Oberlandesgericht Düsseldorf Urteil, 16. Okt. 2013 - 15 U 130/13
Gericht
Tenor
Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 03.07.2013 abgeändert:
Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Düsseldorf vom 23.04.2013 wird aufgehoben, und der Antrag auf ihren Erlass wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Verfügungskläger zu tragen.
1
Gründe:
2I.
3Mit Urteil vom 3. Juli 2013 hat das Landgericht seine einstweilige Verfügung vom 22. April 2013 mit der Maßgabe bestätigt, dass der Verfügungsbeklagten untersagt wird,
4über den Verfügungsbeklagten wie folgt zu berichten:
5a) „Bei der Frühstücksflockenfirma war unmittelbar vor dem Schutzschirmantrag Mitte Juni 2012 der Sanierungsberater E. als Geschäftsführer installiert worden ... E. wiederum präsentierte dem Amtsgericht in Stendal F. als vorläufiger Sachwalter";
6b) Den Anleihegläubigem lässt F. wenigstens eine kleine Hoffnung: Die Quote nach dem Insolvenzplan sei nur die Grundquote von 0,34 Prozent. Sie könne sich bis auf 16 Prozent erhöhen, falls G. künftig weitere Ansprüche durchsetze."
7c) durch die Berichterstattung:
8„Der Richter pochte auf Unabhängigkeit und holte einen neuen Sachwalter an Bord."
9den Eindruck zu erwecken, der Antragsteller sei als Sachwalter bestellt, dann abberufen und durch einen anderen Sachwalter ersetzt worden;
10jeweils wenn dies geschieht wie in dem Beitrag: „In die Röhre geschaut" in der WirtschaftsWoche Nr. 00 vom 00.00.0000 und/oder in dem Beitrag „Wenn Anleger in die lnsolvenzfalle tappen" in der „WirtschaftsWoche Online" seit dem 00.00.0000."
11Zur Verdeutlichung des Zusammenhangs werden im Folgenden die Passagen des Zeitungs- bzw. redaktionellen Internetartikels, in denen die beanstandeten Äußerungen enthalten sind, wiedergegeben (die angegriffenen Äußerungen sind jeweils unterstrichen):
12Der Anwalt und die H
13Ob die H F. ins Verfahren geholt habe, wollte die Bank nicht sagen. Das seien „Angelegenheiten des Aufsichtsrates", die der „Geheimhaltungspflicht' unterlägen. Fest steht: Die H und F. sind alte Bekannte. 2009 begleitete F. die Insolvenz der I., eines Metallverarbeiters aus dem Portfolio der H.-Tochter J..
142012 arbeiteten F. und die H. im Verfahren um K. Hand in Hand. Bei der Frühstücksflockenfirma war unmittelbar vor dem Schutzschirmantrag Mitte Juni 2012 der Sanierungsberater E. als Geschäftsführer installiert worden. Er wurde „eingesetzt von der H.-Bank", heißt es in einem Gerichtsbeschluss. E. wiederum präsentierte dem Amtsgericht in Stendal F. als vorläufigen Sachwalter. Das Gericht stimmte zu. Einige Wochen später regten sich beim zuständigen Richter in Stendal jedoch „erhebliche und begründete Zweifel" an der Unabhängigkeit des Sachwalters. Ihm war aufgefallen, dass das Duo schon mehrfach zusammengearbeitet hatte. E. und F. betonten, dass frühere Beziehungen offengelegt worden seien. Der Richter pochte auf Unabhängigkeit und holte einen neuen Sachwalter an Bord.
15Die Bank gewinnt
16Fest steht: Über den Aufsichtsrat kam bei G. der H.-nahe Anwalt F. als Sanierungsvorstand in die Schlüsselposition. Er durfte den Insolvenzplan schreiben, in dem festgelegt wird, wie das Unternehmen saniert werden soll. Laut Plan verzichtet die Bank zwar auf zwei Drittel ihrer Forderungen. 8,6 Millionen Euro aber soll die neue G. Industrie GmbH der Bank noch zurückzahlen — und das, obwohl knapp sieben Millionen davon bei der G. L. AG genauso wenig besichert waren wie die Anleihen.
17Die H. wehrt sich gegen den Vorwurf, die Bank sei bessergestellt worden als Anleihegläubiger. Sie verfüge „über Sicherheiten bei den Tochtergesellschaften". Und F. rechtfertigt, die H. sei wirtschaftlich ins Risiko gegangen und habe den laufenden Betrieb trotz Insolvenz finanziert. „Besserstellung der sanierungsbereiten Gläubiger gibt es in fast sämtlichen Insolvenzplanverfahren", sagt F..
18Er dürfte für die Bank trotzdem einen guten Deal herausgeschlagen haben. Sie bekommt über ihre Tochter J. ein um 100 Millionen Euro entschuldetes Unternehmen, das operativ profitabel arbeitet. Und ihre verbliebenen Kredite sind nach Abschütteln der anderen Gläubiger nun sicherer geworden. Den Anleihegläubigern lässt F. wenigstens eine kleine Hoffnung: Die Quote nach dem Insolvenzplan sei nur die Grundquote von 0,34 Prozent. Sie könne sich auf bis zu 16 Prozent erhöhen, falls G. künftig weitere Ansprüche durchsetze.
19Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die in der Berufungsinstanz zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
20II.
21Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Verfügungsbeklagten hat auch in der Sache Erfolg; dem Verfügungskläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 BGB analog in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG nicht zu.
221.
23Über die Unterlassungsanträge ist aufgrund einer Abwägung des Rechts des Verfügungsklägers auf Schutz seiner Persönlichkeit aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK verankerten Recht der Beklagten auf Meinungs- und Medienfreiheit zu entscheiden.
24Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BGH, Urteil vom 11. 12. 2012 - VI ZR 314/10 –, juris m.w.Nachw.)
25Im Streitfall sind die beanstandeten Äußerungen der Sozialsphäre des Klägers, nämlich seiner beruflichen Betätigung, und nicht seiner Privatsphäre zuzuordnen.
26Der Eingriff in die Sozialsphäre des Verfügungsklägers durch die beanstandete Berichterstattung ist nicht rechtswidrig, weil sein Schutzinteresse die schutzwürdigen Belange der Beklagten nicht überwiegt. Dies ergibt die gebotene Abwägung zwischen dem nach Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers und dem gemäߠArt. 5 Abs. 1 GG ebenfalls Verfassungsrang genießenden Recht der Verfügungsbeklagten auf Äußerungs- undPressefreiheit. Danach muss der Einzelne grundsätzlich Einschränkungen seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung hinnehmen, wenn und soweit solche Beschränkungen von hinreichenden Gründen des Gemeinwohls getragen werden und bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze des Zumutbaren noch gewahrt ist (vgl. BGH, Urteil vom 20. 12. 2011 – VI ZR 261/10 –, juris, m.w.Nachw.).
272.
28Im Einzelnen:
29a)
30Es besteht kein Anspruch auf Unterlassung der Aussage „E. wiederum präsentierte dem Amtsgericht in Stendal F. als vorläufigen Sachwalter“.
31Der Verfügungskläger sieht in dieser Äußerung eine unwahre Tatsachenbehauptung, weil – unstreitig - alle drei vertretungsberechtigten Geschäftsführer der K. Deutschland Produktions GmbH den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, in dem der Verfügungskläger als vorläufiger Sachwalter vorgeschlagen worden ist, unterschreiben haben. E. habe dem Insolvenzrichter den Verfügungskläger auch nicht persönlich vorgestellt.
32Die angegriffene Äußerung ist jedoch keine reine Tatsachenbehauptung, sondern enthält wertende Elemente. Der Tatsachenkern der Äußerung ist nicht in dem von dem Verfügungskläger dargestellten Sinn zu verstehen und deshalb nicht unwahr.
33Wegen ihrer Bedeutung für den Schutzumfangs der betroffenen Grundrechte ist zunächst die Einstufung einer Äußerung als Werturteil oder Tatsachenbehauptung von Belang. Die Behauptung einer Tatsache fällt in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit, soweit sie Voraussetzung für die Bildung von Meinungen ist (vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 25. Oktober 2012 – 1 BvR 901/11 –, juris, m.w.Nachw.). Daher endet der Schutz der Meinungsfreiheit für Tatsachenbehauptungen erst dort, wo sie zu der verfassungsrechtlich vorausgesetzten Meinungsbildung nichts beitragen können. Das Bundesverfassungsgericht geht deswegen davon aus, dass erwiesen oder bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen nicht vom Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG umfasst wird. Wahre Aussagen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind. Das gilt auch für Äußerungen, in denen tatsächliche und wertende Elemente einander durchdringen. Bei der Abwägung fällt dann die Richtigkeit des tatsächlichen Äußerungsgehalts, der dem Werturteil zugrunde liegt, ins Gewicht (vgl. BVerfG a.a.O.).
34Jede beanstandete Äußerung ist in dem Gesamtzusammenhang zu beurteilen, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst und einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 22. 9. 2009 - VI ZR 19/08 m.w.Nachw.). So dürfen aus einer komplexen Äußerung nicht Sätze oder Satzteile mit tatsächlichem Gehalt herausgegriffen und als unrichtige Tatsachenbehauptung untersagt werden, wenn die Äußerung nach ihrem – zu würdigenden – Gesamtzusammenhang in den Schutzbereich des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung gem. Art. 5 I GG fallen kann und in diesem Fall eine Abwägung zwischen den verletzten Grundrechtspositionen erforderlich wird. Dabei ist zu beachten, dass sich der Schutzbereich des Art. 5 I GG auch auf die Äußerung von Tatsachen erstreckt, soweit sie Dritten zur Meinungsbildung dienen können, sowie auf Äußerungen, in denen sich Tatsachen und Meinungen vermengen und die insgesamt durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt werden (BGH, a.a.O.)
35In der hier beanstandeten Textpassage wird die Zusammenarbeit der H., die Kreditgeberin des insolventen Unternehmens K. war und dort wohl auch – so impliziert der Artikel - unternehmerischen Einfluss ausübte, und dem Verfügungskläger geschildert, indem darauf hingewiesen wird, dass der unmittelbar vor dem Insolvenzantrag von der H. bei K. „installierte“ Geschäftsführer E. dem Amtsgericht den Verfügungskläger als vorläufigen Sachwalter „präsentierte“. Das Verfahren, in dem die Beteiligten in die maßgeblichen Funktionen als Geschäftsführer (E.) und vorläufiger Sachwalter (Verfügungskläger) gelangt sind, wird nicht in der juristischen Terminologie unter Wiedergabe der jeweils erforderlichen Voraussetzungen und Rechtshandlungen für die Bestellung eines neuen Geschäftsführers und des vorläufigen Sachwalters in einem Insolvenzantragsverfahren unter Anordnung der Eigenverwaltung geschildert, sondern stark verkürzt unter Verwendung metaphorisch gebrauchter, plakativer Begriffe („installiert“, „präsentiert“) dargestellt, um die vorangestellte – eine Wertung enthaltende - Aussage, dass der Verfügungskläger und die H. bei K. „Hand in Hand“ arbeiteten, zu illustrieren.
36Die angegriffene Äußerung enthält daher mit dem Wort „Präsentieren“, das hier nicht, wie der Verfügungskläger anführt, im Sinn von „Vorstellen“ zu verstehen ist, sondern im übertragenen Sinn, d.h. metaphorisch verwendet wird, und dem Gesamtkontext, in den sie eingebettet ist, wertende, plakative Elemente.
37Der Durchschnittsleser versteht den Tatsachenkern der beanstandeten Aussage nicht, wie der Verfügungskläger geltend macht, dahin, dass die Verfügungsbeklagte hiermit auf die förmliche Antragstellung bei dem Insolvenzgericht Bezug nimmt oder dass E. den Verfügungskläger dort gar persönlich vorgestellt habe. In der in Frage stehende Textpassage werden die die der Geschäftsführer- und (vorläufigen) Sachwalterbestellung zugrundeliegenden Vorgänge nicht juristisch exakt beschrieben, insbesondere wird nicht behauptet, E. allein habe ohne die Mitwirkung eventuell vorhandener anderer Geschäftsführer den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahren unterzeichnet, in dem der Vorschlag, den Verfügungskläger als vorläufigen Sachwalter zu bestellen, enthalten war. Mit dem konkreten Verfahrensablauf und der Art und Weise der „Installierung“ und der „Präsentation“, befasst sich die Textpassage überhaupt nicht.
38Als mit Wertungen vermischter nachprüfbarer Tatsachenkern lässt sich der beanstandeten Äußerung im Gesamtzusammenhang allenfalls entnehmen, dass E. die Bestellung des Verfügungsklägers als vorläufigen Sachwalter maßgeblich beeinflusst hat.
39Dieser Tatsachenkern ist jedoch mit überwiegender Wahrscheinlichkeit wahr.
40Die Verfügungsbeklagte hat als Anlage AG 2 (GA Bl. 376) den Beschluss des Amtsgerichts Stendal vom 31.08.2012 vorgelegt, mit dem das Insolvenzverfahren über das Vermögen der K. Deutschland Produktions GmbH eröffnet wurde. Dort heißt es u.a.
41„…weil der Geschäftsführer E. erst unmittelbar vor der hier streitgegenständlichen Insolvenzantragstellung — eingesetzt von der H.-Bank — zum Sanierungsberater und Geschäftsführer der Schuldnerin bestellt wurde. Dessen Bestellung steht demnach im Zusammenhang mit der beabsichtigten Sanierung. Nachfolgend hat nunmehr genau der neue Geschäftsführer E. den Vorschlag für die Person des Sachwalters unterbreitet. Dies ergibt sich sämtlichst aus den mündlichen Angaben des weiteren Geschäftsführers M. bei der Antragstellung am 14.06.2012, welche protokolliert wurde“
42In dem Protokoll des Amtsgerichts Stendal über die Insolvenzantragsstellung vom 14.06.2012 (von der Verfügungsbeklagte vorgelegt als Anlage AG 3, GA 378) wird die Aussage des weiteren Geschäftsführers M. wiedergegeben, der „vorgeschlagene vorläufige Sachwalter" sei „vom neuen Geschäftsführer Dr. E. vorgeschlagen" worden.
43Der Verfügungskläger hat nicht in Abrede gestellt, dass diese in dem Protokoll wiedergegebene Aussage des Geschäftsführers M. inhaltlich zutrifft. Damit steht aber mit überwiegender Wahrscheinlichkeit fest, dass E. im Verhältnis zu seinen Mitgeschäftsführern bei der internen Entscheidungsfindung unmittelbar vor Stellung des Insolvenzantrags die „treibende Kraft“ für den in dem von allen drei Geschäftsführern unterschriebenen Insolvenzantrag enthaltenen Vorschlag war, den Verfügungskläger zum vorläufigen Sachwalter zu bestimmen. Dass der Verfügungskläger nach seinem Vorbringen bereits zwei Monate vor dem Insolvenzantrag durch zwei Vertreter der Hauptgesellschafterin der späteren Insolvenzschuldnerin K. zu einem Gespräch eingeladen worden war, in dem über die Möglichkeit eines Insolvenzverfahrens und seine eventuelle Tätigkeit als Sachwalter gesprochen wurde und bei dem der spätere Geschäftsführer E. nicht zugegen war, steht dem nicht entgegen. E. kann gleichwohl im Zusammenhang mit der Vorbereitung des Insolvenzantrags und der internen Entscheidungsfindung der Antragsteller – der drei Geschäftsführer -, wer im Antrag als Sachwalter vorgeschlagen werden solle, die maßgebliche Rolle gespielt haben. Dies hat die Verfügungsklägerin nicht konkret bestritten.
44b)
45Es besteht auch kein Anspruch auf Unterlassung der Äußerung: „Den Anleihegläubigem lässt F. wenigstens eine kleine Hoffnung: Die Quote nach dem Insolvenzplan sei nur die Grundquote von 0,34 Prozent. Sie könne sich bis auf 16 Prozent erhöhen, falls G. künftig weitere Ansprüche durchsetze".
46Insoweit ist bereits nicht ersichtlich, dass der soziale Geltungsanspruch des Antragstellers hier in erheblicher Weise berührt ist. Zwar kann der soziale Geltungsanspruch als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auch dann betroffen sein, wenn dem Betroffenen Falschzitate unterschoben werden. Bei der angegriffenen Äußerung handelt es sich aber ersichtlich nicht um ein wörtliches Zitat, sondern um eine – juristisch nicht ganz präzise – kurze Erläuterung, dass nach Auskunft des Verfügungsklägers eine Erhöhung der Quote in Betracht kommt, wenn mögliche weitere der Insolvenzmasse zustehende Ansprüche im (Eigen-)Insolvenzverfahren durchgesetzt würden. Dass der Durchschnittsleser diese Äußerung dahin versteht, der Verfügungskläger wisse nicht, dass während des (Eigen-)Insolvenzverfahrens Ansprüche nicht mehr von der Insolvenzschuldnerin selbst, sondern nur von dem Sachwalter gerichtlich geltend gemacht werden können, oder es werde gar angedeutet, dass der Verfügungskläger sich als Sanierungsvorstand selbst für die Verwirklichung der Forderungen für zuständig halte, ist fernliegend. Die (ebenfalls verkürzte) Wiedergabe der Bezeichnung der Insolvenzschuldnerin zielt nicht darauf ab, dem Leser mitzuteilen, welches Organ oder welche Partei kraft Amtes während des (Eigen-)Insolvenzverfahrens Ansprüche der Insolvenzschuldnerin gerichtlich durchsetzen kann, sondern verweist in einer pressetypisch verknappten Darstellungsweise darauf, dass der Insolvenzmasse nach Meinung des Verfügungsklägers noch quotenerhöhende Ansprüche zustehen können. Mit der Frage, von welcher natürlichen Person diese geltend zu machen sind, befasst sich die beanstandete Aussage nicht.
47c)
48Der Verfügungsklägerin wendet sich mit dem vorstehend unter I c) wiedergegebenen Unterlassungsantrag nicht gegen eine offene, im dem Artikel von der Verfügungsbeklagten aufgestellte Äußerung, sondern gegen einen aus der Berichterstattung folgenden Eindruck. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu mehrdeutigen Tatsachenbehauptungen ist zwar einer auf die künftige Unterlassung einer Behauptung gerichteten Klage bereits dann stattzugeben, wenn die fragliche Tatsachenbehauptung einen mehrdeutigen Gehalt aufweist und in einer der nicht fern liegenden Deutungsvarianten das allgemeine Persönlichkeitsrecht des von ihr Betroffenen verletzt, weil dieses die Meinungsfreiheit des Äußernden im konkreten Fall überwiegt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 2005 – 1 BvR 1696/98 –, BVerfGE 114, 339-356 - Stolpe).
49Bei für sich genommen nicht eindeutigen Formulierungen ist hieraus aber nicht die Konsequenz zu ziehen, dass diejenige Deutungsvariante zugrunde zu legen ist, die die intensivste Beeinträchtigung der Rechte des von der Berichterstattung Betroffenen darstellen würde. Dieses Vorgehen ist nur bei solchen Äußerungen verfassungsrechtlich geboten, die von dem maßgeblichen Durchschnittspublikum überhaupt als eine geschlossene, aus sich heraus aussagekräftige Tatsachenbehauptung wahrgenommen werden und insoweit dann aber mehrdeutig sind. Dies ändert aber nichts daran, dass es den Fachgerichten obliegt, zunächst zu ermitteln, ob ein derartiger Fall der Mehrdeutigkeit im zu entscheidenden Fall gegeben ist (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 08. September 2010 – 1 BvR 1890/08 –, juris).
50Mit der Beurteilung von nur verdeckt „zwischen den Zeilen“ zum Ausdruck gebrachten Aussagen befasst sich die „Stolpe“-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hingegen nicht, sondern bezieht sich auf eine offene Tatsachenbehauptung, die ein unvoreingenommenes und verständiges Publikum als mehrdeutig wahrnimmt.
51Nach der herkömmlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, an der er auch nach der „Stolpe“ – Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Oktober 2005 festgehalten hat, ist bei „verdeckten“ Aussagen zu unterscheiden zwischen der Mitteilung einzelner Fakten, aus denen der Leser eigene Schlüsse ziehen kann und soll, und der erst eigentlich “verdeckten” Aussage, mit der der Autor durch das Zusammenspiel offener Äußerungen eine zusätzliche Sachaussage macht beziehungsweise sie dem Leser als unabweisliche Schlussfolgerung nahe legt. Unter dem Blickpunkt des Art. 5 Abs. 1 GG kann nur im zweiten Fall die “verdeckte” Aussage einer “offenen” Behauptung des Äußernden gleichgestellt werden. Denn der Betroffene kann sich in aller Regel nicht dagegen wehren, dass der Leser aus den ihm “offen” mitgeteilten Fakten eigene Schlüsse auf einen Sachverhalt zieht, für den die offenen Aussagen Anhaltspunkte bieten, der von dem sich Äußernden so aber weder offen noch verdeckt behauptet worden ist. (vgl. BGH, Urteil vom 22.11.2005, VI ZR 204/04, - juris, abgedruckt in NJW 2006, 601, 603; BGH, Urteil vom 28.06.1994, VI ZR 273/93 - juris).
52Die hier streitgegenständliche Aussage „Der Richter pochte auf Unabhägigkeit und holte einen neuen Sachwalter an Bord" ist nicht mehrdeutig im Sinne der „Stolpe“-Rechtsprechung. Der Verfügungskläger will dem Kontext der fraglichen Passage, insbesondere dem Umstand, dass er „abwechselnd“ als vorläufiger Sachwalter und als Sachwalter bezeichnet werde, und der dargestellten zeitlichen Abfolge die – verdeckte – Behauptung entnehmen, dass er (nach seiner Bestellung als vorläufiger Sachwalter) als (endgültiger) Sachwalter bestellt worden sei und anschließend als (endgültiger) Sachwalter entlassen oder ersetzt worden sei.
53Der Senat folgt auch unter Zugrundelegung der „Stolpe“-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die sich nur mit offenen, aber mehrdeutigen Tatsachenbehauptungen befasst, weiterhin der vorstehend dargestellten, vom Bundesverfassungsgericht gebilligten (vgl. BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 19. Februar 2004 – 1 BvR 417/98 –, juris) Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass eine „zwischen den Zeilen“ verdeckt aufgestellte Aussage im Interesse des durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Meinungs- und Pressefreiheit nur unter engen Voraussetzungen anzunehmen ist, nämlich nur dann, wenn sie sich dem Leser als unabweisbare Schlussfolgerung aus dem Zusammenspiel der offen getätigten Aussagen aufdrängt (ebenso LG Hamburg, Urteil vom 1.10.2010, 324 – juris, abgedruckt in AfP 2011, 394 – 396; KG Berlin, Urteil vom 12.04.2012,10 U 127/11 - juris, Rdnr. 9; letzteres ohne unmittelbare Auseinandersetzung mit der „Stolpe“-Entscheidung).
54Dies ist hier nicht in dem von dem Verfügungskläger beanspruchten Sinn der Fall.
55Ein „unabweisbarer“ Eindruck, dass der Verfügungskläger mit dem Insolvenzeröffnungbeschluss zum endgültigen Sachwalter bestellt worden ist, nachträglich abberufen und durch einen neuen Sachwalter ersetzt worden ist, ergibt sich aus der angegriffenen Berichterstattung bereits deshalb nicht, weil eingangs der strittigen Passage von ihm als vorläufigen Sachwalter die Rede war. Die nachfolgende Bezeichnung als „Sachwalter“ wird der Durchschnittsleser als abkürzend, der Leser mit insolvenzrechtlichen Kenntnissen als ungenau verstehen. Der Satz, dass das Insolvenzgericht einige Wochen später statt des Verfügungklägers einen „neuen“ Sachwalter an Bord geholt hat, kann vor diesem Hintergrund durchaus richtig dahin verstanden werden, dass das Insolvenzgericht sich letztlich nicht für den ihm als vorläufigen Sachwalter „präsentierten“ Verfügungskläger, sondern eine andere Person als Sachwalter entschieden hat.
563.
57Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
58Der Streitwert für die Berufungsinstanz beträgt entsprechend der erstinstanzlichen, unbeanstandet gebliebenen Wertfestsetzung 30.000 €.
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(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.