Oberlandesgericht Hamm Urteil, 10. Feb. 2015 - 5 RVs 76/14

ECLI:ECLI:DE:OLGHAM:2015:0210.5RVS76.14.00
bei uns veröffentlicht am10.02.2015

Tenor

Die Revision wird verworfen.

Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Angeklagte.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36

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Oberlandesgericht Hamm Urteil, 10. Feb. 2015 - 5 RVs 76/14 zitiert 8 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 1


(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen G

Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

Strafgesetzbuch - StGB | § 46 Grundsätze der Strafzumessung


(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um

Strafgesetzbuch - StGB | § 47 Kurze Freiheitsstrafe nur in Ausnahmefällen


(1) Eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten verhängt das Gericht nur, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rech

Strafgesetzbuch - StGB | § 38 Dauer der Freiheitsstrafe


(1) Die Freiheitsstrafe ist zeitig, wenn das Gesetz nicht lebenslange Freiheitsstrafe androht. (2) Das Höchstmaß der zeitigen Freiheitsstrafe ist fünfzehn Jahre, ihr Mindestmaß ein Monat.

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Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Nov. 2007 - 4 StR 400/07

bei uns veröffentlicht am 15.11.2007

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 400/07 vom 15. November 2007 in der Strafsache gegen Veröffentlichung: ja BGHSt: ja Nachschlagewerk: ja StGB §§ 248 a, 265 a GVG § 121 Abs. 2 Es entscheidet sich nach den Verhältnissen des Einzelfalls, ob bei Bagat

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(1) Eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten verhängt das Gericht nur, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerläßlich machen.

(2) Droht das Gesetz keine Geldstrafe an und kommt eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten oder darüber nicht in Betracht, so verhängt das Gericht eine Geldstrafe, wenn nicht die Verhängung einer Freiheitsstrafe nach Absatz 1 unerläßlich ist. Droht das Gesetz ein erhöhtes Mindestmaß der Freiheitsstrafe an, so bestimmt sich das Mindestmaß der Geldstrafe in den Fällen des Satzes 1 nach dem Mindestmaß der angedrohten Freiheitsstrafe; dabei entsprechen dreißig Tagessätze einem Monat Freiheitsstrafe.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Freiheitsstrafe ist zeitig, wenn das Gesetz nicht lebenslange Freiheitsstrafe androht.

(2) Das Höchstmaß der zeitigen Freiheitsstrafe ist fünfzehn Jahre, ihr Mindestmaß ein Monat.

(1) Eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten verhängt das Gericht nur, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerläßlich machen.

(2) Droht das Gesetz keine Geldstrafe an und kommt eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten oder darüber nicht in Betracht, so verhängt das Gericht eine Geldstrafe, wenn nicht die Verhängung einer Freiheitsstrafe nach Absatz 1 unerläßlich ist. Droht das Gesetz ein erhöhtes Mindestmaß der Freiheitsstrafe an, so bestimmt sich das Mindestmaß der Geldstrafe in den Fällen des Satzes 1 nach dem Mindestmaß der angedrohten Freiheitsstrafe; dabei entsprechen dreißig Tagessätze einem Monat Freiheitsstrafe.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 400/07
vom
15. November 2007
in der Strafsache
gegen
Veröffentlichung: ja
BGHSt: ja
Nachschlagewerk: ja
StGB §§ 248 a, 265 a
Es entscheidet sich nach den Verhältnissen des Einzelfalls, ob bei Bagatelldelikten
bis zu einer bestimmten Schadensgrenze die gesetzliche Mindeststrafe
übersteigende Freiheitsstrafen nicht mehr schuldangemessen sind. Diese Frage
ist deshalb einer Vorlegung nach § 121 Abs. 2 GVG nicht zugänglich.
4. Strafsenat, Beschluss vom 15. November 2007 – 4 StR 400/07
I. Amtsgericht Halle-Saalkreis
II. Landgericht Halle
III. Oberlandesgericht Naumburg
wegen Erschleichens von Leistungen u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin
am Bundesgerichtshof Dr. Tepperwien, die Richter am Bundesgerichtshof
Maatz und Athing sowie die Richterinnen am Bundesgerichtshof SolinStojanović
und Sost-Scheible am 15. November 2007 beschlossen:
Die Sache wird an das Oberlandesgericht Naumburg zurückgegeben.

Gründe:


A.


1
I. Das Amtsgericht Halle-Saalkreis verurteilte den Angeklagten am 27. Juni 2006 wegen Hausfriedensbruchs, wegen Diebstahls geringwertiger Sachen sowie wegen Erschleichens geringwertiger Leistungen in neun Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten. Nach den Feststellungen des Urteils hatte der Angeklagte in der Zeit vom 21. November 2005 bis zum 11. Februar 2006 in neun Fällen öffentliche Verkehrsmittel in Halle benutzt, ohne im Besitz eines gültigen Fahrscheins zu sein; am 26. Januar 2006 hatte er ferner in einem Supermarkt zwei Flaschen Bier im Gesamtwert von 0,62 Euro entwendet und trotz eines Hausverbots, das gegen ihn wegen des Diebstahls der Bierflaschen ausgesprochen worden war, den Supermarkt wenige Stunden später erneut betreten.
2
Das Amtsgericht hielt gemäß § 47 Abs. 1 StGB die Verhängung von Freiheitsstrafen gegen den Angeklagten für unerlässlich und setzte für jeden Fall der Leistungserschleichung und für den Hausfriedensbruch Einzelfreiheitsstrafen von zwei Monaten sowie für den Diebstahl eine Einsatzstrafe von drei Monaten Freiheitsstrafe fest. Die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung des Angeklagten verwarf das Landgericht Halle durch Urteil vom 22. Januar 2007 als unbegründet. Ergänzend stellte die Strafkammer fest, dass in den Fällen der Leistungserschleichung jeweils nur ein Kurzstreckentarif in Höhe von 1,10 Euro vom Angeklagten zu entrichten gewesen war. Ebenso wie das Amtsgericht hielt die Berufungskammer des Landgerichts die Verhängung von Freiheitsstrafen gemäß § 47 Abs. 1 StGB für unerlässlich und bestätigte deshalb die erstinstanzlich festgesetzten Einzelfreiheitsstrafen sowie die Gesamtfreiheitsstrafe. Trotz des geringen Wertes der gestohlenen Bierflaschen und des jeweils zu entrichtenden Beförderungsentgeltes sah sich die Strafkammer hieran durch das Übermaßverbot nicht gehindert, weil der Angeklagte mehrfach, auch einschlägig, bestraft und Bewährungsversager sei. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die gegen ihn verhängten Freiheitsstrafen beanstandet.
3
II. Das zur Entscheidung über die Revision berufene Oberlandesgericht Naumburg beabsichtigt, die Revision des Angeklagten entsprechend dem Antrag des Generalstaatsanwalts in Naumburg nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen. Es erachtet die vom Landgericht verhängten Freiheitsstrafen wegen besonderer Umstände, die in der Persönlichkeit des Angeklagten liegen, zur Einwirkung auf ihn als unerlässlich im Sinne des § 47 Abs. 1 StGB. Die Einzelfreiheitsstrafen und die Gesamtfreiheitsstrafe seien in ihrer Höhe noch angemessen; das Übermaßverbot werde durch sie nicht verletzt.
4
Mit Ausnahme der wegen Hausfriedensbruchs verhängten Einzelstrafe sieht sich das Oberlandesgericht Naumburg an der beabsichtigten Entschei- dung durch die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 25. Oktober 2001 - 1 Ss 52/01 - (NStZ-RR 2002, 75) und des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 9. Februar 2006 - 1 Ss 575/05 - (NStZ 2007, 37) gehindert:
5
Das Oberlandesgericht Braunschweig habe es in der genannten Entscheidung als "schlechthin unangemessen" angesehen, den Diebstahl einer Kaufhausware im Wert von 5,00 DM mit einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten zu ahnden. Das Oberlandesgericht Stuttgart habe den seine Entscheidung tragenden Rechtssatz aufgestellt, die Verhängung einer zweimonatigen Freiheitsstrafe zur Sühne für Tatschuld und Tatunrecht sei bei einer Leistungserschleichung mit einem Schaden von 1,65 Euro - ohne Rücksicht auf die strafrechtliche Vergangenheit eines Angeklagten - unverhältnismäßig und nicht mehr vertretbar , so dass wegen des zu beachtenden Übermaßverbotes eine tatrichterliche Ermessensausübung ausscheide. Beide Oberlandesgerichte hätten deshalb die vom Tatrichter verhängten Freiheitsstrafen von zwei Monaten auf die allein als angemessen angesehene gesetzliche Mindeststrafe von jeweils einem Monat zurückgeführt.
6
Das Oberlandesgericht Naumburg hat die Sache daher gemäß § 121 Abs. 2 GVG dem Bundesgerichtshof über folgende Fragen vorgelegt: "Stehen das Übermaßverbot und das Gebot schuldangemessenen Strafens der Verhängung einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Monat unabhängig von der strafrechtlichen Vergangenheit des Täters stets entgegen, wenn der Täter einer Erschleichung der Beförderung durch ein Verkehrsmittel ein Entgelt von nicht mehr als 1,10 Euro nicht entrichten wollte?" sowie "Stehen das Übermaßverbot und das Gebot schuldangemessenen Strafens der Verhängung einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Monat unabhängig von der strafrechtlichen Vergangenheit des Täters stets entgegen, wenn der Täter eines durch die Wegnahme zweier Bierflaschen aus einem Supermarkt begangenen Diebstahls einen Schaden von nicht mehr als 0,62 Euro verursacht hat?"
7
III. Der Generalbundesanwalt hat beantragt, die Sache an das Oberlandesgericht zurückzugeben; hilfsweise zu beschließen:
8
„1. Ob das Übermaßverbot und das Gebot schuldangemessenen Strafens der Verhängung einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Monat entgegenstehen, wenn der Täter einer Erschleichung der Beförderung durch ein Verkehrsmittel ein Entgelt von nicht mehr als 1,10 Euro nicht entrichten wollte, kann nur nach Lage des Einzelfalles unter Berücksichtigung aller für die Strafzumessung erheblicher Faktoren beurteilt werden.
9
2. Ob das Übermaßverbot und das Gebot schuldangemessenen Strafens der Verhängung einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Monat entgegenstehen, wenn der Täter eines durch die Wegnahme zweier Bierflaschen aus einem Supermarkt begangenen Diebstahls einen Schaden von nicht mehr als 0,62 Euro verursacht hat, kann nur nach Lage des Einzelfalles unter Berücksichtigung aller für die Strafzumessung erheblicher Faktoren beurteilt werden.“

B.


10
Die Sache ist an das Oberlandesgericht zurückzugeben. Die Vorlegungsvoraussetzungen des § 121 Abs. 2 GVG sind nicht gegeben, weil sich die vom Oberlandesgericht Naumburg beabsichtigte Abweichung auf die Bewertung von Tatsachen, nicht aber auf eine Rechtsfrage bezieht. Durch die Beschlüsse der Oberlandesgerichte Braunschweig und Stuttgart ist das vorlegende Oberlandesgericht daher nicht gehindert, in dem von ihm zu entscheidenden Fall ungeachtet einer Ähnlichkeit der zu beurteilenden Sachverhalte die Revision des Angeklagten zu verwerfen.
11
Der Generalbundesanwalt hat dazu u.a. ausgeführt: "Die Entscheidung, unter welchen Umständen die Grenzen schuldangemessenen Strafens überschritten sind und dadurch das Übermaßverbot verletzt ist, gehört zur Strafzumessung und ist als tatrichterliche Wertung tatsächlicher Umstände eine Frage des Einzelfalls, die der Klärung im Wege eines Vorlageverfahrens nicht zugänglich ist (vgl. BGHSt 27, 212, 214ff; NStZ 1983, 261, 262; 1988, 270f; Franke in Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. § 121 GVG Rdnr. 59; KK-Hannich 5. Aufl. StPO § 121 GVG Rdnr. 36); darauf, dass das vorlegende Oberlandesgericht die Frage als Rechtsfrage behandelt hat, kommt es nicht an (vgl. BGHSt 31, 314, 316; NStZ 1995, 409, 410).
(…)
Im Hinblick auf das Wesen der Strafzumessung, die zugleich tatrichterlicher Wertungsakt und Rechtsanwendung auf einen bestimmten Strafzumessungssachverhalt unter vom Gesetzgeber formulierte Strafzumessungskriterien und -leitlinien ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.06.2007 - 2 BvR 1447/05 und 2 BvR 12 BvR 136/05 Rdnr. 78 [= NStZ 2007, 598ff.]), muss daher in
der Regel davon ausgegangen werden, dass sich die Rechtsausführungen der Obergerichte zu den Grenzen schuldangemessenen Strafens nur auf den der Entscheidung zugrunde liegenden Einzelfall beziehen (vgl. BGHSt 27, 212, 215f; 28, 318, 324f; Schäfer Praxis der Strafzumessung 3. Aufl. Rdnr. 485), mögen sie auch so formuliert sein, dass sie als grundsätzliche Aussage aufgefasst werden könnten (vgl. BGHSt 18, 324, 325f; 28, 165, 166; NStZ 1988, 270f). Denn unterschiedliche Ergebnisse rechtsfehlerfrei angewendeten tatrichterlichen Ermessens bei der Strafzumessung haben mit abweichenden Entscheidungen in Rechtsfragen nichts gemein ; die denkbaren Umstände des Einzelfalles sind zu vielschichtig für generelle Aussagen (BGHSt 27, 212, 216; Franke in Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. § 121 GVG Rdnr. 59; KKHannich 5. Aufl. StPO § 121 GVG Rdnr. 36; Schäfer Praxis der Strafzumessung 3. Aufl. Rdnr. 485).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist nicht davon auszugehen, dass die Oberlandesgerichte Braunschweig und Stuttgart die Verhängung von die Mindeststrafe übersteigenden Freiheitsstrafen unabhängig von der strafrechtlichen Vergangenheit des Täters in Fällen des Diebstahls sehr geringwertiger Sachen aus Kaufhäusern und des Erschleichens sehr geringwertiger Leistungen stets als Verstöße gegen das Gebot schuldangemessenen Strafens und gegen das Übermaßverbot bewertet haben.
Das Oberlandesgericht Braunschweig hat in dem von ihm zu entscheidenden Fall die Höhe der verhängten Freiheitsstrafe von zwei Monaten beanstandet, weil es das Tatunrecht im doppelten Sinne als denkbar gering angesehen hat: Zum einen wegen der wertmäßigen Geringfügigkeit der entwendeten Schachtel Zigaretten, zum anderen im Hinblick auf die bloß "abstrakte Warenwert-Entziehung" im Kaufhaus, ohne dass dadurch eine "konkret-personale Sphäre" betroffen gewesen sei. Bereits der letztgenannte Gesichtspunkt macht deutlich, dass das Oberlandesgericht Braunschweig seine Entscheidung nicht auf alle Fälle des Diebstahls von Waren im Wert von 5,00 DM oder weniger aus Supermärkten ausdehnen wollte.
(…)
Schließlich ist in die Auslegung des Beschlusses des Oberlandesgerichts Braunschweig einzubeziehen, dass er nach dem Verständnis des vorlegenden Oberlandesgerichts nicht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stünde. Dies kann im Hinblick auf die Bedeutung von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts für die Vorlegungspflicht der Oberlandesgerichte (vgl. BGHSt 44, 171, 173) nicht unberücksichtigt bleiben. Bereits 1979 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die gesetzliche Regelung , die für den Diebstahl geringwertiger Sachen Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe androht, mit dem Grundgesetz vereinbar ist (BVerfGE 50, 205, 214 ff).
Unter Berufung auf diese Senatsentscheidung hat das Bundesverfassungsgericht im Jahre 1994 festgestellt, dass die Verhängung einer die Mindeststrafe übersteigenden kurzen Freiheitsstrafe auch in Fällen des Diebstahls geringwertiger Sachen verfassungsgemäß sein kann, wenn der Täter mehrfach und überwiegend einschlägig vorbestraft ist (BVerfG, Beschluss vom 09.06.1994 - 2 BvR 710/94). (…) Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 09.06.1994 klargestellt, dass die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe gemäß § 47 StGB nicht erst ab einer bestimmten Schadenshöhe in Betracht kommt. Zugleich hat es die gegen den Beschwerdeführer verhängten Freiheitsstrafen, also auch die Einzelfreiheitsstrafe von zwei Monaten wegen des Diebstahls von zwei Flaschen Bier im Wert von 1,40 DM aus einem Supermarkt angesichts seiner vielfachen, überwiegend einschlägigen Vorstrafen als mit dem Gebot schuldangemessenen Strafens vereinbar angesehen.
Auch das Oberlandesgericht Stuttgart hat lediglich in einer Einzelfallentscheidung die Verhängung von zweimonatigen Freiheitsstrafen für Leistungserschleichungen mit einem Schaden von 1,65 Euro als nicht mehr schuldangemessen bewertet. Maßgeblich hierfür war ersichtlich eine einzelfallbezogene Abwägung der wesentlichen Strafzumessungsgesichtspunkte.
(…)
Der vom Oberlandesgericht Naumburg aus den Entscheidungsgründen des Oberlandesgerichtes Stuttgart hervorgehobene Satz ("Die Verhängung einer zweimonatigen Freiheitsstrafe zur Sühne für Tatschuld und Tatunrecht ist bei einer Leistungserschleichung mit einem Schaden von 1,65 Euro - ohne Rücksicht auf die strafrechtliche Vergangenheit des Angeklagten - unverhältnismäßig und nicht mehr vertretbar.") ist bei verständiger Würdigung nur Ergebnis dieser Einzelfallabwägung. Er ist zwar allgemein formuliert, wird in dem ihm vom Oberlandesgericht Naumburg zugemessenen Bedeutungsgehalt vom Oberlandesgericht Stuttgart jedoch nicht begründet. Da er zudem in auf den Einzelfall bezogene Erwägungen eingebettet ist, ist davon auszugehen, dass das Oberlandesgericht Stuttgart die Verhängung von zweimonatiger Freiheitsstrafe für Leistungserschleichungen mit einem Schaden von 1,65 Euro nicht allgemein, sondern nur in dem ihm vorliegenden Verfahren als nicht mehr schuldangemessen erachtete.“
12
Dem stimmt der Senat zu. Es entscheidet sich nach den Verhältnissen des Einzelfalls, ob bei Bagatelldelikten bis zu einer bestimmten Schadensgrenze die gesetzliche Mindeststrafe übersteigende Freiheitsstrafen nicht mehr schuldangemessen sind. Diese Frage ist deshalb einer Vorlegung nach § 121 Abs. 2 GVG nicht zugänglich.
Tepperwien Maatz Athing
Solin-Stojanović Sost-Scheible

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.