Hanseatisches Oberlandesgericht Beschluss, 21. Dez. 2017 - 2 Ws 206 - 207/17

21.12.2017

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss des Landgerichts Hamburg, Große Strafkammer 33, vom 13. November 2017 aufgehoben und die Sache an das Landgericht Hamburg zurückverwiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die zugehörigen notwendigen Auslagen des Verurteilten trägt die Staatskasse.

Gründe

I.

1

Mit Urteil vom 7. Mai 2010, rechtskräftig seit dem 17. März 2011, hat das Landgericht Hamburg den Beschwerdeführer unter Einbeziehung einer Geldstrafe von 130 Tagessätzen wegen Betrugs aus einem Strafbefehl des Amtsgerichts Oldenburg vom 19. Juni 2006 wegen Computerbetrugs in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt und zugleich entschieden, dass ein Strafzeitraum von zehn Monaten als vollstreckt gilt.

2

Mit Urteil vom 13. März 2012, rechtskräftig seit dem 19. September 2012, hat das Landgericht Oldenburg den Beschwerdeführer wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zehn Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, in weiteren drei Fällen in Tateinheit mit Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und in zwei Fällen in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge oder Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, ferner wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt und zugleich entschieden, dass ein Zeitraum von einem Monat als bereits vollstreckt gilt. Weiter hat es den Verfall von Wertersatz in Höhe von 10.000 € angeordnet.

3

Nach Untersuchungshaft vom 28. April bis zum 4. August 2009 wegen der dem Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 13. März 2012 zugrunde liegenden Vorwürfe, befindet sich der Verurteilte seit dem 21. Januar 2002 in Strafhaft, welche er seit dem 21. August 2015 in der Justizvollzugsanstalt G. verbüßt.

4

Seit dem 1. September 2017 hat der Verurteilte zwei Drittel der Strafen aus den Urteilen des Landgerichts Hamburg vom 7. Mai 2010 und des Landgerichts Oldenburg vom 13. März 2012 verbüßt.Das Strafende ist auf den 3. April 2021 notiert.

5

Nach Antrag des Verurteilten vom 21. März 2017 auf bedingte Entlassung zum Zweidritteltermin hat das Landgericht nach Stellungnahmen der Justizvollzugsanstalt G. vom 11. April 2017 und der Staatsanwaltschaft Oldenburg vom 28. April 2017 am 9. Juni 2017 ein psychologisches Gutachten in Auftrag gegeben, welches am 4. September 2017 bei Gericht eingegangen ist, und nach weiteren Stellungnahmen des Verurteilten, der Staatsanwaltschaft Oldenburg und der Staatsanwaltschaft Hamburg den Verurteilten und die Sachverständige am 13. November 2017 mündlich angehört.

6

Mit Beschluss vom selben Tag hat das Landgericht Hamburg, Große Strafkammer 33 (Strafvollstreckungskammer), den Antrag des Verurteilten, die Vollstreckung der Reststrafen aus den vorgenannten Urteilen gemäß § 57 Abs. 1 StGB zur Bewährung auszusetzen, abgelehnt.

7

Gegen den ihm am 16. November 2017 zugestellten Beschluss hat der Verurteilte mit am 22. November 2017 eingehendem Schreiben sofortige Beschwerde eingelegt, auf deren Verwerfung die Generalstaatsanwaltschaft angetragen hat.

II.

8

Die statthafte und auch im Übrigen zulässig sofortige Beschwerde (§§ 454 Abs. 3 Satz 1, 306 Abs. 1, 311 Abs. 2 StPO) hat in der Sache - vorläufigen - Erfolg, da die angefochtene Entscheidung verfahrensfehlerhaft ergangen ist und der Senat auf der Grundlage der bisherigen Sachaufklärung keine Entscheidung (§ 309 Abs. 2 StPO) darüber treffen kann, ob der Strafvollzug fortzudauern hat. Der angefochtene Beschluss kann keinen Bestand haben, weil das zugrunde liegende Verfahren an dem in der Beschwerdeinstanz nicht heilbaren Mangel leidet, dass das bisherige Aussetzungsprüfverfahren ohne einen Verteidiger stattgefunden haben, obwohl ein Fall notwendiger Verteidigung vorliegt.

9

1. Im Vollstreckungsverfahren findet - soweit es an spezialgesetzlichen Regelungen wie in § 463 Abs. 3 Satz 5, Abs. 4 Satz 8 und Abs. 8 Satz 1 StPO fehlt - die Vorschrift über die notwendige Verteidigung nach § 140 Abs. 2 StPO entsprechende Anwendung, wenn die Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage des Vollstreckungsfalles oder die Unfähigkeit des Verurteilten, seine Rechte sachgemäß wahrzunehmen, die Mitwirkung eines Verteidigers gebieten (Senat, Beschlüsse vom 6. März 2015, Az.: 2 Ws 56/15; vom 11. Juli 2005; Az.: 2 Ws 161/05; vom 6. Januar 2004, Az.: 2 Ws 328-329/03; Meyer-Goßner/Schmitt § 140 Rn. 33 m.w.N.). Die Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage bemisst sich dabei allerdings nicht nach der im Falle einer negativen Entscheidung noch zu verbüßenden Dauer der Restfreiheitsstrafen oder der Schwierigkeit der Sache im Erkenntnisverfahren, sondern nach der Schwierigkeit des Vollstreckungsfalles in Hinblick auf das Bedürfnis der Mitwirkung eines Verteidigers auf Seiten des Verurteilten gerade im konkreten Verfahrensabschnitt (OLG Köln, Beschluss vom 29. Dezember 2015, Az.: III-2 Ws 834/15, juris Rn. 5; OLG Hamm NStZ-RR 1999, 319; Schmitt aaO.).

10

2. Nach diesem Maßstab bedarf der Verurteilte eines Verteidigers, weil er aufgrund der Schwierigkeiten des Vollstreckungsfalles seine Rechte im Vollstreckungsverfahren nicht mehr ausreichend selbst wahrnehmen kann.

11

Nachdem die Strafvollstreckungskammer ein psychologisches Prognosegutachten nach § 454 Abs. 2 StPO eingeholt hat erfordert die vom Gericht zu treffende Prognoseentscheidung eine inhaltliche Auseinandersetzung mit verschiedenen, zu gegensätzlichen Ergebnissen kommenden Stellungnahmen der Justizvollzugsanstalt einerseits und der Staatsanwaltschaften Oldenburg und Hamburg andererseits unter fachkundiger Auswertung des von den Verfahrensbeteiligten unterschiedlich bewerteten Prognosegutachtens und nach mündlicher Anhörung der Sachverständigen. Ein solcher Verfahrensstand führt regelmäßig zu einer schwierigen Sachlage, die einen rechtsanwaltlichen Beistand für den Verurteilten notwendig macht (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 2015, 229; OLG Brandenburg StV 2007, 95; OLG Celle, Beschluss vom 20. September 2011, Az.: 2 Ws 242/11, juris; Fischer § 57 Rn. 33).

12

Auch dass eine Strafvollstreckungskammer erwägt, aufgrund eines Prognosegutachtens abweichend von der Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt zu entscheiden, indiziert, dass die Sachlage bei der Beurteilung der Voraussetzungen der Reststrafaussetzung nach § 57 StGB nicht einfach gelagert ist, sondern den Beistand durch einen Verteidiger entsprechend § 140 Abs. 2 StPO erfordert (OLG Stuttgart, Beschluss vom 5. Oktober 2015, Az.: 4 Ws 328/15, juris Rn. 11; OLG Hamm, Beschluss vom 14. September 2009, Az.: 2 Ws 239/09, juris Rn. 15).

13

Jedenfalls nachdem die Sachverständige vorliegend über die Feststellungen in den der Vollstreckung zugrunde liegenden Urteilen hinaus eine bislang nicht aktenkundige langjährige dissozial-narzisstische Persönlichkeitsstörung des Verurteilten diagnostiziert hat, ist von einer besonderen Schwierigkeit des Vollstreckungsfalles im Sinne des § 140 Abs. 2 StPO auszugehen. Zwar verneint die Sachverständige bei Anwendung des Prognoseinstruments HCR-20 zunächst eine in der Vergangenheit liegende psychiatrische Erkrankung, dennoch soll nach den weiteren im Rahmen der Prognosekriterien nach Dittmann und des allgemeinen Befundes dargelegten Einschätzungen der Sachverständigen, denen sich die Strafvollstreckungskammer in ihrem Beschluss vom 13. November 2017 weitgehend anschließt, beim Verurteilten eine schwer behandelbare dissozial-narzisstische Persönlichkeitsstörung vorliegen, welche bereits seit dem Alter von 14 Jahren zu erster Delinquenz geführt habe, und welcher ersichtlich eine erhebliche Bedeutung für die nach § 57 StGB zu treffende Prognoseentscheidung zukommen soll. Spätestens aufgrund dieser neuen Diagnose und der komplexen Folgefragen hinsichtlich ihrer prognostischen Relevanz in Wechselwirkung zum fortgeschrittenen Lebensalter und zu körperlichen Beeinträchtigungen des Verurteilten ergibt sich eine besondere Schwierigkeit des Vollstreckungsfalles.

14

3. Da bereits eine schwierige Sachlage im Sinne des § 140 Abs. 2 2. Var. StPO vorliegt, kann dahinstehen, ob die - freilich ohne die nach den Grundsätzen der Nachvollziehbarkeit und Transparenz für ein Prognosegutachten zu fordernde Offenlegung und Begründung der einzelnen Diagnosekriterien - gestellte Diagnose einer dissozial-narzisstischen Persönlichkeitsstörung zutrifft und der Verurteilte sich infolge einer solchen psychiatrischen Erkrankung überhaupt selbst verteidigen kann, § 140 Abs. 2 4. Var. StPO.

15

4. Unbeachtlich ist schließlich, dass der Verurteilte in der mündlichen Anhörung vom 13. November 2017 angegeben hat, er benötige keinen Rechtsanwalt, dieser könne auch nicht mehr reden als er selber. Mit dem Institut der notwendigen Verteidigung und mit der Bestellung eines Verteidigers sichert der Gesetzgeber das Interesse, das der Rechtsstaat an einem prozessordnungsgemäßen Strafverfahren hat (BVerfG NJW 1984, 113 f.). Das Institut gewährleistet vorrangig den Anspruch des Beschuldigten auf effektive Verteidigung. Zugleich soll aber die Durchführung eines geordneten Verfahrens garantiert werden (Senat NJW 1998, 621); deshalb ist auch eine Bestellung gegen den Willen des Verurteilten möglich (Senat, Beschluss vom 29. Februar 2016, Az.: 2 Ws 28/16, juris Rn. 14 m.w.N.).

16

5. Der in der fehlenden Mitwirkung eines notwendigen Verteidigers liegende Verfahrensmangel wiegt so schwer, dass ausnahmsweise - in Abweichung von der Regel der §§ 308 Abs. 2, 309 Abs. 2 StPO - eine Zurückverweisung an die Vorinstanz zwecks Nachholung eines ordnungsgemäßen Prüfverfahrens und einer mündlichen Anhörung in Anwesenheit eines Verteidigers geboten ist (Senat, Beschluss vom 6. Januar 2004, Az.: 2 Ws 328-329/03). Der Mangel kann durch die Bestellung des Verteidigers im Beschwerdeverfahren nicht ausgeglichen werden (Senat aaO.).

III.

17

Soweit nach Eingang des Antrags des Verurteilten und der Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt bei der Strafvollstreckungskammer am 13. April 2017 und Verbüßung von zwei Drittel der Strafen am 1. September 2017 eine Entscheidung der Strafvollstreckungskammer erst am 13. November 2017 ergangen ist, weist der Senat auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum auch im Aussetzungsprüfverfahren nach § 57 StGB geltenden Beschleunigungsgebot für Haftsachen hin und insbesondere auf die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Begründungserfordernisse fachgerichtlicher Entscheidungen hinsichtlich der Frage, ob und gegebenenfalls welche Verfahrensverzögerungen eingetreten sind und welche Ursachen hierfür maßgeblich waren (BVerfG, Beschlüsse vom 9. Oktober 2014, Az.: 2 BvR 2874/10; vom 13. September 2010, Az.: 2 BvR 449/10; vom 6. April 2006, Az. 2 BvR 619/06, juris).

IV.

18

Die Kosten- und Auslagenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO. Auch wenn ein Fall des § 309 Abs. 2 StPO, in dem das Beschwerdegericht zugleich die in der Sache abschließend erforderliche Entscheidung zu treffen hätte, nicht vorliegt und die Beschwerde nur vorläufigen Erfolg hat, hat eine Kosten- und Auslagenentscheidung zu ergehen. Da der weitere Fortgang des Verfahrens nicht vorherzusehen ist, ist kosten- und auslagenrechtlich insoweit bereits ein Verfahrensabschluss im Sinne des § 464 StPO gegeben (Senat, Beschluss vom 7. Dezember 2017, Az.: 2 Ws 201/17).

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(1) Die Entscheidung über die Beschwerde ergeht ohne mündliche Verhandlung, in geeigneten Fällen nach Anhörung der Staatsanwaltschaft. (2) Wird die Beschwerde für begründet erachtet, so erläßt das Beschwerdegericht zugleich die in der Sache erfor

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(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn

1.
zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind,
2.
dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann, und
3.
die verurteilte Person einwilligt.
Bei der Entscheidung sind insbesondere die Persönlichkeit der verurteilten Person, ihr Vorleben, die Umstände ihrer Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind.

(2) Schon nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe, mindestens jedoch von sechs Monaten, kann das Gericht die Vollstreckung des Restes zur Bewährung aussetzen, wenn

1.
die verurteilte Person erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese zwei Jahre nicht übersteigt oder
2.
die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, daß besondere Umstände vorliegen,
und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt sind.

(3) Die §§ 56a bis 56e gelten entsprechend; die Bewährungszeit darf, auch wenn sie nachträglich verkürzt wird, die Dauer des Strafrestes nicht unterschreiten. Hat die verurteilte Person mindestens ein Jahr ihrer Strafe verbüßt, bevor deren Rest zur Bewährung ausgesetzt wird, unterstellt sie das Gericht in der Regel für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung einer Bewährungshelferin oder eines Bewährungshelfers.

(4) Soweit eine Freiheitsstrafe durch Anrechnung erledigt ist, gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne der Absätze 1 bis 3.

(5) Die §§ 56f und 56g gelten entsprechend. Das Gericht widerruft die Strafaussetzung auch dann, wenn die verurteilte Person in der Zeit zwischen der Verurteilung und der Entscheidung über die Strafaussetzung eine Straftat begangen hat, die von dem Gericht bei der Entscheidung über die Strafaussetzung aus tatsächlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte und die im Fall ihrer Berücksichtigung zur Versagung der Strafaussetzung geführt hätte; als Verurteilung gilt das Urteil, in dem die zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(6) Das Gericht kann davon absehen, die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn die verurteilte Person unzureichende oder falsche Angaben über den Verbleib von Gegenständen macht, die der Einziehung von Taterträgen unterliegen.

(7) Das Gericht kann Fristen von höchstens sechs Monaten festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag der verurteilten Person, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.

(1) Die Entscheidung, ob die Vollstreckung des Restes einer Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden soll (§§ 57 bis 58 des Strafgesetzbuches) sowie die Entscheidung, daß vor Ablauf einer bestimmten Frist ein solcher Antrag des Verurteilten unzulässig ist, trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Die Staatsanwaltschaft, der Verurteilte und die Vollzugsanstalt sind zu hören. Der Verurteilte ist mündlich zu hören. Von der mündlichen Anhörung des Verurteilten kann abgesehen werden, wenn

1.
die Staatsanwaltschaft und die Vollzugsanstalt die Aussetzung einer zeitigen Freiheitsstrafe befürworten und das Gericht die Aussetzung beabsichtigt,
2.
der Verurteilte die Aussetzung beantragt hat, zur Zeit der Antragstellung
a)
bei zeitiger Freiheitsstrafe noch nicht die Hälfte oder weniger als zwei Monate,
b)
bei lebenslanger Freiheitsstrafe weniger als dreizehn Jahre
der Strafe verbüßt hat und das Gericht den Antrag wegen verfrühter Antragstellung ablehnt oder
3.
der Antrag des Verurteilten unzulässig ist (§ 57 Abs. 7, § 57a Abs. 4 des Strafgesetzbuches).
Das Gericht entscheidet zugleich, ob eine Anrechnung nach § 43 Abs. 10 Nr. 3 des Strafvollzugsgesetzes ausgeschlossen wird.

(2) Das Gericht holt das Gutachten eines Sachverständigen über den Verurteilten ein, wenn es erwägt, die Vollstreckung des Restes

1.
der lebenslangen Freiheitsstrafe auszusetzen oder
2.
einer zeitigen Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren wegen einer Straftat der in § 66 Abs. 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches bezeichneten Art auszusetzen und nicht auszuschließen ist, daß Gründe der öffentlichen Sicherheit einer vorzeitigen Entlassung des Verurteilten entgegenstehen.
Das Gutachten hat sich namentlich zu der Frage zu äußern, ob bei dem Verurteilten keine Gefahr mehr besteht, daß dessen durch die Tat zutage getretene Gefährlichkeit fortbesteht. Der Sachverständige ist mündlich zu hören, wobei der Staatsanwaltschaft, dem Verurteilten, seinem Verteidiger und der Vollzugsanstalt Gelegenheit zur Mitwirkung zu geben ist. Das Gericht kann von der mündlichen Anhörung des Sachverständigen absehen, wenn der Verurteilte, sein Verteidiger und die Staatsanwaltschaft darauf verzichten.

(3) Gegen die Entscheidungen nach Absatz 1 ist sofortige Beschwerde zulässig. Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Aussetzung des Strafrestes anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

(4) Im Übrigen sind § 246a Absatz 2, § 268a Absatz 3, die §§ 268d, 453, 453a Absatz 1 und 3 sowie die §§ 453b und 453c entsprechend anzuwenden. Die Belehrung über die Aussetzung des Strafrestes wird mündlich erteilt; die Belehrung kann auch der Vollzugsanstalt übertragen werden. Die Belehrung soll unmittelbar vor der Entlassung erteilt werden.

(1) Die Entscheidung über die Beschwerde ergeht ohne mündliche Verhandlung, in geeigneten Fällen nach Anhörung der Staatsanwaltschaft.

(2) Wird die Beschwerde für begründet erachtet, so erläßt das Beschwerdegericht zugleich die in der Sache erforderliche Entscheidung.

(1) Die Vorschriften über die Strafvollstreckung gelten für die Vollstreckung von Maßregeln der Besserung und Sicherung sinngemäß, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) § 453 gilt auch für die nach den §§ 68a bis 68d des Strafgesetzbuches zu treffenden Entscheidungen.

(3) § 454 Abs. 1, 3 und 4 gilt auch für die nach § 67c Abs. 1, § 67d Abs. 2 und 3, § 67e Abs. 3, den §§ 68e, 68f Abs. 2 und § 72 Abs. 3 des Strafgesetzbuches zu treffenden Entscheidungen. In den Fällen des § 68e des Strafgesetzbuches bedarf es einer mündlichen Anhörung des Verurteilten nicht. § 454 Abs. 2 findet in den Fällen des § 67d Absatz 2 und 3 und des § 72 Absatz 3 des Strafgesetzbuches unabhängig von den dort genannten Straftaten sowie bei Prüfung der Voraussetzungen des § 67c Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Strafgesetzbuches auch unabhängig davon, ob das Gericht eine Aussetzung erwägt, entsprechende Anwendung, soweit das Gericht über die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung zu entscheiden hat; im Übrigen findet § 454 Abs. 2 bei den dort genannten Straftaten Anwendung. Zur Vorbereitung der Entscheidung nach § 67d Abs. 3 des Strafgesetzbuches sowie der nachfolgenden Entscheidungen nach § 67d Abs. 2 des Strafgesetzbuches hat das Gericht das Gutachten eines Sachverständigen namentlich zu der Frage einzuholen, ob von dem Verurteilten weiterhin erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind. Ist die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden, bestellt das Gericht dem Verurteilten, der keinen Verteidiger hat, rechtzeitig vor einer Entscheidung nach § 67c Absatz 1 des Strafgesetzbuches einen Verteidiger.

(4) Im Rahmen der Überprüfung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 des Strafgesetzbuches) nach § 67e des Strafgesetzbuches ist eine gutachterliche Stellungnahme der Maßregelvollzugseinrichtung einzuholen, in der der Verurteilte untergebracht ist. Das Gericht soll nach jeweils drei Jahren, ab einer Dauer der Unterbringung von sechs Jahren nach jeweils zwei Jahren vollzogener Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus das Gutachten eines Sachverständigen einholen. Der Sachverständige darf weder im Rahmen des Vollzugs der Unterbringung mit der Behandlung der untergebrachten Person befasst gewesen sein noch in dem psychiatrischen Krankenhaus arbeiten, in dem sich die untergebrachte Person befindet, noch soll er das letzte Gutachten bei einer vorangegangenen Überprüfung erstellt haben. Der Sachverständige, der für das erste Gutachten im Rahmen einer Überprüfung der Unterbringung herangezogen wird, soll auch nicht das Gutachten in dem Verfahren erstellt haben, in dem die Unterbringung oder deren späterer Vollzug angeordnet worden ist. Mit der Begutachtung sollen nur ärztliche oder psychologische Sachverständige beauftragt werden, die über forensisch-psychiatrische Sachkunde und Erfahrung verfügen. Dem Sachverständigen ist Einsicht in die Patientendaten des Krankenhauses über die untergebrachte Person zu gewähren. § 454 Abs. 2 gilt entsprechend. Der untergebrachten Person, die keinen Verteidiger hat, bestellt das Gericht für die Überprüfung der Unterbringung, bei der nach Satz 2 das Gutachten eines Sachverständigen eingeholt werden soll, einen Verteidiger.

(5) § 455 Abs. 1 ist nicht anzuwenden, wenn die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet ist. Ist die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden und verfällt der Verurteilte in Geisteskrankheit, so kann die Vollstreckung der Maßregel aufgeschoben werden. § 456 ist nicht anzuwenden, wenn die Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung angeordnet ist.

(6) § 462 gilt auch für die nach § 67 Absatz 3, 5 Satz 2 und Absatz 6, den §§ 67a und 67c Abs. 2, § 67d Abs. 5 und 6, den §§ 67g, 67h und 69a Abs. 7 sowie den §§ 70a und 70b des Strafgesetzbuches zu treffenden Entscheidungen. In den Fällen des § 67d Absatz 6 des Strafgesetzbuches ist der Verurteilte mündlich zu hören. Das Gericht erklärt die Anordnung von Maßnahmen nach § 67h Abs. 1 Satz 1 und 2 des Strafgesetzbuchs für sofort vollziehbar, wenn erhebliche rechtswidrige Taten des Verurteilten drohen.

(7) Für die Anwendung des § 462a Abs. 1 steht die Führungsaufsicht in den Fällen des § 67c Abs. 1, des § 67d Abs. 2 bis 6 und des § 68f des Strafgesetzbuches der Aussetzung eines Strafrestes gleich.

(8) Wird die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollstreckt, bestellt das Gericht dem Verurteilten, der keinen Verteidiger hat, für die Verfahren über die auf dem Gebiet der Vollstreckung zu treffenden gerichtlichen Entscheidungen einen Verteidiger. Die Bestellung hat rechtzeitig vor der ersten gerichtlichen Entscheidung zu erfolgen und gilt auch für jedes weitere Verfahren, solange die Bestellung nicht aufgehoben wird.

(1) Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt vor, wenn

1.
zu erwarten ist, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht, dem Landgericht oder dem Schöffengericht stattfindet;
2.
dem Beschuldigten ein Verbrechen zur Last gelegt wird;
3.
das Verfahren zu einem Berufsverbot führen kann;
4.
der Beschuldigte nach den §§ 115, 115a, 128 Absatz 1 oder § 129 einem Gericht zur Entscheidung über Haft oder einstweilige Unterbringung vorzuführen ist;
5.
der Beschuldigte sich auf Grund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befindet;
6.
zur Vorbereitung eines Gutachtens über den psychischen Zustand des Beschuldigten seine Unterbringung nach § 81 in Frage kommt;
7.
zu erwarten ist, dass ein Sicherungsverfahren durchgeführt wird;
8.
der bisherige Verteidiger durch eine Entscheidung von der Mitwirkung in dem Verfahren ausgeschlossen ist;
9.
dem Verletzten nach den §§ 397a und 406h Absatz 3 und 4 ein Rechtsanwalt beigeordnet worden ist;
10.
bei einer richterlichen Vernehmung die Mitwirkung eines Verteidigers auf Grund der Bedeutung der Vernehmung zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten geboten erscheint;
11.
ein seh-, hör- oder sprachbehinderter Beschuldigter die Bestellung beantragt.

(2) Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt auch vor, wenn wegen der Schwere der Tat, der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge oder wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann.

(3) (weggefallen)

Tenor

Auf die Beschwerde wird dem Verurteilten unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses Rechtsanwalt Dr. A als Pflichtverteidiger beigeordnet.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der darin dem Verurteilten entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.


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(1) Die Entscheidung, ob die Vollstreckung des Restes einer Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden soll (§§ 57 bis 58 des Strafgesetzbuches) sowie die Entscheidung, daß vor Ablauf einer bestimmten Frist ein solcher Antrag des Verurteilten unzulässig ist, trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Die Staatsanwaltschaft, der Verurteilte und die Vollzugsanstalt sind zu hören. Der Verurteilte ist mündlich zu hören. Von der mündlichen Anhörung des Verurteilten kann abgesehen werden, wenn

1.
die Staatsanwaltschaft und die Vollzugsanstalt die Aussetzung einer zeitigen Freiheitsstrafe befürworten und das Gericht die Aussetzung beabsichtigt,
2.
der Verurteilte die Aussetzung beantragt hat, zur Zeit der Antragstellung
a)
bei zeitiger Freiheitsstrafe noch nicht die Hälfte oder weniger als zwei Monate,
b)
bei lebenslanger Freiheitsstrafe weniger als dreizehn Jahre
der Strafe verbüßt hat und das Gericht den Antrag wegen verfrühter Antragstellung ablehnt oder
3.
der Antrag des Verurteilten unzulässig ist (§ 57 Abs. 7, § 57a Abs. 4 des Strafgesetzbuches).
Das Gericht entscheidet zugleich, ob eine Anrechnung nach § 43 Abs. 10 Nr. 3 des Strafvollzugsgesetzes ausgeschlossen wird.

(2) Das Gericht holt das Gutachten eines Sachverständigen über den Verurteilten ein, wenn es erwägt, die Vollstreckung des Restes

1.
der lebenslangen Freiheitsstrafe auszusetzen oder
2.
einer zeitigen Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren wegen einer Straftat der in § 66 Abs. 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches bezeichneten Art auszusetzen und nicht auszuschließen ist, daß Gründe der öffentlichen Sicherheit einer vorzeitigen Entlassung des Verurteilten entgegenstehen.
Das Gutachten hat sich namentlich zu der Frage zu äußern, ob bei dem Verurteilten keine Gefahr mehr besteht, daß dessen durch die Tat zutage getretene Gefährlichkeit fortbesteht. Der Sachverständige ist mündlich zu hören, wobei der Staatsanwaltschaft, dem Verurteilten, seinem Verteidiger und der Vollzugsanstalt Gelegenheit zur Mitwirkung zu geben ist. Das Gericht kann von der mündlichen Anhörung des Sachverständigen absehen, wenn der Verurteilte, sein Verteidiger und die Staatsanwaltschaft darauf verzichten.

(3) Gegen die Entscheidungen nach Absatz 1 ist sofortige Beschwerde zulässig. Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Aussetzung des Strafrestes anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

(4) Im Übrigen sind § 246a Absatz 2, § 268a Absatz 3, die §§ 268d, 453, 453a Absatz 1 und 3 sowie die §§ 453b und 453c entsprechend anzuwenden. Die Belehrung über die Aussetzung des Strafrestes wird mündlich erteilt; die Belehrung kann auch der Vollzugsanstalt übertragen werden. Die Belehrung soll unmittelbar vor der Entlassung erteilt werden.

(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn

1.
zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind,
2.
dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann, und
3.
die verurteilte Person einwilligt.
Bei der Entscheidung sind insbesondere die Persönlichkeit der verurteilten Person, ihr Vorleben, die Umstände ihrer Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind.

(2) Schon nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe, mindestens jedoch von sechs Monaten, kann das Gericht die Vollstreckung des Restes zur Bewährung aussetzen, wenn

1.
die verurteilte Person erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese zwei Jahre nicht übersteigt oder
2.
die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, daß besondere Umstände vorliegen,
und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt sind.

(3) Die §§ 56a bis 56e gelten entsprechend; die Bewährungszeit darf, auch wenn sie nachträglich verkürzt wird, die Dauer des Strafrestes nicht unterschreiten. Hat die verurteilte Person mindestens ein Jahr ihrer Strafe verbüßt, bevor deren Rest zur Bewährung ausgesetzt wird, unterstellt sie das Gericht in der Regel für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung einer Bewährungshelferin oder eines Bewährungshelfers.

(4) Soweit eine Freiheitsstrafe durch Anrechnung erledigt ist, gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne der Absätze 1 bis 3.

(5) Die §§ 56f und 56g gelten entsprechend. Das Gericht widerruft die Strafaussetzung auch dann, wenn die verurteilte Person in der Zeit zwischen der Verurteilung und der Entscheidung über die Strafaussetzung eine Straftat begangen hat, die von dem Gericht bei der Entscheidung über die Strafaussetzung aus tatsächlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte und die im Fall ihrer Berücksichtigung zur Versagung der Strafaussetzung geführt hätte; als Verurteilung gilt das Urteil, in dem die zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(6) Das Gericht kann davon absehen, die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn die verurteilte Person unzureichende oder falsche Angaben über den Verbleib von Gegenständen macht, die der Einziehung von Taterträgen unterliegen.

(7) Das Gericht kann Fristen von höchstens sechs Monaten festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag der verurteilten Person, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.

(1) Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt vor, wenn

1.
zu erwarten ist, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht, dem Landgericht oder dem Schöffengericht stattfindet;
2.
dem Beschuldigten ein Verbrechen zur Last gelegt wird;
3.
das Verfahren zu einem Berufsverbot führen kann;
4.
der Beschuldigte nach den §§ 115, 115a, 128 Absatz 1 oder § 129 einem Gericht zur Entscheidung über Haft oder einstweilige Unterbringung vorzuführen ist;
5.
der Beschuldigte sich auf Grund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befindet;
6.
zur Vorbereitung eines Gutachtens über den psychischen Zustand des Beschuldigten seine Unterbringung nach § 81 in Frage kommt;
7.
zu erwarten ist, dass ein Sicherungsverfahren durchgeführt wird;
8.
der bisherige Verteidiger durch eine Entscheidung von der Mitwirkung in dem Verfahren ausgeschlossen ist;
9.
dem Verletzten nach den §§ 397a und 406h Absatz 3 und 4 ein Rechtsanwalt beigeordnet worden ist;
10.
bei einer richterlichen Vernehmung die Mitwirkung eines Verteidigers auf Grund der Bedeutung der Vernehmung zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten geboten erscheint;
11.
ein seh-, hör- oder sprachbehinderter Beschuldigter die Bestellung beantragt.

(2) Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt auch vor, wenn wegen der Schwere der Tat, der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge oder wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann.

(3) (weggefallen)

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss des Landgerichts Strafvollstreckungskammer - Tübingen vom 17. September 2015

aufgehoben.

Dem Verurteilten wird im Verfahren über seinen Antrag auf Aussetzung der Restfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 13. Februar 2013 zur Bewährung Frau Rechtsanwältin ..... als Verteidigerin

bestellt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Verurteilten im Beschwerdeverfahren trägt die Staatskasse.

Gründe

 
I.
Der Verurteilte verbüßt die gegen ihn vom Landgericht - Große Strafkammer - Stuttgart mit Urteil vom 13. Februar 2013 verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten. Zweidrittel der Strafe waren am 10. September 2015 verbüßt. Das Strafende ist auf den 10. Februar 2017 notiert.
Mit Beschluss vom 17. September 2015 hat das Landgericht - Strafvollstreckungskammer - Tübingen den Antrag der Wahlverteidigerin, Rechtsanwältin ...., auf Beiordnung als Verteidigerin im Verfahren über die Entscheidung der Reststrafenaussetzung zur Bewährung zum Zweidritteltermin abgelehnt.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde vom 17. September 2015, der die Strafvollstreckungskammer nicht abgeholfen hat.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.
1.
Eine Pflichtverteidigerbestellung kommt im Vollstreckungsverfahren gemäß § 140 Abs. 2 StPO analog in Betracht, wenn die Schwere des Vollstreckungsfalles für den Verurteilten oder die besondere Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage im Vollstreckungsverfahren die Bestellung gebietet oder die Unfähigkeit des Verurteilten, sich selbst zu verteidigen, ersichtlich ist (vgl. BVerfG, NJW 2002, 2773; OLG Hamm, NStZ-RR 2008, 219). Dabei fordert das Strafvollstreckungsverfahren als Beschlussverfahren die Mitwirkung eines Verteidigers in weit geringerem Maße als das Erkenntnisverfahren (vgl. dazu BVerfG aaO). Aus diesem Grund sind im Vollstreckungsverfahren die drei abschließend genannten Merkmale des § 140 Abs. 2 StPO einschränkend zu beurteilen (OLG Hamm aaO; OLG Köln, NStZ-RR 2010, 326). Eine Beiordnung kommt daher regelmäßig nur in Ausnahmekonstellationen von besonderem Gewicht oder besonderer Komplexität, etwa bei Fragen der Überprüfung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, bei komplexen Strafzeitberechnungen, bei Vollstreckungshilfeverfahren oder rechtlich oder tatsächlich schwierigen oder folgenreichen Konstellationen in Betracht (Laufhütte/Willnow in KK, 7. Auflage, § 141 Rn. 11 mwN).
2.
Zu Recht hat die Strafvollstreckungskammer ausgeführt, dass die Schwere des Vollstreckungsfalles angesichts der verbleibenden Reststrafe - das Strafende ist auf den 10. Februar 2017 notiert - eine Verteidigerbestellung vorliegend nicht gebietet (vgl. BVerfG, NJW 1992, 2947, 2954; KG, StV 2007, 96 (verneinend) - für den Fall einer elfmonatigen Freiheitsstrafe; OLG Brandenburg, StV 2007, 95 (bejahend) - für den Fall einer Reststrafe von drei Jahren und sieben Monaten).
3.
Mit der Strafvollstreckungskammer ist der Senat auch der Ansicht, dass der Verurteilte zur eigenen Verteidigung nicht unfähig erscheint. Die im Diagnostikbericht der Justizvollzugsanstalt 0. vom 11. Juni 2015 festgestellte und im Gutachten der Sachverständigen Dr. B. vom 4. September 2015 aufgegriffene kombinierte Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F61.0) mit dissozialen und narzisstischen Zügen des Verurteilten steht ersichtlich nicht seiner Fähigkeit zur Selbstverteidigung entgegen, zumal er als intelligent, unbeeinträchtigt konzentrationsfähig und mit eher überdurchschnittlichen sprachlichen Fähigkeiten beschrieben wird (Diagnostikbericht, S. 5; Gutachten Dr. B„S. 13).
Auch aus der Einholung des Gutachtens zur Kriminalprognose resultiert vorliegend keine Unfähigkeit des Angeklagten zur Selbstverteidigung. Zwar kann die Einholung eines Prognosegutachtens über die fortbestehende Gefährlichkeit des Verurteilten (§ 454 Abs. 2 StPO) die Beiordnung eines Pflichtverteidigers jedenfalls dann als notwendig erscheinen lassen, wenn das ihn beschwerende Gutachten psychiatrischneurologische, psychoanalytische oder kriminologische Fragestellungen aufwirft, mit deren fachlicher Beurteilung der Verurteilte überfordert ist, was bei einem solchen Gutachten typischerweise zu vermuten ist (OLG Naumburg, StV 2014, 493). Abzustellen ist aber insoweit auf die Verständnismöglichkeiten des konkreten Verurteilten, mag auch bei der erwähnten Art von Gutachten dessen Überforderung zunächst typischerweise zu vermuten sein (OLG Schleswig, NStZ-RR 2008, 253).
Sowohl der Diagnostikbericht vom 11. Juni 2015 als auch das Gutachten vom 4. September 2015 enthalten zwar die Darstellung testpsychologischer Zusatzuntersuchungen (PCL-R, SORAG, SVR-20, „Dittmann-Liste" im Diagnostikbericht, S. 4 sowie PPI-R, RIST im Gutachten Dr. B., S. 14 bis 16) sowie Bewertungsverfahren zur Prognose (LSI-R, Static 99-R, FOTRES im Gutachten Dr. B, S. 16 bis 18), die dem nicht sachverständigen Verurteilten zunächst nicht unmittelbar zugänglich sind. Allein dieser Umstand lässt jedoch nicht auf eine Unfähigkeit zur ausreichenden Selbstverteidigung schließen. Es ist einem Sachverständigengutachten immanent, dass der Gutachter aufgrund seines besonderen Sachverstandes Schlussfolgerungen darlegt. Die Verständnismöglichkeit eines Sachverständigengutachtens beschränkt sich zumindest dann nicht auf ebenfalls Sachverständige, wenn der Gutachter seine Schlussfolgerung allgemeinverständlich darlegt. So liegt es hier. Den dargestellten Zusatzuntersuchungen und Bewertungsverfahren wird jeweils eine allgemeinverständliche Erläuterung angefügt. Der Senat erkennt nicht, dass der intelligente, unbeeinträchtigt konzentrationsfähige und eher überdurchschnittlich sprachlich befähigte Verurteilte die erläuterten Schlussfolgerungen nicht verstehen kann, zumal das Gutachten vom 4. September 2015 mit ihm in der mündlichen Anhörung vom 23. September 2015 besprochen wurde und er sich hierzu verständig äußerte.
4.
10 
Allerdings erscheint dem Senat vorliegend die Bestellung einer Verteidigerin aufgrund der Schwierigkeit der Sachlage geboten.
a)
11 
Erwägt die Strafvollstreckungskammer aufgrund des Ergebnisses eines Sachverständigengutachtens abweichend von der Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt zu entscheiden, indiziert dies, dass die Sachlage bei der Beurteilung der Voraussetzungen der Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung gemäß § 57 StGB nicht einfach gelagert ist (OLG Hamm, StRR 2009,403).
12 
Zwar hat die Strafvollstreckungskammer aufgrund des Ergebnisses des Gutachtens vom 4. September 2015 nicht erwogen, entgegen der Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt R. vom 30. Juli 2015, die auf der Grundlage des Diagnostikberichts vom 11. Juni 2015 erging, zu entscheiden. Das Gutachten vom 4. September 2015 bestätigte vielmehr die Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt und den dieser Stellung nähme zugrundeliegenden Diagnostikbericht. Es liegt jedoch eine vergleichbare Verfahrenslage vor.
13 
Zum Zeitpunkt der mündlichen Anhörung des Verurteilten am 31. Juli 2015 lagen der Strafvollstreckungskammer neben der Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt der Diagnostikbericht vom 11. Juni 2015 vor. Obwohl dieser das allgemeine, aber auch einschlägige Rückfallrisiko im Hinblick auf Gewalt- und auch Sexualstraftaten beim Verurteilten als relativ hoch einschätzte, weitere, ähnlich gelagerte Straftaten, insbesondere im Beziehungsbereich wegen stark vorherrschender deliktfördernder und kulturell traditionell geprägter Einstellungen als wahrscheinlich ansah und aufgrund der Chronizität der Delinquenz des Verurteilten eine mehrjährige, intensive, multimodale Therapie mit Gruppenangeboten und Wohngruppenvollzug einschließlich hochfrequenter einzeltherapeutischer Gespräche, wie sie in der Sozialtherapeutischen Anstalt Baden-Württemberg (STA) angeboten wird, als - das ausschließliche Mittel der Wahl - indiziert ansah, sah sich die Strafvollstreckungskammer gleichwohl nach Durchführung der mündlichen Anhörung veranlasst, ein Gutachten einzuholen.
14 
Sie hat hierzu in der mündlichen Anhörung am 31. Juli 2015 ausgeführt: „Die Kammer erläutert, dass nach dem Ergebnis der heutigen Anhörung ein psychiatrisches oder psychologisches Sachverständigengutachten eingeholt werden wird. Die Kammer beabsichtigt nicht, ohne ein Sachverständigengutachten die Entlassung abzulehnen." Im Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 13. August 2015 heißt es unter Ziff. 1: „Da die Kammer erwägt, die Vollstreckung des letzten Drittels der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 13. Februar 2013 zur Bewährung auszusetzen, wird gemäß § 454 Abs. 2 StPO ein kriminalprognostisches Sachverständigengutachten eingeholt".
15 
Wenn aber die Strafvollstreckungskammer trotz des Vorliegens des - für den Senat deutlichen - Diagnostikberichtes zu verstehen gibt, dass sie in der vorliegenden Diagnostik und der Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt noch keine ausreichende Entscheidungsgrundlage sieht, vielmehr die Einholung eines Gutachtens zur Gewinnung einer weiteren Entscheidungsgrundlage für erforderlich hält, ist von einer Schwierigkeit der Sachlage auszugeben.
b)
16 
In der vorliegenden Situation erscheint die beantragte Bestellung der Verteidigerin geboten. Die dem einzuholenden Sachverständigengutachten von der Strafvollstreckungskammer unter Umständen zugedachte Bedeutung gegenüber dem vorliegenden Diagnostikbericht und die möglicherweise erforderliche Auseinandersetzung mit gegensätzlichen Bewertungen führt zu einer schwierigen Sachlage und gebietet den rechtsanwaltlichen Beistand des Verurteilten.
5.
17 
Die Bestellung erstreckt sich auf das Verfahren über die Entscheidung zur Reststrafenaussetzung zur Bewährung (OLG Düsseldorf, StraFo 2011,371; OLG München, StraFo 2009,527; OLG Zweibrücken, NStZ 2010, 470; OLG Frankfurt, NStZRR 2003, 252). Die Ansicht des OLG Stuttgart in NJW 2000, 3367 steht nicht entgegen, da es sich im vorliegenden Verfahren der Entscheidung über eine Reststrafaussetzung zur Bewährung gem. § 57 StGB im Gegensatz zum dort entschiedenen Fall der erfolgten Bestellung einer Verteidigers „für das gesamte Vollstreckungsverfahren" in einer Unterbringungssache um einen klar abgrenzbaren Verfahrensabschnitt handelt, der eine auf diesen Abschnitt beschränkte Entscheidung ermöglicht.

(1) Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt vor, wenn

1.
zu erwarten ist, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht, dem Landgericht oder dem Schöffengericht stattfindet;
2.
dem Beschuldigten ein Verbrechen zur Last gelegt wird;
3.
das Verfahren zu einem Berufsverbot führen kann;
4.
der Beschuldigte nach den §§ 115, 115a, 128 Absatz 1 oder § 129 einem Gericht zur Entscheidung über Haft oder einstweilige Unterbringung vorzuführen ist;
5.
der Beschuldigte sich auf Grund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befindet;
6.
zur Vorbereitung eines Gutachtens über den psychischen Zustand des Beschuldigten seine Unterbringung nach § 81 in Frage kommt;
7.
zu erwarten ist, dass ein Sicherungsverfahren durchgeführt wird;
8.
der bisherige Verteidiger durch eine Entscheidung von der Mitwirkung in dem Verfahren ausgeschlossen ist;
9.
dem Verletzten nach den §§ 397a und 406h Absatz 3 und 4 ein Rechtsanwalt beigeordnet worden ist;
10.
bei einer richterlichen Vernehmung die Mitwirkung eines Verteidigers auf Grund der Bedeutung der Vernehmung zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten geboten erscheint;
11.
ein seh-, hör- oder sprachbehinderter Beschuldigter die Bestellung beantragt.

(2) Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt auch vor, wenn wegen der Schwere der Tat, der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge oder wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann.

(3) (weggefallen)

(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn

1.
zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind,
2.
dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann, und
3.
die verurteilte Person einwilligt.
Bei der Entscheidung sind insbesondere die Persönlichkeit der verurteilten Person, ihr Vorleben, die Umstände ihrer Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind.

(2) Schon nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe, mindestens jedoch von sechs Monaten, kann das Gericht die Vollstreckung des Restes zur Bewährung aussetzen, wenn

1.
die verurteilte Person erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese zwei Jahre nicht übersteigt oder
2.
die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, daß besondere Umstände vorliegen,
und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt sind.

(3) Die §§ 56a bis 56e gelten entsprechend; die Bewährungszeit darf, auch wenn sie nachträglich verkürzt wird, die Dauer des Strafrestes nicht unterschreiten. Hat die verurteilte Person mindestens ein Jahr ihrer Strafe verbüßt, bevor deren Rest zur Bewährung ausgesetzt wird, unterstellt sie das Gericht in der Regel für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung einer Bewährungshelferin oder eines Bewährungshelfers.

(4) Soweit eine Freiheitsstrafe durch Anrechnung erledigt ist, gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne der Absätze 1 bis 3.

(5) Die §§ 56f und 56g gelten entsprechend. Das Gericht widerruft die Strafaussetzung auch dann, wenn die verurteilte Person in der Zeit zwischen der Verurteilung und der Entscheidung über die Strafaussetzung eine Straftat begangen hat, die von dem Gericht bei der Entscheidung über die Strafaussetzung aus tatsächlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte und die im Fall ihrer Berücksichtigung zur Versagung der Strafaussetzung geführt hätte; als Verurteilung gilt das Urteil, in dem die zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(6) Das Gericht kann davon absehen, die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn die verurteilte Person unzureichende oder falsche Angaben über den Verbleib von Gegenständen macht, die der Einziehung von Taterträgen unterliegen.

(7) Das Gericht kann Fristen von höchstens sechs Monaten festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag der verurteilten Person, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.

Tenor

Die Beschwerden des Angeklagten gegen die Verfügungen des Vorsitzenden der Kleinen Strafkammer 10 des Landgerichts Hamburg vom 5. Februar 2016 werden auf Kosten des Beschwerdeführers verworfen.

Gründe

I.

1

Der Angeklagte ist am 1. Oktober 2015 durch das Amtsgericht Hamburg wegen vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden; zuvor war ihm auf ausdrücklichen Wunsch des Angeklagten unter Entpflichtung des bisherigen Verteidigers nunmehr Rechtsanwalt ... als Verteidiger beigeordnet worden.

2

Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht dieses Urteil am 12. Februar 2016 im Rechtsfolgenausspruch geändert und den Angeklagten - unter Verwerfung seiner eingelegten Berufung - zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Hiergegen hat der Verteidiger am 12. Februar 2016 Revision eingelegt.

3

Nachdem der Angeklagte in der Berufungshauptverhandlung am 5. Februar 2016 erklärt hatte, dass er den „Rechtsanwalt wechseln“ möchte, denn „ich glaube ihm nicht mehr“, und der Vorsitzende dieses Begehren als Antrag auf Entpflichtung des Pflichtverteidigers „abgelehnt“ hatte, hat der beigeordnete Verteidiger seine Entpflichtung beantragt. Diesen Antrag hat der Vorsitzende „zurückgewiesen“. Daraufhin hat der Verteidiger mit einem als Anlage zu Protokoll gereichten Schriftsatz Beschwerde „gegen die Anordnung des Vorsitzenden, mit der der Antrag auf Entpflichtung zurückgewiesen wurde“ eingelegt und zugleich beantragt, dem Angeklagten zur Begründung der Beschwerde einen Pflichtverteidiger zu bestellen. Gegen den diesen Antrag zurückweisenden Beschluss hat der Verteidiger sodann “namens des Angeklagten“ Beschwerde eingelegt.

4

Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Verwerfung der Beschwerden beantragt.

II.

5

Die zulässigen Beschwerden sind unbegründet.

6

1. Die Beschwerden sind statthaft (§ 304 Abs. 1 StPO).

7

a) § 305 S. 1 StPO steht der Zulässigkeit der Beschwerden nicht entgegen. Nach zutreffender herrschender Meinung handelt es sich, auch wenn ablehnende Entscheidungen zu § 140 StPO - wie hier - in der Hauptverhandlung ergangen sind, nicht um der Urteilsfällung vorausgehende Entscheidungen im Sinne dieser Vorschrift (Senatsbeschluss vom 17. April 2013, Az.: 2 Ws 72/13; KK-Zabeck, StPO, 7. Auflage, § 305 Rn. 8; Meyer-Goßner, StPO, 58. Auflage, § 141 a Rn. 10a m.w.N.).

8

b) Der Verteidiger, dem ein eigenes Beschwerderecht weder gegen die Ablehnung seiner gerichtlichen Bestellung (Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 141 Rn. 10 m.w.N.) noch gegen die Ablehnung seiner Entpflichtung (Senatsbeschluss vom 17. November 1997, NJW 1998, 621; OLG Bamberg, MDR 1990, S. 460; OLG Hamm NJW 2006, 2712 f.) zusteht, hat die Beschwerden namens und im Auftrag des Angeklagten eingelegt.

9

c) Hinsichtlich der gegen die „Zurückweisung“ der Entpflichtung gerichteten Beschwerde ist der Beschwerdegegenstand noch hinreichend bestimmbar. Insoweit ergibt die nach § 300 StPO gebotene Auslegung unter Berücksichtigung des weiteren Beschwerdevorbringens noch hinreichend klar, dass es sich der Sache nach um eine Beschwerde gegen die zeitlich vorangegangene, den Entpflichtungsantrag des Angeklagten ablehnende, Verfügung handelt.

10

Zwar könnten sowohl der zeitliche Ablauf der Beschwerdeanbringung nach der „Zurückweisung“ seines auf Entpflichtung gestellten Antrags sowie die nachfolgende Bezeichnung des Beschwerdegegenstandes („gegen die Anordnung des Vorsitzenden, mit der der Antrag auf Entpflichtung zurückgewiesen [Hervorhebung durch Senat] wurde“) nahelegen, dass allein die Verfügung des Vorsitzenden angefochten sein soll, mit der die vom Verteidiger - der Sache nach bereits unzulässig (HansOLG NJW 1978, 1172) und damit mangels eigener Beschwer überdies einem eigenem Rechtsmittel entzogene (Senatsbeschluss vom 17. November 1997, NJW 1998, 621; OLG Bamberg a.a.O.; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O. § 143 Rn. 7) - selbst beantragte Entpflichtung versagt wurde.

11

Indes ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen und der Verknüpfung, wonach dem Angeklagten zur Begründung der - gemeint: seiner - Beschwerde ein neuer Pflichtverteidiger zu bestellen sei, dass es sich allein um ein Rechtsmittel des Angeklagten gegen die erste ergangene Verfügung des Vorsitzenden handeln soll.

12

2. Die Beschwerden des Angeklagten sind aber unbegründet.

13

a) Die Beschwerde des Angeklagten gegen die unterlassene Bestellung eines (weiteren) Pflichtverteidigers für das Beschwerdeverfahren ist unbegründet, weil der Angeklagte hierauf keinen Anspruch hat.

14

aa) Mit dem Institut der notwendigen Verteidigung und mit der Bestellung eines Verteidigers sichert der Gesetzgeber das Interesse, das der Rechtsstaat an einem prozessordnungsgemäßen Strafverfahren hat (BVerfG NJW 1984, 113 f.; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 140 Rn. 1): das Institut gewährleistet vorrangig den Anspruch des Beschuldigten auf effektive Verteidigung. Zugleich soll aber die Durchführung eines geordneten Strafverfahrens garantiert werden (Senatsbeschluss vom 17. November 1997, NJW 1998, 621; Kett-Straub, NStZ 2006, S. 361, 362); insofern ist auch eine Bestellung gegen den Willen des Beschuldigten möglich (BVerfG a.a.O.).

15

bb) Gemessen hieran besteht keine Notwendigkeit einer weiteren Beiordnung eines weiteren Verteidigers.

16

Der Senat lässt es dahingestellt, unter welchen Voraussetzungen überhaupt ein weiterer Pflichtverteidiger zu bestellen ist; jedenfalls gebietet das Institut der notwendigen Verteidigung keine weitere Beiordnung in Fällen, in denen der Angeklagte, der bereits pflichtverteidigt ist, mit einem lediglich pauschal vorgetragenem Vorwurf ohne jede Substantiierung die Entpflichtung seines beigeordneten Verteidigers begehrt: ebenso wenig wie es der Angeklagte in der Hand hat, durch unsubstantiierte Behauptungen seinen Pflichtverteidiger „abzuschießen“ (zum Begriff und Phänomen s. Kett-Straub, a.a.O. S. 365), ist das Gericht veranlasst, einen zweiten Verteidiger auf Zuruf gleichsam „ins Blaue“ hinein zu bestellen.

17

Vorliegend erschöpft sich das gesamte Vorbringen in der Äußerung des Angeklagten, wonach er seinem Rechtsanwalt „nicht mehr glaube“; im weiteren Beschwerdevorbringen ist pauschal von einem „schwerwiegenden Vertrauensverlust“ die Rede sowie davon, dass von einem Angeklagten, der der deutschen Sprache nicht mächtig und juristischer Laie sei, nicht verlangt werden könne, fundiert vorzutragen. Der Senat vermag nicht zu erkennen, warum der Angeklagte - dem überdies ein Dolmetscher zur Verfügung stand - nicht in der Lage sein soll, in eigenen Worten Umstände darzulegen, weshalb er seinem auf eigenen Wunsch hin beigeordneten Verteidiger nicht mehr „glauben“ - was immer das bedeuten mag - könne.

18

Ebenso erschließt sich dem Senat nicht, dass der bisher beigeordnete Verteidiger gehindert sein soll, substantiiert für den Angeklagten dieses vorzutragen: auch unter Berücksichtigung des Mandatsverhältnisses und der hieraus resultierenden Verschwiegenheitsverpflichtung hat es der Angeklagte in der Hand, den notwendigen Vortrag beizubringen.

19

b) Die Beschwerde des Angeklagten gegen die Ablehnung des Widerrufs der Bestellung von Rechtsanwalt ... hat in der Sache ebenfalls keinen Erfolg, weil ein wichtiger Grund, der einen Widerruf rechtfertigen könnte, nicht vorliegt und auch vorrangige Interessen entgegenstehen.

20

Bei dieser Entscheidung sind die unter II.2.a)aa) nebeneinanderstehenden Zwecke der notwendigen Verteidigung zu beachten.

21

aa) Soweit anerkannt ist, dass neben dem Ausschließungsverfahren nach §§ 138a ff. StPO und über die ausdrücklich normierten Fälle der §§ 143, 145 Abs.1 StPO hinaus die Bestellung eines Verteidigers aus wichtigem Grund aufgehoben werden kann (BVerfG NJW 1975, 1015; BGH NStZ 1993, 600; OLG Bremen NStZ 14, 358; Senatsbeschluss a.a.O.), muss eine ernsthafte Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Angeklagten und dem Pflichtverteidiger vorliegen (OLG Karlsruhe NStZ 1988, 239 f.) und deshalb zu besorgen sein, dass die Verteidigung objektiv nicht mehr sachgerecht geführt werden kann (BVerfG NJW 2001, 3695 ff; KK-Laufhütte/Willnow, 7. Auflage, § 143 Rn. 5; Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O. § 143 Rn. 5). Allerdings reicht der bloße Hinweis auf ein gestörtes Vertrauensverhältnis nicht aus, da der Angeklagte keinen Anspruch auf Abberufung eines Verteidigers hat, zu dem er kein Vertrauen zu haben glaubt (so aber MüKo StPO/Thomas/Kämper § 143 Rn. 9). Voraussetzung ist vielmehr, dass konkrete Umstände substantiiert dargelegt werden, die vom Standpunkt eines vernünftigen und verständigen Beschuldigten aus die Sorge rechtfertigen, dass die Verteidigung objektiv nicht mehr sachgerecht geführt werden kann (ganz HM, vgl. BGH NStz-RR, 2005, 240; StV 2004, 302; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O. m. w. N.).

22

Hieran fehlt es aus den bereits unter II.2.a)bb) dargelegten Gründen.

23

bb) Im Übrigen merkt der Senat an, dass auch widerstreitende verfahrenssichernde Interessen einer Entpflichtung des bisherigen Verteidigers entgegenstanden und -stehen.

24

So befand sich der Angeklagte im Beschlusszeitpunkt seit fast sechs Monaten in Untersuchungshaft und hatte damit die erstinstanzlich ausgesprochene Haftstrafe bereits faktisch vollverbüßt, die Beweisaufnahme im Berufungsverfahren hatte bereits an vier Hauptverhandlungstagen (5. Januar 2016, 12. Januar 2016 und 15. Januar 2016 und 5. Februar 2016) stattgefunden und war weitgehend abgeschlossen. Nach Antragstellung und ablehnender Verbescheidung durch den Vorsitzenden der Kleinen Strafkammer am 5. Februar 2016 stand der abschließende Hauptverhandlungstermin am 12. Februar 2016 an, an welchem nach Einvernahme von zwei weiteren Zeugen - die jeweils nach wenigen Minuten entlassen wurden - der Angeklagte zu seinen persönlichen Verhältnissen gehört und die Beweisaufnahme geschlossen wurde. Nach den Plädoyers und dem letzten Wort ist das Urteil verkündet und der Haftbefehl aufgehoben worden. Der vom Angeklagten unzulänglich begründete Wunsch nach Austausch des Verteidigers hätte unter den gegebenen Umständen zu einer erheblichen Verfahrensverzögerung geführt und dem in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG verankerten besonderen Beschleunigungsgrundsatz in Haftsachen widersprochen (vgl. zur Beachtung des Beschleunigungsgebots im Rahmen des § 142 Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O. § 142 Rn. 9a); hinzu kommt, dass ein zur Verteidigung bereiter Rechtsanwalt vom Angeklagten noch nicht einmal benannt worden war.

25

Gegenwärtig ist der Angeklagte überdies für das Gericht nicht erreichbar, wie seine Entlassung aus der Untersuchungshaft „o.f.W.“ belegt. Deshalb sprechen auch Gründe der Verfahrenssicherung - vgl. nur § 145 a, 345 StPO - dagegen, den lediglich mit einem pauschalen Vorwurf belegten Verteidiger selbst gegen den Willen des Angeklagten (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O. Rn. 10) - auf den Willen des Verteidigers kommt es insoweit nicht an (vgl. LR/Lüderssen/Jahn, 26. Auflage, § 142 Rn. 30)- zu dieser Unzeit zu entpflichten.

III.

26

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.

(1) Das Beschwerdegericht darf die angefochtene Entscheidung nicht zum Nachteil des Gegners des Beschwerdeführers ändern, ohne daß diesem die Beschwerde zur Gegenerklärung mitgeteilt worden ist. Dies gilt nicht in den Fällen des § 33 Abs. 4 Satz 1.

(2) Das Beschwerdegericht kann Ermittlungen anordnen oder selbst vornehmen.

(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn

1.
zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind,
2.
dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann, und
3.
die verurteilte Person einwilligt.
Bei der Entscheidung sind insbesondere die Persönlichkeit der verurteilten Person, ihr Vorleben, die Umstände ihrer Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind.

(2) Schon nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe, mindestens jedoch von sechs Monaten, kann das Gericht die Vollstreckung des Restes zur Bewährung aussetzen, wenn

1.
die verurteilte Person erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese zwei Jahre nicht übersteigt oder
2.
die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, daß besondere Umstände vorliegen,
und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt sind.

(3) Die §§ 56a bis 56e gelten entsprechend; die Bewährungszeit darf, auch wenn sie nachträglich verkürzt wird, die Dauer des Strafrestes nicht unterschreiten. Hat die verurteilte Person mindestens ein Jahr ihrer Strafe verbüßt, bevor deren Rest zur Bewährung ausgesetzt wird, unterstellt sie das Gericht in der Regel für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung einer Bewährungshelferin oder eines Bewährungshelfers.

(4) Soweit eine Freiheitsstrafe durch Anrechnung erledigt ist, gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne der Absätze 1 bis 3.

(5) Die §§ 56f und 56g gelten entsprechend. Das Gericht widerruft die Strafaussetzung auch dann, wenn die verurteilte Person in der Zeit zwischen der Verurteilung und der Entscheidung über die Strafaussetzung eine Straftat begangen hat, die von dem Gericht bei der Entscheidung über die Strafaussetzung aus tatsächlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte und die im Fall ihrer Berücksichtigung zur Versagung der Strafaussetzung geführt hätte; als Verurteilung gilt das Urteil, in dem die zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(6) Das Gericht kann davon absehen, die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn die verurteilte Person unzureichende oder falsche Angaben über den Verbleib von Gegenständen macht, die der Einziehung von Taterträgen unterliegen.

(7) Das Gericht kann Fristen von höchstens sechs Monaten festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag der verurteilten Person, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.

Tenor

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 4. November 2010 - III - Ws 359/10 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 104 Absatz 1 des Grundgesetzes.

Der Beschluss wird aufgehoben und die Sache wird an das Oberlandesgericht Düsseldorf zurückverwiesen.

Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen eine oberlandesgerichtliche Entscheidung, mit der ein Antrag auf Feststellung eines Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot in einem Verfahren zur Aussetzung einer Reststrafe zur Bewährung zurückgewiesen wurde.

I.

2

1. Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landgerichts Köln vom 13. März 2007 wegen erpresserischen Menschenraubs zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Zwei Drittel der Strafe waren am 1. Juli 2009 verbüßt.

3

Bereits am 23. Dezember 2008 beantragte der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die zur Hälfte verbüßte Strafe die Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung.

4

Nach Ablehnung dieses Antrags durch das Landgericht Krefeld mit Beschluss vom 15. April 2009 und Aufhebung dieser Entscheidung durch das Oberlandesgericht Düsseldorf mit Beschluss vom 15. Juni 2009, ordnete das Landgericht Krefeld - nach Einholung eines Sachverständigengutachtens - die bedingte Entlassung des Beschwerdeführers mit Beschluss vom 15. Oktober 2009 an, wobei eine Entlassung jedoch nicht vor dem 19. Oktober 2009 erfolgen sollte. Der Beschwerdeführer wurde am 20. Oktober 2009 aus der Strafhaft entlassen.

5

2. Die durch den Beschwerdeführer sodann begehrte Feststellung sachwidriger Verzögerung des Verfahrens der Strafaussetzung zur Bewährung wurde durch Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 25. Januar 2010 erstmals abgelehnt. Auf die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde stellte das Bundesverfassungsgericht eine Verletzung des Freiheitsgrundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG fest, hob den Beschluss vom 25. Januar 2010 auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht Düsseldorf zurück (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 13. September 2010 - 2 BvR 449/10 -, juris).

6

Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Bundesverfassungsgericht aus, dass das Oberlandesgericht Düsseldorf sich zwar mit dem verfassungsrechtlichen Beschleunigungsgebot in Haftsachen befasst, aber nicht alle Gesichtspunkte, die zu einer Verfahrensverzögerung hätten führen können, gewürdigt und in seine Abwägung einbezogen habe. Dadurch habe das Oberlandesgericht das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip verletzt. Insbesondere sei die Annahme des Oberlandesgerichts, das Strafaussetzungsverfahren sei allenfalls um die zwei Monate verzögert worden, die zwischen der ersten ablehnenden Entscheidung des Landgerichts Krefeld vom 15. April 2009 und dem Beschluss des Oberlandesgerichts vom 15. Juni 2009 gelegen hätten, fehlerhaft. Nachdem dem Landgericht eine positive Stellungnahme zur Strafaussetzung durch die Justizvollzugsanstalt bereits am 2. März 2009 vorgelegen habe, hätte das Gericht in unmittelbarem Anschluss daran ein Sachverständigengutachten gemäß § 454 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO in Auftrag geben müssen. Es sei davon auszugehen, dass in diesem Fall zu einem erheblich früheren Zeitpunkt - wohl bereits zum Zwei-Drittel-Zeitpunkt am 1. Juli 2009 - über die Aussetzung der Restfreiheitsstrafe zur Bewährung hätte entschieden werden können, so dass durch die erst am 14. Juli 2009 erfolgte Beauftragung des Sachverständigen und die Haftentlassung des Beschwerdeführers am 20. Oktober 2009 eine fast viermonatige, vermeidbare Verzögerung eingetreten sein könne. Ob darüber hinaus weitere vermeidbare Verfahrensverzögerungen, insbesondere wegen der fehlenden Fristsetzung für die Erstellung des Gutachtens (§ 73 Abs. 1 Satz 2 StPO), eingetreten seien, habe das Oberlandesgericht nicht geprüft und insoweit die gebotene Abwägung zwischen dem Strafverfolgungsinteresse und dem Freiheitsgrundrecht des Beschwerdeführers auf unzureichender Grundlage vorgenommen.

7

3. Mit seiner nunmehr angegriffenen Entscheidung vom 4. November 2010 wies das Oberlandesgericht Düsseldorf den Antrag auf Feststellung sachwidriger Verzögerung des Verfahrens zur Strafaussetzung erneut zurück. Die Überschreitung des Zwei-Drittel-Zeitpunkts um ca. 16 Wochen schränke den Beschwerdeführer in seinem Freiheitsgrundrecht nicht unangemessen ein. Nicht nachvollziehbare Verfahrensverzögerungen seien nicht eingetreten. Insbesondere verstoße der Verzicht auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens gemäß § 454 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO im März 2009 nicht gegen den Beschleunigungsgrundsatz, da das Landgericht zu diesem Zeitpunkt eine Strafaussetzung zur Bewährung überhaupt nicht erwogen und insoweit auch nicht grob fehlerhaft gehandelt habe. Auch nach der Aufhebung der Ablehnungsentscheidung des Landgerichts durch den Beschluss vom 15. Juni 2009 sei das Verfahren mit der gehörigen Beschleunigung betrieben worden. Soweit sich Verzögerungen ergeben hätten, seien diese geringfügig oder entsprächen der üblichen Praxis. Dass trotz des Verzichts des Beschwerdeführers ein Termin zur mündlichen Anhörung durchgeführt worden sei, sei nicht zu beanstanden.

II.

8

Der Beschwerdeführer rügt im Wesentlichen eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG sowie aus Art. 3 Abs. 1 GG. Er trägt vor, dass die Zurückweisung seines Antrags eine erneute Verletzung seines Freiheitsgrundrechts darstelle und darüber hinaus die Ausführungen des Oberlandesgerichts die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in der Entscheidung über die vorangegangene Verfassungsbeschwerde missachteten sowie schlechthin objektiv nicht mehr vertretbar, mithin willkürlich, seien.

III.

9

1. Das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen hat von der Abgabe einer Stellungnahme abgesehen.

10

2. Dem Bundesverfassungsgericht haben die Akten 41 Js 296/06 V der Staatsanwaltschaft Köln vorgelegen.

B.

11

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung nach § 93c Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 93a Abs. 2 BVerfGG sind erfüllt. Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen - insbesondere die für die Beurteilung eines Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot in Strafsachen zu beachtenden Umstände - bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG; vgl. BVerfGE 55, 349 <369>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 20. Juli 2000 - 1 BvR 352/00 -, NJW 2001, S. 214; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 6. Juni 2001 - 2 BvR 828/01 -, NJW 2001, S. 2707; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 20. September 2007 - 1 BvR 775/07 -, NJW 2008, S. 503), und die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

I.

12

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Das Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers ist nicht durch die Reststrafenaussetzung zur Bewährung am 15. Oktober 2009 und die Entlassung des Beschwerdeführers aus der Strafhaft am 20. Oktober 2009 entfallen. Der Beschwerdeführer sieht in der behaupteten Verletzung des verfassungsrechtlichen Beschleunigungsgebots in Haftsachen eine Verletzung seines Freiheitsgrundrechts. Es würde der Bedeutung des Schutzes der Freiheit der Person durch das Grundgesetz (Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG) nicht entsprechen, wenn das Recht auf verfassungsrechtliche Klärung einer behaupteten Freiheitsverletzung nach deren Beendigung ohne Weiteres entfiele (BVerfGE 10, 302<308>; 74, 102 <115>; 76, 363 <381>). Angesichts des mit der Freiheitsentziehung erlittenen Eingriffs in dieses besonders bedeutsame Grundrecht besteht ein schutzwürdiges Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme auch nach deren Erledigung fort. Diesem Interesse haben mit Rücksicht auf die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde vorrangig die zuständigen Fachgerichte zu genügen. Das Oberlandesgericht hat hier mit der erneuten Ablehnung des Antrags, festzustellen, dass ein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Beschleunigungsgebot vorliege, die Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung bis zur Entlassung des Beschwerdeführers am 20. Oktober 2009 bestätigt. Der Beschwerdeführer hat ein berechtigtes Interesse an der Klärung, ob ihn diese Entscheidung in seinen Grundrechten verletzt (vgl. BVerfGE 104, 220 <231>).

II.

13

Der angegriffene Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 4. November 2010 verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG. Er befasst sich zwar mit dem verfassungsrechtlichen Beschleunigungsgebot in Haftsachen, hat aber die herangezogenen Gesichtspunkte, die zu einer Verfahrensverzögerung geführt haben könnten, einer verfassungsrechtlich nicht mehr vertretbaren Würdigung zugeführt.

14

1. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in seiner Entscheidung vom 13. September 2010 ausgeführt, dass Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip die angemessene Beschleunigung des mit einer Freiheitsentziehung verbundenen gerichtlichen Verfahrens gewährleistet (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 13. September 2010 - 2 BvR 449/10 -, juris, Rn. 28; so auch BVerfGE 20, 45 <49 f.>; 21, 184 <187>; 21, 220 <222>; 21, 223 <225 f.>; 36, 264 <273>; 46, 194 <195>). Im Verfahren über die Aussetzung des Rests einer Freiheitsstrafe zur Bewährung kommt eine Verletzung des Beschleunigungsgebots in Betracht, wenn das Freiheitsrecht nach den Umständen des Einzelfalls gerade durch eine sachwidrige Verzögerung der Entscheidung unangemessen weiter beschränkt wird (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 6. Juni 2001 - 2 BvR 828/01 -, NJW 2001, S. 2707 und vom 6. April 2006 - 2 BvR 619/06 -, juris).

15

a) Dabei ist die Frage, ob die Verfahrensdauer noch angemessen ist, nach den besonderen Umständen des einzelnen Falles zu beurteilen (vgl. BVerfGE 55, 349 <369>). Bei dieser Beurteilung sind insbesondere der Zeitraum der Verfahrensverzögerung, die Gesamtdauer der Strafvollstreckung und des Verfahrens über die Reststrafenaussetzung zur Bewährung, die Bedeutung dieses Verfahrens im Blick auf die abgeurteilte Tat und die verhängte Strafe, der Umfang und die Schwierigkeit des Entscheidungsgegenstandes sowie das Ausmaß der mit dem Andauern des schwebenden Verfahrens verbundenen Belastung des Verurteilten zu berücksichtigen. Zu berücksichtigen sind ferner das Prozessverhalten des Verurteilten (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 6. Juni 2001 - 2 BvR 828/01 -, NJW 2001, S. 2707 und vom 19. Januar 2004 - 2 BvR 1904/03, 2 BvR 32/04 -, juris) und die Tätigkeit Dritter, vor allem der Sachverständigen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 20. Juli 2000 - 1 BvR 352/00 -, NJW 2001, S. 214 <215>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 24. September 2009 - 1 BvR 1304/09 -, juris).

16

b) Eine Beschleunigung ist auch bei solchen Verfahren nicht grundsätzlich ausgeschlossen, in denen das Gericht bei der Entscheidungsfindung auf die Mitwirkung von Sachverständigen angewiesen ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 20. Juli 2000 - 1 BvR 352/00 -, NJW 2001, S. 214 <215>). Beispielsweise kann das Vollstreckungsgericht bei der Auswahl und Beauftragung eines Sachverständigen die besondere Eilbedürftigkeit der Angelegenheit berücksichtigen und der voraussichtlichen Bearbeitungsdauer bei der Auswahl des Sachverständigen entscheidendes Gewicht beimessen. Während der Bearbeitung des Gutachtens ist der Zeitfaktor durch zeitnahe Überwachung der gutachterlichen Tätigkeit und durch das Setzen von Bearbeitungsfristen im Blick zu behalten (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 20. Juli 2000 - 1 BvR 352/00 -, NJW 2001, S. 214 <215>; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 20. September 2007 - 1 BvR 775/07 -, NJW 2008, S. 503 <504>). Es kann unzureichend sein, den Sachverständigen nur an die Abgabe seiner Stellungnahme zu erinnern und sodann darauf zu vertrauen, dass das Gutachten zeitnah erstellt wird (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 6. April 2006 - 2 BvR 619/06 -, juris, Rn. 4).

17

c) Mit zunehmender Verfahrensdauer verdichtet sich die mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes verbundene Pflicht des Gerichts, sich nachhaltig um die Beschleunigung und den Abschluss des Verfahrens zu bemühen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 20. September 2007 - 1 BvR 775/07 -, NJW 2008, S. 503 <504>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 24. September 2009 - 1 BvR 1304/09 -, juris, Rn. 14), sowie die Anforderungen an die Sachverhaltsaufklärung. Dem verfahrensrechtlichen Gebot einer zureichenden richterlichen Sachaufklärung kommt gerade im Fall des Freiheitsentzugs die Bedeutung eines Verfassungsgebotes zu (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 20. Juli 2009 - 2 BvR 328/09 -, juris, Rn. 15).

18

d) Die Begründung einer fachgerichtlichen Entscheidung darüber, ob ein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Beschleunigungsgebot in Haftsachen vorliegt, muss erkennen lassen, dass das Gericht geprüft hat, ob und gegebenenfalls welche Verfahrensverzögerungen eingetreten und welche Ursachen hierfür maßgeblich sind. Nur wenn diese Grundlagen konkret benannt werden, ist eine sachgerechte Abwägung zwischen dem Strafverfolgungsinteresse und dem Freiheitsgrundrecht des Inhaftierten gewährleistet (vgl. BVerfGK 8, 1 <8>).

19

2. Mit diesen verfassungsrechtlichen Maßstäben ist auch der neuerliche Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 4. November 2010 nicht zu vereinbaren.

20

a) Insoweit ist zunächst darauf zu verweisen, dass der Beschluss des Oberlandesgerichts den Feststellungen in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 13. September 2010 (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 13. September 2010 - 2 BvR 449/10 -, juris, Rn. 26 ff.) nicht Rechnung trägt. Das Oberlandesgericht geht in seinem Beschluss davon aus, dass die Entscheidung des Landgerichts Krefeld, von der Einholung eines Sachverständigengutachtens gemäß § 454 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO abzusehen, jedenfalls nicht grob fehlerhaft und daher vertretbar gewesen sei. Ein Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz komme daher nicht in Betracht. Dies steht im Gegensatz zu der Feststellung in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 13. September 2010, wonach mit Zugang der positiven Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt zur Bewährungsaussetzung am 2. März 2009 ein Sachverständigengutachten gemäß § 454 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO hätte eingeholt werden müssen (BVerfG, a.a.O., juris, Rn. 36). Warum angesichts dieser Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt es nicht grob fehlerhaft gewesen sein soll, eine Bewährungsaussetzung überhaupt nicht in Betracht zu ziehen, erschließt sich nicht. Dem steht auch der Verweis auf ein weiteres gegen den Beschwerdeführer gerichtetes Ermittlungsverfahren nicht entgegen. Da dieses Ermittlungsverfahren eine Tat betrifft, die bereits vor der Tat begangen wurde, die Grundlage des vorliegenden Strafvollstreckungsverfahrens ist, wird das Gewicht der hinreichend positiven Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt hierdurch nicht relativiert und die dadurch begründete Notwendigkeit, ein Prognosegutachten gemäß § 454 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO einzuholen, nicht in Frage gestellt.

21

b) Unabhängig davon verkennt der angegriffene Beschluss, dass das verfassungsrechtliche Beschleunigungsgebot auch dadurch verletzt wurde, dass das Verfahren der Strafaussetzung auch nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts vom 15. Juni 2009 nicht mit der gebotenen Intensität betrieben worden ist.

22

aa) So erscheint es unter Berücksichtigung der dargestellten verfassungsrechtlichen Maßstäbe nicht vertretbar, dass das Landgericht Krefeld nach dem Ergehen der oberlandesgerichtlichen Entscheidung vom 15. Juni 2009 erst am 14. Juli 2009 ein Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben hat. Dem Beschleunigungsgebot wird es nicht gerecht, wenn sowohl das Oberlandesgericht als zur Entscheidung berufene Beschwerdeinstanz als auch das Landgericht als nach der Aufhebung einer mit der (sofortigen) Beschwerde angegriffenen Entscheidung erneut befasste Instanz eine rund vierwöchige Pause bis zum Fortgang des Aussetzungsverfahrens nach der Beschwerdeentscheidung entstehen lassen, zumal vorliegend das Erreichen des Zwei-Drittel-Zeitpunkts bei Erlass der Entscheidung vom 15. Juni 2009 zeitnah bevorstand. Jedenfalls im Kontext freiheitsentziehender Maßnahmen kann dem Einzelnen nicht zugemutet werden, durch die Berufung auf den "üblichen Geschäftsgang" Tage oder, wie hier, sogar Wochen auf eine ihm zustehende Überprüfung der ihm seine persönliche Freiheit entziehenden Maßnahmen warten und damit gegebenenfalls eine entsprechende, nicht notwendige Verlängerung seines Freiheitsentzugs hinnehmen zu müssen. Der Versuch des Oberlandesgerichts in dem angegriffenen Beschluss, eine solche rechtsstaatswidrige Verzögerung als geringfügig und in Bezug auf die Abwägung zwischen dem Freiheitsanspruch des Verurteilten und dem Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit als nicht sachwidrig darzustellen, ist verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar.

23

bb) Warum erst nach Eingang des Sachverständigengutachtens am 22. September 2009 und nicht parallel zur Erstellung desselben eine erneute Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt eingeholt wurde, erschließt sich nicht. Auch insoweit hätte die Möglichkeit erheblicher Beschleunigung des Verfahrens bestanden. Daneben wäre angesichts des wiederholt erklärten Verzichts des Beschwerdeführers die Möglichkeit des Absehens von einer (erneuten) mündlichen Anhörung zu erwägen gewesen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Januar 2000 - 2 StE 9/91 -, NJW 2000, S. 1663, m.w.N.).

24

cc) Als nicht vertretbar erweist sich schließlich die Anordnung einer (bedingten) Entlassung erst vier Tage nach Ergehen der Aussetzungsentscheidung durch das Landgericht und die Verneinung einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung durch das Oberlandesgericht Düsseldorf mit der schlichten Begründung, dass es sich um eine "übliche Praxis" handele. Eine Abwägung des Freiheitsgrundrechts des Verurteilten mit dem Sicherungsinteresse der Allgemeinheit findet nur statt bei der Entscheidung über die Reststrafenaussetzung als solche, nicht hingegen bei der Festlegung des tatsächlichen Entlassungstermins.

25

c) Aufgrund der dargelegten Mängel kann die Behauptung des Oberlandesgerichts, die Überschreitung des Zwei-Drittel-Zeitpunkts um 16 Wochen schränke das Freiheitsgrundrecht des Beschwerdeführers nicht unangemessen ein, verfassungsrechtlich keinen Bestand haben. Ein nachhaltiges Bemühen um Beschleunigung und Abschluss des Verfahrens zur Aussetzung der Reststrafe des Beschwerdeführers ist nicht erkennbar. Vielmehr ist das Verfahren in mehrfacher Hinsicht sachwidrig verzögert und die Dauer der Freiheitsentziehung für den Beschwerdeführer dadurch unter Verletzung seines Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG unangemessen verlängert worden.

26

3. Ob in der Ablehnung der Feststellung einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung in dem angegriffenen Beschluss zudem ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG begründet liegt, kann vor diesem Hintergrund dahinstehen. Mit der entsprechenden Rüge verfolgt der Beschwerdeführer kein weitergehendes Anfechtungsziel.

III.

27

1. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 4. November 2010 ist daher aufzuheben. Die Sache ist an das Oberlandesgericht Düsseldorf zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG).

28

2. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Tenor

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 25. Januar 2010 - III - 3 Ws 549/09 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes.

Der Beschluss wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht Düsseldorf zurückverwiesen.

...

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen eine oberlandesgerichtliche Entscheidung, mit der die Feststellung eines Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot in einem Verfahren zur Reststrafenaussetzung zur Bewährung abgelehnt wurde.

I.

2

Der Beschwerdeführer wurde am 13. März 2007 wegen erpresserischen Menschenraubs (Tatzeitpunkt war der 31. Oktober 2000) zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die Hälfte der Strafe war am 16. November 2008 verbüßt, zwei Drittel der Strafe am 1. Juli 2009.

3

Am 23. Dezember 2008 beantragte der Beschwerdeführer - unter Hinweis auf die bereits zur Hälfte verbüßte Strafe -, die Reststrafe zur Bewährung auszusetzen. Die Justizvollzugsanstalt äußerte sich mit Stellungnahme vom 18. Februar 2009, eingegangen beim Landgericht am 2. März 2009, zu seinem Antrag und vertrat die Ansicht, dass eine Entlassung zum Halbstrafenzeitpunkt aufgrund des nicht tadellosen Vollzugsverhaltens (illegaler Handybesitz in der Justizvollzugsanstalt) und der schwerwiegenden Umstände der abgeurteilten Tat nicht vertretbar sei. Grundsätzlich sei aber eine Bewährungsentlassung zum Zweidrittelzeitpunkt in Betracht zu ziehen. Anlässlich seiner Anhörung vor dem Landgericht am 15. April 2009 nahm der Beschwerdeführer nach Erörterung der Sach- und Rechtslage das Halbstrafengesuch zurück und beantragte stattdessen die Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung zum Zwei-Drittel-Zeitpunkt, das heißt zum 1. Juli 2009.

4

Mit Beschluss vom 15. April 2009 lehnte das Landgericht den Antrag ab. Die Prognose sei ungünstig, weil gegen den Beschwerdeführer wegen eines weiteren erpresserischen Menschenraubs (dortiger Tatzeitpunkt war der 6. Oktober 2000) ermittelt werde.

5

Auf die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers hob das Oberlandesgericht am 15. Juni 2009 den Beschluss des Landgerichts auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung dorthin zurück. Verbüße ein Verurteilter - wie vorliegend der Beschwerdeführer - erstmals eine Freiheitsstrafe, spreche eine Vermutung dafür, dass der Vollzug seine Wirkung nicht verfehlt habe und dies der Begehung neuer Straftaten entgegenwirke. Diese Vermutung sei hier nicht widerlegt. Die Tat, wegen der nun ermittelt werde, sei vor der Tat und Verurteilung begangen worden, die der Freiheitsstrafe zugrunde gelegen habe. Die Begehung dieser früheren Tat könne - sofern sie sich überhaupt nachweisen lasse - keinen Aufschluss darüber geben, ob der Vollzug seine erhoffte Wirkung verfehlt habe. Nach Auskunft der Justizvollzugsanstalt habe sich der Beschwerdeführer im Wesentlichen beanstandungsfrei geführt. Die familiären Verhältnisse seien geordnet, die für die Tat ursächliche Drogenabhängigkeit bestehe nicht mehr. Der Beschwerdeführer bereue die Tat. Diese und die weitere Tat lägen über neun Jahre zurück. Der Senat könne nicht selbst die Vollstreckung des Strafrestes aussetzen, weil eine Begutachtung noch ausstehe (§ 454 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 1 Var. 1 StGB).

6

Im Nachgang der Entscheidung des Oberlandesgerichts bat der Beschwerdeführer das Landgericht unter dem 29. Juni 2009 um eine Sachstandsmitteilung und - angesichts seines am 1. Juli 2009 anstehenden Zwei-Drittel-Haftverbüßungszeitpunkts - um eine bevorzugte Behandlung seiner Angelegenheit. Das Landgericht teilte hierauf unter dem 1. Juli 2009 mit, dass der Beschluss des Oberlandesgerichts nicht bekannt sei und die Akten noch nicht von dort zurückgesandt worden seien.

7

Mit Schreiben vom 6. Juli 2009 übermittelte der Beschwerdeführer dem Landgericht den Beschluss des Oberlandesgerichts vom 15. Juni 2009 und suchte erneut um beschleunigte Behandlung nach. Er verzichtete darüber hinaus auf eine mündliche Anhörung nach § 454 Abs. 1 Satz 3 StPO.

8

Durch Beschluss des Landgerichts vom 14. Juli 2009 wurde ein Sachverständiger mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Das Landgericht wies den Gutachter telefonisch auf die Dringlichkeit des Verfahrens hin. Der Gutachter sagte zu, das Gutachten schnellstmöglich zu erstellen. Einen Termin, zu dem das Gutachten vorliegen sollte, setzte das Landgericht dem Sachverständigen nicht.

9

Nachdem der Beschwerdeführer am 11. August 2009 das Landgericht darüber informiert hatte, dass ein gutachterliches Gespräch mit ihm noch nicht stattgefunden habe, teilte das Landgericht unter dem 12. August 2009 mit, der Sachverständige sei nochmals auf die Dringlichkeit hingewiesen worden und habe zugesagt, in der kommenden Woche mit der Begutachtung zu beginnen. Auch diese terminliche Zusage hielt der Sachverständige nicht ein, so dass der Beschwerdeführer daraufhin am 31. August 2009 beantragte, die Vollstreckung mit sofortiger Wirkung zu unterbrechen. Mit Schreiben vom 7. September 2009 teilte das Landgericht mit, dass der Beschwerdeführer laut Sachverständigem nunmehr am 2. September 2009 begutachtet worden sei und das Gutachten bis zum 11. September 2009 vorliegen solle. Mit Schreiben vom 15. September 2009 informierte das Landgericht den Beschwerdeführer, dass das Gutachten nach Auskunft des Sachverständigen am 16. September 2009 verschickt werden solle. Tatsächlich ging das vom 21. September 2009 datierende Gutachten beim Landgericht am 22. September 2009 und beim Beschwerdeführer am 29. September 2009 ein.

10

Der Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass beim Beschwerdeführer keine Gefahr mehr bestehe, dass die durch die Tat zu Tage getretene Gefährlichkeit fortbestehe. Es sei zu erwarten, dass er sich nach einer Entlassung in einem stabilen sozialen Umfeld bewegen könne. Er verfüge über hinreichende Ressourcen, um nicht in kriminogene Verhaltensmuster zurückzufallen.

11

Mit Schreiben vom 29. September 2009 verzichtete der Beschwerdeführer auf eine mündliche Anhörung des Sachverständigen. Am 7. Oktober 2009 ging beim Landgericht die von diesem angeforderte Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt ein. Diese erhob keine Einwendungen gegen das Gutachten. Unter dem 8. Oktober 2009 bat der Beschwerdeführer um Sachstandsmitteilung. Das Landgericht bestimmte mit Fax vom 13. Oktober 2009 den Anhörungstermin auf Donnerstag, den 15. Oktober 2009. Mit Beschluss vom 15. Oktober 2009 setzte das Landgericht nach mündlicher Anhörung des Beschwerdeführers (an der weder die Staatsanwaltschaft noch der Gutachter teilnahmen) die Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe mit der Maßgabe aus, dass der Beschwerdeführer nicht vor Ende des 19. Oktober 2009 (Montag) zu entlassen sei. Die Bewährungszeit wurde auf drei Jahre festgesetzt. Der Beschwerdeführer wurde am 20. Oktober 2009 entlassen.

12

Der Beschwerdeführer beantragte mit sofortiger Beschwerde die Feststellung, dass ein Verstoß gegen das in Haftsachen geltende verfassungsrechtliche Beschleunigungsgebot vorliege. Er habe bereits ein halbes Jahr vor dem Zwei-Drittel-Zeitpunkt die Reststrafenaussetzung beantragt. Obwohl das Oberlandesgericht im Beschluss vom 15. Juni 2009 darauf hingewiesen habe, dass er am 1. Juli 2009 zwei Drittel der Strafe verbüßt haben werde und ein Gutachten einzuholen sei, habe das Landgericht für die Einholung des Gutachtens mehr als vier Monate benötigt. Er sei erst dreieinhalb Monate nach dem Zwei-Drittel-Zeitpunkt entlassen worden. Obwohl er auf eine mündliche Anhörung verzichtet habe, habe ein Anhörungstermin stattgefunden. Der festgesetzte Entlassungszeitpunkt sei nicht nachvollziehbar. Das Landgericht hätte unschwer telefonisch einen Rechtsmittelverzicht von der Staatsanwaltschaft erwirken und eine sofortige Freilassung veranlassen können.

13

Das Oberlandesgericht wies den Antrag mit dem vorliegend angegriffenen Beschluss vom 25. Januar 2010 zurück. Es könne offen bleiben, ob Fälle verzögerter Entscheidungen nach § 57 StGB zur Gruppe tiefgreifender Grundrechtseingriffe gehörten, bei denen ein Feststellungsinteresse trotz prozessualer Überholung angenommen werden könne. Jedenfalls sei das Beschleunigungsgebot nicht verletzt. Die Dauer des Aussetzungsverfahrens sei nicht unangemessen. Die etwa dreieinhalbmonatige Überschreitung des Zwei-Drittel-Zeitpunktes werde durch die Länge der vierjährigen Freiheitsstrafe relativiert. Das Verfahren sei überdies allenfalls um die zwei Monate verlängert worden, die zwischen der aufgehobenen Entscheidung des Landgerichts vom 15. April 2009 und dem Beschluss des Oberlandesgerichts vom 15. Juni 2009 lägen. Die anschließende Anfertigung des Gutachtens innerhalb von zwei Monaten halte sich im Rahmen des Üblichen, zumal das Landgericht den Gutachter viermal telefonisch auf die Dringlichkeit hingewiesen habe. Nach Eingang des Gutachtens und der ergänzenden Stellungnahme des Anstaltspsychologen habe das Landgericht zeitnah am 13. Oktober 2009 den Anhörungstermin bestimmt, der bereits zwei Tage später stattgefunden habe. Die für den Beschwerdeführer mit dem Verfahren verbundenen Belastungen seien wegen der im Beschluss des Oberlandesgerichts und im Gutachten zum Ausdruck gekommenen konkreten Entlassungsaussicht erheblich gemindert gewesen.

II.

14

Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 1, Art. 103 Abs. 1 GG und Art. 104 GG. Der Zwei-Drittel-Zeitpunkt sei um 16 Wochen, der Halbstrafenzeitpunkt um etwa elf Monate überschritten worden.

15

1. Das Landgericht habe das Verfahren nach § 57 StGB nicht so rechtzeitig eingeleitet, dass es vor dem Halbstrafen- und vor dem Zwei-Drittel-Zeitpunkt habe abgeschlossen werden können. Es habe keine organisatorischen Maßnahmen zur Begrenzung der Verfahrensdauer ergriffen. Da es sich bei der Aussetzung nach § 57 StGB um eine Routineentscheidung handle, seien strenge organisatorische Anforderungen zu stellen, zumal § 454a StPO den Gerichten eine Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung wesentlich früher als drei Monate vor dem Entlassungszeitpunkt ermögliche.

16

2. Im Einzelnen rügt der Beschwerdeführer folgende Verfahrensverzögerungen:

17

a) Das Landgericht habe erst am 14. Juli 2009 ein für die Entscheidung über die Reststrafenaussetzung erforderliches Gutachten in Auftrag gegeben.

18

b) Das Landgericht sei in der Zeit zwischen der Entscheidung des Oberlandesgerichts vom 15. Juni 2009 und der Bestellung des Gutachters am 14. Juli 2009 untätig geblieben.

19

c) Das Landgericht habe entgegen § 73 Abs. 1 Satz 2 StPO und in Kenntnis des Umstands, dass der Zwei-Drittel-Zeitpunkt bereits seit dem 1. Juli 2009 überschritten war, bei der Bestellung des Gutachters am 14. Juli 2009 mit diesem keine Absprachen über den Zeitpunkt der Gutachtenerstellung getroffen. Es habe dadurch weitere Verzögerungen durch den Gutachter ermöglicht.

20

d) Das Landgericht habe nach Vorlage des Gutachtens am 22. September 2009 nicht unverzüglich den Anhörungstermin anberaumt. Im Übrigen sei die Anhörung vom 15. Oktober 2009 angesichts des Verzichts des Beschwerdeführers und der Tatsache, dass an der Anhörung weder der Sachverständige noch die Staatsanwaltschaft teilgenommen hätten, auch entbehrlich gewesen.

21

e) Eine weitere - nicht nachvollziehbare Verzögerung - sei eingetreten, weil der Beschluss des Landgerichts vom 15. Oktober 2009 angeordnet habe, den Beschwerdeführer nicht vor Ablauf des 19. Oktobers 2009 aus der Haft zu entlassen.

III.

22

Das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen hatte Gelegenheit zur Äußerung; es hat keine Stellungnahme abgegeben. Dem Bundesverfassungsgericht haben die Akten des Strafverfahrens und das Vollstreckungsheft vorgelegen.

IV.

23

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG) und gibt ihr statt. Zu dieser Entscheidung ist sie berufen, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind.

24

1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.

25

Das Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers ist nicht durch die Reststrafenaussetzung zur Bewährung am 15. Oktober 2009 und die Entlassung des Beschwerdeführers aus der Strafhaft am 20. Oktober 2009 entfallen. Der Beschwerdeführer sieht in der behaupteten Verletzung des verfassungsrechtlichen Beschleunigungsgebots in Haftsachen eine Verletzung seines Freiheitsgrundrechts. Es würde der Bedeutung des Schutzes der Freiheit durch das Grundgesetz (Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG) nicht entsprechen, wenn das Recht auf verfassungsrechtliche Klärung einer behaupteten Freiheitsverletzung nach deren Beendigung ohne Weiteres entfiele (BVerfGE 10, 302<308>; 74, 102 <115>; 76, 363 <381>). Angesichts des mit der Freiheitsentziehung erlittenen Eingriffs in ein besonders bedeutsames Grundrecht besteht ein schutzwürdiges Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme auch nach deren Erledigung fort. Diesem Interesse haben mit Rücksicht auf die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde vorrangig die zuständigen Fachgerichte zu genügen. Das Oberlandesgericht hat hier mit der Ablehnung des Antrags, festzustellen, dass ein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Beschleunigungsgebot vorliege, die Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung bis zur Entlassung des Beschwerdeführers am 20. Oktober 2009 bestätigt. Der Beschwerdeführer hat ein berechtigtes Interesse an der Klärung, ob diese Entscheidung ihn in seinen Grundrechten verletzt (vgl. BVerfGE 104, 220 <231>).

26

2. Die Verfassungsbeschwerde ist auch begründet.

27

Die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts vom 25. Januar 2010 befasst sich zwar mit dem verfassungsrechtlichen Beschleunigungsgebot in Haftsachen, hat aber nicht alle Gesichtspunkte, die zu einer Verfahrensverzögerung geführt haben könnten, gewürdigt und in seine Abwägung einbezogen. Dadurch verletzt das Oberlandesgericht das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip.

28

a) Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleistet in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip die angemessene Beschleunigung des mit einer Freiheitsentziehung verbundenen gerichtlichen Verfahrens (vgl. BVerfGE 20, 45 <49 f.>; 21, 184 <187>; 21, 220 <222>; 21, 223 <225 f.>; 36, 264 <273>; 46, 194 <195>). Im Verfahren über die Aussetzung des Rests einer Freiheitsstrafe zur Bewährung kommt eine Verletzung des Beschleunigungsgebots in Betracht, wenn das Freiheitsrecht nach den Umständen des Einzelfalls gerade durch eine sachwidrige Verzögerung der Entscheidung unangemessen weiter beschränkt wird (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 6. Juni 2001 - 2 BvR 828/01 -, NJW 2001, S. 2707, und vom 6. April 2006 - 2 BvR 619/06 -, juris).

29

Dabei ist die Frage, ob die Verfahrensdauer noch angemessen ist, nach den besonderen Umständen des einzelnen Falles zu beurteilen (vgl. BVerfGE 55, 349 <369>). Bei dieser Beurteilung sind insbesondere der Zeitraum der Verfahrensverzögerung, die Gesamtdauer der Strafvollstreckung und des Verfahrens über die Reststrafenaussetzung zur Bewährung, die Bedeutung dieses Verfahrens im Blick auf die abgeurteilte Tat und die verhängte Strafe, der Umfang und die Schwierigkeit des Entscheidungsgegenstandes sowie das Ausmaß der mit dem Andauern des schwebenden Verfahrens verbundenen Belastung des Verurteilten zu berücksichtigen. Zu berücksichtigen sind ferner das Prozessverhalten des Verurteilten (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 6. Juni 2001 - 2 BvR 828/01 -, NJW 2001, S. 2707, und vom 19. Januar 2004 - 2 BvR 1904/03, 2 BvR 32/04 -, juris) und die Tätigkeit Dritter, vor allem der Sachverständigen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 20. Juli 2000 - 1 BvR 352/00 -, NJW 2001, S. 214 <215>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 24. September 2009 - 1 BvR 1304/09 -, juris).

30

Eine Beschleunigung ist auch bei solchen Verfahren nicht grundsätzlich ausgeschlossen, in denen das Gericht bei der Entscheidungsfindung auf die Mitwirkung von Sachverständigen angewiesen ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 20. Juli 2000 - 1 BvR 352/00 -, NJW 2001, S. 214 <215>). Beispielsweise kann das Vollstreckungsgericht bei der Auswahl und Beauftragung eines Sachverständigen die besondere Eilbedürftigkeit der Angelegenheit berücksichtigen und der voraussichtlichen Bearbeitungsdauer bei der Auswahl des Sachverständigen entscheidendes Gewicht beimessen. Während der Bearbeitung des Gutachtens ist der Zeitfaktor durch zeitnahe Überwachung der gutachterlichen Tätigkeit und durch das Setzen von Bearbeitungsfristen im Blick zu behalten (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 20. Juli 2000 - 1 BvR 352/00 -, NJW 2001, S. 214 <215>; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 20. September 2007 - 1 BvR 775/07 -, NJW 2008, S. 503 <504>). Es kann unzureichend sein, den Sachverständigen an die Abgabe seiner Stellungnahme zu erinnern und darauf zu vertrauen, dass das Gutachten zeitnah erstellt wird (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 6. April 2006 - 2 BvR 619/06 -, juris).

31

Mit zunehmender Verfahrensdauer verdichtet sich die mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes verbundene Pflicht des Gerichts, sich nachhaltig um die Beschleunigung und den Abschluss des Verfahrens zu bemühen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 20. September 2007 - 1 BvR 775/07 -, NJW 2008, S. 503 <504>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 24. September 2009 - 1 BvR 1304/09 -, juris), sowie die Anforderungen an die Sachverhaltsaufklärung. Dem verfahrensrechtlichen Gebot einer zureichenden richterlichen Sachaufklärung kommt gerade im Fall des Freiheitsentzugs die Bedeutung eines Verfassungsgebotes zu (Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 20. Juli 2009 - 2 BvR 328/09 -, juris).

32

b) Die Begründung einer fachgerichtlichen Entscheidung darüber, ob ein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Beschleunigungsgebot in Haftsachen vorliegt, muss erkennen lassen, dass das Gericht geprüft hat, ob und gegebenenfalls welche Verfahrensverzögerungen eingetreten und welche Ursachen hierfür maßgeblich sind. Nur wenn diese Grundlagen konkret benannt werden, ist eine sachgerechte Abwägung zwischen dem Strafverfolgungsinteresse und dem Freiheitsgrundrecht des Inhaftierten gewährleistet (vgl. BVerfGK 8, 1 <8>).

33

c) Diesen Maßstäben hält die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts nicht stand.

34

Das Oberlandesgericht geht in seinem Beschluss pauschal davon aus, dass das Verfahren allenfalls um die zwei Monate verlängert worden sei, die zwischen der aufgehobenen Entscheidung des Landgerichts vom 15. April 2009 und dem Beschluss des Oberlandesgerichts vom 15. Juni 2009 liegen. Es verneint damit im Ergebnis, dass bereits vor dem 15. April 2009 eine relevante, den Beschwerdeführer in seinen Freiheitsrechten verletzende Verzögerung eingetreten sein kann.

35

Diese Einschätzung ist insofern fehlerhaft, als der Beschwerdeführer zum einen bereits unter dem 23. Dezember 2008 beantragt hat, seine Reststrafe zur Bewährung auszusetzen, zum anderen aber die Justizvollzugsanstalt unter dem 18. Februar 2009 - eingegangen beim Landgericht am 2. März 2009 - zur Reststrafenaussetzung umfangreich Stellung genommen hat. Weder der Abteilungsdienst noch der Werkdienst sahen Gründe, die gegen eine vorzeitige Haftentlassung sprachen. Der Sozialdienst führte aus, dass zwar eine Entlassung zum Halbstrafenzeitpunkt aufgrund des nicht ganz tadellosen Vollzugsverhaltens (illegaler Handybesitz in der Justizvollzugsanstalt im April 2008) und der schwerwiegenden Umstände der abgeurteilten Tat nicht vertretbar sei, aber grundsätzlich eine Bewährungsentlassung zum Zwei-Drittel-Zeitpunkt in Betracht komme.

36

In einem derartigen Fall hätte das Landgericht angesichts der hinreichend positiven Beurteilung durch die Justizvollzugsanstalt nach Zugang der Stellungnahme am 2. März 2009 gemäß § 454 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO ein Sachverständigengutachten in Auftrag geben müssen. Dadurch wäre eine Prüfung über die Reststrafenaussetzung zum Zwei-Drittel-Zeitpunkt am 1. Juli 2009 vorbereitet worden.

37

Es ist davon auszugehen, dass das Landgericht, hätte es bereits Anfang März 2009 einen Sachverständigen mit einem Prognosegutachten beauftragt, zu einem erheblich früheren Zeitpunkt - wohl bereits zum Zwei-Drittel-Zeitpunkt am 1. Juli 2009 - über die Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung hätte entscheiden können. Insoweit könnte durch die Beauftragung des Gutachters am 14. Juli 2009 und die Haftentlassung des Beschwerdeführers am 20. Oktober 2009 eine fast viermonatige, vermeidbare Verzögerung des Verfahrens eingetreten sein.

38

Ob darüber hinaus weitere vermeidbare Verfahrensverzögerungen, insbesondere wegen der fehlenden Fristsetzung für die Erstellung des Gutachtens (§ 73 Abs. 1 Satz 2 StPO), eingetreten sind, hat das Oberlandesgericht nicht geprüft und insoweit daher die gebotene Abwägung zwischen dem Strafverfolgungsinteresse und dem Freiheitsgrundrecht des Beschwerdeführers auf unzureichender Grundlage vorgenommen.

V.

39

Die Entscheidung über die Aufhebung und Zurückverweisung beruht auf § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG.

40

Die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 Alt. 1 BVerfGG.

(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last.

(2) Die Kosten des Verfahrens, die der Angeschuldigte durch eine schuldhafte Säumnis verursacht hat, werden ihm auferlegt. Die ihm insoweit entstandenen Auslagen werden der Staatskasse nicht auferlegt.

(3) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er in einer Selbstanzeige vorgetäuscht hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Das Gericht kann davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er

1.
die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder
2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.

(5) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig eingestellt wird.

(1) Die Entscheidung über die Beschwerde ergeht ohne mündliche Verhandlung, in geeigneten Fällen nach Anhörung der Staatsanwaltschaft.

(2) Wird die Beschwerde für begründet erachtet, so erläßt das Beschwerdegericht zugleich die in der Sache erforderliche Entscheidung.

(1) Jedes Urteil, jeder Strafbefehl und jede eine Untersuchung einstellende Entscheidung muß darüber Bestimmung treffen, von wem die Kosten des Verfahrens zu tragen sind.

(2) Die Entscheidung darüber, wer die notwendigen Auslagen trägt, trifft das Gericht in dem Urteil oder in dem Beschluß, der das Verfahren abschließt.

(3) Gegen die Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen ist sofortige Beschwerde zulässig; sie ist unzulässig, wenn eine Anfechtung der in Absatz 1 genannten Hauptentscheidung durch den Beschwerdeführer nicht statthaft ist. Das Beschwerdegericht ist an die tatsächlichen Feststellungen, auf denen die Entscheidung beruht, gebunden. Wird gegen das Urteil, soweit es die Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen betrifft, sofortige Beschwerde und im übrigen Berufung oder Revision eingelegt, so ist das Berufungs- oder Revisionsgericht, solange es mit der Berufung oder Revision befaßt ist, auch für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde zuständig.