Unternehmen - wie hier - nicht aus mehreren Filialen, sondern aus nur einem Geschäftslokal besteht, kommt auch jedem einzelnen Mitarbeiter, selbst wenn er in keiner besonderen leitenden Position (konkret als Filialleiter) eingesetzt ist, ein größeres Gewicht im gesamten Unternehmensbetrieb zu. Auch ein "Assistent der Geschäftsführung" kann daher eine maßgebliche Position innehaben, so dass die Bezeichnung Herrn Bs als "Filialleiter" demgegenüber - jedenfalls aus Sicht eines Durchschnittsrezipienten und insbesondere in Anbetracht der Zielrichtung der streitgegenständlichen Veröffentlichungen auf die Einzelperson Herrn Bs - keine besondere Relevanz zukommt.
80bb. Auf der anderen Seite ist das durch Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 10 EMRK geschützte Recht der Autoren der Berichte und ggfls. der Webseitenbetreiber auf Meinungsfreiheit zu berücksichtigen. Dieses geschützte Recht gewinnt hier zusätzliches Gewicht dadurch, dass es sich – wie die Klägerin selbst anführt – um Äußerungen im Rahmen einer politischen Auseinandersetzung handelt, bei der Äußerungen auch scharf, abwertend oder übersteigert sein dürfen (vgl. BVerfG, B. v. 26.06.1990 – 1 BvR 1165/89, Zwangsdemokrat, juris Tz. 36). Soweit die Klägerin mit Schriftsatz vom 13.09.2016 beanstandet, dass die Artikel von anonymen Autoren verfasst seien, verkennt sie, dass die durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Meinungsfreiheit gerade auch das Recht beinhaltet, seine Meinung anonym zu äußern (vgl. BGH, Urt. v. 23.06.2009 – VI ZR 196/08, BGHZ 181, 328, juris Tz. 38, spickmich, und Urt. v. 23.09.2014 - VI ZR 358/13, BGHZ 202, 242, juris Tz. 41).
81Dass es nicht erforderlich gewesen sein mag, für die Identifizierung Herrn Bs auch seine Beschäftigung bei der Beklagten mitzuteilen, rechtfertigt keine andere Beurteilung, da die Meinungsfreiheit primär die Selbstbestimmung des einzelnen Grundrechtsträgers über die Entfaltung seiner Persönlichkeit in der Kommunikation mit anderen garantiert und es danach ihm grundsätzlich belassen bleiben muss, welche Mitteilungen er für die Ausübung dieser Meinungsfreiheit für erforderlich erachtet.
82cc. In Abwägung der widerstreitenden Interessen unter Berücksichtigung des Gesamtkontexts der streitgegenständlichen Äußerungen ist der Senat daher der Auffassung, dass die Klägerin die damit verbundene Beeinträchtigung ihres Unternehmenspersönlichkeitsrechts hinzunehmen hat.
83Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Einwand der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, den Artikeln sei jedenfalls nicht zu entnehmen, dass sie Herrn B zum 31.12.2013 gekündigt habe. Das ändert nichts daran, dass die Berichte im Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung – nach obiger Abwägung – wahr waren bzw. nur unerhebliche Falschbehauptungen enthielten. Anders als in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 18.11.2014 (VI ZR 76/14, BGHZ 203, 239, Chefjustitar, juris Tz. 43) liegt auch kein Fall vor, in dem sich Tatsachen nach anfänglich berechtigter Verdachtsberichterstattung nachträglich als falsch herausgestellt haben und in dem dem Betroffenen ggfls. ein Folgenbeseitigungsanspruch in Form eines ergänzenden Nachtrags zustehen kann. Vielmehr hat die Klägerin selbst erst nachträglich die tatsächliche Veränderung in Reaktion auf die Veröffentlichungen herbeigeführt. Damit liegen auch die Voraussetzungen für einen entsprechenden Folgenbeseitigungsanspruch der Klägerin nicht vor (vgl. BGH, a.a.O.; Wenzel/Gamer, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, § 13 Rdn. 74 ff., insb. 77; Soehring/Hoene, Presserecht, 5. Aufl. 2013, § 31 Rdn. 2).
84III. Davon abgesehen könnte die Klägerin die Beklagte aber auch dann nicht als Störerin auf Unterlassung der streitgegenständlichen Ergebnisanzeigen in Anspruch nehmen, wenn man eine Verletzung ihres Unternehmenspersönlichkeitsrechts durch die Inhalte auf den verlinkten Seiten bejahen würde.
851. Eine Haftung der Beklagten als unmittelbarer Störerin - in der Diktion des I. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs „Täterin“ – kommt nicht in Betracht. Das könnte sie nur dann sein, wenn es sich bei den Beiträgen um eigene Informationen/Inhalte der Beklagten handeln würde, oder sie sich diese Drittinhalte zu eigen gemacht hätte. Von einem Zueigenmachen ist indes nur auszugehen, wenn der Betreffende nach außen erkennbar die inhaltliche Verantwortung für die veröffentlichten Inhalte übernommen hat, was aus Sicht eines verständigen Durchschnittsnutzers auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände beurteilen ist. Dabei ist bei der Annahme einer Identifikation mit fremden Inhalten grundsätzlich Zurückhaltung geboten (vgl. BGH, Urt. v. 01.03.2016, VI ZR 34/15 – jameda.de II, NJW 2016,2 1106, juris Tz. 10).
86Nach diesen Maßstäben hat sich die Beklagte die von der Klägerin beanstandeten Berichte ersichtlich nicht zu eigen gemacht. Das ergibt sich für den verständigen Nutzer bereits aus der Funktion der Beklagten als Suchmaschine, deren Sinn und Zweck es nicht ist, eigene Äußerungen aufzustellen, sondern nur Nachweise für das Auffinden fremder Informationen zu den vom jeweiligen Nutzer eingegebenen Suchbegriffen zu ermöglichen. Der Anzeige der Suchergebnisse durch die Beklagte ist daher aus Sicht eines verständigen Durchschnittsnutzers lediglich die Aussage zu entnehmen, dass sich die vom Nutzer eingegebenen Suchbegriffen in irgendeiner Weise in den über die angegebenen Links erreichbaren Texten auf den dortigen Internetseiten befinden, nicht aber auch, dass die Beklagte damit in irgendeiner Form inhaltlich eine Aussage oder Stellungnahme zu den dortigen Veröffentlichungen abgeben will.
872. Auch eine Haftung der Beklagten als mittelbare Störerin ist im Ergebnis zu verneinen.
88a. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist als mittelbarer Störer anzusehen, wer, ohne unmittelbarer Störer zu sein, in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Beeinträchtigung des Rechtsguts beiträgt. Dabei kann als Beitrag auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügen, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte (vgl. BGH, Urt. v. 28.07.2015 - VI ZR 340/14, AfP 2015, 425; BGH, Urt. v. 25.10.2011 - VI ZR 93/10, BGHZ 191, 219). Die Haftung als mittelbarer Störer darf aber nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden, die die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben. Sie setzt deshalb die Verletzung von Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfpflichten, voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als mittelbaren Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen des Einzelfalls eine Verhinderung der Verletzung zuzumuten ist (vgl. BGH, Urt. v. 01.03.2016 – VI ZR 34/15, MDR 2016, 518, juris Tz. 22 m.w.N.; BGH, Urt. v. 14.05.2013 – VI ZR 269/12, BGHZ 197, 213; BGH, Urt. v. 25.10.2011 – VI ZR 93/10, BGHZ 191, 219; BGH, Urt. v. 30.06.2009 – VI ZR 210/08, NJW-RR 2009, 1413).
89aa. Ausgehend davon hat der Bundesgerichtshof bislang folgende Entscheidungen zur Haftung mittelbarer Störer bei Internetveröffentlichungen getroffen:
90Nach der Entscheidung domain-Verpächter (Urt. v. 30.06.2009 – VI ZR 210/08, juris Tz. 21 und 27) ist es dem Verpächter zwar nicht zuzumuten, die Website des Pächters dahingehend zu überprüfen, ob sie Äußerungen enthält, die das Persönlichkeitsrecht anderer verletzen. Eine Prüfungspflicht hinsichtlich der fremden Inhalte setzt aber dann ein, wenn der Verpächter von konkreten Äußerungen Kenntnis erlangt, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Betroffenen verletzten. Kommt er dieser Prüfungs- und einer daraus resultierenden Beseitigungspflicht nicht unverzüglich nach, besteht gegen ihn ein Unterlassungsanspruch.
91Auch in der Entscheidung Vorschaubilder I (Urt. v. 29.04.2010 – I ZR 69/08, juris Tz. 39) hat der Bundesgerichtshof für den Fall, dass Bilder von dazu nicht berechtigten Personen im Internet eingestellt werden, die Haftung des Betreibers der Suchmaschine für Urheberrechtsverletzungen auf solche Verstöße beschränkt, die begangen werden, nachdem dieser auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen wurde. Dies folge aus den Regelungen der Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Rechtsverkehr, soweit die betreffende Tätigkeit des Suchmaschinenbetreibers rein technischer, automatischer und passiver Art sei und er weder Kenntnis noch Kontrolle über die von ihm gespeicherte oder weitergeleitete Information besitze.
92Des Weiteren hat der Bundesgerichtshof in der Entscheidung Blog-Eintrag (Urt. v. 25.10.2011 – VI ZR 93/10, juris Tz. 24 f.) zwar wiederum eine proaktive Prüfungspflicht des Host-Providers hinsichtlich der online gestellten Beiträge der einzelnen Nutzer verneint. Auch dieser müsse jedoch tätig werden, wenn er Kenntnis von einer klaren Rechtsverletzung erlange und sodann in eine Ermittlung und Bewertung des Sachverhaltes eintreten (sog. Stellungnahmeverfahren). Entsprechende reaktive Prüfpflichten hat der Bundesgerichtshof auch in weiteren Entscheidungen zu Betreibern einer Internet-Plattform oder (File-)Hostprovidern angenommen (so schon Urt. v. 27.03.2007 – VI ZR 101/06 -Meinungsforschung im Internet, NJW 2007,2 1558, juris Tz. 5, 9; außerdem BGH, Urt. 22.07.2010 – I ZR 139/08 – Kinderhochstühle I, GRUR 2011, 152 Tz. 48; Urt. vom 17.08.2011 – I ZR 57/09 – Stiftparfum, BGHZ 191,19, juris Tz. 28,31; Urt. vom 12.07.2012 – I ZR 18/11 – Alone in the dark, BGHZ 194, 339, juris Tz. 28; Urt. vom 15.08.2013 – I ZR 80/12 - File-Hosting, NJW 2013, 3245, juris Tz. 45, 46; Urt. vom 19.03.2015 – I ZR 94/13 – Hotelbewertungsportal, NJW 2015, 3443, juris Tz. 42; Urt. v. 01.03.2016 – VI ZR 30/15 – jameda.de II, NJW 2016,2 1106, juris Tz. 23 f.).
93Weiter wurde in der Entscheidung Autocomplete (Urt. v. 14.5.2013 – VI ZR 269/12, juris Tz. 20) eine Haftung für Suchwortergänzungen des Suchmaschinenbetreibers bejaht, wobei diesen Vorschlägen ein eigener Aussagegehalt des Betreibers beigemessen wurde, der als eigene Information im Sinne des TMG weitergegeben werde. Auch in solchen Fällen greife eine Haftung aber nur bei Verletzung von reaktiven Prüfpflichten ein, wobei ein Stellungnahmeverfahren nicht erforderlich sei, weil die Suchvorschläge durch ein eigenes Programm des Suchmaschinenbetreibers generiert würden.
94Zudem hat der Bundesgerichtshof in der Entscheidung Hyperlinks (Urt. v. 18.06.2015 – I ZR 74/14, BGHZ 206, 103) eine Haftung desjenigen bejaht, der sich die fremden Informationen zu Eigen macht, auf die er mit Hilfe eines Hyperlinks verweise. Er hafte dafür wie für eigene Informationen, wobei eine Prüfpflicht aber erst dann einsetze, wenn er Kenntnis davon erlange, dass mit dem Hyperlink rechtswidriges Verhalten unterstützt werde. Anders als bei Internet–Marktplätzen oder File–Hosting–Diensten, bei denen eine klare Rechtsverletzung zu verlangen sei, um ihr grundsätzlich gebilligtes Geschäftsmodell nicht infrage zu stellen, sei bei Hyperlinks, die lediglich kommerziellen Interessen dienten und bei den regelmäßig nur eine begrenzte Anzahl von Links gesetzt würden, aber von dem Unternehmer, der den Hyperlink setzte, bereits dann eine Prüfung zu verlangen, wenn er einen Hinweis auf eine Rechtsverletzung erhalte, ohne dass es darauf ankomme, ob diese klar erkennbar sei.
95Schließlich hat der Bundesgerichtshof die Grundsätze der Störerhaftung auch für einen Access-Provider (Urt. v. 26.11.2015 – I ZR 3/14 und I ZR 174/14, NJW 2016, 794 = MMR 2016, 188) für anwendbar erklärt. Danach komme auch hier zwar die Auferlegung einer anlasslosen, allgemeinen Überwachungs– oder Nachforschungspflicht nicht in Betracht, wohl aber eine Prüfpflicht, nachdem der Access-Provider von den Betroffenen auf eine klare Rechtsverletzung in Bezug auf konkret genannte Veröffentlichungen hingewiesen wurde (vgl. BGH, a.a.O. Tz. 27). Eine solche anlassbezogene Prüfungspflicht sei dem Access-Provider im vorliegenden Fall in Anbetracht des - zugrunde zu legenden - Vortrags der Klägerinnen auch technisch und wirtschaftlich nicht unzumutbar. Zu berücksichtigen sei jedoch, dass die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Access-Provider unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nur in Betracht komme, wenn der Inanspruchnahme des Betreibers der Webseite oder des Autors des dort veröffentlichten Beitrags jede Erfolgsaussicht fehle und deshalb andernfalls eine Rechtsschutzlücke entstünde (vgl. BGH, a.a.O., juris Tz. 82 f.).
96bb. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das Landgericht im Ausgangspunkt zu Recht eine Haftung der Beklagten als Betreiberin einer Suchmaschine für die mittels ihrer Ergebnisanzeigen (Links) nachgewiesenen fremden Inhalte bejaht, wenn und soweit sie unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls gegen (reaktive) Prüf- bzw. Sperrpflichten verstoßen hat.
97Zwar ist die Autocomplete-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 14.05.2013, a.a.O.) auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, da die Beklagte hier keine eigenen Suchvorschläge erarbeitet und angeboten, sondern sich auf die Suche und Anzeige vorhandener Texte beschränkt hat.
98Übertragbar sind jedoch die Erwägungen des Bundesgerichtshofs in der Entscheidung Vorschaubilder I (Urt. v. 29.04.2010), die ebenfalls die Tätigkeit einer Suchmaschine - dort zum Auffinden von Abbildungen - zum Gegenstand hat und in der der Bundesgerichtshof in einem obiter dictum ausgeführt hat, dass die Haftung des Betreibers (erst) in Betracht komme, nachdem er von der Rechtswidrigkeit der gespeicherten Information Kenntnis erlange, d.h. konkret auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen worden sei (BGH, a.a.O., juris Tz. 39). Zudem sind die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zur reaktiven Prüfpflicht von Access-Providern zu berücksichtigen (Urt. v. 26.11.2015, a.a.O.), deren Beitrag zur Veröffentlichung eines persönlichkeitsrechtsverletzenden Inhalts im Internet noch schwächer ist und die vom Inhalt der jeweiligen Äußerung noch weiter entfernt sind, als die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Suchmaschine.
99Mit dem Landgericht ist der Senat aber auch der Auffassung, dass diese reaktive Prüf- und Sperrpflicht der Beklagten als Suchmaschine nicht bereits - entsprechend der Haftung bei Setzen eines Hyperlinks - durch jeden Hinweis auf eine Rechtsverletzung ausgelöst wird, sondern vielmehr - wie im Fall des Hostproviders - ein Hinweis auf eine klare Rechtsverletzung erforderlich ist. Dafür spricht, dass die Beklagte ebenso wie der Betreiber einer Internetplattform oder ein Hostbetreiber ein von der Rechtsordnung grundsätzlich gebilligtes und für die Nutzung des Internets wesentliches Geschäftsmodell betreibt, das durch zu weitgehende Prüfungspflichten infrage gestellt werden könnte. Zudem würde von der Beklagten ebenfalls regelmäßig - wie auch der Fall der Klägerin zeigt – nicht nur die Überprüfung einer begrenzten Anzahl von Hyperlinks gefordert, die bewusst von der Beklagten gesetzt wurden, sondern die Überprüfung einer Vielzahl automatisch generierter Linksetzungen. Hinzu kommt, dass dem Betreiber einer Suchmaschine – anders als dem domain-Verpächter oder dem Host-Provider – regelmäßig die Durchführung eines Stellungnahmeverfahrens unmöglich ist, weil ihm weder die Autoren noch die Inhaber der durch Links nachgewiesenen Seiten bekannt sind. Darüber hinaus ist der Betreiber einer Suchmaschine nicht in der Lage, ausschließlich die vermeintlich rechtswidrigen Inhalte von den durch ihn nachgewiesenen Internetseiten zu entfernen, sondern kann lediglich den Link als solchen für die Suche der Nutzer sperren, was zwingend zur Folge hat, dass damit auch die Auffindbarkeit der restlichen, inhaltlich möglicherweise beanstandungsfreien Inhalte dieser Seite verhindert wird.
100Kann damit die Inkenntnissetzung durch den Betroffenen zum einen nur ein einseitiges Prüfungsverfahren auslösen und besteht zum anderen die Gefahr erheblicher Auswirkungen einer Sperrung von Links für unbeteiligte Dritte, die beanstandungsfreie Inhalte auf den betreffenden Seiten verfasst haben bzw. für Nutzer, die solche beanstandungsfreien Inhalte mithilfe der Beklagten zu 1) im Internet auffinden wollen, ergibt sich daraus, dass der Betreiber einer Suchmaschine nur dann zur Sperrung der betreffenden Links verpflichtet werden kann, wenn die behauptete Rechtsverletzung im Rahmen seiner Prüfung offensichtlich erkennbar ist. Das Inkenntnissetzungsschreiben des Betroffenen muss daher so detailliert über den Sachverhalt informieren, dass sich die behauptete Rechtsverletzung sowohl in tatsächlicher Hinsicht eindeutig darstellt als auch in rechtlicher Hinsicht die nicht hinzunehmende Beeinträchtigung des Betroffenen auf der Hand liegt.
101b. Einer solchen Prüfpflicht stehen - anders als die Beklagte meint - auch die Vorschriften des TMG oder die Vorgaben der diesem Gesetz zu Grunde liegenden E-Commerce-Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 08.06.2000 (ABl. L 178/1 vom 17.07.2000; im Folgenden: Richtlinie) nicht entgegen.
102aa. Allerdings sind Suchmaschinenbetreiber nach § 1 Abs. 1 S. 1 TMG als "Telemedien" und als "Diensteanbieter" im Sinne von § 2 S. 1 Nr. 1 und 2 TMG zu qualifizieren, so dass der Anwendungsbereich des TMG grundsätzlich eröffnet ist (vgl. OLG Hamburg, Urt. vom 26.05.2011 – 3U 67/11, MMR 2011, 685, juris Tz. 107).
103Auch die konkret in Rede stehende Tätigkeit der Beklagten - als Suchmaschine mit Anzeige von verlinkten Ergebnisseiten - dürfte vom Regelungsbereich des TMG erfasst sein. Zwar ergibt sich aus Art. 21 Abs. 2 der dem TMG zugrunde liegenden Richtlinie, dass diese die Frage der Haftung von Anbietern von Hyperlinks und von Instrumenten zur Lokalisierung von Informationen ausgespart hat, so dass sich z.B. die Haftung für das (bloße) Setzen von Hyperlinks nach den allgemeinen Vorschriften richtet (so BGH, Urt. vom 18.06.2015 – I ZR 74/14, Haftung für Hyperlink – BGHZ 206, 103, Tz. 12, allerdings für die Linksetzung auf einer unternehmerischen Ärzteseite). Im vorliegenden Fall besteht der Schwerpunkt der Tätigkeit der Beklagten, der auch Kern ihrer Inanspruchnahme durch die Klägerin ist, nicht in dem Setzen eines Links, sondern in ihrer Suchfunktion. Indem sie auf die angegebene Suchanfrage hin die ihr zugänglichen Webseiten auf entsprechende Schlüsselwörter durchsucht und ihre Ergebnisse dem Nutzer anzeigt, macht sie für diesen die unübersichtliche Flut von Informationen im Internet nicht nur gezielter und vereinfachter nutzbar, sondern oft auch die von ihr angezeigten URLs erst auffindbar.
104Ob diese Tätigkeit der Beklagten - wie sie geltend macht - unter die weitestgehende Haftungsprivilegierung der §§ 8 ff. TMG, d.h. unter § 8 TMG zu fassen wäre, ist allerdings zweifelhaft. Nach dem zugrunde zu legenden Sachverhalt ist davon auszugehen, dass sich die Tätigkeit der Beklagten nicht - wie in § 8 TMG vorausgesetzt - nur auf die Übermittlung fremder Informationen oder auf die Zugangsvermittlung zu solchen Informationen, verbunden mit einer nur kurzzeitigen automatischen Zwischenspeicherung zum Zweck der Übermittlung beschränkt. Wie sich aus der Antwort-Mail der Beklagten vom 31.01.2014 (Anl. K 51 = GA 273) ergibt und ihre Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung bestätigt haben, werden die von ihr auf eine Suchanfrage durchsuchten und daraufhin gefundenen Seiten vielmehr als Kopie im „Cache“ gespeichert und dort für eine schnellere Abrufbarkeit weiter vorgehalten (Dieser Speichervorgang ergibt sich auch aus der Vorschaubilder I - Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 29.04.2010, a.a.O., juris Tz. 2) und der Darstellung des Suchprogramms der Klägerin in der Entscheidung OLG Hamburg vom 26.05.2011 (3 U 67/11, MMR 2011, 685 ff., juris Tz. 7)). Danach dürfte die Tätigkeit der Beklagten eher unter die Tatbestände des § 9 oder § 10 TMG zu fassen sein.
105bb. Dies kann letztlich jedoch offen bleiben, weil die Beklagte selbst bei Anwendung der weitestgehendsten Privilegierung nach § 8 TMG gemäß § 7 Abs. 2 S. 2 TMG zur Entfernung oder Sperrung der Nutzung von Informationen nach den allgemeinen Gesetzen verpflichtet ist und daher - trotz ihrer "Nichtverantwortlichkeit" nach §§ 8 ff. TMG - bei Verletzung ihrer Prüfpflichten auf Unterlassung in Anspruch genommen werden kann.
106(1) Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass sich die Haftungsprivilegierung des TMG lediglich auf die strafrechtliche Verantwortlichkeit und die Schadensersatzhaftung, nicht jedoch auf Unterlassungsansprüche bezieht (vgl. BGH, Urt. v. 27.03.2007 - VI ZR 101/06, VersR 2007, 1004; BGH, Urt. v. 30.06.2009 - VI ZR 210/08, VersR 2009, 1417; BGH, Urt. v. 22.07.2010 - I ZR 139/08, GRUR 2011, 152; BGH, Urt. v. 25.10.2011 – VI ZR 93/10, BGHZ 191, 219).
107Der Einwand der Beklagten, diese Rechtsprechung sei überholt und der Bundesgerichtshof wende seit seinen Entscheidungen "Stiftparfum" (Urt. vom 17.08.2011 – I ZR 57/09, BGHZ 191, 19), "Alone in the dark" (Urt. vom 12.07.2012 -I ZR 18/11, BGHZ 194, 339, juris Tz. 19, 28) und "File-Hosting-Dienst" (Urt. v. 15.08.2013 - I ZR 80/12, NJW 2013, 3245, juris Tz. 30, 45) auch auf Unterlassungsansprüche an, trifft nicht zu. Zwar hat der Bundesgerichtshof dort unter Bezugnahme auf die Vorschriften des TMG (konkret § 7 Abs. 2, § 10 TMG) festgestellt, dass der Betreiber einer Internet-Plattform oder ein Hostbetreiber grundsätzlich nicht verpflichtet sei, ihm übermittelte oder von ihm gespeicherte Information proaktiv zu überwachen und nach Rechtsverletzungen zu durchforschen. Insofern hat er in der Tat im Rahmen der Prüfung eines Unterlassungsanspruchs das TMG angewandt, um damit die Existenz einer proaktiven Prüfpflicht zu verneinen. Auch in diesen Fällen hat er aber im Weiteren dennoch – d.h. trotz Anwendbarkeit des TMG - eine reaktive Prüfpflicht des Diensteanbieters und damit (bei Verletzung dieser Prüfpflicht) einen Anspruch des Betroffenen auf künftige Unterlassung auch gegen den privilegierten Diensteanbieter nach dem TMG bejaht. Das Gleiche gilt für die weiteren Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 19.03.2015 (I ZR 94/13, Hotelbewertungsportal, NJW 2015, 3443) und vom 14.05.2013 (VI ZR 269/12, autocomplete-Funktion, BGHZ 197, 213). Schließlich hat der Bundesgerichtshof selbst für einen – gemäß § 2 Nr. 1, § 8 Abs. 1 Satz 1 TMG privilegierten - Access-Provider in seinen Entscheidungen vom 26.11.2015 (I ZR 3/14, MMR 2016, 188, juris Tz. 26 und I ZR 174/14, NJW 2016, 794, juris Tz. 27) eine reaktive Prüfpflicht grundsätzlich bejaht.
108(2) Auch die E-Commerce-Richtlinie steht der Annahme einer solchen Prüfpflicht nicht entgegen.
109Vielmehr ist in Art. 12 Abs. 3 (für die reine Durchleitung), in Art. 13 Abs. 2 (für das Caching) und in Art. 14 Abs. 3 (für das Hosting) der Richtlinie, jeweils in Verbindung mit den Erwägungsgründen 45 bis 48 der Richtlinie ausdrücklich geregelt, dass die Möglichkeit unberührt bleibt, dass ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde nach den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten vom Diensteanbieter verlangt, die Rechtsverletzung abzustellen oder zu verhindern, und es den Mitgliedstaaten unbenommen ist, dem Diensteanbieter Überwachungspflichten in spezifischen Fällen aufzuerlegen (Erwägungsgrund 47). Ein solcher "spezifischer Fall" liegt hier mit der Verletzung einer reaktiven Prüfpflicht nach den obigen Maßstäben des Bundesgerichtshofs vor.
110Zudem hat der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 15.09.2016 in der Rechtssache G3 gegen T (C-484/14, dort Tz. 76 ff., insbesondere Tz. 79) ausdrücklich klargestellt, dass (selbst) ein nach Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie privilegierter Diensteanbieter (Reine Durchleitung, entsprechend § 8 TMG) wegen einer Urherberrechtsverletzung durch von ihm übermittelte Informationen zwar nicht auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden kann, wohl aber auf Unterlassung und – insofern abweichend von den diesbezüglichen Schlussanträgen des Generalanwalts (Anl. BB 3, Tz. 76, 77) – auf Erstattung der hierdurch angefallenen Abmahnkosten und der Gerichtskosten.
111Nach den Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs setzt die gerichtliche Geltendmachung dieses Unterlassungsanspruchs auch - anders als von den Prozessbevollmächtigten der Beklagten in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht - nicht voraus, dass die Unterlassung zunächst in einem behördlichen Verfahren angeordnet und diese Anordnung von der Beklagten nicht befolgt worden ist. Abgesehen davon, dass danach nach deutschem Recht eine Rechtsschutzlücke für die Betroffenen bestünde, da ein solches behördliches Untersagungsverfahren nach deutschem Recht (bislang) nicht existiert, hat der Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung klargestellt, dass der Geschädigte die Unterlassung (sowie Erstattung von Abmahn- und Gerichtskosten) auch verlangen kann, „sofern diese Ansprüche darauf abzielen … , dass … ein innerstaatliches Gericht eine Anordnung erlässt, mit der dem Diensteanbieter untersagt wird…“ (Anm.: Unterstreichung durch den Senat).
112Soweit die Beklagten schließlich einwenden, die bisherigen höchstrichterlichen Entscheidungen seien jeweils in Bezug auf Urheberrechtsverletzungen und nicht – wie hier – auf Persönlichkeitsrechtsverletzungen ergangen, gibt das keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Weder ist den Entscheidungen zu entnehmen, dass dort spezifische urheberrechtliche Aspekte ausschlaggebend für die Annahme einer (reaktiven) Prüfpflicht in „spezifischen Fällen“ waren, noch ist im Übrigen ersichtlich, warum der Schutz des Persönlichkeitsrechts vor Rechtsverletzungen im Internet anders oder schwächer ausgestaltet sein sollte als vor Urheberrechtsverletzungen.
113c. Auch bei Annahme einer entsprechenden reaktiven Prüfpflicht der Beklagten nach den unter III.2.a.bb. genannten Maßstäben stünde der Klägerin aber kein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu, weil es an einem – danach erforderlichen - Hinweis der Klägerin auf eine klare Verletzung ihres Unternehmenspersönlichkeitsrechts fehlt.
114aa. Zwar dürften die Hinweise der Klägerin in ihren Schreiben vom 24.01.2014 (K 50 = GA 245, dort Seite 254) und vom 12.02.2014 (K 3 = GA 6, Seite 17) hinreichend konkret gefasst sein. Die Klägerin hat bereits darin ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die verlinkten Internetseiten sowohl in Bezug auf ihre angebliche Filial- Eigenschaft als auch in Bezug auf die Positionen Herrn Bs in ihrem Unternehmen unwahr seien.
115bb. Auch kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, dass die von der Klägerin beanstandeten Suchergebnisse auf provozierten Suchanfragen beruhten, d.h. auf Suchanfragen, die nicht allein aus der Angabe des Namens der Klägerin bestanden, sondern zusätzliche Begriffe oder gar ganze Satzteile aus den beanstandeten (mithin dem Suchenden bereits bekannten) Artikel enthielten. Die Klägerin hat bereits in erster Instanz hinreichend dargetan und belegt, dass die streitgegenständlichen Ergebnistreffer auch bei Suchanfragen erzielt wurden, mit denen ein unvoreingenommener Nutzer, der sich über ihre Firma informieren möchte, nach ihr suchen würde: Mit Schriftsatz vom 05.01.2015 (Seite 15f. = GA 105 ff.) hat sie vorgetragen und durch die Anlagen K 29 und K 30 belegt, dass die Links autonome–antifa.org und rdl./beitrag am 11.08.2014 bzw. am 05.01. 2015 bei den Eingaben „P + Elektronik + E“ bzw. „Eer P–Filiale“ bzw. „Elektronik–Kette P“ angezeigt wurden. Dass diese Eingaben ihren Firmennamen nicht ganz korrekt und vollständig wiedergaben, ist unschädlich, da sie auf jeden Fall dessen wesentliche Bestandteile enthielten, mit denen auch ein durchschnittlicher Nutzer des Internets über die Klägerin recherchieren würde. Für den Link zu M.org hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 25.08.2014 (Seite 5 = GA 219) vorgetragen und durch Anlage K 48 (GA 233) belegt, dass dieser als Ergebnis bei der korrekten und vollständigen Eingabe ihres Firmennamens “P GmbH“ am 05.01.2015 angezeigt wurde.
116cc. Aus den Hinweisen der Klägerin ergab sich dennoch für die Beklagte keine klare, tatsächlich und rechtlich unschwer feststellbare Verletzung des Unternehmerpersönlichkeitsrechts der Klägerin im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Haftung eines Hostproviders.
117Wie oben ausgeführt hat die Klägerin mit ihren Hinweisschreiben lediglich die zwei von ihr angeführten Punkte als unwahr beanstandet. Im Übrigen hat sie aber die - bereits für sich genommen persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigende - Information über die Beschäftigung Herrn Bs in ihrem Unternehmen und seine rechtsextreme politische Ausrichtung nicht bestritten. Im Hinblick darauf sowie in Anbetracht der Tatsache, dass die Zielrichtung der Artikel nicht auf die Klägerin, sondern die Einzelperson Herrn Bs gerichtet war, die Klägerin nur als dessen Arbeitgeberin genannt wurde, keine persönlichen Vorwürfe gegen sie erhoben wurden und sie nur in ihrer Sozialsphäre berührt war, war für die Beklagte in keiner Weise evident, dass die von der Klägerin als falsch beanstandeten Aussagen überhaupt eine so beeinträchtigende persönlichkeitsrelevante Bedeutung hatten, dass den Interessen der Klägerin der Vorrang gegenüber der Meinungsfreiheit der Autoren einzuräumen war. Vielmehr handelte es sich hierbei um eine (zumindest) grenzwertige Beurteilung, bei der auch zu berücksichtigen war, dass die Klägerin jeweils nur wenige Bestandteile der Veröffentlichungen auf den verlinkten Seiten beanstandet hatte und die dortigen Texte, insbesondere der Artikel auf der Seite B3.org, weitere Informationen über andere als rechtsextrem identifizierte Personen enthielten, die die Klägerin in keiner Weise tangierten. Eine vollständige Entfernung des Links auf diese Seiten - zudem entsprechend dem Begehren der Klägerin ohne jegliche Einschränkung durch bestimmte Suchwörter – hätte daher weit über das von der Klägerin verfolgte Ziel hinaus gereicht und damit umgekehrt einen massiven Eingriff in die Meinungsfreiheit der Autoren der Beiträge, der Webseitenbetreiber und der Host-Provider dargestellt.
118Insgesamt handelte es sich daher bei den von der Klägerin beanstandeten Veröffentlichungen jedenfalls um keine offensichtliche Rechtsverletzung, die die Beklagte nach den obigen Grundsätzen zu einer Reaktion hätte veranlassen müssen.
119d. Da die Beklagte der Klägerin demnach bereits mangels Persönlichkeitsrechtsverletzung durch die verlinkten Inhalte, jedenfalls aber mangels Verletzung einer ihr obliegenden Prüfpflicht nicht haftet, kann dahinstehen, ob sie sich außerdem in entsprechender Anwendung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Störerhaftung des Access-Providers (Urt. v. 26.11.2015 – I ZR 174/14, NJW 2016, 794 Tz. 81 ff.) auf eine lediglich subsidiäre Haftung gegenüber dem Betreiber der betreffenden Internetplattform oder dem Autor der Texte berufen könnte.
120Hierfür könnte zwar sprechen, dass die Beklagte als Suchmaschine - wie ein Access-Provider - ein von der Rechtsordnung gebilligtes und in Bezug auf Rechtsverletzungen Dritter neutrales Geschäftsmodell betreibt, das insbesondere für die Nutzung des Internets sowohl für Informationssuchende als auch für die Meinungsäußerung derjenigen, die Texte in das Internet einstellen, von erheblicher Bedeutung ist. Umgekehrt begehrt die Klägerin von der Beklagten, den Zugang zu bestimmten, von ihr selbst ausfindig gemachten Webseiten zu unterbinden. Sie müsste daher nicht - wie im Fall einer Internetplattform – statt der Beklagten eine Vielzahl einzelner Webseiten in Anspruch nehmen, sondern lediglich die Betreiber der von ihr selbst konkret beanstandeten Webseiten oder deren Host-Provider, über den die Webseite zugänglich gemacht wird, um ihr Rechtsschutzziel effektiv zu erreichen. Diese Störer stehen zudem wesentlich näher an der Rechtsgutsverletzung der Klägerin als die Beklagte, die nur allgemein die Auffindbarkeit dieser Informationen im Internet erleichtert, auf deren Inhalt jedoch in keiner Weise Einfluss hat. Hinzu kommt, dass die Klägerin jeweils nur wenige Bestandteile der Veröffentlichungen auf den verlinkten Seiten beanstandet, so dass bei einer vollständigen Entfernung des Links auf diese Seiten - zudem entsprechend dem Tenor der landgerichtlichen Entscheidung ohne jegliche Einschränkung durch die Voraussetzungen der Eingabe bestimmter Suchwörter (konkret des Namens der Klägerin) – weit über das von der Klägerin verfolgte Ziel hinausschießen und eine unverhältnismäßige Beschränkung der Meinungsfreiheit der Autoren der Beiträge, der Webseitenbetreiber und der Host-Provider darstellen würde.
121Nach dem gegeben Sachvortrag ist auch nicht davon auszugehen, dass eine Inanspruchnahme der Autoren der Artikel, der Betreiber der Webseite oder deren Host-Provider durch die Klägerin gescheitert ist oder ihr jede Erfolgsaussicht fehlen würde. Zu den Webseiten B3.org und E.de/beitrag hat sie bereits nicht vorgetragen, gegen die Betreiber der Webseiten und oder Autoren der Beiträge überhaupt vorgegangen zu sein oder dies zumindest versucht zu haben. Dies wäre aber unschwer möglich gewesen, da auf der Internetseite der B3 G die deutsche Kontaktadresse unter der Rubrik „Kontakt“ zu finden ist (Anlagenkonvolut B 5). Auch die Internetseite des Radio E enthält unter der Rubrik "Kontakt" Kontaktinformationen zu den jeweils redaktionell Verantwortlichen (Anlagenkonvolut B 6). Der Einwand der Klägerin, sie könne nicht gezwungen werden, mit radikal linksextremistischen Autoren zu kommunizieren, weil sie sich selbst dadurch der Gefahr von Anschlägen aussetzen würde, reicht nicht aus, um sie von jeglichen Bemühungen einer Inanspruchnahme freizustellen. Zu ihren Bemühungen bezüglich der Seite M.org hat die Klägerin zwar näher vorgetragen. Selbst wenn dieses Vorbringen nicht gemäß §§ 529, 531 ZPO präkludiert sein sollte, ergibt sich daraus nicht das Fehlen jeglicher Erfolgsaussicht der Inanspruchnahme Dritter. Wie sich aus dem eigenen Vortrag der Klägerin ergibt, ist der Webseitenbetreiber jedenfalls über eine Kommentarfunktion im Internet zu kontaktieren. Dass die Klägerin über diese Funktion die hier streitgegenständlichen Äußerungen konkret beanstandet hat, ist nicht vorgetragen. Das von ihr vorgelegte Anschreiben nach Brasilien (Anl. K 94) war im Namen der Ger P GmbH verfasst und allein auf dem Vorwurf gestützt, die Angabe, die Eer P GmbH sei eine Filiale der Ger GmbH, sei unwahr. Dass der brasilianische Adressat auf diese Vorhaltung nicht reagiert und keine Löschung der Bezeichnung "P Filiale" vorgenommen hat, lässt nicht den Rückschluss zu, dass auch auf eine Aufforderung der Klägerin betreffend die von ihr als unwahr beanstandeten Äußerungen nicht reagiert worden wäre.
122Zweifel an der Zulässigkeit eines grundsätzlichen Subsidiaritätseinwands von Seiten der Beklagten als Suchmaschinenbetreiber bestehen indes im Hinblick auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 13.05.2014 (C-131/12). Dieser hat ausgeführt, dass die von einer Suchmaschine ausgeführte Datenverarbeitung sich von der unterscheide, die von den Herausgebern von Websites ausgeführt werde, zusätzlich zu dieser erfolge und die Grundrechte der betroffenen Person zusätzlich beeinträchtige. Insofern habe der Suchmaschinenbetreiber in seinem Verantwortungsbereich im Rahmen seiner Befugnisse und Möglichkeiten dafür zu sorgen, dass die Verarbeitung den datenschutzrechtlichen Anforderungen genüge. Da die auf einer Internetseite veröffentlichten Informationen leicht auf anderen Seiten wiedergegeben werden könnten und die für die Veröffentlichung Verantwortlichen nicht immer dem Unionsrecht unterlägen, könne ein wirksamer und umfassender Schutz der betroffenen Personen nicht erreicht werden, wenn diese vorher oder parallel bei den Herausgebern der Seite die Löschung der sie betreffenden Informationen erwirken müssten. Die Aufnahme einer Internetseite und der darin über eine Person enthaltenen Informationen in die Liste mit den Ergebnissen einer anhand des Namens der betreffenden Person durchgeführten Suche könne die Zugänglichkeit der Informationen für Internetnutzer erheblich erleichtern und eine entscheidende Rolle bei der Verbreitung der Informationen spielen. Sie könne mithin einen stärkeren Eingriff in das Grundrecht auf Achtung des Privatlebens der betroffenen Person darstellen als die Veröffentlichung durch den Herausgeber der Internetseite. Aus diesen Gründen sei der Suchmaschinenbetreiber zur Wahrung der in diesen Bestimmungen vorgesehenen Rechte, sofern deren Voraussetzungen erfüllt seien, dazu verpflichtet, von der Ergebnisliste, die im Anschluss an eine anhand des Namens einer Person durchgeführte Suche angezeigt werde, Links zu von Dritten veröffentlichten Internetseiten mit Informationen zu dieser Person zu entfernen. Dies gelte auch dann, wenn der Name oder die Informationen auf diesen Internetseiten nicht vorher oder gleichzeitig gelöscht würden und gegebenenfalls auch dann, wenn ihre Veröffentlichung auf den Internetseiten als solche rechtmäßig sei (vgl. EuGH, Urt. v. 13.5.12014 – C-131/12).
123Im Hinblick auf diese Erwägungen erscheint die Annahme einer generellen Subsidiarität der Haftung der Beklagten fraglich, kann aber - wie ausgeführt - letztlich dahinstehen.
124IV. Die Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz vom 13.09.2016 gaben zu einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung keinen Anlass.
125III.
126Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich hinsichtlich der Kosten aus § 91 Abs. 1 ZPO, hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 S. 1 ZPO.
127Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs, da die Beurteilung des Rechtsstreits auf der Anwendung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und im Übrigen auf den Einzelfallumständen beruht. Höchstrichterlich noch nicht geklärte Rechtsfragen grundsätzlicher Natur, die über den konkreten Einzelfall hinaus von Interesse sein könnten, haben sich nicht gestellt und waren nicht zu entscheiden. Die Frage einer Haftung der Beklagten zu 1) als mittelbare Störerin ist zwar von grundsätzlicher Bedeutung, war jedoch im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich.
128Streitwert: 45.000,00 €
ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Köln Urteil, 13. Okt. 2016 - 15 U 189/15
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(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil
- 1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen, - 2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
Diensteanbieter sind für fremde Informationen, die sie für einen Nutzer speichern, nicht verantwortlich, sofern
- 1.
sie keine Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder der Information haben und ihnen im Falle von Schadensersatzansprüchen auch keine Tatsachen oder Umstände bekannt sind, aus denen die rechtswidrige Handlung oder die Information offensichtlich wird, oder - 2.
sie unverzüglich tätig geworden sind, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren, sobald sie diese Kenntnis erlangt haben.
(1) Diensteanbieter sind für fremde Informationen, die sie in einem Kommunikationsnetz übermitteln oder zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich, sofern sie
- 1.
die Übermittlung nicht veranlasst, - 2.
den Adressaten der übermittelten Informationen nicht ausgewählt und - 3.
die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert haben.
(2) Die Übermittlung von Informationen nach Absatz 1 und die Vermittlung des Zugangs zu ihnen umfasst auch die automatische kurzzeitige Zwischenspeicherung dieser Informationen, soweit dies nur zur Durchführung der Übermittlung im Kommunikationsnetz geschieht und die Informationen nicht länger gespeichert werden, als für die Übermittlung üblicherweise erforderlich ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Diensteanbieter nach Absatz 1, die Nutzern einen Internetzugang über ein drahtloses lokales Netzwerk zur Verfügung stellen.
(4) Diensteanbieter nach § 8 Absatz 3 dürfen von einer Behörde nicht verpflichtet werden,
Davon unberührt bleibt, wenn ein Diensteanbieter auf freiwilliger Basis die Nutzer identifiziert, eine Passworteingabe verlangt oder andere freiwillige Maßnahmen ergreift.Diensteanbieter sind für eine automatische, zeitlich begrenzte Zwischenspeicherung, die allein dem Zweck dient, die Übermittlung fremder Informationen an andere Nutzer auf deren Anfrage effizienter zu gestalten, nicht verantwortlich, sofern sie
- 1.
die Informationen nicht verändern, - 2.
die Bedingungen für den Zugang zu den Informationen beachten, - 3.
die Regeln für die Aktualisierung der Informationen, die in weithin anerkannten und verwendeten Industriestandards festgelegt sind, beachten, - 4.
die erlaubte Anwendung von Technologien zur Sammlung von Daten über die Nutzung der Informationen, die in weithin anerkannten und verwendeten Industriestandards festgelegt sind, nicht beeinträchtigen und - 5.
unverzüglich handeln, um im Sinne dieser Vorschrift gespeicherte Informationen zu entfernen oder den Zugang zu ihnen zu sperren, sobald sie Kenntnis davon erhalten haben, dass die Informationen am ursprünglichen Ausgangsort der Übertragung aus dem Netz entfernt wurden oder der Zugang zu ihnen gesperrt wurde oder ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde die Entfernung oder Sperrung angeordnet hat.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
BUNDESGERICHTSHOF
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 30. Juli 2015 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die Richter Prof. Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff, die Richterin Dr. Schwonke und den Richter Feddersen
für Recht erkannt:
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin, ein wirtschaftlicher Verein mit Rechtsfähigkeit kraft staatlicher Verleihung, ist die deutsche Wahrnehmungsgesellschaft für die urheberrechtlichen Nutzungsrechte an geschützten Werken der Musik. Die Beklagte ist das größte deutsche Telekommunikationsunternehmen. Sie betrieb bis zum 1. April 2010 ein Telefonnetz, über das ihre Kunden Zugang zum Internet erlangen konnten. Seither betreibt das Telefonnetz die mit der Beklagten konzernrechtlich verbundene D. T. GmbH. In ihrer Funktion als AccessProvider vermittelte die Beklagte ihren Kunden bis dahin auch den Zugang zu dem Internetdienst "3. ".
- 2
- Mit Anwaltsschreiben vom 25. August 2008 ließ die Klägerin die Beklagte auffordern, zukünftig das ihrer Ansicht nach urheberrechtsverletzende öffentliche Zugänglichmachen der im Klageantrag bezeichneten Musikwerke zu ver- ECLI:DE:BGH:2015:261115UIZR3.14.0 hindern. Dazu sollte die Beklagte den Zugriff auf bei "3. " vorhandene elektronische Verweise (Links) zu diesen Musikwerken unterbinden. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 27. August 2008 ab.
- 3
- Die Klägerin hat vorgetragen, am 21. August 2008 und nach Ablehnung einer Sperrung durch die Beklagte am 27. August 2008 sei über einen von der Beklagten bereitgestellten Internetanschluss auf der Webseite "3. " eine Liste von Links abrufbar gewesen, die das Herunterladen der im Klageantrag bezeichneten, widerrechtlich im Internet bereitgestellten Musikstücke ermöglicht hätten. Der Inhalt des - mittlerweile unstreitig eingestellten - Dienstes "3. " habe im Wesentlichen aus Sammlungen von Hyperlinks und URLs (Uniform Resource Locator) zu Kopien urheberrechtlich geschützter Werke bestanden, die bei Sharehostern wie "RapidShare", "Netload" oder "Uploaded" widerrechtlich hochgeladen worden seien. Diese Sharehoster ermöglichten es ihren Nutzern , über ihre Webseiten beliebige Daten anonym hochzuladen. Der hochladende Nutzer erhalte einen Link zum Download mit der URL, mit der er die Daten wieder herunterladen könne. Dieser Link könne an andere Personen weitergegeben werden, damit diese die Dateien ebenfalls abrufen könnten. Ein Verzeichnis über die herunterladbaren Dateien böten die Sharehoster selbst nicht an, weshalb Linksammlungen wie "3. " eine Schlüsselfunktion für die Nutzung der Sharehosting-Dienste einnähmen, weil der Nutzer hierdurch auf einfache Weise durch Eingabe des Interpreten oder des Titels die von ihm gesuchten Dateien auffinden könne. Durch die Vorhaltung von Kontrollfragen habe "3. " verhindert, dass Rechteinhaber die Linksammlungen hätten automatisiert durchsuchen und auswerten können.
- 4
- Die Klägerin hat weiter behauptet, aufgrund von Berechtigungsverträgen Inhaberin des ausschließlichen Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung für Komposition und Text der im Klageantrag bezeichneten Musikstücke und zur Rechtewahrnehmung ermächtigt zu sein. Eine gegen die Betreiber des Dienstes "3. " erwirkte einstweilige Verfügung habe aufgrund falscher Adressangaben nicht vollzogen werden können.
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- Nach Ansicht der Klägerin haftet die Beklagte als Störerin für das öffentliche Zugänglichmachen der Links zum Download und der URLs durch den Dienst "3. ".
- 6
- Die Klägerin hat - soweit in der Revisionsinstanz von Bedeutung - beantragt , es der Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu untersagen , Dritten zu ermöglichen die folgenden Musikwerke dadurch öffentlich zugänglich zu machen, dass sie über von ihr bereitgestellte Internetzugänge den Zugriff auf URLs und Links zu diesen Werken über die Website 3. ermöglicht : (Es folgt die Nennung von zehn Titeln unter Angabe von Interpret, Album, Komponist und Textdichter.)
- 7
- Das Landgericht hat die Klage abgewiesen (LG Hamburg, CR 2010, 534). In der Berufungsinstanz hat die Klägerin im Hinblick darauf, dass der Dienst unter der Adresse "www.3. " zwischenzeitlich eingestellt worden war, hilfsweise für den Fall der Verneinung der Wiederholungsgefahr hinsichtlich des Hauptantrags die Feststellung beantragt, dass die Klage bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses begründet war. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben (OLG Hamburg, GRUR-RR 2014, 140). Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter.
Entscheidungsgründe:
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- A. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe der geltend gemachte Anspruch weder aufgrund einer Haftung als Täter oder Teilnehmer noch unter dem Gesichtspunkt der Störerhaftung nach § 1004 BGB in Verbindung mit den § 97 Abs. 1, § 19a UrhG zu. Dazu hat es ausgeführt:
- 9
- Der Hauptantrag sei zulässig, auch wenn es aufgrund bestehender Umgehungsmöglichkeiten objektiv unmöglich sei, den Zugang zu den auf der Internetseite "3. " vorgehaltenen Links oder URLs vollständig zu sperren. Die Frage, ob die Klägerin der Beklagten in rechtlich unzulässiger Weise etwas Unmögliches abverlange, betreffe nicht die Zulässigkeit, sondern die Begründetheit der Klage.
- 10
- Bei der Prüfung der Begründetheit der Klage hat das Berufungsgericht unterstellt , dass die Klägerin hinsichtlich der in Rede stehenden Musikstücke zur Geltendmachung des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung im Sinne des § 19a UrhG ermächtigt ist. Weiterhin hat es unterstellt, dass die Linksammlung zu den von der Klägerin vorgetragenen Zeitpunkten verfügbar gewesen ist und die genannten Werke aufgefunden und heruntergeladen werden konnten. Die Beklagte hafte gegenüber der Klägerin aber nicht als Störerin. Zwar komme die Störerhaftung von Access-Providern - auch unter Berücksichtigung ihrer im Telemediengesetz und im Rundfunkstaatsvertrag vorgesehenen Privilegierung - grundsätzlich in Betracht. Zudem verletze die Bereitstellung von Links und URLs, die zu Dateien mit geschützten Musikwerken führten, die ohne Zustimmung hochgeladen worden seien, das Recht auf öffentliche Zugänglichmachung. Ferner habe die Beklagte durch den von ihr vermittelten Zugang zum Internet einen adäquat kausalen Beitrag zu den von der Klägerin gerügten Urheberrechtsverletzungen geleistet. Eine Haftung der Beklagten als Störerin scheitere jedoch an der Unzumutbarkeit der ihr abverlangten - unstreitig technisch möglichen - Sperrmaßnahmen in Gestalt einer URL-Sperre durch Verwendung eines "Zwangs-Proxys", einer IP-Sperre oder einer DNS-Sperre.
- 11
- B. Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Die Beurteilung des Berufungsgerichts , dass die Beklagte nicht als Störerin für die von der Klägerin gerügten Urheberrechtsverletzungen haftet, hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
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- I. Das Berufungsgericht hat den Hauptantrag mit Recht als zulässig angesehen.
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- 1. Der Klageantrag ist hinreichend bestimmt, auch wenn ihm nicht unmittelbar zu entnehmen ist, welche konkreten Handlungs- und Prüfpflichten der Beklagten abverlangt werden sollen. Es reicht aus, wenn sich die zu befolgenden Sorgfalts- und Prüfpflichten aus der Klagebegründung und den Entscheidungsgründen ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 16. Mai 2013 - I ZR 216/11, GRUR 2013, 1229 Rn. 25 = WRP 2013, 1613 - Kinderhochstühle im Internet II; Urteil vom 15. August 2013 - I ZR 80/12, GRUR 2013, 1030 Rn. 21 = WRP 2013, 1348 - File-Hosting-Dienst). Im Übrigen lassen sich die Grenzen des der Beklagten zumutbaren Verhaltens im Erkenntnisverfahren nicht präziser bestimmen , weil zukünftige Verletzungshandlungen nicht konkret abzusehen sind (vgl. BGH, GRUR 2013, 1030 Rn. 21 - File-Hosting-Dienst). Die hiermit verbundene Verlagerung eines Teils des Streits in das Vollstreckungsverfahren ist hinzunehmen , weil anders effektiver Unterlassungsrechtsschutz nicht gewährleistet werden könnte (vgl. BGH, Urteil vom 19. April 2007 - I ZR 35/04, BGHZ 172, 119 Rn. 48 - Internet-Versteigerung II; BGH, GRUR 2013, 1030 Rn. 21 - FileHosting -Dienst).
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- 2. Die Frage, ob die Klägerin von der Beklagten Unmögliches verlangt, ist - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - nicht im Rahmen der Zulässigkeit, sondern im Rahmen der Begründetheit des Klageantrags zu prüfen.
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- II. Der mit dem Hauptantrag verfolgte Unterlassungsanspruch ist nicht begründet.
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- 1. Das Berufungsgericht hat unterstellt, die Klägerin sei aufgrund der vorgelegten Berechtigungsverträge als Inhaberin der ausschließlichen Verwertungsrechte an den im Klageantrag angeführten und nach § 2 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 UrhG geschützten Musikwerken berechtigt, urheberrechtliche Unterlassungsansprüche gegenüber der Beklagten geltend zu machen. Davon ist für das Revisionsverfahren auszugehen.
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- 2. Das Berufungsgericht hat in tatsächlicher Hinsicht weiter unterstellt, dass die streitgegenständlichen Musikwerke am 21. und 27. August 2008 über die auf der Webseite "3. " verfügbaren Links auffindbar waren und heruntergeladen werden konnten und keine Nutzungsrechte der die Musikwerke hochladenden Dritten oder der Sharehoster bestanden. Hieraus hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei gefolgert, dass die Werke im Sinne des § 19a UrhG rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht worden sind. Das Berufungsgericht hat ferner in tatsächlicher Hinsicht unterstellt, dass der Dienst "3. " über einen von der Beklagten zur Verfügung gestellten Internet-Anschluss zu den angegebenen Zeiten erreicht werden konnte. Auch diese der Klägerin günstige Annahme ist der weiteren rechtlichen Nachprüfung zugrunde zu legen.
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- 3. Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass eine täterschaftliche Haftung ausscheidet. Die Verantwortlichkeit als Täter oder Teilneh- mer geht der Störerhaftung zwar grundsätzlich vor (BGH, GRUR 2013, 1030 Rn. 28 - File-Hosting-Dienst). Die Klägerin macht aber weder geltend noch bestehen anderweitige Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die beanstandeten Handlungen selbst begangen hat oder daran etwa als Gehilfin beteiligt war (vgl. BGH, Urteil vom 15. Januar 2009 - I ZR 57/07, GRUR 2009, 841 Rn. 18 = WRP 2009, 1139 - Cybersky).
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- 4. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Haftung der Beklagten als Störerin scheitere an einer fehlenden Zumutbarkeit der aufzuerlegenden Prüfungspflichten , hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
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- a) Als Störer kann bei der Verletzung absoluter Rechte auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer - ohne Täter oder Teilnehmer zu sein - in irgendeiner Weise willentlich und adäquat-kausal zur Verletzung des geschützten Rechtsguts beiträgt. Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden kann, die die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers nach der Rechtsprechung des Senats die Verletzung von Prüfpflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer Inanspruchgenommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (vgl. BGH, Urteil vom 30. April 2008 - I ZR 73/05, GRUR 2008, 702 Rn. 50 = WRP 2008, 1104 - Internetversteigerung III; Urteil vom 12. Mai 2010 - I ZR 121/08, BGHZ 185, 330 Rn. 19 - Sommer unseres Lebens; Urteil vom 18. November 2011 - I ZR 155/09, GRUR 2011, 617 Rn. 37 = WRP 2011, 881 - Sedo; Urteil vom 12. Juli 2012 - I ZR 18/11, BGHZ 194, 339 Rn. 19 - Alone in the Dark; GRUR 2013, 1030 Rn. 31 - File-Hosting-Dienst). Einer allgemeinen Prüfungspflicht von Diensteanbietern im Sinne der §§ 8 bis 10 TMG für die von ihnen übermittelten Dateien steht § 7 Abs. 2 Satz 1 TMG entgegen. Danach sind Diensteanbieter nicht verpflichtet , die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hindeuten. Nach dieser Vorschrift, die auf Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr beruht, sind Überwachungspflichten allgemeiner Art ausgeschlossen. Nicht ausgeschlossen sind dagegen Überwachungspflichten in spezifischen Fällen, die innerstaatliche Behörden nach innerstaatlichem Recht anordnen (vgl. Erwägungsgrund 47 der Richtlinie 2000/31/EG; BGH, Urteil vom 17. August 2011 - I ZR 57/09, BGHZ 191, 19 Rn. 22 ff. - Stiftparfüm; Urteil vom 5. Februar 2015 - I ZR 240/12, GRUR 2015, 485 Rn. 51 = WRP 2015, 577 - Kinderhochstühle im Internet III).
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- Bei der Beurteilung der Frage, ob und in welchem Umfang einem Provider, der den Zugang zum Internet vermittelt (Access-Provider) Prüf- und Sperrpflichten zugemutet werden können, ist weiter zu berücksichtigen, dass die Mitgliedstaaten für den Bereich des Urheberrechts nach Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft sicherzustellen haben, dass die Inhaber nach der Richtlinie zu schützender Rechte gerichtliche Anordnungen gegen Vermittler beantragen können, deren Dienste von einem Dritten zur Verletzung dieser Rechte genutzt werden. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass die Vermittler oftmals am besten in der Lage sind, Urheberrechtsverstößen über das Internet ein Ende zu setzen (vgl. Erwägungsgrund 59 der Richtlinie 2001/29/EG; EuGH, Urteil vom 27. März 2014 - C-314/12, GRUR 2014, 468 Rn. 26 f. = WRP 2014, 540 - UPC Telekabel). Auch Art. 11 Satz 3 der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums verpflichtet die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass die Rechteinhaber eine Anordnung gegen Mittelspersonen beantragen können, deren Dienste von einem Dritten zwecks Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums in Anspruch genommen werden. Die Modalitäten dieser Anordnungen sind im Recht der Mitgliedstaaten zu regeln (vgl. Erwägungsgrund 59 der Richtlinie 2001/29/EG; EuGH, Urteil vom 12. Juli 2011 - C-324/09, Slg. 2011, I-6011 = GRUR 2011, 1025 Rn. 135 - L'Oréal/eBay; Urteil vom 24. November 2011 - C-70/10, Slg. 2011, I-11959 = GRUR 2012, 265 Rn. 32 - Scarlet/SABAM; EuGH, GRUR 2014, 468 Rn. 43 - UPC Telekabel). Die Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr steht dem nicht entgegen. Sie lässt vielmehr nach ihrem Artikel 12 Absatz 3 bezogen auf Diensteanbieter, die als Vermittler von einem Nutzer eingegebene Informationen in einem Kommunikationsnetz übermitteln oder den Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermitteln , die Möglichkeit unberührt, nach den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten vom Diensteanbieter zu verlangen, die Rechtsverletzung abzustellen oder zu verhindern (vgl. auch Erwägungsgrund 45 der Richtlinie 2000/31/EG).
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- b) Von den Grundsätzen der Störerhaftung ist im vorliegenden Fall auszugehen.
- 23
- aa) Die Beklagte ist Diensteanbieterin im Sinne der § 2 Nr. 1, § 8 Abs. 1 Satz 1 TMG. Sie vermittelt den Zugang zu einem Kommunikationsnetz, weil sie es über die von ihr bereitgestellten Internetzugänge Dritten ermöglicht, von deren Endgeräten aus auf das Internet zuzugreifen (vgl. Hoffmann in Spindler/ Schuster, Recht der elektronischen Medien, 3. Aufl., § 8 TMG Rn. 17).
- 24
- bb) Durch die Vermittlung des Zugangs hat die Beklagte nach der zutreffenden Beurteilung des Berufungsgerichts einen adäquat kausalen Beitrag zur vom Berufungsgericht unterstellten Urheberrechtsverletzung geleistet. Nach dem Erwägungsgrund 59 der Richtlinie 2001/29/EG bezieht sich der in der Richtlinie verwendete Begriff "Vermittler" auf jede Person, die die Rechtsverletzung eines Dritten in Bezug auf ein geschütztes Werk in einem Netz überträgt. Zur Rechtsverletzung in diesem Sinne zählt das öffentliche Zugänglichmachen eines Schutzgegenstands (EuGH, GRUR 2014, 468 Rn. 31 - UPC Telekabel).
- 25
- cc) Die Beklagte betreibt mit der Vermittlung des Zugangs zum Internet ein von der Rechtsordnung gebilligtes und gesellschaftlich erwünschtes Geschäftsmodell , das als solches nicht in besonderer Weise die Gefahr von Urheberrechtsverletzungen schafft. Der vorliegende Fall unterscheidet sich von der Konstellation, in der der Gewerbetreibende schon vor Erlangung der Kenntnis von einer konkreten Verletzung dazu verpflichtet ist, die Gefahr auszuräumen, weil sein Geschäftsmodell von vornherein auf Rechtsverletzungen durch die Nutzer angelegt ist oder er solche Rechtsverletzungen durch eigene Maßnahmen fördert (vgl. BGH, GRUR 2009, 841 Rn. 21 f. - Cybersky).
- 26
- Der Beklagten dürfen bei dieser Sachlage keine Kontrollmaßnahmen auferlegt werden, die ihr Geschäftsmodell wirtschaftlich gefährden oder ihre Tätigkeit unverhältnismäßig erschweren (vgl. EuGH, GRUR 2011, 1025 Rn. 139 - L'Oréal/eBay; EuGH, Urteil vom 16. Februar 2012 - C-360/10, GRUR 2012, 382 Rn. 39 ff. = WRP 2012, 429 - SABAM/Netlog; BGH, Urteil vom 11. März 2004 - I ZR 304/01, BGHZ 158, 236, 251 f. - Internet-Versteigerung I; BGH, GRUR 2013, 1229 Rn. 47 - Kinderhochstühle im Internet II). Die Auferlegung einer anlasslosen, allgemeinen Überwachungs- oder Nachforschungspflicht kommt daher vorliegend nicht in Betracht. Eine Prüfpflicht der Beklagten im Hinblick auf die Vermittlung des Zugangs zu den streitgegenständlichen Musikwerken , deren Verletzung die Wiederholungsgefahr begründen kann, konnte daher erst entstehen, nachdem sie von der Klägerin auf eine klare Rechtsver- letzung in Bezug auf die konkreten Musikwerke hingewiesen worden war (BGHZ 194, 339 Rn. 28 - Alone in the Dark). Die Klägerin hat die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 25. August 2008 auf die Rechtsverletzungen in Bezug auf die in Rede stehenden Werke hingewiesen. Die Beklagte hat der Aufforderung zur Sperrung keine Folge geleistet und bis zum 1. April 2010 den Zugang zu den beanstandeten Links des Internetangebots "3. " nicht unterbunden.
- 27
- c) Die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagten sei eine anlassbezogene Prüfpflicht nicht zumutbar, die einer bereits erfolgten Rechtsverletzung nachfolgt und erneuten Rechtsverletzungen vorbeugt, trifft im Ergebnis zu.
- 28
- aa) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, sofern die Sperrmaßnahmen wegen der bestehenden Umgehungsmöglichkeiten weitgehend unwirksam seien , sei die Einrichtung von Sperren der Beklagten schon deshalb nicht zuzumuten. Unzumutbar seien sie aber auch bei gegebener Effektivität der technischen Maßnahmen. Bei der Beurteilung der Frage der Zumutbarkeit sei die besondere Aufgabe der Beklagten als Access-Provider zu berücksichtigen, eine inhaltlich neutrale, sozial erwünschte und von der Rechtsordnung anerkannte Dienstleistung zu erbringen, die in weit überwiegendem Umfang zu rechtmäßigen Zwecken genutzt worden sei. Jede Sperre berge die Gefahr der gleichzeitigen Unterbindung rechtmäßiger Angebote, so dass Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche Dritter in Betracht kämen. Aufgrund der betroffenen Grundrechtspositionen aus Art. 10 GG in Verbindung mit § 88 Abs. 1 Satz 1 TKG sowie aus Art. 5 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG bedürften Sperren dieser Art einer - gegenwärtig nicht vorhandenen - gesetzlichen Grundlage, die die Voraussetzungen einer Maßnahme insbesondere im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit im Einzelnen bestimme. Bei IP-Adressen, URLs und DNSNamen handele es sich um nähere Umstände der Telekommunikation im Sinne des § 88 Abs. 1 Satz 1 TKG, wenn diese in Bezug zu einem Übertragungs- und Verbindungsvorgang gesetzt würden. Es bestehe die Gefahr einer inhaltlichen Zensur des Internetangebots. Der Gesetzgeber habe im Falle des mittlerweile außer Kraft getretenen Zugangserschwerungsgesetzes, das der Verbreitung von Kinderpornografie im Internet entgegenwirken sollte, ebenfalls einen Grundrechtseingriff durch die Sperrung von Internetangeboten angenommen, zugleich aber entsprechende Regeln für den Bereich des geistigen Eigentums nicht geschaffen, so dass hier keine Befugnis zur richterlichen Rechtsfortbildung bestehe.
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- bb) Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten , wohl aber im Ergebnis stand.
- 30
- (1) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist bei der Beurteilung, ob eine aufgrund der mitgliedstaatlichen Regelungen gegen den Zugangsvermittler ergangene Anordnung im Sinne des Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG mit dem Unionsrecht in Einklang steht, ihre Vereinbarkeit mit den betroffenen Grundrechten der EU-Grundrechtecharta zu prüfen (EuGH, GRUR 2012, 265 Rn. 41 - Scarlet/SABAM; GRUR 2012, 382 Rn. 43 - SABAM/Netlog; GRUR 2014, 468 Rn. 45 f. - UPC Telekabel). Die Mitgliedstaaten haben bei der Umsetzung der Richtlinie 2001/29/EG ferner darauf zu achten, dass sie ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den durch die Unionsrechtsordnung geschützten Grundrechten sicherstellen (EuGH, Urteil vom 29. Januar 2008 - C-275/06, Slg. 2008, I-271 = GRUR 2008, 241 Rn. 68 - Promusicae; EuGH, GRUR 2014, 468 Rn. 46 - UPC Telekabel). Das nationale Recht ist also unter Beachtung der Grundrechte der Europäischen Union und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auszulegen und anzuwenden (EuGH, GRUR 2014, 468 Rn. 45 f. - UPC Telekabel).
- 31
- Die Grundrechte sind auch nach deutschem Grundrechtsverständnis im Rahmen der Beurteilung der Störerhaftung zu berücksichtigen. Sie sind zwar primär Abwehrrechte des Bürgers gegenüber dem Staat, die nicht unmittelbar zwischen Privaten gelten, die jedoch als Verkörperung einer objektiven Wertordnung auf die Auslegung des Privatrechts - insbesondere seiner Generalklauseln - ausstrahlen (sog. mittelbare Drittwirkung der Grundrechte; grundlegend BVerfGE 7, 198, 205 ff. - Lüth-Urteil; vgl. Müller-Franken in SchmidtBleibtreu /Hofmann/Hennecke, GG, 13. Aufl., Vorb. v. Art. 1 Rn. 22 mwN). Die betroffenen Grundrechte der Beteiligten sind mithin bei der umfassenden Interessenabwägung zu berücksichtigen, die im Rahmen der Störerhaftung bei der lediglich nach Art einer Generalklausel umschriebenen Bestimmung zumutbarer Prüfungspflichten vorzunehmen ist (vgl. Durner, ZUM 2010, 833, 837).
- 32
- Weil nach Auffassung des Gerichtshofs der Europäischen Union die unionsrechtlichen Grundrechte auf den mitgliedstaatlichen Umsetzungsakt einwirken , ist allerdings fraglich, welcher Raum für eine nationale Grundrechtsprüfung verbleibt (vgl. BGH, Urteil vom 28. September 2011 - I ZR 96/10, GRUR 2012, 647 Rn. 39 = WRP 2012, 705 - INJECTIO; Nazari-Khanachayi, GRUR 2015, 115, 119). Das Bundesverfassungsgericht übt seine Gerichtsbarkeit über die Anwendbarkeit von abgeleitetem Unionsrecht in Deutschland, das als Rechtsgrundlage für ein Verhalten deutscher Gerichte und Behörden in Anspruch genommen wird, nicht mehr aus und überprüft dieses Recht mithin nicht am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes, solange die Europäische Union, insbesondere die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, einen wirksamen Schutz der Grundrechte generell gewährleisten, der dem vom Grundgesetz jeweils als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im Wesentlichen gleich zu achten ist, insbesondere den Wesensgehalt der jeweiligen Grundrechte generell verbürgt (vgl. BVerfGE 73, 339, 387; 102, 147, 162 ff.; 118, 79, 95 ff.). Desgleichen misst das Bundesverfassungsgericht eine inner- staatliche Rechtsvorschrift, die eine Richtlinie in deutsches Recht umsetzt, insoweit nicht an den Grundrechten des Grundgesetzes, als das Unionsrecht keinen Umsetzungsspielraum lässt, sondern zwingende Vorgaben macht (BVerfGE 118, 79, 95 ff.).
- 33
- (2) Zwingend ist im vorliegenden Fall die in Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG sowie in Art. 11 Satz 3 der Richtlinie 2004/48/EG zum Ausdruck kommende unionsrechtliche Vorgabe, im Recht der Mitgliedstaaten die Möglichkeit einer Anordnung gegen Vermittler bereitzustellen, deren Dienste für rechtsverletzende Handlungen genutzt werden. Ein Gestaltungsspielraum verbleibt den Mitgliedstaaten jedoch, soweit sie nach den Richtlinien die Modalitäten der unionsrechtlich vorgesehenen Anordnung gegen Vermittler festlegen können (vgl. Erwägungsgrund 59 der Richtlinie 2001/29/EG sowie EuGH, GRUR 2011, 1025 Rn. 135 - L'Oréal/eBay; GRUR 2012, 265 Rn. 32 - Scarlet/ SABAM; GRUR 2014, 468 Rn. 43 - UPC Telekabel). Besteht ein solcher Gestaltungsspielraum , verbleibt es bei der Anwendbarkeit auch der deutschen Grundrechte.
- 34
- cc) Das Berufungsgericht hat unerwähnt gelassen, dass auf Seiten der Klägerin bei der Verfolgung eines effektiven Urheberrechtsschutzes die grundrechtliche Gewährleistung des Eigentums gemäß Art. 17 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta und Art. 14 Abs. 1 GG zu beachten ist, die auch das geistige Eigentum umfasst (vgl. EuGH, GRUR 2014, 468 Rn. 47 - UPC Telekabel; Wendt in Sachs, Grundgesetz, 7. Aufl., Art. 14 Rn. 20a, 24 mwN). Auch wenn die Richtlinie 2001/29/EG nach ihrem Erwägungsgrund 9 ein hohes urheberrechtliches Schutzniveau bezweckt, so ist der grundrechtliche Schutz des geistigen Eigentums nach dem Unionsrecht weder schranken- noch bedingungslos gewährleistet , sondern in ein Gleichgewicht mit anderen Grundrechten zu bringen (vgl. EuGH, GRUR Int. 2012, 153 Rn. 43 f. - Scarlet/SABAM; GRUR 2014, 468 Rn. 61 - UPC-Telekabel).
- 35
- dd) Das Berufungsgericht ist des Weiteren nicht darauf eingegangen, dass im Rahmen der Abwägung die Grundrechte der Beklagten auf unternehmerische Freiheit und auf Berufsfreiheit zu berücksichtigen sind.
- 36
- (1) Das Recht auf unternehmerische Freiheit gemäß Art. 16 EU-Grundrechtecharta und das Grundrecht der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG erfassen auch die Art und Weise der unternehmerischen Tätigkeit. Dazu zählt die Freiheit des Unternehmers, über seine wirtschaftlichen, technischen und finanziellen Ressourcen zu verfügen (EuGH, GRUR 2014, 468 Rn. 47 ff. - UPC Telekabel; Mann in Sachs aaO Art. 12 Rn. 79). Mithin handelt es sich bei Art und Umfang des vom Zugangsvermittler aufzubringenden administrativen, technischen und finanziellen Aufwands für die Durchsetzung einer Sperranordnung um einen Aspekt, der im Rahmen der umfassenden Grundrechtsabwägung zu berücksichtigen ist. Dies gilt ungeachtet dessen, dass der Gerichtshof der Europäischen Union den Wesensgehalt des Rechts auf unternehmerische Freiheit durch eine Sperranordnung nicht tangiert sieht, wenn dem Diensteanbieter die Verpflichtung auferlegt wird, seine Ressourcen für eventuell kostenträchtige Maßnahmen einzusetzen, die beträchtliche Auswirkungen auf die Ausgestaltung seiner Tätigkeit haben oder schwierige und komplexe technische Lösungen erfordern (EuGH, GRUR 2014, 468 Rn. 49 ff. - UPC Telekabel).
- 37
- (2) Vorliegend hat das Berufungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen , in welcher Weise und in welchem Umfang die Beklagte in ihrer unternehmerischen Betätigung durch die Anordnung einer Sperre - etwa wegen des hiermit verbundenen organisatorischen, technischen oder finanziellen Aufwands oder sonstiger negativer Folgen für den Betrieb ihres Unternehmens - einge- schränkt würde. Die Zumutbarkeit der Anordnung hat als anspruchsbegründende Tatsache der Anspruchsteller darzulegen (BGH, Urteil vom 10. April 2008 - I ZR 227/05, GRUR 2008, 1097 Rn. 19 = WRP 2008, 1517 - Namensklau im Internet). Hat dieser keinen Einblick in die technischen Möglichkeiten und kann er von sich aus nicht erkennen, ob dem in Anspruch genommenen Diensteanbieter der Einsatz einer bestimmten Maßnahme im Hinblick auf interne Betriebsabläufe zumutbar ist, so ist der Diensteanbieter im Rahmen der ihn treffenden sekundären Darlegungslast gehalten, im Einzelnen vorzutragen, welche Schutzmaßnahmen er ergreifen kann und weshalb ihm - falls diese Maßnahmen keinen lückenlosen Schutz gewährleisten - weitergehende Maßnahmen nicht zuzumuten sind. Erst ein solcher Vortrag versetzt den Anspruchsteller in die Lage, seinerseits die Zumutbarkeit darzulegen (vgl. BGH, GRUR 2008, 1097 Rn. 19 f. - Namensklau im Internet).
- 38
- ee) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Beklagte ein legitimes, gesellschaftlich erwünschtes Geschäftsmodell betreibt, welches nicht im Sinne der Rechtsprechung des Senats (vgl. BGH, GRUR 2009, 841 Rn. 21 f. - Cybersky) von vornherein auf eine urheberrechtsverletzende Nutzung angelegt ist. Hieraus folgt aber lediglich, dass der Beklagten keine allgemeinen Überwachungs- oder Nachforschungspflichten auferlegt werden dürfen (s.o. Rn. 26). Solche verlangt die Klägerin auch nicht.
- 39
- ff) Das Berufungsgericht hat die Zumutbarkeit zu Recht nicht an der Effektivität der zur Verfügung stehenden technischen Sperrmaßnahmen scheitern lassen.
- 40
- (1) Der Gerichtshof der Europäischen Union verlangt, dass die vom Zugangsvermittler verlangten Sperrmaßnahmen hinreichend effektiv sind, um einen wirkungsvollen Schutz des Grundrechts auf Eigentum sicherzustellen. Die Maßnahmen müssen danach bewirken, dass unerlaubte Zugriffe auf die Schutzgegenstände verhindert oder zumindest erschwert werden und dass die Internetnutzer zuverlässig vom Zugriff darauf abgehalten werden (EuGH, GRUR 2014, 468 Rn. 62 f. - UPC Telekabel).
- 41
- (2) Das Berufungsgericht hat zur Frage der Effektivität der Sperrmaßnahmen keine Feststellungen getroffen, sondern diese Frage dahinstehen lassen. Im Revisionsverfahren ist zugunsten der Klägerin davon auszugehen, dass die Sperrmaßnahmen hinreichend effektiv sind.
- 42
- gg) Die Annahme des Berufungsgerichts, im vorliegenden Fall spreche die Gefahr der Sperrung rechtmäßiger Inhalte gegen die Zumutbarkeit des begehrten Verbots, wird durch seine tatsächlichen Feststellungen nicht getragen.
- 43
- (1) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, bei Durchführung der Sperrmaßnahmen bestehe die Gefahr, dass der Zugang zu rechtmäßigen Angeboten unterbunden werde, dadurch Rechte Dritter nachhaltig beeinträchtigt würden und die Beklagte deshalb unter Umständen Schadensersatz- und Unterlassungsansprüchen Dritter ausgesetzt sei. Nähere Feststellungen zur Betroffenheit legaler Inhalte hat das Berufungsgericht allerdings nicht getroffen.
- 44
- (2) Im Hinblick auf das Grundrecht der Internetnutzer auf Informationsfreiheit (Art. 11 Abs. 1 EU-Grundrechtecharta, Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) verlangt der Gerichtshof der Europäischen Union, dass Sperrmaßnahmen streng zielorientiert sind, indem sie die Urheberrechtsverletzung beenden, ohne Internetnutzern die Möglichkeit zu nehmen, rechtmäßig Zugang zu Informationen zu erlangen (EuGH, GRUR 2014, 468 Rn. 56 - UPC Telekabel). Soll sich der Anbieter eines auf Rechtsverletzungen angelegten Geschäftsmodells nicht hinter wenigen legalen Angeboten verstecken können, liegt es auf der Hand, dass eine Sperrung nicht nur dann zulässig sein kann, wenn ausschließlich rechtswidrige Informationen auf der Webseite bereitgehalten werden (J.B. Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 11. Aufl., § 97 UrhG Rn. 170; Leistner/ Grisse, GRUR 2015, 105, 108). Im Rahmen der Grundrechtsabwägung hat auch der Gerichtshof der Europäischen Union das Kriterium der strengen Zielorientierung dahingehend formuliert, dass die ergriffenen Sperrmaßnahmen den Internetnutzern die Möglichkeit, in rechtmäßiger Weise Zugang zu den verfügbaren Informationen zu erhalten, "nicht unnötig" vorenthalten dürfen (EuGH, GRUR 2014, 468 Rn. 63 - UPC Telekabel; vgl. Leistner/Grisse, GRUR 2015, 105, 108). In der das File-Hosting betreffenden Rechtsprechung hat der Senat anerkannt, dass die Erfüllung von Prüfpflichten im Interesse eines wirksamen Schutzes des Urheberrechts nicht unzumutbar ist, auch wenn dies im Einzelfall zu einer Löschung rechtmäßiger Inhalte führt, sofern auf diese Weise die legale Nutzung des Angebots des Diensteanbieters nur in geringem Umfang eingeschränkt und dessen Geschäftsmodell dadurch nicht grundlegend in Frage gestellt wird (BGH, Urteil vom 12. Juli 2007 - I ZR 18/04, BGHZ 173, 188 Rn. 60 - Jugendgefährdende Medien bei eBay; BGHZ 194, 339 Rn. 45 - Alone in the Dark; BGH, GRUR 2013, 1030 Rn. 62 - File-Hosting-Dienst). Bei der vorzunehmenden Gewichtung ist deshalb nicht auf eine absolute Zahl rechtmäßiger Angebote auf der jeweiligen Seite, sondern auf das Gesamtverhältnis von rechtmäßigen zu rechtswidrigen Inhalten abzustellen und zu fragen, ob es sich um eine nicht ins Gewicht fallende Größenordnung von legalen Inhalten handelt (vgl. Leistner/Grisse, GRUR 2015, 105, 108 f.).
- 45
- Mangels entsprechender tatsächlicher Feststellungen kann vorliegend nicht beurteilt werden, in welchem Umfang legale Angebote betroffen gewesen wären, wenn die Internetseite "3. " gesperrt worden wäre.
- 46
- (3) Für die Rechtmäßigkeit einer Anordnung unter dem Aspekt der Informationsfreiheit ist nach Auffassung des Gerichtshofs der Europäischen Union weiter erforderlich, dass die nationalen Verfahrensvorschriften den Internetnutzern ermöglichen, ihre Rechte nach Bekanntwerden der vom Anbieter getroffenen Sperrmaßnahmen vor Gericht geltend zu machen (EuGH, GRUR 2014, 468 Rn. 56 - UPC Telekabel). Diesem Erfordernis kann im nationalen Recht dadurch Rechnung getragen werden, dass Internetnutzer ihre Rechte gegenüber dem Zugangsprovider auf der Grundlage des zwischen ihnen bestehenden Vertragsverhältnisses gerichtlich geltend machen können (vgl. österr. OGH, GRUR Int. 2014, 1074, 1079; Nordemann, ZUM 2014, 499, 500; Leistner/ Grisse, GRUR 2015, 105, 110; aA Spindler, GRUR 2014, 826, 833 f.; Ohly, ZUM 2015, 308, 318).
- 47
- hh) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kommt dem Fernmeldegeheimnis gemäß Art. 10 Abs. 1 GG und dem Grundrecht aus Art. 7 EU-Grundrechtecharta auf Achtung der Kommunikation im Rahmen der Abwägung keine maßgebliche Bedeutung zu.
- 48
- (1) Für die Beurteilung der Frage, ob die zur Umsetzung des begehrten Verbots erforderlichen Maßnahmen an Art. 10 Abs. 1 GG und Art. 7 EU-Grundrechtecharta zu messen sind, sind die Feststellungen zugrunde zu legen, die das Berufungsgericht zu deren technischen Voraussetzungen getroffen hat. Danach kann das gegenüber der Beklagten begehrte Verbot, ihren Kunden Zugang zu den über den Internetdienst "3. " abrufbaren Tonträgern zu vermitteln , durch drei technische Methoden - eine DNS-Sperre, eine IP-Sperre oder eine URL-Sperre durch Verwendung eines "Zwangs-Proxys" - umgesetzt werden.
- 49
- Die DNS-Sperre zielt auf das "Domain Name System" (DNS), bei dem - nach Art eines Telefonbuchs - jeder Domain-Bezeichnung eine numerische IPAdresse zugeordnet ist, die bei der Eingabe eines Domainnamens in die Browserzeile durch den DNS-Server des Zugangsproviders aufgefunden wird, so dass die Anfrage an den Server mit der entsprechenden IP-Adresse weitergeleitet werden kann. Die DNS-Sperre besteht darin, dass die Zuordnung von Domain-Bezeichnung und IP-Adresse auf dem DNS-Server des Zugangsproviders verhindert wird, so dass die betroffene Domain-Bezeichnung - gleichsam wie bei einer Löschung eines Telefonbucheintrags - nicht mehr zur entsprechenden Internetseite führt, die allerdings unter der IP-Adresse weiterhin erreichbar ist (vgl. Sieber/Nolde, Sperrverfügungen im Internet, S. 50; Leistner/ Grisse, GRUR 2015, 19, 22).
- 50
- Die IP-Sperre setzt bei der IP-Adresse (Internet-Protocol-Adresse) einer Webseite an, über die diese im Internet aufgefunden wird, indem durch eine Änderung in der bei dem Zugangsprovider betriebenen Routingtabelle die Weitersendung von Daten an die Zieladresse, die gesperrt werden soll, verhindert wird. Sie führt dazu, dass sämtliche unter der IP-Adresse betriebenen Seiten nicht erreichbar sind (Sieber/Nolde aaO S. 50; Leistner/Grisse, GRUR 2015, 19, 23 f.).
- 51
- Die URL-Sperre durch Verwendung eines "Zwangs-Proxys" bewirkt, dass der Zugriff auf durch die URL (Uniform Resource Locator) identifizierbare einzelne Seiten eines Internetauftritts gesperrt wird. Hierzu wird der gesamte Datenverkehr über einen gesonderten Server geleitet ("Zwangs-Proxy"), der in der Lage ist, die in die Datenpakete der Nutzeranfrage eingebettete Information zur URL zu analysieren ("Deep packet inspection"; vgl. Sieber/Nolde aaO S. 51; Leistner/Grisse, GRUR 2015, 19, 24).
- 52
- jeder Kenntnisnahme, Aufzeichnung und Verwertung der Kommunikationsinhalte oder -daten durch den Staat und begründet zugleich - auch soweit es sich (wie vorliegend) um von Privaten betriebene Telekommunikationsanlagen handelt - eine Schutzpflicht des Staates gegen unbefugte Kenntniserlangung Dritter (Pagenkopf in Sachs aaO Art. 10 Rn. 14; Durner in Maunz/Dürig, GG, 73. Lief., Art. 10 Rn. 112 mwN). Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis gewährleisten die freie Entfaltung der Persönlichkeit durch einen privaten, vor der Öffentlichkeit verborgenen Austausch von Nachrichten, Gedanken und Meinungen als Informationen (vgl. BVerfGE 67, 157, 171; 106, 28, 35 f.; 110, 33, 53; BVerfG, NJW 2007, 351, 352). Anknüpfungspunkt des Schutzes von Art. 10 Abs. 1 GG ist stets der nichtöffentliche Austausch konkreter Kommunikationsteilnehmer; dagegen unterfällt an die Allgemeinheit gerichtete Kommunikation nicht dieser Vorschrift (Durner in Maunz/Dürig aaO Art. 10 Rn. 92; ders., ZUM 2010, 833, 838). Bezogen auf Internetkommunikation hat das Bundesverfassungsgericht etwa Maildienste, Chatdienste und nichtöffentliche Diskussionsforen als vom Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 GG erfasst angesehen (BVerfGE 120, 274, 340; vgl. auch BVerfGE 113, 348, 383). Die bloße Verhinderung von Kommunikation fällt nicht in den Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 GG (vgl. Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl., Art. 10 Rn. 12; Durner, ZUM 2010, 833, 841).
- 53
- (3) Die Beurteilung der vorliegend in Rede stehenden Sperrmaßnahmen anhand des Maßstabes des Art. 10 Abs. 1 GG ist umstritten. Stellt man auf das Kriterium der Öffentlichkeit ab, so ist das an eine unbestimmte Vielzahl von Adressaten gerichtete Angebot von Links zum Download im Internet keine vertrauliche Individualkommunikation, sondern als öffentliches Angebot vom Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 GG nicht erfasst (vgl. Schenke in Stern/Becker, Grundrechte -Kommentar, Art. 10 Rn. 41; Jarass in Jarass/Pieroth aaO Art. 10 Rn. 6; Czychowkski, MMR 2004, 514, 518; Durner, ZUM 2010, 833, 840 f.; Sankol, MMR 2006, 361, 364; Billmeier, Die Düsseldorfer Sperrungsverfügung, 2007, S. 182 ff., 273 f.; Kropp, Die Haftung von Host- und Access-Providern bei Urheberrechtsverletzungen , 2012, S. 162). Nach anderer Auffassung tangiert zwar nicht die DNS-Sperre, sehr wohl aber die IP- und die URL-Sperre die durch Art. 10 Abs. 1 GG geschützte Vertraulichkeit der Kommunikation. Zur Begründung wird angeführt, für die Unterscheidung zwischen Individual- und Massenkommunikation im Internet sei eine Auswertung erforderlich, die Rückschlüsse auf Nutzer und Kommunikationsinhalte zulassen könnte (vgl. Hermes in Dreier, Grundgesetz, 3. Aufl., Art. 10 Rn. 40; Sieber/Nolde aaO S. 79 ff.; Germann, Gefahrenabwehr und Strafverfolgung im Internet, 2000, S. 118; Sievers, Der Schutz der Kommunikation im Internet durch Art. 10 des Grundgesetzes, 2003, S. 129 f.).
- 54
- (4) Der Senat schließt sich der Auffassung an, dass bei Anwendung der gebotenen teleologischen Betrachtungsweise sämtliche hier erörterten Zugangssperren nicht den Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 GG berühren.
- 55
- Der Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 GG ist schon deshalb nicht berührt, weil das öffentliche Angebot von Dateien zum Download und auch der Zugriff darauf keine von dieser Vorschrift geschützte Individualkommunikation darstellt. Dass der Zugriff auf ein öffentliches Angebot zum Download jeweils mittels individueller technischer Kommunikationsverbindungen erfolgt, rechtfertigt die Einstufung als Kommunikation im Sinne des Art. 10 Abs. 1 GG nicht, weil eine bloße technische Kommunikation nicht die spezifischen Gefahren für die Privatheit der Kommunikation aufweist, die diese Vorschrift schützt (vgl. Durner, ZUM 2010, 833, 840 f.). Ein solcher Zugriff stellt sich vielmehr als öffentliche, der Nutzung von Massenmedien vergleichbare Kommunikationsform dar, die von anderen Grundrechten - insbesondere Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG - erfasst wird (vgl. Billmeier aaO S. 183).
- 56
- Der Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 GG ist, sofern keine weitergehende Sichtung und Auswertung der Daten erfolgt, auch deshalb nicht eröffnet, weil die Zugangssperren allein Maßnahmen der Kommunikationsverhinderung sind. In diesem Fall beschränkt sich die (automatisierte) Kenntnisnahme des Providers von Umständen der Kommunikation allein auf das zur Unterbrechung der Kommunikation Erforderliche (vgl. Durner, ZUM 2010, 833, 842; Leistner/ Grisse, GRUR 2015, 19, 22 ff.). Das Bundesverfassungsgericht verneint im Falle der Erfassung von Fernmeldevorgängen einen Grundrechtseingriff, sofern diese lediglich technikbedingt erfasst und anonym, spurenlos und ohne Erkenntnisinteresse für die Behörden umgehend ausgesondert werden (vgl. BVerfGE 100, 313, 366; 107, 299, 328; Durner, ZUM 2010, 833, 842). Wenn bei der Durchführung von IP- und URL-Sperren die hierfür notwendigen Daten unmittelbar nach der Erfassung technisch wieder anonym, spurenlos und ohne weitergehendes Erkenntnisinteresse gelöscht werden, kommt den Maßnahmen die Qualität eines Eingriffs in Art. 10 Abs. 1 GG nicht zu (vgl. Durner, ZUM 2010, 833, 842). Sofern die Erfassung und Verwendung der für die Sperrmaßnahmen erforderlichen Daten bei dem Access-Provider ohnehin zur Herstellung der jeweiligen Verbindung benötigt würde, käme ein solcher Eingriff schon deshalb nicht in Betracht, weil die Kenntnisnahme von Umständen, die für die Erbringung des Telekommunikationsdienstes erforderlich sind, gemäß § 88 Abs. 3 Satz 1 TKG nicht vom Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses umfasst ist (vgl. Durner, ZUM 2010, 833, 845; Leistner/Grisse, GRUR 2015, 19, 24 f.).
- 57
- (5) Das Grundrecht auf Achtung der Kommunikation gemäß Art. 7 EUGrundrechtecharta wird durch die genannten Sperrmaßnahmen ebenfalls nicht tangiert. Dies gilt trotz des Umstands, dass dieses Grundrecht - insoweit weitergehend als Art. 10 Abs. 1 GG - auch vor der bloßen Verhinderung oder Verzögerung der Kommunikation schützt (vgl. Jarass, Charta der Grundrechte der EU, 2. Aufl., Art. 7 Rn. 50). Schutzzweck des Art. 7 EU-Grundrechtecharta ist gleichfalls die Vertraulichkeit der Kommunikation, die an bestimmte Adressaten und nicht an die Öffentlichkeit gerichtet ist (Jarass aaO Art. 7 Rn. 47; Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 4. Aufl., Art. 7 Rn. 24). Dieser Schutzzweck wird durch die Sperrung öffentlicher Download-Angebote oder des Zugriffs darauf nicht berührt. Insoweit gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend (Rn. 55).
- 58
- ii) Zu beanstanden ist ferner die Annahme des Berufungsgerichts, die für die Umsetzung des begehrten Verbots erforderlichen Sperrmaßnahmen bedürften als grundrechtsrelevante Maßnahmen nach der sogenannten Wesentlichkeitstheorie einer spezialgesetzlichen Grundlage.
- 59
- (1) Ausgehend von der Ansicht, der Staat dürfe in Grundrechte des Bürgers , insbesondere in dessen Freiheit und Eigentum, nur auf Grund eines Gesetzes eingreifen, hat das Bundesverfassungsgericht den Vorbehalt des Gesetzes anhand der sogenannten Wesentlichkeitstheorie fortentwickelt. Danach muss der Gesetzgeber in grundlegenden normativen Bereichen des Verhältnisses zwischen Staat und Bürgern, vor allem im Bereich der Ausübung konkurrierender Grundrechte, alle wesentlichen Entscheidungen selbst treffen (BVerfGE 49, 89, 126; 108, 282, 311; Hofmann in Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke aaO Art. 20 Rn. 69, Sachs in Sachs aaO Art. 20 Rn. 117). Die Bestimmung dessen, was jenseits der klassischen Eingriffslage "wesentlich" ist, unterliegt erheblichen Schwierigkeiten (vgl. Ossenbühl, Handbuch des Staatsrechts, 3. Aufl., Bd. 5, § 101 Rn. 56). Festzuhalten ist jedoch, dass die Wesentlichkeitstheorie nur für das Verhältnis zwischen Staat und Bürgern, nicht zwischen gleichgeordneten Rechtsträgern gilt (BVerfG, NJW 1991, 2549, 2550; NJW 1993, 1379, 1380; Hofmann in Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hennecke aaO Art. 20 Rn. 69; Jachmann, JA 1994, 399, 400 f.). Mit dem Kriterium der Wesentlichkeit kann beurteilt werden, ob die in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Gebote der Demokratie und des Rechtsstaats der Delegation von Rechtssetzung vom Parlament auf die Exekutive entgegenstehen. Bei einer Kollision gegenläufiger Grundrechte gleichgeordneter Rechtsträger stellt sich eine solche Kompetenzfrage nicht, weil der Staat in einen solchen Konflikt über die Gerichte lediglich als Vermittler eingebunden ist, der nicht die Zulässigkeit eines hoheitlichen Grundrechtseingriffs prüft, sondern die betroffenen Belange gegeneinander abwägt (Jachmann, JA 1994, 399, 400 f.; Durner, ZUM 2010, 833, 835).
- 60
- (2) Vorliegend ist nicht das Verhältnis zwischen Staat und Bürgern, sondern eine zivilrechtliche Haftungsfrage zwischen demjenigen, der den Schutz von Urheberrechten verfolgt und einem Telekommunikationsunternehmen, also zwischen gleichgeordneten Grundrechtsträgern betroffen. Im Streit zwischen Privaten müssen die Gerichte aber selbst bei unzureichenden gesetzlichen Vorgaben das materielle Recht mit den anerkannten Methoden der Rechtsfindung aus den für das betreffende Rechtsverhältnis maßgeblichen allgemeinen Rechtsgrundlagen ableiten (vgl. BVerfGE 84, 212, 226 f.). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts lassen sich aus den gesetzgeberischen Vorgängen um das zunächst in Kraft getretene, später wieder aufgehobene Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen (BGBl. 2010 I, S. 78) keine für das Verhältnis zwischen Privatrechtssubjekten relevanten Schlüsse ziehen. Dieses Gesetz betraf staatlicherseits angeordnete Sperren oder Zugangserschwerungen für Webseiten mit kinderpornographischen Inhalten und regelte einen klassischen eingriffsrechtlichen Sachverhalt im Verhältnis des Staates zum Bürger.
- 61
- (3) Mit der Störerhaftung, die richterrechtlich aus einer Analogie zu § 1004 BGB abgeleitet wird und im Bereich der Immaterialgüterrechte - absoluter Rechte im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB - weiter Anwendung findet, ist eine hinreichende Rechtsgrundlage für die Beurteilung der vorliegenden Konstellation gegeben (vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2001 - I ZR 22/99, GRUR 2002, 618, 619 = WRP 2002, 532 - Meißner Dekor; BGHZ 158, 236, 251 - InternetVersteigerung I; Köhler, GRUR 2008, 1, 6; Leistner/Grisse, GRUR 2015, 19 f.; Nordemann, ZUM 2014, 499). Der deutsche Gesetzgeber hat bei einer gegen einen Vermittler gerichteten Verbotsanordnung angesichts der Regelung des § 97 UrhG in Verbindung mit dem Institut der Störerhaftung keinen gesonderten Gesetzgebungsbedarf gesehen (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft, BT-Drucks. 15/38, S. 35, 39; Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums , BR-Drucks. 64/07, S. 70, 75; vgl. auch BGHZ 172, 119 Rn. 37 - InternetVersteigerung
II).
- 62
- (4) Aus unionsrechtlicher Sicht ist die Frage des Gesetzesvorbehalts ebenso zu beantworten. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat im privatrechtlichen Streit zwischen dem Inhaber des Urheberrechts und einem Diensteanbieter die Vorschrift des Art. 52 Abs. 1 Satz 1 EU-Grundrechtecharta entgegen der Empfehlung des Generalanwalts Villalón (Schlussanträge vom 14. April 2011 in der Rs. C-70/10 - Scarlet/SABAM Rn. 88 ff., 101 ff.) nicht angewendet (vgl. EuGH, GRUR 2012, 265 Rn. 30 ff. - Scarlet/SABAM; Spindler, JZ 2012, 311, 312). Nach dieser Bestimmung muss jede Einschränkung der Ausübung der in der EU-Grundrechtecharta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein. Bereits in der Sache "L'Oréal/eBay" hatte der Gerichtshof der Europäischen Union den Einwand mangelnder spezifischer Regelung mit dem Hinweis auf die Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung nicht durchgreifen lassen (vgl. EuGH, GRUR 2011, 1025 Rn. 137 - L'Oréal/eBay; Rössel, jurisPRITR 25/2011 Anm. 2 unter C 6).
- 63
- jj) Soweit bei der Vornahme der Sperren personenbezogene Daten erfasst werden, ist in die Zumutbarkeitsbetrachtung auch das Grundrecht der Internetnutzer auf Schutz ihrer personenbezogenen Daten (Art. 8 EU-Grundrechtecharta ) und auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 1 und 2 Abs. 1 GG einzustellen. Diese Grundrechte sprechen nicht gegen die Zumutbarkeit der Anordnung von Sperren gegen Access-Provider, sofern für deren Durchführung IP-Adressen der Nutzer lediglich im Einklang mit § 95 TKG verwendet werden.
- 64
- (1) Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung hat - bezogen auf Kommunikationsdaten - im Recht des Datenschutzes der §§ 91 ff. TKG seine einfachgesetzliche Ausprägung gefunden, die die Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten im Bereich der Telekommunikation regeln (vgl. Durner, ZUM 2010, 833, 843). Personenbezogene Daten im Sinne des § 3 Abs. 1 BDSG sind unter anderem die IP-Adressen, weil der Access-Provider einen Bezug zwischen den IP-Adressen und der Person des Nutzers herstellen kann (vgl. EuGH, GRUR 2012, 265 Rn. 51 - Scarlet/SABAM; Braun in Geppert/ Schütz, Beckscher TKG-Komm., 3. Aufl., § 91 Rn. 16; Kropp aaO S. 164). Soweit daher für die Durchführung der in Betracht kommenden Sperren die IPAdressen der Nutzer erfasst und verwendet werden, sind mithin die Datenschutzgrundrechte aus Art. 8 EU-Grundrechtecharta und Art. 1 und 2 Abs. 1 GG für die Abwägung relevant. Dies ist für IP- und URL-Sperren der Fall, bei denen die in der Anfrage des Nutzers angegebene IP-Adresse oder URL der Zielseite zumindest kurzzeitig verwendet werden (vgl. Durner, ZUM 2010, 833, 844; Kropp aaO S. 164 f.). Hingegen sind DNS-Sperren insoweit schon im Ausgangspunkt unproblematisch, da hier lediglich - ohne Zugriff auf IP-Adressen - das Zustandekommen von Verbindungen unterbunden wird (Durner, ZUM 2010, 833, 845; Kropp aaO S. 165).
- 65
- Nach § 95 TKG darf der Diensteanbieter Bestandsdaten - dies sind gemäß § 3 Nr. 3 TKG die Daten eines Teilnehmers, die für die Begründung, inhaltliche Ausgestaltung, Änderung oder Beendigung eines Vertragsverhältnisses über Telekommunikationsleistungen erhoben werden - erheben und verwenden, soweit dies für die genannten Zwecke erforderlich ist. Einer strengeren Regelung unterliegen die Verkehrsdaten, also die bei der Erbringung des Telekommunikationsdienstes erhobenen, verarbeiteten oder genutzten Daten (§ 3 Nr. 30 TKG). Gemäß § 96 Abs. 1 TKG darf der Diensteanbieter die Verkehrsdaten nur für die in der Vorschrift genannten Zwecke erheben, die das Herstellen und Aufrechterhalten einer Kommunikationsverbindung betreffen (vgl. Eckhardt in Spindler/ Schuster aaO § 96 TKG Rn. 1). Nach § 96 Abs. 1 Satz 2 TKG dürfen die solchermaßen erhobenen Daten für die in Satz 1 der Vorschrift sowie in anderen gesetzlichen Vorschriften begründeten Zwecke verwendet werden.
- 66
- (2) IP-Adressen der Nutzer unterfallen als Bestandsdaten dem § 95 Abs. 1 TKG (vgl. BGHZ 185, 330 Rn. 19 - Sommer unseres Lebens). Ihre Erhebung und Verwendung ist zulässig, wenn dies zum Zwecke der Begründung, inhaltlichen Ausgestaltung, Änderung oder Beendigung eines Vertragsverhältnisses über Telekommunikationsleistungen erfolgt. Diesem Zweck entspricht die Nutzung der Daten zur Wahrnehmung der Rechte und Pflichten des Nutzers aus dem Vertrag, etwa die Abwicklung des Zahlungsverkehrs, die Störungsbeseitigung oder Bearbeitung von Kundenbeschwerden (Büttgen in Geppert /Schütz aaO § 95 Rn. 5). Ob die Nutzung der IP-Adresse zur Vermeidung von Urheberrechtsverletzungen im Internet verwendet werden darf, bestimmt sich nach dem Inhalt des zwischen dem Access-Provider und dem Nutzer bestehenden Vertrags. Soweit vertragliche - etwa in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene - Generalklauseln zum Umfang und Gegenstand der Pflicht der Beklagten zur Leistungserbringung dies gestatten, ist im Rahmen der Vertragsauslegung auf die im Zusammenhang mit Urheberrechtsverletzungen im Internet relevanten grundrechtlichen Wertungen sowie die unionsrechtliche Pflicht der Mitgliedstaaten Rücksicht zu nehmen, einen effektiven Urheberrechtsschutz in Form von Sperranordnungen gegen Access-Provider bereitzustellen (vgl. Durner, ZUM 2010, 833, 845). Von einer Verwendung der Daten zur Durchführung des Vertrags ist auch auszugehen, wenn dem Kunden im Vertrag die Pflicht auferlegt wird, den Abruf rechtswidriger Angebote zu unterlassen.
- 67
- Feststellungen zum Inhalt des Vertrags zwischen der Beklagten und den jeweiligen Nutzern sind vorliegend nicht getroffen. Die fehlenden Feststellungen wirken sich jedoch nicht zugunsten der Revision aus.
- 68
- d) Die Entscheidung des Berufungsgerichts erweist sich aus einem anderen Grunde als richtig (§ 561 ZPO). Das begehrte Verbot ist für die Beklagte deshalb nicht zumutbar, weil die Klägerin nicht in hinreichendem Maße gegen den Betreiber und den Host-Provider der Webseite "3. " vorgegangen ist.
- 69
- aa) Die Störerhaftung ist allerdings gegenüber der Inanspruchnahme des Täters im Grundsatz nicht subsidiär. Im Falle des Betreibers einer Internetplattform , in die Nutzer rechtswidrige Angebote eingestellt haben, bietet die Störerhaftung effektiven Rechtsschutz, weil nicht gegen eine Vielzahl einzelner Anbieter vorgegangen werden muss (vgl. BGH, Urteil vom 27. März 2007 - VI ZR 101/06, GRUR 2007, 724 Rn. 13 = WRP 2007, 795; BGHZ 173, 188 Rn. 40 - Jugendgefährdende Medien bei eBay). Damit ist der vorliegende Fall nicht vergleichbar, in dem einem Access-Provider abverlangt werden soll, den Zugang zu bestimmten Webseiten mit Linksammlungen zu unterbinden. Hier muss nicht statt des Zugangsvermittlers eine Vielzahl von Anbietern, sondern lediglich der Betreiber der beanstandeten Webseiten oder ein Host-Provider in Anspruch genommen werden, über den die beanstandete Webseite zugänglich gemacht wird.
- 70
- Im Hinblick darauf, dass der Access-Provider ein von der Rechtsordnung gebilligtes und in Bezug auf Rechtsverletzungen Dritter neutrales Geschäftsmodell verfolgt, ist es im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit von Überwachungs - und Sperrmaßnahmen angemessen, eine vorrangige Rechtsverfolgung gegenüber denjenigen Beteiligten zu verlangen, die - wie die Betreiber beanstandeter Webseiten - die Rechtsverletzung entweder selbst begangen oder - wie der Host-Provider der beanstandeten Webseiten - zu ihr durch die Erbringung von Dienstleistungen beigetragen haben. Dagegen kommt die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Zugangsvermittler nur unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit in Betracht, wenn die Inanspruchnahme des Betreibers der Webseite oder seines Host-Providers scheitert oder ihr jede Erfolgsaussicht fehlt und deshalb andernfalls eine Rechtsschutzlücke entstünde. Für dieses Ergebnis spricht auch der Umstand, dass der Betreiber der Webseite und sein Host-Provider wesentlich näher an der Rechtsgutsverletzung sind als derjenige, der nur allgemein den Zugang zum Internet vermittelt.
- 71
- bb) Das Vorgehen der Klägerin gegen den Betreiber und den HostProvider der Internetseite "3. " - ihren Vortrag als richtig unterstellt - rechtfertigt nicht den Schluss, der Beklagten als Access-Provider seien Maßnahmen zur Sperrung des Zugangs zu der fraglichen Internetseite zumutbar.
- 72
- (1) Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe gegen den von ihr als Betreiber der Webseite ermittelten S. M. am 22. August 2008 eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Düsseldorf erwirkt. Diese habe ebenso wenig wie vorgerichtliche Postsendungen unter der bei der Domain-Registrierung angegebenen Adresse in der Schweiz zugestellt werden können. Es habe sich um eine fingierte Adresse gehandelt, weil die Postleitzahl falsch gewesen sei und es in C. keinen "B. " gebe.
- 73
- Dieser Vortrag lässt zwar darauf schließen, dass der Betreiber der Webseite seine Inanspruchnahme durch Angabe einer falschen Anschrift verhindern wollte. Im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit ist allerdings vor der Inanspruchnahme des Access-Providers zu verlangen, dass der Rechteinhaber, der Verschleierungsmaßnahmen des Verletzers erkennt, naheliegende Bemühungen unternimmt, um die Identität und Erreichbarkeit des Rechtsverletzers zu klären. Mit der Auskunft, eine hinterlegte Postadresse sei falsch, darf sich der Rechteinhaber nicht zufriedengeben. Vielmehr ist ihm abzuverlangen, weitere Ermittlungen zur Sachverhaltsaufklärung - etwa durch die Beauftragung eines Detektivs oder anderer Unternehmer, die Ermittlungen im Zusammenhang mit rechtswidrigen Angeboten im Internet durchführen, oder durch die Einschaltung der Ermittlungsbehörden - zu veranlassen, um seine Rechte gegenüber dem Verletzer geltend machen zu können. Erst wenn solche weiteren Maßnahmen fehlschlagen und auch ein Vorgehen gegen den Host-Provider keinen Erfolg verspricht, ist die Inanspruchnahme des Access-Providers im Hinblick darauf zulässig, dass dem Rechteinhaber andernfalls kein effektiver Rechtsschutz gewährt würde.
- 74
- (2) Die Klägerin hat ferner erfolglos versucht, den Betreiber des Servers in Anspruch zu nehmen, auf dem die Webseite gespeichert war. Sie hat hierzu vorgetragen, sie habe im gegen den Betreiber der beanstandeten Webseite gerichteten Eilverfahren auch den von ihr ermittelten Betreiber des Servers in Anspruch nehmen wollen. Die ermittelte Adresse in L. sei jedoch ebenfalls falsch gewesen, so dass sie den Betreiber des Servers schon vorprozessual nicht habe erreichen können. Den entsprechenden Verfügungsantrag habe sie zurückgenommen, nachdem das Landgericht Düsseldorf darauf hin- gewiesen habe, dass eine Haftung des weiteren Antragsgegners ausscheide, solange dieser keine Kenntnis von der Rechtsverletzung habe.
- 75
- Dieses Vorgehen gegen den Host-Provider reicht für die Annahme, eine Rechtsverfolgung gegen den Access-Provider sei verhältnismäßig, ebenfalls noch nicht aus. Dem Rechtsinhaber obliegen zunächst weitere Maßnahmen der Sachverhaltsaufklärung, wenn ein Host-Provider seine Identität verschleiert, bevor eine Inanspruchnahme des Access-Providers zumutbar ist.
- 76
- e) Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Anlass für eine Zurückverweisung der Sache besteht nicht, weil neuer Sachvortrag nicht zu erwarten ist. Die Frage der vorrangigen Inanspruchnahme des Betreibers der Webseiten und des Host-Providers ist im Verfahren zwischen den Parteien kontrovers erörtert worden. Sie war auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Senat. Die Klägerin hat die von ihr vorgenommenen Bemühungen zur Ermittlung der Identität des Betreibers der Webseiten und des Host-Providers vorgetragen. Das rechtliche Gehör der Klägerin ist deshalb gewahrt. Der Grundsatz des fairen Verfahrens gebietet es nicht, der Klägerin durch eine Zurückverweisung die Möglichkeit zu verschaffen, bisher unterbliebene Ermittlungsmaßnahmen erst noch zu veranlassen.
- 77
- 5. Ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV ist nicht veranlasst. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat die Voraussetzungen einer Inanspruchnahme des Vermittlers nach Maßgabe des Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG in einer Reihe von Entscheidungen näher bestimmt (vgl. zuletzt EuGH, GRUR 2014, 468 - UPC Telekabel). Hierbei hat er ausgesprochen, dass die Modalitäten der von den Mitgliedstaaten nach Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG vorzusehenden Anordnungen, insbesondere deren Voraussetzungen und das einzuhaltende Verfahren, dem nationalen Recht zu entnehmen sind (EuGH, GRUR 2014, 468 Rn. 43 - UPC Telekabel). Im Streitfall stellen sich auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen keine Fragen, deren Klärung eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union erforderte.
- 78
- C. Nach den vorstehenden Ausführungen ist die Revision der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 12.03.2010 - 308 O 640/08 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 21.11.2013 - 5 U 68/10 -
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.
(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.
(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.
(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die klagende Aktiengesellschaft nimmt den Beklagten auf Löschung von im Internet abrufbaren Äußerungen in Anspruch.
- 2
- Der Beklagte ist Rechtsanwalt und war für die heute nicht mehr existierende Kanzlei Dr. S. & v. B. als freier Mitarbeiter tätig. Im Auftrag von Aktionären der Klägerin nahm er diese gerichtlich auf Erfüllung eines Vertrags über den Rückkauf von Aktien der Klägerin in Anspruch. Auf der Homepage der Kanzlei Dr. S. & v. B. wurde zeitnah über die Klageerhebung berichtet. Der Beitrag wurde später gelöscht. Vom 24. September 2010 an waren in dem Internetportal des B. e.V. und in dem Internetportal "recht§billig" mit dem Foto des Beklagten bebilderte Beiträge abrufbar, in dem unter voller Namensnennung wie folgt über die Klageerhebung berichtet wurde:
- 3
- "Die B. e.V. Anlegerschutzkanzlei Dr. S. & v. B. hat für Aktionäre Zahlungsklage gegen die A. & L. AG in H. erhoben. Die Aktionäre fordern die Erfüllung von Kaufzusagen bezüglich ihrer Aktien durch die A. & L. AG.
- 4
- Mit einem Emissionsprospekt warb die A. & L. AG im Jahre 2000 im Rahmen einer Kapitalerhöhung um Aktionäre. Angeboten wurden 10 Millionen Stück Aktien ohne Nennwert zum Verkaufspreis von 5 €. Die Gesellschaft wollte sich mit dem Kapital an Unternehmen in "interessanten aufstrebenden Branchen" beteiligen. Den umworbenen Anlegern wurde der baldige Börsengang zugesagt, ein Ziel, das der Alleinvorstand der Aktiengesellschaft schon bald wieder aufgab.
- 5
- Seit 2003 wird den Aktionären der Kauf ihrer Aktien zu einem höheren Preis als dem Emissionspreis versprochen und auch vertraglich zugesichert. Der Vorstand der A. & L. AG hält die Aktionäre mit immer neuen Versprechen, wonach die Kaufabwicklung unmittelbar bevorstehe, nun schon ganze sieben Jahre hin. Hinzu kommt, dass die Aktionäre außer Hinhalteparolen keine aussagekräftigen Informationen über das Unternehmen erhalten. Mindestens seit 2003 fand weder eine Hauptversammlung statt, noch gab es Geschäftsberichte. Dividendenzahlungen blieben völlig aus. Die wahre Geschäftstätigkeit und Geschäftsentwicklung des Unternehmens wird verschleiert.
- 6
- Die B. e.V. Anlegerschutzkanzlei Dr. S. & v. B. verfolgt mit der Klage das Ziel, dass von der A. & L. AG der bereits mehrfach zugesagte Kaufpreis für die Aktien nunmehr tatsächlich auch bezahlt wird.
- 7
- Betroffene Investoren können sich der Interessengemeinschaft "A. & L. AG" im B. e.V. anschließen."
- 8
- Nach einer Abmahnung des Beklagten war die Berichterstattung dort nicht mehr abrufbar. Die Klägerin stellte allerdings in der Folgezeit fest, dass eine entsprechende Berichterstattung unter der Überschrift "Zahlungsklage gegen A. & L. AG erhoben" in verschiedenen anderen Internetportalen abrufbar war. Die Berichterstattung war über Suchmaschinen abrufbar.
- 9
- Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, die Löschung des im Internet über Suchmaschinen abrufbaren Artikels vom 24. September 2010 "Zahlungsklage gegen A. & L. AG erhoben" zu bewirken. In einem nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht eingegangenen Schriftsatz hat die Klägerin hilfsweise beantragt, den Beklagten zu verurteilen , ihr jeden Schaden zu erstatten, der ihr infolge der jederzeitigen Abrufbarkeit des beanstandeten Artikels im Internet entstanden ist oder noch entstehen wird. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht hat die Klägerin hilfsweise beantragt, den Beklagten zu verurteilen, die Löschung folgender Passagen aus dem Artikel zu bewirken: "Seit 2003 wird den Aktionären der Kauf ihrer Aktien zu einem höheren Preis als dem Emissionspreis versprochen und auch vertraglich zugesichert. Der Vorstand der A. & L. AG hält die Aktionäre mit immer neuen Versprechen, wonach die Kaufabwicklung unmittelbar bevorstehe, nun schon ganze sieben Jahre hin. Hinzu kommt, dass die Aktionäre außer Hinhalteparolen keine aussagekräftigen Informationen über das Unternehmen erhalten. Die wahre Geschäftstätigkeit und Geschäftsentwicklung des Unternehmens wird verschleiert." Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
- 10
- Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht der Klägerin ein Löschungsanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Zwar sei der Beklagte jedenfalls Mittäter hinsichtlich der zunächst auf der Internetseite der Kanzlei von Dr. S. & v. B. abrufbaren Veröffentlichung. Da der Beitrag jedoch bereits vor Klageerhebung aus dem Internetauftritt herausgenommen worden sei, gehe das Löschungsbegehren insoweit ins Leere. Es könne offenbleiben, ob der Beklagte auch Täter hinsichtlich dieses oder eines inhaltsgleichen Beitrags auf den Seiten des B. e.V. sei, da auch diese Veröffentlichungen vor Klageerhebung gelöscht worden seien. Für die Folgeveröffentlichungen im Internet hafte der Beklagte nicht. Dass er Täter oder Teilnehmer hinsichtlich der Folgeveröffentlichungen sei, behaupte die Klägerin nicht. Der Beklagte sei aber auch nicht Störer. Als Störer sei verpflichtet, wer, ohne Täter oder Teilnehmer zu sein, in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Beeinträchtigung des Rechtsguts beitrage. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt, da der ur- sprüngliche Beitrag des Beklagten für die in Rede stehenden Folgeveröffentlichungen nicht adäquat kausal gewesen sei. Es entspreche nicht dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge, dass ein Beitrag des Beklagten ohne sein Zutun unter der möglichen Verletzung urheberrechtlich geschützter Positionen von Dritten veröffentlicht werde. Abgesehen davon habe der Beklagte nicht - wie für die Störerhaftung erforderlich - zumutbare Verhaltenspflichten verletzt. Es sei ihm nicht zuzumuten, fremde Internetauftritte zu überprüfen. Aber auch wenn er von rechtswidrigen Veröffentlichungen wisse, bestehe für ihn keine Löschungspflicht. Denn er sei nicht in der Lage, die Störung zu beseitigen, weil er keinen Zugriff auf fremde Internetauftritte habe. Zwar möge es Fälle geben, in denen einer Unterlassungsverpflichtung nur dadurch Genüge getan werden könne, dass aktiv in den Kausalverlauf eingegriffen werde. Dies könne aber nicht auf Fälle erstreckt werden, in denen - wie im Streitfall - die als rechtswidrig reklamierten Veröffentlichungen ohne Zutun durch den in Anspruch Genommenen erfolgten. Den mit - vom Landgericht nachgelassenen - Schriftsatz nachgeschobenen und auf Schadensersatz gerichteten Hilfsantrag habe das Landgericht zu Recht unberücksichtigt gelassen. Er sei verspätet.
II.
- 11
- Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand. Zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings angenommen , dass die Klägerin vom Beklagten nicht verlangen kann, die Löschung des gesamten, im Internet abrufbaren Artikels zu bewirken. Mit der Begründung des Berufungsgerichts kann aber der von der Klägerin mit dem Hilfsantrag geltend gemachte Anspruch, die Löschung einzelner Passagen des Artikels zu bewirken , nicht vollumfänglich verneint werden. Dem Berufungsgericht kann auch nicht gefolgt werden, soweit es den auf Schadensersatz gerichteten Hilfsantrag als verspätet angesehen hat.
- 12
- 1. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der auf Bewirkung der Löschung des gesamten, im Internet aufrufbaren Artikels gerichtete Hauptantrag unbegründet ist.
- 13
- a) Die Revision macht allerdings zu Recht geltend, dass der Betroffene gegen unwahre Tatsachenbehauptungen, die sein Ansehen in der Öffentlichkeit in unzulässiger Weise herabsetzen, in entsprechender Anwendung von §§ 1004, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 185 ff StGB, 824 BGB zivilrechtlichen Ehrenschutz beanspruchen kann (vgl. Senatsurteile vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 14, 16; vom 13. Januar 2015 - VI ZR 386/13, VersR 2015, 336 Rn. 10, 15; vom 16. Dezember 2014 - VI ZR 39/14, AfP 2015, 41 Rn. 6 f., 11; vom 22. Juni 1982 - VI ZR 251/80, AfP 1982, 217, 218, jeweils mwN). Er kann den Störer nicht nur gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog auf Unterlassung weiterer Störungen, sondern in entsprechender Anwendung von Satz 1 dieser Bestimmung auch auf Beseitigung eines durch die unwahren Tatsachenbehauptungen geschaffenen Zustands fortdauernder Rufbeeinträchtigung in Anspruch nehmen, der sich für ihn als eine stetig sich erneuernde und fortwirkende Quelle der Ehrverletzung darstellt (vgl. Senatsurteil vom 30. November 1971 - VI ZR 115/70, BGHZ 57, 325, 326 ff., 332 f.; BGH, Urteile vom 12. Januar 1960 - I ZR 30/58, JZ 1960, 701, 702; vom 28. September 1973 - I ZR 136/71, NJW 1973, 2285, 2286; BVerfG, AfP 1997, 619, 620; NK-BGB/Katzenmeier, 2. Auflage, Vor §§ 823 ff Rn. 79 ff., § 823 Rn. 241 ff.; MünchKommBGB/Rixecker, 6. Aufl., Anhang zu § 12 Rn. 219 ff.; Staudinger/Hager, 13. Bearb. 1999, § 823 C 271; Palandt/Sprau, BGB, 74. Aufl., Einf v § 823 Rn. 38; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 10. Aufl., 22. Kapitel, Rn. 2; vgl. auch Senatsurteil vom 14. Mai 2013 - VI ZR 269/12, BGHZ 197, 213 Rn. 28 sowie zum Beseitigungsanspruch in Gestalt der Veröffentlichung einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtung bei unzulässiger Meinungsäußerung: Senatsurteil vom 25. November 1986 - VI ZR 57/86, BGHZ 99, 133, 136 ff.). Eine besondere Ausprägung des Anspruchs auf Beseitigung einer durch unwahre Tatsachenbehauptungen herbeigeführten fortdauernden Rufbeeinträchtigung ist der von der Rechtsprechung entwickelte Berichtigungsanspruch (vgl. dazu Senatsurteil vom 18. November 2014 - VI ZR 76/14, BGHZ 203, 239 Rn. 13 mwN). Hierauf beschränkt sich der Beseitigungsanspruch aber nicht (vgl. Senatsurteil vom 30. November 1971 - VI ZR 115/70, BGHZ 57, 325, 327 ff.; BVerfG, AfP 1997, 619, 620 zum Anspruch auf Ergänzung einer Berichterstattung im Rahmen eines "äußerungsrechtlichen Folgenbeseitigungsanspruchs"; MünchKommBGB/Rixecker, aaO Rn. 221; Staudinger/Hager, aaO, C 270). Vielmehr kann der Betroffene den Störer zur Beseitigung eines Zustands fortdauernder Rufbeeinträchtigung grundsätzlich auch auf Löschung bzw. Hinwirken auf Löschung rechtswidriger, im Internet abrufbarer Tatsachenbehauptungen in Anspruch nehmen (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 2014 - I ZR 76/13, GRUR 2015, 258 Rn. 62 ff. sowie Art. 17 des Entwurfs der EU-Datenschutz-Grundverordnung, Stand 11. Juni 2015, abrufbar unter http://www.cr-online.de/Verabschiedete_Fassung_der_ Datenschutz-GVO_durch_den_Europaeischen_Rat_v._11.06.2015.pdf).
- 14
- Dem steht nicht entgegen, dass es der Senat in seinem Urteil vom 3. Mai 1977 (VI ZR 36/74, BGHZ 68, 331, 332 ff.) abgelehnt hat, die Rechtsschutzmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gebiet des zivilrechtlichen Ehrenschutzes über die Rechtsbehelfe der Unterlassung und der Berichtigung hinaus durch Zulassung einer Klage auf Feststellung der Unwahrheit einer Tatsachenbehauptung oder der Rechtswidrigkeit einer Persönlichkeitsverletzung zu erweitern. Denn tragend für diese Entscheidung war, dass Gegenstand der begehrten Feststellung nicht - wie in § 256 ZPO vorausgesetzt - das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses, sondern eine bloße Vorfrage für die Rechtsbeziehungen der Parteien war, auf die eine Feststellungsklage nicht gestützt werden kann (ebenda S. 332).
- 15
- Für die Anerkennung eines Beseitigungsanspruchs in Gestalt der Löschung bzw. des Hinwirkens auf Löschung rechtswidriger, im Internet abrufbarer Tatsachenbehauptungen spricht demgegenüber seine Nähe zum Unterlassungsanspruch. Die Löschung bzw. das Hinwirken auf diese ist in ihren Wirkungen für den Störer und in ihrem Zweck für den Betroffenen der Unterlassung unwahrer Tatsachenbehauptungen angenähert. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erschöpft sich die Verpflichtung zur Unterlassung einer Handlung, durch die ein fortdauernder Störungszustand geschaffen wurde, nämlich nicht in bloßem Nichtstun. Vielmehr umfasst sie auch die Vornahme möglicher und zumutbarer Handlungen zur Beseitigung des Störungszustands , wenn allein dadurch dem Unterlassungsgebot Folge geleistet werden kann (vgl. Senatsurteil vom 11. November 2014 - VI ZR 18/14, AfP 2015, 33 Rn. 16 zur titulierten Unterlassungsverpflichtung; BGH, Urteile vom 22. Oktober 1992 - IX ZR 36/92, BGHZ 120, 73, 76 f.; vom 18. September 2014 - I ZR 76/13, GRUR 2015, 258 Rn. 64; Beschluss vom 25. Januar 2007 - I ZB 58/06, NJW-RR 2007, 863 Rn. 17, jeweils mwN).
- 16
- Als Mittel zur Beendigung einer fortdauernden Rufbeeinträchtigung ist das im Rahmen eines Beseitigungsanspruchs geltend gemachte Löschungsbegehren allerdings nicht von geringeren sachlich-rechtlichen und beweismäßigen Voraussetzungen abhängig als die bisher anerkannten Rechtsbehelfe (vgl. Senatsurteil vom 3. Mai 1977 - VI ZR 36/74, BGHZ 68, 331, 335 f.; vom 25. November 1986 - VI ZR 57/86, BGHZ 99, 133, 138). Die Löschung bzw. das Hinwirken auf Löschung im Internet abrufbarer Tatsachenbehauptungen kann dementsprechend nur verlangt werden, wenn und soweit die beanstandeten Behauptungen nachweislich falsch sind und die begehrte Abhilfemaßnahme unter Abwägung der beiderseitigen Rechtspositionen, insbesondere der Schwere der Beeinträchtigung, zur Beseitigung des Störungszustands geeignet, erforderlich und dem Störer zumutbar ist (vgl. Senatsurteile vom 3. Mai 1977 - VI ZR 36/74, BGHZ 68, 331, 337; vom 25. November 1986 - VI ZR 57/86, BGHZ 99, 133, 138; vom 18. November 2014 - VI ZR 76/14, AfP 2015, 36 Rn. 40; BGH, Urteile vom 12. Januar 1960 - I ZR 30/58, JZ 1960, 701, 702 f.; vom 18. September 2014 - I ZR 76/13, GRUR 2015, 258 Rn. 62 ff.; MünchKomm-BGB/ Rixecker, 6. Aufl., Anhang zu § 12 Rn. 223; Wenzel/Gamer, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 13 Rn. 25; Kamps in Götting/ Schertz/Seitz, Handbuch des Persönlichkeitsrechts, § 49 Rn. 33 f., 49; jeweils mwN).
- 17
- b) Nach diesen Grundsätzen scheitert der Hauptantrag bereits daran, dass er weit über das Ziel hinausschießt. Eine Löschung des gesamten Artikels ist zum Schutze des geschäftlichen Ansehens der Klägerin vor der Fortwirkung einer etwaigen rechtswidrigen Beeinträchtigung nicht erforderlich. Denn der Artikel enthält eine Vielzahl von Aussagen, die entweder ersichtlich zutreffend oder von der Klägerin nicht als unzutreffend beanstandet worden sind und damit die Rechte der Klägerin nicht verletzen (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 1992 - I ZR 58/90, GRUR 1992, 527, 529).
- 18
- 2. Mit der Begründung des Berufungsgerichts kann aber der mit dem Hilfsantrag geltend gemachte Anspruch, die Löschung einzelner Passagen des Artikels zu bewirken, nicht vollumfänglich verneint werden.
- 19
- a) Die Klägerin hat ihr eingeschränktes Beseitigungsbegehren wirksam in den Rechtsstreit eingeführt. Es ist allerdings nicht bereits als Minus im Hauptantrag mitenthalten. Die von der Klägerin gestellten Anträge sind so auszulegen, dass sie mit dem Hauptantrag ausschließlich das Bewirken der Löschung des gesamten Artikels begehrt hat. Denn sie hat nach dem Hinweis des Vorsitzenden in der Verhandlung vor dem Berufungsgericht, sie könne nicht den gesamten Artikel "verbieten" lassen, an ihrem Hauptantrag uneingeschränkt festgehalten und ihr eingeschränktes Beseitigungsbegehren ausdrücklich zum Gegenstand eines selbstständigen Hilfsantrags gemacht.
- 20
- Das eingeschränkte Beseitigungsbegehren ist von der Klägerin aber wirksam zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gemacht worden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Voraussetzungen des § 533 ZPO erfüllt sind. Denn eine mit der Berufung vorgenommene Beschränkung des Klageantrags nach § 264 Nr. 2 ZPO stellt unabhängig davon, ob sie unbedingt erfolgt oder, wie hier, von dem Misserfolg des auf uneingeschränkte Leistung gerichteten Hauptantrags abhängig ist, keine § 533 ZPO unterfallende Klageänderung dar (vgl. BGH, Urteile vom 19. März 2004 - V ZR 104/03, BGHZ 158, 295, 305 ff.; vom 8. Dezember 2005 - VII ZR 138/04, VersR 2006, 1361 Rn. 25; vom 27. Februar 2007 - XI ZR 56/06, ZIP 2007, 718 Rn. 30).
- 21
- b) Die Klage ist hinsichtlich des mit dem Hilfsantrag geltend gemachten eingeschränkten Beseitigungsbegehrens zulässig. Sie ist insbesondere hinreichend bestimmt. Zwar hat die Klägerin in der Berufungsinstanz mit ihrenzwei Hilfsanträgen verschiedene Streitgegenstände alternativ geltend gemacht, ohne die Reihenfolge zu benennen, in der sie die Anträge zur Überprüfung durch das Gericht stellt. Sie hat die gebotene Klarstellung aber in zulässiger Weise in der Revisionsinstanz nachgeholt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sie erklärt, den auf Bewirkung der Löschung einzelner Passagen des Artikels gerichteten Antrag als ersten Hilfsantrag und den auf Ersatz des ihr entstandenen Schadens gerichteten Antrag als zweiten Hilfsantrag verfolgen zu wollen. Damit hat sie die verschiedenen Streitgegenstände in der gebotenen Weise in ein Eventualverhältnis gestellt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. März 2011 - I ZR 108/09, BGHZ 189, 56 Rn. 9 ff.; vom 27. November 2013 - III ZR 371/12, juris Rn. 2).
- 22
- c) Für das Revisionsverfahren ist davon auszugehen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen eines eingeschränkten Beseitigungsanspruchs in entsprechender Anwendung der § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 186 StGB, 824 BGB gegeben sind. Die von der Klägerin beanstandeten Behauptungen haben auf der Grundlage des revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachverhalts zu einer rechtswidrigen und fortdauernden Beeinträchtigung des wirtschaftlichen Rufs der Klägerin geführt, für die der Beklagte verantwortlich ist.
- 23
- aa) Die mit dem ersten Hilfsantrag angegriffenen Äußerungen, wonach den Aktionären der Kauf ihrer Aktien zu einem höheren Preis als dem Emissionspreis seit 2003 versprochen und vertraglich zugesichert worden sei, der Vorstand der Klägerin die Aktionäre schon sieben Jahre mit immer neuen Versprechen hinhalte, wonach die Kaufabwicklung unmittelbar bevorstehe, die Aktionäre außer Hinhalteparolen keine aussagekräftigen Informationen über das Unternehmen erhielten und die wahre Geschäftstätigkeit und Geschäftsentwicklung des Unternehmens verschleiert werde, sind als Tatsachenbehauptungen zu qualifizieren.
- 24
- (1) Ob eine Äußerung als Tatsachenbehauptung oder als Werturteil einzustufen ist, ist eine Rechtsfrage, die der uneingeschränkten Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt. Tatsachenbehauptungen sind durch die objektive Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit charakterisiert. Demgegenüber werden Werturteile und Meinungsäußerungen durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage geprägt. Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist danach, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit Mitteln des Beweises zugänglich ist. Dies scheidet bei Werturteilen und Meinungsäußerungen aus, weil sie durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet sind und sich deshalb nicht als wahr oder unwahr erweisen lassen (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2014 - VI ZR 39/14, AfP 2015, 41 Rn. 8 mwN). Sofern eine Äußerung , in der sich Tatsachen und Meinungen vermengen, durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist, wird sie als Meinung von dem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt. Das gilt insbesondere dann, wenn eine Trennung der wertenden und der tatsächlichen Gehalte den Sinn der Äußerung aufhöbe oder verfälschte (vgl. Senatsurteile vom 29. Januar 2002 - VI ZR 20/01, AfP 2002, 169, 170; vom 11. März2008 - VI ZR 189/06, AfP 2008, 193 Rn. 12, 18; vom 22. September 2009 - VI ZR 19/08, AfP 2009, 588 Rn. 11; BGH, Urteil vom 24. Januar 2006 - XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 Rn. 70; BVerfGE 85, 1, 15; BVerfG, NJW 2008, 358, 359). Demgegenüber kann sich eine Äußerung, die auf Werturteilen beruht, als Tatsachenbehauptung erweisen, wenn und soweit bei dem Adressaten zugleich die Vorstellung von konkreten, in die Wertung eingekleideten Vorgängen hervorgerufen wird, die als solche einer Überprüfung mit den Mitteln des Beweises zugänglich sind (vgl. Senatsurteile vom 17. Dezember 1991 - VI ZR 169/91, AfP 1992, 75, 78; vom 28. Juni 1994 - VI ZR 252/93, AfP 1994, 218 f.; vom 27. April 1999 - VI ZR 174/97, NJW-RR 1999, 1251, 1252 f.; vom 16. November2004 - VI ZR 298/03, AfP 2005, 70, 72, jeweils mwN). Entscheidend ist deshalb der Zusammenhang, in welchem die Äußerung gefallen ist (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2014 - VI ZR 39/14, AfP 2015, 41 Rn. 9 mwN).
- 25
- (2) Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei den angegriffenen Äußerungen um in Werturteile eingekleidete Tatsachenbehauptungen. Mit ihnen werden Vorwürfe tatsächlichen Inhalts erhoben, die einer Überprüfung mit den Mitteln des Beweises zugänglich sind. Sie sind nicht derart mit den Wertungen verknüpft, dass ihr Tatsachengehalt von dahinterstehenden Meinungsäußerungen überlagert und geprägt würde.
- 26
- Die Behauptungen, den Aktionären werde seit 2003 der Kauf ihrer Aktien zu einem höheren Preis als dem Emissionspreis versprochen und vertraglich zugesichert, der Vorstand der Klägerin halte die Aktionäre schon sieben Jahre mit immer neuen Versprechen hin, wonach die Kaufabwicklung unmittelbar bevorstehe , enthalten - im Gesamtzusammenhang mit dem den Artikel einleitenden Absatz betrachtet - für den unbefangenen Leser die dem Beweis zugängliche Tatsacheninformation, die Klägerin habe sich gegenüber den Aktionären zum Rückkauf eigener Aktien verpflichtet und komme dieser Verpflichtung seit sieben Jahren nicht nach. Die Äußerung, die Aktionäre erhielten außer Hinhalteparolen keine aussagekräftigen Informationen über das Unternehmen, bringt im Kontext mit dem unmittelbar nachfolgenden Satz, wonach es mindestens seit 2003 weder eine Hauptversammlung noch Geschäftsberichte gegeben habe , zum Ausdruck, dass die Klägerin ihren Informationspflichten gegenüber den Aktionären nicht nachgekommen sei; auch diese Behauptung ist der Überprüfung mit den Mitteln des Beweises zugänglich. Dieser Vorwurf wird durch die weitere Tatsachenmitteilung verstärkt, die wahre Geschäftstätigkeit und Geschäftsentwicklung des Unternehmens werde verschleiert. Auch wenn insoweit nähere Einzelheiten zu konkreten Sachverhalten nicht mitgeteilt werden, bleibt die Aussage dennoch nicht gänzlich substanzarm, sondern enthält für den unbefangenen Leser die dem Beweis zugängliche Tatsacheninformation, die Klägerin entziehe ihre Geschäftstätigkeit und Geschäftsentwicklung einer genauen Feststellung und verberge ihr tatsächliches Geschäftsfeld.
- 27
- bb) Die angegriffenen Äußerungen greifen in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin ein. Betroffen ist der durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete soziale Geltungsanspruch der Klägerin als Wirtschaftsunternehmen (vgl. Senatsurteile vom 3. Juni 1986 - VI ZR 102/85, BGHZ 98, 94, 97; vom 8. Februar 1994 - VI ZR 286/93, AfP 1994, 138 f.; vom 11. März 2008 - VI ZR 7/07, AfP 2008, 297 Rn. 9; vom 16. Dezember 2014 - VI ZR 39/14, AfP 2015, 41 Rn. 12). Denn die Behauptungen sind geeignet, ihr unternehmerisches Ansehen in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen. Die Klägerin wird als unzuverlässig und unredlich dargestellt. Da die angegriffenen Äußerungen jedenfalls zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch im Internet abrufbar waren, wirkt die Rufbeeinträchtigung fort.
- 28
- cc) Für das Revisionsverfahren ist davon auszugehen, dass die Beeinträchtigung des Rufs der Klägerin rechtswidrig ist.
- 29
- (1) Wegen der Eigenart des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (vgl. Senatsurteile vom 29. April 2014 - VI ZR 137/13, AfP 2014, 325 Rn. 8; vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 22; vom 30. September 2014 - VI ZR 490/12, AfP 2014, 534, 536).
- 30
- (2) Im Streitfall ist deshalb das unter bb) genannte Schutzinteresse der Klägerin mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK verankerten Recht des Beklagten auf Meinungsfreiheit abzuwägen.
- 31
- In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind verschiedene Kriterien entwickelt worden, die Leitlinien für den konkreten Abwägungsvorgang vorgeben (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2014 - VI ZR 39/14, AfP 2015, 41 Rn. 21 mwN). Danach fällt bei Tatsachenbehauptungen bei der Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen ihr Wahrheitsgehalt ins Gewicht. Denn an der Aufrechterhaltung und Weiterverbreitung herabsetzender Tatsachenbehauptungen, die unwahr sind, besteht unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit kein schützenswertes Interesse (BVerfG, NJW 2012, 1643 Rn. 33; NJW 2013, 217, 218). Wahre Tatsachenbehauptungen müssen dagegen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind (vgl. Senatsurteile vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, AfP 2013, 50 Rn. 12 mwN; vom 16. Dezember 2014 - VI ZR 39/14, AfP 2015, 41 Rn. 21; BVerfG, NJW 2012, 1643 Rn. 33).
- 32
- Auf der Grundlage des Mangels abweichender Feststellungen revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachvortrags der Klägerin hat das Recht des Beklagten auf Meinungsfreiheit nach diesen Grundsätzen hinter dem Interesse der Klägerin am Schutz ihres sozialen Geltungsanspruchs als Wirtschaftsunternehmen zurückzutreten. Denn danach sind die von der Klägerin beanstandeten Tatsachenbehauptungen unwahr. Zu Gunsten der Klägerin ist weiter zu berücksichtigen , dass der Beklagte seine Äußerungen nach dem zu unterstellenden Sachvortrag der Klägerin in erster Linie im eigenen Interesse zur Gewinnung neuer Mandanten gemacht und kein Informationsanliegen im Zusammenhang mit einer die Verbraucher wesentlich berührenden Frage verfolgt hat (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2014 - VI ZR 39/14, AfP 2015, 41 Rn. 23 mwN).
- 33
- dd) Nach dem mangels abweichender Feststellungen revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachvortrag der Klägerin ist der Beklagte auch für die rechtswidrige Störung verantwortlich.
- 34
- (1) Als Störer im Sinne von § 1004 BGB ist ohne Rücksicht darauf, ob ihn ein Verschulden trifft, jeder anzusehen, der die Störung herbeigeführt hat oder dessen Verhalten eine Beeinträchtigung befürchten lässt. Von der Norm erfasst wird sowohl der unmittelbare Störer, der durch sein Verhalten selbst die Beeinträchtigung adäquat verursacht hat, als auch der mittelbare Störer, der in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat. Dabei genügt als Mitwirkung in diesem Sinne auch die Unterstützung oder die Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte (vgl. Senatsurteile vom 14. Mai 2013 - VI ZR 269/12, BGHZ 197, 213 Rn. 24; vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, AfP 2009, 494 Rn. 13; vom 18. November 2014 - VI ZR 76/14, AfP 2015, 36 Rn. 37; BGH, Urteil vom 17. Dezember 2010 - V ZR 44/10, AfP 2011, 156 Rn. 10 ff., jeweils mwN). Abweichend von dem im Urheber- und Markenrecht entwickelten Begriffsverständnis des I. Zivilsenats (vgl. Urteil vom 19. April 2007 - I ZR 35/04, BGHZ 172, 119 Rn. 34 - Internet-Versteigerung II sowie zuletzt Urteil vom 5. Februar 2015 - I ZR 240/12, GRUR 2015, 485 Rn. 49 - Kinderhochstühle im Internet III) wird im Rahmen des § 1004 BGB auch derjenige als - unmittelbarer - Störer bezeichnet, der nach der Art seines Tatbeitrags sonst als Täter oder Teilnehmer anzusehen wäre (vgl. Senatsurteile vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, AfP 2009, 494 Rn. 13; vom 14. Mai 2013 - VI ZR 269/12, BGHZ 197, 213 Rn. 24; BGH, Urteil vom 24. Juni 2003 - KZR 32/02, BGHZ 155, 189, 194 f. - Buchpreisbindung; NK-BGB/Katzenmeier, 2. Aufl., Vor §§ 823 ff Rn. 83; Hollenders, Mittelbare Verantwortlichkeit von Intermediären im Netz, S. 84 f.; Ingendaay, AfP 2011, 126, 127 f.; von Pentz, AfP 2014, 8, 15 ff.).
- 35
- (2) Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts , der Beklagte sei hinsichtlich der angegriffenen Veröffentlichungen weder "Täter" noch "Teilnehmer" (unmittelbarer Störer), sondern hafte als Dritter, der die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen habe, allenfalls nach den Grundsätzen der Haftung des mittelbaren Störers.
- 36
- (a) Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen hat der Beklagte den auf der Internetseite der Kanzlei von Dr. S. & v. B. abrufbaren ursprünglichen Beitrag selbst verfasst und in das Internet gestellt. Mangels abweichender Feststellungen des Berufungsgerichts ist für die Nachprüfung in der Revisionsinstanz zu unterstellen, dass die von der Klägerin beanstandeten Tatsachenbehauptungen bereits Gegenstand dieses Beitrags waren. Dann hat der Beklagte aber durch sein Verhalten den von der Klägerin beklagten Störungszustand herbeigeführt. Er hat die maßgebliche Ursache für die von der Klägerin beanstandeten Veröffentlichungen gesetzt; erst durch sein Verhalten wurden die beanstandeten Tatsachenbehauptungen einem größeren Personenkreis bekannt und konnten von diesen weiterverbreitet werden (vgl. Senatsurteil vom 3. Februar 1976 - VI ZR 23/72, NJW 1976, 799, 800).
- 37
- (b) Die Revision wendet sich auch mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, der ursprüngliche Beitrag des Beklagten sei für die Folgeveröffentlichungen nicht adäquat kausal geworden, weil es nicht dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge entspreche, dass ein Beitrag ohne Zutun des Verfassers von Dritten veröffentlicht werde. Nach der Rechtsprechung des Senats ist dem Verfasser eines im Internet abrufbaren Beitrags eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auch insoweit zuzurechnen, als sie durch die Weiterverbreitung des Ursprungsbeitrags durch Dritte im Internet entstanden ist. Da Meldungen im Internet typischerweise von Dritten verlinkt und kopiert werden, ist die durch die Weiterverbreitung des Ursprungsbeitrags verursachte Rechtsverletzung sowohl äquivalent als auch adäquat kausal auf die Erstveröffentlichung zurückzuführen. Der Zurechnungszusammenhang ist in solchen Fällen auch nicht deshalb zu verneinen, weil die Persönlichkeitsrechtsverlet- zung insoweit erst durch das selbstständige Dazwischentreten Dritter verursacht worden ist. Denn durch die "Vervielfältigung" der Abrufbarkeit des Beitrags durch Dritte verwirklicht sich eine durch die Veröffentlichung des Ursprungsbeitrags geschaffene internettypische Gefahr (vgl. Senatsurteile vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 55 f.; vom 11. November 2014 - VI ZR 18/14, AfP 2015, 33 Rn. 21).
- 38
- d) Auch wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des Beseitigungsanspruchs auf der Grundlage des revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachverhalts erfüllt sind, kann die Klägerin vom Beklagten allerdings nicht verlangen, die Löschung der angegriffenen Behauptungen zu bewirken. Ihr steht lediglich ein Anspruch darauf zu, dass der Beklagte im Rahmen des ihm Möglichen und Zumutbaren bei den Betreibern der Internetplattformen, auf denen die angegriffenen Äußerungen noch abrufbar sind, auf eine Löschung hinwirkt.
- 39
- aa) Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, ist der Beklagte nicht verpflichtet, die Löschung der angegriffenen Behauptungen "zu bewirken". Unter "Bewirken" der Löschung ist die Herbeiführung eines entsprechenden Erfolgs - der Löschung - zu verstehen. Hierzu ist der Beklagte aber nicht in der Lage, weil er keinen Zugriff auf fremde Internetseiten hat. Allein die Inhaber dieser Internetseiten entscheiden darüber, ob die auf ihren Internetseiten bereitgehaltenen Inhalte der Öffentlichkeit zugänglich bleiben oder nicht. Der Schuldner ist aber nur zu solchen Beseitigungsmaßnahmen verpflichtet, die in seiner Macht stehen (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 2014 - I ZR 76/13, GRUR 2015, 258 Rn. 62 ff.; Ott, WRP 2007, 605, 608; Bornkamm inKöhler/ Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 8 Rn. 1.87; Teplitzky, aaO, 57. Kapitel Rn. 26).
- 40
- bb) In dem Antrag, die Löschung der angegriffenen Behauptungen zu bewirken, ist als Minus das Begehren enthalten, bei den Betreibern der Inter- netplattformen, auf denen die angegriffenen Äußerungen noch abrufbar sind, auf eine Löschung hinzuwirken. Dieser Antrag ist auf der Grundlage des revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachverhalts begründet. Denn die Verpflichtung , den durch das Einstellen rechtswidriger Tatsachenbehauptungen in das Internet geschaffenen Zustand fortdauernder Rufbeeinträchtigung zu beseitigen , schließt die Pflicht mit ein, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren auf die Betreiber der Internetplattformen, auf denen die angegriffenen Äußerungen noch abrufbar sind, einzuwirken, um diese zu einem Entfernen der rechtswidrigen Inhalte zu veranlassen (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 2014 - I ZR 76/13, GRUR 2015, 258 Rn. 70; Ott, WRP 2007, 605, 608; Teplitzky, aaO; Art. 17 des Entwurfs der EU-Datenschutz-Grundverordnung, Stand 11. Juni 2015, abrufbar unter http://www.cr-online.de/Verabschiedete_Fassung_der_ Datenschutz-GVO_durch_den_Europaeischen_Rat_v._11.06.2015.pdf; Wybitul/ Fladung, BB 2012, 509, 511 f.). Es ist anerkannten Rechts, dass der Unterlassungs - oder Beseitigungsschuldner zur Erfüllung der ihm obliegenden Verpflichtung erforderlichenfalls auf Dritte einzuwirken hat, wenn und soweit er auf diese - rechtlich oder tatsächlich - Einfluss nehmen kann (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 2014 - I ZR 76/13, GRUR 2015, 258 Rn. 70; OLG Köln, GRUR-RR 2008, 365; MMR 2010, 782, 783; Ott, WRP 2007, 605, 608; Teplitzky, aaO; Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl. § 12 Rn. 6.7). Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Auswahl unter mehreren tatsächlich möglichen Abhilfemaßnahmen dem Störer überlassen bleiben muss. Dies hat seinen Grund darin, dass die Rechte des Störers nicht weitergehend eingeschränkt werden sollen, als der Schutz des Berechtigten vor Beeinträchtigungen seiner Rechte es erfordert. Abgesehen davon trägt der Störer ggf. das Risiko der Zwangsvollstreckung, wenn die gewählte Maßnahme die Störung nicht beseitigt (vgl. BGH, Urteile vom 22. Oktober 1976 - V ZR 36/75, BGHZ 67, 252, 253; vom 12. Dezember 2003 - V ZR 98/03, VersR 2004, 797, 798; BVerfG, NJW 2010, 220 Rn. 26; Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 8 Rn. 1.81 ff.; BeckOK BGB/Fritzsche § 1004 Rn. 66 (Stand: 01.02.2015)).
- 41
- 3. Die Revision wendet sich schließlich mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, der in dem vom Landgericht nachgelassenen Schriftsatz gestellte und auf Schadensersatz gerichtete Hilfsantrag sei auch im Berufungsverfahren nicht zu berücksichtigen, weil er verspätet sei. Das Berufungsgericht hat übersehen, dass die Klägerin diesen Antrag in der Berufungsinstanz ausdrücklich gestellt und ihn damit durch nachträgliche (Eventual-)Klagehäufung in den Prozess eingeführt hat (vgl. BGH, Urteil vom 20. August 2009 - VII ZR 205/07, BGHZ 182, 158 Rn. 71). Das Berufungsgericht hätte über diesen Antrag entscheiden müssen. Die objektive Klagehäufung ist wie eine Klageänderung im Sinne der §§ 263, 533 ZPO zu behandeln (vgl. BGH, Urteile vom 4. Februar 2015 - VIII ZR 175/14, NJW 2015, 1296 Rn.14; vom 19. März 2004 - V ZR 104/03, NJW 2004, 2152, 2154; vom 27. September 2006 - VIII ZR 19/04, NJW 2007, 2414 Rn. 8). Die mit dem Hilfsantrag verbundene Klageänderung ist gemäß § 533 ZPO zulässig. Der Beklagte hat stillschweigend in die Klageänderung eingewilligt. Seine Einwilligung ist entsprechend § 267 ZPO unwiderleglich zu vermuten, da er sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht rügelos auf die geänderte Klage eingelassen hat (vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 1956 - I ZR 43/55, BGHZ 21, 8, 13; Musielak/Ball, ZPO, 12. Aufl., § 533 Rn. 4). Die Klägerin stützt ihren Hilfsantrag darüber hinaus ausschließlich auf Tatsachen, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hatte (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 2015 - I ZR 127/13, NJW 2015, 1608).
- 42
- 4. Das Berufungsurteil war deshalb aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die erforderlichen Feststellungen treffen kann (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Galke Wellner von Pentz Offenloch Roloff
LG Hamburg, Entscheidung vom 31.05.2013 - 324 O 550/12 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 08.07.2014 - 7 U 60/13 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin ist die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA). Sie nimmt als Verwertungsgesellschaft die Verwertungsrechte von Musikurhebern (Komponisten und Textdichtern ) wahr. Die Klägerin ist Inhaber der ausschließlichen Verwertungsrechte an den in den Anlagen K1, K2 und K27 bezeichneten Musikwerken. Die Beklagte zu 1 (nachfolgend: die Beklagte), eine Aktiengesellschaft mit Sitz in der Schweiz, stellt unter der Internetadresse www.rapidshare.com Nutzern Speicherplatz im Internet zur Verfügung („File-Hosting-Dienst“). Bei diesem Dienst kann der Nutzer beliebige Dateien auf die Internetseite der Beklagten hochladen , die dann auf deren Server abgespeichert werden. Nach dem Hochladen wird dem Nutzer ein elektronischer Verweis übermittelt, mit dem dieser die abgelegte Datei über seinen Browser aufrufen und herunterladen kann (Download -Link). Der Beklagte zu 2 ist zur Alleinvertretung berechtigtes Mitglied des Verwaltungsrats der Beklagten, der Beklagte zu 3 war bis in das Jahr 2010 deren Geschäftsführer.
- 2
- Die Beklagte stellt weder ein Inhaltsverzeichnis über die hochgeladenen Dateien noch eine Suchfunktion oder sonstige Katalogisierung dieser Daten bereit. Die Nutzer der Beklagten können jedoch die jeweiligen Download-Links in Linksammlungen einstellen. Es ist möglich, in den Linksammlungen nach bestimmten, auf den Servern der Beklagten abgespeicherten Dateien zu suchen.
- 3
- Die Beklagte bietet für die Nutzung ihres Dienstes zwei Möglichkeiten an. Ohne Registrierung kann der Dienst kostenlos, aber nur in eingeschränktem Umfang genutzt werden. So beginnt der Download mit Verzögerung, weitere Downloads sind im unmittelbaren Anschluss nicht möglich und die Downloadgeschwindigkeit ist begrenzt; zudem können die hochgeladenen Dateien - nach Vortrag der Beklagten - höchstens zehnmal heruntergeladen werden. Daneben gab es die Möglichkeit, nach Registrierung des Nutzers ein kostenpflichtiges Premium-Konto einzurichten. Das Premium-Konto ermöglicht insbesondere ein schnelles und paralleles Herunterladen mehrerer Dateien.
- 4
- Die Beklagte vergab darüber hinaus Premium-Punkte an Nutzer, deren hochgeladene Dateien von anderen Personen abgerufen wurden. Diese Punkte konnten in ein kostenloses Premium-Konto oder andere hochwertige Prämien eingetauscht werden. Mit Wirkung zum 1. Juli 2010 hat die Beklagte die für Dateiaufrufe gewährten Premium-Punkte abgeschafft. Der Nutzer kann nun soge- nannte „Rapids“ und sodann das Leistungspaket „PremiumPro“ erwerben, das im Wesentlichen dem bisherigen Premium-Konto entspricht.
- 5
- Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 22. November 2006 teilte die Klägerin mit, dass die in der Anlage K2 genannten 143 Musikwerke ohne ihre Zustimmung über den Dienst der Beklagten öffentlich zugänglich gemacht worden waren. Mit Schreiben vom 15. Januar 2008 setzte die Klägerin die Beklagte davon in Kenntnis, dass auch die aus der Anlage K1 ersichtlichen 1687 Musikwerke über den Dienst der Beklagten abrufbar seien, unter dem 4. April 2008 folgte ein entsprechendes Schreiben in Bezug auf die in der Anlage K27 genannten 2985 Musikwerke. Nachdem diese Dateien in derFolgezeit nach dem Vortrag der Klägerin weiterhin über den Dienst der Beklagten abrufbar waren, nimmt sie die Beklagten auf Unterlassung in Anspruch.
- 6
- Die Klägerin hat beantragt, es den Beklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verbieten, im Rahmen des Online-Dienstes www.rapidshare.com die in der Anlage K1, K2 und K27 genannten Musikwerke öffentlich zugänglich zu machen und/oder öffentlich zugänglich machen zu lassen.
- 7
- Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt (LG Hamburg , ZUM 2009, 863). Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass sich die Verurteilung darauf beschränkt , die in Rede stehenden Werke öffentlich zugänglich machen zu lassen (OLG Hamburg, MMR 2012, 393).
- 8
- Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgen die Beklagten ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe:
- 9
- A. Das Berufungsgericht hat die Klage - klarstellend beschränkt auf die Handlungsform „öffentlich zugänglich machen zu lassen“ und auf Verletzungshandlungen in Deutschland - für begründet erachtet und hierzu ausgeführt:
- 10
- Der Klägerin stehe gemäß § 97 Abs. 1, §§ 19a, 120, 121 Abs. 4 UrhG, Art. 5 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 2 Abs. 6 RBÜ gegenüber den Beklagten ein Anspruch zu, es zu unterlassen, die im Urteilstenor genannten Musikwerke öffentlich zugänglich machen zu lassen.
- 11
- Die Musikwerke seien in dem Moment öffentlich zugänglich gemacht worden, in dem der Download-Link für den Dienst der Beklagten in einer Linksammlung im Internet dritten Personen uneingeschränkt zur Verfügung gestellt werde. Dies sei hinsichtlich der im Urteilstenor genannten Musikwerke geschehen.
- 12
- Die Klägerin habe die Beklagte mit Schreiben vom 22. November 2006, 15. Januar 2008 und 4. April 2008 in Kenntnis gesetzt, dass über deren Plattform die in den Anlagen K1, K2 und K27 genannten Musikwerke öffentlich hätten heruntergeladen werden können. Damit sei es den Beklagten möglich gewesen , künftige Rechtsverletzungen zu verhindern. Gleichwohl seien diese Musikwerke in der Folgezeit noch über den Dienst der Beklagten abrufbar gewesen. Für diese Urheberrechtsverletzungen hafte die Beklagte als Störerin.
- 13
- Auch wenn das Geschäftsmodell der Beklagten grundsätzlich den Schutz der Rechtsordnung verdiene, berge es strukturell in einem Umfang die Gefahr massenhafter Urheberrechtsverletzungen in sich, dass der Beklagten erheblich gesteigerte Prüf- und Handlungspflichten zur Verhinderung von Urheberrechtsverletzungen zuzumuten seien. Die Beklagte habe die Position eines neutralen Vermittlers verlassen. Zum Zeitpunkt der Verletzungshandlungen sei ihr Angebot maßgeblich zumindest auch auf die massenhafte Begehung von Urheberrechtsverletzungen ausgerichtet gewesen. Private Nutzer seien ermutigt worden , die hochgeladenen Dateien möglichst breit und flächendeckend zu verteilen. Es verstehe sich von selbst, dass eine Downloadhäufigkeit von über 100.000 Vorgängen, mit der die Beklagte werbe, nicht im vertraulichen geschäftlichen oder privaten Bereich, sondern allenfalls mit hoch attraktiven und damit im Regelfall rechtswidrigen Inhalten erreichbar sei. Die Beklagte hätte die Begehung rechtswidriger Handlungen über ihren Dienst auch durch die an die Häufigkeit des Herunterladens von Dateien gekoppelte Vergabe von PremiumPunkten maßgeblich gefördert. Selbst wenn die Beklagte inzwischen die aktive Bewerbung urheberrechtswidriger Handlungen eingestellt habe, wirke diese doch im Bewusstsein der maßgeblichen Verkehrskreise fort.
- 14
- Unabhängig davon sei für die Annahme einer aktiven Förderung von Urheberrechtsverletzungen von entscheidendem Gewicht, dass die Beklagte ihren Nutzern weiterhin letztlich ein vollständig anonymes Handeln ermögliche. Durch die von ihr gewählte Anonymität hätte sich die Beklagte willentlich außer Stande gesetzt, wirkungsvoll gegen Rechtsverletzer vorgehen zu können. Auch der Umstand, dass die Beklagte ihren Dienst weiterhin im Wesentlichen durch das Volumen heruntergeladener Dateien und nicht durch das Bereitstellen von Speicherplatz finanziere, zeige, dass sie der Begehung von vielfachen Urheberrechtsverletzungen Vorschub leiste.
- 15
- Vor diesem Hintergrund sei die Beklagte ihren umfangreichen Sorgfaltsund Prüfpflichten als Störerin nicht hinreichend nachgekommen und hafte daher auf Unterlassung.
- 16
- Die Beklagten zu 2 und 3 hafteten nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen in gleicher Weise.
- 17
- B. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision derBeklagten zu 1 hat keinen Erfolg. Die Beklagte hat die ihr als Störerin obliegenden Prüfpflichten verletzt; hätte sie diese Pflichten erfüllt, hätten weitere Verletzungen der Rechte der Klägerin verhindert werden können.
- 18
- I. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ergibt sich aus Art. 5 Nr. 3 des Lugano-Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16. September 1988 (BGBl. 1994 II S. 2658). Die Klägerin macht Ansprüche aus einer in Deutschland begangenen unerlaubten Handlung - dem Öffentlich -Zugänglichmachen der in den Anlagen K1, K2 und K27 genannten Musikwerke - geltend.
- 19
- II. Die Revision rügt vergeblich, das Berufungsurteil sei nicht mit Gründen versehen (§ 547 Nr. 6 ZPO), weil die Begründung den Unterlassungstenor nicht trage. Die Begründung verpflichte die Beklagte nur zu reaktiven Maßnahmen mit dem Ziel, erneut eingetretene Rechtsverletzungen innerhalb kürzester Zeit wieder zu beenden. Das sei mit dem tenorierten Verbot nicht vereinbar.
- 20
- Das Berufungsgericht hat die Beklagte als Störerin zur Unterlassung verurteilt. Das bringt der Unterlassungstenor mit der Wendung „öffentlich zugänglich machen zu lassen“ zum Ausdruck. Die Unterlassungspflicht des Störers, die an die Verletzung von Prüfpflichten anknüpft, bezieht sich auf die erforderlichen und ihm zumutbaren Maßnahmen zur Beseitigung der Rechtsverletzung und zur Verhinderung künftiger Rechtsverletzungen. Daraus folgt notwendig, dass die Entscheidungsgründe sich zentral mit den Prüf- und Handlungspflichten des Störers zu befassen haben. Die entsprechend gefassten Entscheidungsgründe des Berufungsgerichts genügen der formalen Anforderung des § 547 Nr. 6 ZPO, eine Begründung des Unterlassungstenors zu geben.
- 21
- III. Der Tenor des Berufungsurteils ist hinreichend bestimmt. Die Beklagten können ihm zwar nicht unmittelbar entnehmen, welche konkreten Handlungs - und Prüfpflichten ihnen obliegen. Die im Einzelnen zu befolgenden Sorgfalts - und Prüfpflichten ergeben sich aber aus den Entscheidungsgründen des Urteils (vgl. BGH, Urteil vom 19. April 2007 - I ZR 35/04, BGHZ 172, 119 Rn. 52 - Internet-Versteigerung II; Urteil vom 30. April 2008 - I ZR 73/05, GRUR 2008, 702 Rn. 37 = WRP 2008, 1104 Internet-Versteigerung III). Im Übrigen lassen sich die Grenzen dessen, was den Beklagten zuzumuten ist, im Erkenntnisverfahren nicht präziser bestimmen, weil zukünftige Verletzungen dadurch, dass die fraglichen Werke öffentlich zugänglich gemacht werden, nicht konkret abzusehen sind. Daher ist die Verlagerung eines Teils des Streits in das Vollstreckungsverfahren nicht zu vermeiden, wenn nicht der auf einen durchsetzbaren Unterlassungsanspruch zielende Rechtsschutz geopfert werden soll (vgl. BGHZ 172, 119 Rn. 48 - Internet-Versteigerung II). Da den Beklagten im Vollstreckungsverfahren stets nur schuldhafte Verstöße zur Last gelegt werden können , kann ein unverschuldetes Verhalten die Verhängung von Ordnungsmitteln nicht rechtfertigen.
- 22
- IV. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts ist die Klägerin als Inhaberin der ausschließlichen Verwertungsrechte an den aus den Anlagen K1, K2 und K27 ersichtlichen und nach § 2 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 UrhG geschützten Musikwerken berechtigt, urheberrechtliche Unterlassungsansprüche gegenüber der Beklagten geltend zu machen.
- 23
- V. Ohne Erfolg rügt die Revision, die Feststellung des Berufungsgerichts, die fraglichen Musikwerke seien öffentlich zugänglich gemacht worden, halte rechtlicher Überprüfung nicht stand.
- 24
- Das Berufungsgericht hat festgestellt, die Klägerin habe hinsichtlich jedes einzelnen der 4815 Musikwerke substantiiert dargelegt, dass sie öffentlich zugänglich gemacht worden seien. Dem sei die Beklagte nicht ausreichend entgegengetreten. Ihr Bestreiten mit Nichtwissen sei unerheblich, weil die maßgeblichen Umstände Gegenstand der Wahrnehmung der Beklagten als Dienstbetreiber gewesen seien. Im Übrigen hat das Berufungsgericht auf die Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen. Danach habe die Klägerin substantiiert dargelegt und belegt, dass die fraglichen Titel jeweils über einen elektronischen Verweis (Link) auf den Server der Beklagten herunterzuladen waren, der auf einer im Internet abrufbaren Link-Sammlung eingestellt war. Die Klägerin habe dazu die jeweiligen Screenshots, auf denen der konkrete Downloadvorgang zu erkennen sei, und die Datenträger, auf denen nach dem Vortrag der Klägerin die heruntergeladenen Musikdateien gespeichert worden seien , vorgelegt. Sie habe zudem den im Internet veröffentlichten Link zum Server der Beklagten angegeben.
- 25
- Gegen diese Feststellungen wendet sich die Revision mit der Begründung , dass die jeweiligen elektronischen Verweise in den Link-Sammlungen nicht Gegenstand der Wahrnehmung der Beklagten gewesen seien. Eine Verbindung der Beklagten zu den Betreibern der Linksammlungen sei nicht festgestellt worden.
- 26
- Die Revision verkennt, dass das Berufungsgericht nur insoweit von einem unzulässigen Bestreiten der Beklagten mit Nichtwissen ausgeht, als ein Verweis auf Dateien erfolgt ist, die auf den Servern der Beklagten gespeichert sind. Der Inhalt ihrer Server ist jedoch ohne weiteres Gegenstand der Wahrnehmung der Beklagten, so dass insoweit ein Bestreiten mit Nichtwissen unzulässig ist (§ 138 Abs. 4 ZPO). Soweit die Beklagte auch mit Nichtwissen bestritten habe, dass die entsprechenden elektronischen Verweise in LinkSammlungen veröffentlicht wurden, hat das Berufungsgericht unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Landgerichts diese Tatsache ohne Rechtsfehler als erwiesen angesehen.
- 27
- Ohne Erfolg rügt die Revision auch, das Berufungsgericht habe außer Acht gelassen, dass die Klägerin einen Dritten zur „Verbesserung ihres Arbeitsergebnisses“ hätte einschalten können. Anhaltspunkte hierfür bestehen nicht. Ein entsprechendes Verhalten der Klägerin liegt fern. Das Gleiche gilt für die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe unberücksichtigt gelassen, dass die von der Klägerin eingesetzte Software auf „private Nachrichten“ aus dem Internet zum Auffinden der Links hätte zugreifen können.
- 28
- VI. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Verantwortlichkeit als Täter oder Teilnehmer grundsätzlich vorrangig gegenüber der Störerhaftung ist. Im Streitfall kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass die Beklagte an den von ihren Nutzern begangenen Urheberrechtsverletzungen etwa als Gehilfin beteiligt war (vgl. BGH, Urteil vom 15. Januar 2009 - I ZR 57/07, GRUR 2009, 841 Rn. 18 = WRP 2009, 1139 - Cybersky). Allerdings setzt eine Teilnehmerhaftung die Kenntnis von einer konkret drohenden Haupttat voraus. Die im Streitfall getroffenen Feststellungen erlauben nicht die Annahme, die Beklagte habe über eine solche Kenntnis verfügt.
- 29
- VII. Die Beklagte kann aber als Störerin in Anspruch genommen werden, weil sie Prüfpflichten verletzt hat (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 2012 - I ZR 18/11, BGHZ 194, 339 Rn. 15 ff. - Alone in the Dark). Entgegen der Ansicht der Revision gehen die der Beklagten vom Berufungsgericht auferlegten Prüfpflichten nicht über das zumutbare Maß hinaus.
- 30
- 1. Als Störer kann bei der Verletzung absoluter Rechte auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer - ohne Täter oder Teilnehmer zu sein - in irgendeiner Weise willentlich und adäquat-kausal zur Verletzung des geschützten Rechtsguts beiträgt. Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden kann, die die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorge- nommen haben, setzt die Haftung des Störers nach der Rechtsprechung des Senats die Verletzung von Prüfpflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer Inanspruchgenommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (vgl. BGH, Urteil vom 30. April 2008 - I ZR 73/05, GRUR 2008, 702 Rn. 50 = WRP 2008, 1104 - Internetversteigerung III; Urteil vom 12. Mai 2010 - I ZR 121/08, BGHZ 185, 330 Rn. 19 - Sommer unseres Lebens; BGH, Urteil vom 18. November 2011 - I ZR 155/09, GRUR 2011, 617 Rn. 37 = WRP 2011, 881 - Sedo; BGHZ 194, 339 Rn. 19 - Alone in the Dark). Einer allgemeinen Prüfungspflicht von Diensteanbietern im Sinne der §§ 8 bis 10 TMG für die von Nutzern auf ihre Server eingestellten Dateien steht im Übrigen § 7 Abs. 2 Satz 1 TMG entgegen. Danach sind Diensteanbieter nicht verpflichtet, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hindeuten. Nach dieser Vorschrift, die auf Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr beruht, sind Überwachungspflichten allgemeiner Art ausgeschlossen. Nicht ausgeschlossen sind dagegen Überwachungspflichten in spezifischen Fällen. Diensteanbieter, die von Nutzern bereitgestellte Informationen speichern, müssen außerdem die nach vernünftigem Ermessen von ihnen zu erwartende und in innerstaatlichen Rechtsvorschriften niedergelegte Sorgfaltspflicht anwenden, um bestimmte Arten rechtswidriger Tätigkeiten aufzudecken und zu verhindern (Erwägungsgrund 48 der Richtlinie 2000/31/EG; vgl. BGH, GRUR 2011, 617 Rn. 40 - Sedo). Diese vom Senat aufgestellten Grundsätze stehen im Einklang mit den Maßstäben, die der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 12. Juli 2011 (C-324/09, Slg. 2011, I-6011 = GRUR 2011, 1025 Rn. 109 ff., 139, 144 - L’Oréal/eBay) aufgestellt hat (vgl. BGH, Urteil vom 17. August 2011 - I ZR 57/09, BGHZ 191, 19 Rn. 22 ff. - Stiftparfüm).
- 31
- Weitergehende Prüfungspflichten können bei einer besonderen Gefahrengeneigtheit des angebotenen Dienstes bestehen. Eine solche ist anzunehmen , wenn das Geschäftsmodell von vornherein auf Rechtsverletzungen durch die Nutzer angelegt ist oder der Gewerbetreibende durch eigene Maßnahmen die Gefahr einer rechtsverletzenden Nutzung fördert (vgl. BGH, GRUR 2009, 841 Rn. 21 f. - Cybersky; BGHZ 194, 339 Rn. 22 - Alone in the Dark).
- 32
- 2. Von diesen Grundsätzen ist auch im Streitfall auszugehen.
- 33
- a) Die Beklagte ist Diensteanbieterin im Sinne der § 2 Nr. 1, § 10 Satz 1 Nr. 1 TMG, weil es sich bei den auf ihren Servern gespeicherten Daten um fremde Informationen gemäß § 10 Satz 1 TMG handelt (vgl. BGHZ 194, 339 Rn. 21 - Alone in the Dark).
- 34
- b) Das Geschäftsmodell der Beklagten ist nicht von vornherein auf Rechtsverletzungen angelegt. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen , dass legale Nutzungsmöglichkeiten des Dienstes der Beklagten, für die ein beträchtliches technisches und wirtschaftliches Bedürfnis besteht, in großer Zahl vorhanden und üblich sind.
- 35
- Neben einer Verwendung als „virtuelles Schließfach“ für eine sichere Verwahrung großer Mengen geschäftlicher oder privater Daten kann der Dienst der Beklagten dazu benutzt werden, bestimmten Nutzern eigene oder gemeinfreie Dateien zum Herunterladen oder zur Bearbeitung bereitzustellen. Das kommt etwa für Geschäftskunden in Betracht, die ihren Kunden Zugang zu bestimmten Informationen gewähren wollen, oder für Privatpersonen, die selbst erstellte digitale Bilder oder Filme mit Freunden oder Bekannten austauschen möchten. Dabei ist auch möglich, dass ein berechtigtes Bedürfnis zum massenhaften Herunterladen großer Dateien durch Dritte besteht - ein Merkmal, das die Beklagte als Vorteil ihres Dienstes herausstellt (BGHZ 194, 339 Rn. 23 - Alone in the Dark). Zudem hat das Berufungsgericht - wenn auch in anderem Zusammenhang - darauf verwiesen, dass dezentrale Speicherorte für die Verteilung von Software-Backups genutzt werden und dass der Dienst der Beklagten jedenfalls von einer seriösen Fachzeitschrift auf eine Stufe mit anderen Anbietern legaler Dienstleistungen im Bereich des „Cloud Computing“ gestellt worden ist.
- 36
- c) Das Berufungsgericht ist aber auf der Grundlage der von ihm getroffenen tatsächlichen Feststellungen zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte - auch wenn nicht angenommen werden kann, dass sie von konkret bevorstehenden Urheberrechtsverletzungen Kenntnis hatte - die Gefahr einer urheberrechtsverletzenden Nutzung ihres Dienstes durch eigene Maßnahmen gefördert hat. Die abweichende Beurteilung des Senats in der Entscheidung „Alone in the Dark“ (BGHZ 194, 339 Rn. 25 ff.) beruhte auf den dort getroffenen tatrichterlichen Feststellungen.
- 37
- Als gewerbliches Unternehmen ist die Beklagte bestrebt, Einnahmen zu erzielen. Anders als andere Dienste etwa im Bereich des „Cloud Computing“ verlangt die Beklagte kein Entgelt für die Bereitstellung von Speicherplatz. Im Rahmen ihres Geschäftsmodells erzielt sie ihre Umsätze vielmehr nur durch den Verkauf von Premium-Konten oder - nach der inzwischen erfolgten Umstellung ihrer Angebote - von „Rapids“ und „PremiumPro“-Konten.
- 38
- Die damit verbundenen Komfortmerkmale vor allem hinsichtlich Geschwindigkeit der Ladevorgänge, Dauer der Datenspeicherung und Größe der hochladbaren Dateien sind zwar auch bei vielen legalen Nutzungsmöglichkeiten von Bedeutung (vgl. BGHZ 194, 339 Rn. 26 - Alone in the Dark). Das Berufungsgericht hat jedoch angenommen, eine Häufigkeit von 100.000 Downloads für manche Dateien, mit der die Beklagte wirbt, sei nur mit hochattraktiven und damit im Regelfall rechtswidrigen Inhalten zu erreichen. Diese tatrichterliche Beurteilung verstößt nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze und hält revisionsrechtlicher Prüfung stand. Auch wenn der Dienst der Beklagten auch für die Verteilung von für eine große Personenzahl bestimmten SoftwareUpdates von Interesse sein mag, ist doch die Annahme des Berufungsgerichts nicht rechtsfehlerhaft, für viele Nutzer sei gerade das rechtsverletzende Herunterladen urheberrechtlich geschützter Werke wie Filme, Musik oder Softwareprodukte attraktiv.
- 39
- Je öfter diese Nutzer solche geschützten Inhalte ohne weitere Kosten bei der Beklagten tatsächlich herunterladen oder herunterzuladen beabsichtigen, desto eher sind sie bereit, die kostenpflichtigen Angebote der Beklagten in Anspruch zu nehmen. Das Berufungsgericht ist deshalb ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass die Beklagte ihre Umsätze durch eine steigende Zahl von Downloads erhöht und dass sie deshalb in erheblichem Maß gerade von massenhaften Downloads profitiert, für die vor allem zum rechtswidrigen Herunterladen bereitstehende Dateien mit geschützten Inhalten attraktiv sind.
- 40
- Diese Attraktivität für illegale Nutzungen wird, wie das Berufungsgericht zutreffend festgestellt hat, durch die Möglichkeit gesteigert, die Dienste der Beklagten anonym in Anspruch zu nehmen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 2007 - I ZR 18/04, BGHZ 173, 188 Rn. 25 - Jugendgefährdende Medien bei eBay). An diesem Umstand ändert sich nichts durch das an die Diensteanbieter gerichtete Gebot, grundsätzlich eine anonyme Nutzung von Telemedien zu ermöglichen , soweit sie technisch möglich und zumutbar ist (vgl. § 13 Abs. 6 TMG).
- 41
- Vor diesem Hintergrund konnte das Berufungsgericht auch die bis zum 30. Juni 2010 praktizierte, von der Downloadhäufigkeit der hochgeladenen Dateien abhängige Vergabe von Premium-Punkten an Nutzer der Beklagten ohne Rechtsfehler als weiteres Indiz dafür ansehen, dass sie Rechtsverletzungen gefördert hat. Denn die Beklagte hat damit insbesondere auch die hohe Attrak- tivität des Herunterladens von Dateien mit urheberrechtlich geschütztem Inhalt belohnt, die auf ihren Servern ohne Zustimmung der Rechteinhaber zugänglich gemacht worden sind.
- 42
- Das Berufungsgericht hat aus den vorgenannten Feststellungen ohne Rechtsfehler die tatsächliche Schlussfolgerung gezogen, dass die konkrete Ausgestaltung des Dienstes der Beklagten einen erheblichen Anreiz schafft, ihn für massenhafte Rechtsverletzungen zu nutzen. Es hat dabei auch berücksichtigt , dass die Beklagte selbst von einer Missbrauchsquote von 5 bis 6 % ausgegangen ist, was bei einem täglichen Upload-Volumen von 500.000 Dateien auf ca. 30.000 urheberrechtsverletzende Nutzungshandlungen hinausläuft.
- 43
- 3. Das Berufungsgericht ist in tatrichterlicher Würdigung dieser Umstände ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass der Beklagten zwar keine anlasslose , wohl aber eine anlassbezogene Überwachungspflicht auferlegt werden kann, die einer bereits erfolgten Rechtsverletzung nachfolgt und erneuten Rechtsverletzungen vorbeugt.
- 44
- a) Der Umfang der Prüfpflichten desjenigen, der als Störer in Anspruch genommen wird, bestimmt sich danach, ob und inwieweit ihm nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (BGH, Urteil vom 15. Oktober 1998 - I ZR 120/96, GRUR 1999, 418, 419 f. = WRP 1999, 211 - Möbelklassiker; Urteil vom 1. April 2004 - I ZR 317/01, BGHZ 158, 343, 350 - Schöner Wetten; Urteil vom 9. Februar 2006 - I ZR 124/03, GRUR 2006, 875 Rn. 32 = WRP 2006, 1109 - Rechtsanwalts-Ranglisten; Urteil vom 12. Mai 2010 - I ZR 121/08, BGHZ 185, 330 Rn. 19 - Sommer unseres Lebens). Da die Beklagte durch eigene Maßnahmen die Gefahr einer rechtsverletzenden Nutzung ihres Dienstes fördert, obliegen ihr im Rahmen der Störerhaftung grundsätzlich weitgehende Prüfungspflichten. Dennoch ist es ihr - soweit sie als Störerin in Anspruch genommen wird - nicht zuzumuten, jede von Nutzern auf ihren Servern hochgela- dene Datei auf rechtsverletzende Inhalte zu untersuchen. Denn dies würde ihr Geschäftsmodell gefährden, das nicht von vornherein auf Rechtsverletzungen durch die Nutzer angelegt ist, sondern - wie dargelegt - in vielfältiger Weise auch legal genutzt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2004 - I ZR 304/01, BGHZ 158, 236, 251 f. - Internet-Versteigerung I), und für das grundsätzlich das Haftungsprivileg des § 10 Satz 1 TMG gilt (vgl. BGHZ 185, 330 Rn. 24 - Sommer unseres Lebens; vgl. auch EuGH, Slg. 2011, I-6011 = GRUR 2011, 1025 Rn. 139 - L’Oréal/eBay).
- 45
- Eine Prüfpflicht der Beklagten im Hinblick auf die zugunsten der Klägerin geschützten Musikwerke, deren Verletzung die Wiederholungsgefahr begründen kann, konnte daher erst entstehen, nachdem sie von der Klägerin auf eine klare Rechtsverletzung in Bezug auf die konkreten Musikwerke hingewiesen worden war (BGHZ 194, 339 Rn. 28 - Alone in the Dark). Der Umstand, dass die Beklagte durch eigene Maßnahmen die Gefahr einer rechtsverletzenden Nutzung ihres Dienstes fördert, ist jedoch bei der Bestimmung des Umfangs ihrer Prüfpflichten zu berücksichtigen.
- 46
- b) Die Beklagte ist mit Schreiben vom 22. November 2006, vom 15. Januar 2008 und vom 4. April 2008 von der Klägerin auf klare Rechtsverletzungen in Bezug auf die in den Anlagen K1, K2 und K27 genannten Werke hingewiesen worden. Sie war daher ab diesem Zeitpunkt nicht nur dazu verpflichtet , das konkrete Angebot unverzüglich zu sperren, sondern hatte auch Vorsorge zu treffen, dass es möglichst nicht zu weiteren gleichartigen Rechtsverletzungen kam (vgl. BGH, Urteil vom 17. August 2011 - I ZR 57/09, BGHZ 191, 19 Rn. 39 - Stiftparfüm; BGHZ 194, 339 Rn. 29 - Alone in the Dark).
- 47
- c) Nach den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen - und insoweit von der Revision nicht angegriffenen - Feststellungen des Landgerichts waren die in Rede stehenden Musikwerke noch nach den Schreiben der Klägerin vom 22. November 2006, 15. Januar 2008 und 4. April 2008, die jeweils die Prüfpflicht der Beklagten begründeten, auf deren Servern abrufbar. Die Beklagte hat die ihr als Störerin obliegenden Prüfpflichten verletzt, weil sie nach den Hinweisen der Klägerin nicht jeweils alles ihr technisch und wirtschaftlich Zumutbare getan hat, um weitere Rechtsverletzungen im Hinblick auf die zugunsten der Klägerin geschützten Werke auf ihren Servern zu verhindern (vgl. BGHZ 194, 339 Rn. 31 - Alone in the Dark).
- 48
- aa) Das Berufungsgericht hat nur hinsichtlich der in Anlage K2 aufgeführten Musikwerke ausdrücklich festgestellt, dass die Beklagte die dort genannten Dateien insgesamt gelöscht hat. Auch im Übrigen hat die Beklagte aber eine entsprechende Löschung vorgetragen; das Berufungsgericht hat insoweit keine abweichenden Feststellungen getroffen. Ihre darüber hinausgehenden Sorgfalts - und Prüfpflichten zur Verhinderung weiterer gleichartiger Rechtsverletzungen hat die Beklage zu 1 jedoch nicht erfüllt.
- 49
- Solche gleichartigen Rechtsverletzungen sind nicht nur Angebote, die mit den bekannt gewordenen Fällen identisch sind, die also das Zugänglichmachen derselben Musikwerke durch denselben Nutzer betreffen. Vielmehr hat die Beklagte im Rahmen dessen, was ihr technisch und wirtschaftlich zumutbar ist, dafür Sorge zu tragen, dass weder der für die angezeigte Verletzung verantwortliche Nutzer noch andere Nutzer Dritten über ihre Server die ihr konkret benannten urheberrechtlich geschützten Werke anbieten. Die Urheberrechtsverletzung ist auf das konkrete urheberrechtlich geschützte Werk bezogen. Im Sinne der Störerhaftung sind Verletzungshandlungen gleichartig, durch die dieses Urheberrecht erneut verletzt wird. Dabei kommt es nicht auf die Person desjenigen an, der durch das Zugänglichmachen des geschützten Werkes den Verletzungstatbestand erfüllt (vgl. BGHZ 194, 339, Rn. 32 - Alone in the Dark).
- 50
- bb) Das Berufungsgericht hat den Tatsachenvortrag der Beklagten zu deren Überprüfungsmaßnahmen als insgesamt unsubstantiiert angesehen, weil diese sich darauf beschränkt hätten, allgemeine organisatorische Maßnahmen zu benennen, die nicht im Zusammenhang mit den ihnen konkret entgegengehaltenen Rechtsverletzungen gestanden hätten. Zudem sei nicht ersichtlich, wann, mit welchen Mitteln, wie, durch wen, wie häufig und mit welchem Ergebnis Maßnahmen durchgeführt worden seien. Das Berufungsurteil beruht indes nicht auf einer Zurückweisung des Vortrags der Beklagten als unsubstantiiert. Das Berufungsgericht hat sich vielmehr im Einzelnen mit den von der Beklagten behaupteten Maßnahmen befasst. Hiergegen wendet sich die Revision vergeblich.
- 51
- (1) Die Revision macht geltend, die Beklagte hätte dargelegt, dass sie ein 17-köpfiges Team zur Bekämpfung von Missbräuchen (Abuse-Team) unterhalte , das sieben Tage die Woche und 24 Stunden am Tag mit der Prüfung und Löschung von Dateien im Zusammenhang mit möglichen Urheberrechtsverletzungen befasst sei. Die Mitarbeiter der Beklagten gingen entsprechenden Meldungen nach und suchten aktiv einschlägige Internetseiten auf, um Urheberrechtsverletzungen abzustellen und zu verhindern. Damit hat die Beklagte keine konkreten Maßnahmen in Bezug auf die Verhinderung der gerügten Urheberrechtsverletzungen dargelegt. Allein die Zahl und der Einsatzzeitraum der beschäftigten Mitarbeiter kann schon deshalb nicht als hinreichender Vortrag angesehen werden, weil er keine Angaben dazu enthält, mit welcher Intensität und wie im Einzelnen eine Überprüfung stattfand.
- 52
- (2) Den Hinweis der Beklagten in ihren Nutzungsbedingungen, dass es unzulässig sei, Werke unter Verletzung des Urheberrechts hochzuladen, hat das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler als notwendige, aber wenig effektive Maßnahme angesehen.
- 53
- (3) Der von der Beklagten vorgetragene Einsatz von MD5-Filtern kann Verletzungshandlungen nur in geringem Umfang verhindern, weil diese Filter nur Dateien erkennen können, die mit der rechtsverletzenden Datei identisch sind. Der Einsatz von MD5-Filtern reicht deshalb für die Erfüllung der Überprüfungs - und Kontrollpflichten der Beklagten nicht aus.
- 54
- (4) Auch mit dem von der Revision besonders herausgestellten Angebot eines Lösch-Interface für Rechteinhaber kann die Beklagte ihre Sorgfalts- und Prüfpflichten nicht erfüllen. Der Klägerin bietet das Lösch-Interface nur eine begrenzte Möglichkeit, gegen illegale Nutzungen vorzugehen. Sie kann nur die konkreten, ihr schon bekannten rechtsverletzenden Dateien oder Links löschen, aber nicht selbst nach potentiellen neuen Rechtsverletzungen suchen. Zudem kann die Klägerin nicht gegen die hinter dem jeweiligen rechtsverletzenden Angebot stehenden Personen vorgehen, weil diese im Dienst der Beklagten und folglich auch bei Nutzung des von ihr angebotenen Lösch-Interface anonym bleiben. Schon diese beiden Eigenschaften des von der Beklagten eingerichteten Lösch-Interface begründen einen wesentlichen Unterschied zu dem Programm , zu dem sich der Senat in der Entscheidung „Kinderhochstühle im Internet“ (Urteil vom 22. Juli 2010 - I ZR 139/08, GRUR 2011, 152 Rn. 43 = WRP 2011, 223) geäußert hat. Anders als in jenem Markenverletzungen betreffenden Fall sind die vorliegenden Urheberrechtsverletzungen auch offensichtlich, sobald ein zu einem geschützten Werk führender Link veröffentlicht worden ist. Die Beklagte kann sich den ihr obliegenden Kontrollmaßnahmen deshalb nicht dadurch entziehen, dass sie der Klägerin ihr Lösch-Interface anbietet.
- 55
- cc) Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte die ihr obliegende Prüfpflicht verletzt und es dadurch versäumt, weitere, mit den von der Klägerin angezeigten Fällen gleichartige Rechtsverletzungen zu verhindern.
- 56
- (1) Die Beklagte hat ihre Prüfpflicht verletzt, weil sie es unterlassen hat, die einschlägigen Linksammlungen im Hinblick auf die im Klageantrag aufgeführten Musikwerke zu durchsuchen.
- 57
- Soweit Hyperlinks in Linksammlungen auf Dateien verweisen, die auf den Servern der Beklagten gespeichert sind und zugunsten der Klägerin geschützte Werke enthalten, handelt es sich um Verletzungshandlungen, die mit den festgestellten Verletzungen gleichartig sind und auf die sich die Prüfpflichten der Beklagten grundsätzlich erstrecken, nachdem sie über entsprechende Verstöße unterrichtet worden ist (vgl. BGHZ 194, 339 Rn. 37 - Alone in the Dark).
- 58
- Da nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts davon auszugehen ist, dass die Beklagte durch ihr konkretes Geschäftsmodell Urheberrechtsverletzungen in erheblichem Umfang Vorschub leistet, ist ihr eine umfassende regelmäßige Kontrolle der Linksammlungen zuzumuten, die auf ihren Dienst verweisen. Soweit der Senat in der Entscheidung „Alone in the Dark“ ausgeführt hat, der Beklagten sei grundsätzlich auch eine manuelle Kontrolle jedenfalls einer einstelligen Zahl von Linksammlungen zumutbar (vgl. BGHZ 194, 339 Rn. 39), war dies auf den in jenem Fall gestellten Klageantrag und die dort getroffenen tatrichterlichen Feststellungen zurückzuführen. Eine allgemeine Begrenzung der Zahl zu kontrollierender Linksammlungen kann dem Urteil „Alone in the Dark“ nicht entnommen werden.
- 59
- Die Prüfpflichten des Störers bestehen bei jedem Werk, zu dem er auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen worden ist, im selben Umfang. Sie verringern sich nicht dadurch, dass sie in Bezug auf eine große oder sehr große Werkzahl – allein im Streitfall über 4800 Musikwerke - erfüllt werden müssen. Denn der urheberrechtliche Schutz kann nicht dadurch geschwächt werden, dass es im Rahmen eines an sich zulässigen Geschäftsmodells zu einer gro- ßen Zahl von Rechtsverletzungen kommt. Allerdings ist nicht von vornherein auszuschließen, dass der als Störer in Anspruch Genommene im Vollstreckungsverfahren mangelndes Verschulden einwenden könnte, wenn er im Einzelfall die Prüfpflicht für eine Vielzahl von Werken einer großen Zahl von Rechteinhabern nicht gleichzeitig erfüllen konnte, obwohl er seinen Geschäftsbetrieb angemessen ausgestattet hatte, um seinen Prüfpflichten nachzukommen. Allerdings werden häufig viele Rechte zahlreicher Rechtsinhaber in denselben Linksammlungen verletzt. Dementsprechend wird die Zahl der zu prüfenden Linksammlungen nicht im selben Verhältnis wie die Zahl der urheberrechtlich geschützten Werke ansteigen, die zu überprüfen sind. Die Annahme mangelnden Verschuldens bei der Verletzung der Prüfpflicht wird daher allenfalls sehr zurückhaltend in Ausnahmefällen in Betracht kommen.
- 60
- Danach hat das Berufungsgericht die Prüfpflichten der Beklagten nicht überspannt, indem es ihr eine umfassende Kontrolle von Link-Ressourcen auferlegt , bei der sie gezielt nach weiteren Links suchen muss, die den Werktitel vollständig oder in einem Umfang enthalten, der darauf schließen lässt, dass das betreffende Werk zugänglich gemacht wird, wobei auch die verbale Beschreibung im Begleittext in die Überprüfung einbezogen werden soll. Die vom Berufungsgericht der Beklagten in diesem Umfang auferlegte allgemeine „Marktbeobachtungspflicht“ ist unter den konkreten Umständen des Streitfalls zumutbar und geboten. Die Beklagte ist somit verpflichtet, über allgemeine Suchmaschinen wie Google, Facebook oder Twitter mit geeignet formulierten Suchanfragen und gegebenenfalls auch unter Einsatz von sogenannten Webcrawlern zu ermitteln, ob sich hinsichtlich der konkret zu überprüfenden Werke Hinweise auf weitere rechtsverletzende Links auf ihren Dienst finden.
- 61
- (2) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte einen Wortfilter benutzt, um mittels ihrer Server begangene Rechtsverletzungen aufzudecken. Ob dieser Wortfilter - wie erforderlich - unter Anzeige auch ähnli- cher Ergebnisse für alle im Streitfall relevanten Musikwerke eingesetzt worden ist, ist indes nicht festgestellt. Insoweit kann daher nicht von der Verletzung einer weiteren Prüfungspflicht durch die Beklagte ausgegangen werden (vgl. BGHZ 194, 339, Rn. 33 ff. - Alone in the Dark).
- 62
- (3) Dass der Beklagten obliegende Prüfpflichten im Einzelfall auch zu einer Löschung rechtmäßiger Sicherungskopien führen können, macht ihre Erfüllung nicht unzumutbar (vgl. BGHZ 194, 339 Rn. 45 - Alone in the Dark). Es ist deshalb unerheblich, dass das bloße Hochladen auf die Server der Beklagten für sich allein noch nicht auf die Vorbereitung eines illegalen ÖffentlichZugänglichmachens schließen lässt. Ist ein bestimmtes urheberrechtlich geschütztes Werk über den Dienst der Beklagten bereits einmal in unzulässiger Weise öffentlich zugänglich gemacht worden, begründet das erneute Hochladen dieses Werks grundsätzlich die Gefahr, dass es wieder unter Verletzung des Urheberrechts genutzt wird. Die Beklagte hat dieser Gefahr im Hinblick auf das von ihrem Geschäftsmodell ausgehende erhebliche Gefährdungspotential für urheberrechtlich geschützte Interessen wirksam entgegenzutreten. Entgegen der Ansicht der Revision ist kein Erfahrungssatz ersichtlich, dass dies zu einer für die Beklagte existenzgefährdenden Vielzahl von Löschungen für rechtmäßige Nutzungen gespeicherter Dateien führt.
- 63
- 4. Mit Recht ist das Berufungsgericht auch davon ausgegangen, dass die Beklagte als Störer für die späteren gleichartigen Rechtsverletzungen haftet, weil sie diese bei Erfüllung der ihr obliegenden zumutbaren Prüfpflichten hätte verhindern können. Die im Klageantrag aufgeführten Werke wurden nach den Schreiben vom 22. November 2006, 15. Januar 2008 und 4. April 2008 auf Link-Listen über bestimmte Links zu Speicherplätzen der Beklagten zum Download angeboten. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, warum die Beklagte als branchenkundiges Unternehmen die gerade zur Suche nach den fraglichen Links dienenden Link-Listen nicht ebenso hätte auffinden können, wie die an einem rechtsverletzenden Herunterladen interessierten Internetnutzer oder die Klägerin. Die Revision macht das auch nicht geltend.
- 64
- C. Dagegen hat die Revision der Beklagten zu 2 und 3 Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit zum Nachteil der Beklagten zu 2 und 3 erkannt worden ist, und in diesem Umfang zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
- 65
- Die bislang vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen reichen nicht aus, um eine Haftung der Beklagten zu 2 und 3 zu begründen. Die allein in Betracht kommende Haftung der Beklagten zu 2 und 3 als Störer scheidet aus, wenn sie weder an der Rechtsverletzung teilgenommen haben noch von ihr wussten und die Möglichkeit hatten, sie zu verhindern (vgl. BGH, Urteil vom 26. September 1985 - I ZR 86/83, GRUR 1986, 248 - Sporthosen). Die für die Rechtsverletzung maßgebliche Handlung ist hier die Verletzung von Prüfpflichten , die der Beklagten obliegen, nachdem sie durch die Klägerin von den Urheberrechtsverletzungen hinsichtlich der im Klageantrag aufgeführten Sprachwerke in Kenntnis gesetzt worden ist. Auf die Beklagten zu 2 und 3 bezogene Feststellungen dazu hat das Berufungsgericht bislang nicht getroffen.
Kirchhoff Löffler
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 12.06.2009 - 310 O 93/08 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 14.03.2012 - 5 U 87/09 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung der Berichterstattung über seine angebliche Tätigkeit als inoffizieller Mitarbeiter (IM) für das Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) in Anspruch.
- 2
- Der Kläger war Professor an der Universität Leipzig, Fraktionsvorsitzender der Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) im Sächsischen Landtag und Spitzenkandidat dieser Partei für die Landtagswahl am 19. September 2004. Die Beklagte verlegt die Zeitungen "Sächsische Zeitung", "Dresdner Mor- genpost" und "Dresdner Morgenpost am Sonntag". In diesen Zeitungen wurde in der Zeit vom 8. bis 17. August 2004 in fünf Artikeln über den Verdacht berichtet , der Kläger habe seit 1970 als inoffizieller Mitarbeiter "IM Christoph" mit dem Ministerium für Staatssicherheit zusammengearbeitet und dabei insbesondere seine damalige Freundin und jetzige Frau bespitzelt.
- 3
- Der Kläger sieht sich durch die Veröffentlichungen in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt. Er behauptet, er habe keine Kenntnis davon gehabt , dass das Ministerium für Staatssicherheit ihn als "IM Christoph" geführt habe. Er sei ohne sein Wissen "abgeschöpft" worden.
- 4
- Das Landgericht hat die Beklagte zur Unterlassung der Verbreitung verschiedener Passagen der Artikel verurteilt. Die Berufung der Beklagten war erfolglos. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
- 5
- Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die vom Kläger beanstandeten Textpassagen seien jeweils Teil einer unzulässigen Verdachtsberichterstattung und verletzten den Kläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Ihre Veröffentlichung sei insbesondere nicht deshalb zulässig, weil die darin als Verdacht geäußerten Behauptungen zutreffend seien. Es sei nicht erwiesen, dass der Kläger wissentlich und willentlich mit dem Staatssicherheitsdienst der DDR zusammengearbeitet habe. Die Beweislast für die Wahrheit der Behauptungen liege bei der Beklagten. Der Beweis sei durch die vorgelegten Dokumente der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der DDR (nachfolgend: Bundesbeauftragte) und die Aussagen der Zeugen nicht erbracht worden. Zwar bleibe ein erheblicher Verdacht, dass die Behauptung des Klägers, nicht gewusst zu haben, dass die Zeugen Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit gewesen seien, nicht zutreffe. Denn den vorgelegten Unterlagen und den Aussagen der Zeugen sei zu entnehmen, dass der Kläger über Jahre vielfach und unter konspirativen Umständen Kontakt mit Mitarbeitern des Staatssicherheitsdienstes gehabt und er diesen gegenüber höchst private und politisch brisante Einzelheiten über Freunde, Bekannte und seine damalige Lebensgefährtin berichtet habe. Sie ließen aber nicht den zwingenden Schluss zu, dass dem Kläger bekannt gewesen sei, wer seine Gesprächspartner waren. Der Möglichkeit, dass der Kläger unwissentlich mit Vertretern der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) gesprochen habe, stehe insbesondere nicht zwingend entgegen, dass die HVA im Jahre 1970 für den Kläger eine Karteikarte mit dem Decknamen "IM Christoph" angelegt habe und dass in der Aktennotiz des Zeugen O. vom 5. März 1984 festgehalten worden sei, dass der Kläger bei der HVA positiv erfasst sei und zuverlässig arbeite. Hieraus ergäben sich zwar erhebliche Verdachtsmomente. Eine Gewissheit über eine positive Kenntnis des Klägers bestehe hingegen nicht.
- 6
- Die Berichterstattung sei auch nicht etwa deshalb zulässig, weil es sich um die Verbreitung eines Verdachts gehandelt habe. Ihre Zulässigkeit scheitere jedenfalls daran, dass die Beklagte, die ihre Informationen ausschließlich Berichten des Nachrichtenmagazins "FOCUS" entnommen habe, vor der Veröffentlichung keine eigenen Recherchen durchgeführt habe. In Anbetracht der Konsequenzen, die der Vorwurf, der Kläger sei als "IM" der "Stasi" tätig gewesen , für diesen hätte haben müssen, habe die Beklagte selbst die im Nachrichtenmagazin "FOCUS" auszugsweise zitierten Dokumente der Bundesbeauftragten überprüfen und den Verfasser der darin enthaltenen Berichte, den Zeugen O., zu den Umständen ihrer Entstehung befragen müssen. Die Tatsache, dass sich der Kläger im Landtagswahlkampf befunden habe, stehe dem nicht entge- gen, sondern habe im Gegenteil wegen der absehbaren schwerwiegenden Folgen für den Kläger zu einer genaueren Überprüfung führen müssen. Die Beklagte habe sich nicht gänzlich auf die Einschätzung der Bundesbeauftragten verlassen dürfen, die die Voraussetzungen für eine Herausgabe der Unterlagen an die Presse für gegeben hielt, sondern die ihr zur Verfügung stehenden eigenen Recherchemöglichkeiten nutzen müssen. Die Beklagte habe nicht vorgetragen , dass sie irgendein Dokument der Bundesbeauftragten in den Händen gehabt habe.
- 7
- In der Abhaltung einer Pressekonferenz am 19. August 2004 durch den Kläger liege keine Einwilligung in die Veröffentlichungen. Da sie erst nach dem Erscheinen der Beiträge stattgefunden habe, entfalle durch sie nicht die Rechtswidrigkeit der Berichterstattung. Es bestehe auch weiterhin Wiederholungsgefahr , zumal die Beklagte nicht konkret vorgetragen habe, zu welchen konkreten Äußerungen der Kläger sich mit welchen Worten in dieser Pressekonferenz geäußert habe.
II.
- 8
- Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts , dem Kläger stehe gegen die Beklagte wegen der angegriffenen Äußerungen ein Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG zu.
- 9
- 1. Das Berufungsgericht hat allerdings zu Recht angenommen, dass die angegriffenen Äußerungen einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers darstellen. Es hat den Sinngehalt der beanstandeten Äußerungen zutreffend erfasst, indem es angenommen hat, die Beklagte habe dadurch in jeweils unterschiedlichen Formen den Verdacht geäußert, der Kläger habe als informeller Mitarbeiter (IM) mit dem Ministerium für Staatssicherheit der DDR (MfS) zusammengearbeitet und "Spitzeldienste" erbracht. Es hat die Äußerungen auch zu Recht als Tatsachenbehauptungen eingestuft. Die Äußerung des Verdachts, mit dem MfS zusammengearbeitet zu haben, ist geeignet, sich abträglich auf das Ansehen des Klägers, insbesondere sein Bild in der Öffentlichkeit , auszuwirken (vgl. BVerfGE 114, 339, 346; BVerfGE 119, 1, 24, jeweils mwN; siehe auch Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09, VersR 2012, 66 Rn. 20 f.; BVerfG, AfP 2010, 562 Rn. 56; EGMR, NJW 2012, 1058 Rn. 83).
- 10
- 2. Die Revision wendet sich aber mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers werde durch die angegriffenen Äußerungen in rechtswidriger Weise verletzt.
- 11
- a) Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (Senatsurteile vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, VersR 2012, 994 Rn. 35; vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, z.V.b., Rn. 10, jeweils mwN).
- 12
- Im Streitfall sind das durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Interesse des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und seines guten Rufs mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK verankerten Recht der Beklagten auf Meinungs- und Medienfreiheit abzuwägen (vgl. Se- natsurteile vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09, VersR 2012, 66 Rn. 24; vom 22. November 2011 - VI ZR 26/11, VersR 2012, 192 Rn. 14, jeweils mwN; BVerfG, NJW 2012, 756 Rn. 18; NJW 2012, 1500 Rn. 33). Bei Tatsachenbehauptungen wie im vorliegenden Fall hängt die Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen vom Wahrheitsgehalt ab. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht (vgl. Senatsurteile vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, VersR 2012, 994 Rn. 37; vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, z.V.b., Rn. 12, jeweils mwN; BVerfG, AfP 2009, 480 Rn. 62 mwN; NJW 2012, 1500 Rn. 39). Außerhalb des Schutzbereichs des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG liegen aber nur bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen und solche, deren Unwahrheit bereits im Zeitpunkt der Äußerung feststeht. Alle übrigen Tatsachenbehauptungen mit Meinungsbezug genießen den Grundrechtsschutz, auch wenn sie sich später als unwahr herausstellen (vgl. Senatsurteil vom 22. April 2008 - VI ZR 83/07, BGHZ 176, 175 Rn. 34; BVerfG, AfP 2009, 480 Rn. 62, jeweils mwN).
- 13
- b) Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts , die angegriffenen Äußerungen seien nicht (erweislich) wahr.
- 14
- aa) Die Revision macht allerdings ohne Erfolg geltend, bei der Wiedergabe der gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe durch die Beklagte handele es sich nicht um eine Verdachtsberichterstattung, sondern um eine wahrheitsgemäße und deshalb zulässige Berichterstattung über das Zeitgeschehen, nämlich über die Berichterstattung des Nachrichtenmagazins "FOCUS" und die bis zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Ergebnisse der Bundesbeauftragten. Denn die Beklagte hat sich die Erkenntnisse des "FOCUS" bzw. der Bundesbeauftragten über den Verdacht einer IM-Tätigkeit des Klägers jeweils zu Eigen gemacht. Sie hat die jeweiligen Artikel selbst verfasst und sich mit den fremden Äußerungen identifiziert, so dass sie als eigene erscheinen; sie hat sie zum Be- standteil eigener Verdachtsberichterstattungen gemacht (vgl. Senatsurteile vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, VersR 2009, 1417 Rn. 19; vom 17. November 2009 - VI ZR 226/08, VersR 2010, 220 Rn. 11; vom 27. März 2012 - VI ZR 144/11, VersR 2012, 992 Rn. 11; BVerfG, NJW 2004, 590, 591 jeweils mwN).
- 15
- bb) Mit Erfolg rügt die Revision aber die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe nicht bewiesen, dass die von ihr als Verdacht geäußerten Behauptungen wahr seien. Das Berufungsgericht ist zwar im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass die Beweislast für die Wahrheit der Tatsachenbehauptungen nach der über § 823 Abs. 2 BGB in das Deliktsrecht transformierten Beweisregel des § 186 StGB der auf Unterlassung in Anspruch genommenen Beklagten als Äußernden obliegt (vgl. Senatsurteile vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 23; vom 22. April2008 - VI ZR 83/07, BGH 176, 175 Rn. 21; vom 28. Februar 2012 - VI ZR 79/11, VersR 2012, 502 Rn. 13; BVerfGE 114, 339, 352). Wie die Revision jedoch zu Recht beanstandet, beruht die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe nicht bewiesen, dass der Kläger wissentlich und willentlich mit dem Staatssicherheitsdienst zusammengearbeitet habe, auf einer Verletzung von § 286 Abs. 1 ZPO.
- 16
- (1) Nach dieser Vorschrift hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist. Diese Würdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. An dessen Feststellungen ist das Revisionsgericht nach § 559 ZPO gebunden. Revisionsrechtlich ist lediglich zu überprüfen, ob sich der Tatrichter mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (vgl. Senatsurteile vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 309/10, VersR 2012, 454 Rn. 13 mwN; vom 10. Juli 2012 - VI ZR 341/10, VersR 2012, 1261 Rn. 28 mwN, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).
- 17
- Der revisionsrechtlichen Überprüfung unterliegt ferner das Beweismaß. Nach § 286 ZPO hat der Tatrichter ohne Bindung an Beweisregeln und nur seinem Gewissen unterworfen die Entscheidung zu treffen, ob er an sich mögliche Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt als wahr überzeugen kann. Jedoch setzt das Gesetz eine von allen Zweifeln freie Überzeugung nicht voraus. Das Gericht darf keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen und keine unumstößliche Gewissheit bei der Prüfung verlangen, ob eine Behauptung wahr und erwiesen ist. Vielmehr darf und muss sich der Richter in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (vgl. Senatsurteile vom 8. Juli 2008 - VI ZR 259/06, VersR 2008, 1265 Rn. 22; vom 19. Oktober 2010 - VI ZR 241/09, VersR 2011, 223 Rn. 21; BGH, Urteile vom 17. Februar 1970 - III ZR 139/67, BGHZ 53, 245, 255 f.; vom 14. Januar 1993 - IX ZR 238/91, NJW 1993, 935, 937; vom 13. März 2003 - X ZR 100/00, GRUR 2003, 507, 508, jeweils mwN). Zweifel, die sich auf lediglich theoretische Möglichkeiten gründen, für die tatsächliche Anhaltspunkte nicht bestehen, sind nicht von Bedeutung (vgl. Senatsurteil vom 8. Juli 2008 - VI ZR 259/06, aaO).
- 18
- (2) Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht hinreichend beachtet.
- 19
- (a) Die Beweiswürdigung ist unvollständig und verstößt gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze. Die Revision beanstandet zu Recht, dass die Deutung der in den Akten des MfS verwendeten Begriffe durch das Landgericht, auf dessen Würdigung das Berufungsgericht Bezug genommen hat, zum Teil weit hergeholt und mit dem natürlichen Sprachempfingen kaum in Einklang zu bringen ist. So rügt die Revision mit Erfolg, dass das Berufungsgericht, das insoweit auf die Würdigung des Landgerichts Bezug genommen hat, den Bericht der Bezirksverwaltung Leipzig des Ministeriums für Staatssicherheit vom 9. März 1984 als mit dem Vortrag des Klägers, er sei lediglich ohne sein Wissen "abgeschöpft" worden, vereinbar angesehen hat. Der Bericht vom 9. März 1984 betrifft nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die erste Kontaktaufnahme der Bezirksverwaltung Leipzig mit dem Kläger, der bis zu dieser Zeit nur bei der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) als inoffizieller Mitarbeiter erfasst war. In diesem Bericht führt Oberleutnant O. von der Bezirksverwaltung Leipzig aus: "Entsprechend der Mitteilung der HVA konnte mit diesem IM die Verbindung zur zeitweiligen Nutzung aufgenommen werden. Dazu wurden die Telefonnummer des IM und ein Erkennungswort mitgeteilt. Die Verbindungsaufnahme zum IM erfolgte telefonisch und geschah ohne Schwierigkeiten." Die Revision beanstandet mit Recht, dass die Würdigung des Landgerichts, unter dem Erkennungswort könne auch der Arbeitsname zu verstehen sein, unter dem alle durch den Kläger erlangten Informationen zwischen der Hauptverwaltung und der Bezirksverwaltung Leipzig auszutauschen seien, unvertretbar ist. Sie trägt insbesondere dem anerkannten Grundsatz nicht Rechnung, wonach der Sinngehalt von Erklärungen unter Berücksichtigung des Wortlautes und des Zusammenhangs zu erfassen und hierbei das übliche Verständnis der betroffenen Verkehrskreise zu berücksichtigen ist. Nach dem Gesamtzusammenhang der Äußerung erfolgte die Mitteilung des Erkennungswortes an die Bezirksverwaltung gemeinsam mit der Bekanntgabe der Telefonnummer des IM zum Zwecke der Kontaktaufnahme mit diesem. Im unmittelbar auf die Verwendung des Erkennungswortes folgenden Satz wird mitgeteilt, dass die Kontaktaufnahme telefonisch erfolgt und ohne Schwierigkeiten geschehen sei. Weshalb in diesem Zusammenhang das Erkennungswort den Arbeitsnamen bezeichnen soll, unter dem die Informationen zwischen der Hauptverwaltung und der Bezirksverwal- tung auszutauschen waren, ist schlechterdings nicht nachvollziehbar. Dies gilt umso mehr, wenn man die Aussage der Mitarbeiterin derBundesbeauftragten in der Sitzung des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunitätsangelegenheiten des Sächsischen Landtags vom 10. Januar 2006 berücksichtigt, wonach es üblich gewesen sei, zur Herstellung des Kontakts mit einem dem inoffiziellen Mitarbeiter bislang unbekannten Offizier des Ministeriums für Staatssicherheit Kennwörter zu vereinbaren.
- 20
- (b) Die Revision rügt auch mit Erfolg, dass das Berufungsgericht die Anforderungen an die richterliche Überzeugung überspannt hat. Das Landgericht hat rechtfehlerhaft eine mathematische, jede Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs ausschließende Gewissheit gefordert. Es hat die Hinweise in den Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes jeweils isoliert gewürdigt und theoretische Erklärungen dafür gefunden, warum es nicht "gänzlich undenkbar", "nicht unmöglich" oder "nicht gänzlich unplausibel" sei, dass die Darstellung des Klägers zutreffend sei und er nicht gewusst habe, dass er seine umfassende Spitzeltätigkeit tatsächlich für den Staatssicherheitsdienst erbrachte. Die erheblichen Verdachtsmomente wiesen nicht "zwingend" darauf hin, dass der Kläger Kenntnis von der Identität seiner Gesprächspartner gehabt habe.
- 21
- Das Berufungsgericht hat zwar zutreffend ausgeführt, dass für die richterliche Überzeugungsbildung ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit genüge, der Zweifeln Schweigen gebiete, ohne sie völlig auszuschließen. In der Sache hat es aber keine geringeren Anforderungen an die Überzeugungsbildung als das Landgericht gestellt. Es hat sich uneingeschränkt dessen rechtsfehlerhafter Beweiswürdigung angeschlossen und ebenfalls darauf abgestellt, dass die "durchaus erheblichen Verdachtsmomente" nicht den "zwingenden" bzw. "alleinigen Schluss" auf eine Kenntnis des Klägers zuließen bzw. seiner Unkenntnis "nicht zwingend entgegen" ständen.
- 22
- c) Die Revision wendet sich darüber hinaus mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die angegriffenen Äußerungen seien auch nicht nach den Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung zulässig.
- 23
- aa) Soweit die Berichterstattung in den Artikeln vom 9., 10., 11. und 17. August 2004 betroffen ist, rügt die Revision zu Recht, dass das Berufungsgericht entscheidungserheblichen Vortrag der Beklagten bei seiner Entscheidungsfindung nicht berücksichtigt hat. Die Beklagte hatte in der Klageerwiderung unter Benennung eines Zeugen und unter Verweis auf Anlagen vorgetragen , dass sich der Kläger in einer Pressekonferenz vom 8. August 2004, zu der sämtliche Medien eingeladen worden seien, ausführlich zu den angekündigten FOCUS-Enthüllungen und den darin enthaltenen Verdachtsmomenten geäußert habe. Er habe insbesondere ausgeführt, dass er keine Stasi-Vergangenheit als IM Christoph habe, "nie bewusst" mit dem MfS zusammengearbeitet und "nie wissentlich" einen Stasioffizier getroffen habe. Zu dem - unter Bezugnahme auf den Bericht in den Stasi-Unterlagen erhobenen - konkreten Vorwurf, dass er als IM Christoph über eine Lesung der Autorin Christa Moog berichtet habe, habe er spekuliert, bei seinen "öffentlichen Reden über diese Veranstaltung" von der Stasi "abgeschöpft" worden zu sein. Die Beklagte hatte darüber hinaus in der Klageerwiderung vorgetragen, die vom Kläger als Fraktionschef gesteuerte PDS habe in ihrem Internetportal eine Meldung vom 8. August 2004 zum Abruf bereit gehalten, in der u.a. Folgendes ausgeführt gewesen sei: "Der PDSFraktionschef im Landtag von Sachsen, P., hat Stasi-Vorwürfe zurückgewiesen. … Nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins "FOCUS" soll P. von Mai 1970 bis in die 80er Jahre als "IM Christoph" der DDR - Auslandsspionage Informationen geliefert und außerdem seine damalige Freundin und heutige Ehefrau R. bespitzelt haben."
- 24
- Dieser Vortrag der Beklagten ist entscheidungserheblich. Die Beklagte hat damit geltend gemacht, der Kläger habe sich - vor der Berichterstattung durch die Beklagte in den Artikeln vom 9., 10., 11. und 17. August 2004 - gezielt an die Öffentlichkeit gewandt, um seine Reaktion auf die Vorwürfe bekannt zu geben, und über die PDS eine Berichterstattung veranlasst, in der die angegriffenen Verdachtsäußerungen bereits verbreitet worden seien. Dieses Verhalten des Klägers kann entweder als eine die Rechtswidrigkeit ausschließende Einwilligung in die Berichterstattung der Beklagten zu werten sein oder jedenfalls dazu führen, dass sein Interesse an einem Schutz seiner Persönlichkeit im Rahmen der Abwägung hinter dem Interesse der Beklagten an einer Berichterstattung zurückzutreten hat (vgl. zur Einwilligung in eine Persönlichkeitsbeeinträchtigung : BVerfGE 106, 28, 45 f.; Senatsurteile vom 28. September 2004 - VI ZR 305/03, VersR 2005, 83 mwN; vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03, VersR 2005, 84, 86; LG Köln, AfP 1989, 766 f.; siehe auch OLG Karlsruhe, OLGR 2006, 598, 599; OLG Frankfurt, ZUM 2007, 915, 916; LG München, ZUM-RD 2008, 309; Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 249; vgl. zur Berücksichtigung bei der Abwägung: Senatsurteile vom 3. Mai 1977 - VI ZR 36/74, NJW 1977, 1288, 1289, insoweit in BGHZ 68, 331 nicht abgedruckt; vom 26. Mai 2009 - VI ZR 191/08, VersR 2009, 1085 Rn. 26; BVerfG, AfP 2010, 365 Rn. 32; BVerfGK 9, 54, 62). Denn haben der Kläger bzw. auf seine Veranlassung und mit seinem Wissen die PDS sich mit den für seine StasiVergangenheit sprechenden Verdachtsmomenten öffentlich auseinandergesetzt , kann es der Presse nicht untersagt sein, diese Vorwürfe anschließend zum Gegenstand einer Berichterstattung zu machen.
- 25
- bb) Die Revision rügt auch mit Erfolg, dass das Berufungsgericht bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der in den Artikeln vom 10., 11. und 17. August 2004 enthaltenen Äußerungen die Anforderungen an eine zulässige Verdachtsberichterstattung überspannt hat.
- 26
- (1) Das Berufungsgericht ist im Ansatz allerdings zutreffend davon ausgegangen , dass eine Tatsachenbehauptung, deren Wahrheitsgehalt ungeklärt ist und die eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Angelegenheit betrifft, demjenigen, der sie aufstellt oder verbreitet, solange nicht untersagt werden darf, wie er sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für erforderlich halten darf (Art. 5 GG, § 193 StGB). Eine Berufung hierauf setzt voraus, dass der auf Unterlassung in Anspruch Genommene vor Aufstellung oder Verbreitung der Behauptung hinreichend sorgfältige Recherchen über den Wahrheitsgehalt angestellt hat (vgl. Senatsurteile vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 23 mwN; vom 22. April 2008 - VI ZR 83/07, BGHZ 176, 175 Rn. 35; BVerfGE 114, 339, 353; BVerfG, AfP 2009, 480 Rn. 62). Erforderlich ist ein Mindestbestand an Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt der Information sprechen und ihr damit erst "Öffentlichkeitswert" verleihen. Die Darstellung darf keine Vorverurteilung des Betroffenen enthalten, also durch eine präjudizierende Darstellung den unzutreffenden Eindruck erwecken, der Betroffene sei der ihm vorgeworfenen Handlung bereits überführt. Auch ist vor der Veröffentlichung regelmäßig eine Stellungnahme des Betroffenen einzuholen. Schließlich muss es sich um einen Vorgang von gravierendem Gewicht handeln, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt ist (vgl. Senatsurteil vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, BGHZ 143, 199, 203 f. mwN).
- 27
- (2) Die Revision beanstandet mit Recht, dass das Berufungsgericht den erforderlichen Mindestbestand an Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt der angegriffenen Äußerungen sprechen, verneint und zu hohe Anforderungen an die von der Beklagten einzuhaltende Sorgfalt gestellt hat.
- 28
- (a) Die Pflichten zur sorgfältigen Recherche über den Wahrheitsgehalt richten sich nach den Aufklärungsmöglichkeiten. Sie sind für die Medien strenger als für Privatleute. An die Wahrheitspflicht dürfen im Interesse der Mei- nungsfreiheit keine Anforderungen gestellt werden, die die Bereitschaft zum Gebrauch des Grundrechts herabsetzen und so den freien Kommunikationsprozess einschnüren. Andererseits ist aber auch zu berücksichtigen, dass die Wahrheitspflicht Ausdruck der Schutzpflicht ist, die aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht folgt. Je schwerwiegender die Äußerung das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt, umso höhere Anforderungen sind deshalb an die Erfüllung der Sorgfaltspflichten zu stellen. Allerdings ist auch das Interesse der Öffentlichkeit an derartigen Äußerungen zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, AfP 2009, 480 Rn. 62 mwN, sowie Senatsurteil vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, BGHZ 143, 199, 203 f.; BVerfGE 114, 339, 353 f.; BVerfGK 9, 317, 321; BVerfGK 10, 485, 489; siehe auch EGMR, NJW 2000, 1015 Rn. 66; NJW 2006, 1645 Rn. 78; NJW 2012, 1058 Rn. 82).
- 29
- (b) Die Revision beanstandet zu Recht, dass das Berufungsgericht die Stellungnahme des Pressesprechers der Bundesbeauftragten, Herrn B., vom 9. August 2004 rechtsfehlerhaft nicht als privilegierte Quelle gewertet hat, der die Beklagte ein gesteigertes Vertrauen entgegenbringen durfte. Wie die Beklagte in der Klageerwiderung geltend gemacht und was das Berufungsgericht durch Bezugnahme auf die entsprechenden Ausführungen des Landgerichts seiner Entscheidung als unstreitig zugrunde gelegt hat, hatte der Pressesprecher der Bundesbeauftragten erklärt, aus den gefundenen Unterlagen gehe zweifelsfrei hervor, dass der Kläger als "IM Christoph" für den Staatssicherheitsdienst tätig gewesen sei.
- 30
- Bei dem Bundesbeauftragten handelt es sich gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 StUG um eine Bundesoberbehörde. In der Rechtsprechung und im Schrifttum ist anerkannt, dass den Verlautbarungen amtlicher Stellen ein gesteigertes Vertrauen entgegengebracht werden darf (vgl. BVerfG, AfP 2010, 365 Rn. 35; OLG Hamburg, ArchPR 1972, 86; OLG Stuttgart, AfP 1990, 145, 147; NJW-RR 1993, 733, 734; KG, AfP 1992, 302, 303; ZUM-RD 2011, 468, 472; OLG Karlsruhe, NJW-RR 1993, 732, 733; OLG Dresden, NJW 2004, 1181, 1183; LG Oldenburg , AfP 1988, 79, 80; siehe auch EGMR, NJW 2000, 1015 Rn. 72; NJW 2012, 1058 Rn. 105; Peters, NJW 1997, 1334, 1336; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 6 Rn. 136; Damm/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in den Medien, 3. Aufl., Rn. 986). Denn Behörden sind in ihrer Informationspolitik unmittelbar an die Grundrechte, namentlich das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen, gebunden und zur Objektivität verpflichtet (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 1994 - III ZR 15/93, NJW 1994, 1950, 1951; BVerfG, NJW-RR 2010, 1195 Rn. 35; BeckOK GG/ Huster/Rux, Art. 20 GG Rn. 156 ff. [Stand: 1. Oktober 2012]).
- 31
- Der Berücksichtigung der Auskünfte steht nicht entgegen, dass es sich dabei nur um sekundäre Quellen handelt. Der Bundesbeauftragte ist für solche Auskünfte besonders kompetent und kann das Vorliegen einer IM-Tätigkeit in aller Regel besser beurteilen als Presseorgane. Die Unterrichtung der Öffentlichkeit , die gemäß § 37 Abs. 1 Nr. 5 StUG zu seinen Aufgaben und Befugnissen gehört, setzt fundierte und umfassende Kenntnisse über den Staatssicherheitsdienst und seinen Wirkungsbereich voraus (vgl. Pietrkiewicz/Burth in Geiger /Klinghardt, StUG, 2. Aufl., § 37 Rn. 15). Deshalb ist beim Bundesbeauftragten auch eine Forschungsabteilung gebildet worden (Stoltenberg/Bossack, StUG, 1. Aufl., § 37 Rn. 11).
III.
- 32
- Das Berufungsurteil ist aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die erforderlichen Feststellungen treffen kann (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der freien Beweiswürdigung unterlie- gen; im Einzelfall kann ihnen durchaus ein hoher Beweiswert zukommen (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteile vom 23. September 1998 - 2 L 5/96, S. 12 mwN, und vom 18. November 1998 - 2 L 76/97, juris Rn. 20; OLG Brandenburg , Urteil vom 13. November 2007 - 10 UF 161/07, juris Rn. 32; RappLücke in Geiger/Klinghardt, StUG, 2. Aufl., § 19 Rn. 69; siehe auch BVerfGE 96, 189, 202 f.; BAGE 74, 257, 265; VG Meiningen, LKV 1995, 298, 299 f.). Vorsorglich weist der Senat auch darauf hin, dass der Tenor des Landgerichtsurteils zu weit gefasst ist. Ein Verbot der angegriffenen Äußerungen setzt eine Abwägung zwischen dem Recht des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und dem Recht der Beklagten auf Meinungs- und Medienfreiheit unter Berücksichtigung des Kontextes der Äußerungen voraus. Ein Verbot ohne Bezugnahme auf den Kontext geht daher grundsätzlich zu weit (vgl. auch OLG Hamburg, ZUM 2010, 606, 609; für die Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen Senatsur- teile vom 13. November 2007 - VI ZR 265/06, BGHZ 174, 262 Rn. 13 f.; vom 6. Oktober 2009 - VI ZR 314/08, VersR 2009, 1675 Rn. 7 mwN).
Pauge von Pentz
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 15.08.2008 - 324 O 774/04 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 12.10.2010 - 7 U 89/08 -
BUNDESGERICHTSHOF
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 8. Oktober 2015 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die Richter Prof. Dr. Schaffert, Dr. Löffler, die Richterin Dr. Schwonke und den Richter Feddersen
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerinnen sind Tonträgerhersteller. Die Beklagte ist ein Telekommunikationsunternehmen , das ihren Kunden als Access-Provider Zugang zum Internet vermittelt.
- 2
- Die Klägerinnen sehen sich durch das Angebot von Musikstücken zum kostenlosen Herunterladen in Internet-Tauschbörsen (Filesharing) und durch Internet-Dienste, die den Zugang zu solchen Tauschbörsen vermitteln, in ihren Rechten verletzt. Mit Schreiben vom 15. Februar 2010 forderten sie die Beklagte auf, die Verletzung ihrer Rechte durch Dritte und Kunden der Beklagten durch Sperrung des Zugriffs auf die Seite "Goldesel" mit der IP-Adresse 92.241.168.132 zu beenden.
ECLI:DE:BGH:2015:261115UIZR174.14.0
- 3
- Die Klägerinnen haben behauptet, als Tonträgerhersteller Inhaber der ausschließlichen Nutzungsrechte an den Musikstücken zu sein, die die in den Klageanträgen genannten Musikalben der Künstler "Depeche Mode", "Michael Jackson", "Silbermond", "Sportfreunde Stiller", "Rosenstolz" und Jennifer Rostock enthielten. Die Klägerinnen seien durch entsprechende P- und C-Vermerke als Rechteinhaber auf den im Handel erhältlichen Tonträgern ausgewiesen. Bei dem Internetangebot "Goldesel" handele es sich um eines der größten, ausschließlich deutschsprachigen Internetportale für die Vermittlung illegaler Downloads von Musik-, Film-, Buch- und Softwaredateien. Auf der über die Internet -Adresse http://goldesel.to, die URL http://www.goldesel.to und http://geserver.to sowie verschiedene Umleitungsdienste erreichbaren Internetseite werde ein umfangreicher Index von mehreren tausend editierten Links zu geschützten Dateien angeboten, die in dem Filesharing-Netzwerk "eDonkey" bereitgestellt würden. Der Nutzer müsse den jeweiligen Link ("e-Donkey-Link" oder "ed2k-Link") nur anklicken, um den Download der angeforderten Datei auf seinen eigenen Computer zu beginnen. Im Januar 2010 hätten Ermittler im Auftrag der Klägerinnen festgestellt, dass Audiodateien mit Musikstücken aus den in den Klageanträgen genannten Alben über einen von der Beklagten in Köln vermittelten Internetzugang abrufbar gewesen seien. Den in Russland ansässigen Host-Provider hätten die Klägerinnen erfolglos abgemahnt. Eine wirkungsvolle Rechtsverfolgung sei in Russland praktisch ausgeschlossen.
- 4
- Nach Ansicht der Klägerinnen ist die Beklagte als Störerin zur Sperrung des Zugangs ihrer Kunden zu dem Internetdienst "Goldesel" verpflichtet. Es sei ihr technisch möglich und rechtlich zumutbar, durch eine DNS-Sperre oder IPSperre den Zugang zu verhindern.
- 5
- Die Klägerinnen haben beantragt, (…) 2. es der Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verbieten , ihren Kunden über das Internet Zugang zu folgenden Tonträgeraufnahmen zu vermitteln, soweit sie über den gegenwärtig "Goldesel" genannten InternetDienst abrufbar sind, wie dies über die URL http://goldesel.to, http://www.goldesel.to, http://ge-server.to und http://www.ge-server.to geschieht , welche sich der IP-Adresse 192.162.100.33 bedienen, und zwar: zu der Album-Veröffentlichung Depeche Mode, Sounds of the Universe, CDBestellnummer (…) bestehend aus: [es folgt die Auflistung der auf dem Album befindlichen Musikstücke ] zu der Album-Veröffentlichung Michael Jackson, King of Pop, German Edition, CD-Bestellnummer (…) bestehend aus: [es folgt die Auflistung der auf dem Album befindlichen Musikstücke ] zu der Album-Veröffentlichung Silbermond, Nichts passiert, CD- Bestellnummer (…) bestehend aus: [es folgt die Auflistung der auf dem Album befindlichen Musikstücke ] zu der Album-Veröffentlichung Sportfreunde Stiller, MTV Unplugged in New York, CD-Bestellnummer (…) bestehend aus: [es folgt die Auflistung der auf dem Album befindlichen Musikstücke ] zu der Album-Veröffentlichung Rosenstolz, Die Suche geht weiter (Erweitertes Tracklisting), CD-Bestellnummer (…) bestehend aus: [es folgt die Auflistung der auf dem Album befindlichen Musikstücke ] zu der Album-Veröffentlichung Jennifer Rostock, Der Film, CD-Bestellnummer (…) bestehend aus: [es folgt die Auflistung der auf dem Album befindlichen Musikstücke ] und wie geschehen: im Falle der Album-Veröffentlichung von Depeche Mode (…) über den Link: [es folgt die durch "oder" verknüpfte Angabe verschiedener Links] im Falle der Album-Veröffentlichung von Michael Jackson (…) über den Link: [es folgt die durch "oder" verknüpfte Angabe verschiedener Links] im Falle der Album-Veröffentlichung von Silbermond (…) über den Link: [es folgt die durch "oder" verknüpfte Angabe verschiedener Links] im Falle der Album-Veröffentlichung von Sportfreunde Stiller (…) über den Link: [es folgt die durch "oder" verknüpfte Angabe verschiedener Links] im Falle der Album-Veröffentlichung von Rosenstolz (…) über den Link: [es folgt die durch "oder" verknüpfte Angabe verschiedener Links] im Falle der Album-Veröffentlichung von Jennifer Rostock (…) über den Link: [es folgt die durch "oder" verknüpfte Angabe verschiedener Links] 3. hilfsweise, der Beklagten unter Ordnungsmittelandrohung zu verbieten, ihren Kunden über das Internet Zugang zu folgenden Tonträgeraufnahmen zu vermitteln , soweit sie über den gegenwärtig "Goldesel" genannten Internet-Dienst und über die URL http://goldesel.to, http://www.goldesel.to, http://ge-server.to und http://www.ge-server.to geschieht, welche sich der IP-Adresse 192.162.100.33 bedienen, und zwar bezüglich der nachfolgend genannten oder andere, künftig von den Klägerinnen mitzuteilende URL oder IPAdressen , soweit sich diese auf einen fortbestehenden ed2k-Link beziehen: zu der Album-Veröffentlichung (…) [es folgt die im Hauptantrag enthaltene Aufzählung] 4. weiter hilfsweise für den Fall der Erledigung der Hauptsache festzustellen, dass die Beklagte vor dem erledigenden Ereignis zur Unterlassung gemäß Antrag 2 verpflichtet war; 5. weiter hilfsweise für den Fall der Erledigung der Hauptsache festzustellen, dass die Beklagte vor dem erledigenden Ereignis zur Unterlassung gemäß Antrag 3 verpflichtet war.
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- Das Landgericht hat die Klage abgewiesen (LG Köln, K&R 2011, 674). Die Berufung der Klägerinnen ist ohne Erfolg geblieben (OLG Köln, GRUR 2014, 1081). Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgen die Klägerinnen ihre Klageanträge weiter.
Entscheidungsgründe:
A. Das Berufungsgericht hat die Klageanträge als zulässig angesehen.
- 7
- Insbesondere sei der Hilfsantrag 3 hinreichend bestimmt, der zwar neben den genannten URL auch zukünftig von den Klägerinnen mitzuteilende URL erfasse , jedoch durch den Verweis auf die weiter genannten "ed2k-Links" ausreichend begrenzt werde. Die Frage, ob der Beklagten die Erfüllung des beantragten Verbots unmöglich sei, betreffe nicht die Zulässigkeit, sondern die Begründetheit der Klage.
- 8
- Das Berufungsgericht hat weiter angenommen, dass den Klägerinnen die geltend gemachten Ansprüche weder aus Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft in unmittelbarer Anwendung noch unter dem Aspekt des § 97 Abs. 1 UrhG zustünden. Die Klägerinnen seien zwar aktivlegitimiert, weil die Beklagte der substantiierten Darlegung der Klägerinnen zur Inhaberschaft an den genannten Tonträgerrechten nicht hinreichend entgegengetreten sei. Diese Rechte der Klägerinnen seien auch verletzt worden, weil das Internetangebot "Goldesel" auf eine urheberrechtswidrige Nutzung der dort angebotenen urheberrechtlich geschützten Werke abgezielt habe. Es sei ferner davon auszugehen, dass die streitgegenständlichen Alben über von der Beklagten bereitgestellte Internetanschlüsse zum Download angeboten worden seien und der Download unter Nutzung eines Anschlusses der Beklagten möglich gewesen sei.
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- Die Beklagte hafte aber nicht als Störerin. Einer spezialgesetzlichen Grundlage bedürfe es zwar nicht für die zivilgerichtliche Anordnung vonDNSoder IP-Sperren, wohl aber für die einen Eingriff in Art. 10 GG darstellende Maßnahme der URL-Sperre, welche daher vorliegend nicht in Betracht komme.
- 10
- B. Die Revision der Klägerinnen ist nicht begründet. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, für die von den Klägerinnen geltend gemachten Urheberrechtsverletzungen hafte die Beklagte nicht als Störer, hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
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- I. Das Berufungsgericht hat den Hauptantrag mit Recht als zulässig angesehen.
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- 1. Der Hauptantrag ist hinreichend bestimmt.
- 13
- a) Die Klägerinnen haben den Gegenstand der begehrten Unterlassung durch Bezugnahme auf die jeweilige konkrete Verletzungsform umschrieben, indem sie im Antrag auf die Abrufbarkeit der Tonträgeraufnahmen über den durch die Angabe von vier URL sowie der IP-Adresse näher bezeichneten Dienst "Goldesel" Bezug genommen und die einzelnen Musikwerke durch Nennung der Namen der Künstler und Alben, der Musiktitel und Bestellnummern sowie - mit der als Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform zu verstehenden Wendung "und wie geschehen" - durch Angabe der genauen "eDonkey" -Links definiert haben.
- 14
- b) Der Hauptantrag ist auch in Anbetracht des Umstands hinreichend bestimmt , dass ihm nicht unmittelbar zu entnehmen ist, welche konkreten Handlungs - und Prüfpflichten der Beklagten abverlangt werden sollen. Es reicht aus, wenn sich die zu befolgenden Sorgfalts- und Prüfpflichten aus der Klagebegründung und den Entscheidungsgründen ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 16. Mai 2013 - I ZR 216/11, GRUR 2013, 1229 Rn. 25 = WRP 2013, 1613 - Kinderhochstühle im Internet II; Urteil vom 15. August 2013 - I ZR 80/12, GRUR 2013, 1030 Rn. 21 = WRP 2013, 1348 - File-Hosting-Dienst). Im Übrigen lassen sich die Grenzen des der Beklagten zumutbaren Verhaltens im Erkenntnisverfahren nicht präziser bestimmen, weil zukünftige Verletzungshandlungen nicht konkret abzusehen sind (vgl. BGH, GRUR 2013, 1030 Rn. 21 - FileHosting -Dienst). Die hiermit verbundene Verlagerung eines Teils des Streits in das Vollstreckungsverfahren ist hinzunehmen, weil anders effektiver Unterlassungsrechtsschutz nicht gewährleistet werden könnte (vgl. BGH, Urteil vom 19. April 2007 - I ZR 35/04, BGHZ 172, 119 Rn. 48 - Internet-Versteigerung II; BGH, GRUR 2013, 1030 Rn. 21 - File-Hosting-Dienst).
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- 2. Die Frage, ob die Klägerinnen von der Beklagten Unmögliches verlangen , ist - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - nicht im Rahmen der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit des Klageantrags zu prüfen.
- 16
- II. Der mit dem Hauptantrag verfolgte Unterlassungsanspruch ist nicht begründet.
- 17
- 1. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Klägerinnen Inhaber der ausschließlichen Nutzungsrechte im Sinne des § 85 UrhG an den im Antrag genannten Tonträgern sind. Diese den Klägerinnen günstige Annahme lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
- 18
- 2. Das Berufungsgericht hat weiter festgestellt, dass die den Klägerinnen zustehenden Rechte verletzt worden sind, weil über von der Beklagten zur Verfügung gestellte Internetanschlüsse die Internetseite "Goldesel.to" erreichbar und die im Antrag genannten Musikwerke herunterladbar waren. Auch diese den Klägerinnen günstige Annahme ist der weiteren rechtlichen Nachprüfung zugrunde zu legen.
- 19
- 3. Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass eine täterschaftliche Handlung der Beklagten nicht in Betracht kommt. Die Verantwortlichkeit als Täter oder Teilnehmer geht der Störerhaftung zwar grundsätzlich vor (BGH, GRUR 2013, 1030 Rn. 28 - File-Hosting-Dienst). Die Klägerin macht aber weder geltend noch bestehen anderweitige Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die beanstandeten Handlungen selbst begangen hat oder daran etwa als Gehilfin beteiligt war (vgl. BGH, Urteil vom 15. Januar 2009 - I ZR 57/07, GRUR 2009, 841 Rn. 18 = WRP 2009, 1139 - Cybersky).
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- 4. Die Annahme des Berufungsgerichts, der unter dem Aspekt der Störerhaftung verfolgte Unterlassungsanspruch bestehe nicht, hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
- 21
- a) Als Störer kann bei der Verletzung absoluter Rechte auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer - ohne Täter oder Teilnehmer zu sein - in irgendeiner Weise willentlich und adäquat-kausal zur Verletzung des geschützten Rechtsguts beiträgt. Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden kann, die die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers nach der Rechtsprechung des Senats die Verletzung von Prüfpflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer Inanspruchgenommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (vgl. BGH, Urteil vom 30. April 2008 - I ZR 73/05, GRUR 2008, 702 Rn. 50 = WRP 2008, 1104 - Internetversteigerung III; Urteil vom 12. Mai 2010 - I ZR 121/08, BGHZ 185, 330 Rn. 19 - Sommer unseres Lebens; Urteil vom 18. November 2011 - I ZR 155/09, GRUR 2011, 617 Rn. 37 = WRP 2011, 881 - Sedo; Urteil vom 12. Juli 2012 - I ZR 18/11, BGHZ 194, 339 Rn. 19 - Alone in the Dark; BGH, GRUR 2013, 1030 Rn. 31 - File-Hosting-Dienst). Einer allgemeinen Prüfungspflicht von Diensteanbietern im Sinne der §§ 8 bis 10 TMG für die von ihnen übermittelten Dateien steht § 7 Abs. 2 Satz 1 TMG entgegen. Danach sind Diensteanbieter nicht verpflichtet, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hindeuten. Nach dieser Vorschrift, die auf Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr beruht, sind Überwachungspflichten allgemeiner Art ausgeschlossen. Nicht ausgeschlossen sind dagegen Überwachungspflichten in spezifischen Fällen, die innerstaatliche Behörden nach innerstaatlichem Recht anordnen (vgl. Erwägungsgrund 47 der Richtlinie 2000/31/EG; BGH, Urteil vom 17. August 2011 - I ZR 57/09, BGHZ 191, 19 Rn. 22 ff. - Stiftparfüm; Urteil vom 5. Februar 2015 - I ZR 240/12, GRUR 2015, 485 Rn. 51 = WRP 2015, 577 - Kinderhochstühle im Internet III).
- 22
- Bei der Beurteilung der Frage, ob und in welchem Umfang einem Provider, der den Zugang zum Internet vermittelt, Prüf- und Sperrpflichten zugemutet werden können, ist weiter zu berücksichtigen, dass die Mitgliedstaaten für den Bereich des Urheberrechts nach Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft sicherzustellen haben, dass die Inhaber nach der Richtlinie zu schützender Rechte gerichtliche Anordnungen gegen Vermittler beantragen können, deren Dienste von einem Dritten zur Verletzung dieser Rechte genutzt werden. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass die Vermittler oftmals am besten in der Lage sind, Urheberrechtsverstößen über das Internet ein Ende zu setzen (vgl. Erwägungsgrund 59 der Richtlinie 2001/29/EG; EuGH, Urteil vom 27. März 2014 - C-314/12, GRUR 2014, 468 Rn. 26 f. = WRP 2014, 540 - UPC Telekabel). Auch Art. 11 Satz 3 der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums verpflichtet die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass die Rechteinhaber eine Anordnung gegen Mittelspersonen beantragen können, deren Dienste von einem Dritten zwecks Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums in Anspruch genommen werden. Die Modalitäten dieser Anordnungen sind im Recht der Mitgliedstaaten zu regeln (vgl. Erwägungsgrund 59 der Richtlinie 2001/29/EG; EuGH, Urteil vom 12. Juli 2011 - C-324/09, Slg. 2011, I-6011 = GRUR 2011, 1025 Rn. 135 - L'Oréal/eBay; Urteil vom 24. November 2011 - C-70/10, Slg. 2011, I-11959 = GRUR 2012, 265 Rn. 32 - Scarlet/SABAM; EuGH, GRUR 2014, 468 Rn. 43 - UPC Telekabel). Die Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr steht dem nicht entgegen. Sie lässt vielmehr nach ihrem Artikel 12 Absatz 3 bezogen auf Diensteanbieter, die als Vermittler von einem Nutzer eingegebene Informationen in einem Kommunikationsnetz übermitteln oder den Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermitteln, die Möglichkeit unberührt , nach den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten vom Diensteanbieter zu verlangen, die Rechtsverletzung abzustellen oder zu verhindern (vgl. auch Erwägungsgrund 45 der Richtlinie 2000/31/EG).
- 23
- b) Von den Grundsätzen der Störerhaftung ist auch im vorliegenden Fall auszugehen.
- 24
- aa) Die Beklagte ist Diensteanbieterin im Sinne der § 2 Nr. 1, § 8 Abs. 1 Satz 1 TMG. Sie vermittelt den Zugang zu einem Kommunikationsnetz, weil sie es über die von ihr bereitgestellten Internetzugänge Dritten ermöglicht, von deren Endgeräten aus auf das Internet zuzugreifen (vgl. Hoffmann in Spindler/ Schuster, Recht der elektronischen Medien, 3. Aufl., § 8 TMG Rn. 17).
- 25
- bb) Durch die Vermittlung des Zugangs hat die Beklagte nach der zutreffenden Beurteilung des Berufungsgerichts einen adäquat kausalen Beitrag zu der vom Berufungsgericht festgestellten Urheberrechtsverletzung geleistet. Nach dem Erwägungsgrund 59 der Richtlinie 2001/29/EG bezieht sich der in der Richtlinie verwendete Begriff des "Vermittlers" auf jede Person, die die Rechtsverletzung eines Dritten in Bezug auf ein geschütztes Werk in einem Netz überträgt. Zur Rechtsverletzung in diesem Sinne zählt das öffentliche Zugänglichmachen eines Schutzgegenstands (EuGH, GRUR 2014, 468 Rn. 31 - UPC Telekabel). Da der Anbieter von Internetzugangsdiensten durch die Gewährung des Netzzugangs die Übertragung einer solchen Rechtsverletzung im Internet zwischen seinem Kunden und einem Dritten möglich macht, ist der Diensteanbieter an jeder Übertragung zwingend beteiligt, so dass seine Zugangsdienste im Sinne des Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG zu einer Urheberrechtsverletzung genutzt werden (vgl. EuGH, GRUR 2014, 468 Rn. 32, 40 - UPC Telekabel).
- 26
- cc) Die Beklagte betreibt mit der Vermittlung des Zugangs zum Internet ein von der Rechtsordnung gebilligtes und gesellschaftlich erwünschtes Geschäftsmodell , das als solches nicht in besonderer Weise die Gefahr von Urheberrechtsverletzungen schafft. Der vorliegende Fall unterscheidet sich von der Konstellation, in der der Gewerbetreibende schon vor Erlangung der Kenntnis von einer konkreten Verletzung dazu verpflichtet ist, die Gefahr auszuräumen, weil sein Geschäftsmodell von vornherein auf Rechtsverletzungen durch die Nutzer angelegt ist oder er solche Rechtsverletzungen durch eigene Maßnahmen fördert (vgl. BGH, GRUR 2009, 841 Rn. 21 f. - Cybersky).
- 27
- Der Beklagten dürfen bei dieser Sachlage keine Kontrollmaßnahmen auferlegt werden, die ihr Geschäftsmodell wirtschaftlich gefährden oder ihre Tätigkeit unverhältnismäßig erschweren (vgl. EuGH, GRUR 2011, 1025 Rn. 139 - L'Oréal/eBay; EuGH, Urteil vom 16. Februar 2012 - C-360/10, GRUR 2012, 382 Rn. 39 = WRP 2012, 429 - SABAM/Netlog; BGH, Urteil vom 11. März 2004 - I ZR 304/01, BGHZ 158, 236, 251 f. - Internet-Versteigerung I; BGH, GRUR 2013, 1229 Rn. 47 - Kinderhochstühle im Internet II). Die Auferlegung einer anlasslosen , allgemeinen Überwachungs- oder Nachforschungspflicht kommt daher vorliegend nicht in Betracht. Eine Prüfpflicht der Beklagten im Hinblick auf die Vermittlung des Zugangs zu den für die Klägerinnen geschützten Musikwerken , deren Verletzung die Wiederholungsgefahr begründen kann, konnte daher erst entstehen, nachdem sie von den Klägerinnen auf eine klare Rechtsverletzung in Bezug auf die konkreten Musikwerke hingewiesen worden war (BGHZ 194, 339 Rn. 28 - Alone in the Dark). Die Klägerinnen haben die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 15. Februar 2010 auf die Rechtsverletzungen in Bezug auf die im Antrag genannten Werke hingewiesen. Die Beklagte hat dieser Abmahnung keine Folge geleistet und den unverändert bestehenden Zugang zu den beanstandeten Download-Links des Internetangebots "Goldesel" nicht unterbunden.
- 28
- c) Die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagten sei vorliegend eine anlassbezogene Prüfpflicht nicht zumutbar, die einer bereits erfolgten Rechts- verletzung nachfolgt und erneuten Rechtsverletzungen vorbeugt, trifft im Ergebnis zu.
- 29
- aa) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, bei der im Rahmen der Zumutbarkeit vorzunehmenden Abwägung seien die Grundrechte der Klägerinnen aus Art. 14 GG zu beachten. Auf Seiten der Beklagten sei zu berücksichtigen, dass diese ein legitimes und gesellschaftlich erwünschtes Geschäftsmodell betreibe, das auch nicht - anders als etwa ein Host-Provider, der Werbung für bei ihm gehostete rechtsverletzende Angebote mache - zu Rechtsverletzungen anreize. Dass das Geschäftsmodell des "Goldesel"-Angebots in der Zugänglichmachung überwiegend rechtsverletzender Inhalte bestehe, sei hingegen für das Ausmaß der Pflichten der Beklagten unerheblich. Die Störerhaftung sei nicht subsidiär, doch müsse im Rahmen der Zumutbarkeit berücksichtigt werden, dass Dritte - etwa der Betreiber der beanstandeten Internetseite oder sein Host-Provider - die Rechtsverletzungen effektiver abstellen könnten. Zugunsten der Klägerinnen sei allerdings zu unterstellen, dass effektiver Rechtsschutz in Russland, wo der Server stehe, nicht zu erlangen sei. Zu beachten sei ferner, dass auf der Internetseite "Goldesel" nicht die geschützten Inhalte angeboten würden, sondern lediglich elektronische Verweise zu diesen Internetseiten vorhanden seien, und dass Nutzer auf andere entsprechende Seiten ausweichen könnten. Durch eine DNS-Sperre oder eine IP-Sperre werde der Zugang zum Dienst "Goldesel" insgesamt blockiert, so dass der Zugriff auf dort befindliche rechtmäßige Angebote betroffen sei. Nach der Schätzung der Klägerinnen verweise "Goldesel" auf ca. 4.000 legal abrufbare Dateien; dies sei eine für sich genommen und erst recht im Verhältnis zu den 120 streitgegenständlichen Titeln der Klägerinnen nicht zu vernachlässigende Anzahl. Die für Host-Provider geltende Erwägung, die Löschung rechtmäßiger Inhalte stehe der Zumutbarkeit von Prüfpflichten nicht entgegen, treffe auf die reine Zugangsvermittlung nicht zu. Dasselbe gelte für das im Falle von Host-Providern angenommene Erfordernis, externe Links zu kontrollieren. DNS- und IP-Sperren seien nur wenig effektiv; auch sei mit Gegenmaßnahmen der Angebotsbetreiber zu rechnen. IP-Sperren verhinderten zudem den Zugriff auf sämtliche unter einer IP-Adresse erreichbare Seiten. Die Klägerinnen könnten nicht garantieren, dass unter der vorliegend bezeichneten IP-Adresse zukünftig ausschließlich zum "Goldesel"-Angebot gehörende Seiten erreichbar seien. Zugunsten der Beklagten sei ihr Grundrecht auf unternehmerische Freiheit zu beachten. Die Einführung und Unterhaltung von DNS-Sperren und vor allem von IP-Sperren erfordere administrativen, technischen und finanziellen Aufwand. IP-Sperren könnten zu Leistungsverlusten führen, die durch den Einsatz zusätzlicher Hardware ausgeglichen werden müsse. Die Klägerinnen hätten zum fraglichen Aufwand lediglich vorgetragen, die Beklagte verfüge bereits über die erforderlichen Vorrichtungen, und zum operativen und finanziellen Aufwand Sachverständigenbeweis angeboten. Dies sei mangels Angabe eines ungefähren Mindestaufwands unzureichend und stelle eine unzulässige Ausforschung dar. Die Beklagte sei ihrer sekundären Darlegungslast gerecht geworden, indem sie die gegenwärtige Vorhaltung der entsprechenden Infrastruktur in Abrede gestellt und die für deren Einführung erforderlichen Kosten auf mindestens 1 Mio. € geschätzt habe. Die Klägerinnen hätten nicht darge- legt, welchen wirtschaftlichen Vorteil sie durch die begehrten Sperren erlangen würden. Selbst wenn wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen existierten, seien die Sperren unzumutbar, weil sie auch legale Inhalte erfassten und nicht ausreichend effektiv seien.
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- bb) Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung jedenfalls im Ergebnis stand.
- 31
- (1) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist bei der Beurteilung, ob eine aufgrund der mitgliedstaatlichen Regelungen gegen den Zugangsvermittler ergangene Anordnung im Sinne des Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG mit dem Unionsrecht in Einklang steht, ihre Vereinbarkeit mit den betroffenen Grundrechten der EU-Grundrechtecharta zu prüfen (EuGH, GRUR 2012, 265 Rn. 41 - Scarlet/SABAM; GRUR 2012, 382 Rn. 43 - SABAM/Netlog; GRUR 2014, 468 Rn. 45 f. - UPC Telekabel). Die Mitgliedstaaten haben bei der Umsetzung der Richtlinie 2001/29/EG ferner darauf zu achten, dass sie ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den durch die Unionsrechtsordnung geschützten Grundrechten sicherstellen (EuGH, Urteil vom 29. Januar 2008 - C-275/06, Slg. 2008, I-271 = GRUR 2008, 241 Rn. 68 - Promusicae; EuGH, GRUR 2014, 468 Rn. 46 - UPC Telekabel). Das nationale Recht ist also unter Beachtung der Grundrechte der Europäischen Union und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auszulegen und anzuwenden (EuGH, GRUR 2014, 468 Rn. 45 f. - UPC Telekabel).
- 32
- Die Grundrechte sind auch nach deutschem Grundrechtsverständnis im Rahmen der Beurteilung der Störerhaftung zu berücksichtigen. Sie sind zwar primär Abwehrrechte des Bürgers gegenüber dem Staat, die nicht unmittelbar zwischen Privaten gelten, die jedoch als Verkörperung einer objektiven Wertordnung auf die Auslegung des Privatrechts - insbesondere seiner Generalklauseln - ausstrahlen (sog. mittelbare Drittwirkung der Grundrechte; grundlegend BVerfGE 7, 198, 205 ff. - Lüth-Urteil; vgl. Müller-Franken in Schmidt-Bleibtreu /Hofmann/Hennecke, GG, 13. Aufl., Vorb. v. Art. 1 Rn. 22 mwN). Die betroffenen Grundrechte der Beteiligten sind mithin bei der umfassenden Interessenabwägung zu berücksichtigen, die im Rahmen der Störerhaftung bei der lediglich nach Art einer Generalklausel umschriebenen Bestimmung zumutbarer Prüfungspflichten vorzunehmen ist (vgl. Durner, ZUM 2010, 833, 837).
- 33
- Weil nach Auffassung des Gerichtshofs der Europäischen Union die unionsrechtlichen Grundrechte auf den mitgliedstaatlichen Umsetzungsakt einwirken , ist allerdings fraglich, welcher Raum für eine nationale Grundrechtsprüfung verbleibt (vgl. BGH, Urteil vom 28. September 2011 - I ZR 96/10, GRUR 2012, 647 Rn. 39 = WRP 2012, 705 - INJECTIO; Nazari-Khanachayi, GRUR 2015, 115, 119). Das Bundesverfassungsgericht übt seine Gerichtsbarkeit über die Anwendbarkeit von abgeleitetem Unionsrecht in Deutschland, das als Rechtsgrundlage für ein Verhalten deutscher Gerichte und Behörden in Anspruch genommen wird, nicht mehr aus und überprüft dieses Recht mithin nicht am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes, solange die Europäische Union, insbesondere die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, einen wirksamen Schutz der Grundrechte generell gewährleistet, der dem vom Grundgesetz jeweils als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im Wesentlichen gleich zu achten ist, insbesondere den Wesensgehalt der jeweiligen Grundrechte generell verbürgt (vgl. BVerfGE 73, 339, 387; 102, 147, 162 ff.; 118, 79, 95 ff.). Desgleichen misst das Bundesverfassungsgericht eine innerstaatliche Rechtsvorschrift, die eine Richtlinie in deutsches Recht umsetzt, insoweit nicht an den Grundrechten des Grundgesetzes, als das Unionsrecht keinen Umsetzungsspielraum lässt, sondern zwingende Vorgaben macht (BVerfGE 118, 79, 95 ff.).
- 34
- (2) Zwingend ist im vorliegenden Fall die in Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG sowie in Art. 11 Satz 3 der Richtlinie 2004/48/EG zum Ausdruck kommende unionsrechtliche Vorgabe, im Recht der Mitgliedstaaten die Möglichkeit einer Anordnung gegen Vermittler bereitzustellen, deren Dienste für rechtsverletzende Handlungen genutzt werden. Ein Gestaltungsspielraum verbleibt den Mitgliedstaaten jedoch, soweit sie nach den Richtlinien die Modalitäten der unionsrechtlich vorgesehenen Anordnung gegen Vermittler festlegen können (vgl. Erwägungsgrund 59 der Richtlinie 2001/29/EG sowie EuGH, GRUR 2011, 1025 Rn. 135 - L'Oréal/eBay; GRUR 2012, 265 Rn. 32 - Scarlet/ SABAM; GRUR 2014, 468 Rn. 43 - UPC Telekabel). Besteht ein solcher Ge- staltungsspielraum, verbleibt es bei der Anwendbarkeit auch der deutschen Grundrechte.
- 35
- cc) Zu Recht hat das Berufungsgericht danach angenommen, dass die Klägerinnen sich als Rechteinhaber bei der Verfolgung eines effektiven Urheberrechtsschutzes auf die grundrechtliche Gewährleistung des Eigentums gemäß Art. 17 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta und Art. 14 Abs. 1 GG berufen können , die das geistige Eigentum schützen (vgl. EuGH, GRUR 2014, 468 Rn. 47 - UPC Telekabel; Wendt in Sachs, Grundgesetz, 7. Aufl., Art. 14 Rn. 20a, 24 mwN). Auch wenn die Richtlinie 2001/29/EG nach ihrem Erwägungsgrund 9 ein hohes urheberrechtliches Schutzniveau bezweckt, so ist der durch das Unionsrecht verbürgte Schutz des geistigen Eigentums weder schranken- noch bedingungslos gewährleistet, sondern in ein Gleichgewicht mit anderen Grundrechten zu bringen (vgl. EuGH, GRUR Int. 2012, 153 Rn. 4 f. - Scarlet/SABAM; GRUR 2014, 468 Rn. 61 - UPC-Telekabel).
- 36
- dd) Im Ausgangspunkt zutreffend ist weiter die Annahme des Berufungsgerichts , dass auf Seiten des Diensteanbieters die Grundrechte auf Berufsfreiheit und auf unternehmerische Freiheit zu berücksichtigen sind. Die Revision rügt mit Recht, das Berufungsgericht habe Vortrag der Klägerinnen hierzu nicht berücksichtigt.
- 37
- (1) Das Recht auf unternehmerische Freiheit gemäß Art. 16 EU-Grundrechtecharta und das Grundrecht der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG erfassen auch die Art und Weise der unternehmerischen Tätigkeit. Dazu zählt die Freiheit des Unternehmers, über seine wirtschaftlichen, technischen und finanziellen Ressourcen zu verfügen (EuGH, GRUR 2014, 468 Rn. 47 ff. - UPC Telekabel; Mann in Sachs aaO Art. 12 Rn. 79). Mithin handelt es sich bei Art und Umfang des vom Zugangsvermittler aufzubringenden administrativen, technischen und finanziellen Aufwands für die Durchsetzung einer Sperranordnung um einen Aspekt, der im Rahmen der umfassenden Grundrechtsabwägung zu berücksichtigen ist. Dies gilt ungeachtet dessen,dass der Gerichtshof der Europäischen Union den Wesensgehalt des Rechts auf unternehmerische Freiheit durch eine Sperranordnung nicht tangiert sieht, wenn dem Diensteanbieter die Verpflichtung auferlegt wird, seine Ressourcen für eventuell kostenträchtige Maßnahmen einzusetzen, die beträchtliche Auswirkungen auf die Ausgestaltung seiner Tätigkeit haben oder schwierige und komplexe technische Lösungen erfordern (EuGH, GRUR 2014, 468 Rn. 49 ff. - UPC Telekabel).
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- (2) Vor diesem Hintergrund ist die Annahme des Berufungsgerichts, der Vortrag der Klägerinnen über die wirtschaftliche Zumutbarkeit der von der Beklagten zu treffenden Maßnahmen sei unzureichend, nicht frei von Rechtsfehlern.
- 39
- Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klägerinnen hätten lediglich vorgetragen , die Beklagte verfüge bereits über die für die Einrichtung von Sperren erforderlichen technischen Vorrichtungen, und hätten zum operativen und finanziellen Aufwand Sachverständigenbeweis angeboten. Dies sei mangels Angabe eines ungefähren Mindestaufwands unzureichend und stelle eine unzulässige Ausforschung dar. Die Beklagte sei ihrer sekundären Darlegungslast gerecht geworden, indem sie die gegenwärtige Vorhaltung der entsprechenden Infrastruktur in Abrede gestellt und die für deren Einführung erforderlichen Kos- ten auf mindestens 1 Mio. € geschätzt habe. Diese Beurteilung durch das Beru- fungsgericht hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
- 40
- Noch zutreffend ist der Ausgangspunkt der Überlegungen des Berufungsgerichts , bei der Zumutbarkeit der Sperranordnung handele es sich um eine anspruchsbegründende Voraussetzung, deren tatsächliche Grundlage der An- spruchsteller darzulegen habe (BGH, Urteil vom 10. April 2008 - I ZR 227/05, GRUR 2008, 1097 Rn. 19 = WRP 2008, 1517 - Namensklau im Internet). Hat dieser keinen Einblick in die technischen Möglichkeiten und kann er von sich aus nicht erkennen, ob dem in Anspruch genommenen Diensteanbieter der Einsatz einer bestimmten Maßnahme im Hinblick auf interne Betriebsabläufe zumutbar ist, so ist der Diensteanbieter im Rahmen der ihn treffenden sekundären Darlegungslast gehalten, im Einzelnen vorzutragen, welche Schutzmaßnahmen er ergreifen kann und weshalb ihm - falls diese Maßnahmen keinen lückenlosen Schutz gewährleisten - weitergehende Maßnahmen nicht zuzumuten sind. Erst ein solcher Vortrag versetzt den Anspruchsteller in die Lage, seinerseits die Zumutbarkeit darzulegen (vgl. BGH, GRUR 2008, 1097 Rn. 19 f. - Namensklau im Internet).
- 41
- Nach diesem Maßstab kann der Vortrag der Klägerinnen, wie die Revision zu Recht rügt, nicht als unbeachtlich angesehen werden.
- 42
- Die Klägerinnen haben vorgetragen, die Beklagte verfüge über ein technisches System ("Traffic Management"), das in der Telekommunikationsbranche verbreitet sei und eine Sperrung erlaube. Nach dem Vortrag der Klägerinnen ist ferner in einer Pressemitteilung der Beklagten von einer "hoch skalierbaren DNS-Infrastruktur" auf der Basis von Produkten eines Anbieters von DNSbezogenen Dienstleistungen die Rede. In einem Online-Handbuch der Beklagten , so der Vortrag der Klägerinnen weiter, biete die Beklagte selbst IP-Filter an. Die Klägerinnen haben weiter vorgetragen, die Beklagte verfüge über neun DNS-Server und sie sei technisch in der Lage, unkorrekte DNS-Suchanfragen automatisch zu einer unternehmenseigenen Suchseite umzuleiten. Zum operativen Aufwand der Sperrmaßnahmen haben die Klägerinnen unter Vorlage eines Parteigutachtens vorgetragen, für eine DNS- oder IP-Sperre sei die Be- schaffung zusätzlicher Hardware zunächst nicht erforderlich, jedoch müsse - unter bestimmten Umständen - eine Testumgebung eingerichtet werden.
- 43
- Die Klägerinnen haben als Tonträgerunternehmen keinen Einblick in die wirtschaftlichen und technischen Gegebenheiten eines Telekommunikationsunternehmens , das sich - wie die Beklagte - mit der Bereitstellung von Internetzugängen befasst. Mit ihrem vorstehend dargestellten Vortrag haben die Klägerinnen - wie die Revision zu Recht geltend macht - daher der ihnen obliegenden Darlegungslast zum erforderlichen Aufwand für Sperrmaßnahmen genügt. Im Rahmen der sekundären Darlegungslast hatte nunmehr die Beklagte nicht nur die Existenz eines solchen Systems zu bestreiten, sondern durch Vortrag zur administrativen und technischen Ausstattung ihres Unternehmens für die Bereitstellung von Internetzugängen die Klägerinnen in die Lage zu versetzen, zum erforderlichen Aufwand von Sperrmaßnahmen näher vorzutragen und Beweis anzubieten. Auch mit der ohne Angabe einer näheren tatsächlichen Grundlage geäußerten Kostenschätzung in Höhe von 1 Mio. € ist die Beklagte der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast nicht gerecht geworden.
- 44
- ee) Rechtlich nicht zu beanstanden ist die Annahme des Berufungsgerichts , dass die Beklagte ein legitimes, gesellschaftlich erwünschtes Geschäftsmodell betreibt, welches nicht im Sinne der Rechtsprechung des Senats (vgl. BGH, GRUR 2009, 841 Rn. 21 f. - Cybersky) von vornherein auf eine urheberrechtsverletzende Nutzung angelegt ist. Hieraus folgt aber lediglich, dass der Beklagten keine allgemeinen Überwachungs- oder Nachforschungspflichten auferlegt werden dürfen (s.o. Rn. 27). Solche verlangen die Klägerinnen auch nicht.
- 45
- ff) Die Annahme des Berufungsgerichts, die nur eingeschränkte Effektivität der DNS- bzw. IP-Sperren spreche im konkreten Fall gegen die Zumutbarkeit des begehrten Verbots, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
- 46
- (1) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind die in Betracht kommenden Sperrmaßnahmen der DNS- und IP-Sperre zwar technisch möglich , aber nur wenig effektiv. Sie beseitigten die Erreichbarkeit der beanstandeten Webseiten nicht vollständig, sondern erschwerten den Zugriff lediglich, weil die Webseiten über Umwege erreichbar blieben. Die Nutzer könnten zudem auf anderweitig im Internet zur Verfügung gestellte "ed2k"-Links ausweichen, die zumindest teilweise auch redaktionell geprüft und daher aus Sicht der Nutzer gleichwertig seien. Weil auch der Dienst "eDonkey" selbst über eine - wenngleich nicht mit Aussagen über den Dateiinhalt versehene - Suchfunktion verfüge , beeinträchtigte grundsätzlich nicht einmal der völlige Ausfall sämtlicher Linkseiten die Funktionsfähigkeit des "eDonkey"-Netzwerks. Die von den Klägerinnen vorgelegten Zahlen aus anderen europäischen Ländern zur - das Auffinden von Inhalten im BitTorrent-Netzwerk erleichternden - Seite "The Pirate Bay" zeigten, dass auch nach der Einrichtung von Sperren signifikante Nutzerzahlen verblieben seien. Maßgeblich für die Interessen der Klägerinnen seien aber nicht die Zugriffszahlen auf Linkseiten dieser (auch vorliegenden) Art, sondern der Datenverkehr in den Netzwerken mit rechtsverletzenden Inhalten, der nach Angaben der Klägerinnen in den Ländern mit Sperren um lediglich 11% zurückgegangen , hingegen in Ländern ohne Sperren um 15% gestiegen sei. Es sei auch mit Gegenmaßnahmen der Seitenbetreiber zu rechnen, die schnell auf andere Domains ausweichen könnten.
- 47
- (2) Der Gerichtshof der Europäischen Union verlangt, dass die vom Zugangsvermittler verlangten Sperrmaßnahmen hinreichend effektiv sind, um einen wirkungsvollen Schutz des Grundrechts auf Eigentum sicherzustellen. Die Maßnahmen müssen danach bewirken, dass unerlaubte Zugriffe auf die Schutzgegenstände verhindert oder zumindest erschwert werden und dass die Internetnutzer zuverlässig vom Zugriff darauf abgehalten werden (EuGH, GRUR 2014, 468 Rn. 62 f. - UPC Telekabel). Bei der Anwendung dieses Maßstabs ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts für die Frage der Effektivität der Sperrmaßnahmen nicht auf ihren Einfluss auf die Gesamtheit der Zugriffe auf im "eDonkey"-Netzwerk vorgehaltene illegale Dateien abzustellen, sondern auf die Auswirkungen der Sperren für den Zugriff auf die konkret beanstandeten Webseiten. Das Effizienzkriterium ist maßnahmebezogen zu verstehen , weil andernfalls die Rechteinhaber gerade im Fall von massenhaft begangenen Rechtsverletzungen im Internet schutzlos wären. Ebenso wenig wie der Verletzer eines absoluten Rechts durch den Hinweis auf die Fortdauer einer von der beanstandeten Handlung unabhängigen Verletzung desselben Rechts einem Verbot entgehen kann, steht dem Störer die Berufung darauf offen, dass die gegen ihn begehrte Maßnahme die auf anderem Wege erfolgende Beeinträchtigung des geschützten Rechts nicht verhindert (vgl. High Court of Justice, [2014] EWHC 3354 (Ch) Rn. 173). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts spricht es ferner nicht gegen die Zumutbarkeit der Inanspruchnahme eines Internet-Zugangsvermittlers, dass Betreiber illegaler Internetangebote im Falle von Sperren schnell auf andere Domains ausweichen könnten, weil auch dies den Rechteinhaber im Ergebnis rechtlos stellte.
- 48
- Die aufgrund der technischen Gegebenheiten des Internets stets bestehende Umgehungsmöglichkeit (vgl. hierzu Pfitzmann/Köpsell/Kriegelstein, Sperrverfügungen gegen Access-Provider, Technisches Gutachten, S. 52 ff.) spricht nicht gegen die Zumutbarkeit einer Sperrung. Nach Auffassung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind Maßnahmen, die unerlaubte Zugriffe auf die Schutzgegenstände verhindern oder zumindest erschweren und die Internetnutzer zuverlässig vom Zugriff darauf abhalten, im Rahmen der Gesamt- abwägung auch dann zulässig, wenn sie nicht geeignet sind, die Rechtsverletzung vollständig abzustellen (EuGH, GRUR 2014, 468 Rn. 62 f. - UPC Telekabel ). Im vorliegenden Zusammenhang kann nicht ohne weiteres angenommen werden, dass eine Vielzahl von Nutzern willens und aufgrund ihres technischen Wissens in der Lage ist, etwaige Sperren zu umgehen. Erfolglose Zugriffsversuche dürften vielmehr das Unrechtsbewusstsein der Nutzer verstärken und deren Bereitschaft, die Sperren zu umgehen, entgegenwirken. Angesichts des Umstands, dass jedenfalls der zunächst gewählte Zugangsweg zu den rechtswidrigen Inhalten durch die Sperren unterbunden wird, vermag die bloße Möglichkeit der Umgehung, deren Wahrnehmung nach Art und Umfang nicht zu prognostizieren ist, die Annahme hinreichender Effektivität der Sperren nicht zu erschüttern.
- 49
- Ebenso wenig sprechen etwaige Gegenmaßnahmen der Betreiber der Internetseiten mit rechtswidrigen Inhalten gegen die Zumutbarkeit einer Sperrung. Andernfalls wären die Inhaber von Urheber- und anderen Schutzrechten gegenüber Rechtsverletzungen im Internet schutzlos gestellt. Der Umstand, dass die Betreiber durch häufigen Wechsel des Host-Providers oder Verlagerung des Serverstandortes in Länder, in denen eine effektive gerichtliche Verfolgung erschwert ist, der Rechtsverfolgung zu entgehen versuchen könnten, stärkt vielmehr die Notwendigkeit, durch Sperrverlangen auf der Ebene des AccessProviders den Ausweichversuchen der Webseitenbetreiber zu begegnen.
- 50
- (3) Danach sind auf der Grundlage des vom Berufungsgericht herangezogenen Vortrags der Klägerinnen sowie bei Anlegung des zutreffenden rechtlichen Maßstabs sowohl die DNS- als auch die IP-Sperre als hinreichend effektiv anzusehen, weil nach den von den Klägerinnen angeführten Erfahrungen mit vergleichbaren Sperren in anderen europäischen Ländern zu erwarten ist, dass sie die inländischen Zugriffe auf die vorliegend beanstandeten Webseiten eben- falls in relevantem Umfang verringern. Zur Effektivität der URL-Sperren hat das Berufungsgericht keine näheren Feststellungen getroffen, so dass für das Revisionsverfahren von deren Effektivität auszugehen ist.
- 51
- gg) Das Berufungsgericht hat im Rahmen der Zumutbarkeit im Ausgangspunkt zu Recht geprüft, inwieweit die von den Klägerinnen begehrten Sperren auch rechtmäßige Inhalte auf den betroffenen Internetseiten blockieren. Seine Feststellung, URL-Sperren vermieden eine Blockierung rechtmäßiger Inhalte, nimmt die Revision als für die Klägerinnen günstig hin. Die weitere Feststellung des Berufungsgerichts, die vorliegend von DNS- und IP-Sperren miterfassten rechtmäßigen Inhalte seien nicht vernachlässigenswert und dieser Umstand spreche gegen die Zumutbarkeit der begehrten Sperranordnung, hält der rechtlichen Nachprüfung allerdings nicht stand.
- 52
- (1) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass sich auf der Seite "Goldesel.to" neben rechtswidrigen auch rechtmäßige Angebote befanden. Durch die Sperren würde den Kunden der Beklagten generell der Zugang auf sämtliche dort verfügbaren Links verwehrt und somit den Klägerinnen ein weit über ihre im Rechtsstreit geltend gemachten ausschließlichen Nutzungsrechte hinausgehender Schutz zugebilligt. Die Klägerinnen seien nicht als zur Verfolgung der Rechte an urheberrechtlich geschützten Werken Dritter ermächtigt anzusehen; von einem mutmaßlichen Einverständnis dieser Rechteinhaber könne nicht ausgegangen werden, weil ein Teil der Werke in bestimmten Mitgliedstaaten gemeinfrei sein oder von den Urhebern kostenlos ins Internet eingestellt worden sein könnten. Bei Zugrundelegung der Schätzung der Klägerinnen verweise "Goldesel" auf etwa 4.000 legal abrufbare Dateien. Dies sei eine für sich genommen und erst recht im Verhältnis zu den 120 streitgegenständlichen Titeln der Klägerinnen nicht zu vernachlässigende Anzahl. Zu berücksichtigen sei weiterhin, dass auf der Seite "Goldesel.to" ein Meinungsforum vorge- halten und Werbung von Drittunternehmen präsentiert werde, wenngleich jedenfalls Werbetreibende, die Werbung auf einer den Zugang zu überwiegend rechtsverletzenden Inhalten vermittelnden Seite betrieben, nicht in besonderem Maße schutzwürdig seien.
- 53
- (2) Im Hinblick auf das Grundrecht der Internetnutzer auf Informationsfreiheit (Art. 11 Abs. 1 EU-Grundrechtecharta, Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) verlangt der Gerichtshof der Europäischen Union, dass Sperrmaßnahmen streng zielorientiert sind, indem sie die Urheberrechtsverletzung beenden, ohne Internetnutzern die Möglichkeit zu nehmen, rechtmäßig Zugang zu Informationen zu erlangen (EuGH, GRUR 2014, 468 Rn. 56 - UPC Telekabel).
- 54
- (3) Die Problematik der Mitbetroffenheit legaler Inhalte (sog. "Overblocking" ) ist im Hinblick auf die gewählte Sperrmethode zum einen relevant, wenn durch die Sperrung einer IP-Adresse die Erreichbarkeit weiterer, unter derselben IP-Adresse vorgehaltener Webseiten unterbunden wird (vgl. Sieber/ Nolde, Sperrverfügungen im Internet, 2008, S. 50). Zum anderen können sich auf der jeweiligen Webseite sowohl illegale als auch legale Angebote befinden. Vorliegend ist nach dem Vortrag der Klägerinnen die im Antrag genannte IPAdresse mit vier Webseiten verknüpft, die sämtlich zum "Goldesel"-Angebot zählten, so dass anderweitige Internet-Seiten mit möglicherweise legalem Inhalt von einer IP-Sperre nicht betroffen wären.
- 55
- Soll sich der Anbieter eines auf Rechtsverletzungen angelegten Geschäftsmodells nicht hinter wenigen legalen Angeboten verstecken können, liegt es auf der Hand, dass eine Sperrung nicht nur dann zulässig sein kann, wenn ausschließlich rechtswidrige Informationen auf der Webseite bereitgehalten werden (J.B. Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 11. Aufl., § 97 UrhG Rn. 170; Leistner/Grisse, GRUR 2015, 105, 108). Im Rahmen der Grundrechtsabwägung hat auch der Gerichtshof der Europäischen Union das Kriterium der strengen Zielorientierung dahingehend formuliert, dass die ergriffenen Sperrmaßnahmen den Internetnutzern die Möglichkeit, in rechtmäßiger Weise Zugang zu den verfügbaren Informationen zu erhalten, "nicht unnötig" vorenthalten dürfen (EuGH, GRUR 2014, 468 Rn. 63 - UPC Telekabel; vgl. Leistner/Grisse, GRUR 2015, 105, 108). In der das File-Hosting betreffenden Rechtsprechung hat der Senat zudem anerkannt, dass die Erfüllung von Prüfpflichten im Interesse eines wirksamen Schutzes des Urheberrechts nicht unzumutbar ist, auch wenn dies im Einzelfall zu einer Löschung rechtmäßiger Inhalte führt, sofern auf diese Weise die legale Nutzung des Angebots des Diensteanbieters nur in geringem Umfang eingeschränkt und dessen Geschäftsmodell dadurch nicht grundlegend in Frage gestellt wird (BGH, Urteil vom 12. Juli 2007 - I ZR 18/04, BGHZ 173, 188 Rn. 60 - Jugendgefährdende Medien bei eBay; BGHZ 194, 339 Rn. 45 - Alone in the Dark; BGH, GRUR 2013, 1030 Rn. 62 - File-Hosting-Dienst). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist deshalb nicht auf eine absolute Zahl rechtmäßiger Angebote auf der jeweiligen Seite, sondern auf das Gesamtverhältnis von rechtmäßigen zu rechtswidrigen Inhalten abzustellen und zu fragen, ob es sich um eine nicht ins Gewicht fallende Größenordnung von legalen Inhalten handelt (vgl. Leistner /Grisse, GRUR 2015, 105, 108 f.). Dass die Klägerinnen ihre Ansprüche lediglich auf Rechte an 120 Musiktiteln stützen, eine Sperre jedoch über diese Titel hinaus auch Verweise der beanstandeten Internetseiten auf urheberrechtlich geschützte Werke Dritter erfassen würde, zu deren Geltendmachung die Klägerinnen nicht ermächtigt worden sind, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung.
- 56
- Auf der Grundlage des vom Berufungsgericht herangezogenen Klägervortrags , demzufolge rechtmäßige Inhalte auf der Internetseite "Goldesel.to" mit einem Anteil von nur 4% vertreten sind, scheitert die Annahme der Zumutbarkeit von Sperrmaßnahmen nicht an der Betroffenheit rechtmäßiger Angebote.
- 57
- (4) Für die Rechtmäßigkeit einer Anordnung unter dem Aspekt der Informationsfreiheit ist nach Auffassung des Gerichtshofs der Europäischen Union weiter erforderlich, dass die nationalen Verfahrensvorschriften den Internetnutzern ermöglichen, ihre Rechte nach Bekanntwerden der vom Anbieter getroffenen Sperrmaßnahmen vor Gericht geltend zu machen (EuGH, GRUR 2014, 468 Rn. 56 - UPC Telekabel). Diesem Erfordernis kann im nationalen Recht dadurch Rechnung getragen werden, dass Internetnutzer ihre Rechte gegenüber dem Zugangsprovider auf der Grundlage des zwischen ihnen bestehenden Vertragsverhältnisses gerichtlich geltend machen können (vgl. öOGH, GRUR Int. 2014, 1074, 1079; Nordemann, ZUM 2014, 499, 500; Leistner/Grisse, GRUR 2015, 105, 110; aA Spindler, GRUR 2014, 826, 833 f.; Ohly, ZUM 2015, 308, 318).
- 58
- hh) Der rechtlichen Nachprüfung hält auch die Annahme des Berufungsgerichts nicht stand, die Klägerinnen hätten nicht hinreichend dargelegt, welchen wirtschaftlichen Vorteil sie durch die begehrten Sperrmaßnahmen erzielen würden.
- 59
- Die Erlangung eines konkret zu beziffernden wirtschaftlichen Vorteils für die Klägerinnen ist nicht Voraussetzung für die Zumutbarkeit einer Sperranordnung gegen Access-Provider. Die Klägerinnen müssen sich auf wirksame Weise gegen die Verletzung ihrer urheberrechtlich geschützten Positionen zur Wehr setzen können. Im Rahmen der Zumutbarkeitsbetrachtung kommt es allein darauf an, ob weitere Rechtsverletzungen auf wirksame Weise abgestellt oder erschwert werden, ohne dass weitere konkrete wirtschaftliche Vorteile auf Seiten der Rechteinhaber hinzutreten müssten (vgl. EuGH, GRUR 2014, 468 Rn. 63 - UPC Telekabel; Leistner/Grisse, GRUR 2015, 105, 107).
- 60
- ii) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kommt dem Fernmeldegeheimnis gemäß Art. 10 Abs. 1 GG und dem Grundrecht aus Art. 7 EUGrundrechtecharta auf Achtung der Kommunikation im Rahmen der Abwägung keine maßgebliche Bedeutung zu.
- 61
- (1) Für die Beurteilung der Frage, ob die zur Umsetzung des begehrten Verbots erforderlichen Maßnahmen an Art. 10 Abs. 1 GG und Art. 7 EU-Grundrechtecharta zu messen sind, sind die Feststellungen zugrunde zu legen, die das Berufungsgericht zu deren technischen Voraussetzungen getroffen hat. Danach kann das gegenüber der Beklagten begehrte Verbot, ihren Kunden Zugang zu den über den Internetdienst "Goldesel" abrufbaren Tonträgern zu vermitteln , durch drei technische Methoden - eine DNS-Sperre, eine IP-Sperre oder eine URL-Sperre durch Verwendung eines "Zwangs-Proxys" - umgesetzt werden.
- 62
- Die DNS-Sperre zielt auf das "Domain Name System" (DNS), bei dem - nach Art eines Telefonbuchs - jeder Domain-Bezeichnung eine numerische IPAdresse zugeordnet ist, die bei der Eingabe eines Domainnamens in die Browserzeile durch den DNS-Server des Zugangsproviders aufgefunden wird, so dass die Anfrage an den Server mit der entsprechenden IP-Adresse weitergeleitet werden kann. Die DNS-Sperre besteht darin, dass die Zuordnung von Domain-Bezeichnung und IP-Adresse auf dem DNS-Server des Zugangsproviders verhindert wird, so dass die betroffene Domain-Bezeichnung - gleichsam wie bei einer Löschung eines Telefonbucheintrags - nicht mehr zur entsprechenden Internetseite führt, die allerdings unter der IP-Adresse weiterhin erreichbar ist (vgl. Sieber/Nolde aaO S. 50; Leistner/Grisse, GRUR 2015, 19, 22).
- 63
- Die IP-Sperre setzt bei der IP-Adresse (Internet-Protocol-Adresse) einer Webseite an, über die diese im Internet aufgefunden wird, indem durch eine Änderung in der bei dem Zugangsprovider betriebenen Routingtabelle die Weitersendung von Daten an die Zieladresse, die gesperrt werden soll, verhindert wird. Sie führt dazu, dass sämtliche unter der IP-Adresse betriebenen Seiten nicht erreichbar sind (Sieber/Nolde aaO S. 50; Leistner/Grisse, GRUR 2015, 19, 23 f.).
- 64
- Die URL-Sperre durch Verwendung eines "Zwangs-Proxys" bewirkt, dass der Zugriff auf durch die URL (Uniform Resource Locator) identifizierbare einzelne Seiten eines Internetauftritts gesperrt wird. Hierzu wird der gesamte Datenverkehr über einen gesonderten Server geleitet ("Zwangs-Proxy"), der in der Lage ist, die in die Datenpakete der Nutzeranfrage eingebettete Information zur URL zu analysieren ("Deep packet inspection"; vgl. Sieber/Nolde aaO S. 51; Leistner/Grisse, GRUR 2015, 19, 24).
- 65
- (2) Das Grundrecht des Art. 10 Abs. 1 GG gewährleistet den Schutz vor jeder Kenntnisnahme, Aufzeichnung und Verwertung der Kommunikationsinhalte oder -daten durch den Staat und begründet zugleich - auch soweit es sich (wie vorliegend) um von Privaten betriebene Telekommunikationsanlagen handelt - eine Schutzpflicht des Staates gegen unbefugte Kenntniserlangung Dritter (Pagenkopf in Sachs aaO Art. 10 Rn. 14; Durner in Maunz/Dürig, GG, 73. Lief., Art. 10 Rn. 112 mwN). Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis gewährleisten die freie Entfaltung der Persönlichkeit durch einen privaten, vor der Öffentlichkeit verborgenen Austausch von Nachrichten, Gedanken und Meinungen als Informationen (vgl. BVerfGE 67, 157, 171; 106, 28, 35 f.; 110, 33, 53; BVerfG, NJW 2007, 351, 352). Anknüpfungspunkt des Schutzes von Art. 10 Abs. 1 GG ist stets der nichtöffentliche Austausch konkreter Kommunikationsteilnehmer; dagegen unterfällt an die Allgemeinheit gerichtete Kommunikation nicht dieser Vorschrift (Durner in Maunz/Dürig aaO Art. 10 Rn. 92; ders, ZUM 2010, 833, 838). Bezogen auf Internetkommunikation hat das Bundesverfassungsgericht etwa Maildienste, Chatdienste und nichtöffentliche Diskussionsforen als vom Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 GG erfasst angesehen (BVerfGE 120, 274, 340; vgl. auch BVerfGE 113, 348, 383). Die bloße Verhinderung von Kommunikation fällt nicht in den Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 GG (vgl. Jarass in Jarass /Pieroth, GG, 13. Aufl., Art. 10 Rn. 12; Durner, ZUM 2010, 833, 841).
- 66
- (3) Die Beurteilung der vorliegend in Rede stehenden Sperrmaßnahmen anhand des Maßstabes des Art. 10 Abs. 1 GG ist umstritten. Stellt man auf das Kriterium der Öffentlichkeit ab, so ist das an eine unbestimmte Vielzahl von Adressaten gerichtete Angebot von Links zum Download im Internet keine vertrauliche Individualkommunikation, sondern als öffentliches Angebot vom Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 GG nicht erfasst (vgl. Schenke in Stern/Becker, Grundrechte -Kommentar, Art. 10 Rn. 41; Jarass in Jarass/Pieroth aaO Art. 10 Rn. 6; Czychowkski, MMR 2004, 514, 518; Durner, ZUM 2010, 833, 840 f.; Sankol, MMR 2006, 361, 364; Billmeier, Die Düsseldorfer Sperrungsverfügung, 2007, S. 182 ff., 273 f.; Kropp, Die Haftung von Host- und Access-Providern bei Urheberrechtsverletzungen , 2012, S. 162). Nach anderer Auffassung tangiert zwar nicht die DNS-Sperre, sehr wohl aber die IP- und die URL-Sperre die durch Art. 10 Abs. 1 GG geschützte Vertraulichkeit der Kommunikation. Zur Begründung wird angeführt, für die Unterscheidung zwischen Individual- und Massenkommunikation im Internet sei eine Auswertung erforderlich, die Rückschlüsse auf Nutzer und Kommunikationsinhalte zulassen könnte (Hermes in Dreier, Grundgesetz , 3. Aufl. 2013, Art. 10 Rn. 40; Sieber/Nolde aaO S. 79 ff.; Germann, Gefahrenabwehr und Strafverfolgung im Internet, 2000, S. 118; Sievers, Der Schutz der Kommunikation im Internet durch Art. 10 des Grundgesetzes, 2003, S. 129 f.).
- 67
- (4) Der Senat schließt sich der Auffassung an, dass bei Anwendung der gebotenen teleologischen Betrachtungsweise sämtliche hier erörterten Zugangssperren nicht den Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 GG berühren.
- 68
- Der Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 GG ist schon deshalb nicht berührt, weil das öffentliche Angebot von Dateien zum Download und auch der Zugriff darauf keine von dieser Vorschrift geschützte Individualkommunikation darstellt. Dass der Zugriff auf ein öffentliches Angebot zum Download jeweils mittels individueller technischer Kommunikationsverbindungen erfolgt, rechtfertigt die Einstufung als Kommunikation im Sinne des Art. 10 Abs. 1 GG nicht, weil eine bloße technische Kommunikation nicht die spezifischen Gefahren für die Privatheit der Kommunikation aufweist, die diese Vorschrift schützt (vgl. Durner, ZUM 2010, 833, 840 f.). Ein solcher Zugriff stellt sich vielmehr als öffentliche, der Nutzung von Massenmedien vergleichbare Kommunikationsform dar, die von anderen Grundrechten - insbesondere Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG - erfasst wird (vgl. Billmeier aaO S. 183).
- 69
- Der Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 GG ist, sofern keine weitergehende Sichtung und Auswertung der Daten erfolgt, auch deshalb nicht eröffnet, weil die Zugangssperren allein Maßnahmen der Kommunikationsverhinderung sind. In diesem Fall beschränkt sich die (automatisierte) Kenntnisnahme des Providers von Umständen der Kommunikation allein auf das zur Unterbrechung der Kommunikation Erforderliche (vgl. Durner, ZUM 2010, 833, 842; Leistner/ Grisse, GRUR 2015, 19, 22 ff.). Das Bundesverfassungsgericht verneint im Falle der Erfassung von Fernmeldevorgängen einen Grundrechtseingriff, sofern diese lediglich technikbedingt erfasst und anonym, spurenlos und ohne Erkenntnisinteresse für die Behörden umgehend ausgesondert werden (vgl. BVerfGE 100, 313, 366; 107, 299, 328; Durner, ZUM 2010, 833, 842). Wenn bei der Durchführung von IP- und URL-Sperren die hierfür notwendigen Daten un- mittelbar nach der Erfassung technisch wieder anonym, spurenlos und ohne weitergehendes Erkenntnisinteresse gelöscht werden, kommt den Maßnahmen die Qualität eines Eingriffs in Art. 10 Abs. 1 GG nicht zu (vgl. Durner, ZUM 2010, 833, 842). Sofern die Erfassung und Verwendung der für die Sperrmaßnahmen erforderlichen Daten bei dem Access-Provider ohnehin zur Herstellung der jeweiligen Verbindung benötigt würde, käme ein solcher Eingriff schon deshalb nicht in Betracht, weil die Kenntnisnahme von Umständen, die für die Erbringung des Telekommunikationsdienstes erforderlich sind, gemäß § 88 Abs. 3 Satz 1 TKG nicht vom Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses umfasst ist (vgl. Durner, ZUM 2010, 833, 845; Leistner/Grisse, GRUR 2015, 19, 24 f.).
- 70
- (5) Das Grundrecht auf Achtung der Kommunikation gemäß Art. 7 EUGrundrechtecharta wird durch die genannten Sperrmaßnahmen ebenfalls nicht tangiert. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass dieses Grundrecht - insoweit weitergehend als Art. 10 Abs. 1 GG - auch vor der bloßen Verhinderung oder Verzögerung der Kommunikation schützt (vgl. Jarass, Charta der Grundrechte der EU, 2. Aufl., Art. 7 Rn. 50). Schutzzweck des Art. 7 EU-Grundrechtecharta ist gleichfalls die Vertraulichkeit der Kommunikation, die an bestimmte Adressaten und nicht an die Öffentlichkeit gerichtet ist (Jarass aaO Art. 7 Rn. 47; Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 4. Aufl., Art. 7 Rn. 24). Dieser Schutzzweck wird durch die Sperrung öffentlicher Angebote zum Download oder des Zugriffs darauf nicht berührt. Insoweit gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend (Rn. 68).
- 71
- jj) Zu beanstanden ist ferner die Annahme des Berufungsgerichts, jedenfalls die Anordnung einer URL-Sperre bedürfe als grundrechtsrelevante Maßnahme nach der sogenannten Wesentlichkeitstheorie einer spezialgesetzlichen Grundlage.
- 72
- (1) Ausgehend von der Ansicht, der Staat dürfe in Grundrechte des Bürgers , insbesondere in dessen Freiheit und Eigentum, nur auf Grund eines Gesetzes eingreifen, hat das Bundesverfassungsgericht den Vorbehalt des Gesetzes anhand der sogenannten Wesentlichkeitstheorie fortentwickelt. Danach muss der Gesetzgeber in grundlegenden normativen Bereichen des Verhältnisses zwischen Staat und Bürgern, vor allem im Bereich der Ausübung konkurrierender Grundrechte, alle wesentlichen Entscheidungen selbst treffen (BVerfGE 49, 89, 126; 108, 282, 311; Hofmann in Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke aaO Art. 20 Rn. 69, Sachs in Sachs aaO Art. 20 Rn. 117). Die Bestimmung dessen, was jenseits der klassischen Eingriffslage "wesentlich" ist, unterliegt erheblichen Schwierigkeiten (vgl. Ossenbühl, Handbuch des Staatsrechts, 3. Aufl., Bd. 5, § 101 Rn. 56). Festzuhalten ist jedoch, dass die Wesentlichkeitstheorie nur für das Verhältnis zwischen Staat und Bürgern und nicht zwischen gleichgeordneten Grundrechtsträgern gilt (BVerfG, NJW 1991, 2549, 2550; NJW 1993, 1379, 1380; Hofmann in Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hennecke aaO Art. 20 Rn. 69; Jachmann, JA 1994, 399, 400 f.). Mit dem Kriterium der Wesentlichkeit kann beurteilt werden, ob die in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Gebote der Demokratie und des Rechtsstaats der Delegation von Rechtssetzung vom Parlament auf die Exekutive entgegenstehen. Bei einer Kollision gegenläufiger Grundrechte gleichgeordneter Rechtsträger stellt sich eine solche Kompetenzfrage nicht, weil der Staat in einen solchen Konflikt über die Gerichte lediglich als Vermittler eingebunden ist, der nicht die Zulässigkeit eines hoheitlichen Grundrechtseingriffs prüft, sondern die betroffenen Belange gegeneinander abwägt (Jachmann, JA 1994, 399, 400 f.; Durner, ZUM 2010, 833, 835).
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- (2) Vorliegend ist nicht das Verhältnis zwischen Staat und Bürgern, sondern eine zivilrechtliche Haftungsfrage zwischen Rechteinhabern und Telekommunikationsunternehmen , also zwischen gleichgeordneten Grundrechtsträgern betroffen. Im Streit zwischen Privaten müssen die Gerichte aber selbst bei unzureichenden gesetzlichen Vorgaben das materielle Recht mit den anerkannten Methoden der Rechtsfindung aus den für das betreffende Rechtsverhältnis maßgeblichen allgemeinen Rechtsgrundlagen ableiten (vgl. BVerfGE 84, 212, 226 f.). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts lassen sich aus den gesetzgeberischen Vorgängen um das zunächst in Kraft getretene, später wieder aufgehobene Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen (BGBl. 2010 I, S. 78) keine für das Verhältnis zwischen Privatrechtssubjekten relevanten Schlüsse ziehen. Dieses Gesetz betraf staatlicherseits angeordnete Sperren oder Zugangserschwerungen für Webseiten mit kinderpornographischen Inhalten und regelte deshalb einen klassischen eingriffsrechtlichen Sachverhalt im Verhältnis des Staates zum Bürger.
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- (3) Mit der Störerhaftung, die richterrechtlich aus einer Analogie zu § 1004 BGB abgeleitet wird und im Bereich der Immaterialgüterrechte - absoluter Rechte im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB - weiter Anwendung findet, ist eine hinreichende Rechtsgrundlage für die Beurteilung der vorliegenden Konstellation gegeben (vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2001 - I ZR 22/99, GRUR 2002, 618, 619 = WRP 2002, 532 - Meißner Dekor; BGHZ 158, 236, 251 - InternetVersteigerung I; Köhler, GRUR 2008, 1, 6; Leistner/Grisse, GRUR 2015, 19 f.; Nordemann, ZUM 2014, 499). Der deutsche Gesetzgeber hat hinsichtlich einer gegen einen Vermittler gerichteten Verbotsanordnung angesichts der Regelung des § 97 UrhG in Verbindung mit dem Institut der Störerhaftung keinen gesonderten Gesetzgebungsbedarf gesehen (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft , BT-Drucks. 15/38, S. 35, 39; Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums, BR-Drucks. 64/07, S. 70, 75; vgl. auch BGHZ 172, 119 Rn. 37 - Internet -Versteigerung II).
- 75
- (4) Aus unionsrechtlicher Sicht ist die Frage des Gesetzesvorbehalts ebenso zu beantworten. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat im privatrechtlichen Streit zwischen dem Inhaber des Urheberrechts und einem Diensteanbieter die Vorschrift des Art. 52 Abs. 1 Satz 1 EU-Grundrechtecharta entgegen der Empfehlung des Generalanwalts Villalón (Schlussanträge vom 14. April 2011 in der Rs. C-70/10 - Scarlet/SABAM Rn. 88 ff., 101 ff.) nicht angewendet (vgl. EuGH, GRUR 2012, 265 Rn. 30 ff. - Scarlet/SABAM; Spindler, JZ 2012, 311, 312). Nach dieser Bestimmung muss jede Einschränkung der in der EUGrundrechtecharta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich geregelt sein. Bereits in der Sache "L'Oréal/eBay" hatte der Gerichtshof der Europäischen Union den Einwand mangelnder spezifischer Regelung mit dem Hinweis auf die Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung nicht durchgreifen lassen (vgl. EuGH, GRUR 2011, 1025 Rn. 137 - L'Oréal/eBay; Rössel, jurisPR-ITR 25/2011 Anm. 2 unter C 6).
- 76
- kk) Soweit bei der Vornahme der Sperren personenbezogene Daten erfasst werden, ist in die Zumutbarkeitsbetrachtung auch das Grundrecht der Internetnutzer auf Schutz ihrer personenbezogenen Daten (Art. 8 EU-Grundrechtecharta ) und auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 1 und 2 Abs. 1 GG einzustellen. Diese Grundrechte sprechen nicht gegen die Zumutbarkeit der Anordnung von Sperren gegen Access-Provider, sofern für deren Durchführung IP-Adressen der Nutzer lediglich im Einklang mit § 95 TKG verwendet werden.
- 77
- (1) Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung hat - bezogen auf Kommunikationsdaten - im Recht des Datenschutzes der §§ 91 ff. TKG seine einfachgesetzliche Ausprägung gefunden, die die Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten im Bereich der Telekommunikation regeln (vgl. Durner, ZUM 2010, 833, 843). Personenbezogene Daten im Sinne des § 3 Abs. 1 BDSG sind unter anderem die IP-Adressen, weil der Access-Provider einen Bezug zwischen den IP-Adressen und der Person des Nutzers herstellen kann (vgl. EuGH, GRUR 2012, 265 Rn. 51 - Scarlet/SABAM; Braun in Geppert /Schütz, Beckscher TKG-Komm., 3. Aufl., § 91 Rn. 16; Kropp aaO S. 164). Soweit daher für die Durchführung der in Betracht kommenden Sperren die IPAdressen der Nutzer erfasst und verwendet werden, sind mithin die Datenschutzgrundrechte aus Art. 8 EU-Grundrechtecharta und Art. 1 und 2 Abs. 1 GG für die Abwägung relevant. Dies ist für IP- und URL-Sperren der Fall, bei denen die in der Anfrage des Nutzers angegebene IP-Adresse oder URL der Zielseite zumindest kurzzeitig verwendet werden (vgl. Durner, ZUM 2010, 833, 844; Kropp aaO S. 164 f.). Hingegen sind DNS-Sperren insoweit schon im Ausgangspunkt unproblematisch, da hier lediglich - ohne Zugriff auf IP-Adressen - das Zustandekommen von Verbindungen unterbunden wird (Durner, ZUM 2010, 833, 845; Kropp aaO S. 165).
- 78
- Nach § 95 TKG darf der Diensteanbieter Bestandsdaten - dies sind gemäß § 3 Nr. 3 TKG die Daten eines Teilnehmers, die für die Begründung, inhaltliche Ausgestaltung, Änderung oder Beendigung eines Vertragsverhältnisses über Telekommunikationsleistungen erhoben werden - erheben und verwenden, soweit dies für die genannten Zwecke erforderlich ist. Einer strengeren Regelung unterliegen die Verkehrsdaten, also die bei der Erbringung des Telekommunikationsdienstes erhobenen, verarbeiteten oder genutzten Daten (§ 3 Nr. 30 TKG). Gemäß § 96 Abs. 1 TKG darf der Diensteanbieter die Verkehrsdaten nur für die in der Vorschrift genannten Zwecke erheben, die das Herstellen und Aufrechterhalten einer Kommunikationsverbindung betreffen (vgl. Eckhardt in Spindler/ Schuster aaO § 96 TKG Rn. 1). Nach § 96 Abs. 1 Satz 2 TKG dürfen die solchermaßen erhobenen Daten für die in Satz 1 der Vorschrift sowie in anderen gesetzlichen Vorschriften begründeten Zwecke verwendet werden.
- 79
- (2) IP-Adressen der Nutzer unterfallen als Bestandsdaten dem § 95 Abs. 1 TKG (vgl. BGHZ 185, 330 Rn. 19 - Sommer unseres Lebens). Ihre Erhebung und Verwendung ist zulässig, wenn dies zum Zwecke der Begründung, inhaltlichen Ausgestaltung, Änderung oder Beendigung eines Vertragsverhältnisses über Telekommunikationsleistungen erfolgt. Diesem Zweck entspricht die Nutzung der Daten zur Wahrnehmung der Rechte und Pflichten des Nutzers aus dem Vertrag, etwa die Abwicklung des Zahlungsverkehrs, die Störungsbeseitigung oder Bearbeitung von Kundenbeschwerden (Büttgen in Geppert/Schütz aaO § 95 Rn. 5). Ob die Nutzung der IP-Adresse zur Vermeidung von Urheberrechtsverletzungen im Internet verwendet werden darf, bestimmt sich nach dem Inhalt des zwischen dem Access-Provider und dem Nutzer bestehenden Vertrags. Soweit vertragliche - etwa in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene - Generalklauseln zum Umfang und Gegenstand der Pflicht der Beklagten zur Leistungserbringung dies gestatten, ist im Rahmen der Vertragsauslegung auf die im Zusammenhang mit Urheberrechtsverletzungen im Internet relevanten grundrechtlichen Wertungen sowie die unionsrechtliche Pflicht der Mitgliedstaaten Rücksicht zu nehmen, einen effektiven Urheberrechtsschutz in Form von Sperranordnungen gegen Access-Provider bereitzustellen (vgl. Durner, ZUM 2010, 833, 845). Von einer Verwendung der Daten zur Durchführung des Vertrags ist auch auszugehen, wenn dem Kunden im Vertrag die Pflicht auferlegt wird, den Abruf rechtswidriger Angebote zu unterlassen.
- 80
- Feststellungen zum Inhalt des Vertrags zwischen der Beklagten und den jeweiligen Nutzern sind allerdings vorliegend nicht getroffen. Die fehlenden Feststellungen wirken sich jedoch nicht zugunsten der Revision aus.
- 81
- d) Die Entscheidung des Berufungsgerichts erweist sich aus einem anderen Grunde als richtig (§ 561 ZPO). Das begehrte Verbot ist für die Beklagte nicht zumutbar, weil die Klägerinnen nicht gegen den Betreiber der Webseite "Goldesel" vorgegangen sind.
- 82
- aa) Die Störerhaftung ist allerdings gegenüber der Inanspruchnahme des Täters im Grundsatz nicht subsidiär. Im Falle des Betreibers einer Internetplattform , in die Nutzer rechtswidrige Angebote eingestellt haben, bietet die Störerhaftung effektiven Rechtsschutz, weil nicht gegen eine Vielzahl einzelner Anbieter vorgegangen werden muss (vgl. BGH, Urteil vom 27. März 2007 - VI ZR 101/06, GRUR 2007, 724 Rn. 13 = WRP 2007, 795; BGHZ 173, 188 Rn. 40 - Jugendgefährdende Medien bei eBay). Damit ist der vorliegende Fall nicht vergleichbar, in dem einem Access-Provider abverlangt werden soll, den Zugang zu bestimmten Webseiten mit Linksammlungen zu unterbinden. Hier muss nicht statt des Zugangsvermittlers eine Vielzahl von Anbietern, sondern lediglich der Betreiber der beanstandeten Webseiten oder ein Host-Provider in Anspruch genommen werden, über den die beanstandete Webseite zugänglich gemacht wird.
- 83
- Im Hinblick darauf, dass der Access-Provider ein von der Rechtsordnung gebilligtes und in Bezug auf Rechtsverletzungen Dritter neutrales Geschäftsmodell verfolgt, ist es im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit von Überwachungs - und Sperrmaßnahmen angemessen, eine vorrangige Rechtsverfolgung gegenüber denjenigen Beteiligten zu verlangen, die - wie die Betreiber beanstandeter Webseiten - entweder die Rechtsverletzung selbst begangen oder zu der Rechtsverletzung - wie der Host-Provider der beanstandeten Webseiten - durch die Erbringung von Dienstleistungen beigetragen haben. Dagegen kommt die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Zugangsvermittler unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nur in Betracht, wenn der Inanspruchnahme des Betreibers der Webseite jede Erfolgsaussicht fehlt und deshalb andernfalls eine Rechtsschutzlücke entstünde. Für dieses Ergebnis spricht auch der Umstand, dass der Betreiber der Webseite und sein Host-Provider wesentlich näher an der Rechtsgutsverletzung sind als derjenige, der nur allgemein den Zugang zum Internet vermittelt.
- 84
- bb) Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Zumutbarkeit des von den Klägerinnen begehrten Verbots vorliegend nicht entgegensteht , dass diese nicht gegen den Host-Provider der Webseite "Goldesel" gerichtlich vorgegangen sind.
- 85
- Ob die Inanspruchnahme des Host-Providers schon dann als ohne jede Erfolgsaussicht zu gelten hat, wenn - wie die Revision geltend macht - die (womöglich mehrfache) Verlagerung des Serverstandorts oder der Wechsel des Host-Providers in der Vergangenheit darauf schließen lässt, dass die Inanspruchnahme durch solche Maßnahmen auch zukünftig ineffektiv bleiben werde , muss vorliegend nicht entschieden werden.
- 86
- Das Berufungsgericht hat zugunsten der Klägerinnen unterstellt, dass sie gegen den in Russland ansässigen Host-Provider der beanstandeten Webseiten in seinem Sitzstaat effektiven Rechtsschutz nicht erlangen können. Diese Annahme ist der rechtlichen Nachprüfung in der Revisionsinstanz zugrunde zu legen.
- 87
- cc) Die Revision bleibt jedoch ohne Erfolg, weil die Klägerinnen nicht gegen den Betreiber der Webseiten "Goldesel" vorgegangen sind. Dessen Inanspruchnahme ist unterblieben, weil dem Vortrag der Klägerinnen zufolge dem Webauftritt die Identität des Betreibers nicht entnommen werden kann. Die Klägerinnen haben allerdings nicht vorgetragen, weitere zumutbare Maßnahmen zur Aufdeckung der Identität des Betreibers der Webseiten unternommen zu haben. Hier kommt insbesondere die Einschaltung der staatlichen Ermittlungs- behörden im Wege der Strafanzeige oder auch die Vornahme privater Ermittlungen etwa durch einen Detektiv oder andere Unternehmen, die Ermittlungen im Zusammenhang mit rechtswidrigen Angeboten im Internet durchführen, in Betracht. Ermittlungsansätze könnten sich weiter daraus ergeben, dass - wie aus der Anlage K 23 hervorgeht - in einem Parallelverfahren in den Niederlanden der niederländische Rechteinhaber vom dortigen Host-Provider die paypalAdresse genannt erhielt, über die der niederländische Host-Provider von den Betreibern von "Goldesel" bezahlt wurde. Auch den darin enthaltenen Anhaltspunkten , die eine Firma namens "t. ", eine E-Mail-Adresse "s. @m. " und eine "S. " betreffen, sind die Klägerinnen nicht nachgegangen. Mangels näherer Erkenntnisse zur Identität und zum Sitz der Betreiber der beanstandeten Webseiten steht nicht fest, dass eine Rechtsverfolgung gegen den Betreiber der fraglichen Internetseiten nicht möglich und erfolgversprechend ist.
- 88
- e) Der Senat kann in der Sache entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Anlass zur Zurückverweisung besteht nicht, weil neuer Sachvortrag nicht zu erwarten ist. Die Frage der vorrangigen Inanspruchnahme des Betreibers der Webseiten und des Host-Providers ist im Verfahren zwischen den Parteien kontrovers erörtert worden. Sie ist auch Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung im Revisionsverfahren gewesen. Die Klägerinnen haben hierzu auf die erfolglose Inanspruchnahme des Host-Providers verwiesen und im Übrigen vorgetragen, dass für sie der Betreiber ohne Identitätsangabe auf der Internetseite nicht greifbar gewesen sei. Soweit die Klägerinnen im Verfahren erster Instanz um einen Hinweis gebeten haben, sofern das Gericht weiteren Vortrag zur Inanspruchnahme des Host-Service-Providers für erforderlich halten sollte, wirkt sich ein fehlender Hinweis nicht zum Nachteil der Klägerinnen aus, weil zu ihren Gunsten zum Host-Provider in der Revisionsinstanz davon auszugehen ist, dass effektiver Rechtsschutz nicht zu erlangen ist (s.o. 86). Das rechtliche Gehör der Klägerinnen ist damit gewahrt. Der Grundsatz des fairen Verfahrens gebietet es nicht, den Klägerinnen durch eine Zurückverweisung die Möglichkeit zu verschaffen, bisher unterbliebene Ermittlungsmaßnahmen erst noch zu veranlassen.
- 89
- III. Aus den vorstehenden Gründen (dazu B II 4) bleibt auch der Hilfsantrag zu 3 der Klägerinnen ohne Erfolg. Über die Hilfsanträge zu 4 und 5 ist nicht zu entscheiden, weil keine Erledigung der Hauptsache eingetreten ist.
- 90
- IV. Ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV ist nicht veranlasst. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat die Voraussetzungen einer Inanspruchnahme des Vermittlers nach Maßgabe des Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG in einer Reihe von Entscheidungen näher bestimmt (vgl. zuletzt EuGH, GRUR 2014,468 - UPC Telekabel). Hierbei hat er ausgesprochen, dass die Modalitäten der von den Mitgliedstaaten nach Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG vorzusehenden Anordnungen, insbesondere deren Voraussetzungen und das einzuhaltende Verfahren, dem nationalen Recht zu entnehmen sind (EuGH, GRUR 2014, 468 Rn. 43 - UPC Telekabel). Im Streitfall stellen sich auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen keine Fragen, deren Klärung eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union erforderte.
- 91
- C. Nach den vorstehenden Ausführungen ist die Revision der Klägerinnen mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Büscher Schaffert Löffler
Schwonke Feddersen
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 31.08.2011 - 28 O 362/10 -
OLG Köln, Entscheidung vom 18.07.2014 - 6 U 192/11 -
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.
(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.
(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.
(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.
Die Verarbeitung personenbezogener Daten durch eine öffentliche Stelle ist zulässig, wenn sie zur Erfüllung der in der Zuständigkeit des Verantwortlichen liegenden Aufgabe oder in Ausübung öffentlicher Gewalt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde, erforderlich ist.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger macht einen Anspruch auf Unterlassung unwahrer Äußerungen geltend, die Teil eines Beitrags waren, der ab 12. Juni 2007 im Internet abrufbar war. Die Beklagte verlegt das Nachrichtenmagazin "Focus". Sie ist als Inhaber der Domain "focus.de" eingetragen, welche die Tomorrow Focus AG gepachtet hat. Deren Website mit dem Nachrichtendienst "Focus online" ist unter der Adresse http://www.focus.de erreichbar.
- 2
- Im Impressum dieser Internetseite heißt es: "FOCUS ONLINE ist ein Angebot der TOMORROW FOCUS AG, Geschäftsbereich Portal. Für die Seiten des FOCUS-Magazins (http://focus.de/magazin mit allen Unterseiten) ist Diensteanbieter jedoch die FOCUS Magazin Verlag GmbH". Artikel, die in dem genannten Magazin erscheinen, sind unter www.focus.de/magazin abrufbar.
- 3
- Der Artikel, der Gegenstand der Klage ist, wurde von einer Journalistin verfasst, die bei dem von der Beklagten verlegten Magazin tätig ist. Er stand jedoch nicht in dem Magazin und wurde nicht unter www.focus.de/magazin, sondern im Online-Nachrichtendienst der Tomorrow Focus AG veröffentlicht.
- 4
- Die Beklagte erlangte durch Abmahnschreiben des Klägers vom 24. und 27. August 2007 Kenntnis von dem Beitrag. Sie leitete die Schreiben an die Tomorrow Focus AG weiter. Diese löschte den Beitrag und gab eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, was die Beklagte verweigerte.
- 5
- Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat sie abgewiesen und die Revision zugelassen, mit der der Kläger weiterhin die Verurteilung der Beklagten erstrebt.
Entscheidungsgründe:
I.
- 6
- Nach Auffassung des Berufungsgerichts haftet die Beklagte weder als Täter noch als Störer für den Inhalt der Äußerungen. Eine Täterhaftung als Verbreiterin komme nicht in Betracht, weil die Beklagte den Beitrag nicht selbst ins Netz gestellt und von ihm keine Kenntnis gehabt habe. Sie müsse für die Verfasserin nicht einstehen, weil diese zwar bei ihr beschäftigt, aber in Bezug auf den Beitrag nur für die Tomorrow Focus AG tätig gewesen sei.
- 7
- Die Beklagte hafte auch nicht deshalb für den Inhalt aller Beiträge auf der Internetseite www.focus.de, weil sich auf der Titelseite des von ihr verlegten Nachrichtenmagazins ein Hinweis auf die Domain "focus.de" befinde. Dieser Hinweis erleichtere zwar dem Leser des Magazins das Auffinden der Website, mit ihm mache sich jedoch die Beklagte nicht deren Inhalt zu eigen, auch wenn die Beklagte und die Tomorrow Focus AG mit personellen Überschneidungen dem gleichen Konzern angehörten.
- 8
- Zwar erbringe die Beklagte mit der Überlassung der Domain einen wesentlichen Beitrag zur Nutzung der Internetseite und komme somit als Störerin in Betracht. Sie habe die Möglichkeit, sich vertraglich Einfluss auf den Inhalt der Internetseite vorzubehalten oder durch Aufgabe der Domain oder Dekonnektierung des Access-Providers den Internetauftritt von der Domain zu trennen. Ihre Haftung setze aber die zusätzliche Verletzung von Pflichten voraus. Sie müsse nach Hinweis die Unterbindung des Beitrags veranlassen und Vorsorge treffen, dass es zu keinen erneuten Eingriffen in Rechte des Klägers komme. Eine weitergehende Prüfungs- und Überwachungspflicht bestehe nur, wenn sie konkret mit solchen Eingriffen rechnen müsse. Das sei nicht der Fall gewesen. Da sie unverzüglich die Löschung des Beitrages bewirkt habe, hafte sie nicht.
II.
- 9
- Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision stand. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Unterlassung.
- 10
- Ein Unterlassungsanspruch ergibt sich unabhängig davon, ob die Beklagte Diensteanbieter gemäß § 2 Satz 1 Nr. 1 TMG ist, nicht aus den Vorschriften über die Verantwortlichkeit von Diensteanbietern im Telemediengesetz (TMG). Die §§ 7 bis 10 TMG weisen nämlich keinen haftungsbegründenden Charakter auf und enthalten keine Anspruchsgrundlagen, sondern setzen eine Verantwortlichkeit nach allgemeinen Vorschriften des Zivil- oder Strafrechts voraus (Senat, Urteil vom 27. März 2007 - VI ZR 101/06 - VersR 2007, 1004 sowie BGHZ 158, 236, 246 ff.; 172, 119, 126). Eine nach den allgemeinen Vorschriften mögliche Haftung entsprechend § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG hat das Berufungsgericht zu Recht verneint.
- 11
- 1. Das Berufungsgericht hat seiner Beurteilung zugrunde gelegt, dass die vom Kläger angegriffenen Äußerungen unwahr sind und in sein Allgemeines Persönlichkeitsrecht eingreifen. Das rügen die Parteien im Revisionsverfahren nicht.
- 12
- 2. Davon ausgehend kann eine Störereigenschaft der Beklagten hinsichtlich eines eventuellen Unterlassungsanspruchs wegen ihres Beitrags zur Verbreitung der beanstandeten Äußerung im Online-Nachrichtendienst der Tomorrow Focus AG nicht von vornherein verneint werden. Soweit die Revision meint, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts habe die Beklagte das Persönlichkeitsrecht des Klägers nicht nur als Störerin sondern als Täterin verletzt , kommt es auf eine solche Unterscheidung bei dem geltend gemachten Unterlassungsanspruch nicht an.
- 13
- a) Als Störer im Sinne von § 1004 BGB ist - ohne Rücksicht darauf, ob ihn ein Verschulden trifft - jeder anzusehen, der die Störung herbeigeführt hat oder dessen Verhalten eine Beeinträchtigung befürchten lässt. Sind bei einer Beeinträchtigung mehrere Personen beteiligt, so kommt es für die Frage, ob ein Unterlassungsanspruch gegeben ist, grundsätzlich nicht auf Art und Umfang des Tatbeitrags oder auf das Interesse des einzelnen Beteiligten an der Verwirklichung der Störung an. Im Allgemeinen ist ohne Belang, ob er sonst nach der Art seines Tatbeitrags als Täter oder Gehilfe anzusehen wäre (vgl. Senat, Urteile vom 3. Februar 1976 - VI ZR 23/72 - GRUR 1977, 114, 115; vom 27. Mai 1986 - VI ZR 169/85 - VersR 1986, 1075, 1076; vom 9. Dezember 2003 - VI ZR 373/02 - VersR 2004, 522, 524). Als (Mit-)Störer kann auch jeder haften , der in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat, wobei als Mitwirkung auch die Unterstützung oder die Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügt, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte. Dem negatorischen Unterlassungsbegehren steht nicht entgegen, dass dem in Anspruch Genommenen die Kenntnis der die Tatbestandsmäßigkeit und die Rechtswidrigkeit begründenden Umstände fehlt. Ebenso ist Verschulden nicht erforderlich (vgl. Senat, Urteil vom 9. Dezember 2003 - VI ZR 373/02 - aaO m.w.N.). Deshalb kann etwa im Presserecht der Unterlassungsanspruch nicht nur gegen Autor und Verleger gerichtet werden (vgl. BGHZ 3, 270, 275 f.; 14, 163, 173 ff.), sondern auch gegen so genannte technische Verbreiter, wie Grossisten, Inhaber von Vertriebsstellen oder Buchhandlungen (vgl. Senat, Urteil vom 3. Februar 1976 - VI ZR 23/72 - aaO, S. 116; Beater, Medienrecht [2007], Rn. 1927 ff.).
- 14
- Soweit in der neueren Rechtsprechung eine gewisse Zurückhaltung gegenüber dem Institut der Störerhaftung zum Ausdruck kommt und erwogen wird, die Passivlegitimation für den Unterlassungsanspruch allein nach deliktsrechtlichen Kategorien der Täterschaft und Teilnahme zu begründen (vgl. BGHZ 155, 189, 194 f.; 173, 188, 194 ff.; BGH, Urteil vom 15. Mai 2003 - I ZR 292/00 - GRUR 2003, 969, 970), betrifft dies Fälle, in denen anders als beim Allgemeinen Persönlichkeitsrecht keine Verletzung eines absoluten Rechts in Rede steht (BGHZ 158, 236, 251; 172, 119, 132; BGH, Urteil vom 30. April 2008 - I ZR 73/05 - GRUR 2008, 702, 706; KG, MMR 2006, 393, 394; Spind- ler/Weber in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien [2008], § 1004 BGB Rn. 10).
- 15
- b) Die Beklagte hat dadurch zur Verbreitung der Äußerungen beigetragen , dass sie die Nutzung ihrer Domain "focus.de" vertraglich der Tomorrow Focus AG überlassen hat (Domainpacht, vgl. Kilian/Heussen-Koch, Computerrechtshandbuch , Stand: 26. Lfg. 2008, Kap. 24 Rn. 276 ff.; Förster in Schwarz/Peschel-Mehner, Recht im Internet, Stand: 22. Lfg. 2009, Kap. 7-A, Teil 3.1 Rn. 1 ff.; Seifert, Das Recht der Domainnamen [2003], Kap. 10 Rn. 14 ff.). Deren Website mit dem Nachrichtendienst "Focus online" konnte dadurch unter der den Domainnamen enthaltenden Adresse http://www.focus.de aufgerufen werden, was die praktische Nutzung erleichtert (zur Abgrenzung von Domain und Website vgl. OGH, MMR 2006, 669, 670).
- 16
- Ebenso wie der Vermieter neben dem Mieter kann auch der Verpächter neben dem Pächter grundsätzlich als Störer in Anspruch genommen werden (vgl. BGHZ 95, 307, 308; 129, 329, 335; BGH, Urteil vom 11. November 1966 - V ZR 191/63 - NJW 1967, 246; Jauernig, BGB, 12. Aufl., § 1004 Rn. 18). Das Berufungsgericht hat zu Recht ausgeführt, dass die Beklagte als Domaininhaberin mit dem Betreiber der mit der verpachteten Domain verknüpften Website vertraglich verbunden ist und die Möglichkeit hat, sich durch entsprechende Vertragsgestaltung den Einfluss auf die Internetseite vorzubehalten und diesen Einfluss im Falle der Verletzung der Rechte Dritter auszuüben, wie im Streitfall geschehen. Außerdem hat es darauf verwiesen, dass im äußersten Fall die Möglichkeit der Trennung von Domain und Website bestehe (vgl. Kilian /Heussen-Koch, aaO, Kap. 24 Rn. 317, 334).
- 17
- c) Der weite Kreis der als Verbreiter möglicherweise auf Unterlassung Haftenden erfährt durch das TMG keine Begrenzung. Haftungsbeschränkungen wie § 10 TMG, die eine Art "Filterfunktion" haben (vgl. BT-Drs. 14/6098, S. 23), gelten nicht für Unterlassungsansprüche (Senat, Urteile vom 27. März 2007 - VI ZR 101/06 - aaO, 1004 f. sowie BGHZ 172, 119, 126; so schon zum TDG BGHZ 158, 236, 246 ff.).
- 18
- 3. a) Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, dass sich die Frage nach der Zumutbarkeit der begehrten Unterlassung stellt (vgl. Senat, BGHZ 106, 229, 235; Urteil vom 3. Februar 1976 - VI ZR 23/72 - aaO, 116). Die Störerhaftung darf nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden, die nicht selbst den Eingriff vorgenommen haben. Die Haftung des Störers setzt deshalb das Bestehen so genannter Prüfungspflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (vgl. BGH, BGHZ 158, 236, 251; 158, 343, 350; 172, 119, 131 f.; BGH, Urteil vom 30. April 2008 - I ZR 73/05 - GRUR 2008, 702, 706; Wegner in Götting/Schertz/Seitz, Handbuch des Persönlichkeitsrechts [2008], § 32 Rn. 26 ff.; v. Hutten in Götting/Schertz/Seitz, aaO, § 47 Rn. 62). Dabei können Funktion und Aufgabenstellung des als Störer in Anspruch genommenen Dritten und die Eigenverantwortung des unmittelbar Handelnden eine Rolle spielen (BGHZ 148, 13, 18 f.; 158, 343, 350; vgl. auch Spindler/Volkmann, WRP 2003, 1, 8 ff.).
- 19
- b) Die Revision meint zu Unrecht, diese Grundsätze fänden keine Anwendung , weil die Beklagte sich die angegriffenen Äußerungen zu Eigen gemacht habe. Sie sei deshalb kein mittelbarer, sondern unmittelbarer Störer (vgl. Spindler/Volkmann, WRP 2008, 1) und Diensteanbieter eigener Informationen gemäß § 7 Abs. 1 TMG (vgl. BT-Drs. 14/6098, S. 23; Heckmann in juris PKInternetrecht , Kap. 1.7 Rn. 11 ff.; Schneider, Handbuch des EDV-Rechts, 4. Aufl., B Rn. 1141 ff. und 1282; Roggenkamp, jurisPR-ITR 10/2008 Anm. 4). Der Verbreiter macht sich eine fremde Äußerung aber nur zu Eigen, wenn er sich mit ihr identifiziert, so dass sie als seine eigene erscheint. Bei der Bejahung einer solchen Identifikation mit der Äußerung eines Anderen ist grundsätzlich Zurückhaltung geboten (vgl. Senat, BGHZ 66, 182, 189 f.). Die Beklagte macht sich Äußerungen, die unter http://www.focus.de abrufbar sind, nicht schon durch Verpachtung der Domain oder alleine dadurch zu Eigen, dass auf dem Titelblatt des von ihr verlegten Nachrichtenmagazins "Focus" die Domain wiedergegeben wird (anders OLG Hamburg, GRUR-RR 2004, 82, 84). Dieser Hinweis soll vielmehr dem Leser des Nachrichtenmagazins aufzeigen, unter welcher Domain er im Magazin erschienene Artikel im Internet aufrufen kann, nämlich unter www.focus.de/magazin, worauf im Impressum der Internetseite hingewiesen wird.
- 20
- 4. Die entscheidungserhebliche Frage nach der Zumutbarkeit von Prüfungspflichten hat das Berufungsgericht zutreffend beantwortet.
- 21
- a) Der Beklagten ist als Domainverpächterin nicht zuzumuten, die Website ihres Pächters allgemein dahingehend zu prüfen, ob sie Äußerungen enthält, die das Persönlichkeitsrecht anderer verletzen. Demgemäß trifft den (bloßen) Inhaber der Domain grundsätzlich keine Haftung für Rechtsverletzungen, die durch den Inhalt der Website begangen werden (ebenso OGH, MMR 2006, 669 f.).
- 22
- aa) Allgemeine Prüfungspflichten hat der Bundesgerichtshof für den Alleinimporteur einer ausländischen Zeitschrift in Bezug auf dort abgedruckte, das Persönlichkeitsrecht Dritter verletzende Beiträge verneint (Senat, Urteil vom 3. Februar 1976 - VI ZR 23/72 - aaO, 116), ebenso für den Spediteur in Bezug auf verletzende Kennzeichnungen der von ihm verbreiteten Waren (BGH, Urteil vom 15. Januar 1957 - I ZR 56/55 - GRUR 1957, 352, 354) oder für den Betreiber eines Internetauktionshauses in Bezug auf Angebote von Nutzern, die Mar- kenrechte verletzen (vgl. BGHZ 158, 236, 251 f.; 172, 119, 133 f.; BGH, Urteil vom 30. April 2008 - I ZR 73/05 - aaO).
- 23
- Entsprechendes gilt für die Beklagte als Domainverpächterin, jedenfalls dann, wenn sie keine konkreten Anhaltspunkte für (drohende) Rechtsverletzungen hat. Letzteres bejaht die Revision zwar mit der Erwägung, der Nachrichtendienst "Focus Online" stelle eine "Gefahrenquelle" dar, weil es durch die Medien immer wieder zu Verletzungen des Persönlichkeitsrechts komme. Diese allgemeine Erwägung begründet aber keine konkreten Anhaltspunkte, die geeignet wären, die Zumutbarkeit von Prüfungspflichten zu bejahen. Nicht zu überzeugen vermag der Einwand, es gehe nicht um die vom Bundesgerichtshof als unzumutbar abgelehnte Prüfung von Angeboten, die eine Vielzahl von Nutzern eines Internetauktionsdienstes auf dessen Website einstellen (vgl. BGHZ 158, 236, 251 f.), sondern nur um die Prüfung von Beiträgen des Pächters der Domain. Für die Unzumutbarkeit spricht hier die Anzahl der zu überprüfenden Beiträge, die bei einem umfangreichen Nachrichtendienst wie "Focus Online" beträchtlich ist. Zudem werden die Beiträge im Gegensatz zu Printpublikationen ständig ("in Echtzeit") aktualisiert, so dass schon deswegen keine gleich wirksamen Überprüfungen erfolgen können (vgl. Spindler/Weber, aaO, § 1004 BGB Rn. 9).
- 24
- bb) Zwar können, worauf die Revision abstellt, einen Verleger als "Herr der Zeitung" (Senat, BGHZ 39, 124, 129; Urteile vom 4. Juni 1974 - VI ZR 68/73 - VersR 1974, 1080; vom 27. Mai 1986 - VI ZR 169/85 - aaO, 1076) oder einen Rundfunkveranstalter als "Herr der Sendung" (Senat, BGHZ 66, 182, 187) allgemeine Prüfungspflichten treffen (vgl. Senat, Urteile vom 19. März 1957 - VI ZR 263/55 - NJW 1957, 1149, 1150; vom 8. Juli 1980 - VI ZR 158/78 - GRUR 1980, 1099, 1104). Da er die Herstellung und Verbreitung redaktioneller Beiträge mit sachlichen und persönlichen Mitteln ermöglicht, soll er als wirt- schaftlicher Träger das Haftungsrisiko tragen (Soehring, Presserecht, 3. Aufl., Rn. 28.2; v. Hutten, aaO, § 47 Rn. 21). Deshalb bestehen für ihn auch Prüfungspflichten , allerdings in reduzierter Form, wenn es um "fremde" Inhalte geht (vgl. Senat, BGHZ 59, 76, 80; Urteil vom 27. Mai 1986 - VI ZR 169/85 - aaO, 1077).
- 25
- Die Beklagte hatte aber allein durch die Verpachtung der Domain nicht die Stellung eines Verlegers inne. Es ist nicht ersichtlich, dass sie auch "Herr des Angebots" von "Focus online" war, und die vom Berufungsgericht festgestellte "gemeinsame Konzernstruktur" - die Beklagte und die Tomorrow Focus AG gehören jeweils der Hubert Burda Media Holding GmbH & Co KG an - der Verschiebung oder Verschleierung von Verantwortlichkeiten diente.
- 26
- Entgegen der Auffassung der Revision entstand auch nicht der Anschein, die Beklagte sei "Herr des Angebots". Dagegen spricht das Impressum des elektronischen Informationsdienstes (vgl. § 5 TMG), in dem es im August 2007 hieß: "Focus online ist ein Angebot der Tomorrow Focus AG, Geschäftsbereich Portal. Für die Seiten des Focus-Magazins (http://focus.de/magazin mit allen Unterseiten) ist Diensteanbieter jedoch [die Beklagte]". Dies gilt umso mehr, weil anschließend die Tomorrow Focus AG nochmals als "Anbieter des Gesamtangebots außer http://focus.de/magazin mit Unterseiten" und die Beklagte als "Anbieter für die Seiten unter http://focus.de/magazin" bezeichnet wurde. Dadurch entsteht bei Beiträgen, die wie hier nicht unter http://focus.de/magazin abrufbar waren, nicht der Anschein, die Beklagte sei "Herr des Angebots". Dies gilt auch, soweit die Revision darauf verweist, dass der Name des von der Beklagten verlegten Nachrichtenmagazins ("Focus") teilweise mit dem des über die URL www.focus.de erreichbaren Online-Nachrichtendienstes ("Focus online" ) übereinstimmt und die URL auf dem Titelblatt des Nachrichtenmagazins genannt wird. Daran ändert nichts, dass im Impressum des Jahres 2006 als Diensteanbieter allein die Tomorrow Focus AG und im Impressum des Jahres 2007 mit dem Zusatz "Copyright © 2007 by Focus Online GmbH" noch eine dritte juristische Person genannt wurde. Schließlich führt auch der Umstand nicht zu einer Haftung, dass der Beitrag von einer bei der Beklagten angestellten Autorin stammte, die im Beitrag als "Focus-Redakteurin" bezeichnet und im Impressum des Nachrichtenmagazins, nicht aber im "Impressum Focus online" aufgeführt war. Die Beklagte haftet grundsätzlich nicht für Beiträge, die ihre Autoren außerhalb des von ihr verlegten Nachrichtenmagazins veröffentlichen.
- 27
- b) Der Beklagten war allerdings zuzumuten, die Website ihres Pächters zu prüfen, als sie von den konkreten Äußerungen, die das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers beeinträchtigten, Kenntnis erlangte. Insoweit sind - jedenfalls wenn wie hier die Äußerungen unstreitig unwahr waren - keine aufwändigen Nachforschungen erforderlich (vgl. Senat, Urteil vom 3. Februar 1976 - VI ZR 23/72 - aaO, S. 116; BGH, BGHZ 148, 13, 20; 158, 236, 252; 158, 343, 353; Spindler/Weber, aaO, § 1004 BGB Rn. 9). Das Bestehen einer solchen Prüfungspflicht führt aber nur dann zu einem Unterlassungsanspruch, wenn der Störer nach Kenntniserlangung und Prüfung die Störung nicht unverzüglich beseitigt (vgl. OLG Karlsruhe, WRP 2004, 507, 508; LG Berlin, CR 2007, 742, 743). Das ist hier durch die Löschung des Beitrages geschehen (anders im dem Senatsurteil vom 27. März 2007 - VI ZR 101/06 - aaO zugrunde liegenden Fall).
- 28
- c) Jedenfalls scheitert ein Unterlassungsanspruch am Fehlen einer Wiederholungs - oder Erstbegehungsgefahr, die eine - ebenfalls vom Kläger darzulegende - materielle Anspruchsvoraussetzung ist (Senat, Urteil vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03 - VersR 2005, 84, 85).
- 29
- Zwar wird die Wiederholungsgefahr bei bereits geschehener Rechtsverletzung grundsätzlich vermutet (BVerfG, NJW-RR 2000, 1209, 1211; Senat, Urteil vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03 - aaO, S. 85). Dafür wäre aber eine vollendete Rechtsverletzung nach Begründung einer Prüfungspflicht erforderlich. Eine solche Verletzung kann vorliegen, wenn es nach Kenntniserlangung zu mindestens einem weiteren Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers kommt (vgl. BGHZ 173, 188, 207). Das ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass auch die Unterlassungsverpflichtungserklärung der Tomorrow Focus AG einer Wiederholungsgefahr entgegenstehen könnte.
- 30
- Eine Erstbegehungsgefahr muss jeweils im Einzelfall konkret dargetan werden, weil sich in solchen Fällen keine Basis für eine tatsächliche Vermutung finden lässt (Senat, Urteil vom 27. Mai 1986 - VI ZR 169/85 - aaO, S. 1077). Der Kläger muss dartun, dass eine erste Verletzungshandlung ernsthaft und greifbar zu befürchten ist bzw. als unmittelbar bevorstehend droht. Die bloße Möglichkeit des Eingriffs reicht nicht aus. Die drohende Verletzungshandlung muss sich in tatsächlicher Hinsicht so konkret abzeichnen, dass eine zuverlässige Beurteilung unter rechtlichen Gesichtspunkten möglich ist (Fritzsche in BeckOK BGB, § 1004 Rn. 88 m.w.N.). Auch einen solchen Vortrag des Klägers hat die Revision nicht aufgezeigt.
- 31
- 5. Nach allem hat das Rechtsmittel keinen Erfolg und ist mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Müller Zoll Wellner Diederichsen Stöhr
LG Hamburg, Entscheidung vom 08.02.2008 - 324 O 862/07 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 05.08.2008 - 7 U 29/08 -
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.
(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.
(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.
(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.
(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.
(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.
(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger nimmt die Beklagten auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens wegen ihn betreffender Äußerungen in einem Beitrag in Anspruch, der von dem Beklagten zu 1 verfasst wurde, sich maßgeblich auf die Aussagen der Beklagten zu 3 stützt und in der Zeit vom 22. Juni 2007 bis jedenfalls 5. Juli 2007 auf dem von der Beklagten zu 2 betriebenen Internetportal www.stern.de abrufbar war.
- 2
- Der Kläger war in der Zeit von Juni 1994 bis 31. Oktober 2009 Leiter der Rechtsabteilung der L. W. Am 17. Oktober 1994 wurde auf ihn ein Attentat verübt , wodurch er lebensgefährlich verletzt wurde. Die Attentäter hatten im Auftrag von Hintermännern gehandelt, die mit Immobiliengeschäften im Zusammenhang standen. Das Attentat und seine Hintergründe waren in den neunziger Jahren Gegenstand umfangreicher Berichterstattungen in der Presse. Ab Mai 2007 wurde aufgrund öffentlich gewordener Beobachtungen des Sächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz unter dem Titel "Sächsische Korruptionsaffäre" deutschlandweit über den Verdacht berichtet, dass namhafte Personen aus Sachsen mit dem Rotlichtmilieu verquickt seien, ein Kinderbordell besucht und auf Immobilientransaktionen, Justiz und Verwaltung unzulässig Einfluss genommen hätten. Am 11. Juni 2007 strahlte der Mitteldeutsche Rundfunk die Sendung "FAKT" aus, in der sich die Beklagte zu 3, die ehemalige Sekretärin des Klägers zu diesem wie folgt äußerte: "Im Dezember des Jahres 2004 kam ein ca. 14-jähriges Mädchen in mein Büro und wollte Herrn X (Anmerkung des Senats: Kläger) sprechen. Sie nannte ihn dann sofort beim Vornamen und vermittelte mir, sie sei sehr verliebt. Er sei ihr Freund und sie hätte ihn über eine Woche nicht erreicht und mache sich Sorgen, weil er ihr sagte, er würde gern mit ihr auswandern. Meine Gedanken waren sofort: Und das mit einem 14jährigen Mädchen". Weiter heißt es in diesem Fernsehbericht: "Y (Anmerkung des Senats: Beklagte zu 3) wurde aus dem Unternehmen herausgemobbt und danach noch verschiedentlich per Telefon und SMS terrorisiert und wollte sich gegenüber der Polizei offenbaren. O-Ton Y: "Ich bin Anfang diesen Jahres zur Polizei zur Zeugenvernehmung in Sachen X geladen worden, habe aber in der Nacht vor der Zeugenvernehmung meine Katze auf dem Grundstück misshandelt vorgefunden, indem sie gefesselt worden ist, und war über diese Tatsache dermaßen erschüttert und ängstlich, so dass ich die Aussage bei der Polizei nicht gemacht habe.""Am 13. Juni 2007 erschienen sowohl in der Lokalausgabe der Bildzeitung unter der Überschrift "Wie halten Sie das aus Herr X? Kindersexvorwurf gegen L. W. Manager" als auch in der Leipziger Volkszeitung unter der Überschrift "Ehemalige Sekretärin erhebt schwere Vorwürfe gegen L. W. - Abteilungsleiter, der weist alle Anschuldigungen zurück" Artikel, die sich u.a. mit den von der Beklagten zu 3 gegen den Kläger erhobenen Vorwürfen befassten. In einem Beitrag der Tagesschau vom 15. Juni 2007 wurde berichtet, dass die Beklagte zu 3 den Kläger öffentlich der Pädophilie verdächtige.
- 3
- Mit E-Mail vom 3. Juni 2007 an den Pressesprecher der L. W. und vom 10. Juni 2007 an den Kläger persönlich bat der Beklagte zu 1 um ein Interview mit dem Kläger, um ihm die Gelegenheit zu geben, "sich zu alten und neuen Vorwürfen im Zusammenhang mit dem sog. "Sächsischen und Leipziger Sumpf" zu äußern", die laut Veröffentlichungen in der Presse ihn beträfen. Mit E-Mail vom 11. Juni 2007 teilte der Kläger dem Beklagten zu 1 mit, kein Gespräch mit ihm führen zu wollen. Die Tatsache, dass er Opfer eines Überfalls gewesen sei, befähige ihn nicht, sich qualifiziert zu einer angeblichen Affärein Justiz- oder Politikerkreisen zu äußern. In der Presse hätten so gut wie keine Tatsachen benannt werden können, die strafbar seien. Er kenne keine Tatsachen , die den Beklagten zu 1 bei seinen Recherchen weiterbringen könnten und er wolle sich auch nicht an dem Verbreiten von Gerüchten beteiligen. Der Beklagte zu 1 teilte daraufhin mit, dass er seine Aufgabe nicht in erster Linie darin sehe, strafbare Tatsachen zu benennen. Die Rolle des Klägers habe aber immer wieder Anlass zu Spekulationen und Beschuldigungen gegeben, weshalb er gern in einem persönlichen Gespräch noch einige Punkte klären wolle. Er wolle dem Kläger außerdem Gelegenheit geben, sich zu Vorwürfen seiner ehemaligen Sekretärin zu äußern, die nicht nur arbeitsrechtlicher Natur seien.
- 4
- Am 22. Juni 2007 veröffentlichte die Beklagte zu 2 in ihrem Internetportal einen vom Beklagten zu 1 verfassten und sich maßgeblich auf die Angaben der Beklagten zu 3 stützenden Beitrag mit dem Titel "Sächsische Korruptionsaffäre Ein Krimi aus dem Leipziger Sumpf". Darin heißt es unter voller Namensnennung der Betroffenen u.a.: "Y (Anmerkung des Senats: Beklagte zu 3) ahnte lange nicht, warum sie 2005 aus ihrem Job gemobbt und bedroht wurde. Erst als Einzelheiten der Sächsischen Korruptionsaffäre ans Licht kamen, wurde der Sekretärin klar: Sie wusste zu viel - ohne es zu wissen. ... Y wollte nie Kronzeugin sein, Interviews geben oder den Dreck zurückwerfen, mit dem man sie selbst beinahe zur Verzweiflung trieb. Aus lauter Loyalität hat sie sich nicht einmal vor Gericht gegen ihre abgekartete Kündigung gewehrt. ... Y hielt die Rechtsabteilung zusammen. Ihr Chef konnte all die Jahre gar nicht oft genug sagen, was er ohne sie machen sollte; sie war engste Vertraute, Ratgeberin in allen Lebenslagen und verteidigte ihn "wie eine Löwenmutter" gegen alle Anfeindungen aus dem Unternehmen. "Egal was die Kollegen hinter seinem Rücken sagten, ob sie X (Anmerkung des Senats: Kläger) als Faulpelz verleumdeten oder als einen, der sowieso die Hand aufhält" - sie hat ihm immer alles gesteckt , auch als ihn seine eigenen Juristenkollegen "als pädophilen Arsch" bezeichnen. Damals fand sie das unglaublich. ... Es ist ihr unangenehm, als er sie bittet, kindische Vergleichslisten zwischen seiner Ehefrau und einer Geliebten zu beurteilen,… Und als sei dies selbstverständlich, bewahrt sie sogar Diskreti- on, als einmal ein Mädchen, "vielleicht 14 Jahre alt", im Büro auftaucht und "nach X" fragt, der ihr angeblich versprochen hätte, mit ihr nach Sardinien abzuhauen. "Das Mädchen nannte sich Lissy, hat geweint und gebettelt, ich möge X nichts von dem Besuch sagen, denn das hätte er ihr verboten." Und tatsächlich sagt Y ihrem Chef diesmal nichts. Ein paar Wochen später schlägt die Stimmung plötzlich um. "Er redete kein Wort mehr mit mir, ließ meine Urlaubsscheine verschwinden, und an einem Tag im März bekam ich auf einmal zwei völlig konstruierte Abmahnungen". ... Nach der Kündigung zum 30.9.2005 geht sie zu Hause durch die Hölle: "Ich konnte mir einfach keinen Reim darauf machen und zermarterte mir mein Hirn, was ich falsch gemacht habe." … Wie zum Hohn treffen regelmäßig schmähende SMS bei ihr ein. "Bin ich froh, dass ich Sie los bin." Sie weiß nicht, warum das jetzt auch noch sein muss, hebt alles auf, frisst es in sich hinein, bis sie plötzlich von drei Motorradfahrern im Straßenverkehr brutal abgedrängt wird. Sie erinnert sich zwar, dass X mal von solchen Spielchen mit Motorradkumpels geschwärmt hat, ihre Anzeige aber stellt sie gegen Unbekannt. … Bei Weihnachtseinkäufen im Dezember trifft sie zufäl- lig Lissy wieder. Das Mädchen teilte freudig mit, es sei alles wieder gut: Sie hätte X den Bürobesuch gebeichtet, er sei nicht weiter sauer gewesen. Plötzlich wird Y alles klar - das war es also: "Weil ich ihm nichts davon erzählt hatte", schließt sie, "muss er angenommen haben, ich würde ihn hintergehen und wusste womöglich noch mehr". ... Vier Monate später kommt die Korruptionsaffäre ins Rollen. In geheimen Akten des Verfassungsschutzes füllt der Name ihres Chefs mehrere Seiten: Als Opfer eines Anschlages, dessen wahre Hintergründe offenbar nie richtig aufgeklärt werden sollten; als Verdächtiger im Zusammenhang mit Kinderprostitution; als eine zentrale Figur im Leipziger Sumpf. Erst jetzt fügen sich für Y immer mehr Puzzleteile zusammen. Das Mädchen, die Andeutungen der Kollegen, "seine Empörung im Büro, nachdem ihm sein Schwager angeblich mit einer Anzeige droht, weil X dessen Tochter im Urlaub zu nahe gekommen sei." Y überwindet ihre Scham, auch diese Dinge zu benennen und geht an die Öffentlichkeit. Ihre Anwälte haben ihr das auch als Schutz empfohlen. Niemand weiß besser als sie, wozu die Leipziger Immobilienmafia fähig ist. ... "Alles, was seine Neigungen betrifft, ist mir dagegen erst im Nachhinein klar geworden". Das ist ihr wichtig: "Denn wer denkt denn an so was?!"
- 5
- Die Behauptung der Beklagten zu 3, ein 14-jähriges Mädchen namens "Lissy" habe nach dem Kläger im Büro gefragt und angegeben, mit diesem befreundet zu sein, führte zur Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen den Kläger wegen des Vorwurfs sexuellen Missbrauchs einer nicht bekannten weiblichen Jugendlichen. Die Staatsanwaltschaft Dresden stellte dieses Verfahren mit Verfügung vom 7. April 2008 gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein. Ein weiteres, im Zusammenhang mit der sog. "Sächsischen Korruptionsaffäre" gegen den Kläger geführtes Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Kindern wurde mit Verfügung vom 28. April 2008 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Der Kläger erwirkte gegen die Beklagten einstweilige Verfügungen des Landgerichts Hamburg vom 4. September 2007 und 1. August 2007, mit welchen den Beklagten die Verbreitung der im angegriffenen Beitrag mitgeteilten Äußerungen verboten wurde. Die Beklagten akzeptierten diese Unterlassungsverfügungen als endgültige Regelungen und verzichteten auf die Rechtsbehelfe der §§ 924, 926, 927 ZPO.
- 6
- Mit der Behauptung, durch die im angegriffenen Beitrag enthaltenen unwahren Tatsachenbehauptungen sei er sowohl sozial als auch wirtschaftlich vernichtet worden, begehrt der Kläger die Zahlung einer Geldentschädigung wegen schwerwiegender Persönlichkeitsrechtsverletzung sowie den Ersatz von Anwaltskosten. Darüber hinaus begehrt er die Feststellung der Ersatzverpflichtung der Beklagten in Bezug auf alle weiteren materiellen und immateriellen Schäden.
- 7
- Das Landgericht hat die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 25.000 € und die Beklagten zu 1 und 2 als Gesamtschuldner zur Zahlung einer weiteren Geldentschädigung in Höhe von 50.000 € verurteilt. Darüber hinaus hat es dem Feststellungsbegehren gegen die Beklagten zu 1 und 2 entsprochen. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Auf die Berufungen der Beklagten zu 1 und 2 hat das Oberlandesgericht die von ihnen zu zahlende Geldentschädigung auf insgesamt 50.000 € reduziert. Die weitergehenden Berufungen der Beklagten zu 1 und 2 hat das Oberlandesgericht ebenso wie die Berufung der Beklagten zu 3 und die auf Erhöhung der Geldentschädigung gerichtete Anschlussberufung des Klägers zurückgewiesen. Auf die Anschlussberufung des Klägers hat das Oberlandesgericht die Beklagte zu 3 verurteilt, den Kläger von einer Gebührenforderung der Rechtsanwälte H & M in Höhe von 1.195,95 € freizustellen. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger von den Beklagten zu 1 und 2 eine weitere Geldentschädigung in Höhe von 50.000 €. Die Beklagten verfolgen mit ihren Revisionen ihre Klageabweisungsanträge weiter. Mit der gegen die Beklagte zu 3 gerichteten Anschlussrevision begehrt der Kläger die Freistellung von der Gebührenforderung seiner Anwälte in Höhe von weiteren 3.712,90 €.
Entscheidungsgründe:
A.
- 8
- Das Berufungsgericht, dessen Urteil in juris veröffentlicht ist, hat ausgeführt , dass der Kläger von den Beklagten gemäß § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG die Zahlung einer Geldentschädigung verlangen könne. Die Beklagten hätten das Persönlichkeitsrecht des Klägers in schwerwiegender Weise dadurch verletzt, dass sie - teils offen, teils verdeckt - die Behauptungen aufgestellt hätten, der Kläger sei pädophil veranlagt, er habe ein sexuelles Verhältnis mit einem minderjährigen Mädchen namens Lissy gehabt, er sei korrupt, Teil eines kriminellen Leipziger Netzwerkes (sog. Sächsische Korruptionsaffäre), habe seine Dienstpflichten nicht erfüllt und die Beklagte zu 3 bedroht, in dem er ihr SMS geschrieben habe, ihre Katze habe strangulieren lassen und sie von drei ihm bekannten Motorradfahrern im Straßenverkehr habe abdrängen lassen. Die Wiedergabe von angeblichen Kollegenäußerungen, wonach der Kläger als "pädophiler Arsch" bezeichnet worden sei, lasse in Verbindung mit seiner Benennung als "Verdächtiger im Zusammenhang mit Kinderprostitution" und dem Bericht der Beklagten zu 3 über den Besuch des Mädchens Lissy für den verständigen Durchschnittsleser nur die Schlussfolgerung zu, der Kläger habe auch zu diesem eine pädophile Beziehung unterhalten. Diese unabweisliche Schlussfolgerung werde dem Leser insbesondere durch die Passage nahegelegt, in der es heißt: "Erst jetzt fügen sich für Y immer mehr Puzzleteile zusammen. Das Mädchen, die Andeutungen der Kollegen, "seine Empörung im Büro, nachdem ihm sein Schwager angeblich mit einer Anzeige droht, weil X dessen Tochter im Urlaub zu nahe gekommen sei.""Diese Schlussfolgerung werde durch die Aussage bestärkt: "Alles, was seine Neigungen betrifft, ist mir dagegen erst im Nachhinein klar geworden" …"Denn wer denkt denn an so was?!". Auch wenn der streitgegenständliche Beitrag überwiegend Bezug auf Äußerungen der Beklagten zu 3 nehme, hätten die Beklagten zu 1 und 2 sich diese Äußerungen zu Eigen gemacht. Durch deren nahtlose Einbindung in den Text, die nahezu bruchlose Verschmelzung von Interviewabschnitten mit Passagen in indirekter Rede, die hergestellte Verbindung zur sog. Sächsischen Korruptionsaffäre bereits im Einleitungstext sowie durch zustimmende und bewertende Kommentierungen bringe der Beklagte zu 1 deutlich zum Ausdruck, dass er die Auffassung der Beklagten zu 3 teile. Die Beklagten hätten nicht den Beweis erbracht, dass die erhobenen Vorwürfe wahr seien. Die Beklagten könnten sich auch nicht auf die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung stützen. Die übernommenen Behauptungen beschränkten sich an keiner Stelle auf die Äußerung eines bloßen Verdachts, sondern würden als unumstößliche Tatsachen dargestellt. In dem Beitrag würden auch keine den Kläger entlastenden Umstände wiedergegeben. Darüber hinaus fehle es an dem erforderlichen Mindestbestand an Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt der berichteten Informationen sprächen. Die Beklagten zu 1 und 2 hätten dem Kläger auch nicht in ausreichendem Maße Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die bloße Kontaktaufnahme per E-Mail ohne eine konkrete Darlegung des Gegenstandes, zu dem eine Stellungnahme erbeten werde, reiche hierfür nicht aus.
- 9
- Die durch die Berichterstattung hervorgerufene schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers könne auch nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden. Die vom Kläger gegen die Beklagten erwirkten Unterlassungsverfügungen bewirkten keinen anderweitigen Ausgleich der Rechtsverletzung. Denn gegenüber Veröffentlichungen im Internet sei die Gel- tendmachung eines Unterlassungsanspruchs im Ergebnis faktisch wirkungslos, weil die Primärmitteilung durch Dritte im Rahmen von Kopien, Blogs oder Verlinkungen weiter verbreitet werde. Der Kläger könne auch nicht auf die Geltendmachung eines Widerrufsanspruchs verwiesen werden, da ihn die Beweislast für die Unwahrheit der behaupteten Tatsachen treffe. Eine Gegendarstellung bewirke keine Genugtuung. Bei der Bemessung der Höhe des Geldentschädigungsanspruchs sei zu berücksichtigen, dass die verdeckte Behauptung, der Kläger habe eine sexuelle Beziehung zu einer Minderjährigen unterhalten und sei pädophil veranlagt, nicht allein in dem streitgegenständlichen Artikel enthalten, sondern bereits am 13. Juni 2007 in der Bildzeitung veröffentlicht worden sei. In gleicher Weise habe sich die Beklagte zu 3 zuvor im MDRMagazin FAKT am 11. Juni 2007 geäußert. Es könne nicht außer Betracht bleiben , dass eine Tatsache bereits einer größeren Öffentlichkeit bekannt sei und deren Sicht auf die betroffene Person schon wesentlich mitpräge. Auf der anderen Seite sei die erhebliche Rufschädigung zu berücksichtigen, die der Vorwurf der Pädophilie nach sich ziehe. Es sei auch davon auszugehen, dass die streitgegenständliche Berichterstattung zumindest mitursächlich für die durch Vorlage diverser Befundberichte belegte depressive Störung des Klägers sei. Sowohl der streitgegenständliche Beitrag als auch die parallel erfolgten Pädophilievorwürfe in anderen Medien seien für sich genommen geeignet, schwerwiegende psychische Folgeschäden, zumindest aber eine längerfristige depressive Verstimmung hervorzurufen. Es liege damit eine Doppelkausalität vor, die für eine Haftungsbegründung ausreiche. Der Entschädigungsanspruch sei auch nicht im Hinblick auf sämtliche, im Zeitraum ab Mai 2007 erschienenen Veröffentlichungen über den Kläger zu mindern. Denn nur die Beiträge im MDR-Magazin FAKT und in der Bildzeitung befassten sich mit der Behauptung, der Kläger unterhalte eine sexuelle Beziehung zu einer Minderjährigen. Es sei auch kein Grundsatz anzuerkennen, wonach die Geldentschädigung bei einer Internetveröffentli- chung stets höher anzusetzen sei als bei einer persönlichkeitsrechtsverletzenden Veröffentlichung in den Printmedien. Eine solche Betrachtung lasse außer Acht, dass die Verlinkung auf den angegriffenen Beitrag im Internet und die sonstige Weiterverbreitung in anderen Portalen nicht vom Willen des Verletzers abhängig sei und diesem nicht zugerechnet werden könne. Auch bei einer gedruckten Zeitung sei für die Höhe der Geldentschädigung nicht maßgeblich, ob die belastende Darstellung von anderen Zeitungen, etwa im Rahmen eines Pressespiegels, übernommen werde. Auf der anderen Seite sei die Geldentschädigung bei einer Persönlichkeitsrechtsverletzung durch eine Internetveröffentlichung auch nicht generell niedriger anzusetzen als bei einer solchen durch eine Printveröffentlichung. In Fällen, in denen der Schädiger - wie im Streitfall - die Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen als Mittel zur Reichweitensteigerung eingesetzt habe, sei die Erzielung von Gewinnen als Bemessungsfaktor in die Entscheidung über die Höhe der Geldentschädigung mit einzubeziehen. Nach einer Pressemitteilung der Beklagten zu 2 habe das von ihr betriebene Portal im August 2007 durchschnittlich 2,58 Millionen Nutzer gehabt, was in der Gesamtabwägung die Verurteilung der Beklagten zu 1 und 2 in Höhe von 50.000 € rechtfertige. Der gegen die Beklagten zu 1 und 2 gerichtete Feststellungsantrag sei zulässig und begründet. Die Beklagten zu 1 und 2 stellten ihre Schadensersatzpflicht in Abrede, die Höhe des Schadens stehe derzeit noch nicht fest und es drohe eine Verjährung des Anspruchs.
- 10
- Die Beklagte zu 3 sei zur Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 25.000 € verpflichtet. Sie müsse sich den streitgegenständlichen Beitrag als Informantin zurechnen lassen. Sie habe gewusst, welche Schlussfolgerungen der Beklagte zu 1 aus ihren Informationen ziehen würde. Ihre Behauptungen ließen im Gesamtzusammenhang die alleinige Schlussfolgerung zu, der Kläger sei pädophil und habe ein sexuelles Verhältnis mit einem minderjährigen Mädchen. Die Beklagte zu 3 habe die Wirkungen ihrer Behauptungen aus Rache gegenüber dem Kläger, dem sie den Verlust ihres Arbeitsplatzes zugeschrieben habe, in Kauf genommen.
- 11
- Die Anschlussberufung des Klägers sei unbegründet, soweit er die Verurteilung der Beklagten zu 1 und 2 zu einer höheren Geldentschädigung begehre. Er könne indes von der Beklagten zu 3 aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 186, 187 StGB die Freistellung von der Gebührenforderung seiner Anwälte in Höhe von 1.195,95 € verlangen, die durch seine Verteidigung in dem auf Initiative der Beklagten zu 3 eingeleiteten Ermittlungsverfahren entstanden sei.
B.
I. Revisionen der Beklagten zu 1 und 2- 12
- Diese Erwägungen des Berufungsgerichts halten den Angriffen der Revisionen der Beklagten zu 1 und 2 nicht in jeder Hinsicht stand.
- 13
- 1. Das Berufungsgericht hat allerdings zu Recht angenommen, dass dem Kläger dem Grunde nach ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 186 StGB gegen die Beklagten zu 1 und 2 zusteht.
- 14
- a) Die Revisionen wenden sich ohne Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die angegriffenen Äußerungen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzen.
- 15
- aa) Zutreffend und von der Revision nicht angegriffen hat das Berufungsgericht dem beanstandeten Beitrag die - teils offenen, teils verdeckten - Aussagen entnommen, der Kläger sei pädophil veranlagt, er habe ein sexuelles Verhältnis mit einem minderjährigen Mädchen namens Lissy gehabt, er sei kor- rupt, Teil eines kriminellen Leipziger Netzwerkes (sog. Sächsische Korruptionsaffäre ), habe seine Dienstpflichten nicht erfüllt und die Beklagte zu 3 bedroht, indem er ihr SMS geschrieben habe, ihre Katze habe strangulieren lassen und sie von drei ihm bekannten Motorradfahrern im Straßenverkehr habe abdrängen lassen (vgl. zur Ermittlung verdeckter Aussagen: Senatsurteil vom 25. November 2003 - VI ZR 226/02, AfP 2004, 56, 57 f.). Das Berufungsgericht hat die Äußerungen auch zu Recht als Tatsachenbehauptungen eingestuft. Gegen diese Würdigung wendet sich die Revision nicht.
- 16
- bb) Die vorbezeichneten Aussagen greifen in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers ein. Sie beeinträchtigen ihn in erheblichem Maße in seiner Ehre und sozialen Anerkennung. Die Äußerungen sind geeignet, sich abträglich auf sein Ansehen, insbesondere sein Bild in der Öffentlichkeit, auszuwirken. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, wird der Kläger in dem Beitrag als gewissen- und skrupelloser pädophiler Täter dargestellt, der weder vor der Zerstörung der beruflichen Existenz einer langjährigen loyalen Mitarbeiterin noch vor der Ankündigung von Straftaten zurückschreckt.
- 17
- Anders als das Berufungsgericht beiläufig meint, ist die absolut geschützte Intimsphäre des Klägers dagegen nicht betroffen (vgl. zur Intimsphäre: Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09, AfP 2012, 47 Rn. 11; BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 25 f.). Denn sexuelle Verhältnisse mit Kindern oder Jugendlichen sind in § 182 StGB unter Strafe gestellt. Die Begehung von Sexualstraftaten fällt aber nicht in den unantastbaren Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung. Mit ihnen geht ein Übergriff in die sexuelle Selbstbestimmung des Opfers einher, so dass ihre Begehung nicht als Ausdruck der von Art. 2 Abs. 1 GG geschützten freien Entfaltung der Persönlichkeit des Täters ange- sehen werden kann (vgl. Senatsurteil vom 19. März 2013 - VI ZR 93/12, AfP 2013, 250 Rn. 24; BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 26).
- 18
- cc) Die Beklagten zu 1 und 2 sind für die beanstandeten Aussagen uneingeschränkt verantwortlich. Entgegen der Auffassung der Revisionen haben die Beklagten zu 1 und 2 insoweit nicht lediglich fremde Äußerungen - solche der Beklagten zu 3 - verbreitet (vgl. zur Verbreiterhaftung: Senatsurteil vom 17. November 2009 - VI ZR 226/08, AfP 2010, 72 Rn. 13; BVerfG AfP 2009, 480 Rn. 69, jeweils mwN). Sie sind nicht als bloße Vermittler der Äußerungen der Beklagten zu 3 aufgetreten, sondern haben sich diese zu Eigen gemacht und damit eigene Behauptungen aufgestellt.
- 19
- (1) Der Verbreiter macht sich eine fremde Äußerung regelmäßig dann zu eigen, wenn er sich mit ihr identifiziert und sie so in den eigenen Gedankengang einfügt, dass sie als seine eigene erscheint. Ob dies der Fall ist, ist mit der im Interesse der Meinungsfreiheit und zum Schutz der Presse gebotenen Zurückhaltung zu prüfen (Senatsurteile vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, AfP 2009, 494 Rn. 19; vom 17. November 2009 - VI ZR 226/08, AfP 2010, 72 Rn. 11; vom 27. März 2012 - VI ZR 144/11, AfP 2012, 264 Rn. 11). So genügt es für die Annahme eines Zu-Eigen-Machens nicht, dass ein Presseorgan die ehrenrührige Äußerung eines Dritten in einem Interview verbreitet, ohne sich ausdrücklich von ihr zu distanzieren (Senatsurteil vom 17. November 2009 - VI ZR 226/08, AfP 2010, 72 Rn. 11 mwN; BVerfGK 10, 485, 492; BVerfG, AfP 2009, 480 Rn. 69; EGMR, Urteile vom 29. März 2001 - 38432/97 Rn. 64 - Thoma/Luxemburg; vom 30. März 2004 - 53984/00 Rn. 37 ff. - Radio France/Frankreich; vom 14. Dezember 2006 - 76918/01 Rn. 33 ff. - Verlagsgruppe News GmbH/Österreich). Auch kann sich schon aus der äußeren Form der Veröffentlichung ergeben, dass lediglich eine fremde Äußerung ohne eigene Wertung oder Stellungnahme mitgeteilt wird. Dies ist beispielsweise bei dem Abdruck einer Presseschau der Fall (vgl. BVerfG NJW 2004, 590, 591; AfP 2009, 480 Rn. 67; Senatsurteil vom 17. November 2009 - VI ZR 226/08, VersR 2010, 220 Rn. 11 mwN).
- 20
- (2) Nach diesen Grundsätzen haben sich die Beklagten zu 1 und 2 die Aussagen der Beklagten zu 3 zu Eigen gemacht. Zwar wird in dem angegriffenen Beitrag ausdrücklich Bezug auf Äußerungen der Beklagten zu 3 in einem zwischen ihr und dem Beklagten zu 1 geführten Gespräch genommen. Auch werden verschiedene ihrer Aussagen als wörtliche Zitate wiedergegeben und als solche kenntlich gemacht. Entgegen der Auffassung der Revisionen wird in dem Beitrag aber nicht lediglich ein Sachverhalt referiert, ohne dessen Richtigkeit zu unterstellen; es werden nicht nur die Äußerungen eines Dritten berichtet. Vielmehr nimmt der Beklagte zu 1 in dem Beitrag eine eigene Bewertung der Vorgänge vor und identifiziert sich mit der Darstellung der Beklagten zu 3. Er unterstreicht die von ihr erhobenen Vorwürfe, stellt sie als Opfer dar und ergreift zu ihren Gunsten Partei. Dies kommt beispielsweise durch die Bewertung des Verhaltens des Klägers als "Mobbing", der von ihm ausgehenden Anzüglichkeiten als "armselig" und der Kündigung der Beklagten zu 3 als "abgekartet" zum Ausdruck ebenso wie durch die wertende Zusammenfassung "Y wurde ihre eigene Diskretion zum Verhängnis" und die Aussage, sie "wollte nie … den Dreck zurückwerfen, mit dem man sie selbst beinahe zur Verzweiflung trieb".
- 21
- dd) Die Revisionen wenden sich auch ohne Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers sei rechtswidrig.
- 22
- (1) Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (Senatsurteile vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, AfP 2013, 50 Rn. 10; vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, AfP 2013, 57 Rn. 11, jeweils mwN).
- 23
- Im Streitfall sind das durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Interesse des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und seines guten Rufs mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK verankerten Recht der Beklagten zu 1 und 2 auf Meinungs- und Medienfreiheit abzuwägen. Bei Tatsachenbehauptungen wie im vorliegenden Fall hängt die Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen vom Wahrheitsgehalt ab. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht (vgl. Senatsurteil vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, AfP 2013, 57 Rn. 12; BVerfG, AfP 2009, 480 Rn. 62 mwN; NJW 2012, 1500 Rn. 39). Außerhalb des Schutzbereichs des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG liegen aber nur bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen und solche, deren Unwahrheit bereits im Zeitpunkt der Äußerung feststeht. Alle übrigen Tatsachenbehauptungen mit Meinungsbezug genießen den Grundrechtsschutz, auch wenn sie sich später als unwahr herausstellen (vgl. Senatsurteile vom 22. April 2008 - VI ZR 83/07, BGHZ 176, 175 Rn. 34; vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, AfP 2013, 57 Rn. 12; BVerfG, AfP 2009, 480 Rn. 62, jeweils mwN).
- 24
- (2) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind die angegriffenen Behauptungen nicht (erweislich) wahr. Gemäß der über § 823 Abs. 2 BGB in das Zivilrecht transformierten Beweisregel des § 186 StGB wäre es Sache der auf Zahlung einer Geldentschädigung in Anspruch genommenen Beklagten als Äußernden gewesen, die Wahrheit der Behauptung nachzuweisen (vgl. Senatsurteil vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 23; Katzenmeier in Baumgärtel/Laumen/Prütting, Handbuch der Beweislast, 3. Aufl., § 823 Abs. 2 Rn. 9 mwN). Diesen Beweis haben sie nicht geführt.
- 25
- (3) Entgegen der Auffassung der Revisionen sind die angegriffenen Äußerungen auch nicht nach den Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung zulässig.
- 26
- (a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats und des Bundesverfassungsgerichts darf eine Tatsachenbehauptung, deren Wahrheitsgehalt ungeklärt ist und die eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Angelegenheit betrifft, demjenigen, der sie aufstellt oder verbreitet, solange nicht untersagt werden, wie er sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für erforderlich halten darf (Art. 5 GG, § 193 StGB). Eine Berufung hierauf setzt voraus, dass der auf Unterlassung in Anspruch Genommene vor Aufstellung oder Verbreitung der Behauptung hinreichend sorgfältige Recherchen über den Wahrheitsgehalt angestellt hat. Die Pflichten zur sorgfältigen Recherche über den Wahrheitsgehalt richten sich dabei nach den Aufklärungsmöglichkeiten. Sie sind für die Medien grundsätzlich strenger als für Privatleute. An die Wahrheitspflicht dürfen im Interesse der Meinungsfreiheit keine Anforderungen gestellt werden, die die Bereitschaft zum Gebrauch des Grundrechts herabsetzen und so den freien Kommunikationsprozess einschnüren. Andererseits ist aber auch zu berücksichtigen , dass die Wahrheitspflicht Ausdruck der Schutzpflicht ist, die aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht folgt. Je schwerwiegender die Äußerung das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt, umso höhere Anforderungen sind deshalb an die Erfüllung der Sorgfaltspflichten zu stellen. Allerdings ist auch das Interesse der Öffentlichkeit an derartigen Äußerungen zu berücksichtigen (vgl.
- 27
- (b) Nach diesen Grundsätzen war die angegriffene Berichterstattung unzulässig. Die Beklagten zu 1 und 2 sind ihren publizistischen Sorgfaltspflichten nicht im gebotenen Umfang nachgekommen.
- 28
- (aa) Es fehlt bereits an dem erforderlichen Mindestbestand an Beweistatsachen. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, stellt es einen besonders schwerwiegenden Eingriff in die persönliche Ehre des Klägers dar, wenn er als gewissen- und skrupelloser pädophiler Täter dargestellt wird, der ein sexuelles Verhältnis mit einem "vielleicht 14 Jahre" alten Mädchen hatte und weder vor der Zerstörung der beruflichen Existenz einer langjährigen loyalen Mitarbeiterin noch vor der Ankündigung von Straftaten zurückschreckt. Dieser Vorwurf trifft den Kläger im Kern seiner Persönlichkeit. Angesichts der Schwere dieses Vorwurfs waren die Beklagten zu 1 und 2 in besonderem Maße zu sorgfältigem Vorgehen verpflichtet (vgl. Senatsurteile vom 15. Dezember 1987 - VI ZR 35/87, VersR 1988, 405; vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 24).
- 29
- Vor diesem Hintergrund hat das Berufungsgericht unter zutreffender Würdigung aller Indizien zu Recht angenommen, dass weder die Angaben der Beklagten zu 3 noch die den Beklagten zu 1 und 2 vorliegenden Unterlagen eine ausreichende Tatsachengrundlage für die Verbreitung der den Kläger schwer belastenden Vorwürfe abzugeben vermochten. Wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, gab es für die (verdeckte) Aussage, der Kläger habe ein sexuelles Verhältnis mit einem "vielleicht 14 Jahre" alten Mädchen namens "Lissy" gehabt, nur einen Anhaltspunkt, nämlich die Angaben der Beklagten zu 3. Diese verfügte insoweit aber weder über eigene Erkenntnisse noch über in tatsächlicher Hinsicht konkrete anderweitige Hinweise. Vielmehr konnte sie lediglich aus ihrer Sicht auffällige Begebenheiten schildern, aus denen sie auf entsprechende sexuelle Kontakte schloss. Eine derartige bloße Schlussfolgerung ohne hinreichende Tatsachengrundlage rechtfertigt es aber nicht, den Betroffenen mit einem derart schweren, ihn im Kern seiner Persönlichkeit treffenden Vorwurf zu überziehen. Unabhängig von der unzureichenden Tatsachengrundlage hätten sich die Beklagten zu 1 und 2 die Schlussfolgerungen der Beklagten zu 3 aber auch deshalb nicht ohne weiteres zu eigen machen dürfen, weil sich die Beklagte zu 3 ausweislich des von den Beklagten zu 1 und 2 vorgelegten Aktenvermerks der Polizeidirektion Leipzig vom 12. Dezember 2006 in psychologischer Behandlung befand, sich vom Kläger gemobbt fühlte und bei ihren Schilderungen "kein gutes Haar an diesem ließ". Bei dieser Sachlage hätten die Beklagten zu 1 und 2 in Rechnung stellen müssen, dass die Angaben der Beklagten zu 3 von einem übermäßigen Belastungseifer getragen sein könnten.
- 30
- Dem als "geheim" gekennzeichneten Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 14. Juli 2006 ist hinsichtlich eines Verhältnisses des Klägers zu einem "vielleicht 14 Jahre" alten Mädchen namens "Lissy" nichts zu entnehmen. Er beschränkt sich auch im Übrigen auf vage, nicht konkretisierte Mutmaßungen und beruht überwiegend auf anonymen Quellen. Entgegen der Auffassung der Revisionen stellt dieser Bericht auch keine privilegierte Quelle dar, auf deren Richtigkeit der Beklagte zu 1 hätte vertrauen dürfen. Zwar ist es in der Rechtsprechung und im Schrifttum anerkannt, dass den Verlautbarungen amtlicher Stellen ein gesteigertes Vertrauen entgegengebracht werden darf (vgl. Senatsurteil vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, AfP 2013, 57 Rn. 29 ff.; BVerfG, NJW-RR 2010, 1195 Rn. 35 jeweils mwN; Hoene in Soehring /Hoene, Presserrecht, 5. Aufl., § 2 Rn. 21c). Dies beruht auf der Erwägung, dass Behörden in ihrer Informationspolitik unmittelbar an die Grundrechte gebunden sind und Amtsträger, wenn sie vor der Frage stehen, ob die Presse über amtliche Vorgänge informiert werden soll, die erforderliche Abwägung zwischen dem Informationsrecht der Presse und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht vorzunehmen haben (vgl. Senatsurteil vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, AfP 2013, 57 Rn. 30; BGH, Urteil vom 17. März 1994 - III ZR 15/93, NJW 1994, 1950, 1951; BVerfG, NJW-RR 2010, 1195 Rn. 35; BeckOK GG/Huster/Rux, Art. 20 GG Rn. 169 ff. [Stand: 1. November 2013]). Verletzen sie ihre Amtspflichten, kann ein Schadensersatzanspruch des Betroffenen wegen einer Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts gegen die zuständige Gebietskörperschaft als Träger der Behörde gegeben sein (vgl. BGH, Urteile vom 17. März 1994 - III ZR 15/93, aaO S. 1951 f.; vom 23. Oktober 2003 - III ZR 9/03, NJW 2003, 3693, 3697; OLG Hamburg, Ufita 70 (1974), 305, 309 ff.; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 6 Rn. 136; Soehring in Soehring/Hoene, Presserecht, 5. Aufl., § 19 Rn. 38). Um eine derartige für die Öffentlichkeit bestimmte Verlautbarung han- delt es sich bei dem Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz aber gerade nicht. Er war ausdrücklich als "geheim" gekennzeichnet.
- 31
- Gleiches gilt für die Protokolle über die polizeiliche Vernehmung verschiedener Zeugen aus den Jahren 1999 und 2000. Auch sie sind in tatsächlicher Hinsicht unergiebig. Ausweislich des Protokolls über die Vernehmung der Zeugin I. vom 7. Juni 2000 hat diese eine nicht näher identifizierte Person auf einem ihr vorgelegten Lichtbild als Freier des Kinderbordells Jasmin erkannt. Die übrigen Protokolle enthalten bloße Gerüchte oder Vermutungen ohne belastbare tatsächliche Grundlage. Derartige Gerüchte können aber nicht die Basis für eine den Betroffenen im Kern seiner Persönlichkeit treffenden Berichterstattung in der Presse abgeben (vgl. Senatsurteil vom 15. Dezember 1987 - VI ZR 35/87, VersR 1988, 405). Abgesehen davon lagen die Zeugenaussagen im Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels bereits sechseinhalb Jahre zurück , ohne dass die Strafverfolgungsbehörden zu Lasten des Klägers hieraus Konsequenzen gezogen hatten.
- 32
- Auch das an die Geschäftsführung der L.W. gerichtete anonyme Schreiben des angeblichen L.W.-Kollegiums vom 14. Mai 2007 vermag die angegriffene Berichterstattung nicht zu rechtfertigen. Abgesehen davon, dass es allein als Beleg für die Behauptung dienen könnte, der Kläger sei korrupt, kommt ihm aufgrund seines vage gehaltenen Inhalts und seiner Diktion nur ein sehr geringer Beweiswert zu. Hinzu kommt, dass sich der Beklagte zu 1 ausweislich der tatbestandlichen Feststellungen des Landgerichts, auf die das Berufungsgericht Bezug genommen hat, vor der Veröffentlichung des Beitrags nicht in der erforderlichen Weise vergewissert hat, ob das Schreiben der Geschäftsführung überhaupt zugegangen ist.
- 33
- Beruht eine mit einer so erheblichen Ehrenkränkung verbundene Behauptung auf einer derart dürftigen Tatsachen- und Recherchegrundlage, wie dies vorliegend der Fall ist, gebietet eine an den verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern beider Seiten ausgerichtete Abwägung der Interessen, die betroffene Person, hier den Kläger, nicht unter voller Namensnennung "an den Pranger zu stellen".
- 34
- (bb) Das Berufungsgericht hat auch zu Recht angenommen, dass der angegriffene Beitrag unausgewogen und ihm nicht hinreichend zu entnehmen ist, dass lediglich über einen nicht bewiesenen Verdacht gegen den Kläger berichtet werden sollte. Wie bereits ausgeführt identifiziert sich der Beklagte zu 1 in dem Beitrag mit der Darstellung der Beklagten zu 3. Er unterstreicht die von ihr erhobenen Vorwürfe, stellt sie als Opfer dar und ergreift zu ihren Gunsten Partei. Die Berichterstattung ist nicht nur bewusst einseitig, sondern erweckt in unzulässiger Weise den Eindruck, die aufgestellten Behauptungen seien inhaltlich zutreffend und der Kläger sei der ihm vorgeworfenen Handlung bereits überführt.
- 35
- (cc) Die Revisionen wenden sich auch ohne Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Beklagte zu 1 habe dem Kläger vor der Veröffentlichung nicht in ausreichendem Maße Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Entgegen der Auffassung der Revisionen durfte sich der Beklagte zu 1 unter den Umständen des Streitfalles nicht darauf beschränken, den Kläger um ein Interview zu bitten und in den "zunächst nur einleitenden Bitten um ein Gespräch" lediglich den groben Kontext und die Zielrichtung seiner Recherchen zu bezeichnen. Angesichts der besonderen Tragweite, die die Verbreitung der angegriffenen Äußerungen für den Kläger erkennbar haben konnte, war der Beklagte zu 1 vielmehr gehalten, dem Kläger die Vorwürfe, die Gegenstand des Beitrags werden sollten, konkret zur Kenntnis zu bringen und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme auf ihm beliebige Weise zu geben, ohne ihn auf die Möglichkeit der Erörterung der Vorwürfe in einem persönlichen Gespräch zu beschränken (vgl. zur Anhörung des Betroffenen vor der Berichterstattung: Senatsurteile vom 25. Mai 1965 - VI ZR 19/64, VersR 1965, 879, 881; vom 15. Dezember 1987 - VI ZR 35/87, VersR 1988, 405; vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 25 f.). Das Interesse der Medien, den Betroffenen erstmals in einem Interview mit den konkreten Vorwürfen zu konfrontieren, um eine spontane Reaktion des Betroffenen zu erfahren, ist in diesem Zusammenhang nicht schutzwürdig. Es muss vielmehr grundsätzlich dem Betroffenen überlassen bleiben, wie er sich äußern will. Aus diesem Grund ist es auch unerheblich , dass der Kläger ein persönliches Gespräch mit dem Beklagten zu 1 abgelehnt hat. Hierin liegt insbesondere kein Verzicht auf die Möglichkeit der Stellungnahme. Wie das Berufungsgericht zu Recht ausgeführt hat, kommt die Annahme eines Verzichts nur dann in Betracht, wenn der Betroffene weiß, was ihm konkret vorgeworfen wird.
- 36
- Die Revisionen rügen in diesem Zusammenhang ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe übersehen, dass der E-Mail des Beklagten zu 1 vom 10. Juni 2007 ein Telefonat mit der Schwester des Klägers vorangegangen sei, das offensichtlich die streitgegenständlichen Äußerungen zum Gegenstand gehabt habe. Dies ergibt sich aus der E-Mail gerade nicht. Danach hat es der Beklagte zu 1 vielmehr abgelehnt, der Schwester des Klägers Fragen zukommen zu lassen , da sie "erklärtermaßen" nicht mandatierte Vertreterin des Klägers sei und er nicht wisse, ob sie tatsächlich seine Schwester sei.
- 37
- b) Das Berufungsgericht hat auch zu Recht angenommen, dass der Kläger wegen der Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch die beanstandete Berichterstattung von den Beklagten zu 1 und 2 die Zahlung einer Geldentschädigung verlangen kann.
- 38
- aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats begründet die schuldhafte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf eine Geldentschädigung, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Ob eine so schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, dass die Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich ist, kann nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Hierbei sind insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, also das Ausmaß der Verbreitung der Veröffentlichung, die Nachhaltigkeit und Fortdauer der Interessen- oder Rufschädigung des Verletzten, ferner Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines Verschuldens zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteile vom 9. Juli 1985 - VI ZR 214/83, BGHZ 95, 212 214 f.; vom 24. November 2009 - VI ZR 219/08, BGHZ 183, 227 Rn. 11; vom 20. März 2012 - VI ZR 123/11, AfP 2012, 260 Rn. 15, jeweils mwN; vgl. auch BVerfG NJW 2004, 591, 592). Die Zubilligung einer Geldentschädigung kommt auch in Betracht, wenn das Persönlichkeitsrecht, wie im Streitfall, durch eine nicht erweislich wahre rufschädigende Tatsachenbehauptung verletzt wird. In diesem Fall ist aber bei der Gewichtung der Schwere des Eingriffs die offen bleibende Möglichkeit mit zu berücksichtigen, dass die inkriminierte Behauptung wahr sein kann (vgl. Senatsurteile vom 9. Juli 1985 - VI ZR 214/83, BGHZ 95, 212, 215; vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 27). Außerdem ist der besonderen Funktion der Geldentschädigung bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen Rechnung zu tragen, die sowohl in einer Genugtuung des Verletzten für den erlittenen Eingriff besteht als auch ihre sachliche Berechtigung in dem Gedanken findet, dass das Persönlichkeitsrecht gegenüber erheblichen Beeinträchtigungen anderenfalls ohne ausreichenden Schutz bliebe (vgl. Senatsurteile vom 22. Januar 1985 - VI ZR 28/83, AfP 1985, 110, 113; vom 9. Juli 1985 - VI ZR 214/83, BGHZ 95, 212, 215). Zudem soll die Geldentschädigung der Prävention dienen (vgl. Senatsurteil vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 302 mwN). In jedem Fall ist zu berücksichtigen, dass die Geldentschädigung nicht eine Höhe erreichen darf, die die Pressefreiheit unverhältnismäßig einschränkt (vgl. Senatsurteile vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 16; vom 5. Dezember 1995 - VI ZR 332/94, AfP 1996, 137, 138; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 307; BVerfGE 34, 269, 285).
- 39
- bb) Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht einen hinreichend schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers zu Recht bejaht. Der angegriffene Beitrag, in dem der Kläger als gewissen- und skrupelloser pädophiler Täter dargestellt wird, der ein sexuelles Verhältnis mit einem "vielleicht 14 Jahre" alten Mädchen hatte und weder vor der Zerstörung der beruflichen Existenz einer langjährigen loyalen Mitarbeiterin noch vor der Ankündigung von Straftaten zurückschreckt, ist in einem außerordentlich erheblichen Maße herabsetzend und mindert das Ansehen des Klägers besonders nachhaltig. Die darin enthaltenen Vorwürfe treffen den Kläger in den Grundlagen seiner Persönlichkeit und sind geeignet, ihn gesellschaftlich zu vernichten. Die Beklagten zu 1 und 2 handelten auch in erheblichem Maße schuldhaft. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die Beklagten zu 1 und 2 ihre publizistischen Sorgfaltspflichten in hohem Maße verletzt haben. Wie unter Ziffer a) dd) (3) (b) ausgeführt, haben sie die den Kläger schwer belastenden Aussagen der Beklagten zu 3, die sich ausweislich des von den Beklagten vorgelegten Aktenvermerks der Polizeidirektion Leipzig vom 12. Dezember 2006 in psychologischer Behandlung befand und einen arbeitsrechtlichen Konflikt mit dem Kläger austrug, kritiklos übernommen und den Kläger in einem äußerst einseitigen und präjudizierenden Beitrag unter voller Namensnennung "an den Pranger" gestellt, ohne diesem zuvor in dem gebotenen Maß Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
- 40
- Die gegen diese Beurteilung vorgebrachten Einwendungen der Revisionen rechtfertigen keine andere Beurteilung. Die Zubilligung einer Geldentschädigung setzt insbesondere nicht voraus, dass der Kläger - wie von ihm behauptet - aufgrund der streitgegenständlichen Berichterstattung eine schwere Depression erlitten hat. Denn bei der Entschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts handelt es sich nicht um ein Schmerzensgeld gemäß § 253 Abs. 2 BGB, sondern um einen Rechtsbehelf, der auf den Schutzauftrag aus Art. 1 und 2 Abs. 1 GG zurückgeht. Er findet seine sachliche Berechtigung in dem Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktion blieben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde (vgl. Senatsurteile vom 9. Juli 1985 - VI ZR 214/83, BGHZ 95, 212, 215; vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 15 f.; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 302; vom 6. Dezember 2005 - VI ZR 265/04, BGHZ 165, 203, 204 f.; BVerfGE 34, 269, 282, 292; BVerfG NJW 2000, 2187 f.; Müller, VersR 2008, 1141, 1150).
- 41
- Entgegen der Auffassung der Revisionen wirkt sich auch nicht der Umstand mindernd auf das Gewicht der durch die angegriffenen Äußerungen bewirkten Persönlichkeitsrechtsverletzung aus, dass bereits vor dem angegriffenen Beitrag in verschiedenen Veröffentlichungen über den Kläger berichtet wurde. Denn weder werden unbewiesene Tatsachenbehauptungen herabsetzenden Charakters deswegen zulässig, weil sie auch von anderen aufgestellt worden sind (vgl. BVerfGE 85, 1, 22; BVerfG, NJW-RR 2000, 1209, 1211; AfP 2009, 480 Rn. 64), noch verliert der Betroffene durch die erste belastende Berichterstattung seine Ehre und soziale Anerkennung in dem Sinne, dass diese Schutzgüter nicht erneut oder nur mit geringerer Intensität verletzt werden könnten. Wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, stellen die Veröffentlichungen durch andere Verlage jeweils eigenständige Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht des Klägers dar, die einer selbständigen Beurteilung unterliegen. Eine andere Betrachtung würde weder dem Wesen der genannten Schutzgüter des allgemeinen Persönlichkeitsrechts noch der Funktion der Entschädigung als Rechtsbehelf zu ihrem Schutz gerecht (vgl. Senatsurteile vom 22. Januar 1985 - VI ZR 28/83, AfP 1985, 110, 113; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 307 f.; aA OLG Stuttgart, AfP 1981, 362). Die Vorveröffentlichungen könnten sich allenfalls mindernd auf die Höhe der zuzubilligenden Geldentschädigung auswirken, wenn und soweit das Interesse der von dem streitgegenständlichen Beitrag angesprochenen Personen durch sie bereits verringert war (vgl. Senatsurteile vom 5. März 1963 - VI ZR 61/62, VersR 1963, 534, 536; vom 22. Januar 1985 - VI ZR 28/83, AfP 1985, 110, 113; Soehring in Soehring/Hoene, Presserecht, 5. Aufl., § 32 Rn. 37).
- 42
- Aus den von den Revisionen herangezogenen Entscheidungen des Senats vom 29. Juni 1999 (VI ZR 264/98, AfP 1999, 350) und vom 5. November 2013 (VI ZR 304/12, juris), des Bundesverfassungsgerichts (NJW-RR 2010, 1195 Rn. 33) sowie des EGMR (NJW 1999, 1315) folgt nichts anderes. Sie betrafen andere Fallkonstellationen, weshalb die dort maßgebenden Erwägungen vorliegend nicht herangezogen werden können. In den genannten Entscheidungen ging es jeweils um die dem Willen des Betroffenen widersprechende Offenbarung wahrer Tatsachen, die vor der jeweils angegriffenen Veröffentlichung bereits von anderen Medien mitgeteilt worden und damit schon einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden waren mit der Folge, dass der Betroffene bereits zuvor seine Anonymität verloren hatte bzw. seine persönlichen Daten nicht mehr geheim waren. So wandte sich die Klägerin im Verfahren VI ZR 304/12 gegen die unter Beeinträchtigung ihres Rechts auf informationelle Selbstbestimmung erfolgte Preisgabe des Abstammungsverhältnisses zu ihrem Vater. Der Kläger im Verfahren VI ZR 264/98 beanstandete als Eingriff in seine Privatsphäre, dass der Grund für die Scheidung von seiner Ehefrau - Ehe- bruch - bekanntgeben worden war. Der Streitfall dagegen ist anders gelagert. Hier steht der Schutz vor unbewiesenen Tatsachenbehauptungen herabsetzenden Charakters in Rede. Es kann dahingestellt bleiben, ob Vorveröffentlichungen angesichts des Umstands, dass es sich bei dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nicht um eine statische, für alle Zeiten feststehende Größe handelt, sondern sein Bestand in gewissem Umfang auch von der tatsächlichen Anerkennung durch die Öffentlichkeit abhängt (vgl. BVerfG, NJW-RR 2010, 1195 Rn. 33), nach Ablauf einer gewissen Zeit zu einem "Negativ-Image" des Betroffenen führen können (so OLG Stuttgart, AfP 1981, 362). Dies kommt jedenfalls nicht in Betracht, wenn die angegriffene Berichterstattung und die Vorveröffentlichungen - wie im Streitfall - in einem engen zeitlichen Zusammenhang stehen.
- 43
- cc) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Beeinträchtigung des Klägers nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Die gegen die Beklagten erwirkten Unterlassungstitel schließen den Geldentschädigungsanspruch unter den Umständen des Streitfalls nicht aus. Auch unter Berücksichtigung der mit ihnen zusammenhängenden Ordnungsmittelandrohungen können sie die weitere Abrufbarkeit des angegriffenen Beitrags oder Teilen desselben nicht zuverlässig verhindern. Es ist allgemein bekannt, dass eine in das Internet gestellte Meldung, auch wenn sie von ihrem Urheber gelöscht wurde, jedenfalls für gewisse Zeit weiter zugänglich bleiben kann, weil sie in der Zwischenzeit von Dritten kopiert und auf einer neuen Webseite eingestellt oder von Bloggern zum Gegenstand eines eigenen Beitrags gemacht wurde. Das Berufungsgericht hat auch zutreffend darauf hingewiesen, dass zahlreiche Nutzer im Internet die Löschung von Inhalten infolge von Unterlassungsansprüchen als Zensur interpretieren und für die Verbreitung "AusweichRouten" finden. Abgesehen davon vermag ein Unterlassungstitel in Fällen derart schwerer Angriffe, die sich gegen die Grundlagen der Persönlichkeit richten, die Beeinträchtigung des Betroffenen nicht hinreichend auszugleichen (vgl. Senatsurteile vom 15. Dezember 1987 - VI ZR 35/87, VersR 1988, 405; vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 13 f.).
- 44
- Die Zubilligung einer Geldentschädigung ist im Streitfall auch nicht deshalb entbehrlich, weil der Kläger keinen Widerrufsanspruch geltend gemacht hat. Zum einen sind die Voraussetzungen dieses Anspruchs nicht erfüllt, weil der Kläger nicht beweisen kann, kein Verhältnis mit einem 14 Jahre alten Mädchen (gehabt) zu haben. Zum anderen ist auch ein Widerruf nicht geeignet, die erlittene Beeinträchtigung hinreichend auszugleichen (vgl. Senatsurteile vom 15. Dezember 1987 - VI ZR 35/87, VersR 1988, 405; vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 13 f.).
- 45
- 2. Die Revisionen wenden sich aber mit Erfolg gegen die Erwägungen des Berufungsgerichts zur Höhe der dem Kläger zustehenden Geldentschädigung.
- 46
- a) Allerdings ist die Bemessung der Höhe der Geldentschädigung in erster Linie Sache des Tatrichters. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar , ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Bemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (vgl. Senatsurteile vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 16; vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 29; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 307).
- 47
- b) Vor diesem Hintergrund ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht unter dem Gesichtspunkt der Verringerung des Interesses der angesprochenen Leser an der streitgegenständlichen Berichterstattung nur die Vorveröffentlichungen im MDR-Magazin "FAKT", in der Bildzeitung und in der Online-Ausgabe der Leipziger Volkszeitung mindernd berücksichtigt, den anderen Beiträgen hingegen keine Bedeutung beigemessen hat (vgl. zur Minderung des Informationsinteresses durch Vorveröffentlichungen: Senatsurteile vom 5. März 1963 - VI ZR 61/62, VersR 1963, 534, 536; vom 22. Januar 1985 - VI ZR 28/83, AfP 1985, 110, 113; Soehring in Soehring/Hoene, Presserecht , 5. Aufl., § 32 Rn. 37). Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts befassten sich die übrigen Vorveröffentlichungen weder mit der Behauptung, der Kläger unterhalte eine sexuelle Beziehung zu einer Minderjährigen , noch mit den weiteren von der Beklagten zu 3 erhobenen Vorwürfen im Zusammenhang mit der Arbeitseinstellung des Klägers, seinem Verhalten am Arbeitsplatz, den Umständen ihrer Kündigung und der angeblichen Bedrohung.
- 48
- c) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet demgegenüber die Annahme des Berufungsgerichts, wonach der Anzahl der Aufrufe des angegriffenen Beitrags für die Bemessung der Höhe der Entschädigung keine Bedeutung zukomme. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats ist im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung auch das Ausmaß der Verbreitung der Veröffentlichung als Bemessungsfaktor zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteile vom 5. März 1963 - VI ZR 55/62, BGHZ 39, 124, 133 f.; vom 5. März 1963 - VI ZR 61/62, VersR 1963, 534, 535 f.; vom 9. Juli 1985 - VI ZR 214/83, BGHZ 95, 212, 215; vom 5. Dezember 1995 - VI ZR 332/94, AfP 1996, 137; Müller in Götting/Schertz/Seitz, Handbuch des Persönlichkeitsrechts, 2008, § 51 Rn. 23, 30). Aus diesem Grund kann die Anzahl der Personen, die die beanstandeten Äußerungen zur Kenntnis genommen haben, nicht unbeachtet bleiben.
- 49
- d) Wie die Revisionen zu Recht rügen, tragen die Feststellungen des Berufungsgerichts auch nicht die Annahme, die Beklagten zu 1 und 2 hätten die Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers als Mittel zur Reichweitensteigerung und zur Verfolgung eigener kommerzieller Interessen eingesetzt, weshalb von der Höhe der Geldentschädigung ein echter Hemmungseffekt ausgehen müsse. Die vom Berufungsgericht für einschlägig gehaltene Fallgruppe der rücksichtslosen Zwangskommerzialisierung einer Persönlichkeit, in der die Präventionsfunktion der Geldentschädigung im Vordergrund steht, ist dadurch gekennzeichnet, dass der Einbruch in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vorsätzlich zum Zwecke der Gewinnerzielung erfolgt (vgl. Senatsurteile vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 15 f.; vom 5. Dezember 1995 - VI ZR 332/94, AfP 1996, 137, 138; vom 12. Dezember 1995 - VI ZR 223/94, AfP 1996, 138, 139; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 306 f.; BVerfG, VersR 2000, 897 898; Müller, aaO, § 51 Rn. 10, jeweils mwN). Feststellungen zu einem entsprechenden Vorsatz des Beklagten hat das Berufungsgericht nicht getroffen.
- 50
- e) Die Revisionen beanstanden auch mit Erfolg, dass das Berufungsgericht die angegriffenen Äußerungen als (mit)ursächlich für die beim Kläger aufgetretene depressive Störung angesehen hat, ohne über die umstrittene Frage Beweis zu erheben, ob diese Störung nicht bereits durch die Berichterstattung in der BILD-Zeitung vom 13. Juni 2007 und im MDR-Magazin "FAKT" vom 11. Juni 2007 ausgelöst worden ist. Der Ursachenzusammenhang lässt sich insbesondere nicht mit Hilfe der vom Berufungsgericht herangezogenen Grundsätze der Doppelkausalität bejahen. Doppelkausalität liegt vor, wenn ein bestimmter Schaden durch verschiedene gleichzeitig oder nebeneinander wirkende Umstände verursacht worden ist, aber jede dieser Ursachen allein ausgereicht hätte, um den ganzen Schaden herbeizuführen. In einem solchen Fall sind sämtliche Umstände als rechtlich ursächlich für den Schadenseintritt zu behandeln, obwohl keiner der Umstände als "conditio sine qua non" für den Schadenseintritt beurteilt werden kann (vgl. BGH, Urteile vom 13. März 2012 - II ZR 50/09, NJW-RR 2012, 728 Rn. 25; vom 20. Februar 2013 - VIII ZR 339/11, NJW 2013, 2018 Rn. 27). Eine derartige Fallgestaltung liegt hier aber nicht vor. Es steht gerade nicht fest, dass die Veröffentlichungen in der BILDZeitung und im MDR-Magazin "FAKT" einerseits und die streitgegenständliche Berichterstattung andererseits gleichzeitig oder nebeneinander gewirkt und die depressive Störung des Klägers verursacht haben.
- 51
- Für eine Anwendung des § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB ist ebenfalls kein Raum. Die Vorschrift setzt voraus, dass eine Ungewissheit hinsichtlich des Verursachers besteht, d.h. nicht feststellbar ist, welcher der Beteiligten den Schaden verursacht hat (vgl. Senatsurteil vom 23. März 1999 - VI ZR 53/98, VersR 1999, 1375). Nach dem mangels gegenteiliger Feststellungen revisionsrechtlich zu unterstellenden Vortrag der Beklagten wurde die depressive Störung des Klägers aber bereits durch die Vorveröffentlichungen bewirkt.
- 52
- Die gegen die Beklagten zu 1 und 2 gerichtete Revision des Klägersist zulässig und begründet. Sie beanstandet zu Recht die Erwägungen des Berufungsgerichts zur Höhe der dem Kläger zuzubilligenden Geldentschädigung.
- 53
- 1. Ohne Erfolg macht die Revision allerdings geltend, eine Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch eine Internetveröffentlichung sei wegen der Besonderheiten des Internets generell höher zu bemessen als eine Entschädigung wegen eines Artikels in den PrintMedien. Sowohl die Frage, ob die Verletzung des Persönlichkeitsrechts so schwerwiegend ist, dass die Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich ist, als auch deren Höhe können nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (vgl. Senatsurteile vom 24. November 2009 - VI ZR 219/08, BGHZ 183, 227 Rn. 11; vom 20. März 2012 - VI ZR 123/11, AfP 2012, 260 Rn. 15; Müller, aaO, § 51 Rn. 23, 30). Ein rufschädigender Artikel - beispielsweise auf der Titelseite - einer weit verbreiteten Tageszeitung mit hoher Auflage kann das Ansehen des Betroffenen wesentlich nachhaltiger schädigen als eine Internetmeldung in einem wenig bekannten Portal, das nur begrenzte Nutzerkreise anspricht. Auch der Umstand, dass die üblicherweise erfolgende Verlinkung der in Rede stehenden Meldung in Suchmaschinen die Einholung von Informationen über den Betroffenen ermöglicht, rechtfertigt keine generelle Anhebung der Geldentschädigung. Denn eine solche Informationsbeschaffung setzt die aktive Suche des bereits an dem Betroffenen interessierten Nutzers voraus. Demgegenüber werden durch einen Artikel einer weit verbreiteten Tageszeitung oder durch die Bekanntgabe der Nachricht zu einer beliebten Tageszeit im Fernsehen u.U. Millionen von Personen von dem (angeblichen) Fehlverhalten des Betroffenen in Kenntnis gesetzt.
- 54
- 2. Die Revision rügt aber zu Recht, dass das Berufungsgericht den - durch Vorlage des Berichts der auf "Online Reputation Management" spezialisierten R. GmbH konkretisierten - Vortrag des Klägers nicht für erheblich gehalten hat, wonach der angegriffene Bericht im Internet zahlreich verlinkt, kopiert und - auch noch nach der Löschung des Ursprungsbeitrags - umfangreich abgerufen worden sei. Wie bereits ausgeführt, ist das Ausmaß der Verbreitung der angegriffenen Veröffentlichung als Bemessungsfaktor bei der Festsetzung der Höhe der Geldentschädigung zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteile vom 5. März 1963 - VI ZR 55/62, BGHZ 39, 124, 133 f.; vom 5. März 1963 - VI ZR 61/62, VersR 1963, 534, 535 f.; vom 9. Juli 1985 - VI ZR 214/83, BGHZ 95, 212, 215; vom 5. Dezember 1995 - VI ZR 332/94, AfP 1996, 137; Müller, aaO, § 51 Rn. 23, 30). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist den Beklagten zu 1 und 2 die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers auch insoweit zuzurechnen, als sie erst durch die Weiterverbreitung des Ursprungsbeitrags durch Dritte im Internet entstanden ist. Da Meldungen im Internet typischerweise von Dritten verlinkt und kopiert werden, ist die durch die Weiterverbreitung des Ursprungsbeitrags verursachte Rechtsverletzung sowohl äquivalent als auch adäquat kausal auf die Erstveröffentlichung zurückzuführen. Der Zurechnungszusammenhang ist auch nicht deshalb zu verneinen, weil die Persönlichkeitsrechtsverletzung insoweit erst durch das selbstständige Dazwischentreten Dritter verursacht worden ist.
- 55
- a) Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird die haftungsrechtliche Zurechnung nicht schlechthin dadurch ausgeschlossen, dass außer der in Rede stehenden Verletzungshandlung noch weitere Ursachen zur Rechtsgutsverletzung beigetragen haben. Dies gilt auch dann, wenn die Rechtsgutsverletzung erst durch das (rechtmäßige oder rechtswidrige) Dazwischentreten eines Dritten verursacht wird. Der Zurechnungszusammenhang fehlt in derartigen Fällen allerdings, wenn die zweite Ursache - das Eingreifen des Dritten - den Geschehensablauf so verändert hat, dass die Rechtsgutsverletzung bei wertender Betrachtung nur noch in einem "äußerlichen", gleichsam "zufälligen" Zusammenhang zu der durch die erste Ursache geschaffenen Gefahrenlage steht. Wirken in der Rechtsgutsverletzung dagegen die besonderen Gefahren fort, die durch die erste Ursache gesetzt wurden, kann der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang nicht verneint werden (vgl. Senatsurteile vom 5. Oktober 2010 - VI ZR 286/09, VersR 2010, 1662 Rn. 20; vom 26. Februar 2013 - VI ZR 116/12, VersR 2013, 599 Rn. 10; BGH, Urteile vom 28. April 1955 - III ZR 161/53, BGHZ 17, 153, 159; vom 15. November 2007 - IX ZR 44/04, BGHZ 174, 205 Rn. 11 ff.; vgl. auch MünchKomm/BGB/Oetker, 6. Aufl., § 249 Rn. 141 ff., 157 ff.; Staudinger/Schiemann, BGB, Neubearbeitung 2005, § 249 Rn. 35, 58 ff.; Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Auflage, Vorb. v. § 249 Rn. 33 ff.).
- 56
b) So verhält es sich im Streitfall. Durch die Veröffentlichung des Ursprungsbeitrags auf dem von der Beklagten zu 2 betriebenen Internet-Portal ist die internettypische besondere Gefahr geschaffen worden, dass an einer umfassenden Kommunikation und Diskussion im Internet interessierte Nutzer den Beitrag verlinken oder kopieren und auf anderen Webseiten zum Abruf bereit halten. Die auf die "Vervielfältigung" der Abrufbarkeit des Beitrags durch Dritte zurückzuführende Ehrkränkung des Klägers steht in einem inneren Zusammenhang zu der durch die Veröffentlichung des Ursprungsbeitrags geschaffenen Gefahrenlage. Erst hierdurch hat sich die spezifische Gelegenheit zum Tätigwerden der Dritten ergeben. Ihr Einschreiten ist nicht als bloß "zufällig" zu qualifizieren.
- 57
- c) Die von der Revision darüber hinaus als übergangen gerügten, angeblich noch im Jahr 2012 gegebenen "Hinweise auf die Veröffentlichung im Internet" sind nur dann erhöhend bei der Bemessung der Entschädigung zu berücksichtigen , wenn auch sie die im angegriffenen Beitrag aufgestellten (verdeckten ) Sachaussagen enthalten.
- 58
- 1. Die Revision der Beklagten zu 3 ist zulässig, soweit sie sich gegen ihre Verurteilung zur Zahlung einer Geldentschädigung richtet. Im Übrigen ist sie nicht statthaft und damit unzulässig. Das Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision wirksam auf die Frage beschränkt, ob dem Kläger wegen der streitgegenständlichen Berichterstattung Ansprüche auf Zahlung einer Geldentschädigung zustehen. Die Beschränkung der Revisionszulassung hat zur Folge, dass der Streitstoff, soweit er von der Zulassung nicht erfasst wird, nicht der Prüfungskompetenz des Revisionsgerichts unterliegt (vgl. Senatsbeschluss vom 17. April 2012 - VI ZR 140/11, AfP 2012, 371 Rn. 2).
- 59
- a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Zulassung der Revision auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs beschränkt werden, der Gegenstand eines selbständig anfechtbaren Teil- oder Zwischenurteils sein könnte oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte (vgl. Senatsurteil vom 19. Oktober 2010 - VI ZR 237/09, NJW 2011, 155 Rn. 7; Senatsbeschluss vom 17. April 2012 - VI ZR 140/11, AfP 2012, 371 Rn. 3; BGH, Urteil vom 30. März 2007 - V ZR 179/06, VersR 2007, 1230 Rn. 6, jeweils mwN).
- 60
- b) Von einer derartigen beschränkten Revisionszulassung ist vorliegend auszugehen. Zwar enthält die Entscheidungsformel des Berufungsurteils keinen Zusatz, der die dort ausgesprochene Zulassung der Revision einschränkt. Die Beschränkung der Rechtsmittelzulassung kann sich aber auch aus den Entscheidungsgründen ergeben. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass der Tenor im Lichte der Entscheidungsgründe auszulegen und deshalb von einer beschränkten Revisionszulassung auszugehen ist, wenn sich dies aus den Gründen der Beschränkung klar ergibt. Das ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn sich die vom Berufungsgericht als zulassungsrelevant angesehene Frage nur für einen eindeutig abgrenzbaren selbständigen Teil des Streitstoffs stellt (vgl. etwa Senatsurteil vom 19. Oktober 2010 - VI ZR 237/09, NJW 2011, 155 Rn. 8; Senatsbeschluss vom 17. April 2012 - VI ZR 140/11, AfP 2012, 371 Rn. 4; BGH, Urteile vom 30. März 2007 - V ZR 179/06, VersR 2007, 1230 Rn. 7; vom 21. Januar 2010 - I ZR 215/07, NJW-RR 2010, 909 Rn. 13 f., jeweils mwN).
- 61
- Dies ist hier der Fall. Aus den Gründen des Berufungsurteils ergibt sich zweifelsfrei, dass das Berufungsgericht eine die Anrufung des Revisionsgerichts rechtfertigende Rechtsfrage nur darin gesehen hat, ob und wie sich eine ausschließlich auf einer Internetseite erfolgte Veröffentlichung auf Grund und Höhe eines Geldentschädigungsanspruchs auswirkt. Diese Rechtsfrage ist aber nur für die vom Kläger geltend gemachten Zahlungsansprüche von Bedeutung. Sie berührt hingegen nicht den davon zu trennenden - und einen selbständigen Streitgegenstand begründenden - Anspruch des Klägers auf Freistellung von Rechtsanwaltsgebühren, die ihm durch Beauftragung eines Anwalts zu seiner Verteidigung in dem gegen ihn eingeleiteten Ermittlungsverfahren wegen sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen entstanden sind.
- 62
- 2. Soweit die Revision der Beklagten zu 3 zulässig ist, hat sie in der Sache Erfolg.
- 63
- a) Das Berufungsgericht hat allerdings zu Recht angenommen, dass dem Kläger auch gegen die Beklagte zu 3 dem Grunde nach ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 186 StGB zusteht. Denn sie hat die in schwerwiegendem Maße persönlichkeitsrechtsverletzende Berichterstattung der Beklagten zu 1 und 2 durch ihre nicht erweislich wahren Informationen veranlasst (vgl. zur Haftung des Informanten: BGH, Urteile vom 11. Mai 1973 - I ZR 123/71, VersR 1973, 764 - Kollo-Schlager; vom 18. Februar 1993 - I ZR 14/91, AfP 1993, 566, 567 - Produktinformation I; vom 19. September 1996 - I ZR 130/94, AfP 1997, 524, 525 - Orangenhaut mwN; Löffler/Steffen, Presserecht , 5. Aufl., § 6 LPG Rn. 229; Soehring in Soehring/Hoene, aaO, § 7 Rn. 32 ff.; Wenzel/von Strobl-Albeg, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 5 Rn. 381 ff.)
- 64
- aa) Die Revision beanstandet in diesem Zusammenhang ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe nicht festgestellt, welche Informationen die Beklagte zu 3 dem Beklagten zu 1 genau erteilt habe. Ausweislich der Feststellungen im Berufungsurteil stützt sich der streitgegenständliche Beitrag maßgeblich auf die Aussagen der Beklagten zu 3 und gibt ihren Bericht über den Besuch des Mädchens "Lissy" sowie ihre Aussagen in Interviewabschnitten und Zitaten wieder. In seinem Beschluss vom 5. April 2012, auf den es in seinem Urteil ausdrücklich Bezug genommen hat, hat das Berufungsgericht darüber hinaus festgestellt , dass die angebliche Verleumdung des Klägers durch seine Arbeitskollegen von der Beklagten zu 3 "kolportiert" worden sei und insbesondere die Passagen, wonach sich für die Beklagte zu 3 immer mehr "Puzzleteile" zusammenfügten , sie ihre "Scham" überwinde und ihr die "Neigungen" des Klägers erst im Nachhinein klar geworden seien, unmittelbar auf ihren Erklärungen beruhten. Die Beklagte zu 3 habe auch gewusst, welche Schlussfolgerungen der Beklagte zu 1 aus ihren Informationen ziehen würde. Gegen diese Feststellungen wendet sich die Revision nicht. Sie macht insbesondere nicht geltend, die Beklagte zu 3 sei in dem angegriffenen Beitrag - beispielsweise bei der Beschreibung von "Lissy" mit den Worten "vielleicht 14 Jahre alt" - falsch zitiert worden. Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass bereits die Äußerungen der Beklagten zu 3 gegenüber dem Beklagten zu 1 die - teils offenen, teils verdeckten - Sachaussagen enthalten, welche der angegriffenen Berichterstattung zu entnehmen sind. Auf die Frage, welche Angaben die Beklagte zu 3 gegenüber den Strafverfolgungsbehörden gemacht hat, kommt es bei dieser Sachlage entgegen der Auffassung der Revision nicht an.
- 65
- bb) Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht auch eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers bejaht, die nicht in anderer Weise als durch Zahlung einer Geldentschädigung befriedigend aufgefangen werden kann.
- 66
- (1) Zwar kann insoweit nicht darauf abgestellt werden, dass durch den angegriffenen Beitrag die absolut geschützte Intimsphäre des Klägers verletzt wurde. Denn wie unter I. 1. a) bb) ausgeführt, fällt die Begehung von Sexualstraftaten nicht in den unantastbaren Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung. Auch durch die Bekanntgabe der wahren Tatsachen, dass der Kläger eine Geliebte hatte und eine Vergleichsliste über seine Ehefrau und seine Geliebte erstellt hat, haben die Beklagten nicht in diesen Kernbereich eingegriffen. Die bloße Mitteilung ehebrecherischer Beziehungen ohne die Bekanntgabe diesbezüglicher Einzelheiten tangiert die Intimsphäre nicht (vgl. Senatsurteile vom 5. Mai 1964 - VI ZR 64/63, NJW 1964, 1471, 1472; vom 29. Juni 1999 - VI ZR 264/98, AfP 1999, 350, 351; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 5 Rn. 49). Ob eine andere Beurteilung geboten wäre, wenn der Inhalt der Vergleichsliste zum Gegenstand der Berichterstattung gemacht worden wäre, kann offen bleiben, da eine derartige Fallkonstellation nicht vorliegt.
- 67
- (2) Die durch die Äußerungen der Beklagten zu 3 bewirkte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers wiegt aber besonders schwer. Die Berichterstattung ist in einem außerordentlich erheblichen Maße herabsetzend und mindert das Ansehen des Klägers besonders nachhaltig. Die darin enthaltenen Vorwürfe treffen den Kläger im Kern seiner Persönlichkeit und sind geeignet, ihn gesellschaftlich zu vernichten. Hinzu kommt, dass die Beklagte zu 3 vorsätzlich handelte. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen war der Beklagten zu 3 bei der Informationserteilung in vollem Umfang bewusst, wie ihre Äußerungen im Gesamtkontext des von dem Beklagten zu 1 beabsichtigten Beitrags wirken würden; sie nahm dies aus Rache ge- genüber dem Kläger, dem sie den Verlust ihres Arbeitsplatzes zuschrieb, billigend in Kauf.
- 68
- b) Die Revision wendet sich aber mit Erfolg gegen die Bemessung der Höhe der dem Kläger zustehenden Geldentschädigung.
- 69
- aa) Das Berufungsgericht hat in seine Erwägungen zur Höhe der Entschädigung allerdings zu Recht mit einfließen lassen, dass die Beklagte zu 3 - wie oben ausgeführt - vorsätzlich handelte.
- 70
- bb) Ohne Erfolg macht die Revision auch geltend, die gegen die Beklagte zu 3 festgesetzte Geldentschädigung müsse bereits deshalb reduziert werden , weil Veröffentlichungen in elektronischen Medien wegen ihrer "Flüchtigkeit" generell mit geringeren Beeinträchtigungen verbunden seien als solche in den Printmedien. Soweit die Revision darauf abhebt, dass ein Beitrag im Internet nach seiner Löschung - anders als ein Zeitungsartikel - nicht mehr "stofflich" existent und reproduzierbar sei, übersieht sie, dass der Beitrag vor der Löschung von Nutzern kopiert und auf anderen Webseiten abgelegt oder ausgedruckt worden sein kann. Wie bereits unter Ziffer II. 1. ausgeführt, kann die Frage , wie hoch die Geldentschädigung sein muss, um ihrer spezifischen Zweckbestimmung gerecht zu werden, vielmehr nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (vgl. Senatsurteile vom 24. November 2009 - VI ZR 219/08, BGHZ 183, 227 Rn. 11; vom 20. März 2012 - VI ZR 123/11, AfP 2012, 260 Rn. 15; Müller, aaO, § 51 Rn. 23, 30).
- 71
- cc) Die Revision rügt aber zu Recht, dass das Berufungsgericht der Anzahl der Aufrufe des angegriffenen Beitrags für die Bemessung der Höhe der Entschädigung keine Bedeutung beigemessen hat. Wie bereits unter Ziffer I. 2.
c) ausgeführt, ist im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung auch das Ausmaß der Verbreitung der Veröffentlichung als Bemessungsfaktor zu berück- sichtigen (vgl. Senatsurteile vom 5. März 1963 - VI ZR 55/62, BGHZ 39, 124, 133 f.; vom 5. März 1963 - VI ZR 61/62, VersR 1963, 534, 535 f.; vom 9. Juli 1985 - VI ZR 214/83, BGHZ 95, 212, 215; vom 5. Dezember 1995 - VI ZR 332/94, AfP 1996, 137; Müller, aaO, § 51 Rn. 23, 30). Aus diesem Grund kann die Anzahl der Personen, die die beanstandeten Äußerungen zur Kenntnis genommen haben, nicht unbeachtet bleiben.
- 72
- dd) Da der angegriffene Beitrag nicht in die Intimsphäre des Klägers eingreift , kann sich dieser Gesichtspunkt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht erhöhend bei der Bemessung der Geldentschädigung auswirken.
- 73
- Die Anschlussrevision des Klägers ist unzulässig. Gemäß § 554 Abs. 1 ZPO kann sich der Revisionsbeklagte zwar grundsätzlich der Revision anschließen. Im vorliegenden Fall fehlt es jedoch an den Voraussetzungen für eine wirksame Anschließung.
- 74
- 1. Zwar setzt die Statthaftigkeit der Anschließung gemäß § 554 Abs. 2 Satz 1 ZPO in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) abweichend von dem bis dahin geltenden Recht nicht mehr voraus, dass auch für den Anschlussrevisionskläger die Revision zugelassen worden ist. Daher kann eine Anschlussrevision bei beschränkter Zulassung der Revision auch dann wirksam eingelegt werden, wenn die Anschlussrevision nicht den Streitstoff betrifft, auf den sich die Zulassung bezieht (vgl. BGH, Urteile vom 24. Juni 2003 - KZR 32/02, NJW 2003, 2525; vom 26. Juli 2004 - VIII ZR 281/03, NJW 2004, 3174, 3176; vom 22. November 2007 - I ZR 74/05, BGHZ 174, 244 Rn. 39).
- 75
- 2. Auch nach neuem Recht erfordert die Statthaftigkeit der Anschließung allerdings, dass zwischen dem Streitgegenstand der Anschlussrevision und dem der - statthaften - Revision ein rechtlicher oder wirtschaftlicher Zusammenhang besteht. Denn die Neuregelung der Anschlussrevision in § 554 ZPO ändert nichts daran, dass sie als unselbständiges Rechtsmittel akzessorischer Natur ist (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 2007 - I ZR 74/05, aaO Rn. 40). Hinzu kommt, dass eine unbeschränkte Statthaftigkeit der Anschlussrevision in Fällen, in denen die Hauptrevision - wie im Streitfall - zu Gunsten einer Partei nur teilweise zugelassen wurde, zu einer Benachteiligung des Revisionsklägers führte und somit über den Gesetzeszweck der Schaffung einer Art Waffengleichheit zwischen den Parteien hinausginge. Der Revisionskläger müsste die Entscheidung des Berufungsgerichts im Umfang der Nichtzulassung hinnehmen , während der Revisionsbeklagte das Urteil in vollem Umfang seines Unterliegens anfechten könnte (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 2007 - I ZR 74/05, BGHZ 174, 244 Rn. 41; Saenger/Kayser/Koch, ZPO, 5. Aufl. 2013, § 554 Rn. 5; MünchKomm/ZPO/Krüger, 4. Aufl., § 554 Rn. 6; Zöller/Heßler, ZPO, 30. Aufl., § 554 Rn. 7 a; Prütting/Gehrlein/Ackermann, ZPO, 5. Aufl., § 554 Rn. 4; Gehrlein, NJW 2008, 896 ff.; aA Musielak/Ball, ZPO, 10. Aufl., § 554 Rn. 4).
- 76
- 3. Im Streitfall fehlt es an dem erforderlichen rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen dem Streitgegenstand der Anschlussrevision und dem der statthaften Revision. Während sich die Revision, soweit sie zugelassen wurde, gegen die Verurteilung der Beklagten zu 3 zur Zahlung einer Geldentschädigung richtet, betrifft die Anschlussrevision einen Anspruch des Klägers auf Freistellung von Rechtsanwaltsgebühren, die ihm durch Beauftra- gung eines Anwalts zu seiner Verteidigung in dem gegen ihn eingeleiteten Ermittlungsverfahren entstanden sind.
- 77
- V. Das Berufungsurteil war deshalb aufzuheben, soweit die Beklagten zur Zahlung einer Geldentschädigung verurteilt worden sind und die Klage gegen die Beklagten zu 1 und 2 auf Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von weiteren 50.000 € abgewiesen worden ist. Insoweit war die Sache zur neu- en Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird dabei Gelegenheit haben, sich auch mit den weiteren Einwänden der Parteien in den Rechtsmittelschriften zu befassen. Bei der Bemessung der Geldentschädigung wird es zu berücksichtigen haben, dass die Entschädigung nicht eine Höhe er- reichen darf, die die Pressefreiheit unverhältnismäßig einschränkt (vgl. Senatsurteile vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 16; vom 5. Dezember 1995 - VI ZR 332/94, AfP 1996, 137, 138; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 307; BVerfGE 34, 269, 285). Galke Wellner Stöhr von Pentz Offenloch
LG Leipzig, Entscheidung vom 11.11.2011 - 8 O 4330/08 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 03.05.2012 - 4 U 1883/11 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
2. Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, es zu unterlassen, alle weiteren Auflagen des Druckerzeugnisses und das ebook "H. - " (ISBN ) in den Verkehr zu bringen und öffentlich zu verbreiten, wenn die Klägerin in dem genannten Werk als Tochter der A. X. und/oder als Kind der A. X. benannt wird, wenn dies geschieht wie in dem als Anlage K 1 vorgelegten Buchausdruck. 3. Der Beklagten zu 1 wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsgebote nach Ziffer 1 und 2 ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, - die Ordnungshaft zu vollziehen an ihren jeweiligen Geschäftsführern - angedroht. 4. Die Beklagte zu 2 wird verurteilt, es zu unterlassen, die Klägerin in der ersten Auflage des Druckerzeugnisses "H. " (ISBN ) mit vollständigem Namen , als U. X. , als Tochter der A. X. und/oder als Kind der A. X. zu benennen, wenn dies geschieht wie in dem als Anlage K 1 vorgelegten Buchausdruck. 5. Die Beklagte zu 2 wird verurteilt, es zu unterlassen, die Klägerin in allen weiteren Auflagen des Druckerzeugnisses oder im ebook "H. " (ISBN ) als Tochter der A. X. und/oder als Kind der A. X. zu benennen, wenn dies geschieht wie in dem als Anlage K 1 vorgelegten Buchausdruck.
6. Der Beklagten zu 2 wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsgebote nach Ziffer 4 und 5 ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, angedroht. 7. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 1.196,43 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.157 € seit dem 16. November 2012 und aus 39,43 € seit dem 4. Mai 2013 (Beklagte zu 1) bzw. seit dem 5. Mai 2013 (Beklagte zu 2) zu zahlen. 8. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. II. Die weitergehenden Rechtsmittel werden zurückgewiesen. III. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 1/3 und die Beklagten je 1/3.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die minderjährige Klägerin begehrt Unterlassung und Zahlung einer Geldentschädigung wegen der identifizierenden Erwähnung ihrer Person in einem von der Beklagten zu 1 verlegten und von der Beklagten zu 2 verfassten Buch.
- 2
- Die Beklagte zu 2 war Grundschullehrerin und ist die Ehefrau eines früheren Senators von B. Die Klägerin wurde nach einem Umzug im Winter 2007 an der Grundschule angemeldet, an der die Beklagte zu 2 unterrichtete. Die Klägerin nahm probeweise am Unterricht der dritten Klasse teil, um zu testen , ob sie geeignet sei, die zweite Klasse zu überspringen. Die Beklagte zu 2, die die Klassenlehrerin dieser dritten Klasse war, sprach sich gegen ein Überspringen aus. Im März 2008 legte die Mutter der Klägerin wegen des Umgangs der Beklagten zu 2 mit ihrer Tochter eine Beschwerde bei der Senatsverwaltung für Bildung ein. Im November 2008 wandte sich die Mutter an die B. Zeitung und schilderte den Vorgang unter Nennung ihres eigenen Namens und des Namens der Beklagten zu 2. In dem daraufhin am 5. November 2008 erschienenen Artikel hieß es unter voller Namensnennung u.a. wie folgt:
- 3
- "Y (Anmerkung des Senats: Beklagte zu 2) gilt als erfahrene und strenge Grundschullehrerin. Ihr Mann, …senator Z (…), interessiert sich ebenfalls für die Lage der Schulen in B. und äußert sich immer mal wieder in Interviews dazu. Jüngst hat er in einem Leserbrief den Lehrern der …stadt eine "traditionell leistungsabgewandte Kultur" vorgeworfen. Nun hat Y selbst Ärger. Gegen die Lehrerin liegt bereits seit April eine Beschwerde bei der Senatsbildungsverwaltung vor. Unter dem Aktenzeichen VII A 4.4 wird ihr vorgeworfen, schulrechtliche Dienstvorschriften verletzt zu haben. Es geht um ihr eigenmächtiges Verhalten gegenüber einer Schülerin. … "Ich habe den Eindruck, dass die Bil- dungsverwaltung sich mit der Beschwerde bisher gar nicht beschäftigt hat", sagt Rechtsanwältin B., die die Beschwerde eingereicht hat. Anlass für diese Eingabe war der Umgang der Grundschullehrerin Y mit einem Mädchen, das von einer anderen Schule kommend in die dritte Klasse der Grundschule im B. Westen aufgenommen worden war. Dort war Y Klassenlehrerin. Nach Schilderung der Mutter A… X. gab es sofort Probleme zwischen Y und ihrem als hochbegabt eingestuften Kind. Zu Beginn der Weihnachtsferien 2007 soll die Lehrerin plötzlich die Schultasche des Kindes genommen haben und Schulbücher und Unterrichtsmaterialien der zweiten Klasse reingesteckt haben. Auf Nachfrage der Mutter soll Y gesagt haben, dass das Kind nun die zweite Klasse besuchen werde. Allerdings: Einen für eine solche Maßnahme notwendigen Beschluss der Klassenkonferenz gab es zu diesem Zeitpunkt nicht. Später soll die Grundschullehrerin sogar gesagt haben, dass das Mädchen die Schule gar nicht mehr besuchen werde. Die Mutter berichtet, ihre Tochter habe darunter gelitten. Um weitere Belastungen zu vermeiden, habe sie ihr Kind schließlich tatsächlich in die untere Klasse gegeben. Die Mutter des Mädchens schaltete schließlich nach Absprache mit der kommissarischen Schulleiterin, die das Verhalten der Lehrerin Y ebenfalls missbilligte, den zuständigen Schulrat …, H., ein. Dieser, seit 17 Jahren im Amt, bemühte sich um ein klärendes Gespräch zwischen Y und der Kindesmutter. Doch Y, so Anwältin B., habe vorgeschlagene Termine kurzfristig abgesagt - auch ohne Angabe von Gründen. Zuletzt Mitte März 2008. Daraufhin reichte die auf Schulrecht spezialisierte Anwältin im Auftrag der Mutter Beschwerde gegen Y ein. Auch der streitbare Schulrat zog Konsequenzen. Er verordnete der Lehrerin Y "einen pädagogischen Neuanfang" an einer anderen Schule - sie sollte versetzt werden. Dazu aber kam es nicht. Y schrieb am 3. Juli 2008 einen Brief an Bildungssenator J. (…). Darin legte sie eine formal korrekte Eilbeschwerde gegen ihre drohende Versetzung ein. In dem Brief sprach sie von einem "persönlichen Rachefeldzug" gegen sich. Zum Beginn der Sommerferien wird dem resoluten Schulrat H. vom zuständigen Abteilungsleiter der Bildungsverwaltung, L., in einem persönlichen Gespräch mitgeteilt, dass er zum 15. August versetzt wird und künftig als Schulrat in N.K. arbeitet. Es sei eine "Spannungsumsetzung. …"
- 4
- In der Folgezeit wurde der Vorgang in mehreren Presseveröffentlichungen aufgegriffen. Dabei wurden die Beklagte zu 2 und die Mutter der Klägerin namentlich genannt ebenso wie die von der Klägerin besuchte Grundschule. Der Name der Klägerin wurde nicht mitgeteilt.
- 5
- Nach ihrem Ausscheiden aus dem Schuldienst im Jahr 2011 verfasste die Beklagte zu 2 das Buch "H. ". Das Buch wurde von der Beklagten zu 1 verlegt und erschien im Herbst 2012. Die Beklagte zu 2 schildert darin auch die Vorgänge um die probeweise Versetzung der Klägerin in eine höhere Klasse. Sie führt unter voller Namensnennung u.a. aus:
- 6
- "Am 12. November 2007 kam Frau W., damals kommissarische Konrektorin , im Schulflur auf mich zu. Im Hintergrund gewahrte ich eine Mutter mit ihrer kleinen Tochter. Diese Mutter war A… X. (Anmerkung des Senats: Mutter der Klägerin). Ich sah mir das Kind genauer an. Es war ein aufgeschlossenes Mädchen , aber es stellte sich heraus, dass es für ein drittes Schuljahr noch zu unreif war. Die anderen Mädchen waren ihm sozial überlegen, was sie ihrerseits mit Maulereien und Beleidigtsein quittierte. Sie schrieb noch sehr langsam und ungelenk. Beim Lesen hatte sie Mühe, den Sinn zu erfassen, weinte schnell, wenn etwas nicht gleich gelang, wie einen Würfel zu falten und zu kleben. Beim Rechnen wurden mir von der Fachlehrerin auch große Schwierigkeiten genannt , ebenso gab es im Fach Englisch Probleme… (S. 141 ff.).
- 7
- …Am 5. November 2008 erschien in der B. Zeitung einArtikel unter der Überschrift "Die Frau des Senators sorgt für Streit". Es ging um die schon behandelte "Möchtegernüberspringerin", Tochter von Frau X…. (S. 163).
- 8
- …Ich war ratlos. Sollte es so sein, dass meine Kollegen den reißerischen Presseartikeln Glauben schenkten? ... Um nun wenigstens an meiner Dienststelle eine Informationsbalance herzustellen, stellte ich für meine Kollegen in kurzen Worten zusammen, worum es eigentlich gegangen war…. Hier der ori- ginale Text:
- 9
- Basisinformationen zum Fall U…. X. (Anmerkung des Senats: Klägerin) B., den 9.11.2008
- 10
- U…. X. kam im November 2007 unrechtmäßig auf Wunsch der Mutter und durch Veranlassung der kommissarischen Rektorin Frau W. zur Probe in meine Klasse…. Daher habe ich mich dagegen gewehrt. Das gefiel dem Schul- rat und meiner Schulleiterin nicht, weil sie wohl gerne ihren Fehler, das Kind überhaupt ins 3. Schuljahr gegeben zu haben, vertuschen wollten. Gegenüber der Mutter stellten sie es so dar, als ob ich allein dafür gesorgt hätte, dass das Kind U. X. wieder ins 2. Schuljahr gehen musste…" (S. 166 f.).
- 11
- Die Klägerin macht geltend, die identifizierende Darstellung ihrer Person als unreife "Pseudo-Hochbegabte", der es an der erforderlichen Intelligenz und Sozialkompetenz fehle, verletze sie in ihrer Intimsphäre. Nach Ansicht der Beklagten fehlt es an einer Rechtsverletzung der Klägerin, da der im Buch dargestellte Sachverhalt bereits Gegenstand umfassender Presseberichte gewesen sei.
- 12
- Die Beklagten haben sich in einer strafbewehrten Unterlassungserklärung dazu verpflichtet, den vollständigen oder abgekürzten Namen der Klägerin im eBook und ab der zweiten Auflage des Druckerzeugnisses nicht mehr zu verwenden.
- 13
- Das Landgericht hat die Beklagte zu 1 verurteilt, es zu unterlassen, die erste Auflage des Buches in den Verkehr zu bringen und öffentlich zu verbreiten , wenn die Klägerin darin, wie in dem als Anlage vorgelegten Buchausdruck geschehen, mit vollständigem Namen oder mit abgekürztem Vornamen und vollem Nachnamen benannt wird. Das Landgericht hat die Beklagte zu 2 verurteilt , es zu unterlassen, die Klägerin in ihrem Buch mit vollständigem Namen oder mit abgekürztem Vornamen und vollem Nachnamen zu benennen, wenn dies wie in dem als Anlage vorgelegten Buchausdruck dargestellt geschieht. Das Landgericht hat die Beklagten darüber hinaus zur Zahlung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.196,43 € verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat es zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.
Entscheidungsgründe:
A.
- 14
- Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht der Klägerin gegen die Beklagten kein Anspruch auf Unterlassung der identifizierenden Benennung in dem von der Beklagten zu 2 verfassten Buch zu. Zwar werde die Klägerin durch die angegriffene Veröffentlichung in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt. Betroffen sei ihr Recht auf Achtung der Privatsphäre, das auch die Befugnis umfasse, in selbstgewählter Anonymität zu bleiben. Es komme auch nicht darauf an, ob die Identifizierung der Klägerin durch Nennung ihres vollen oder abgekürzten Namens oder durch Mitteilung anderer, ihre Identifizierung ermöglichenden Daten erfolge. Denn es mache keinen Unterschied, ob der Betroffene für die Leser durch die ausdrückliche Nennung seines Namens oder auf sonstige Weise erkennbar gemacht werde. Der Eingriff sei aber nicht rechtswidrig, da die Schutzinteressen der Klägerin hinter dem Recht der Beklagten auf freie Berichterstattung zurückzutreten hätten. Zwar sei die Privatsphäre der Klägerin in verstärktem Maße schutzbedürftig, weil die Klägerin noch minderjährig sei. Dieser grundsätzlich weitgehende Schutz sei im Streitfall jedoch eingeschränkt, weil der Umstand, dass die Klägerin aufgrund einer Hochbegabung die zweite Klasse habe überspringen sollen und die Beklagte zu 2 ihr dies nicht ermöglicht habe, aufgrund einer Handlung der Mutter der Klägerin allgemein bekannt gewesen sei. So seien in dem auf Veranlassung der Mutter der Klägerin veröffentlichten Zeitungsartikel der Vor- und Nachname der Klägerin, der Name ihrer Anwältin, die Hochbegabung, der Streit um den Verbleib der Klägerin in der dritten Klasse sowie die Lage der Schule erwähnt. Auch die in den nachfolgenden Presseberichten genannten weiteren Einzelheiten seien von der Selbstöffnung umfasst. Denn die Mutter der Klägerin habe davon ausgehen müssen, dass aufgrund des bekannten Namens der Beklagten zu 2 weitere Presseorgane das Thema aufgreifen und eigene Recherchen anstellen würden; der Name der Grundschule sei leicht zu recherchieren gewesen. Die Klägerin könne nicht einen höheren Grad an Anonymität beanspruchen , als sie infolge der Selbstöffnung ihrer Mutter und der durch diese veranlassten Berichte in der Öffentlichkeit bisher innegehabt habe. Die Berichterstattung aus dem Jahr 2008 sei auch nicht aufgrund Zeitablaufs unbeachtlich. Denn sie sei weiterhin im Internet abrufbar und werde in weiteren Berichten aus dem Jahr 2011 aufgegriffen und verlinkt. Zwar sei der vollständige Name der Klägerin in den angeführten Artikeln nicht erwähnt worden; sie sei jedoch aus den anderen genannten Daten leicht zu identifizieren gewesen. Es gehöre deshalb bereits zu dem in der Öffentlichkeit geprägten Bild der Klägerin, dass es zwischen ihrer Mutter und der Beklagten zu 2 aufgrund eines im Ergebnis fehlgeschlagenen Versuchs der Klägerin, eine Klasse aufgrund einer Hochbegabung zu überspringen, eine längere Auseinandersetzung gegeben habe. Das von der Beklagten zu 2 verfasste Buch mache die Klägerin lediglich weiterhin in gleicher Weise identifizierbar. Dass die Klägerin von der Beklagten zu 2 inhaltlich anders dargestellt werde als in dem von ihrer Mutter veranlassten Pressebericht, liege in der Natur der Sache. Wäre die Klägerin von ihrer Mutter und ihrer Lehrerin gleich eingeschätzt worden, so wäre es zu der Auseinandersetzung nicht gekommen.
- 15
- Demgegenüber könnten sich die Beklagten auf das Recht der Meinungsfreiheit berufen. Ausgehend davon, dass die Beklagte zu 2 ein Debattenbuch über den Zustand der heutigen Schule und insbesondere der Schulverwaltung in B. habe schreiben wollen, dabei auch die von ihr als Mobbing empfundenen Vorkommnisse in den letzten Jahren ihres Schuldienstes habe aufarbeiten wollen , und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Nichtversetzung der Klägerin in der Presse bereits vorher große Beachtung gefunden habe, bestehe ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit auch an dem die Klägerin und ihre Mutter involvierenden Vorgang. Die Intention der Beklagten sei darauf gerichtet gewesen, eine übergroße Einmischung der Eltern in den Schulbetrieb und eine mangelnde Akzeptanz der Lehrer als pädagogische Autorität zu kritisieren, wofür die Episode mit der Mutter der Klägerin als Beispiel diene. Ausschlaggebend für die Abwägung zu Gunsten der Beklagten sei, dass die eine Identifizierung ermöglichenden persönlichen Daten der Klägerin im Zeitpunkt der angegriffenen Veröffentlichung im Internet zugänglich gewesen seien. Die Sicht der Öffentlichkeit auf die Klägerin sei schon gegeben und durch die bereits vorhandenen Informationen mitgeprägt gewesen.
B.
- 16
- Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in jeder Hinsicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts stehen der Klägerin gegen die Beklagten Unterlassungsansprüche aus § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG in dem im Tenor näher bezeichneten Umfang zu. Die Veröffentlichung und Verbreitung des Buches "H. ", in dem der fehlgeschlagene Versuch der Klägerin, eine Klasse zu überspringen, in identifizierender Weise geschildert und diese unter Schilderung näherer Belegtatsachen als unreife und ihren Mitschülerinnen sozial unterlegene "Möchtegernüberspringerin" dargestellt wird, verletzen die Klägerin in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Die Klägerin kann daher auch Ersatz der erforderlichen Rechtsanwaltskosten verlangen. Die Revision ist dagegen unbegründet, soweit mit ihr der Antrag weiterverfolgt wird, die Beklagte zu 2 zu verurteilen, es zu unterlassen , die Klägerin in der Öffentlichkeit und/oder in Bezug auf das Buch in identifizierender Weise zu bezeichnen. Ohne Erfolg wendet sich die Revision auch gegen die Abweisung des Antrags auf Zahlung einer Geldentschädigung.
- 17
- I. Die Klägerin kann von den Beklagten gemäß § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG Unterlassung wie im Tenor näher bezeichnet verlangen.
- 18
- 1. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass die die Klägerin identifizierende Darstellung der Ereignisse im Zusammenhang mit ihrem missglückten Versuch, die zweite Klasse zu überspringen, in dem von der Beklagten zu 2 verfassten Buch in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin eingreift. Betroffen ist zum einen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das dem Einzelnen die Befugnis gibt, grund- sätzlich selbst darüber zu entscheiden, ob, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (vgl. Senatsurteile vom 29. April 2014 - VI ZR 137/13, AfP 2014, 325 Rn. 9; vom 30. September 2014 - VI ZR 490/12, AfP 2014, 534, 536; vom 13. Januar 2015 - VI ZR 386/13, VersR 2015, 336 Rn. 9, jeweils mwN). Betroffen ist darüber hinaus das Recht der minderjährigen Klägerin auf ungehinderte Entfaltung ihrer Persönlichkeit und ungestörte kindgemäße Entwicklung (vgl. Senatsurteile vom 5. November 2013 - VI ZR 304/12, BGHZ 198, 346 Rn. 17 mwN; BVerfGK 8, 173, 175; BVerfG, NJW 2000, 2191, 2192; AfP 2003, 537). Kinder bedürfen eines besonderen Schutzes, weil sie sich erst zu eigenverantwortlichen Personen entwickeln müssen. Ihre Persönlichkeitsentfaltung kann dadurch, dass persönliche Angelegenheiten zum Gegenstand öffentlicher Erörterung gemacht werden, wesentlich empfindlicher gestört werden als die von Erwachsenen (vgl. Senatsurteile vom 5. November 2013 - VI ZR 304/12, BGHZ 198, 346, Rn. 17; vom 29. April 2014 - VI ZR 137/13, AfP 2014, 325 Rn. 9; BVerfGE 101, 361, 385; 119, 1, 24; 120, 180, 199). Das Recht jedes Kindes auf ungehinderte Entwicklung zur Persönlichkeit - auf "Person werden" - umfasst dabei sowohl die Privatsphäre als auch die kindgemäße Entwicklung und Entfaltung in der Öffentlichkeit (vgl. BVerfG, NJW 2000, 2191, 2192). Der konkrete Umfang des Rechts des Kindes auf ungestörte kindliche Entwicklung ist vom Schutzzweck her unter Berücksichtigung der Entwicklungsphasen des Kindes zu bestimmen (BVerfG, AfP 2003, 537).
- 19
- 2. Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin ist rechtswidrig. Das Interesse der Klägerin am Schutz ihrer Persönlichkeit überwiegt das von den Beklagten verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihr Recht auf Meinungsfreiheit.
- 20
- a) Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (vgl. Senatsurteile vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 22 = AfP 2014, 135; vom 30. September 2014 - VI ZR 490/12, AfP 2014, 534, 536).
- 21
- b) Im Streitfall ist das durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Interesse der Klägerin am Schutz ihrer Persönlichkeit mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK verankerten Recht der Beklagten auf Meinungsfreiheit abzuwägen (vgl. auch EGMR vom 12. März 2015, Almeida Leitão Bento Fernandes gegen Portugal, Appl. no. 25790/11 - http://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-152727#{"itemid":["001-152727"]}, abgerufen am 10. August 2015). Auf die in Art. 5 Abs. 3 GG gewährleistete Kunstfreiheit können sich die Beklagen dagegen nicht berufen. Das Buch fällt nicht in den Schutzbereich dieses Grundrechts.
- 22
- aa) Der von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützte Lebensbereich "Kunst" ist durch die vom Wesen der Kunst geprägten, ihr allein eigenen Strukturmerkmale zu bestimmen. Wie weit danach die Kunstfreiheitsgarantie der Verfassung reicht und was sie im Einzelnen bedeutet, lässt sich nicht durch einen für alle Äußerungsformen künstlerischer Betätigung und für alle Kunstgattungen gleichermaßen gültigen allgemeinen Begriff umschreiben. Die Schwierigkeit, Kunst zu definieren, entbindet indessen nicht von der verfassungsrechtlichen Pflicht, bei der konkreten Rechtsanwendung zu entscheiden, ob die Vorausset- zungen des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vorliegen, und zu diesem Zweck die Grundanforderungen künstlerischer Tätigkeit festzulegen (vgl. BVerfGE 67, 213, 225; 75, 369, 377). Dabei ist im Interesse des Schutzes künstlerischer Selbstbestimmung von einem weiten Kunstbegriff auszugehen (BVerfGE 67, 213, 225; 119, 1, 23 - Esra; v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 5 Abs. 3 Rn. 298 f., 301; BeckOK/Kempen, GG, Art. 5 Rn. 163 [Stand: 1. Juni 2015]). Ein Kunstwerk ist jedenfalls dann gegeben, wenn es sich um eine freie schöpferische Gestaltung handelt, in der Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zur Anschauung gebracht werden (vgl. BVerfGE 30, 173, 188 f.; 67, 213, 226; 75, 369, 377; 119, 1, 20 f. - Esra). Schildert der Autor eines Werks tatsächliche Begebenheiten und/oder existierende Personen, kommt es darauf an, ob er diese Wirklichkeit künstlerisch gestaltet bzw. eine neue ästhetische Wirklichkeit schafft. Letzteres liegt nahe, wenn der Autor tatsächliche und fiktive Schilderungen vermengt und keinen Faktizitätsanspruch erhebt. Erschöpft sich der Text dagegen in einer reportagehaften Schilderung eines realen Geschehens und besitzt er keine zweite Ebene hinter der realistischen Ebene, so fällt er nicht in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG (vgl. Senatsurteil vom 10. Juni 2008 - VI ZR 252/07, AfP 2008, 385 Rn. 8 - Esra; BVerfGE 119, 1, 20 f., 28 f., 31, 33 - Esra; BVerfG AfP 2008, 155 Rn. 4).
- 23
- bb) Nach diesen Grundsätzen ist das von der Beklagten zu 2 verfasste Buch nicht als Kunst im Sinne des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG zu qualifizieren. Es handelt es um einen reinen Tatsachenbericht, mit dem die Autorin keine gegenüber der realen Wirklichkeit verselbständigte ästhetische Wirklichkeit geschaffen oder angestrebt hat. Die Autorin erhebt vielmehr ausdrücklich einen Faktizitätsanspruch. In ihrem Vorwort weist sie darauf hin, dass sie in erster Linie Missstände im Schulsystem aufdecken wolle und ausschließlich Ge- schehnisse in ihr Buch aufgenommen habe, die sich tatsächlich ereignet hätten und die sie belegen könne.
- 24
- c) Die Abwägung zwischen dem Interesse der Klägerin am Schutz ihrer Persönlichkeit und dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK verankerten Recht der Beklagten auf Meinungsfreiheit fällt zugunsten der Klägerin aus. Der durch die identifizierende Berichterstattung bewirkte Eingriff in ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht ist erheblich. Im Zeitpunkt der Veröffentlichung des Buches befand sich die Klägerin in einer besonders schutzwürdigen Phase ihrer Persönlichkeitsentwicklung. Sie war 12 Jahre alt, gerade in die siebte Klasse einer weiterführenden Schule gekommen und befand sich kurz vor oder schon in der Pubertät. Die Bekanntgabe konkreter, in der Grundschule gezeigter Verhaltensweisen (Maulereien, Beleidigtsein, Weinen, wenn etwas nicht gelingt) und die konkrete Beschreibung ihrer angeblich noch unzureichenden Schreib-, Lese - und Rechenfähigkeiten, die die Beklagte zu 2 als Beleg für die von ihr behauptete soziale, emotionale und leistungsmäßige Überforderung der Klägerin in der dritten Klasse anführt, beeinträchtigen ebenso wie die zusammenfassende , abwertende Bezeichnung der Klägerin als "Möchtegernüberspringerin" deren Recht auf ungestörte kindgemäße Entwicklung in erheblichem Maße. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann eine erhebliche Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin durch die Bekanntgabe konkreter schulischer Verhaltensweisen und die Beschreibung ihrer Fähigkeiten nicht mit der Begründung verneint werden, es liege "in der Natur der Sache", dass die Klägerin von der Beklagten zu 2 inhaltlich anders dargestellt werde als in dem von ihrer Mutter veranlassten Pressebericht. Denn die Darstellung der Klägerin ist geeignet, ihre Entwicklung zur und ihre Entfaltung als Persönlichkeit nachhaltig zu behindern. Die Klägerin musste befürchten, dass die mit konkreten Einzelheiten belegte Darstellung ihrer Person als sozial und emotional unreife "Möchtegernüberspringerin" Personen in ihrem nahen Umfeld bekannt wird und von diesen als Grundlage zur Beurteilung ihrer Person genommen wird. Sie musste darüber hinaus gewärtigen, das Ziel von Anfeindungen oder Hänseleien - etwa von Mitschülern - zu werden. Bereits diese berechtigten Befürchtungen der Klägerin genügen, um eine Beeinträchtigung ihres Rechts auf ungestörte kindgemäße Entwicklung zu bejahen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es nicht darauf an, ob die Darstellung der Klägerin tatsächlich von ihrem Umfeld zur Kenntnis genommen worden ist. Denn der Feststellung konkreter Beeinträchtigungen für die Persönlichkeitsentfaltung des Minderjährigen oder zu einer Gefährdung seines Wohls bedarf es für die Annahme einer Beeinträchtigung des Rechts auf kindgemäße Entwicklung nicht (vgl. BVerfGK 8, 173, 176; BVerfG, AfP 2003, 537).
- 25
- In diesem Zusammenhang ist weiterhin zu berücksichtigen, dass die von der Beklagten zu 2 preisgegebenen Informationen über die Klägerin auch deshalb einen gesteigerten Schutz vor einer Bekanntgabe an die Öffentlichkeit genießen , weil sie von der - sowohl verbeamtete als auch angestellte Lehrer treffenden - Verschwiegenheitspflicht umfasst sind (§ 37 BeamtStG, § 3 Abs. 2 Tarifvertrag der Länder; vgl. DIJuF-Rechtsgutachten vom 21. März 2012 - J 7.250 Sm, JAmt 2012, 266 f.; Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, § 37 BeamtStG Rn. 7 [Stand: März 2009]). Die dargestellten Verhaltensweisen und Fähigkeiten der Klägerin hat diese nämlich im Schulverhältnis gegenüber ihrer Klassenlehrerin, anderen Lehrern oder gegenüber Mitschülern gezeigt; die Beklagte zu 2 hat Kenntnis von diesen Umständen allein aufgrund ihrer dienstlichen Tätigkeit als Lehrerin erlangt.
- 26
- Die Beklagte zu 2 hätte ihr Interesse an einer Richtigstellung der angeblich unzutreffenden Zeitungsberichte und an einer Darstellung der Vorkommnisse an den Schulen in B. dagegen ohne ernstliche Einschränkungen auch dann verfolgen können, wenn sie die Klägerin anonymisiert hätte (vgl. Senatsurteil vom 8. Februar 1994 - VI ZR 286/93, AfP 1994, 138, 139). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts waren die mitgeteilten Informationen über die Klägerin auch nicht bereits vor der Veröffentlichung des Buches einer breiten Öffentlichkeit bekannt und prägten die Sicht auf sie. Aufgrund der Berichterstattung in den Medien im November 2008 und Januar 2011 war allenfalls bekannt geworden, dass eine Tochter von A. X. an der Grundschule der Beklagten zu 2 die zweite Klasse überspringen sollte und die Beklagte zu 2 dieses Ziel nicht ermöglicht hat. Nicht bekannt waren hingegen die von der Beklagten zu 2 im Einzelnen dargestellten schulischen Verhaltensweisen und die Schreib-, Leseund Rechenfähigkeiten der Klägerin. Ebenso wenig war ihr voller oder abgekürzter Vorname bekannt geworden. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Vorname einer Zweit- bzw. Drittklässlerin, deren Nachname und Grundschule bekannt sind, überhaupt ohne weiteres recherchiert werden kann. Selbst wenn dies einem Teil der Leser der Artikel gelungen ist, hätte die Klägerin ihre Anonymität dadurch noch nicht verloren. Denn durch die Veröffentlichung des Buches ist der Kreis derjenigen Personen, die Kenntnis vom Vornamen der Klägerin hatten, erheblich erweitert worden (vgl. BVerfG, AfP 2010, 365 Rn. 33). Anders als in den vom Senat am 5. November 2013 und 29. April 2014 entschiedenen Fällen (VI ZR 304/12 sowie VI ZR 137 und 138/13) fügte die vorliegend angegriffene Darstellung der Klägerin dem - allenfalls - in der Öffentlichkeit vorhandenen Kenntnisstand in zweifacher Hinsicht etwas Neues hinzu. Zum einen wurde der noch nicht bekannte Vorname der Klägerin preisgegeben; zum anderen wurden konkrete - von der Klägerin in der Grundschule gezeigte - Verhaltensweisen und Fähigkeiten bekannt gemacht und ihre schulische Entwicklung aufgezeigt. Die identifizierende Darstellung der Klägerin im Buch der Beklagten hatte damit entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts einen eigenständigen Verletzungsgehalt (vgl. Senatsurteile vom 29. April 2014 - VI ZR 137/13, AfP 2014, 325 Rn. 22; vom 29. Juni 1999 - VI ZR 264/98, AfP 1999, 350, 351).
- 27
- Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung kommt es auch nicht darauf an, ob sich die Mutter der Klägerin im Anschluss an die Veröffentlichung des Buches öffentlich zu den Vorgängen geäußert und die von der Beklagten zu 2 berichteten Informationen bestätigt hat. Denn eine durch die Preisgabe nicht in die Öffentlichkeit gehörender Lebenssachverhalte bewirkte Persönlichkeitsrechtsverletzung entfällt nicht dadurch, dass sich der Verletzte oder sein Erziehungsberechtigter nach der Verletzung ebenfalls zu den offenbarten Umständen äußert (vgl. Senatsurteile vom 14. Oktober 2008 - VI ZR 272/06, AfP 2008, 610 Rn. 24; vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03, AfP 2004, 540, 543).
- 28
- 3. Wie die Revision zu Recht geltend macht, kann die Klägerin aufgrund der aufgezeigten Rechtsverletzung von den Beklagten nicht nur Unterlassung der Veröffentlichung und Verbreitung der ersten Auflage des Buches, sondern auch aller weiteren Auflagen desselben und des eBooks verlangen, wenn die Klägerin darin als Tochter und/oder Kind der A…. X. bezeichnet wird und dies so geschieht wie in dem als Anlage K 1 vorgelegten Buchausdruck. Denn der rechtswidrige Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin liegt darin, dass in dem von der Beklagten zu 2 verfassten und von der Beklagten zu 1 vertriebenen Buch die von der Klägerin in der Grundschule gezeigten Verhaltensweisen (Maulereien, Beleidigtsein, Weinen, wenn ihr etwas nicht gelingt) und ihre angeblich unzureichenden Schreib-, Lese- und Rechenfähigkeiten in identifizierender Weise geschildert werden. Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat und die Revisionserwiderung nicht ernsthaft in Frage stellt, war die Klägerin auch ohne die Angabe ihres vollen oder abgekürzten Namens aufgrund der mitgeteilten Umstände (Name der Mutter, Bezeichnung der Klägerin als deren Tochter, Name der Schule, Angabe der Klasse und der Jahreszahl) für einen nicht unerheblichen Personenkreis identifizierbar. Die Identifizierbarkeit ist nämlich bereits dann gegeben, wenn eine Person ohne namentliche Nennung zumindest für einen Teil des Leser- oder Adressatenkrei- ses aufgrund der gemachten Angaben hinreichend erkennbar wird. Es kann die Wiedergabe von Teilinformationen genügen, aus denen sich die Identität für die sachlich interessierte Leserschaft ohne weiteres ergibt oder mühelos ermitteln lässt (vgl. Senatsurteile vom 10. Dezember 1991 - VI ZR 53/91, AfP 1992, 140, 141; vom 21. Juni 2005 - VI ZR 122/04, AfP 2005, 464, 465; BVerfGK 3, 319, 321 f.; Soehring in Soehring/Hoene, Presserecht, 5. Auflage, § 17 Rn. 3; Wenzel /Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 12 Rn. 43).
- 29
- Entgegen der Auffassung des Landgerichts waren die mitgeteilten Informationen über die Klägerin nicht bereits vor der Veröffentlichung des Buches einer breiten Öffentlichkeit bekannt und prägten die Sicht auf sie. Wie oben bereits aufgeführt, war aufgrund der Berichterstattung in den Medien im November 2008 und Januar 2011 allenfalls bekannt geworden, dass eine Tochter vonA. X. an der Grundschule der Beklagten zu 2 die zweite Klasse überspringen sollte und die Beklagte zu 2 dieses Ziel nicht ermöglicht hat. Nicht bekannt waren hingegen das konkrete schulische Verhalten der Klägerin und ihr Leistungsstand , mit denen die Beklagte zu 2 die angebliche soziale, emotionale und leistungsmäßige Überforderung der Klägerin in der dritten Klasse begründet hat.
- 30
- Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr ist gegeben. Sie wird aufgrund der erfolgten Rechtsverletzung vermutet (vgl. Senatsurteile vom 27. Mai 1986 - VI ZR 169/85, AfP 1986, 241, 242; vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, AfP 2009, 494 Rn. 29; vom 19. März 2013 - VI ZR 93/12, AfP 2013, 250 Rn. 31). Diese Vermutung haben die Beklagten nicht entkräftet. Sie ist insbesondere nicht durch die von den Beklagten abgegebene strafbewehrte Unterlassungserklärung entfallen. Denn Gegenstand dieser Erklärung ist lediglich die Verwendung des vollständigen oder abgekürzten Namens der Klägerin, nicht hingegen die Mitteilung anderer Umstände, durch die die Klägerin erkennbar gemacht wird.
- 31
- 4. Die Unterlassungsverpflichtung der Beklagten in Bezug auf die erste Auflage des Druckerzeugnisses "H. " ist nicht deshalb erloschen, weil den Beklagten die Erfüllung ihrer Unterlassungsverpflichtung unmöglich wäre. Die Revisionserwiderung zeigt keinen in den Tatsacheninstanzen übergangenen Sachvortrag auf, wonach das Buch auf dem Markt nicht mehr erhältlich wäre. Ein entsprechendes Vorbringen ergibt sich auch nicht aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll. Der neue und von der Klägerin bestrittene Vortrag der Beklagten in der Revisionsinstanz, wonach die erste Auflage nicht mehr lieferbar sei, ist im Revisionsverfahren nicht zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil vom 23. September 2014 - VI ZR 358/13, BGHZ 202, 242 Rn. 20 f. mwN).
- 32
- Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist die Beklagte zu 1 von ihrer Unterlassungsverpflichtung auch nicht hinsichtlich solcher Exemplare entbunden , die bereits an den Buchhandel ausgeliefert wurden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erschöpft sich die Verpflichtung zur Unterlassung einer Handlung, durch die - wie im Streitfall - ein fortdauernder Störungszustand geschaffen wurde, nicht in bloßem Nichtstun. Vielmehr umfasst sie auch die Vornahme möglicher und zumutbarer Handlungen zur Beseitigung der Störungsquelle, wenn allein dadurch dem Unterlassungsgebot Folge geleistet werden kann (vgl. Senatsurteil vom 11. November 2014 - VI ZR 18/14, AfP 2015, 33 Rn. 16 zur titulierten Unterlassungsverpflichtung; BGH, Urteile vom 22. Oktober 1992 - IX ZR 36/92, BGHZ 120, 73, 76 f.; vom 18. September 2014 - I ZR 76/13, GRUR 2015, 258 Rn. 64; Beschluss vom 25. Januar 2007 - I ZB 58/06, NJW-RR 2007, 863 Rn. 17, jeweils mwN). Dementsprechend hat der Unterlassungsschuldner, um bestehende Gefahrenlagen zu beseitigen und künftige Verletzungen zu verhindern, erforderlichenfalls auf Dritte einzuwirken, wenn und soweit er auf diese - rechtlich oder tatsächlich - Einfluss nehmen kann (vgl. Senatsurteil vom 28. Juli 2015 - VI ZR 340/14, WM 2015, 1664 Rn. 40; BGH, Urteil vom 18. September 2014 - I ZR 76/13, GRUR 2015, 258 Rn. 70; OLG Köln, GRUR-RR 2008, 365; MMR 2010, 782, 783; Ott, WRP 2007, 605, 608; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 10. Aufl., 57. Kap. Rn. 26; Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 12 Rn. 6.7).
- 33
- 5. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist die Geltendmachung der Unterlassungsansprüche durch die Klägerin weder rechtsmissbräuchlich noch verstößt sie gegen das Schikaneverbot (§ 226 BGB). Die Rechtsverfolgung dient ersichtlich der Wahrung der Rechte der Klägerin, insbesondere ihres Rechts auf ungestörte kindliche Entwicklung; sie ist nicht darauf gerichtet, den Beklagten Schaden zuzufügen.
- 34
- II. Aufgrund der aufgezeigten Rechtsverletzung steht der Klägerin gegen die Beklagten darüber hinaus ein auf die Erstattung der ihr entstandenen Rechtsverfolgungskosten gerichteter Schadensersatzanspruch in Höhe von 1.196,43 € aus § 823 Abs. 1 BGB zu. Die Einschaltung eines Rechtsanwalts war zur Wahrnehmung der Rechte der Klägerin notwendig. Die Bemessung der Höhe dieses Schadensersatzanspruchs auf der Grundlage eines Gegen- standswerts von 30.000 € und eines Gebührensatzes von 1,3 gemäß § 14 Abs. 1 RVG, Nr. 2300 RVG-VV durch das Landgericht ist rechtlich nicht zu beanstanden. Entgegen der Auffassung der Revision kann die Klägerin nicht Ersatz einer nach einem Gebührensatz von 1,5 berechneten Geschäftsgebühr verlangen. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Erhöhung der Geschäftsgebühr über die für durchschnittliche Fälle geltende Regelgebühr von 1,3 hinaus nach Nr. 2300 RVG-VV nur gerechtfertigt, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig und damit überdurchschnittlich war (vgl. Senat, Beschluss vom 5. Februar 2013 - VI ZR 195/12, NJW-RR 2013, 1020 Rn. 7 f.; Urteil vom 27. Mai 2014 - VI ZR 279/13, VersR 2014, 894 Rn. 20; BGH, Urteil vom 11. Juli 2012 - VIII ZR 323/11, NJW 2012, 2813 Rn. 8 ff.). Dies ist hier - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - nicht der Fall. In den Tatsacheninstanzen gehaltenen Sachvortrag, der eine andere Beurteilung rechtfertigt, zeigt die Revision nicht auf.
- 35
- III. Die weiteren Anträge der Revision haben keinen Erfolg.
- 36
- 1. Die Klage ist unbegründet, soweit sie auf das Verbot gerichtet ist, die Klägerin in der Öffentlichkeit und/oder in Bezug auf das Buch in identifizierender Weise zu bezeichnen. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, fehlt es an der für einen Unterlassungsanspruch erforderlichen Begehungsgefahr. Nach den Feststellungen des Landgerichts ist es unstreitig, dass es in der Vergangenheit nicht zu einer entsprechenden Rechtsverletzung gekommen ist. Dass die Beklagte zu 2, wie die Klägerin ausweislich der tatbestandlichen Feststellungen im Berufungsurteil mit der Berufung geltend gemacht hat, anlässlich einer Buchvorstellung ausführlich über den Fall der Klägerin berichtet hat, was den interessierten Zuhörer zum Kauf des Buchs bewegen und dadurch zur Identifizierung der Klägerin führen könne, genügt nicht. Dieses Verhalten gibt keinen Anlass zu der Befürchtung, dass sich die Beklagte zu 2 zukünftig im Rahmen von Buchvorstellungen nicht auf die abstrakte Schilderung des Falls beschränken, sondern die Klägerin in identifizierbarer Weise damit in Verbindung bringen wird. Weitergehenden, von der Klägerin in den Tatsacheninstanzen gehaltenen Sachvortrag, dem eine konkrete Begehungsgefahr zu entnehmen wäre, zeigt die Revision nicht auf.
- 37
- 2. Der Klägerin steht auch kein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung zu.
- 38
- a) Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats begründet die schuldhafte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf eine Geldentschädigung, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Ob eine so schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, dass die Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich ist, kann nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Hierbei sind insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines Verschuldens zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteile vom 9. Juli 1985 - VI ZR 214/83, BGHZ 95, 212, 214 f.; vom 24. November 2009 - VI ZR 219/08, BGHZ 183, 227 Rn. 11; vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 38 ff.; vom 21. April 2015 - VI ZR 245/14, AfP 2015, 337 Rn. 33, jeweils mwN). Bei der gebotenen Gesamtwürdigung ist auch ein erwirkter Unterlassungstitel zu berücksichtigen ; der Titel und die mit ihm verbundenen Vollstreckungsmöglichkeiten können den Geldentschädigungsanspruch beeinflussen und im Zweifel sogar ausschließen (vgl. Senatsurteil vom 25. Mai 1971 - VI ZR 26/70, DB 1971, 1660, 1661; Senatsbeschluss vom 30. Juni 2009 - VI ZR 340/08, juris Rn. 3). Denn die Zubilligung einer Geldentschädigung im Fall einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung findet ihre sachliche Berechtigung in dem Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktion blieben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde (vgl. Senatsurteile vom 9. Juli 1985 - VI ZR 214/83, BGHZ 95, 212, 215; vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 15 f.; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 302; vom 6. Dezember 2005 - VI ZR 265/04, BGHZ 165, 203, 204 f.; vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 40; BVerfGE 34, 269, 292 f.; BVerfG NJW 2000, 2187 f.; Müller, VersR 2008, 1141, 1150).
- 39
- b) Nach diesen Grundsätzen ist die Zahlung einer Geldentschädigung - auch unter Berücksichtigung des von der Revision in Bezug genommenen Sachvortrags der Klägerin in den Vorinstanzen - nicht erforderlich. Zwar ist der Eingriff in das Recht der Klägerin auf ungehinderte Entfaltung ihrer Persönlichkeit und ungestörte kindgemäße Entwicklung erheblich. Der Senat hat auch unterstellt, dass das Buch im Februar 2013 im Religionsunterricht der Klägerin zweimal besprochen wurde und die Klägerin aus Angst davor, dass ihre Mitschüler Kenntnis von den sie betreffenden Passagen des Buches erlangen würden, im zeitlichen Zusammenhang unter Kopf- und Bauchschmerzen litt. Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass der rechtswidrige Eingriff nicht gegen die Grundlagen ihrer Persönlichkeit gerichtet ist; er trifft sie nicht im Kern ihrer Persönlichkeit. Die mit ihm verbundenen Beeinträchtigungen können befriedigend durch den von ihr im vorliegenden Verfahren erwirkten Unterlassungstitel und das Ordnungsmittelverfahren aufgefangen werden. Wie unter I. 4. ausgeführt umfasst die Verpflichtung der Beklagten zur Unterlassung auch die Pflicht, die von ihnen geschaffene Störungsquelle im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren zu beseitigen und künftige Rechtsverletzungen zu verhindern. Hierdurch erlangt die Klägerin hinreichend Genugtuung.
- 40
- IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO. Galke Wellner von Pentz Offenloch Roloff
LG Köln, Entscheidung vom 18.09.2013 - 28 O 150/13 -
OLG Köln, Entscheidung vom 11.03.2014 - 15 U 153/13 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die klagende Aktiengesellschaft nimmt den Beklagten auf Löschung von im Internet abrufbaren Äußerungen in Anspruch.
- 2
- Der Beklagte ist Rechtsanwalt und war für die heute nicht mehr existierende Kanzlei Dr. S. & v. B. als freier Mitarbeiter tätig. Im Auftrag von Aktionären der Klägerin nahm er diese gerichtlich auf Erfüllung eines Vertrags über den Rückkauf von Aktien der Klägerin in Anspruch. Auf der Homepage der Kanzlei Dr. S. & v. B. wurde zeitnah über die Klageerhebung berichtet. Der Beitrag wurde später gelöscht. Vom 24. September 2010 an waren in dem Internetportal des B. e.V. und in dem Internetportal "recht§billig" mit dem Foto des Beklagten bebilderte Beiträge abrufbar, in dem unter voller Namensnennung wie folgt über die Klageerhebung berichtet wurde:
- 3
- "Die B. e.V. Anlegerschutzkanzlei Dr. S. & v. B. hat für Aktionäre Zahlungsklage gegen die A. & L. AG in H. erhoben. Die Aktionäre fordern die Erfüllung von Kaufzusagen bezüglich ihrer Aktien durch die A. & L. AG.
- 4
- Mit einem Emissionsprospekt warb die A. & L. AG im Jahre 2000 im Rahmen einer Kapitalerhöhung um Aktionäre. Angeboten wurden 10 Millionen Stück Aktien ohne Nennwert zum Verkaufspreis von 5 €. Die Gesellschaft wollte sich mit dem Kapital an Unternehmen in "interessanten aufstrebenden Branchen" beteiligen. Den umworbenen Anlegern wurde der baldige Börsengang zugesagt, ein Ziel, das der Alleinvorstand der Aktiengesellschaft schon bald wieder aufgab.
- 5
- Seit 2003 wird den Aktionären der Kauf ihrer Aktien zu einem höheren Preis als dem Emissionspreis versprochen und auch vertraglich zugesichert. Der Vorstand der A. & L. AG hält die Aktionäre mit immer neuen Versprechen, wonach die Kaufabwicklung unmittelbar bevorstehe, nun schon ganze sieben Jahre hin. Hinzu kommt, dass die Aktionäre außer Hinhalteparolen keine aussagekräftigen Informationen über das Unternehmen erhalten. Mindestens seit 2003 fand weder eine Hauptversammlung statt, noch gab es Geschäftsberichte. Dividendenzahlungen blieben völlig aus. Die wahre Geschäftstätigkeit und Geschäftsentwicklung des Unternehmens wird verschleiert.
- 6
- Die B. e.V. Anlegerschutzkanzlei Dr. S. & v. B. verfolgt mit der Klage das Ziel, dass von der A. & L. AG der bereits mehrfach zugesagte Kaufpreis für die Aktien nunmehr tatsächlich auch bezahlt wird.
- 7
- Betroffene Investoren können sich der Interessengemeinschaft "A. & L. AG" im B. e.V. anschließen."
- 8
- Nach einer Abmahnung des Beklagten war die Berichterstattung dort nicht mehr abrufbar. Die Klägerin stellte allerdings in der Folgezeit fest, dass eine entsprechende Berichterstattung unter der Überschrift "Zahlungsklage gegen A. & L. AG erhoben" in verschiedenen anderen Internetportalen abrufbar war. Die Berichterstattung war über Suchmaschinen abrufbar.
- 9
- Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, die Löschung des im Internet über Suchmaschinen abrufbaren Artikels vom 24. September 2010 "Zahlungsklage gegen A. & L. AG erhoben" zu bewirken. In einem nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht eingegangenen Schriftsatz hat die Klägerin hilfsweise beantragt, den Beklagten zu verurteilen , ihr jeden Schaden zu erstatten, der ihr infolge der jederzeitigen Abrufbarkeit des beanstandeten Artikels im Internet entstanden ist oder noch entstehen wird. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht hat die Klägerin hilfsweise beantragt, den Beklagten zu verurteilen, die Löschung folgender Passagen aus dem Artikel zu bewirken: "Seit 2003 wird den Aktionären der Kauf ihrer Aktien zu einem höheren Preis als dem Emissionspreis versprochen und auch vertraglich zugesichert. Der Vorstand der A. & L. AG hält die Aktionäre mit immer neuen Versprechen, wonach die Kaufabwicklung unmittelbar bevorstehe, nun schon ganze sieben Jahre hin. Hinzu kommt, dass die Aktionäre außer Hinhalteparolen keine aussagekräftigen Informationen über das Unternehmen erhalten. Die wahre Geschäftstätigkeit und Geschäftsentwicklung des Unternehmens wird verschleiert." Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
- 10
- Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht der Klägerin ein Löschungsanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Zwar sei der Beklagte jedenfalls Mittäter hinsichtlich der zunächst auf der Internetseite der Kanzlei von Dr. S. & v. B. abrufbaren Veröffentlichung. Da der Beitrag jedoch bereits vor Klageerhebung aus dem Internetauftritt herausgenommen worden sei, gehe das Löschungsbegehren insoweit ins Leere. Es könne offenbleiben, ob der Beklagte auch Täter hinsichtlich dieses oder eines inhaltsgleichen Beitrags auf den Seiten des B. e.V. sei, da auch diese Veröffentlichungen vor Klageerhebung gelöscht worden seien. Für die Folgeveröffentlichungen im Internet hafte der Beklagte nicht. Dass er Täter oder Teilnehmer hinsichtlich der Folgeveröffentlichungen sei, behaupte die Klägerin nicht. Der Beklagte sei aber auch nicht Störer. Als Störer sei verpflichtet, wer, ohne Täter oder Teilnehmer zu sein, in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Beeinträchtigung des Rechtsguts beitrage. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt, da der ur- sprüngliche Beitrag des Beklagten für die in Rede stehenden Folgeveröffentlichungen nicht adäquat kausal gewesen sei. Es entspreche nicht dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge, dass ein Beitrag des Beklagten ohne sein Zutun unter der möglichen Verletzung urheberrechtlich geschützter Positionen von Dritten veröffentlicht werde. Abgesehen davon habe der Beklagte nicht - wie für die Störerhaftung erforderlich - zumutbare Verhaltenspflichten verletzt. Es sei ihm nicht zuzumuten, fremde Internetauftritte zu überprüfen. Aber auch wenn er von rechtswidrigen Veröffentlichungen wisse, bestehe für ihn keine Löschungspflicht. Denn er sei nicht in der Lage, die Störung zu beseitigen, weil er keinen Zugriff auf fremde Internetauftritte habe. Zwar möge es Fälle geben, in denen einer Unterlassungsverpflichtung nur dadurch Genüge getan werden könne, dass aktiv in den Kausalverlauf eingegriffen werde. Dies könne aber nicht auf Fälle erstreckt werden, in denen - wie im Streitfall - die als rechtswidrig reklamierten Veröffentlichungen ohne Zutun durch den in Anspruch Genommenen erfolgten. Den mit - vom Landgericht nachgelassenen - Schriftsatz nachgeschobenen und auf Schadensersatz gerichteten Hilfsantrag habe das Landgericht zu Recht unberücksichtigt gelassen. Er sei verspätet.
II.
- 11
- Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand. Zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings angenommen , dass die Klägerin vom Beklagten nicht verlangen kann, die Löschung des gesamten, im Internet abrufbaren Artikels zu bewirken. Mit der Begründung des Berufungsgerichts kann aber der von der Klägerin mit dem Hilfsantrag geltend gemachte Anspruch, die Löschung einzelner Passagen des Artikels zu bewirken , nicht vollumfänglich verneint werden. Dem Berufungsgericht kann auch nicht gefolgt werden, soweit es den auf Schadensersatz gerichteten Hilfsantrag als verspätet angesehen hat.
- 12
- 1. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der auf Bewirkung der Löschung des gesamten, im Internet aufrufbaren Artikels gerichtete Hauptantrag unbegründet ist.
- 13
- a) Die Revision macht allerdings zu Recht geltend, dass der Betroffene gegen unwahre Tatsachenbehauptungen, die sein Ansehen in der Öffentlichkeit in unzulässiger Weise herabsetzen, in entsprechender Anwendung von §§ 1004, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 185 ff StGB, 824 BGB zivilrechtlichen Ehrenschutz beanspruchen kann (vgl. Senatsurteile vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 14, 16; vom 13. Januar 2015 - VI ZR 386/13, VersR 2015, 336 Rn. 10, 15; vom 16. Dezember 2014 - VI ZR 39/14, AfP 2015, 41 Rn. 6 f., 11; vom 22. Juni 1982 - VI ZR 251/80, AfP 1982, 217, 218, jeweils mwN). Er kann den Störer nicht nur gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog auf Unterlassung weiterer Störungen, sondern in entsprechender Anwendung von Satz 1 dieser Bestimmung auch auf Beseitigung eines durch die unwahren Tatsachenbehauptungen geschaffenen Zustands fortdauernder Rufbeeinträchtigung in Anspruch nehmen, der sich für ihn als eine stetig sich erneuernde und fortwirkende Quelle der Ehrverletzung darstellt (vgl. Senatsurteil vom 30. November 1971 - VI ZR 115/70, BGHZ 57, 325, 326 ff., 332 f.; BGH, Urteile vom 12. Januar 1960 - I ZR 30/58, JZ 1960, 701, 702; vom 28. September 1973 - I ZR 136/71, NJW 1973, 2285, 2286; BVerfG, AfP 1997, 619, 620; NK-BGB/Katzenmeier, 2. Auflage, Vor §§ 823 ff Rn. 79 ff., § 823 Rn. 241 ff.; MünchKommBGB/Rixecker, 6. Aufl., Anhang zu § 12 Rn. 219 ff.; Staudinger/Hager, 13. Bearb. 1999, § 823 C 271; Palandt/Sprau, BGB, 74. Aufl., Einf v § 823 Rn. 38; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 10. Aufl., 22. Kapitel, Rn. 2; vgl. auch Senatsurteil vom 14. Mai 2013 - VI ZR 269/12, BGHZ 197, 213 Rn. 28 sowie zum Beseitigungsanspruch in Gestalt der Veröffentlichung einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtung bei unzulässiger Meinungsäußerung: Senatsurteil vom 25. November 1986 - VI ZR 57/86, BGHZ 99, 133, 136 ff.). Eine besondere Ausprägung des Anspruchs auf Beseitigung einer durch unwahre Tatsachenbehauptungen herbeigeführten fortdauernden Rufbeeinträchtigung ist der von der Rechtsprechung entwickelte Berichtigungsanspruch (vgl. dazu Senatsurteil vom 18. November 2014 - VI ZR 76/14, BGHZ 203, 239 Rn. 13 mwN). Hierauf beschränkt sich der Beseitigungsanspruch aber nicht (vgl. Senatsurteil vom 30. November 1971 - VI ZR 115/70, BGHZ 57, 325, 327 ff.; BVerfG, AfP 1997, 619, 620 zum Anspruch auf Ergänzung einer Berichterstattung im Rahmen eines "äußerungsrechtlichen Folgenbeseitigungsanspruchs"; MünchKommBGB/Rixecker, aaO Rn. 221; Staudinger/Hager, aaO, C 270). Vielmehr kann der Betroffene den Störer zur Beseitigung eines Zustands fortdauernder Rufbeeinträchtigung grundsätzlich auch auf Löschung bzw. Hinwirken auf Löschung rechtswidriger, im Internet abrufbarer Tatsachenbehauptungen in Anspruch nehmen (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 2014 - I ZR 76/13, GRUR 2015, 258 Rn. 62 ff. sowie Art. 17 des Entwurfs der EU-Datenschutz-Grundverordnung, Stand 11. Juni 2015, abrufbar unter http://www.cr-online.de/Verabschiedete_Fassung_der_ Datenschutz-GVO_durch_den_Europaeischen_Rat_v._11.06.2015.pdf).
- 14
- Dem steht nicht entgegen, dass es der Senat in seinem Urteil vom 3. Mai 1977 (VI ZR 36/74, BGHZ 68, 331, 332 ff.) abgelehnt hat, die Rechtsschutzmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gebiet des zivilrechtlichen Ehrenschutzes über die Rechtsbehelfe der Unterlassung und der Berichtigung hinaus durch Zulassung einer Klage auf Feststellung der Unwahrheit einer Tatsachenbehauptung oder der Rechtswidrigkeit einer Persönlichkeitsverletzung zu erweitern. Denn tragend für diese Entscheidung war, dass Gegenstand der begehrten Feststellung nicht - wie in § 256 ZPO vorausgesetzt - das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses, sondern eine bloße Vorfrage für die Rechtsbeziehungen der Parteien war, auf die eine Feststellungsklage nicht gestützt werden kann (ebenda S. 332).
- 15
- Für die Anerkennung eines Beseitigungsanspruchs in Gestalt der Löschung bzw. des Hinwirkens auf Löschung rechtswidriger, im Internet abrufbarer Tatsachenbehauptungen spricht demgegenüber seine Nähe zum Unterlassungsanspruch. Die Löschung bzw. das Hinwirken auf diese ist in ihren Wirkungen für den Störer und in ihrem Zweck für den Betroffenen der Unterlassung unwahrer Tatsachenbehauptungen angenähert. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erschöpft sich die Verpflichtung zur Unterlassung einer Handlung, durch die ein fortdauernder Störungszustand geschaffen wurde, nämlich nicht in bloßem Nichtstun. Vielmehr umfasst sie auch die Vornahme möglicher und zumutbarer Handlungen zur Beseitigung des Störungszustands , wenn allein dadurch dem Unterlassungsgebot Folge geleistet werden kann (vgl. Senatsurteil vom 11. November 2014 - VI ZR 18/14, AfP 2015, 33 Rn. 16 zur titulierten Unterlassungsverpflichtung; BGH, Urteile vom 22. Oktober 1992 - IX ZR 36/92, BGHZ 120, 73, 76 f.; vom 18. September 2014 - I ZR 76/13, GRUR 2015, 258 Rn. 64; Beschluss vom 25. Januar 2007 - I ZB 58/06, NJW-RR 2007, 863 Rn. 17, jeweils mwN).
- 16
- Als Mittel zur Beendigung einer fortdauernden Rufbeeinträchtigung ist das im Rahmen eines Beseitigungsanspruchs geltend gemachte Löschungsbegehren allerdings nicht von geringeren sachlich-rechtlichen und beweismäßigen Voraussetzungen abhängig als die bisher anerkannten Rechtsbehelfe (vgl. Senatsurteil vom 3. Mai 1977 - VI ZR 36/74, BGHZ 68, 331, 335 f.; vom 25. November 1986 - VI ZR 57/86, BGHZ 99, 133, 138). Die Löschung bzw. das Hinwirken auf Löschung im Internet abrufbarer Tatsachenbehauptungen kann dementsprechend nur verlangt werden, wenn und soweit die beanstandeten Behauptungen nachweislich falsch sind und die begehrte Abhilfemaßnahme unter Abwägung der beiderseitigen Rechtspositionen, insbesondere der Schwere der Beeinträchtigung, zur Beseitigung des Störungszustands geeignet, erforderlich und dem Störer zumutbar ist (vgl. Senatsurteile vom 3. Mai 1977 - VI ZR 36/74, BGHZ 68, 331, 337; vom 25. November 1986 - VI ZR 57/86, BGHZ 99, 133, 138; vom 18. November 2014 - VI ZR 76/14, AfP 2015, 36 Rn. 40; BGH, Urteile vom 12. Januar 1960 - I ZR 30/58, JZ 1960, 701, 702 f.; vom 18. September 2014 - I ZR 76/13, GRUR 2015, 258 Rn. 62 ff.; MünchKomm-BGB/ Rixecker, 6. Aufl., Anhang zu § 12 Rn. 223; Wenzel/Gamer, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 13 Rn. 25; Kamps in Götting/ Schertz/Seitz, Handbuch des Persönlichkeitsrechts, § 49 Rn. 33 f., 49; jeweils mwN).
- 17
- b) Nach diesen Grundsätzen scheitert der Hauptantrag bereits daran, dass er weit über das Ziel hinausschießt. Eine Löschung des gesamten Artikels ist zum Schutze des geschäftlichen Ansehens der Klägerin vor der Fortwirkung einer etwaigen rechtswidrigen Beeinträchtigung nicht erforderlich. Denn der Artikel enthält eine Vielzahl von Aussagen, die entweder ersichtlich zutreffend oder von der Klägerin nicht als unzutreffend beanstandet worden sind und damit die Rechte der Klägerin nicht verletzen (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 1992 - I ZR 58/90, GRUR 1992, 527, 529).
- 18
- 2. Mit der Begründung des Berufungsgerichts kann aber der mit dem Hilfsantrag geltend gemachte Anspruch, die Löschung einzelner Passagen des Artikels zu bewirken, nicht vollumfänglich verneint werden.
- 19
- a) Die Klägerin hat ihr eingeschränktes Beseitigungsbegehren wirksam in den Rechtsstreit eingeführt. Es ist allerdings nicht bereits als Minus im Hauptantrag mitenthalten. Die von der Klägerin gestellten Anträge sind so auszulegen, dass sie mit dem Hauptantrag ausschließlich das Bewirken der Löschung des gesamten Artikels begehrt hat. Denn sie hat nach dem Hinweis des Vorsitzenden in der Verhandlung vor dem Berufungsgericht, sie könne nicht den gesamten Artikel "verbieten" lassen, an ihrem Hauptantrag uneingeschränkt festgehalten und ihr eingeschränktes Beseitigungsbegehren ausdrücklich zum Gegenstand eines selbstständigen Hilfsantrags gemacht.
- 20
- Das eingeschränkte Beseitigungsbegehren ist von der Klägerin aber wirksam zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gemacht worden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Voraussetzungen des § 533 ZPO erfüllt sind. Denn eine mit der Berufung vorgenommene Beschränkung des Klageantrags nach § 264 Nr. 2 ZPO stellt unabhängig davon, ob sie unbedingt erfolgt oder, wie hier, von dem Misserfolg des auf uneingeschränkte Leistung gerichteten Hauptantrags abhängig ist, keine § 533 ZPO unterfallende Klageänderung dar (vgl. BGH, Urteile vom 19. März 2004 - V ZR 104/03, BGHZ 158, 295, 305 ff.; vom 8. Dezember 2005 - VII ZR 138/04, VersR 2006, 1361 Rn. 25; vom 27. Februar 2007 - XI ZR 56/06, ZIP 2007, 718 Rn. 30).
- 21
- b) Die Klage ist hinsichtlich des mit dem Hilfsantrag geltend gemachten eingeschränkten Beseitigungsbegehrens zulässig. Sie ist insbesondere hinreichend bestimmt. Zwar hat die Klägerin in der Berufungsinstanz mit ihrenzwei Hilfsanträgen verschiedene Streitgegenstände alternativ geltend gemacht, ohne die Reihenfolge zu benennen, in der sie die Anträge zur Überprüfung durch das Gericht stellt. Sie hat die gebotene Klarstellung aber in zulässiger Weise in der Revisionsinstanz nachgeholt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sie erklärt, den auf Bewirkung der Löschung einzelner Passagen des Artikels gerichteten Antrag als ersten Hilfsantrag und den auf Ersatz des ihr entstandenen Schadens gerichteten Antrag als zweiten Hilfsantrag verfolgen zu wollen. Damit hat sie die verschiedenen Streitgegenstände in der gebotenen Weise in ein Eventualverhältnis gestellt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. März 2011 - I ZR 108/09, BGHZ 189, 56 Rn. 9 ff.; vom 27. November 2013 - III ZR 371/12, juris Rn. 2).
- 22
- c) Für das Revisionsverfahren ist davon auszugehen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen eines eingeschränkten Beseitigungsanspruchs in entsprechender Anwendung der § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 186 StGB, 824 BGB gegeben sind. Die von der Klägerin beanstandeten Behauptungen haben auf der Grundlage des revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachverhalts zu einer rechtswidrigen und fortdauernden Beeinträchtigung des wirtschaftlichen Rufs der Klägerin geführt, für die der Beklagte verantwortlich ist.
- 23
- aa) Die mit dem ersten Hilfsantrag angegriffenen Äußerungen, wonach den Aktionären der Kauf ihrer Aktien zu einem höheren Preis als dem Emissionspreis seit 2003 versprochen und vertraglich zugesichert worden sei, der Vorstand der Klägerin die Aktionäre schon sieben Jahre mit immer neuen Versprechen hinhalte, wonach die Kaufabwicklung unmittelbar bevorstehe, die Aktionäre außer Hinhalteparolen keine aussagekräftigen Informationen über das Unternehmen erhielten und die wahre Geschäftstätigkeit und Geschäftsentwicklung des Unternehmens verschleiert werde, sind als Tatsachenbehauptungen zu qualifizieren.
- 24
- (1) Ob eine Äußerung als Tatsachenbehauptung oder als Werturteil einzustufen ist, ist eine Rechtsfrage, die der uneingeschränkten Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt. Tatsachenbehauptungen sind durch die objektive Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit charakterisiert. Demgegenüber werden Werturteile und Meinungsäußerungen durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage geprägt. Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist danach, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit Mitteln des Beweises zugänglich ist. Dies scheidet bei Werturteilen und Meinungsäußerungen aus, weil sie durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet sind und sich deshalb nicht als wahr oder unwahr erweisen lassen (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2014 - VI ZR 39/14, AfP 2015, 41 Rn. 8 mwN). Sofern eine Äußerung , in der sich Tatsachen und Meinungen vermengen, durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist, wird sie als Meinung von dem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt. Das gilt insbesondere dann, wenn eine Trennung der wertenden und der tatsächlichen Gehalte den Sinn der Äußerung aufhöbe oder verfälschte (vgl. Senatsurteile vom 29. Januar 2002 - VI ZR 20/01, AfP 2002, 169, 170; vom 11. März2008 - VI ZR 189/06, AfP 2008, 193 Rn. 12, 18; vom 22. September 2009 - VI ZR 19/08, AfP 2009, 588 Rn. 11; BGH, Urteil vom 24. Januar 2006 - XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 Rn. 70; BVerfGE 85, 1, 15; BVerfG, NJW 2008, 358, 359). Demgegenüber kann sich eine Äußerung, die auf Werturteilen beruht, als Tatsachenbehauptung erweisen, wenn und soweit bei dem Adressaten zugleich die Vorstellung von konkreten, in die Wertung eingekleideten Vorgängen hervorgerufen wird, die als solche einer Überprüfung mit den Mitteln des Beweises zugänglich sind (vgl. Senatsurteile vom 17. Dezember 1991 - VI ZR 169/91, AfP 1992, 75, 78; vom 28. Juni 1994 - VI ZR 252/93, AfP 1994, 218 f.; vom 27. April 1999 - VI ZR 174/97, NJW-RR 1999, 1251, 1252 f.; vom 16. November2004 - VI ZR 298/03, AfP 2005, 70, 72, jeweils mwN). Entscheidend ist deshalb der Zusammenhang, in welchem die Äußerung gefallen ist (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2014 - VI ZR 39/14, AfP 2015, 41 Rn. 9 mwN).
- 25
- (2) Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei den angegriffenen Äußerungen um in Werturteile eingekleidete Tatsachenbehauptungen. Mit ihnen werden Vorwürfe tatsächlichen Inhalts erhoben, die einer Überprüfung mit den Mitteln des Beweises zugänglich sind. Sie sind nicht derart mit den Wertungen verknüpft, dass ihr Tatsachengehalt von dahinterstehenden Meinungsäußerungen überlagert und geprägt würde.
- 26
- Die Behauptungen, den Aktionären werde seit 2003 der Kauf ihrer Aktien zu einem höheren Preis als dem Emissionspreis versprochen und vertraglich zugesichert, der Vorstand der Klägerin halte die Aktionäre schon sieben Jahre mit immer neuen Versprechen hin, wonach die Kaufabwicklung unmittelbar bevorstehe , enthalten - im Gesamtzusammenhang mit dem den Artikel einleitenden Absatz betrachtet - für den unbefangenen Leser die dem Beweis zugängliche Tatsacheninformation, die Klägerin habe sich gegenüber den Aktionären zum Rückkauf eigener Aktien verpflichtet und komme dieser Verpflichtung seit sieben Jahren nicht nach. Die Äußerung, die Aktionäre erhielten außer Hinhalteparolen keine aussagekräftigen Informationen über das Unternehmen, bringt im Kontext mit dem unmittelbar nachfolgenden Satz, wonach es mindestens seit 2003 weder eine Hauptversammlung noch Geschäftsberichte gegeben habe , zum Ausdruck, dass die Klägerin ihren Informationspflichten gegenüber den Aktionären nicht nachgekommen sei; auch diese Behauptung ist der Überprüfung mit den Mitteln des Beweises zugänglich. Dieser Vorwurf wird durch die weitere Tatsachenmitteilung verstärkt, die wahre Geschäftstätigkeit und Geschäftsentwicklung des Unternehmens werde verschleiert. Auch wenn insoweit nähere Einzelheiten zu konkreten Sachverhalten nicht mitgeteilt werden, bleibt die Aussage dennoch nicht gänzlich substanzarm, sondern enthält für den unbefangenen Leser die dem Beweis zugängliche Tatsacheninformation, die Klägerin entziehe ihre Geschäftstätigkeit und Geschäftsentwicklung einer genauen Feststellung und verberge ihr tatsächliches Geschäftsfeld.
- 27
- bb) Die angegriffenen Äußerungen greifen in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin ein. Betroffen ist der durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete soziale Geltungsanspruch der Klägerin als Wirtschaftsunternehmen (vgl. Senatsurteile vom 3. Juni 1986 - VI ZR 102/85, BGHZ 98, 94, 97; vom 8. Februar 1994 - VI ZR 286/93, AfP 1994, 138 f.; vom 11. März 2008 - VI ZR 7/07, AfP 2008, 297 Rn. 9; vom 16. Dezember 2014 - VI ZR 39/14, AfP 2015, 41 Rn. 12). Denn die Behauptungen sind geeignet, ihr unternehmerisches Ansehen in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen. Die Klägerin wird als unzuverlässig und unredlich dargestellt. Da die angegriffenen Äußerungen jedenfalls zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch im Internet abrufbar waren, wirkt die Rufbeeinträchtigung fort.
- 28
- cc) Für das Revisionsverfahren ist davon auszugehen, dass die Beeinträchtigung des Rufs der Klägerin rechtswidrig ist.
- 29
- (1) Wegen der Eigenart des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (vgl. Senatsurteile vom 29. April 2014 - VI ZR 137/13, AfP 2014, 325 Rn. 8; vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 22; vom 30. September 2014 - VI ZR 490/12, AfP 2014, 534, 536).
- 30
- (2) Im Streitfall ist deshalb das unter bb) genannte Schutzinteresse der Klägerin mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK verankerten Recht des Beklagten auf Meinungsfreiheit abzuwägen.
- 31
- In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind verschiedene Kriterien entwickelt worden, die Leitlinien für den konkreten Abwägungsvorgang vorgeben (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2014 - VI ZR 39/14, AfP 2015, 41 Rn. 21 mwN). Danach fällt bei Tatsachenbehauptungen bei der Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen ihr Wahrheitsgehalt ins Gewicht. Denn an der Aufrechterhaltung und Weiterverbreitung herabsetzender Tatsachenbehauptungen, die unwahr sind, besteht unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit kein schützenswertes Interesse (BVerfG, NJW 2012, 1643 Rn. 33; NJW 2013, 217, 218). Wahre Tatsachenbehauptungen müssen dagegen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind (vgl. Senatsurteile vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, AfP 2013, 50 Rn. 12 mwN; vom 16. Dezember 2014 - VI ZR 39/14, AfP 2015, 41 Rn. 21; BVerfG, NJW 2012, 1643 Rn. 33).
- 32
- Auf der Grundlage des Mangels abweichender Feststellungen revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachvortrags der Klägerin hat das Recht des Beklagten auf Meinungsfreiheit nach diesen Grundsätzen hinter dem Interesse der Klägerin am Schutz ihres sozialen Geltungsanspruchs als Wirtschaftsunternehmen zurückzutreten. Denn danach sind die von der Klägerin beanstandeten Tatsachenbehauptungen unwahr. Zu Gunsten der Klägerin ist weiter zu berücksichtigen , dass der Beklagte seine Äußerungen nach dem zu unterstellenden Sachvortrag der Klägerin in erster Linie im eigenen Interesse zur Gewinnung neuer Mandanten gemacht und kein Informationsanliegen im Zusammenhang mit einer die Verbraucher wesentlich berührenden Frage verfolgt hat (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2014 - VI ZR 39/14, AfP 2015, 41 Rn. 23 mwN).
- 33
- dd) Nach dem mangels abweichender Feststellungen revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachvortrag der Klägerin ist der Beklagte auch für die rechtswidrige Störung verantwortlich.
- 34
- (1) Als Störer im Sinne von § 1004 BGB ist ohne Rücksicht darauf, ob ihn ein Verschulden trifft, jeder anzusehen, der die Störung herbeigeführt hat oder dessen Verhalten eine Beeinträchtigung befürchten lässt. Von der Norm erfasst wird sowohl der unmittelbare Störer, der durch sein Verhalten selbst die Beeinträchtigung adäquat verursacht hat, als auch der mittelbare Störer, der in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat. Dabei genügt als Mitwirkung in diesem Sinne auch die Unterstützung oder die Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte (vgl. Senatsurteile vom 14. Mai 2013 - VI ZR 269/12, BGHZ 197, 213 Rn. 24; vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, AfP 2009, 494 Rn. 13; vom 18. November 2014 - VI ZR 76/14, AfP 2015, 36 Rn. 37; BGH, Urteil vom 17. Dezember 2010 - V ZR 44/10, AfP 2011, 156 Rn. 10 ff., jeweils mwN). Abweichend von dem im Urheber- und Markenrecht entwickelten Begriffsverständnis des I. Zivilsenats (vgl. Urteil vom 19. April 2007 - I ZR 35/04, BGHZ 172, 119 Rn. 34 - Internet-Versteigerung II sowie zuletzt Urteil vom 5. Februar 2015 - I ZR 240/12, GRUR 2015, 485 Rn. 49 - Kinderhochstühle im Internet III) wird im Rahmen des § 1004 BGB auch derjenige als - unmittelbarer - Störer bezeichnet, der nach der Art seines Tatbeitrags sonst als Täter oder Teilnehmer anzusehen wäre (vgl. Senatsurteile vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, AfP 2009, 494 Rn. 13; vom 14. Mai 2013 - VI ZR 269/12, BGHZ 197, 213 Rn. 24; BGH, Urteil vom 24. Juni 2003 - KZR 32/02, BGHZ 155, 189, 194 f. - Buchpreisbindung; NK-BGB/Katzenmeier, 2. Aufl., Vor §§ 823 ff Rn. 83; Hollenders, Mittelbare Verantwortlichkeit von Intermediären im Netz, S. 84 f.; Ingendaay, AfP 2011, 126, 127 f.; von Pentz, AfP 2014, 8, 15 ff.).
- 35
- (2) Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts , der Beklagte sei hinsichtlich der angegriffenen Veröffentlichungen weder "Täter" noch "Teilnehmer" (unmittelbarer Störer), sondern hafte als Dritter, der die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen habe, allenfalls nach den Grundsätzen der Haftung des mittelbaren Störers.
- 36
- (a) Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen hat der Beklagte den auf der Internetseite der Kanzlei von Dr. S. & v. B. abrufbaren ursprünglichen Beitrag selbst verfasst und in das Internet gestellt. Mangels abweichender Feststellungen des Berufungsgerichts ist für die Nachprüfung in der Revisionsinstanz zu unterstellen, dass die von der Klägerin beanstandeten Tatsachenbehauptungen bereits Gegenstand dieses Beitrags waren. Dann hat der Beklagte aber durch sein Verhalten den von der Klägerin beklagten Störungszustand herbeigeführt. Er hat die maßgebliche Ursache für die von der Klägerin beanstandeten Veröffentlichungen gesetzt; erst durch sein Verhalten wurden die beanstandeten Tatsachenbehauptungen einem größeren Personenkreis bekannt und konnten von diesen weiterverbreitet werden (vgl. Senatsurteil vom 3. Februar 1976 - VI ZR 23/72, NJW 1976, 799, 800).
- 37
- (b) Die Revision wendet sich auch mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, der ursprüngliche Beitrag des Beklagten sei für die Folgeveröffentlichungen nicht adäquat kausal geworden, weil es nicht dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge entspreche, dass ein Beitrag ohne Zutun des Verfassers von Dritten veröffentlicht werde. Nach der Rechtsprechung des Senats ist dem Verfasser eines im Internet abrufbaren Beitrags eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auch insoweit zuzurechnen, als sie durch die Weiterverbreitung des Ursprungsbeitrags durch Dritte im Internet entstanden ist. Da Meldungen im Internet typischerweise von Dritten verlinkt und kopiert werden, ist die durch die Weiterverbreitung des Ursprungsbeitrags verursachte Rechtsverletzung sowohl äquivalent als auch adäquat kausal auf die Erstveröffentlichung zurückzuführen. Der Zurechnungszusammenhang ist in solchen Fällen auch nicht deshalb zu verneinen, weil die Persönlichkeitsrechtsverlet- zung insoweit erst durch das selbstständige Dazwischentreten Dritter verursacht worden ist. Denn durch die "Vervielfältigung" der Abrufbarkeit des Beitrags durch Dritte verwirklicht sich eine durch die Veröffentlichung des Ursprungsbeitrags geschaffene internettypische Gefahr (vgl. Senatsurteile vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 55 f.; vom 11. November 2014 - VI ZR 18/14, AfP 2015, 33 Rn. 21).
- 38
- d) Auch wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des Beseitigungsanspruchs auf der Grundlage des revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachverhalts erfüllt sind, kann die Klägerin vom Beklagten allerdings nicht verlangen, die Löschung der angegriffenen Behauptungen zu bewirken. Ihr steht lediglich ein Anspruch darauf zu, dass der Beklagte im Rahmen des ihm Möglichen und Zumutbaren bei den Betreibern der Internetplattformen, auf denen die angegriffenen Äußerungen noch abrufbar sind, auf eine Löschung hinwirkt.
- 39
- aa) Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, ist der Beklagte nicht verpflichtet, die Löschung der angegriffenen Behauptungen "zu bewirken". Unter "Bewirken" der Löschung ist die Herbeiführung eines entsprechenden Erfolgs - der Löschung - zu verstehen. Hierzu ist der Beklagte aber nicht in der Lage, weil er keinen Zugriff auf fremde Internetseiten hat. Allein die Inhaber dieser Internetseiten entscheiden darüber, ob die auf ihren Internetseiten bereitgehaltenen Inhalte der Öffentlichkeit zugänglich bleiben oder nicht. Der Schuldner ist aber nur zu solchen Beseitigungsmaßnahmen verpflichtet, die in seiner Macht stehen (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 2014 - I ZR 76/13, GRUR 2015, 258 Rn. 62 ff.; Ott, WRP 2007, 605, 608; Bornkamm inKöhler/ Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 8 Rn. 1.87; Teplitzky, aaO, 57. Kapitel Rn. 26).
- 40
- bb) In dem Antrag, die Löschung der angegriffenen Behauptungen zu bewirken, ist als Minus das Begehren enthalten, bei den Betreibern der Inter- netplattformen, auf denen die angegriffenen Äußerungen noch abrufbar sind, auf eine Löschung hinzuwirken. Dieser Antrag ist auf der Grundlage des revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachverhalts begründet. Denn die Verpflichtung , den durch das Einstellen rechtswidriger Tatsachenbehauptungen in das Internet geschaffenen Zustand fortdauernder Rufbeeinträchtigung zu beseitigen , schließt die Pflicht mit ein, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren auf die Betreiber der Internetplattformen, auf denen die angegriffenen Äußerungen noch abrufbar sind, einzuwirken, um diese zu einem Entfernen der rechtswidrigen Inhalte zu veranlassen (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 2014 - I ZR 76/13, GRUR 2015, 258 Rn. 70; Ott, WRP 2007, 605, 608; Teplitzky, aaO; Art. 17 des Entwurfs der EU-Datenschutz-Grundverordnung, Stand 11. Juni 2015, abrufbar unter http://www.cr-online.de/Verabschiedete_Fassung_der_ Datenschutz-GVO_durch_den_Europaeischen_Rat_v._11.06.2015.pdf; Wybitul/ Fladung, BB 2012, 509, 511 f.). Es ist anerkannten Rechts, dass der Unterlassungs - oder Beseitigungsschuldner zur Erfüllung der ihm obliegenden Verpflichtung erforderlichenfalls auf Dritte einzuwirken hat, wenn und soweit er auf diese - rechtlich oder tatsächlich - Einfluss nehmen kann (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 2014 - I ZR 76/13, GRUR 2015, 258 Rn. 70; OLG Köln, GRUR-RR 2008, 365; MMR 2010, 782, 783; Ott, WRP 2007, 605, 608; Teplitzky, aaO; Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl. § 12 Rn. 6.7). Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Auswahl unter mehreren tatsächlich möglichen Abhilfemaßnahmen dem Störer überlassen bleiben muss. Dies hat seinen Grund darin, dass die Rechte des Störers nicht weitergehend eingeschränkt werden sollen, als der Schutz des Berechtigten vor Beeinträchtigungen seiner Rechte es erfordert. Abgesehen davon trägt der Störer ggf. das Risiko der Zwangsvollstreckung, wenn die gewählte Maßnahme die Störung nicht beseitigt (vgl. BGH, Urteile vom 22. Oktober 1976 - V ZR 36/75, BGHZ 67, 252, 253; vom 12. Dezember 2003 - V ZR 98/03, VersR 2004, 797, 798; BVerfG, NJW 2010, 220 Rn. 26; Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 8 Rn. 1.81 ff.; BeckOK BGB/Fritzsche § 1004 Rn. 66 (Stand: 01.02.2015)).
- 41
- 3. Die Revision wendet sich schließlich mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, der in dem vom Landgericht nachgelassenen Schriftsatz gestellte und auf Schadensersatz gerichtete Hilfsantrag sei auch im Berufungsverfahren nicht zu berücksichtigen, weil er verspätet sei. Das Berufungsgericht hat übersehen, dass die Klägerin diesen Antrag in der Berufungsinstanz ausdrücklich gestellt und ihn damit durch nachträgliche (Eventual-)Klagehäufung in den Prozess eingeführt hat (vgl. BGH, Urteil vom 20. August 2009 - VII ZR 205/07, BGHZ 182, 158 Rn. 71). Das Berufungsgericht hätte über diesen Antrag entscheiden müssen. Die objektive Klagehäufung ist wie eine Klageänderung im Sinne der §§ 263, 533 ZPO zu behandeln (vgl. BGH, Urteile vom 4. Februar 2015 - VIII ZR 175/14, NJW 2015, 1296 Rn.14; vom 19. März 2004 - V ZR 104/03, NJW 2004, 2152, 2154; vom 27. September 2006 - VIII ZR 19/04, NJW 2007, 2414 Rn. 8). Die mit dem Hilfsantrag verbundene Klageänderung ist gemäß § 533 ZPO zulässig. Der Beklagte hat stillschweigend in die Klageänderung eingewilligt. Seine Einwilligung ist entsprechend § 267 ZPO unwiderleglich zu vermuten, da er sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht rügelos auf die geänderte Klage eingelassen hat (vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 1956 - I ZR 43/55, BGHZ 21, 8, 13; Musielak/Ball, ZPO, 12. Aufl., § 533 Rn. 4). Die Klägerin stützt ihren Hilfsantrag darüber hinaus ausschließlich auf Tatsachen, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hatte (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 2015 - I ZR 127/13, NJW 2015, 1608).
- 42
- 4. Das Berufungsurteil war deshalb aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die erforderlichen Feststellungen treffen kann (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Galke Wellner von Pentz Offenloch Roloff
LG Hamburg, Entscheidung vom 31.05.2013 - 324 O 550/12 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 08.07.2014 - 7 U 60/13 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger nimmt die Beklagten auf Unterlassung angeblich persönlichkeitsrechtsverletzender Veröffentlichungen in Anspruch.
- 2
- Der Kläger, der als Friseur von zahlreichen Prominenten bekannt geworden ist, betreibt mehrere Friseurgeschäfte. Im März 2012 veröffentlichten die Beklagte zu 1 in der von ihr verlegten BILD-Zeitung und die Beklagte zu 2 in dem von ihr betriebenen Internetportal www.bild.de unter der Überschrift "Filial- leiter von U. W. [voller Name des Klägers] mit ‚Hells Angels‘ verhaftet" einen Artikel, in dem im Wesentlichen darüber berichtet wird, dass Benjamin S., ein Mitarbeiter des Klägers, zusammen mit einem Freund und zwei Mitgliedern der Gruppierung "Hells Angels" wegen des Vorwurfs der versuchten schweren räuberischen Erpressung verhaftet worden sei. Wörtlich heißt es dazu unter anderem : "Als Filialleiter bei Promi-Friseur U. W. [voller Name des Klägers] (67) frisiert Benjamin S. (26) die Reichen und Schönen. Jetzt verhaftete das SEK den Kudamm-Geschäftsführer, einen Freund (29) und zwei "Hells Angels"-Rocker (25, 29)! Der Vorwurf: versuchte schwere räuberische Erpressung. Was hat der Figaro bloß mit den Rockern zu tun? […] Dem Filialleiter tut jetzt alles leid. Über seinen Chef sagt er: ‚Ich bin im Kreuzberger Kiez groß geworden. U. [Vorname des Klägers ] weiß, dass ich eine schwierige Vergangenheit habe. Er hat mir trotzdem eine Chance gegeben.‘"
- 3
- Der Kläger ist insbesondere der Auffassung, er müsse es nicht dulden, für die Beklagten als Aufmacher für ein Ermittlungsverfahren gegen eine dritte Person herzuhalten. Er nimmt die Beklagten darauf in Anspruch, es zu unterlassen , ihn namentlich im Zusammenhang mit einer Festnahme eines Herrn Benjamin S. zu erwähnen, insbesondere wenn dies wie geschehen passiere.
- 4
- Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten das Ziel der Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
- 5
- Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stünden gegen die Beklagten die geltend gemachten Unterlassungsansprüche gemäß § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG zu, weil die Nennung seines Namens im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Festnahme von Benjamin S. rechtswidrig in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht eingreife. Zwar betreffe die Namensnennung lediglich die Sozialsphäre des Klägers. Auch beziehe sich die Berichterstattung auf wahre Tatsachen. Die Veröffentlichungen entfalteten aber ungeachtet des Umstandes, dass dem Kläger kein beanstandungswürdiges Verhalten vorgeworfen und er letztlich positiv dargestellt werde, eine unzulässige Prangerwirkung. Denn der Kläger und insbesondere das unter seinem Namen firmierende Geschäft würden in einen Zusammenhang mit einer der organisierten Kriminalität zuzurechnenden Gruppierung gebracht, was geeignet sei, den Kläger und seine geschäftliche Tätigkeit zu beeinträchtigen.
II.
- 6
- 1. Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die angegriffene Berichterstattung stellt keinen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers dar.
- 7
- a) Der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers ist allerdings betroffen.
- 8
- aa) Dies ergibt sich noch nicht alleine aus dem Umstand, dass der Kläger im angegriffenen Artikel überhaupt namentlich erwähnt wird. Denn anders als bei der Veröffentlichung eines Bildes einer Person, die eine grundsätzlich rechtfertigungsbedürftige Beschränkung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts begründet, die unabhängig davon ist, ob die Person in privaten oder öffentlichen Zusammenhängen und in vorteilhafter oder unvorteilhafter Weise abgebildet ist, ist dies bei personenbezogenen Wortberichten nicht ohne Weiteres der Fall. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG bietet nicht schon davor Schutz, überhaupt in einem Bericht individualisierend benannt zu werden, sondern nur in spezifischen Hinsichten (Senatsurteil vom 26. Oktober 2010 - VI ZR 230/08, BGHZ 187, 200 Rn. 8 ff.; BVerfG, NJW 2012, 1500 Rn. 35; NJW 2011, 740 Rn. 52).
- 9
- bb) Betroffen ist der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aber unter dem Gesichtspunkt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung , das über den Schutz der Privatsphäre hinausgeht und sich als Befugnis des Einzelnen darstellt, grundsätzlich selbst darüber zu entscheiden, ob und wann sowie innerhalb welcher Grenzen seine persönlichen Daten in die Öffentlichkeit gebracht werden (vgl. z.B. Senatsurteile vom 23. September 2014 - VI ZR 358/13, VersR 2014, 1465 Rn. 26, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt ; vom 29. April 2014 - VI ZR 137/13, VersR 2014, 968 Rn. 6; vom 23. Juni 2009 - VI ZR 196/08, BGHZ 181, 328 Rn. 28; vom 13. November 1990 - VI ZR 104/90, VersR 1991, 433, 434). Es erschöpft sich nicht in der Funktion des Abwehrrechts des Bürgers gegen den Staat, sondern entfaltet als Grundrecht Drittwirkung und beeinflusst hierdurch auch die Werteordnung des Privatrechts (vgl. Senatsurteile vom 23. September 2014 - VI ZR 358/13, aaO; vom 23. Juni 2009 - VI ZR 196/08, aaO). In dem angegriffenen Artikel wird dem Leser mitgeteilt, dass der Kläger Benjamin S. beschäftigt. Dass dieser Umstand der beruflichen Sphäre des Klägers zuzuordnen ist, steht der Annahme eines Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht entgegen (vgl. Senatsurteile vom 23. September 2014 - VI ZR 358/13, aaO, Rn. 35; vom 23. Juni 2009 - VI ZR 196/08, aaO Rn. 29; vgl. ferner Senatsurteil vom 21. November 2006 - VI ZR 259/05, VersR 2007, 511 Rn. 11 f.; noch zweifelnd: Senatsurteil vom 13. November 1990 - VI ZR 104/90, VersR 1991, 433, 434).
- 10
- cc) Darüber hinaus ist die ebenfalls vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützte (BGH, Urteil vom 10. November 1994 - I ZR 216/92, NJW-RR 1995, 301, 303; Burkhardt in Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung , 5. Aufl., Kap. 5 Rn. 94) Geschäftsehre des Klägers tangiert. Zwar wird dem Kläger selbst kein Vorwurf gemacht. Er wird aber - worauf bereits das Landgericht hingewiesen hat - insbesondere durch die Gestaltung der Überschrift , in der bereits sein Name genannt wird, in einen Zusammenhang mit den "Hells Angels" gebracht. Die im Artikel dabei enthaltene Aussage, in seinem Geschäft arbeite mit Benjamin S. eine Person, die einer gemeinsam mit zwei Mitgliedern der "Hells Angels" begangenen Straftat verdächtig sei, ist für das Ansehen und den geschäftlichen Erfolg des Klägers abträglich, da sich Kunden aufgrund dieses Umstandes möglicherweise veranlasst sehen, auf einen Besuch in einem Geschäft des Klägers zu verzichten, weil sie mit vermeintlichen Straftätern und den "Hells Angels" nichts zu tun haben wollen.
- 11
- dd) Von der angegriffenen Berichterstattung nicht betroffen ist indes die vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützte Privatsphäre des Klägers. Denn der Kläger wird allein als Arbeitgeber des Benjamin S. und damit ausschließlich in Bezug auf seine berufliche Tätigkeit, die der Sozialsphäre zuzurechnen ist, erwähnt.
- 12
- b) Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers ist aber nicht rechtswidrig.
- 13
- aa) Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (st. Rspr., vgl. nur Senatsurteil vom 30. September 2014 - VI ZR 490/12, AfP 2014, 534, 536 mwN).
- 14
- bb) Im Streitfall sind das durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 (auch in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1 GG) und Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Interesse des Klägers am Schutz seiner sozialen Anerkennung, seiner Geschäftsehre und seiner persönlichen Daten mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 10 EMRK verankerten Recht der Beklagten auf Meinungs- und Medienfreiheit abzuwägen. Diese Abwägung ergibt - anders als das Berufungsgericht meint -, dass die geschützten Interessen der Beklagten diejenigen des Klägers überwiegen.
- 15
- (1) Bei Tatsachenbehauptungen hängt die Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen insbesondere vom Wahrheitsgehalt ab. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie für den Betroffenen nachteilig sind, unwahre dagegen nicht (Senatsurteil vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 23 mwN). Nach den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Feststellungen des Landgerichts sind die im angegriffenen Artikel der Beklagten aufgestellten Tatsachenbehauptungen wahr. Ob dies auch für die Behauptung gilt, bei Benjamin S. handle es sich um den Filialleiter der "Kudamm-Filiale", kann dahinstehen. In welcher Funktion Benjamin S. tätig ist, als Filialleiter oder als Verantwortlicher am Empfang, hat für die den Kläger betreffende Abwägung keine Bedeutung.
- 16
- (2) Besondere Umstände, aufgrund derer die Abwägung trotzdem zulasten der Meinungs- und Medienfreiheit der Beklagten ausfallen könnte, sind nicht ersichtlich. Im Gegenteil spricht für ein Überwiegen der geschützten Interessen der Beklagten auch der Umstand, dass die angegriffene Berichterstattung den Kläger nur in seiner beruflichen Sphäre betrifft. Schwerwiegende Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht des Klägers, wie sie nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (Senatsurteile vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 262/10, ZUM-RD 2012, 253 Rn. 12; vom 17. November 2009 - VI ZR 226/08, VersR 2010, 220 Rn. 21; vom 23. Juni 2009 - VI ZR 196/08, BGHZ 181, 328 Rn. 31) erforderlich wären, um an Äußerungen im Rahmen der Sozialsphäre negative Sanktionen knüpfen zu können, drohen nicht. Die angegriffene Berichterstattung belastet den Kläger nur in geringem Maße. Insbesondere drohen - in Bezug auf den Kläger - weder soziale Ausgrenzung noch Stigmatisierung oder Prangerwirkung.
- 17
- Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung kann eine stigmatisierende Wirkung des Artikels in Bezug auf den Kläger nicht aus dem Umstand abgeleitet werden, dass über ihn im Zusammenhang mit einem strafrechtlichen Verfahren berichtet wird. Zwar mag es - wie die Revisionserwiderung annimmt - durchaus zutreffen, dass im Zusammenhang mit einem Strafverfahren bereits die namentliche Nennung einer Person stigmatisierend wirken kann. Im Streitfall ist dies in Bezug auf den Kläger aber gerade nicht der Fall. Es wird im angegriffenen Artikel nämlich in keiner Weise behauptet, der Kläger sei in das möglicherweise strafrechtlich relevante Geschehen in irgendeiner Weise involviert gewesen.
- 18
- Darüber hinaus entfaltet die angegriffene Berichterstattung in Bezug auf den Kläger auch keine Prangerwirkung. Eine solche kommt - wie das Berufungsgericht noch zutreffend erkannt hat - in Betracht, wenn ein beanstandungswürdiges Verhalten einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht wird und sich dies schwerwiegend auf Ansehen und Persönlichkeitsentfaltung des Betroffenen auswirkt (BVerfG, VersR 2010, 1194 Rn. 25). Dies ist hier nicht der Fall. Der angegriffene Artikel enthält keinerlei gegen den Kläger gerichtete Vorwürfe. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Nennung des Namens des Klägers im Zusammenhang mit dem Umstand, dass "(s)ein 'Filialleiter' mit 'Hells Angels' verhaftet wurde", stehe dem Vorwurf eines beanstandungswürdigen Verhaltens im Sinne der Prangerwirkung gleich, teilt der erkennende Senat nicht. Auch wenn die im Artikel enthaltene Aussage - wie dargelegt - die Geschäftsehre des Klägers berührt, entspricht die von ihr ausgehende Ehrbeeinträchtigung weder hinsichtlich ihrer Qualität noch ihrer Intensität den an die Annahme einer unzulässigen Prangerwirkung zu stellenden Anforderungen. Der von der Revisionserwiderung in diesem Zusammenhang betonte Umstand, der Kläger sei von Kunden auf die im Artikel thematisierten Vorgänge angesprochen worden, geht über eine bloße Unannehmlichkeit nicht hinaus. Eine tatsächlich eingetretene wirtschaftliche Beeinträchtigung, die das Gewicht des Eingriffs verstärken könnte, macht der Kläger selbst nicht geltend.
- 19
- (3) Weiter ändert am Ergebnis der Abwägung und der Zulässigkeit der streitgegenständlichen Veröffentlichung auch der Umstand nichts, dass über die Festnahme des Benjamin S. und deren Hintergründe auch hätte berichtet werden können, ohne den Kläger zu erwähnen. Es gehört zum Kern der Meinungsund Medienfreiheit, dass die Medien im Grundsatz nach ihren eigenen publizistischen Kriterien entscheiden können, was sie des öffentlichen Interesses - auch unter dem Gesichtspunkt des "Aufmachers" - wert halten und was nicht. Denn die Meinungsfreiheit ist nicht nur unter dem Vorbehalt des öffentlichen Interesses geschützt, sondern garantiert primär die Selbstbestimmung des einzelnen Grundrechtsträgers über die Entfaltung seiner Persönlichkeit in der Kommunikation mit anderen. Bereits hieraus bezieht das Grundrecht sein in eine Abwägung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht einzustellendes Gewicht , das durch ein mögliches öffentliches Informationsinteresse lediglich weiter erhöht werden kann (Senatsurteil vom 29. April 2014 - VI ZR 137/13, VersR 2014, 968 Rn. 23 mwN). Im Übrigen kann ein objektives Informationsinteresse an der Berichterstattung darüber, dass der prominente Kläger Benjamin S. trotz seiner "schwierigen Vergangenheit" beschäftigt, nicht verneint werden.
- 20
- (4) Zuletzt greift der Einwand der Revisionserwiderung nicht, die namentliche Nennung des Klägers in der angegriffenen Berichterstattung sei auch deshalb unzulässig, weil sie im Zusammenhang mit einer unzulässigen Verdachtsberichterstattung erfolgt sei. Dabei kann offenbleiben, ob in Bezug auf Benjamin S. tatsächlich von einer unzulässigen identifizierenden Verdachtsberichterstattung ausgegangen werden kann. Denn jedenfalls könnte der Kläger daraus nichts für sich herleiten. Dass Benjamin S. in - unterstellt - unzulässiger Weise identifizierbar dargestellt wurde, bedeutet nicht, dass auch der Kläger in diesem Zusammenhang nicht hätte namentlich erwähnt werden dürfen.
- 21
- 2. Der erkennende Senat kann nach § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden, da weitere Feststellungen nicht erforderlich sind. Galke Diederichsen Pauge Offenloch Oehler
LG Berlin, Entscheidung vom 30.10.2012 - 27 O 425/12 -
KG Berlin, Entscheidung vom 29.07.2013 - 10 U 182/12 -
BUNDESGERICHTSHOF
Rechtsverletzung sowie den Erkenntnismöglichkeiten des Providers zu. Zu berücksichtigen sind aber auch Funktion und Aufgabenstellung des vom Provider betriebenen Dienstes sowie die Eigenverantwortung des für die persönlichkeitsbeeinträchtigende Aussage unmittelbar verantwortlichen - ggf. zulässigerweise anonym auftretenden - Nutzers.
d) Der vom Betreiber eines Arztbewertungsportals verlangte Prüfungsaufwand darf den Betrieb des Portals weder wirtschaftlich gefährden noch unverhältnismäßig erschweren, hat aber zu berücksichtigen, dass eine gewissenhafte Prüfung der Beanstandungen von betroffenen Ärzten durch den Portalbetreiber eine entscheidende Voraussetzung dafür ist, dass die Persönlichkeitsrechte der (anonym oder pseudonym) bewerteten Ärzte beim Portalbetrieb hinreichend geschützt sind. BGH, Urteil vom 1. März 2016 - VI ZR 34/15 - OLG Köln LG Köln
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. Dezember 2015 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter Stöhr, die Richterin von Pentz, den Richter Offenloch und die Richterin Dr. Oehler
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger nimmt die Beklagte darauf in Anspruch, die Verbreitung einer in einem Arztbewertungsportal von einem Dritten abgegebenen Bewertung zu unterlassen.
- 2
- Der Kläger ist Zahnarzt und betreibt eine Zahnarztpraxis mit insgesamt zehn Ärzten und 60 nichtärztlichen Angestellten. Die Beklagte unterhält unter der Internetadresse www.jameda.de einen Internetdienst, in dem Interessierte bei Eingabe bestimmter Suchkategorien, wie etwa medizinischer Fachgebiete, Informationen über Ärzte aufrufen können. Registrierten Nutzern wird darüber hinaus die Möglichkeit geboten, die Tätigkeit von Ärzten zu bewerten. Bewertungen , die diese Nutzer in dem Bewertungsportal ohne Nennung ihres Klarnamens platzieren können, erfolgen durch die Vergabe von Schulnoten für die vorformulierten Kategorien "Behandlung", "Aufklärung", "Vertrauensverhältnis", "genommene Zeit" und "Freundlichkeit". Ferner hat der Bewertende die Möglichkeit , in einem Freitextfenster zusätzliche, den Arzt betreffende Kommentare in eigenen Worten niederzulegen.
- 3
- Unter dem 10. August 2013 stellte ein anonymer Nutzer in der Rubrik "Bewertung für Dr. H. [Nachname des Klägers]" eine den Kläger betreffende Bewertung in das Portal der Beklagten ein. Nach dem hervorgehobenen Hinweis "Ich kann Dr. H. [Nachname des Klägers] nicht empfehlen" bemerkte der Nutzer: "Leider ist es einfach, eine positive Bewertung zu schreiben, eine negative dagegen ist - auch rechtlich - schwierig, weshalb ich für die Bewertung auf die Schulnotenvergabe verweise, welche ich mir sorgfältigst überlegt habe".
- 4
- Im folgenden Abschnitt "Notenbewertung dieses Patienten" wurde die Gesamtnote 4,8 genannt, die sich aus den von dem genannten Nutzer in den vorbezeichneten fünf Kategorien vergebenen Einzelnoten, darunter jeweils die Note 6 für "Behandlung", "Aufklärung" und "Vertrauensverhältnis", ergab.
- 5
- Der Kläger wandte sich hierauf an die Beklagte und teilte ihr mit, er widerspreche "der […] unbegründeten und unsubstantiierten Bewertung", die ihn verunglimpfe. Er kündigte an, "sowohl gegen Jameda als auch gegen den schmähenden (fraglichen) Patienten rechtlich […] vorzugehen, wenn die Schmähung nicht innerhalb von 48 Stunden entfernt" werde. Die Beklagte entfernte den Beitrag zunächst, stellte ihn dann jedoch unverändert wieder in ihr Portal ein. Der Kläger wandte sich hierauf mit anwaltlichem Schreiben an die Beklagte. Er führte darin aus, bei der angegriffenen Bewertung gebe "sich erkennbar jemand Mühe, jegliche tatsächliche Aussage zu vermeiden". Es liege nahe, dass dies seinen Grund darin habe, dass es eine solche Behandlung überhaupt nicht gegeben habe. Auf die anwaltliche Aufforderung des Klägers, den Beitrag zu löschen und ihm Auskunft darüber zu erteilen, auf welche Weise der "angebliche Patient" die Behandlung belegt habe und welche Glaubhaftmachungen dazu vorgelegt worden seien, ferner über die "Klardaten", die der Beklagten aufgrund des "angeblichen Kontakts" mit dem Nutzer vorlägen, führte die Beklagte unter anderem aus: "[…] Im Rahmen unserer Qualitätsprüfung haben wir den Bewerter angeschrieben und um Bestätigung der Bewertung sowie eine Erklärung gebeten. Der Bewerter hat die Bewertung sehr ausführlich bestätigt. Anschließend hatten wir keine Anhaltspunkte, die uns an der Authentizität der Bewertung zweifeln ließen. Eine Überprüfung dieser Rückmeldung erfolgt immer manuell durch unsere Mitarbeiter auf Basis der Problem-Meldung Ihres Mandanten, wobei unser technisches System als Ergänzung fungiert. Dabei weisen uns vor allem Hintergrunddaten (bspw. E-Mail-Adresse), die bei der Abgabe einer Bewertung mitversandt werden, auf eine eventuelle Mehrfachbewertung hin. Die Notenbewertung entspricht der freien Meinungsäußerung und ist durch das Gesetz geschützt. In seiner Rückmeldung erklärt der Nutzer , welche Vorkommnisse ihn dazu veranlasst haben, eine solche Notenbewertung abzugeben. Viele Patienten schildern ihre Erlebnis- se und Erfahrungen in Kurzform und vermeiden eine Schilderung von Tatsachenbehauptungen (auch wenn sie der Wahrheit entsprechen), da diese für die Patienten oftmals nicht zu beweisen sind. […] Bedauerlicherweise können wir Ihrem Wunsch auf Herausgabe der Nutzerdaten nicht nachkommen, da wir diese Daten schützen müssen (das Arzt-Patientenverhältnis ist äußerst sensibel). […] Wir bitten um Ihr Verständnis, dass wir die Bewertung nicht löschen können."
- 6
- Eine Stellungnahme des Verfassers der angegriffenen Bewertung selbst hat die Beklagte dem Kläger nicht zur Verfügung gestellt.
- 7
- Der Kläger hat die Beklagte - soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse - darauf in Anspruch genommen, es zu unterlassen, die ihn betreffende Bewertung vom 10. August 2013 zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen, soweit diese die Bewertung "6,0" in den Kategorien "Behandlung", "Aufklärung" und "Vertrauensverhältnis" beinhalte. Er hat unter anderem behauptet, der abgegebenen Bewertung liege kein Behandlungskontakt zugrunde.
- 8
- Das Landgericht hat der Klage insoweit stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Unterlassungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
A.
- 9
- Das Berufungsgericht, dessen Urteil in ZD 2015, 430 veröffentlicht ist, ist der Auffassung, dem Kläger stehe gegen die Beklagte kein Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung und/oder Verbreitung des streitgegenständlichen Beitrags zu. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die nur in ihrer Funktion als Hostprovider in Anspruch genommene Beklagte könne bezüglich des in ihre Website eingestellten Drittinhalts nur eine Haftung als mittelbare Störerin treffen. Die dafür nach der "Blog-Eintrag-Entscheidung" des erkennenden Senats (Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 93/10, BGHZ 191, 219) erforderlichen Voraussetzungen seien im Streitfall aber nicht erfüllt, weil die Beklagte der sie danach treffenden Prüfungspflicht mit den von ihr ergriffenen und gegenüber dem Kläger kommunizierten Maßnahmen genügt habe.
- 10
- So habe sie vom Verfasser des Beitrags mit folgender E-Mail vom 14. August 2013 eine Stellungnahme zur Frage eingeholt, ob er Patient des Klägers gewesen sei: "Liebe Nutzerin, lieber Nutzer, Sie haben […]. Dr. H[…] hat sich bei uns gemeldet und die Echtheit der Bewertung in Frage gestellt. In diesem Fall sind wir dazu verpflichtet, diesem Hinweis nachzugehen und Ihre Bewertung zu prüfen. Um diese Prüfung positiv abzuschließen, ist es nötig, dass Sie uns Ihre Bewertung noch einmal bestätigen. Bitte antworten Sie uns hierzu kurz auf diese EMail , indem Sie die Behandlung in mindestens zwei Sätzen umschreiben und den Behandlungszeitraum nennen. Selbstverständlich geben wir keine dieser In- formationen an den Arzt weiter. Sie dienen nur unserer internen Prüfung.
- 11
- Der Verfasser des Beitrags habe hierauf mit folgender - von der Beklagten im Rahmen des Rechtsstreits in teilweise unkenntlich gemachter Form vorgelegter - E-Mail bejahend Stellung genommen: "Sehr geehrte Damen und Herren, ich bestätige hiermit die Bewertung. Ich war etwa im [unkenntlich] diesen Jahres bei Dr. H[…]. Er diagnostizierte [unkenntlich]. Dr. H[…] versuchte [unkenntlich] was ich [unkenntlich] Ich ließ [unkenntlich] noch in seiner Praxis eine Prophylaxe durchführen [unkenntlich] Mit freundlichen Grüßen"
- 12
- Sollte aus der der Beklagten vom Verfasser des Beitrags zudem vorgelegten Terminbestätigung - wie vom Kläger behauptet - lediglich ein Prophylaxetermin , nicht aber ein ärztlicher Behandlungstermin hervorgehen, rechtfertige dies im Hinblick auf die vorgenannte E-Mail keine abweichende Würdigung.
- 13
- Unter den Umständen des Streitfalls sei die Beklagte im Rahmen ihrer Prüfungspflicht nicht gehalten gewesen, die auf diese Weise im unmittelbaren Kontakt mit dem Verfasser des Beitrags gewonnenen Informationen wiederum an den Kläger weiterzugeben, damit dieser hierzu vertieft Stellung nehmen könne. Denn die Beklagte habe den datenschutzrechtlichen Bestimmungen Rechnung zu tragen gehabt, nach denen sie die Identität des Nutzers nicht habe offenlegen dürfen.
- 14
- Damit stelle sich die Frage, welche Auswirkungen es für die Störerhaftung der Beklagten habe, dass die Prüfung der Berechtigung der vorgebrachten Beanstandung durch die Beklagte an einem Punkt habe innehalten müssen, an dem das weitere Vorgehen in Form der Übersendung der Stellungnahme des Bewertenden an den Kläger nur unter Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen möglich gewesen wäre. Diese Frage sei dahingehend zu beantworten , dass die Störerhaftung der Beklagten entfalle. Denn bei einer Abwägung der kollidierenden Interessen sei es eher dem Kläger zuzumuten, eine seine beruflichen Leistungen womöglich unzulässig kritisierende Bewertung hinzunehmen, als dies umgekehrt für den Fall der Löschung einer zulässigen Bewertung aus dem Portal der Beklagten gelte.
B.
- 15
- I. Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Mit den Erwägungen des Berufungsgerichts lässt sich die Störereigenschaft der Beklagten und damit der vom Kläger geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG nicht verneinen.
- 16
- 1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass es im Streitfall nicht um die Haftung der Beklagten als unmittelbare Störerin - in der Diktion des I. Zivilsenats "Täterin" (zu den unterschiedlichen Begrifflichkeiten des erkennenden Senats einerseits und des I. Zivilsenats andererseits vgl. Senatsurteil vom 28. Juli 2015 - VI ZR 340/14, AfP 2015, 425 Rn. 34; v. Pentz, AfP 2014, 8, 16) - geht.
- 17
- Unmittelbare Störerin könnte die Beklagte nur dann sein, wenn es sich bei der vom Kläger angegriffenen Bewertung um einen eigenen Inhalt der Beklagten handelte, wobei zu den eigenen Inhalten eines Portalbetreibers auch solche Inhalte gehören, die zwar von einem Dritten eingestellt wurden, die sich der Portalbetreiber aber zu eigen gemacht hat (vgl. Senatsurteile vom 27. März 2012 - VI ZR 144/11, AfP 2012, 264 Rn. 10 f. - RSS-Feeds; vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, AfP 2009, 494 Rn. 19 - Domainverpächter; BGH, Urteil vom 19. März 2015 - I ZR 94/13, NJW 2015, 3443 Rn. 25 - Hotelbewertungsportal). Von einem Zu-Eigen-Machen ist dabei dann auszugehen, wenn der Portalbetreiber nach außen erkennbar die inhaltliche Verantwortung für die auf seiner Internetseite veröffentlichten Inhalte übernommen hat (Senatsurteile vom 27. März 2012 - VI ZR 144/11, AfP 2012, 264 Rn. 11 - RSS-Feeds; vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, AfP 2009, 494 Rn. 19 - Domainverpächter; BGH, Urteil vom 19. März 2015 - I ZR 94/13, NJW 2015, 3443 Rn. 25 - Hotelbewertungsportal), was aus Sicht eines verständigen Durchschnittsnutzers auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände zu beurteilen ist (Senatsurteil vom 27. März 2012 - VI ZR 144/11, AfP 2012, 264 Rn. 11 - RSS-Feeds; BGH, Urteil vom 19. März 2015 - I ZR 94/13, NJW 2015, 3443 Rn. 25 - Hotelbewertungsportal ). Dabei ist bei der Annahme einer Identifikation mit fremden Inhalten grundsätzlich Zurückhaltung geboten (Senatsurteile vom 27. März 2012 - VI ZR 144/11, AfP 2012, 264 Rn. 11 - RSS-Feeds; vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, AfP 2009, 494 Rn. 19 - Domainverpächter; BGH, Urteil vom 19. März 2015 - I ZR 94/13, NJW 2015, 3443 Rn. 25 - Hotelbewertungsportal).
- 18
- Nach diesen Maßstäben hat sich die Beklagte die vom Kläger beanstandete Bewertung nicht zu Eigen gemacht. Dass die Beklagte - was für ein ZuEigen -Machen spräche (vgl. Senatsurteil vom 27. März 2012 - VI ZR 144/11, AfP 2012, 264 Rn. 11 - RSS-Feeds; BGH, Urteil vom 19. März 2015 - I ZR 94/13, NJW 2015, 3443 Rn. 25 ff. mwN - Hotelbewertungsportal) - eine inhaltlich -redaktionelle Überprüfung der auf ihrem Portal eingestellten Nutzerbewertungen auf Vollständigkeit und Richtigkeit vornimmt, ist weder festgestellt noch vom Kläger behauptet worden. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte die von Nutzern abgegebenen Bewertungen als eigene präsentiert. Auch die vor der Veröffentli- chung erfolgende - jedenfalls teilweise automatische - Überprüfung der abgegebenen Bewertungen auf "Unregelmäßigkeiten" und die Ermittlung eines Durchschnittswertes aus den abgegebenen Einzelnoten reichen für die Annahme eines Zu-Eigen-Machens nicht aus (vgl. BGH, Urteil vom 19. März 2015 - I ZR 94/13, NJW 2015, 3443 Rn. 28 - Hotelbewertungsportal; aA wohl Schmidt, Äußerungsrechtlicher Schutz gegenüber Bewertungsportalen im Internet , 2014, 128 f.).
- 19
- 2. Die besonderen Regelungen des Telemediengesetzes (TMG) stehen dem streitgegenständlichen Anspruch nicht entgegen. Die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs, der seine Grundlage - wie hier - in einer vorangegangenen Rechtsverletzung findet, wird durch das Haftungsprivileg des § 10 TMG nicht eingeschränkt (Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 93/10, BGHZ 191, 219 Rn. 19 - Blog-Eintrag; BGH, Urteil vom 11. März 2004 - I ZR 304/01, BGHZ 158, 236, 244 f. - Internetversteigerung I). Auf eine nach § 7 Abs. 2 Satz 1 TMG unzulässige Begründung einer allgemeinen Überwachungsoder Nachforschungspflicht der Beklagten zielt der streitgegenständliche Anspruch nicht ab.
- 20
- Dies steht nicht im Widerspruch zu den Regelungen der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (Abl. EG L 178, S. 1, im Folgenden: ECRL). Art. 14 ECRL lässt nach seinem Absatz 3 die Möglichkeit unberührt, dass ein Gericht nach dem Rechtssystem des jeweiligen Mitgliedsstaates vom Diensteanbieter verlangt, die Rechtsverletzung abzustellen oder zu verhindern (vgl. auch Erwägungsgrund 48).
- 21
- 3. Indes lässt sich die Eigenschaft der Beklagten als mittelbare Störerin mit den Erwägungen des Berufungsgerichts nicht verneinen.
- 22
- a) Grundsätzlich ist als mittelbarer Störer verpflichtet, wer, ohne unmittelbarer Störer zu sein, in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Beeinträchtigung des Rechtsguts beiträgt. Dabei kann als Beitrag auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügen, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte (vgl. Senatsurteile vom 28. Juli 2015 - VI ZR 340/14, AfP 2015, 425 Rn. 34; vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 93/10, BGHZ 191, 219 Rn. 21 mwN - Blog-Eintrag). Die Haftung als mittelbarer Störer darf nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung aber nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden, welche die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben. Sie setzt deshalb die Verletzung von Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfpflichten, voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als mittelbaren Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen des Einzelfalls eine Verhinderung der Verletzung zuzumuten ist (Senatsurteile vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 93/10, BGHZ 191, 219 Rn. 22 - Blog-Eintrag; vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, AfP 2009, 494 Rn. 18 - Domainverpächter; BGH, Urteile vom 17. August 2011 - I ZR 57/09, BGHZ 191, 19 Rn. 20 - Stiftparfüm; vom 17. Dezember 2010 - V ZR 44/10, AfP 2011, 156 Rn. 15; vom 1. April 2004 - I ZR 317/01, BGHZ 158, 343, 350 - Schöner Wetten; vom 11. März 2004 - I ZR 304/01, BGHZ 158, 236, 251 - Internetversteigerung I; vom 30. April 2008 - I ZR 73/05, NJW-RR 2008, 1136 Rn. 50 - Internetversteigerung III).
- 23
- Danach ist ein Hostprovider zur Vermeidung einer Haftung als mittelbarer Störer grundsätzlich nicht verpflichtet, die von den Nutzern in das Netz gestellten Beiträge vor der Veröffentlichung auf eventuelle Rechtsverletzungen zu überprüfen. Er ist aber verantwortlich, sobald er Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt. Weist ein Betroffener den Hostprovider auf eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts durch den Nutzer seines Angebots hin, kann der Hostprovider verpflichtet sein, künftig derartige Störungen zu verhindern (Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 93/10, BGHZ 191, 219 Rn. 24 - Blog-Eintrag; vgl. auch BGH, Urteile vom 17. August 2011 - I ZR 57/09, BGHZ 191, 19 Rn. 21 - Stiftparfüm; vom 12. Juli 2007 - I ZR 18/04, BGHZ 173, 188 Rn. 41 ff. - Jugendgefährdende Medien bei eBay; vom 11. März 2004 - I ZR 304/01, BGHZ 158, 236, 251 f. - Internet-Versteigerung I).
- 24
- Wird eine Verletzung von Persönlichkeitsrechten behauptet, wird sich eine Rechtsverletzung allerdings nicht stets ohne Weiteres feststellen lassen. Denn sie erfordert eine Abwägung zwischen dem Recht des Betroffenen auf Schutz seiner Persönlichkeit aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK und dem durch Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK geschützten Recht jedenfalls des Providers auf Meinungs- und Medienfreiheit. Ist der Provider mit der Beanstandung eines Betroffenen konfrontiert, die so konkret gefasst ist, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung des Betroffenen unschwer bejaht werden kann, ist eine Ermittlung und Bewertung des gesamten Sachverhalts unter Berücksichtigung einer etwaigen Stellungnahme des für den beanstandeten Beitrag Verantwortlichen erforderlich (Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 93/10, BGHZ 191, 219 Rn. 25 f. - Blog-Eintrag). Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung gilt dies auch dann, wenn die beanstandete Äußerung - wie im Streitfall (vgl. nachfolgend unter b) - nicht als Tatsachenbehauptung , sondern als Werturteil zu qualifizieren ist, das Werturteil vom Betroffenen aber mit der schlüssigen Behauptung als rechtswidrig beanstandet wird, der tatsächliche Bestandteil der Äußerung, auf dem die Wertung aufbaue, sei unrichtig, dem Werturteil fehle damit jegliche Tatsachengrundlage.
- 25
- b) Danach war die Beklagte entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung im Streitfall gehalten, der Rüge des Klägers nachzugehen. Sie war hinreichend konkret gefasst und ließ den behaupteten Rechtsverstoß unschwer erkennen.
- 26
- aa) Die Behauptung des Klägers, der angegriffenen Bewertung liege kein Behandlungskontakt zugrunde, war hinreichend konkret. Dem steht nicht entgegen , dass es sich letztlich um eine Mutmaßung des Klägers handelte, die er nicht weiter unterlegt hat. Denn zu konkreteren Darlegungen der Beklagten gegenüber war der Kläger angesichts der Tatsache, dass die Bewertung keinerlei tatsächliche, die konkrete Behandlung beschreibende Angaben enthielt, nicht in der Lage.
- 27
- bb) Auf der Grundlage der Beanstandung des Klägers war der Rechtsverstoß unschwer zu bejahen. Denn trifft die Behauptung des Klägers zu, so verletzt die angegriffene Bewertung den Kläger offensichtlich - was auch die Beklagte nicht in Abrede stellt - in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht.
- 28
- (1) Die beanstandete Bewertung greift in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers ein. Betroffen sind die Ehre und soziale Anerkennung des Klägers. Denn die Bewertung seiner im Rahmen einer (behaupteten) Behandlung erbrachten Leistungen in den Kategorien "Behandlung" , "Aufklärung" und "Vertrauensverhältnis" mit der Note 6 und damit als "ungenügend" bringt zum Ausdruck, dass der Kläger in zentralen Bereichen des Behandlungsgeschehens den an ihn gestellten Anforderungen aus Sicht des die Behandlung bewertenden Patienten nicht gerecht geworden ist. Die Kundgabe dieser Bewertung ist geeignet, sich abträglich auf das Bild des Klägers in der Öffentlichkeit auszuwirken.
- 29
- (2) Liegt der angegriffenen Bewertung kein tatsächlicher Behandlungskontakt zugrunde, ist der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers auch rechtswidrig.
- 30
- (a) Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. nur Senatsurteile vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 22 - Sächsische Korruptionsaffäre; vom 15. September 2015 - VI ZR 175/14, VersR 2015, 1437 Rn. 20; vom 28. Juli 2015 - VI ZR 340/14, AfP 2015, 425 Rn. 29; vom 13. Januar 2015 - VI ZR 386/13, VersR 2015, 336 Rn. 13 - Filialleiter bei Promi-Friseur; vom 30. September 2014 - VI ZR 490/12, AfP 2014, 534, 536 - Innenminister unter Druck; vom 29. April 2014 - VI ZR 137/13, AfP 2014, 325 Rn. 8 - Adoptivtochter) liegt wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als Rahmenrecht seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt.
- 31
- (b) Im Streitfall sind das durch Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG (auch in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1 GG) und Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Interesse des Klägers am Schutz seiner sozialen Anerkennung und seiner (Berufs )Ehre mit der in Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 10 EMRK verankerten Kommunikationsfreiheit der Beklagten und der Meinungsäußerungsfreiheit des Bewertenden abzuwägen. Trifft die Behauptung des Klägers, der angegriffenen Bewertung liege kein Behandlungskontakt zugrunde, zu, ergibt diese Abwägung, dass die geschützten Interessen des Klägers diejenigen der Beklagten und des Bewertenden überwiegen.
- 32
- (aa) Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass es sich bei dem angegriffenen Beitrag um eine Meinungsäußerung und nicht um eine Tatsachenbehauptung handelt.
- 33
- Ob eine Äußerung als Tatsachenbehauptung oder als Werturteil einzustufen ist, ist eine Rechtsfrage, die der uneingeschränkten Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt. Tatsachenbehauptungen sind durch die objektive Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit charakterisiert. Demgegenüber werden Werturteile und Meinungsäußerungen durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage geprägt. Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist danach, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit Mitteln des Beweises zugänglich ist. Das scheidet bei Werturteilen und Meinungsäußerungen aus, weil sie durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet sind und sich deshalb nicht als wahr und unwahr erweisen lassen. Sofern eine Äußerung , in der Tatsachen und Meinungen sich vermengen, durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist, wird sie als Meinung von dem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt. Das gilt insbesondere dann, wenn eine Trennung der wertenden und der tatsächlichen Gehalte den Sinn der Äußerung aufhöbe oder verfälschte (Senatsurteile vom 28. Juli 2015 - VI ZR 340/14, AfP 2015, 425 Rn. 24; vom 16. Dezember 2014 - VI ZR 39/14, AfP 2015, 41 Rn. 8 - Hochleistungsmagneten; jeweils mwN).
- 34
- Nach diesen Maßstäben ist die angegriffene Bewertung als Meinungsäußerung zu qualifizieren. Zwar enthält sie die tatsächliche Behauptung des Bewertenden, er habe sich beim Kläger in Behandlung befunden und bewerte die stattgefundene Behandlung. Kern der angegriffenen Äußerung ist aber die notenmäßige Bewertung selbst. Sie ist geprägt von Elementen der Stellung- nahme, des Dafürhaltens und Meinens (vgl. Senatsurteil vom 23. Juni 2009 - VI ZR 196/08, BGHZ 181, 328 Rn. 31 ff. - Spickmich.de).
- 35
- Entgegen der Auffassung der Revision ist die Vergabe der Note 6 in den Bereichen "Behandlung", "Aufklärung" und "Vertrauensverhältnis" aus Sicht eines durchschnittlichen Nutzers der Plattform weder dahingehend zu verstehen, dass diese Leistungen überhaupt nicht erbracht worden oder dem Kläger ärztliche Kunstfehler unterlaufen seien, noch dahingehend, dass die vom Kläger erbrachten Leistungen den Anforderungen an eine professionelle Zahnbehandlung in keiner Weise entsprächen und selbst die hierfür erforderlichen Grundkenntnisse des Klägers so lückenhaft seien, dass er diese Mängel auch in Fortbildungskursen in absehbarer Zeit nicht beheben könne. Ein derartiger Aussagegehalt kommt der angegriffenen Bewertung - was der erkennende Senat selbst beurteilen kann (vgl. Senatsurteil vom 18. November 2014 - VI ZR 76/14, BGHZ 203, 239 Rn. 19 mwN - Chefjustiziar) - nicht zu. Dass mit der Bewertung nicht der Vorwurf eines (objektiven) Behandlungsfehlers verbunden ist, ergibt sich bereits daraus, dass es sich beim Bewertenden - für den durchschnittlichen Leser erkennbar - typischerweise um einen medizinischen Laien handelt, der zur Feststellung eines Behandlungsfehlers regelmäßig überhaupt nicht in der Lage ist. Entsprechendes gilt für die Bewertung der Aufklärung mit der Note 6. Die Kategorie "Vertrauensverhältnis" betrifft schließlich schon im Ausgangspunkt keine für die Frage nach dem Vorliegen eines Behandlungs- bzw. Aufklärungsfehlers relevanten Umstände.
- 36
- (bb) Liegt der angegriffenen Bewertung kein Behandlungskontakt zugrunde , überwiegt das von Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG (auch in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1 GG) und Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Interesse des Klägers am Schutz seiner sozialen Anerkennung und seiner (Berufs)Ehre die von Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 10 EMRK geschützten Interessen des Bewerten- den an der Äußerung der dargestellten Meinung im Portal der Beklagten und der Beklagten an der Kommunikation dieser Meinung. Denn bei Äußerungen, in denen sich - wie im vorliegenden Fall - wertende und tatsächliche Elemente in der Weise vermengen, dass die Äußerung insgesamt als Werturteil anzusehen ist, fällt bei der Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen der Wahrheitsgehalt der tatsächlichen Bestandteile ins Gewicht (Senatsurteil vom 16. Dezember 2014 - VI ZR 39/14, AfP 2015, 41 Rn. 21 - Hochleistungsmagnet; BVerfG, NJW 2012, 1643 Rn. 34; BVerfGE 85, 1, 17 - kritische BayerAktionäre ; BVerfG, AfP 2003, 535, 536; vgl. ferner EGMR, NJW 2015, 759 Rn. 51 - Yazici/Türkei; AfP 2015, 30 Rn. 31 - Jalba/Rumänien; AfP 2014, 430 Rn. 39 - Lavric/Rumänien; NJW-RR 2013, 291, 292 - Floquet und Esménard/Frankreich; NJW 2006, 1645 Rn. 76 - Pedersen und Baadsgard /Dänemark; BeckOK InfoMedienR/Söder, § 823 BGB Rn. 173.1 [Stand: 01.11.2015]). Im Streitfall ist der tatsächliche Bestandteil der Äußerung, auf dem die Wertung aufbaut, unwahr, wenn der behauptete Behandlungskontakt nicht bestand. Ein berechtigtes Interesse des Bewertenden, eine tatsächlich nicht stattgefundene Behandlung zu bewerten, ist nicht ersichtlich; entsprechendes gilt für das Interesse der Beklagten, eine Bewertung über eine nicht stattgefundene Behandlung zu kommunizieren.
- 37
- c) Ihrer durch den konkreten Hinweis auf eine unschwer zu bejahende Rechtsverletzung ausgelösten Prüfungspflicht hat die Beklagte auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts nicht genügt.
- 38
- aa) Zur Bestimmung, welcher Überprüfungsaufwand vom Hostprovider im Einzelfall zu verlangen ist, bedarf es einer umfassenden Interessenabwägung , bei der die betroffenen Grundrechte der Beteiligten zu berücksichtigen sind (vgl. BGH, Urteile vom 26. November 2015 - I ZR 174/14, juris Rn. 32 mwN - Störerhaftung des Access-Providers; vom 1. April 2004 - I ZR 317/01, BGHZ 158, 343, 352 ff. - Schöner Wetten). Zu welchen konkreten Überprüfungsmaßnahmen der Hostprovider verpflichtet ist, bestimmt sich damit nach den Umständen des Einzelfalls. Maßgebliche Bedeutung kommt dabei dem Gewicht der angezeigten Rechtsverletzung sowie den Erkenntnismöglichkeiten des Providers zu (vgl. Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 93/10, BGHZ 191, 219 Rn. 26 - Blog-Eintrag). Zu berücksichtigen sind aber auch Funktion und Aufgabenstellung des vom Provider betriebenen Dienstes sowie die Eigenverantwortung des für die persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigende Aussage unmittelbar verantwortlichen - ggf. zulässigerweise anonym auftretenden - Nutzers (vgl. Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 93/10, BGHZ 191, 219 Rn. 22 - Hostprovider; BGH, Urteile vom 5. Februar 2015 - I ZR 240/12, GRUR 2015, 485 Rn. 50 - Kinderhochstühle im Internet III; vom 11. März 2004 - I ZR 304/01, BGHZ 158, 236, 251 f. - Internetversteigerung I; jeweils mwN).
- 39
- bb) Danach sind im Streitfall an die Prüfungspflicht der Beklagten strenge Anforderungen zu stellen.
- 40
- Im Ausgangspunkt ist freilich festzuhalten, dass das von der Beklagten betriebene Ärztebewertungsportal eine von der Rechtsordnung gebilligte und gesellschaftlich erwünschte Funktion erfüllt (vgl. Senatsurteil vom 23. September 2014 - VI ZR 358/13, BGHZ 202, 242 Rn. 39 f. - Ärztebewertung II) und der Portalbetrieb zudem vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG und des Art. 12 Abs. 1 GG erfasst wird (vgl. Senatsurteil vom 23. September 2014 - VI ZR 358/13, BGHZ 202, 242 Rn. 28 f. - Ärztebewertung II). Der von der Beklagten als Providerin zu erbringende Prüfungsaufwand darf den Betrieb eines Ärztebewertungsportals deshalb weder wirtschaftlich gefährden noch unverhältnismäßig erschweren (vgl. BGH, Urteil vom 26. November 2015 - I ZR 174/14, juris Rn. 27 mwN - Störerhaftung des Accessproviders). Ein solches Gewicht haben rein reaktive Prüfungspflichten, um die es im Streitfall allein geht, in der Regel aber nicht. Auf der anderen Seite kann bei der Bestimmung des der Beklagten zumutbaren Prüfungsaufwandes nicht außer Betracht bleiben, dass der Betrieb eines Ärztebewertungsportals im Vergleich zu anderen Portalen, insbesondere Nachrichtenportalen, schon von vornherein ein gesteigertes Risiko für Persönlichkeitsrechtsverletzungen mit sich bringt. Es birgt die Gefahr, dass es auch für nicht unerhebliche (vgl. Senatsurteil vom 23. September 2014 - VI ZR 358/13, BGHZ 202, 242 Rn. 32 - Ärztebewertung II) persönlichkeitsrechtsverletzende Äußerungen missbraucht wird. Der Portalbetreiber muss deshalb von Anfang an mit entsprechenden Beanstandungen rechnen. Dabei werden die mit dem Portalbetrieb verbundenen Missbrauchsgefahren noch dadurch verstärkt, dass die Bewertungen - rechtlich zulässig (vgl. § 13 Abs. 6 TMG) - verdeckt abgegeben werden können (Senatsurteil vom 23. September 2014 - VI ZR 358/13, BGHZ 202, 242 Rn. 34 - Ärztebewertung II). Zudem erschwert die Möglichkeit , Bewertungen verdeckt abgeben zu können, es dem betroffenen Arzt regelmäßig erheblich, unmittelbar gegen den betreffenden Portalnutzer vorzugehen. Denn er kennt ihn nicht und kann sich die für seine Identifizierung erforderlichen Informationen selbst dann, wenn sie dem Portalbetreiber vorliegen sollten, mangels Auskunftsanspruchs gegen den Portalbetreiber (vgl. Senatsurteil vom 1. Juli 2014 - VI ZR 345/13, BGHZ 201, 380 Rn. 9 ff. - Ärztebewertung
I) jedenfalls nicht auf diesem Weg beschaffen. Eine gewissenhafte Prüfung der Beanstandungen von betroffenen Ärzten durch den Portalbetreiber ist deshalb die entscheidende Voraussetzung dafür, dass die Persönlichkeitsrechte der (anonym oder pseudonym) bewerteten Ärzten beim Portalbetrieb hinreichend geschützt sind.
- 41
- Im Streitfall kommt hinzu, dass die angegriffene Bewertung geeignet ist, die Chancen des Klägers im Wettbewerb mit anderen Ärzten nachhaltig zu beeinträchtigen. Die für jedermann abrufbare Bewertung einer Behandlungsleistung in drei zentralen Bereichen mit der Note "ungenügend" begründet nämlich die erhebliche Gefahr, dass (potentielle) Patienten an der ärztlichen Kompetenz des Klägers zweifeln und sich deshalb statt an den Kläger an einen anderen Zahnarzt wenden. Auch dies spricht dafür, dass an die von der Beklagten vorliegend zu ergreifenden Prüfungsmaßnahmen hohe Anforderungen zu stellen sind.
- 42
- cc) Konkret muss die vom Portalbetreiber durchzuführende Überprüfung erkennbar zum Ziel haben, die Berechtigung der Beanstandung des betroffenen Arztes zu klären. Der Portalbetreiber muss ernsthaft versuchen, sich hierzu die notwendige Tatsachengrundlage zu verschaffen; er darf sich insbesondere nicht auf eine rein formale "Prüfung" zurückziehen.
- 43
- Im Streitfall hätte die Beklagte die Beanstandung des betroffenen Arztes dem Bewertenden übersenden und diesen zur Stellungnahme anhalten müssen. Sie hätte ihn weiter auffordern müssen, ihr den angeblichen Behandlungskontakt möglichst genau zu beschreiben und ihr den Behandlungskontakt belegende Unterlagen, wie etwa vorhandene Rechnungen, Terminkarten und - zettel, Eintragungen in Bonushefte, Rezepte oder sonstige Indizien möglichst umfassend - soweit vom Bewertenden für nötig erachtet ggf. teilweise geschwärzt - zu übermitteln. Die bloße Bitte der Beklagten, "die Behandlung in mindestens zwei Sätzen [zu] umschreiben und den Behandlungszeitraum [zu] nennen", reicht hierfür nicht. In jedem Falle hätte die Beklagte dem Kläger diejenigen Informationen und Unterlagen über den behaupteten Behandlungskontakt weiterleiten müssen, zu deren Weiterleitung sie ohne Verstoß gegen § 12 Abs. 1 TMG in der Lage gewesen wäre. Auch dies hat sie nicht getan. So er- schließt sich etwa nicht, warum die Beklagte dem Kläger den sich aus der Stellungnahme des Bewertenden ersichtlichen Behandlungszeitraum nicht mitgeteilt hat. Sollte dies deshalb nicht erfolgt sein, weil zu befürchten war, dass der Kläger den Bewertenden aufgrund des mitgeteilten Behandlungszeitraums identifizieren kann, hätte die Beklagte ein größeres Zeitfenster wählen können. Dass diese Information für den Kläger von vornherein in Bezug auf eine substantiierte "Replik" offensichtlich nicht hilfreich gewesen wäre, kann nicht angenommen werden. So kann etwa nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass der behauptete Behandlungszeitraum in die Zeit einer - beispielsweise - urlaubs- oder krankheitsbedingten Abwesenheit des Klägers fiel, der Kläger mit dieser Information den behaupteten Behandlungskontakt also hätte widerlegen können.
- 44
- II. Nach § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO war das Berufungsurteil deshalb aufzuheben und der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Parteien werden die Möglichkeit haben, zu den von der Beklagten ergriffenen Überprüfungsmaßnahmen ergänzend vorzutragen.
- 45
- III. Für das weitere Verfahren wird auf Folgendes hingewiesen:
- 46
- 1. Eine Verletzung des Klägers in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht kommt in Betracht, wenn der in der angegriffenen Äußerung enthaltene tatsächliche Bestandteil unrichtig war und dem Werturteil damit jegliche Tatsachengrundlage fehlte. Darlegungs- und beweisbelastet für das Fehlen eines Behandlungskontakts ist nach den allgemeinen Regeln insoweit der Kläger.
- 47
- 2. Allerdings trifft die Beklagte hinsichtlich des Behandlungskontakts eine sekundäre Darlegungslast, weil dem Kläger insoweit eine nähere Darlegung nicht möglich ist und er auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat. Die sekundäre Darlegungslast umfasst zunächst diejenigen für einen sol- chen Behandlungskontakt sprechenden Angaben, die der Beklagten, insbesondere ohne Verstoß gegen § 12 Abs. 1 TMG, möglich und zumutbar sind (vgl. zu den allgemeinen Voraussetzungen einer sekundären Darlegungslast nur BGH, Urteil vom 8. Januar 2014 - I ZR 169/12, BGHZ 200, 76 Rn. 17 mwN - BearShare ).
- 48
- Die Beklagte hat im Streitfall jedoch eine darüber hinausgehende Recherchepflicht. Dem Bestreitenden obliegt es im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast, Nachforschungen zu unternehmen, wenn ihm dies zumutbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 8. Januar 2014 - I ZR 169/12, BGHZ 200, 76 Rn. 18 mwN - BearShare). Im Streitfall folgt die Zumutbarkeit einer Recherche schon daraus, dass die Beklagte aufgrund ihrer materiellen Prüfpflicht ohnehin gehalten ist, vom Bewertenden zusätzliche Angaben und Belege zum angeblichen Behandlungskontakt zu fordern. Dem entspricht in prozessualer Hinsicht ihre Obliegenheit , im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast vom Bewertenden entsprechende Informationen zu fordern.
- 49
- Kommt die Beklagte dieser Obliegenheit nicht nach, ist die Behauptung des Klägers, der von ihm angegriffenen Bewertung liege kein Behandlungskontakt zugrunde, nach den allgemeinen Regeln über die sekundäre Darlegungs- last nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden zu bewerten (vgl. nur Senatsurteil vom 22. April 2008 - VI ZR 83/07, BGHZ 176, 175 Rn. 23). Galke Stöhr von Pentz Offenloch Oehler
LG Köln, Entscheidung vom 09.07.2014 - 28 O 516/13 -
OLG Köln, Entscheidung vom 16.12.2014 - 15 U 141/14 -
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.
(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.
(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.
(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
(1) Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich.
(2) Beschränkungen dürfen nur auf Grund eines Gesetzes angeordnet werden. Dient die Beschränkung dem Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder des Bestandes oder der Sicherung des Bundes oder eines Landes, so kann das Gesetz bestimmen, daß sie dem Betroffenen nicht mitgeteilt wird und daß an die Stelle des Rechtsweges die Nachprüfung durch von der Volksvertretung bestellte Organe und Hilfsorgane tritt.