Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 30. Jan. 2013 - L 5 AS 347/12

ECLI:ECLI:DE:LSGST:2013:0130.L5AS347.12.0A
bei uns veröffentlicht am30.01.2013

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der Anfechtung eines gerichtlichen Vergleichs.

2

Der am ... 1948 geborene Kläger hatte am 7. Dezember 2004 beim Beklagten für sich und seine Ehefrau Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) beantragt. Als Einkommen der Ehefrau hatte er ein Bruttoeinkommen i.H.v. 1.625,51 EUR/Monat angegeben. Der Beklagte hatte unter Anrechnung dieses Einkommens mit Änderungsbescheid vom 20. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Januar 2006 Leistungen für Februar 2005 i.H.v. 390,54 EUR, mit Bescheid vom 14. Februar 2006 für März 2006 i.H.v. 178,03 EUR und für April bis August 2006 i.H.v. 257,11 EUR/Monat bewilligt, mit Änderungsbescheid vom 13. Mai 2006 die Leistungen für Juli und August 2006 auf 283,11 EUR/Monat erhöht sowie mit weiterem Bescheid vom 20. Juli 2006 Leistungen für September 2006 i.H.v. 283,11 EUR bewilligt (gesamt: 2.189,23 EUR).

3

Im Rahmen eines Folgeantrags hatte der Beklagte Einkommensnachweise angefordert. Das wechselnde Einkommen war danach jeweils höher als bisher zugrunde gelegt. Der Beklagte hatte mit Bescheid vom 27. Oktober 2006 die Leistungsbewilligung für Februar 2005 und für März bis September 2006 ganz i.H.v. 2.189,23 EUR gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) aufgehoben. Die Änderungen des Einkommens seien grob fahrlässig nicht mitgeteilt worden. Im Widerspruchsverfahren hatte der Beklagte eine Anhörung durchgeführt und den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16. November 2006 zurückgewiesen. Die Leistungsaufhebung richte sich für März bis September 2006 verschuldensunabhängig nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X.

4

Dagegen erhob der Kläger am 29. September 2006 Klage vor dem Sozialgericht Magdeburg. Er habe immer die neuesten Lohnzettel abgegeben und den für Januar 2005 veranlassten Lohnsteuerklassenwechsel mündlich mitgeteilt. In der mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits am 15. Juli 2008 legte er weitere Unterlagen vor, u.a. ein Urteil des Amtsgerichts H. vom 28. September 2007 (4 OWi 952 Js 76925/07 (249/07)). Dieses hatte ihn von dem Vorwurf einer Ordnungswidrigkeit durch Verletzung von Mitteilungspflichten im Bußgeldbescheid des Beklagten vom 20. Dezember 2006 freigesprochen. Der Vertreter des Beklagten gab an, auf den Kläger entfalle ein anteiliger Rückforderungsbetrag von 1.834,83 EUR.

5

Ausweislich des Sitzungsprotokolls schlossen die Beteiligten "zur Erledigung des Rechtsstreits folgenden Vergleich:

6

1. Die Beteiligten gehen unter Abänderung der angefochtenen Bescheide übereinstimmend davon aus, dass der Kläger aus den Bescheiden noch eine Summe von 1.477,63 EUR an die Beklagte zu erstatten hat.

7

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

8

3. Damit ist der Rechtsstreit erledigt."

9

Das Protokoll enthält den Vermerk: "laut diktiert, vorgespielt und genehmigt". Dieses wurde dem Kläger am 21. Juli 2008 zugestellt.

10

Der Kläger legte mit Schreiben vom 22. Juli 2008 wegen "Befangenheit und Nötigung" Berufung beim erkennenden Senat ein, an der er trotz rechtlichen Hinweises festhielt. Er gab an: Als er seine Beweise vorgelegt habe, habe der Richter die Hände über den Kopf geschlagen und gesagt: "Jetzt weiß ich gar nichts mehr, was ich machen soll". Dieser sei aufgestanden, habe den Saal verlassen und sei nach kurzer Zeit wiedergekommen. Über den Vergleich sei er nicht aufgeklärt worden. Bevor das Urteil gesprochen worden sei, habe er zum Richter gesagt, es sei ihm egal, er gehe in Revision. Dieser habe erwidert: "Nicht in Revision in Berufung". Der Richter habe gesagt: "Stimmen Sie zu zahlen Sie 1477,63 EUR stimmen Sie nicht zu zahlen Sie 1834,83 EUR". Der Senat verwarf die Berufung mit Beschluss vom 24. Mai 2011 als unzulässig (L 5 AS 125/08).

11

Mit Schreiben vom 17. Juni 2011 an das Sozialgericht Magdeburg hat der Kläger den Vergleich angefochten. Er habe nicht gewusst, dass ein Vergleich eine endgültige Regelung ist. Er habe in der Verhandlung mehrfach gesagt, er wolle "gegen das Urteil (Vergleich)" in Berufung gehen. Dem Gericht habe klar sein müssen, dass er keine endgültige Regelung haben wollte. Er habe sich genötigt gefühlt, zuzustimmen, ohne zu wissen, was ein Vergleich bedeute.

12

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 22. Mai 2012 abgewiesen. Die zulässige Feststellungsklage sei unbegründet, da der Vergleich vom 15. Juli 2008 wirksam sei. Der Kläger sei von dem Beklagten nicht getäuscht worden. Auch sei keine widerrechtliche Drohung zum Abschluss eines Vergleichs durch den Kammervorsitzenden erfolgt. Dieser habe einen sachdienlichen und vernünftigen Vergleichsvorschlag unterbreitet. Sollte der Kammervorsitzende den Sitzungssaal verlassen haben, dann um Kopien zu fertigen. Ein Zusammenschlagen der Hände über dem Kopf sei keine Drohungshandlung. Selbst eine Ankündigung, bei Nichtannahme des Vergleichs müsse der Kläger 1.834,83 EUR zahlen, wäre keine Drohung. Außerdem sei ihm lediglich der prozessuale Ablauf über eine Entscheidung durch Urteil der Kammer und das dann völlig offene Ergebnis mitgeteilt worden. Ob über Revisions- bzw. Berufungsmöglichkeiten gesprochen worden sei, sei dem Kammervorsitzenden nicht erinnerlich. Bemerkenswert sei, dass der Kläger ihn in der heutigen Verhandlung nicht erkannt habe. Die angeblichen Drohungen hätten sich demnach nicht so eingeprägt, dass der Kläger ihn als vermeintlichen "Täter" wiedererkannt hätte.

13

Gegen das ihm am 2. Juni 2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13. Juni 2012 Berufung eingelegt. Er hat ergänzend zum bisherigen Vorbringen ausgeführt, die Kammer des Sozialgerichts sowie der Geschäftsführer der ARGE SGB II H. könnten bezeugen, dass der Kammervorsitzende nach Vorlage seines Freispruchs (gemeint: Urteil des Amtsgerichts H.) nicht mehr weiter gewusst habe. Wie solle dann ein normaler Bürger ohne Aufklärung wissen, was ein Vergleich ist.

14

Der Kläger beantragt,

15

das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 22. Mai 2012 aufzuheben, das Klageverfahren S 8 AS 1443/06 fortzusetzen und den Bescheid des Beklagten vom 20. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. November 2006 aufzuheben.

16

Der Beklagte beantragt,

17

die Berufung zurückzuweisen.

18

Er hat keine Ausführungen gemacht.

19

Wegen der weiteren Einzelheiten des Verwaltungs- und der Gerichtsverfahren sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten und Beiakten Bezug genommen. Die Verwaltungsakten des Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe

I.

20

Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegt worden.

21

Sie ist auch statthaft gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 SGG. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Feststellung des Sozialgerichts, dass der Rechtsstreit beim Sozialgericht Magdeburg durch gerichtlichen Vergleich beendet worden ist. Der Wert des Beschwerdegegenstandes bestimmt sich nach dem Streitgegenstand des beendeten Verfahrens (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 12. Februar 2013, L 5 AS 57/13 NZB; Sächsisches LSG, Beschluss vom 1. Dezember 2010, L 7 AS 524/09, juris). Hier ging es in dem dem Vergleich zu Grunde liegenden Klageverfahren um einen Erstattungsbetrag von 1.834,83 EUR, der den maßgeblichen Beschwerdewert von 750 EUR übersteigt.

II.

22

Die Berufung ist unbegründet, da das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 20. Mai 2012 rechtmäßig ist. Das Sozialgericht hat zu Recht festgestellt, dass der Rechtsstreit S 8 AS 1443/06 durch den geschlossenen Vergleich wirksam beendet worden ist.

1.

23

Zu Recht hat das Sozialgericht über das Begehren des Klägers im Rahmen einer Feststellungsklage entschieden. Bei einem Streit über die Beendigung eines Rechtsstreits durch Vergleich ist der ursprüngliche Rechtsstreit von dem bis zur Beendigung des Rechtsstreits zuständigen Gericht fortzuführen. Dieses entscheidet dann entweder, dass die Beendigung des Rechtsstreits durch Endurteil festgestellt wird, oder wenn eine Beendigung nicht vorliegt, in der Sache selbst (BSG, Urteil vom 28. November 2002, B 7 AL 26/02 R (20)).

24

Es war nicht erforderlich, über die Feststellungsklage des Klägers in derselben Besetzung der Kammer wie anlässlich der mündlichen Verhandlung am 15. Juli 2008 zu entscheiden. Das SGG schreibt nicht die gleiche Besetzung des Spruchkörpers in allen mündlichen Verhandlungen während einer Instanz vor (BSG, Beschluss vom 30. Januar 1976, 9 RV 98/75 (2)).

2.

25

Der Rechtsstreit S 8 AS 1443/06 ist durch gerichtlichen Vergleich vom 15. Juli 2008 beendet worden. Nach § 101 Abs. 1 SGG können die Beteiligten zur Niederschrift des Gerichts einen Vergleich schließen, soweit sie über den Gegenstand der Klage verfügen können, um den geltend gemachten Anspruch vollständig oder zum Teil zu erledigen.

a.

26

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Kläger und die Vertreterin des Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits am 15. Juli 2008 den im Sitzungsprotokoll enthaltenen Vergleich geschlossen haben. Der Kläger hat zu keinem Zeitpunkt behauptet, dass das Sitzungsprotokoll hinsichtlich des Ablaufs der Verhandlung sowie der dort enthaltenen Prozesserklärungen unrichtig gewesen wäre. Vielmehr hat er - unmittelbar nach Zugang des Protokolls - in seiner "Berufung" vom 22. Juli 2008 darauf hingewiesen, dass er zum Vergleichsabschluss genötigt worden sei.

b.

27

Der Prozessvergleich ist auch weder aus prozess- noch aus materiellrechtlichen Gründen nichtig oder unwirksam.

28

Prozessvergleiche haben eine Doppelnatur. Einerseits enthalten Sie eine Prozesshandlung, deren Wirksamkeit sich nach den Grundsätzen des SGG bestimmt. Zum anderen beruhen sie auf einem materiellrechtlichen Vertrag in Gestalt eines öffentlich-rechtlichen Vertrags gemäß § 58 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X), für den § 779 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sowie die Vorschriften des BGB über die Willenserklärungen gelten (BVerwG, Urteil vom 10. März 2010, 6 C 15/09 (12); BAG, Urteil vom 12. Mai 2010, 2 AZR 544/08 (15); BSG, Urteil vom 24. Januar 1991, 2 RU 51/90 (20)).

a.a.

29

Der Vergleich vom 5. Juli 2008 ist nicht aus prozessualen Gründen unwirksam.

30

Er ist unter Beachtung der prozessualen Vorschriften zu Stande gekommen. Nach § 101 Abs. 1 SGG kann der Vergleich nur zur Niederschrift des Gerichts geschlossen werden. Das bedeutet gemäß § 122 SGG i.V.m. § 162 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Nr. 1 Zivilprozessordnung (ZPO), dass die sich sachlich deckenden Erklärungen der Beteiligten in die Sitzungsniederschrift aufzunehmen sind. Ferner ist zu vermerken, dass der Vergleich vorgelesen oder zur Durchsicht vorgelegt und genehmigt worden ist (BSG, Urteil vom 28. November 2002, B 7 AL 26/02 R (23)). Für den - hier vorliegenden - Fall der vorläufigen Protokollaufzeichnung gemäß § 160a ZPO genügt das Abspielen der Aufzeichnungen (§ 162 Abs. 1 Satz 2 ZPO) Diesen Anforderungen genügt der Vergleichsabschluss ausweislich des Protokolls. Dieser wurde "laut diktiert, vorgespielt und genehmigt".

31

Der Umstand, dass der Kammervorsitzende den Saal für kurze Zeit verließ, nachdem der Kläger weitere Unterlagen vorgelegt hatte, erklärt sich mit der Fertigung von Kopien der vom Kläger vorgelegten Unterlagen für die Gerichtsakte. Ein Verstoß gegen prozessrechtliche Vorschriften liegt darin nicht.

32

Der Kläger ist auch nicht prozessunfähig mit der Folge der Nichtigkeit seiner Prozesshandlungen gewesen. Nach § 71 Abs. 1 SGG ist ein Beteiligter prozessfähig, soweit er sich durch Verträge verpflichten kann. Hinweise für eine aufgehobene Geschäftsfähigkeit des Klägers gemäß § 104 BGB durch eine nicht nur vorübergehende, die freie Willensbildung ausschließende krankhafte Störung der Geistestätigkeit hat der Senat nicht gesehen.

b.b.

33

Der Vergleich ist nicht aus materiellrechtlichen Gründen unwirksam. Er ist als öffentlich-rechtlicher Vertrag nicht gemäß § 58 Abs. 1 SGB X bei entsprechender Anwendung der Vorschriften des BGB nichtig.

1)

34

Der Vergleich ist nicht unwirksam gemäß § 779 Abs. 1 BGB. Danach ist ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird (Vergleich) unwirksam, wenn der nach dem Inhalt des Vertrags als feststehend zu Grunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht und der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde.

35

Hier liegt kein der Wirklichkeit nicht entsprechender, dem Vergleich als feststehend zu Grunde liegender Sachverhalt vor. Unstreitig zwischen den Beteiligten war und ist, dass der Kläger und seine Ehefrau infolge einer Anrechnung zu geringen Einkommens Leistungen zu Unrecht bezogen hatten. Diese stellte der Beklagte nach Aufhebung bzw. Rücknahme der Leistungsbewilligungen zur Erstattung.

2)

36

Der Vergleich ist auch nicht wirksam angefochten worden mit der Folge des rückwirkenden Wegfalls seiner Wirksamkeit gemäß den §§ 119 ff. BGB.

aa)

37

Eine wirksame Anfechtung wegen Irrtums gemäß § 119 Abs. 1 i.V.m. § 121 Abs. 1 BGB durch den Kläger ist nicht erfolgt. Danach kann derjenige, der bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war (Inhaltsirrtum) oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte (Erklärungsirrtum), diese anfechten. Voraussetzung ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falls nicht abgegeben hätte. Die Anfechtung muss ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat.

38

Eine unverzügliche Anfechtungserklärung liegt vor, denn der Kläger hat wenige Tage nach Erhalt des Protokolls unter dem 22. Juli 2008 in seiner "Berufung" klargestellt, dass der Vergleich unter Nötigung zustande gekommen sei und er ihn deshalb anfechte. Dem späteren Vorbringen des Klägers ist u.a. zu entnehmen, dass er über dessen Rechtsnatur - einer endgültigen Regelung des Streitverhältnisses - nicht aufgeklärt worden sei. Er sei vielmehr davon ausgegangen, dass er gegen den Vergleich mit dem Rechtsmittel der Revision oder Berufung vorgehen könne.

39

Nach seiner Darstellung in der "Berufung" am 22. Juli 2008 lag bei dem Kläger zum Zeitpunkt des Abschlusses kein Irrtum über die Rechtsfolgen eines Vergleichsschlusses vor. Vielmehr wollte er den Vergleich rückgängig machen, weil er sich zum Abschluss genötigt gefühlt hatte. Die öffentlich-rechtliche Natur des Prozessrechts verlangt jedoch im Interesse der Rechtssicherheit und eines geordneten Gangs des Gerichtsverfahrens, dass bei einer eindeutigen Erklärung einer Partei über die Beendigung des Rechtsstreits die Rechtswirksamkeit der Erklärung nicht ohne weiteres deshalb zurückgenommen werden kann, weil diese nicht dem inneren Willen entsprochen hätte. Anderenfalls würde die mögliche Unwirksamkeit von Prozesshandlungen jedes abgeschlossene Verfahren auf gänzlich unbestimmte Zeit in der Schwebe halten. Dies wäre mit dem öffentlichen Interesse an einer Sicherstellung de geordneten Prozessablaufs und dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit nicht vereinbar (Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 11. April 2002, L 3 RJ 207/01).

40

Der Senat kann offen lassen, ob der Kläger - wie er in dem Schreiben vom 16. Juni 2011 angegeben hat - über die Rechtsfolgen des Vergleichs in Bezug auf dessen Unanfechtbarkeit mit Rechtsmitteln irrte. Er will davon ausgegangen sein, dass er an den Vergleich nicht gebunden sei. Diese Darstellung ist wenig plausibel, da der Vergleich ausdrücklich die von dem Kläger genehmigte Formulierung enthält "damit ist der Rechtsstreit erledigt".

41

Selbst unter Zugrundelegung einer solchen Fehlvorstellung wäre der Vergleich nicht wirksam angefochten worden. Nicht wegen Irrtums anfechtbar sind nämlich gemäß § 119 BGB Erklärungen, die auf einem während der Willensbildung unterlaufenden Irrtum im Beweggrund (Motivirrtum) beruhen. Ebenso wenig lässt sich ein Anfechtungsrecht aus einer Fehlvorstellung über die Rechtsfolgen herleiten, die kraft Gesetzes eintreten (Rechtsfolgenirrtum). Der nicht erkannte Eintritt zusätzlicher mittelbarer Rechtswirkungen, die zu den gewollten und eingetretenen Rechtsfolgen hinzutreten, ist als Motivirrtum unbeachtlich. Nur ausnahmsweise berechtigt ein Rechtsfolgenirrtum zur Anfechtung, nämlich wenn das vorgenommene Rechtsgeschäft wesentlich andere als die beabsichtigten Rechtswirkungen erzeugt (BVerwG, Urteil vom 10. März 2010, 6 C 15/09 (18) mit umfangreichen Hinweisen zur Rechtsprechung des BGH).

42

Wenn der Kläger nicht erkannt haben sollte, dass die mittelbare und gesetzlich vorgegebene Rechtsfolge eines Vergleichs die endgültige Erledigung des Rechtsstreits ist, würde es sich nach den oben dargestellten Kriterien um einen unbeachtlichen Rechtsfolgenirrtum handeln. Dieser wäre auch nicht ausnahmsweise beachtlich, weil der Vergleich zunächst keine wesentlich anderen als die beabsichtigten Rechtswirkungen erzeugt hat. Die Beteiligten hatten durch ein gegenseitiges Nachgeben und eine Verringerung der Rückzahlungsverpflichtung des Klägers eine endgültige Regelung über den Rechtsstreit getroffen.

43

Die Einlassungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits vor dem Senat, er habe gar nicht gewusst, was ein Vergleich ist, lassen ebenfalls keine andere Bewertung zu. Denn zur Überzeugung des Senats war ihm bei Abschluss des Vergleichs klar, dass er damit statt eines möglicherweise drohenden Erstattungsbetrags von über 1.800 EUR nur 1.477,63 EUR zurückzahlen und dass der Rechtsstreit damit seine Erledigung finden sollte. Auch auf ausdrückliches Nachfragen des Senats konnte der Kläger nicht bestätigen, dass er nach dem Ende des Termins annahm, der Rechtsstreit würde noch weiter gehen. Darüber hinaus ist auch angesichts der beruflichen Laufbahn des Klägers unglaubhaft, dass er nicht wusste, dass ein "Vergleich" ein gegenseitiges Geben und Nehmen beinhaltet. Es handelt sich nicht um einen juristischen Fachbegriff, der allein einer entsprechend vorgebildeten Bevölkerungsgruppe geläufig wäre. Vielmehr handelt es sich um ein Alltagswort, das in allen Lebensbereichen benutzt wird und dessen Sinn unmissverständlich ist.

44

Ungeachtet dessen wäre die Unkenntnis darüber, was ein Vergleich ist, kein zur Anfechtung berechtigender Irrtum. Vielmehr handelte es sich auch um einen unbeachtlichen Rechtsfolgenirrtum.

45

Unerheblich ist auch, dass der Kläger, wie er gegenüber dem Senat bekundet hat, nicht gewusst haben will, wie sich der im Vergleich bestimmte Rückzahlungsbetrag errechnete. Insoweit handelte es sich nicht um einen Irrtum im Sinne von § 119 BGB, sondern um bloße Unkenntnis der Herleitung des Vergleichsbetrags. Denn wer erklärt, dass er etwas nicht weiß, hat diesbezüglich keine Fehlvorstellung.

bb)

46

Der Vergleich ist auch nicht gemäß § 123 BGB wirksam wegen einer arglistigen Täuschung oder widerrechtlichen Drohung angefochten worden.

47

Eine Täuschung in diesem Sinne kann durch positives Tun oder Unterlassen begangen werden. Die Täuschung durch positives Tun besteht in der ausdrücklichen oder stillschweigenden wahrheitswidrigen Behauptung von Tatsachen. Eine Täuschung durch Unterlassen kann durch ein Verschweigen von Tatsachen erfolgen, falls der Betreffende zu einer solchen Aufklärung verpflichtet ist (Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 70. Auflage, § 123 Rn. 5).

48

Hinweise für eine Täuschung durch positives Tun oder Unterlassen seitens des Beklagten liegen nicht vor. Dessen Vertreterin hatte keine unrichtigen Tatsachen genannt oder Umstände verschwiegen, zu deren Aufklärung sie vor Abschluss des Prozessvergleichs verpflichtet gewesen wäre (vgl. BSG, Urteil vom 14. Januar 1991, 2 RU 51/90 (24)). Der Kläger wurde weder über die auf ihn entfallenden Anteile an der Rückzahlungsverpflichtung getäuscht i.S.v. § 123 Abs. 1 BGB, noch ist ein anderweitiges arglistiges Verhalten der Vertreterin des Beklagten erkennbar.

49

Auch seitens des Sozialgerichts ist keine arglistige Täuschung erfolgt. Das Vorbringen des Klägers, er sei über die Endgültigkeit eines Vergleichs getäuscht worden, führt nicht zur Nichtigkeit des Vergleichs. Eine Täuschung kann zwar gemäß § 123 Abs. 2 BGB auch durch einen Dritten erfolgen, der etwa ein Mitglied des Gerichts sein kann (BAG, Urteil vom 15. Mai 2010, 2 AZR 544/08 (28)).

50

Hier kann jedoch schon nach dem Vortrag des Klägers nicht davon ausgegangen werden, dass der Kammervorsitzende zu dem Vergleich angeraten und ihm dessen Bindungswirkung verschwiegen hätte, obwohl ihm ein Irrtum des Klägers über die Endgültigkeit eines Vergleichs bewusst gewesen wäre. Schon nach seinem Vorbringen und der - nicht bestrittenen - Schilderung im angefochtenen Urteil des Sozialgerichts hatte der Kläger eine Unklarheit über die Folgen eines Vergleichs nicht zu erkennen gegeben. Vielmehr hatte er zunächst darauf beharrt, für den Fall der Erfolglosigkeit seiner Klage Revision oder Berufung einlegen zu wollen. Zur Annahme des Vergleichs entschloss er sich erst, als ihm der Kammervorsitzende die Alternativen einer Rückzahlungspflicht von 1.477,63 EUR oder 1.873,83 EUR vor Augen führte. Angesichts des darauf folgenden Einlenkens musste der Kammervorsitzende nicht annehmen, dass der Kläger weiterhin von einer Zulässigkeit der Revision oder Berufung ausgehen würde. Insofern bestand keinerlei Anlass, nochmals ausdrücklich auf die Unanfechtbarkeit des Vergleichs hinzuweisen. Aus den Schilderungen des Klägers gegenüber dem Senat ergibt sich nichts anderes. Zwar hat er behauptet, er hätte nicht gewusst, was ein Vergleich ist. Andererseits ist ihm die Erläuterung des Kammervorsitzenden klar gewesen, dass er bei Annahme des Vorschlags, dem Vertreterin des Beklagten schon zugestimmt hatte, weniger Geld als gefordert zurückzahlen würde müssen.

cc)

51

Der Vergleich ist auch nicht gemäß § 123 Abs. 1 BGB wegen widerrechtlicher Drohung seitens des Kammervorsitzenden unwirksam.

52

Eine Drohung in diesem Sinne setzt die Ankündigung eines zukünftigen Übels voraus. Der Bedrohte muss sich einer Zwangslage ausgesetzt sehen, die ihm subjektiv das Gefühl gibt, nur noch zwischen zwei Übeln entscheiden zu können.

53

Der Einwand des Klägers, er sei zum Vergleich genötigt worden, führt nicht zur Nichtigkeit. Der Hinweis des Kammervorsitzenden auf das Risiko einer für den Fall einer Entscheidung durch Gerichtsurteil zu erwartenden höheren Rückzahlungsverpflichtung ist keine Drohung in diesem Sinne. Er hatte im Rahmen der prozessualen Fürsorgepflicht die Aufgabe, den Beteiligten die Erfolgsaussichten ihrer Rechtsverfolgung und -verteidigung darzulegen. Die bloße Verdeutlichung von Prozessrisiken kann grundsätzlich nicht als Drohung gewertet werden (BAG, Urteil vom 12. Mai 2010, 2 AZR 544/08 (26,36)). Dem Vorbringen des Klägers sowie der Schilderung im angefochtenen Urteil ist auch nicht zu entnehmen, dass die Verhandlungsführung des Kammervorsitzenden den Eindruck erweckt hätte, er müsse sich zwingend dem Vergleichsvorschlag beugen, oder dass der Kläger derart unter Druck gesetzt worden wäre, dass er das Für und Wider eines Vergleichs nicht mehr abwägen konnte. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Kläger das Risiko der Rückzahlungspflicht hinsichtlich der vollen überzahlten Leistungen gesehen und sich deshalb für den - für ihn günstigeren - Vergleich entschieden hat. Erst nach Erhalt des Protokolls hat sich bei ihm offenkundig eine andere Wahrnehmung des Prozessrisikos gebildet.

54

Das Vorbringen, der Kammervorsitzende habe nach Sichtung seiner Unterlagen die Arme über dem Kopf zusammengeschlagen und nicht mehr gewusst, wie der Fall zu lösen wäre, führt ebenfalls nicht weiter. Denn aus einer - insoweit unterstellten - Unsicherheit über die materielle Rechtslage lässt sich nicht folgern, dass eine arglistige Täuschung über das Prozessrisiko oder eine Drohung vorgelegen hätten.

3.

55

Der Senat kann offen lassen, ob die Grundsätze der Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 179 Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 579, 580 ZPO auch für Prozessvergleiche gelten (Nein: Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 179 Rn. 3 b). Denn Voraussetzung für den hier allein in Betracht kommenden § 585 Nr. 5 ZPO wäre eine strafbare Amtspflichtverletzung eines Kammervorsitzenden. Dieser müsste wegen der Straftat rechtskräftig verurteilt worden sein, oder die Strafverfolgung müsste aus anderen Gründen als mangels Beweises nicht erfolgen können Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 179 Rn. 5 a,b). Beides liegt hier nicht vor.

III.

56

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Revision war nicht zuzulassen (§ 160 SGG). Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage.


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(1) Ein Beteiligter ist prozeßfähig, soweit er sich durch Verträge verpflichten kann. (2) Minderjährige sind in eigener Sache prozeßfähig, soweit sie durch Vorschriften des bürgerlichen oder öffentlichen Rechts für den Gegenstand des Verfahrens a

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 122


Für das Protokoll gelten die §§ 159 bis 165 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 58 Nichtigkeit des öffentlich-rechtlichen Vertrages


(1) Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag ist nichtig, wenn sich die Nichtigkeit aus der entsprechenden Anwendung von Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches ergibt. (2) Ein Vertrag im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 2 ist ferner nichtig, wenn 1. ein

Zivilprozessordnung - ZPO | § 160a Vorläufige Protokollaufzeichnung


(1) Der Inhalt des Protokolls kann in einer gebräuchlichen Kurzschrift, durch verständliche Abkürzungen oder auf einem Ton- oder Datenträger vorläufig aufgezeichnet werden. (2) Das Protokoll ist in diesem Fall unverzüglich nach der Sitzung herzus

Zivilprozessordnung - ZPO | § 585 Allgemeine Verfahrensgrundsätze


Für die Erhebung der Klagen und das weitere Verfahren gelten die allgemeinen Vorschriften entsprechend, sofern nicht aus den Vorschriften dieses Gesetzes sich eine Abweichung ergibt.

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Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 30. Jan. 2013 - L 5 AS 347/12 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 30. Jan. 2013 - L 5 AS 347/12 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Beschluss, 12. Feb. 2013 - L 5 AS 57/13 NZB

bei uns veröffentlicht am 12.02.2013

Tenor Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 7. Juni 2012 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Gründe I. 1 Der Kläger und Besch

Bundesarbeitsgericht Urteil, 12. Mai 2010 - 2 AZR 544/08

bei uns veröffentlicht am 12.05.2010

Tenor 1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 19. Mai 2008 - 15 Sa 1265/07 - aufgehoben.

Referenzen

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 7. Juni 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.

1

Der Kläger und Beschwerdeführer begehrt die Zulassung der Berufung gegen ein Urteil des Sozialgerichts Magdeburg, mit dem dieses die Erledigung eines Rechtsstreits durch Vergleich festgestellt hat, und die Durchführung des Berufungsverfahrens.

2

Der am ... 1962 geborene Kläger bezieht von dem Beklagten Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Mit einer am 14. November 2007 beim Sozialgericht Magdeburg (SG) erhobenen Klage (S 4 AS 2469/07) wandte er sich gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 1. Februar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. November 2007. Der Beklagte hatte die Leistungen nach SGB II für die Zeit vom 1. Juli bis zum 30. September 2005 wegen Einkommenserzielung teilweise aufgehoben und insgesamt einen Erstattungsbetrag von 436,77 EUR geltend gemacht. Der Kläger führte zur Begründung dieser Klage aus, bei der Einkommensanrechnung seien Fahrtkosten, Kosten für Arbeitsbekleidung sowie Freibeträge nicht ordnungsgemäß berücksichtigt worden.

3

Das SG führte eine nichtöffentliche Sitzung am 4. Februar 2010 durch. Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage schlossen die Beteiligten ausweislich des Protokolls dieser Sitzung, das dem Kläger am 11. Februar 2010 zugestellt wurde, den folgenden Vergleich:

4

"1. Der Kläger verpflichtet sich, an die Beklagte 336,77 EUR zu zahlen.

5

2. Eine Kostenerstattung findet nicht statt.

6

3. Die Beteiligten erklären den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt."

7

Ausweislich der Sitzungsniederschrift ist der Vergleichstext laut diktiert, den Beteiligten vorgespielt und von ihnen genehmigt worden.

8

Am 22. Februar 2010 legte der Kläger "gegen das Gerichtsurteil vom 4.2.2010 Widerspruch" ein. Anlässlich einer persönlichen Vorsprache am 1. März 2010 erklärte er schriftlich, das Schreiben könne als erledigt angesehen werden. Am 16. Januar 2012 führte er aus, seinen Widerspruch weiterhin aufrecht zu erhalten. Das Schreiben war mit dem Datum 15. November 2012 versehen. Er führte später zur Begründung aus: "Unsachgemäße Bearbeitung" sowie "falsche Berechnungen". Auf Nachfrage des SG ergänzte er, der Mitarbeiter des Beklagten habe das SG "in der Gerichtsverhandlung belogen". Er habe mit der Richterin "gemeinsame Sache gemacht". Er frage sich, wann das SG "nun endlich mal gewillt ist, diese Angelegenheit ordnungsgemäß zu Ende zu bringen".

9

Das SG hat mit Urteil vom 7. Juni 2012 festgestellt, dass der Rechtsstreit S 4 AS 2469/07 durch gerichtlichen Vergleich vom 4. Februar 2010 beendet worden ist. Der in der Sitzungsniederschrift protokollierte Prozessvergleich sei ausweislich des Protokolls in Anwesenheit der Beteiligten laut diktiert, vorgespielt und von ihnen genehmigt worden. Damit sei der Vergleich prozessualrechtlich wirksam zustande gekommen. Er sei auch materiellrechtlich wirksam. Anhaltspunkte für einen Nichtigkeit gemäß §§ 116 bis 118 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) seien nicht ersichtlich. Zudem scheide eine Anfechtung wegen des Ablaufs sämtlicher Anfechtungsfristen aus. Eine Anfechtung wegen Irrtums oder wegen falscher Übermittlung nach §§ 119, 120 BGB müsse ohne schuldhaftes Zögern, also innerhalb einer nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessenden Prüfungs- und Überlegungsfrist angebracht werden. Als Obergrenze sei von einer Frist von zwei Wochen auszugehen. Wegen Täuschung oder Drohung könne der Vergleich nur binnen Jahresfrist angefochten werden. Hier habe der Kläger frühestens mit Schreiben vom "15.11.2012", bei Gericht eingegangen am 16. Januar 2012 und damit knapp zwei Jahre nach der Zustellung der Sitzungsniederschrift eine Anfechtung des Prozessvergleiches erklärt. Diese Erklärung sei verfristet. Das SG hat die Berufung für nicht zulässig erachtet.

10

Gegen das ihm am 10. Juli 2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 2. Juli 2012 Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausgeführt: "Zum Sachverhalt sind immer noch falsche Berechnungen und unsachgemäße Bearbeitung". Der Beklagte hat erwidert, ein Zulassungsgrund für die Berufung liege nicht vor.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten verwiesen, die Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung gewesen sind.

II.

1.

12

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist rechtzeitig erhoben und statthaft, da die Berufung nicht kraft Gesetzes zulässig ist. Gemäß § 144 Abs. 1 SGG in der ab dem 1. April 2008 gültigen Fassung bedarf die Berufung der Zulassung in einem Urteil des Sozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

13

1. bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR oder

14

2. bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000,00 EUR

15

nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

16

Hier streiten die Beteiligten um die Fortführung eines Klageverfahrens, in dem sich der Kläger gegen die Rückforderung von Leistungen in Höhe von 436,77 EUR wendet. Der Wert des Beschwerdegegenstandes bestimmt sich nach dem Streitgegenstand des beendeten Verfahrens (vgl. Sächsisches LSG, Beschluss vom 1. Dezember 2010 – L 7 AS 524/09 – juris).

2.

17

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Berufung gegen seinen Gerichtsbescheid zu Recht nicht zugelassen. Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn

18

1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,

19

2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder

20

3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

21

Der Zulassungsgrund des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG liegt nicht vor, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage ist gegeben, wenn sie ungeklärt ist und eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat. Hier ist keine derartige Bedeutung ersichtlich. Die Anfechtungsfristen, die der Kläger nach dem angefochtenen Urteil des SG versäumt hat, ergeben sich aus dem Gesetz.

22

Es liegt auch keine Divergenz im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG vor. Diese besteht nur dann, wenn das anzufechtende Urteil von einer Entscheidung des Berufungsgerichts oder des BSG abweicht (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 144 Rn. 30, 30a). Weder hat der Kläger ein solches Urteil genannt, noch ist für den Senat erkennbar, dass das angefochtene Urteil im Widerspruch zu einem obergerichtlichen Urteil stünde.

23

Auch ein Zulassungsgrund im Sinne des § 144 Abs. 3 Nr. 3 SGG liegt nicht vor. Dieser ist nur dann gegeben, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, dieser vorliegt und die Entscheidung auf ihm beruhen kann. Unter einem Verfahrensmangel ist ein Verstoß gegen eine Vorschrift, die das sozialgerichtliche Verfahren regelt, zu verstehen. Soweit der Kläger in seiner Beschwerdebegründung pauschal rügt, es seien "immer noch falsche Berechnungen und unsachgemäße Bearbeitung" zu beanstanden, lässt sich hieraus kein Verfahrensmangel ableiten. Es ist auch kein Verstoß gegen eine Vorschrift, die das sozialgerichtliche Verfahren regelt, zu erkennen. Vielmehr hat das SG verfahrensrechtlich zutreffend aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 7. Juni 2012 entschieden, dass der Rechtstreit in dem Verfahren mit dem Aktenzeichen S 4 AS 2469/07 durch gerichtlichen Vergleich vom 4. Februar 2010 beendet worden ist.

3.

24

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

25

Der Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar, § 177 SGG.


(1) Um den geltend gemachten Anspruch vollständig oder zum Teil zu erledigen, können die Beteiligten zu Protokoll des Gerichts oder des Vorsitzenden oder des beauftragten oder ersuchten Richters einen Vergleich schließen, soweit sie über den Gegenstand der Klage verfügen können. Ein gerichtlicher Vergleich kann auch dadurch geschlossen werden, dass die Beteiligten einen in der Form eines Beschlusses ergangenen Vorschlag des Gerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters schriftlich oder durch Erklärung zu Protokoll in der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Gericht annehmen.

(2) Das angenommene Anerkenntnis des geltend gemachten Anspruchs erledigt insoweit den Rechtsstreit in der Hauptsache.

(1) Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag ist nichtig, wenn sich die Nichtigkeit aus der entsprechenden Anwendung von Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches ergibt.

(2) Ein Vertrag im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 2 ist ferner nichtig, wenn

1.
ein Verwaltungsakt mit entsprechendem Inhalt nichtig wäre,
2.
ein Verwaltungsakt mit entsprechendem Inhalt nicht nur wegen eines Verfahrens- oder Formfehlers im Sinne des § 42 rechtswidrig wäre und dies den Vertragschließenden bekannt war,
3.
die Voraussetzungen zum Abschluss eines Vergleichsvertrages nicht vorlagen und ein Verwaltungsakt mit entsprechendem Inhalt nicht nur wegen eines Verfahrens- oder Formfehlers im Sinne des § 42 rechtswidrig wäre,
4.
sich die Behörde eine nach § 55 unzulässige Gegenleistung versprechen lässt.

(3) Betrifft die Nichtigkeit nur einen Teil des Vertrages, so ist er im Ganzen nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass er auch ohne den nichtigen Teil geschlossen worden wäre.

(1) Ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird (Vergleich), ist unwirksam, wenn der nach dem Inhalt des Vertrags als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht und der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde.

(2) Der Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis steht es gleich, wenn die Verwirklichung eines Anspruchs unsicher ist.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 19. Mai 2008 - 15 Sa 1265/07 - aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass der Prozessvergleich vom 16. August 2006 zum Aktenzeichen 15 Sa 1322/05 unwirksam ist.

3. Die Sache wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung über die Berufung der Beklagten - und über die Kosten des Revisionsverfahrens - an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines Prozessvergleichs.

2

Der 1962 geborene, ledige und für ein Kind unterhaltspflichtige Kläger war seit November 2000 bei der Beklagten als „Personalreferent/Leiter der Personalabteilung Angestellte“ tätig. Sein Bruttogehalt betrug zuletzt 5.190,00 Euro zzgl. leistungsabhängiger Vergütung (Bonus).

3

Im September 2004 entzog die Beklagte dem Kläger wesentliche Teile seiner bisherigen Arbeitsaufgaben. Mit Schreiben vom 29. Oktober 2004 kündigte sie das Arbeitsverhältnis unter Berufung auf Gründe in seinem Verhalten ordentlich zum 30. April 2005 und mit Schreiben vom 21. Februar 2005 - vorsorglich - ordentlich zum 31. August 2005.

4

Der Kläger erhob gegen beide Kündigungen Kündigungsschutzklage. Das Arbeitsgericht stellte durch Urteil vom 30. März 2005 die Unwirksamkeit der Kündigung vom 29. Oktober 2004 fest. Die Beklagte legte Berufung ein und beantragte hilfsweise, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung zum 30. April 2005 aufzulösen. Den die Kündigung vom 21. Februar 2005 betreffenden Kündigungsrechtsstreit setzte das Arbeitsgericht aus. Daneben führten die Parteien zwei Rechtsstreite über die Weiterbeschäftigung des Klägers zu seinen ursprünglichen Arbeitsbedingungen und Zahlungsansprüche (Berufungsaktenzeichen: 15 Sa 1202/05 und 15 Sa 125/06).

5

Am 16. August 2006 schlossen die Parteien in mündlicher Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht zum Aktenzeichen 15 Sa 1322/05 einen Vergleich folgenden Inhalts:

        

„1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass ihr Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 29.10.2004 mit sozialer Auslauffrist mit dem 31.12.2006 seine Beendigung finden wird.

        

2. Der Kläger wird bis zum Ablauf der Frist unter Fortzahlung der Bezüge freigestellt unter Anrechnung auf seine Urlaubsansprüche und unter Verzicht auf Verrechnung mit eventuellen Zwischenverdiensten des Klägers.

        

3. Die Zeit vom 01.05.2004 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird bei einem monatlichen Gehaltsanspruch von 4.000,00 € brutto abgerechnet und unter Berücksichtigung von Gehaltsanteilen, die auf Träger von Sozialleistungen und Sozialversicherungsleistungen übergegangen sind, ausgezahlt.

        

4. Die Beklagte verpflichtet sich, dem Kläger ein qualifiziertes Zeugnis zu erteilen unter dem Datum des 31.12.2006, das wohlwollend abgefasst ist und seinem beruflichen Fortkommen dient.

        

Der Kläger wird der Beklagten einen Zeugnisentwurf vorlegen, den diese nur ablehnen kann, wenn die Angaben und die Bewertung offensichtlich unzutreffend sind.

        

Das gleiche gilt für ein vom Kläger vorzulegendes Zwischenzeugnis.

        

5. Mit Erfüllung des Vergleichs sind alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung erledigt einschließlich der Ansprüche auf Bonuszahlungen.

        

Gleichfalls sind erledigt die Rechtsstreite der Parteien 15 Sa 1202/05, 15 Sa 125/06 und der noch in erster Instanz ausgesetzte Kündigungsrechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Braunschweig zum Aktenzeichen 2 Ca 57/05.

        

6. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben; hinsichtlich der erstinstanzlichen Kosten bleibt es bei der Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils.

        

In der Berufungssache 15 Sa 1202/05 werden die Kosten des Berufungsverfahrens gleichfalls gegeneinander aufgehoben. Hinsichtlich der dortigen erstinstanzlichen Kosten bleibt es bei der Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils.

        

Die Kosten des Rechtsstreits 15 Sa 125/06 werden gegeneinander aufgehoben.

        

Ebenso werden gegeneinander aufgehoben die Kosten des Rechtsstreits 2 Ca 57/05.“

6

In der Folgezeit stritten die Parteien zunächst über die Regelung zu Nr. 3 des Vergleichs und dabei über die Frage, ob zwischen ihnen tatsächlich - wie protokolliert - die Abrechnung des Arbeitsverhältnisses auf der Basis von 4.000,00 Euro für die Zeit ab 1. Mai 2004 oder - wie vom Kläger im Hinblick auf die am 30. April 2005 auslaufende Kündigungsfrist geltend gemacht - erst ab 1. Mai 2005 vereinbart worden war. Anlass war eine von der Beklagten geltend gemachte Gehaltsüberzahlung betreffend die Zeit ab 1. Mai 2004.

7

Mit Schriftsatz vom 13. August 2007, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am 16. August 2007, hat der Kläger den Vergleich „unter allen erdenklichen Gesichtspunkten, insbesondere wegen Täuschung und Drohung im Sinne von § 123 BGB“ angefochten. „Vorsorglich“ hat er den Widerruf des Vergleichs und „höchstvorsorglich“ den Rücktritt vom Vergleich erklärt. Auf entsprechende Erklärungen gegenüber der Beklagten hat er Bezug genommen.

8

Mit Beschluss vom 12. September 2007 hat das Landesarbeitsgericht eine Selbstablehnung des Vorsitzenden für begründet erklärt.

9

Der Kläger hat in dem unter dem Aktenzeichen 15 Sa 1265/07 fortgesetzten Berufungsverfahren (ursprünglich: 15 Sa 1322/05) geltend gemacht, der Prozessvergleich habe den Rechtsstreit nicht erledigt. Die Anfechtung sei wegen widerrechtlicher Drohung begründet. Unmittelbar zu Beginn der Verhandlung vom 16. August 2006 habe der Vorsitzende - offenbar bereits über das Scheitern außergerichtlicher Vergleichsverhandlungen unterrichtet - seine Unzufriedenheit über den Verfahrensstand zum Ausdruck gebracht und auf seinen - des Klägers - Vortrag zum Grund des Konflikts mit den Worten reagiert: „Passen Sie auf, was Sie sagen; es wird sonst alles gegen Sie verwendet“. Dadurch sei bei ihm der Eindruck entstanden, der Vorsitzende wolle jegliche Erörterung des Streitstoffs gleich zu Beginn unterbinden. Trotz seiner Erklärung, den Arbeitsplatz wiedererlangen zu wollen, habe dieser das Gespräch sogleich auf die Erörterung der Modalitäten eines Vergleichs gelenkt. Da er sich dem nicht offen habe widersetzen wollen, habe er einen seiner Vorstellung entsprechenden Abfindungsbetrag von 150 TEuro genannt. Der Vorsitzende habe daraufhin erklärt: „Wer bis zuletzt hofft, stirbt mit einem Lächeln“ und sei dazu übergegangen, ihm geringe Erfolgsaussichten seiner Klage wie folgt vor Augen zu führen: „Wenn Sie dem nicht zustimmen, dann kriegen Sie sonst nur 10 oder 20 TEuro“, „Sie haben keine Chance, höchstens 20 %, Sie müssen das machen!“. Seine weiterhin ablehnende Haltung gegenüber einem Vergleich habe der Vorsitzende mit den Worten kommentiert: „Sie spielen hier Vabanque“; „Was Sie machen, ist unverantwortlich im Hinblick auf Ihre familiäre Situation“ und: „Hören Sie mir auf mit Mobbing, davon will ich nichts hören, da kommt nichts bei raus!“ Zusammen mit weiteren unsachlichen Bemerkungen habe dies in ihm den Eindruck hervorgerufen, sein Fall werde nicht mehr objektiv und unparteiisch beurteilt. In unverhohlen aggressiver Art habe der Vorsitzende dann geäußert: „Seien sie vernünftig. Sonst müssen wir Sie zum Vergleich prügeln“, auf seine weitere Verweigerung eines Vergleichsschlusses ohne Widerrufsmöglichkeit erklärt: „Ich reiße Ihnen sonst den Kopf ab“ und schließlich: „Sie werden sonst an die Wand gestellt und erschossen“ sowie - nach einem „Blick in die Runde“ -: „Manche muss man eben zu ihrem Glück zwingen“. Danach habe er - der Kläger - endgültig den Eindruck gewonnen, der Vorsitzende sei bereit, sich über jedes Recht hinwegzusetzen. Durch dessen weitere Reaktionen wie „Dann wechseln Sie eben die Stadt.“; „Dann müssen Sie eben wieder unten anfangen und sich hocharbeiten“ sei ihm klar geworden, dass gleichgültig sei, was er noch vortrage. So sei nach der Erklärung des Vorsitzenden: „Stimmen Sie dem jetzt endlich zu, ich will Mittag essen gehen“ der Vergleich geschlossen worden. Erst später sei ihm bewusst geworden, dass diese massiven, einer fairen Verhandlungsführung widersprechenden Drohungen zu seiner Verhandlungsunfähigkeit geführt hätten. Ohne sie hätte er den Vergleich nicht geschlossen, zumindest nicht mit dem protokollierten Inhalt.

10

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.    

das Verfahren - 15 Sa 1322/05 - fortzusetzen,

        

2.    

die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 30. März 2005 - 2 Ca 992/04 - zurückzuweisen sowie

        

3.    

den Auflösungsantrag der Beklagten abzuweisen.

11

Die Beklagte hat beantragt, „die Anträge zurückzuweisen“. Sie hat die Auffassung vertreten, der Vergleich sei wirksam. Das Landesarbeitsgericht sei nach Erstberatung der Auffassung gewesen, die Kündigung sei wohl nicht gerechtfertigt, ihr sei jedoch die Fortsetzung des zerrütteten Arbeitsverhältnisses nicht mehr zuzumuten. Der Vorsitzende habe dem Kläger in ruhigem und vernünftigem Ton erläutert, dass er sich bei gerichtlicher Auflösung des Arbeitsverhältnisses und Festsetzung einer Abfindung schlechter stehe als bei Abschluss des angetragenen Prozessvergleichs. Auch wenn sich der Vorsitzende dabei - Einzelheiten seien ihrem Prozessbevollmächtigten nicht mehr „erinnerlich“ - zu Äußerungen habe hinreißen lassen, die nicht in einen Gerichtssaal gehörten, seien diese für den Vergleichsschluss nicht kausal geworden. Entscheidend seien vielmehr die Verhandlungen der Parteien während der Sitzungsunterbrechungen gewesen. Einzelne, herausgegriffene Äußerungen des Vorsitzenden, etwa der Art, der Kläger habe „keine Chance“ und solle dem Vergleich „endlich zustimmen“, seien vor dem Hintergrund der rund dreistündigen Verhandlung verständlich. Zudem habe der Kläger den Vergleich erst angefochten, als - unstreitig - ein zwischenzeitlich von ihm neu begründetes Arbeitsverhältnis mit einem anderen Arbeitgeber wieder beendet gewesen sei. „Vergleichsreue“ sei kein Anfechtungsgrund. Im Übrigen sei von einer Bestätigung des Vergleichs auszugehen.

12

Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich erledigt ist. Es hat die Revision zugelassen. Mit ihr begehrt der Kläger die Feststellung, dass das vorliegende Verfahren (Berufungsaktenzeichen: 15 Sa 1322/05; nunmehr: 15 Sa 1265/07) sowie die Verfahren 15 Sa 1202/05, 15 Sa 125/06 und 2 Ca 57/05 (Arbeitsgericht Braunschweig) durch den Prozessvergleich vom 16. August 2006 nicht erledigt sind. Weiter beantragt er, nach den im vorliegenden Verfahren gestellten Berufungsanträgen zu erkennen. Soweit sein Begehren zunächst auch auf eine Sachentscheidung in den Verfahren 15 Sa 1202/05 und 15 Sa 125/06 gerichtet war, hat er hieran zuletzt nicht mehr festgehalten.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, zur Feststellung der Unwirksamkeit des Vergleichs vom 16. August 2006 und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht zur (weiteren) Verhandlung und Entscheidung über die Berufung der Beklagten.

14

I. Die mit der Revision zuletzt verfolgten Anträge sind zulässig. Das gilt insbesondere für den Feststellungsantrag. Er genügt den Voraussetzungen des § 256 Abs. 2 ZPO.

15

1. Der Prozessvergleich hat eine Doppelnatur. Er enthält einerseits eine Prozesshandlung, deren Wirksamkeit sich nach den Grundsätzen des Verfahrensrechts bestimmt. Zugleich beruht er auf einem privatrechtlichen Vertrag, für den § 779 BGB und die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Willenserklärung gelten. Die Einheit von Prozesshandlung und materiellem Rechtsgeschäft sowie prozesswirtschaftliche Gründe sind maßgebend für die prozessualen Folgen materiellrechtlicher Mängel des Prozessvergleichs. Soweit diese auf Umständen beruhen, die bereits im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses bestanden haben - sei es, dass sie zur Nichtigkeit des Vergleichs von Anfang an führen (zB gemäß §§ 134, 138, 306, 779 BGB), sei es, dass sie ein Anfechtungsrecht gemäß §§ 119, 123 BGB begründen, nach dessen Ausübung der Vergleich rückwirkend nichtig wird(§ 142 BGB) - ist der Prozessvergleich auch als Prozesshandlung unwirksam. Seine prozessbeendende Wirkung ist dann nicht eingetreten, die Rechtshängigkeit des Prozesses hat fortbestanden (st. Rspr., BAG 23. November 2006 - 6 AZR 394/06 - Rn. 15, BAGE 120, 251).

16

2. Streiten die Parteien über die Wirksamkeit eines Prozessvergleichs, ist dieser Streit in demselben Verfahren auszutragen, in dem der Vergleich geschlossen wurde (BAG 23. November 2006 - 6 AZR 394/06 - Rn. 15, BAGE 120, 251; 5. August 1982 - 2 AZR 199/80 - zu B II 2 der Gründe mwN, BAGE 40, 17). Wird die Wirksamkeit verneint, kann hierüber ein Zwischenurteil ergehen, das die Unwirksamkeit feststellt (Senat 14. Juli 1960 - 2 AZR 152/60 - zu III der Gründe, BAGE 9, 319; BGH 26. Januar 1967 - Ia ZB 19/65 - zu II 2 a der Gründe, BGHZ 47, 132). Wird der Vergleich als wirksam angesehen, so ergeht ein Endurteil dahin, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich erledigt ist (BAG 23. November 2006 - 6 AZR 394/06 - aaO; BGH 10. März 1955 - II ZR 201/53 - BGHZ 16, 388).

17

3. Werden in einem Prozessvergleich andere Verfahren mit erledigt (Gesamtvergleich), so kann der Streit über dessen Wirksamkeit in jedem dieser Verfahren geklärt werden. Dabei steht es der Partei frei, die Unwirksamkeit des Vergleichs als Vorfrage klären zu lassen, sie demnach in dem von ihr gewählten Verfahren zum Streitgegenstand einer Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO zu machen. Damit wird die Frage der Wirksamkeit des Vergleichs einer rechtskraftfähigen Entscheidung zugeführt, die für die Parteien in den übrigen Verfahren bindend ist. Diese sind ggf. bis zur Entscheidung des angegangenen Gerichts auszusetzen (Senat 25. Juni 1981 - 2 AZR 219/79 - zu II 1 d der Gründe, BAGE 36, 105; BGH 4. Mai 1983 - VIII ZR 94/82 - zu I der Gründe, BGHZ 87, 215).

18

4. Der in der Revision erhobene Feststellungsantrag des Klägers ist als ein solcher Zwischenfeststellungsantrag auszulegen und mit diesem Inhalt zulässig. Er zielt darauf, die Wirkungen einer erfolgreich geltend gemachten Unwirksamkeit des Vergleichs nicht nur für den vorliegenden Rechtsstreit, sondern auch für die miterledigten Rechtsstreite verbindlich klären zu lassen. Dabei kann offenbleiben, ob schon der im Berufungsverfahren zuletzt gestellte Antrag zu 1 - wovon offenbar das Landesarbeitsgericht ausgegangen ist - als ein solcher Antrag auszulegen war. Das Begehren ist auch zulässig, wenn von einer erstmaligen Anbringung des Antrags in der Revision auszugehen wäre. Zwar ist eine Klageerweiterung in der Revisionsinstanz grundsätzlich unzulässig (st. Rspr., BAG 5. Juni 2003 - 6 AZR 277/02 - zu II 1 der Gründe mwN, AP ZPO 1977 § 256 Nr. 81 = EzA ZPO 2002 § 256 Nr. 2). Sie ist aber aus prozessökonomischen Gründen zuzulassen, wenn der neue Sachantrag sich auf den vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt stützt und berechtigte Interessen des Gegners nicht beeinträchtigt werden (BAG 18. September 2007 - 3 AZR 560/05 - Rn. 14, NZA-RR 2008, 320; 10. Februar 2004 - 9 AZR 89/03 - zu A der Gründe, AP ATG § 2 Nr. 6 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 10). Das ist hier der Fall. Die Beklagte sieht dies ersichtlich nicht anders.

19

5. Dem Umstand, dass das Landesarbeitsgericht durch Endurteil entschieden hat, entspricht es, dass der Kläger seinen Antrag auf (Sach-)Entscheidung über die Berufungsanträge auch in der Revision weiter verfolgt. Diese sind nicht in der Berufungsinstanz „hängen geblieben“ (vgl. Senat 4. März 2004 - 2 AZR 305/03 - zu B II der Gründe, AP ZPO § 794 Nr. 40 = EzA ZPO 2002 § 794 Nr. 1; OLG Karlsruhe 21. Juli 2005 - 19 U 46/05 - MDR 2005, 1368). Das Vorbringen der Parteien lässt nicht erkennen, dass sie den Streit zunächst auf die Frage der Wirksamkeit des Prozessvergleichs beschränkt hätten (zu einer solchen Konstellation, in der die Berufungsanträge vorerst nicht gestellt waren: BGH 6. Juli 1966 - Ib ZR 83/64 - zu I 1 der Gründe, AP ZPO § 794 Nr. 12). Mit der vor dem Senat erfolgten Klarstellung, dass sich die begehrte Sachentscheidung auf die im vorliegenden Rechtsstreit erhobenen Berufungsanträge beschränkt, hat der Kläger der prozessualen Selbstständigkeit der mitverglichenen Rechtsstreite Rechnung getragen. Eine Sachentscheidung in den weiteren Verfahren kann der Kläger nur dadurch herbeiführen, dass er sich jeweils auf die Unwirksamkeit des Vergleichs vom 16. August 2006 beruft und sodann die entsprechenden Sachanträge stellt.

20

II. Der Feststellungsantrag ist begründet. Der Prozessvergleich vom 16. August 2006 ist unwirksam.

21

1. Der Tatbestand des angefochtenen Urteils bietet dem Senat eine ausreichende Entscheidungsgrundlage. Er ist nicht mangelhaft iSv. § 69 Abs. 3 ArbGG.

22

a) § 69 Abs. 3 ArbGG verlangt für Urteile, gegen die die Revision statthaft ist, eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstands auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien. Dabei ist eine Bezugnahme auf Schriftsätze möglich, soweit dadurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird. Diesen Anforderungen (zu den Einzelheiten vgl. Senat 20. August 2009 - 2 AZR 165/08 - Rn. 16, AP BGB § 626 Nr. 223 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 27) wird die angefochtene Entscheidung gerecht. Das Landesarbeitsgericht hat im Tatbestand den Streitgegenstand bezeichnet, die Anträge hervorgehoben und auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen. Eine vorbehaltlose Antragstellung - wie im Termin der letzten mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer erfolgt - stellt grundsätzlich die Bezugnahme auf den gesamten bis dahin vorliegenden Inhalt der Verfahrensakten dar, der damit insgesamt iSv. § 559 Abs. 1 ZPO der revisionsrechtlichen Beurteilung unterliegt(vgl. BAG 5. Februar 2009 - 6 AZR 151/08 - Rn. 24, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 69 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 87; BGH 16. Juni 1992 - XI ZR 166/91 - NJW 1992, 2148).

23

b) Danach kann offenbleiben, ob die Rügen des Klägers, soweit sie sich auf Verfahrensfehler des Landesarbeitsgerichts bei der Behandlung seines in der Vorinstanz angebrachten und negativ beschiedenen Tatbestandsberichtigungsantrags beziehen, wegen der Unanfechtbarkeit dieser Entscheidung (§ 320 Abs. 4 Satz 4 ZPO) und der Möglichkeit der Anhörungsrüge (§ 78a ArbGG) zulässig sind. Es ist jedenfalls mit Blick auf die Inbezugnahme des Parteivorbringens nicht ersichtlich, dass die gerügte Auslassung wesentlichen Vorbringens zu einer Unrichtigkeit des Tatbestands hätte führen können.

24

2. Der Prozessvergleich vom 16. August 2006 ist nicht aus formellen Gründen unwirksam. Die gesetzlichen Anforderungen an die Protokollierung (§ 162 Abs. 1, § 160 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) sind erfüllt. Der Kläger hat seinen in der Vorinstanz erhobenen Einwand, es fehle an einer Genehmigung des Vergleichs, in der Revision nicht mehr aufgegriffen. Seine Behauptung ist zudem durch das vom Vorsitzenden und der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle unterzeichnete Sitzungsprotokoll widerlegt. Weist das Protokoll - wie hier - die Beachtung der für die Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten aus, ist dagegen nur der Nachweis der Fälschung möglich (§ 165 ZPO).

25

3. Der Vergleich ist unwirksam, weil die Anfechtung berechtigt ist. Der Kläger ist im Termin der mündlichen Verhandlung vom 16. August 2006 widerrechtlich durch Drohung seitens des Kammervorsitzenden zum Abschluss des Vergleichs bestimmt worden (§ 123 Abs. 1 BGB). Dies hat er nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts frist- und formgerecht durch Anfechtung geltend gemacht (§ 124 Abs. 1 und 2, § 143 Abs. 1 und 2 BGB).

26

a) Eine Drohung iSd. § 123 Abs. 1 BGB setzt die Ankündigung eines zukünftigen Übels voraus, dessen Zufügung als in irgendeiner Weise von der Macht des Ankündigenden abhängig hingestellt wird. Der Bedrohte muss einer Zwangslage ausgesetzt sein, die ihm subjektiv das Gefühl gibt, sich nur noch zwischen zwei Übeln entscheiden zu können. Die Widerrechtlichkeit der Drohung kann sich aus der Widerrechtlichkeit des eingesetzten Mittels oder der des verfolgten Zwecks ergeben. Bedient sich der Drohende an sich erlaubter Mittel zur Verfolgung eines an sich nicht verbotenen Zwecks, kann sich die Widerrechtlichkeit gleichwohl aus der Inadäquanz, dh. der Unangemessenheit des gewählten Mittels im Verhältnis zum verfolgten Zweck ergeben. Hat der Drohende an der Erreichung des verfolgten Zwecks kein berechtigtes Interesse oder ist das Mittel nach Treu und Glauben nicht als angemessen zur Erreichung dieses Zwecks anzusehen, ist die Drohung rechtswidrig (BAG 13. Dezember 2007 - 6 AZR 200/07 - Rn. 18, EzA BGB 2002 § 123 Nr. 8; 15. Dezember 2005 - 6 AZR 197/05 - Rn. 14, AP BGB § 123 Nr. 66 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 6 mwN).

27

b) § 123 Abs. 1 BGB verlangt, dass der Drohende das Übel irgendwie in Aussicht stellt. Eine Willenserklärung, die lediglich unter Ausnutzung einer bestehenden Zwangslage veranlasst worden ist, kann nicht wegen widerrechtlicher Drohung angefochten werden (BGH 7. Juni 1988 - IX ZR 245/86 - zu I 2 der Gründe, AP BGB § 123 Nr. 33). § 123 Abs. 1 BGB schützt die freie Willensentscheidung nur vor rechtswidrigen Beeinflussungen durch arglistige Täuschung oder widerrechtliche Drohung. Die rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit des Einzelnen wird dagegen nicht allgemein gegen jede Art von Beeinträchtigung durch eine Zwangslage geschützt (BAG 16. Februar 1983 - 7 AZR 134/81 - zu I 5 der Gründe, AP BGB § 123 Nr. 22 = EzA BGB § 123 Nr. 21; BGH 7. Juni 1988 - IX ZR 245/86 - aaO).

28

c) Für die Anfechtung wegen Drohung ist es unerheblich, von welcher Person die Drohung stammt. Diese kann auch von einer Hilfsperson des Geschäftspartners oder einem Dritten ausgehen (BAG 15. Dezember 2005 - 6 AZR 197/05 - Rn. 16, AP BGB § 123 Nr. 66 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 6; Senat 26. November 1981 - 2 AZR 664/79 -). Dritter in diesem Sinne kann auch das Gericht oder ein Mitglied des Gerichts sein (BGH 6. Juli 1966 - Ib ZR 83/64 - zu II 3 der Gründe, AP ZPO § 794 Nr. 12).

29

d) Danach ist die Anfechtung berechtigt.

30

aa) Der wirksamen Anfechtung des Prozessvergleichs steht nicht entgegen, dass der Kläger lediglich eine unzulässige Einflussnahme auf seine Willensbildung und nicht auch eine vergleichbare Einwirkung auf seinen Prozessbevollmächtigten geltend gemacht hat. Der bei den Landesarbeitsgerichten nach § 11 Abs. 4 ArbGG bestehende Vertretungszwang, der den Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs mit umfasst(vgl. GMP/Germelmann ArbGG 7. Aufl. § 11 Rn. 119; für den Anwaltszwang: BGH 20. Februar 1991 - XII ZB 125/88 - zu II 2 der Gründe, NJW 1991, 1743 mwN), hindert nach den Umständen des vorliegenden Falls die Vergleichsanfechtung wegen eines Willensmangels in der Person des Klägers nicht.

31

(1) Zwar ist ein Rechtsgeschäft, das ein Vertreter abgeschlossen hat, nach § 166 Abs. 1 BGB wegen Täuschung oder Drohung nur anfechtbar, wenn sich der Vertreter hat täuschen lassen oder sich die Drohung gegen ihn richtete(Palandt/Heinrichs BGB 68. Aufl. § 166 Rn. 3). Etwas anderes kann aber dann gelten, wenn es um die Anfechtung eines Prozessvergleichs geht und der geltend gemachte Willensmangel in der Person einer Partei besteht, die in einem Vergleichstermin selbst zugegen war. Beteiligt sich die Prozesspartei an den gerichtlichen Vergleichsverhandlungen, so ist es je nach den Umständen möglich, dass nicht ihr Bevollmächtigter, sondern sie selbst die eigentliche Entscheidung trifft, ob der Vergleich mit dem ausgehandelten Inhalt angenommen werden soll. Schließt der Prozessbevollmächtigte unter derartigen Voraussetzungen den Vergleich ab, setzt er regelmäßig nur den Geschäftswillen seines Mandanten in die Tat um; er handelt nach dessen Weisungen. Dann aber kommt es für Willensmängel im Rahmen der Anfechtung analog § 166 Abs. 2 BGB auf die Prozesspartei selbst und nicht ihren Vertreter an(zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung BGH 24. Oktober 1968 - II ZR 214/66 - zu II 2 b der Gründe, WM 1969, 471; für den Fall der Drohungsanfechtung unausgesprochen BGH 6. Juli 1966 - Ib ZR 83/64 - NJW 1966, 2399).

32

(2) Im Streitfall gehen die Parteien übereinstimmend von einem weisungsgebundenen Handeln des damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers aus. So hat die Beklagte selbst ausgeführt, die Verhandlungen hätten sich deshalb so langwierig gestaltet, weil der Kläger mehrfach erklärt habe, den Vergleich schließen zu wollen, einige Sekunden später aber hiervon wieder Abstand genommen habe. Angesichts dieses „Szenario“ sei es nachvollziehbar, dass der Vorsitzende nach Stunden erklärt habe, der Kläger habe „sonst keine Chance“ und ihn mit den Worten angesprochen habe: „Stimmen Sie dem jetzt endlich zu, ich will Mittag essen gehen“. Das wiederum lässt den Schluss zu, dass der Prozessbevollmächtigte den Vergleich ohne das Einverständnis des Klägers nicht genehmigt hätte.

33

bb) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist von einer Willensbeeinflussung des Klägers durch widerrechtliche Drohung seitens des Vorsitzenden auszugehen.

34

(1) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Erklärungen des Vorsitzenden „Gleich werden Sie an die Wand gestellt und erschossen“, „Ich reiße Ihnen sonst den Kopf ab“ und: „Seien Sie vernünftig, sonst müssen wir Sie zum Vergleich prügeln“ seien ersichtlich nicht wörtlich zu verstehen, sondern „als schlechter Scherz“ zu erkennen gewesen. Der Vorsitzende habe dem Kläger - wenn auch in unsachlicher Art und Weise - anhand der Prozesslage die voraussichtlichen Folgen eines möglichen Scheiterns der Vergleichsverhandlungen aufzeigen wollen.

35

(2) Damit hat sich das Landesarbeitsgericht zu Unrecht allein am Wortlaut der in Rede stehenden Äußerungen orientiert. Es hat nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Drohung iSv. § 123 BGB nicht ausdrücklich ausgesprochen zu werden braucht, sondern versteckt oder durch schlüssiges Verhalten erfolgen kann(BGH 7. Juni 1988 - IX ZR 245/86 - zu I 1 a der Gründe, AP BGB § 123 Nr. 33). Den Erklärungen des Vorsitzenden kann ein drohendes Element nicht abgesprochen werden. Aus dem Vorbringen der Parteien geht nicht hervor, dass dem Kläger die - offenbar häufiger an den Tag gelegte - ungewöhnliche Art des Vorsitzenden bekannt gewesen wäre oder die Vergleichsverhandlungen in einer aufgelockerten Gesprächsatmosphäre geführt worden wären. Dies ist auch objektiv nicht ersichtlich. Vielmehr beschreibt das Vorbringen beider Parteien eine durchgehende Anspannung des Klägers. Unter diesen Umständen ist es nachvollziehbar, dass beim Kläger aufgrund der in Rede stehenden Äußerungen der Eindruck entstanden ist, dem Vorsitzenden sei jedes, ggf. auch ein anrüchiges Mittel recht, um den Prozess zu dem gewünschten Abschluss bringen, und er - der Kläger - diesem Druck nur dadurch ausweichen könne, dass er den angetragenen Vergleich (endlich) schließe. Bereits dies erfüllt die Voraussetzungen des § 123 Abs. 1 BGB.

36

(a) Zwar soll das Gericht nach § 64 Abs. 7, § 57 Abs. 2 ArbGG in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht sein. Damit weist ihm das Gesetz im Hinblick auf Vergleichsbemühungen eine aktive Rolle zu, die sich auch in Vergleichsvorschlägen äußern kann (Dietrich ZZP 120, 443, 446). Wenn das Gericht in diesem Zusammenhang - was von vielen Parteien als hilfreich empfunden wird - seine vorläufigen rechtlichen Überlegungen und etwaige Beweisrisiken offenlegt, ist darin in der Regel ein sachlicher Hinweis auf die rechtlichen Folgen eines Scheiterns der Vergleichsverhandlungen zu sehen; die bloße Verdeutlichung von Prozessrisiken kann regelmäßig nicht als Drohung gewertet werden (BGH 6. Juli 1966 - Ib ZR 83/64 - zu II 2 c der Gründe, AP ZPO § 794 Nr. 12; BGB-RGRK/Steffen 12. Aufl. § 779 Rn. 52; Staudinger/Singer/ v. Finckenstein (2004) § 123 Rn. 63; Arndt NJW 1967, 1585; Schneider NJW 1966, 2399).

37

(b) Anders liegt der Fall aber, wenn die Verhandlungsführung den Eindruck erweckt, die Partei müsse sich zwingend der Autorität des Gerichts beugen (vgl. Staudinger/Singer/v. Finckenstein (2004) § 123 Rn. 63; Dietrich ZZP 120, 443, 451; Schallow Der mangelhafte Prozessvergleich S. 222 f.). Die Einbettung des Prozessvergleichs in das gerichtliche Urteilsverfahren setzt die Einhaltung verfahrensrechtlicher Vorschriften voraus, insbesondere des Gebots, einer Partei auch im Rahmen von Vergleichsverhandlungen Gelegenheit zu geben, ihren Standpunkt zu vertreten, und ihr rechtliches Gehör zu gewähren (Schallow S. 222; Wolf in Gottwald/Hutmacher/Röhl/Strempel Der Prozessvergleich S. 153, 156). Außerdem verlangt der aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) iVm. Art. 2 GG abzuleitende Justizgewährleistungsanspruch danach, einer Partei den Zugang zu einer gerichtlichen Entscheidung nicht in einer unzumutbaren, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise zu erschweren(BVerfG 30. April 2003 - 1 PBvU 1/02 - BVerfGE 107, 395). Bei der Beurteilung, ob das Drängen des Gerichts auf einen Vergleichsabschluss nach den Umständen des Einzelfalls eine widerrechtliche Drohung darstellt, sind diese grundrechtlichen Anforderungen mit zu berücksichtigen.

38

(c) Im Streitfall hat der Vorsitzende in seiner dienstlichen Äußerung, die sich der Kläger ausdrücklich zu eigen gemacht hat, eingeräumt, es sei ihm darum gegangen, dem Kläger das „tödliche“ Risiko einer Ablehnung des Vergleichs vor Augen zu führen. Die drastische Wortwahl, mit der er dies in der Verhandlung zum Ausdruck gebracht hat, war geeignet, beim Kläger die Furcht vor einer von ihm nicht mehr zu beeinflussenden, nachteiligen Entscheidung zu wecken und die freie Abwägung des Für und Wider auszuschließen (vgl. hierzu einen ähnlichen Fall BGH 6. Juli 1966 - Ib ZR 83/64 - zu II 2 c der Gründe, AP ZPO § 794 Nr. 12). Hinzu kommt, dass der Kläger die Äußerungen des Vorsitzenden dahin verstehen musste, bei weiteren Bedenken gegen den Vergleich oder dessen Inhalt als „Störenfried“ zu gelten und nicht erwarten zu können, mit seinem Anliegen noch Gehör zu finden und mit Sachargumenten durchzudringen. Das in Aussicht gestellte Übel war damit zum einen die Verlängerung der für den Kläger unerträglich gewordenen Situation im Gerichtssaal selber. Zum anderen musste der Kläger befürchten, bei endgültiger Verweigerung eines Vergleichsabschlusses kein unbefangenes, abgewogenes Urteil mehr erlangen zu können. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Vergleich aus Sicht des Vorsitzenden für den Kläger vorteilhaft war. Die durch § 123 Abs. 1 BGB geschützte freie Willensbestimmung schließt die Verweigerung eines angetragenen Vergleichs ein, mag dies auch aus Sicht des Gerichts oder objektiv unvernünftig erscheinen.

39

cc) Das Vorgehen des Vorsitzenden war offensichtlich dazu bestimmt, den Kläger zu veranlassen, seinen Widerstand gegen den angetragenen Vergleich aufzugeben. Das ergibt sich sowohl aus den Worten: „Manche muss man eben zu ihrem Glück zwingen“ als auch aus dem Hinweis, der Kläger habe sonst „keine Chance“. Der Einwand der Beklagten, derartige Erklärungen seien lediglich Ausdruck einer durch die langwierigen Vergleichsverhandlungen eingetretenen Erschöpfung des Kammervorsitzenden, liegt fern. Wäre dem so gewesen, hätte es angesichts der offen zutage getretenen Unsicherheit des Klägers nahe gelegen, die Aufnahme eines Widerrufsvorbehalts in den Vergleich anzuregen.

40

dd) Zu Unrecht meint die Beklagte, schon nach dem eigenen Vorbringen des Klägers fehle es jedenfalls an der Kausalität der aufgezeigten Drohung für den Vergleichsschluss.

41

(1) Gemäß § 123 Abs. 1 BGB muss die Drohung für die angefochtene Willenserklärung des Bedrohten ursächlich gewesen sein. Dabei genügt es, dass sie nach der Vorstellung des Drohenden mitursächlich gewesen ist (BAG 28. November 2007 - 6 AZR 1108/06 - Rn. 58, BAGE 125, 70; 15. Dezember 2005 - 6 AZR 197/05 - Rn. 19, AP BGB § 123 Nr. 66 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 6; MünchKommBGB/Kramer 5. Aufl. § 123 Rn. 47). Eine Willenserklärung kann nur dann erfolgreich wegen Drohung angefochten werden, wenn der Anfechtende einem auf die Bestimmung des Willens gerichteten Verlangen nachgegeben und die Willenserklärung nicht aus eigener, selbstständiger Überlegung abgegeben hat (BAG 23. November 2006 - 6 AZR 394/06 - Rn. 45, BAGE 120, 251).

42

(2) Danach ist die Kausalität der widerrechtlichen Einflussnahme auf den Willensbildungsprozess des Klägers zu bejahen. Ist die Androhung eines Übels geeignet, den Bedrohten zur Abgabe einer Willenserklärung zu bestimmen, so ist regelmäßig davon auszugehen, dass sie eine solche Wirkung auch gehabt hat (vgl. BGH 30. Januar 1963 - VIII ZR 256/61 - BB 1963, 452).

43

(a) Diese Vermutung ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht dadurch erschüttert, dass der Kläger gegen den Vorsitzenden - möglicherweise trotz ausdrücklichen Hinweises - kein Ablehnungsgesuch (§ 42, § 44 ZPO)angebracht, sondern die Vergleichsverhandlungen fortgesetzt hat. Zwar mag das Führen von Vergleichsverhandlungen in Kenntnis eines Ablehnungsgrunds als „Einlassen“ im Sinne von § 43 ZPO zu verstehen sein und ggf. den Verlust eines Ablehnungsrechts aus § 42 ZPO bewirken(bspw. OLG Frankfurt 19. Februar 1991 - 3 WF 185/90 - FamRZ 1991, 839; MünchKommZPO/Gehrlein 3. Aufl. § 43 Rn. 5). Es ist aber fraglich, ob § 43 ZPO auch im Rahmen von § 123 BGB zum Tragen kommen kann. Letztlich kann dies dahinstehen. § 43 ZPO dient der Prozesswirtschaftlichkeit und soll verhindern, dass das Ablehnungsrecht zu Zwecken der Prozesstaktik eingesetzt wird(MünchKommZPO/Gehrlein aaO Rn. 1). Zwingende materiell-rechtliche Wirkungen ergeben sich daraus nicht. Im Übrigen wird allein durch die Nichtausübung eines Ablehnungsrechts noch nicht der Kausalzusammenhang zwischen Drohung und späterem Vergleichsschluss durchbrochen.

44

(b) Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Kausalität der Drohung durch Zwischenberatungen der Parteien untereinander beseitigt worden wäre. Abgesehen davon, dass die Beklagte nicht darstellt, was Gegenstand dieser Beratungen war, spricht der weitere Verlauf der mündlichen Verhandlung gegen einen von den vorangegangenen Äußerungen des Vorsitzenden unbeeinflussten, freien Entschluss des Klägers, dem Vergleich zuzustimmen. Sonst hätte es einer weiteren Einwirkung auf den Kläger nicht bedurft.

45

e) Der Rechtsstreit war nicht zur neuen Verhandlung und Entscheidung über die Wirksamkeit des Prozessvergleichs an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Es bedarf keiner weiteren Feststellungen. Zwar hat das Landesarbeitsgericht das Vorbringen des Klägers zum Vorliegen einer widerrechtlichen Drohung als streitig angesehen und für seine Entscheidung lediglich als wahr unterstellt. Dabei hat es aber übersehen, dass die Behauptungen des Klägers, soweit sie sich auf den Gang der Verhandlung und für die Beklagte wahrnehmbare Äußerungen des Vorsitzenden bezogen haben, entweder in weiten Teilen - was etwa die von diesem selbst in einer dienstlichen Stellungnahme eingeräumten Äußerungen anbelangt - durch bejahende Einlassung zugestanden worden sind oder zumindest wegen der Unzulässigkeit eines Bestreitens nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden zu gelten hatten.

46

aa) Soweit die Beklagte dem Vorbringen des Klägers überhaupt - im Wesentlichen pauschal - entgegen getreten ist, hat sie sich auf Erinnerungslücken ihres Prozessbevollmächtigten berufen. Insoweit liegt ein Bestreiten mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO) vor.

47

bb) Dies ist hier unzulässig. Dem Vortrag der Beklagten ist nicht zu entnehmen, welche Anstrengungen ihr Prozessbevollmächtigter unter Hinzuziehung ggf. vorhandener Sitzungsunterlagen unternommen hat, mögliche Erinnerungslücken zu schließen. Im Übrigen war die Beklagte im Termin vom 16. August 2006 auch durch ihren Personalleiter vertreten. Ob und mit welchem Ergebnis sie versucht hat, sich über diesen die erforderlichen Kenntnisse zu verschaffen, geht aus ihrem Vorbringen nicht hervor.

48

4. Die Anfechtung des Prozessvergleichs ist nicht gemäß § 144 BGB ausgeschlossen. Die diesbezüglichen Behauptungen der Beklagten sind unschlüssig.

49

a) Nach § 144 Abs. 1 BGB ist die Anfechtung ausgeschlossen, wenn das anfechtbare Rechtsgeschäft von dem Anfechtungsberechtigten bestätigt wird. Bestätigung ist jede Erklärung des Anfechtungsberechtigten, in der sein Wille zum Ausdruck kommt, ein ihm bekanntes Anfechtungsrecht nicht auszuüben (BAG 28. November 2007 - 6 AZR 1108/06 - Rn. 36, BAGE 125, 70; BGH 28. April 1971 - VIII ZR 258/69 - zu II 3 e cc der Gründe, NJW 1971, 1795). An die Annahme einer Bestätigung durch schlüssiges Verhalten sind strenge Anforderungen zu stellen. Teilnehmer am Rechtsverkehr pflegen erfahrungsgemäß nicht ohne Weiteres auf bestehende Befugnisse oder Gestaltungsmöglichkeiten zu verzichten (BGH 2. Februar 1990 - V ZR 266/88 - zu II 1 der Gründe, BGHZ 110, 220). Für die Fälle des § 123 BGB gilt dies in besonderem Maße, weil dem Anfechtungsberechtigten eine Anfechtungsfrist von einem Jahr zur Verfügung steht(§ 124 BGB). Diese gesetzliche Überlegungsfrist darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass jedes Verhalten des Anfechtungsberechtigten, das sich als Wahrnehmung von Rechten und Pflichten aus dem anfechtbaren Rechtsgeschäft verstehen lässt, als dessen Bestätigung gewertet wird. Eine stillschweigende Bestätigung iSv. § 144 BGB kann erst angenommen werden, wenn das fragliche Verhalten eindeutig Ausdruck eines entsprechenden Willens und jede andere Deutung den Umständen nach ausgeschlossen ist(BAG 28. November 2007 - 6 AZR 1108/06 - aaO; 16. Dezember 2004 - 2 AZR 148/04 - zu B I 1 der Gründe mwN, AP BGB § 123 Nr. 64 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 5).

50

b) Danach kann eine Bestätigung des anfechtbaren Vergleichs nicht darin gesehen werden, dass der Kläger für die Zeit bis zum 31. Dezember 2006 Leistungen auf der Grundlage des Vergleichs entgegen genommen und sich mit der Beklagten um die Auslegung von dessen Nr. 3 gestritten hat. Das Verhalten des Klägers war ersichtlich einer wirtschaftlichen Notwendigkeit geschuldet. Es steht auch nicht im Widerspruch zu seiner Überzeugung, der Prozessvergleich habe den Rechtsstreit nicht beendet und das Arbeitsverhältnis bestehe mangels rechtswirksamer Kündigung fort. Selbst wenn der Kläger, wie von der Beklagten behauptet, im Hinblick auf die Zeugniserteilung eine Vollstreckung aus dem Vergleich angekündigt hätte, müsste dies nicht als dessen Bestätigung verstanden werden. Der Kläger konnte angesichts des Ablaufs der Kündigungsfrist ohnehin ein Zeugnis beanspruchen. Ebenso wenig lässt sich ein eindeutiger Bestätigungswille daraus ableiten, dass er die Konsequenzen aus dem Verhalten des Vorsitzenden erst zu einem Zeitpunkt gezogen hat, zu welchem sein neu begründetes Arbeitsverhältnis mit einem anderen Arbeitgeber bereits beendet war. Sein Verhalten lässt durchaus andere Deutungen zu. So ist es möglich, dass der Kläger seinen neuen Arbeitgeber nicht dadurch verunsichern wollte, dass er einen Kündigungsrechtsstreit mit seinem früheren Arbeitgeber wieder aufnähme, oder er die Hoffnung hegte, er könne sich durch einen beruflichen Neuanfang die Belastungen, die mit einer Fortsetzung des vorliegenden Rechtsstreits verbunden sind, ersparen.

51

5. Ist der Vergleich damit gemäß § 142 Abs. 1 BGB unwirksam, kann dahinstehen, ob - wie vom Kläger geltend gemacht - sonstige Unwirksamkeitsgründe vorliegen. Grundsätzlich können auch möglicherweise nichtige Rechtsgeschäfte angefochten werden (sog. Doppelwirkungen im Recht, vgl. BGH 25. November 2009 - VIII ZR 318/08 - Rn. 18, BB 2010, 271).

52

III. Der durch den Prozessvergleich nicht erledigte Rechtsstreit ist in der Lage fortzusetzen, in der er sich vor Vergleichsabschluss befand. Da das Berufungsgericht noch keine Sachentscheidung getroffen hat, ist der Rechtsstreit an dieses zurückzuverweisen (entsprechend § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dabei hat der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.

        

    Kreft
zugleich für ehrenamtlichen
Richter Dr. Bartel, der wegen
des Endes seiner Amtszeit an
einer Unterzeichnung
verhindert ist    

        

    Eylert    

        

    Berger    

        

        

        

        

        

    Jan Eulen    

                 

(1) Um den geltend gemachten Anspruch vollständig oder zum Teil zu erledigen, können die Beteiligten zu Protokoll des Gerichts oder des Vorsitzenden oder des beauftragten oder ersuchten Richters einen Vergleich schließen, soweit sie über den Gegenstand der Klage verfügen können. Ein gerichtlicher Vergleich kann auch dadurch geschlossen werden, dass die Beteiligten einen in der Form eines Beschlusses ergangenen Vorschlag des Gerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters schriftlich oder durch Erklärung zu Protokoll in der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Gericht annehmen.

(2) Das angenommene Anerkenntnis des geltend gemachten Anspruchs erledigt insoweit den Rechtsstreit in der Hauptsache.

Für das Protokoll gelten die §§ 159 bis 165 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(1) Das Protokoll ist insoweit, als es Feststellungen nach § 160 Abs. 3 Nr. 1, 3, 4, 5, 8, 9 oder zu Protokoll erklärte Anträge enthält, den Beteiligten vorzulesen oder zur Durchsicht vorzulegen. Ist der Inhalt des Protokolls nur vorläufig aufgezeichnet worden, so genügt es, wenn die Aufzeichnungen vorgelesen oder abgespielt werden. In dem Protokoll ist zu vermerken, dass dies geschehen und die Genehmigung erteilt ist oder welche Einwendungen erhoben worden sind.

(2) Feststellungen nach § 160 Abs. 3 Nr. 4 brauchen nicht abgespielt zu werden, wenn sie in Gegenwart der Beteiligten unmittelbar aufgezeichnet worden sind; der Beteiligte, dessen Aussage aufgezeichnet ist, kann das Abspielen verlangen. Soweit Feststellungen nach § 160 Abs. 3 Nr. 4 und 5 in Gegenwart der Beteiligten diktiert worden sind, kann das Abspielen, das Vorlesen oder die Vorlage zur Durchsicht unterbleiben, wenn die Beteiligten nach der Aufzeichnung darauf verzichten; in dem Protokoll ist zu vermerken, dass der Verzicht ausgesprochen worden ist.

(1) Der Inhalt des Protokolls kann in einer gebräuchlichen Kurzschrift, durch verständliche Abkürzungen oder auf einem Ton- oder Datenträger vorläufig aufgezeichnet werden.

(2) Das Protokoll ist in diesem Fall unverzüglich nach der Sitzung herzustellen. Soweit Feststellungen nach § 160 Abs. 3 Nr. 4 und 5 mit einem Tonaufnahmegerät vorläufig aufgezeichnet worden sind, braucht lediglich dies in dem Protokoll vermerkt zu werden. Das Protokoll ist um die Feststellungen zu ergänzen, wenn eine Partei dies bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens beantragt oder das Rechtsmittelgericht die Ergänzung anfordert. Sind Feststellungen nach § 160 Abs. 3 Nr. 4 unmittelbar aufgenommen und ist zugleich das wesentliche Ergebnis der Aussagen vorläufig aufgezeichnet worden, so kann eine Ergänzung des Protokolls nur um das wesentliche Ergebnis der Aussagen verlangt werden.

(3) Die vorläufigen Aufzeichnungen sind zu den Prozessakten zu nehmen oder, wenn sie sich nicht dazu eignen, bei der Geschäftsstelle mit den Prozessakten aufzubewahren. Aufzeichnungen auf Ton- oder Datenträgern können gelöscht werden,

1.
soweit das Protokoll nach der Sitzung hergestellt oder um die vorläufig aufgezeichneten Feststellungen ergänzt ist, wenn die Parteien innerhalb eines Monats nach Mitteilung der Abschrift keine Einwendungen erhoben haben;
2.
nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens.
Soweit das Gericht über eine zentrale Datenspeichereinrichtung verfügt, können die vorläufigen Aufzeichnungen an Stelle der Aufbewahrung nach Satz 1 auf der zentralen Datenspeichereinrichtung gespeichert werden.

(4) Die endgültige Herstellung durch Aufzeichnung auf Datenträger in der Form des § 130b ist möglich.

(1) Das Protokoll ist insoweit, als es Feststellungen nach § 160 Abs. 3 Nr. 1, 3, 4, 5, 8, 9 oder zu Protokoll erklärte Anträge enthält, den Beteiligten vorzulesen oder zur Durchsicht vorzulegen. Ist der Inhalt des Protokolls nur vorläufig aufgezeichnet worden, so genügt es, wenn die Aufzeichnungen vorgelesen oder abgespielt werden. In dem Protokoll ist zu vermerken, dass dies geschehen und die Genehmigung erteilt ist oder welche Einwendungen erhoben worden sind.

(2) Feststellungen nach § 160 Abs. 3 Nr. 4 brauchen nicht abgespielt zu werden, wenn sie in Gegenwart der Beteiligten unmittelbar aufgezeichnet worden sind; der Beteiligte, dessen Aussage aufgezeichnet ist, kann das Abspielen verlangen. Soweit Feststellungen nach § 160 Abs. 3 Nr. 4 und 5 in Gegenwart der Beteiligten diktiert worden sind, kann das Abspielen, das Vorlesen oder die Vorlage zur Durchsicht unterbleiben, wenn die Beteiligten nach der Aufzeichnung darauf verzichten; in dem Protokoll ist zu vermerken, dass der Verzicht ausgesprochen worden ist.

(1) Ein Beteiligter ist prozeßfähig, soweit er sich durch Verträge verpflichten kann.

(2) Minderjährige sind in eigener Sache prozeßfähig, soweit sie durch Vorschriften des bürgerlichen oder öffentlichen Rechts für den Gegenstand des Verfahrens als geschäftsfähig anerkannt sind. Zur Zurücknahme eines Rechtsbehelfs bedürfen sie der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters.

(3) Für rechtsfähige und nichtrechtsfähige Personenvereinigungen sowie für Behörden handeln ihre gesetzlichen Vertreter und Vorstände.

(4) Für Entscheidungsgremien im Sinne von § 70 Nr. 4 handelt der Vorsitzende.

(5) In Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts und des Schwerbehindertenrechts wird das Land durch das Landesversorgungsamt oder nach Maßgabe des Landesrechts durch die Stelle vertreten, der dessen Aufgaben übertragen worden sind oder die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes oder des Rechts der Teilhabe behinderter Menschen zuständig ist.

(6) Die §§ 53 bis 56 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend.

Geschäftsunfähig ist:

1.
wer nicht das siebente Lebensjahr vollendet hat,
2.
wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist.

(1) Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag ist nichtig, wenn sich die Nichtigkeit aus der entsprechenden Anwendung von Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches ergibt.

(2) Ein Vertrag im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 2 ist ferner nichtig, wenn

1.
ein Verwaltungsakt mit entsprechendem Inhalt nichtig wäre,
2.
ein Verwaltungsakt mit entsprechendem Inhalt nicht nur wegen eines Verfahrens- oder Formfehlers im Sinne des § 42 rechtswidrig wäre und dies den Vertragschließenden bekannt war,
3.
die Voraussetzungen zum Abschluss eines Vergleichsvertrages nicht vorlagen und ein Verwaltungsakt mit entsprechendem Inhalt nicht nur wegen eines Verfahrens- oder Formfehlers im Sinne des § 42 rechtswidrig wäre,
4.
sich die Behörde eine nach § 55 unzulässige Gegenleistung versprechen lässt.

(3) Betrifft die Nichtigkeit nur einen Teil des Vertrages, so ist er im Ganzen nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass er auch ohne den nichtigen Teil geschlossen worden wäre.

(1) Ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird (Vergleich), ist unwirksam, wenn der nach dem Inhalt des Vertrags als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht und der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde.

(2) Der Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis steht es gleich, wenn die Verwirklichung eines Anspruchs unsicher ist.

(1) Die Anfechtung muss in den Fällen der §§ 119, 120 ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Die einem Abwesenden gegenüber erfolgte Anfechtung gilt als rechtzeitig erfolgt, wenn die Anfechtungserklärung unverzüglich abgesendet worden ist.

(2) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind.

(1) Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde.

(2) Als Irrtum über den Inhalt der Erklärung gilt auch der Irrtum über solche Eigenschaften der Person oder der Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden.

(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.

(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 19. Mai 2008 - 15 Sa 1265/07 - aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass der Prozessvergleich vom 16. August 2006 zum Aktenzeichen 15 Sa 1322/05 unwirksam ist.

3. Die Sache wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung über die Berufung der Beklagten - und über die Kosten des Revisionsverfahrens - an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines Prozessvergleichs.

2

Der 1962 geborene, ledige und für ein Kind unterhaltspflichtige Kläger war seit November 2000 bei der Beklagten als „Personalreferent/Leiter der Personalabteilung Angestellte“ tätig. Sein Bruttogehalt betrug zuletzt 5.190,00 Euro zzgl. leistungsabhängiger Vergütung (Bonus).

3

Im September 2004 entzog die Beklagte dem Kläger wesentliche Teile seiner bisherigen Arbeitsaufgaben. Mit Schreiben vom 29. Oktober 2004 kündigte sie das Arbeitsverhältnis unter Berufung auf Gründe in seinem Verhalten ordentlich zum 30. April 2005 und mit Schreiben vom 21. Februar 2005 - vorsorglich - ordentlich zum 31. August 2005.

4

Der Kläger erhob gegen beide Kündigungen Kündigungsschutzklage. Das Arbeitsgericht stellte durch Urteil vom 30. März 2005 die Unwirksamkeit der Kündigung vom 29. Oktober 2004 fest. Die Beklagte legte Berufung ein und beantragte hilfsweise, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung zum 30. April 2005 aufzulösen. Den die Kündigung vom 21. Februar 2005 betreffenden Kündigungsrechtsstreit setzte das Arbeitsgericht aus. Daneben führten die Parteien zwei Rechtsstreite über die Weiterbeschäftigung des Klägers zu seinen ursprünglichen Arbeitsbedingungen und Zahlungsansprüche (Berufungsaktenzeichen: 15 Sa 1202/05 und 15 Sa 125/06).

5

Am 16. August 2006 schlossen die Parteien in mündlicher Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht zum Aktenzeichen 15 Sa 1322/05 einen Vergleich folgenden Inhalts:

        

„1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass ihr Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 29.10.2004 mit sozialer Auslauffrist mit dem 31.12.2006 seine Beendigung finden wird.

        

2. Der Kläger wird bis zum Ablauf der Frist unter Fortzahlung der Bezüge freigestellt unter Anrechnung auf seine Urlaubsansprüche und unter Verzicht auf Verrechnung mit eventuellen Zwischenverdiensten des Klägers.

        

3. Die Zeit vom 01.05.2004 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird bei einem monatlichen Gehaltsanspruch von 4.000,00 € brutto abgerechnet und unter Berücksichtigung von Gehaltsanteilen, die auf Träger von Sozialleistungen und Sozialversicherungsleistungen übergegangen sind, ausgezahlt.

        

4. Die Beklagte verpflichtet sich, dem Kläger ein qualifiziertes Zeugnis zu erteilen unter dem Datum des 31.12.2006, das wohlwollend abgefasst ist und seinem beruflichen Fortkommen dient.

        

Der Kläger wird der Beklagten einen Zeugnisentwurf vorlegen, den diese nur ablehnen kann, wenn die Angaben und die Bewertung offensichtlich unzutreffend sind.

        

Das gleiche gilt für ein vom Kläger vorzulegendes Zwischenzeugnis.

        

5. Mit Erfüllung des Vergleichs sind alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung erledigt einschließlich der Ansprüche auf Bonuszahlungen.

        

Gleichfalls sind erledigt die Rechtsstreite der Parteien 15 Sa 1202/05, 15 Sa 125/06 und der noch in erster Instanz ausgesetzte Kündigungsrechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Braunschweig zum Aktenzeichen 2 Ca 57/05.

        

6. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben; hinsichtlich der erstinstanzlichen Kosten bleibt es bei der Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils.

        

In der Berufungssache 15 Sa 1202/05 werden die Kosten des Berufungsverfahrens gleichfalls gegeneinander aufgehoben. Hinsichtlich der dortigen erstinstanzlichen Kosten bleibt es bei der Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils.

        

Die Kosten des Rechtsstreits 15 Sa 125/06 werden gegeneinander aufgehoben.

        

Ebenso werden gegeneinander aufgehoben die Kosten des Rechtsstreits 2 Ca 57/05.“

6

In der Folgezeit stritten die Parteien zunächst über die Regelung zu Nr. 3 des Vergleichs und dabei über die Frage, ob zwischen ihnen tatsächlich - wie protokolliert - die Abrechnung des Arbeitsverhältnisses auf der Basis von 4.000,00 Euro für die Zeit ab 1. Mai 2004 oder - wie vom Kläger im Hinblick auf die am 30. April 2005 auslaufende Kündigungsfrist geltend gemacht - erst ab 1. Mai 2005 vereinbart worden war. Anlass war eine von der Beklagten geltend gemachte Gehaltsüberzahlung betreffend die Zeit ab 1. Mai 2004.

7

Mit Schriftsatz vom 13. August 2007, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am 16. August 2007, hat der Kläger den Vergleich „unter allen erdenklichen Gesichtspunkten, insbesondere wegen Täuschung und Drohung im Sinne von § 123 BGB“ angefochten. „Vorsorglich“ hat er den Widerruf des Vergleichs und „höchstvorsorglich“ den Rücktritt vom Vergleich erklärt. Auf entsprechende Erklärungen gegenüber der Beklagten hat er Bezug genommen.

8

Mit Beschluss vom 12. September 2007 hat das Landesarbeitsgericht eine Selbstablehnung des Vorsitzenden für begründet erklärt.

9

Der Kläger hat in dem unter dem Aktenzeichen 15 Sa 1265/07 fortgesetzten Berufungsverfahren (ursprünglich: 15 Sa 1322/05) geltend gemacht, der Prozessvergleich habe den Rechtsstreit nicht erledigt. Die Anfechtung sei wegen widerrechtlicher Drohung begründet. Unmittelbar zu Beginn der Verhandlung vom 16. August 2006 habe der Vorsitzende - offenbar bereits über das Scheitern außergerichtlicher Vergleichsverhandlungen unterrichtet - seine Unzufriedenheit über den Verfahrensstand zum Ausdruck gebracht und auf seinen - des Klägers - Vortrag zum Grund des Konflikts mit den Worten reagiert: „Passen Sie auf, was Sie sagen; es wird sonst alles gegen Sie verwendet“. Dadurch sei bei ihm der Eindruck entstanden, der Vorsitzende wolle jegliche Erörterung des Streitstoffs gleich zu Beginn unterbinden. Trotz seiner Erklärung, den Arbeitsplatz wiedererlangen zu wollen, habe dieser das Gespräch sogleich auf die Erörterung der Modalitäten eines Vergleichs gelenkt. Da er sich dem nicht offen habe widersetzen wollen, habe er einen seiner Vorstellung entsprechenden Abfindungsbetrag von 150 TEuro genannt. Der Vorsitzende habe daraufhin erklärt: „Wer bis zuletzt hofft, stirbt mit einem Lächeln“ und sei dazu übergegangen, ihm geringe Erfolgsaussichten seiner Klage wie folgt vor Augen zu führen: „Wenn Sie dem nicht zustimmen, dann kriegen Sie sonst nur 10 oder 20 TEuro“, „Sie haben keine Chance, höchstens 20 %, Sie müssen das machen!“. Seine weiterhin ablehnende Haltung gegenüber einem Vergleich habe der Vorsitzende mit den Worten kommentiert: „Sie spielen hier Vabanque“; „Was Sie machen, ist unverantwortlich im Hinblick auf Ihre familiäre Situation“ und: „Hören Sie mir auf mit Mobbing, davon will ich nichts hören, da kommt nichts bei raus!“ Zusammen mit weiteren unsachlichen Bemerkungen habe dies in ihm den Eindruck hervorgerufen, sein Fall werde nicht mehr objektiv und unparteiisch beurteilt. In unverhohlen aggressiver Art habe der Vorsitzende dann geäußert: „Seien sie vernünftig. Sonst müssen wir Sie zum Vergleich prügeln“, auf seine weitere Verweigerung eines Vergleichsschlusses ohne Widerrufsmöglichkeit erklärt: „Ich reiße Ihnen sonst den Kopf ab“ und schließlich: „Sie werden sonst an die Wand gestellt und erschossen“ sowie - nach einem „Blick in die Runde“ -: „Manche muss man eben zu ihrem Glück zwingen“. Danach habe er - der Kläger - endgültig den Eindruck gewonnen, der Vorsitzende sei bereit, sich über jedes Recht hinwegzusetzen. Durch dessen weitere Reaktionen wie „Dann wechseln Sie eben die Stadt.“; „Dann müssen Sie eben wieder unten anfangen und sich hocharbeiten“ sei ihm klar geworden, dass gleichgültig sei, was er noch vortrage. So sei nach der Erklärung des Vorsitzenden: „Stimmen Sie dem jetzt endlich zu, ich will Mittag essen gehen“ der Vergleich geschlossen worden. Erst später sei ihm bewusst geworden, dass diese massiven, einer fairen Verhandlungsführung widersprechenden Drohungen zu seiner Verhandlungsunfähigkeit geführt hätten. Ohne sie hätte er den Vergleich nicht geschlossen, zumindest nicht mit dem protokollierten Inhalt.

10

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.    

das Verfahren - 15 Sa 1322/05 - fortzusetzen,

        

2.    

die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 30. März 2005 - 2 Ca 992/04 - zurückzuweisen sowie

        

3.    

den Auflösungsantrag der Beklagten abzuweisen.

11

Die Beklagte hat beantragt, „die Anträge zurückzuweisen“. Sie hat die Auffassung vertreten, der Vergleich sei wirksam. Das Landesarbeitsgericht sei nach Erstberatung der Auffassung gewesen, die Kündigung sei wohl nicht gerechtfertigt, ihr sei jedoch die Fortsetzung des zerrütteten Arbeitsverhältnisses nicht mehr zuzumuten. Der Vorsitzende habe dem Kläger in ruhigem und vernünftigem Ton erläutert, dass er sich bei gerichtlicher Auflösung des Arbeitsverhältnisses und Festsetzung einer Abfindung schlechter stehe als bei Abschluss des angetragenen Prozessvergleichs. Auch wenn sich der Vorsitzende dabei - Einzelheiten seien ihrem Prozessbevollmächtigten nicht mehr „erinnerlich“ - zu Äußerungen habe hinreißen lassen, die nicht in einen Gerichtssaal gehörten, seien diese für den Vergleichsschluss nicht kausal geworden. Entscheidend seien vielmehr die Verhandlungen der Parteien während der Sitzungsunterbrechungen gewesen. Einzelne, herausgegriffene Äußerungen des Vorsitzenden, etwa der Art, der Kläger habe „keine Chance“ und solle dem Vergleich „endlich zustimmen“, seien vor dem Hintergrund der rund dreistündigen Verhandlung verständlich. Zudem habe der Kläger den Vergleich erst angefochten, als - unstreitig - ein zwischenzeitlich von ihm neu begründetes Arbeitsverhältnis mit einem anderen Arbeitgeber wieder beendet gewesen sei. „Vergleichsreue“ sei kein Anfechtungsgrund. Im Übrigen sei von einer Bestätigung des Vergleichs auszugehen.

12

Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich erledigt ist. Es hat die Revision zugelassen. Mit ihr begehrt der Kläger die Feststellung, dass das vorliegende Verfahren (Berufungsaktenzeichen: 15 Sa 1322/05; nunmehr: 15 Sa 1265/07) sowie die Verfahren 15 Sa 1202/05, 15 Sa 125/06 und 2 Ca 57/05 (Arbeitsgericht Braunschweig) durch den Prozessvergleich vom 16. August 2006 nicht erledigt sind. Weiter beantragt er, nach den im vorliegenden Verfahren gestellten Berufungsanträgen zu erkennen. Soweit sein Begehren zunächst auch auf eine Sachentscheidung in den Verfahren 15 Sa 1202/05 und 15 Sa 125/06 gerichtet war, hat er hieran zuletzt nicht mehr festgehalten.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, zur Feststellung der Unwirksamkeit des Vergleichs vom 16. August 2006 und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht zur (weiteren) Verhandlung und Entscheidung über die Berufung der Beklagten.

14

I. Die mit der Revision zuletzt verfolgten Anträge sind zulässig. Das gilt insbesondere für den Feststellungsantrag. Er genügt den Voraussetzungen des § 256 Abs. 2 ZPO.

15

1. Der Prozessvergleich hat eine Doppelnatur. Er enthält einerseits eine Prozesshandlung, deren Wirksamkeit sich nach den Grundsätzen des Verfahrensrechts bestimmt. Zugleich beruht er auf einem privatrechtlichen Vertrag, für den § 779 BGB und die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Willenserklärung gelten. Die Einheit von Prozesshandlung und materiellem Rechtsgeschäft sowie prozesswirtschaftliche Gründe sind maßgebend für die prozessualen Folgen materiellrechtlicher Mängel des Prozessvergleichs. Soweit diese auf Umständen beruhen, die bereits im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses bestanden haben - sei es, dass sie zur Nichtigkeit des Vergleichs von Anfang an führen (zB gemäß §§ 134, 138, 306, 779 BGB), sei es, dass sie ein Anfechtungsrecht gemäß §§ 119, 123 BGB begründen, nach dessen Ausübung der Vergleich rückwirkend nichtig wird(§ 142 BGB) - ist der Prozessvergleich auch als Prozesshandlung unwirksam. Seine prozessbeendende Wirkung ist dann nicht eingetreten, die Rechtshängigkeit des Prozesses hat fortbestanden (st. Rspr., BAG 23. November 2006 - 6 AZR 394/06 - Rn. 15, BAGE 120, 251).

16

2. Streiten die Parteien über die Wirksamkeit eines Prozessvergleichs, ist dieser Streit in demselben Verfahren auszutragen, in dem der Vergleich geschlossen wurde (BAG 23. November 2006 - 6 AZR 394/06 - Rn. 15, BAGE 120, 251; 5. August 1982 - 2 AZR 199/80 - zu B II 2 der Gründe mwN, BAGE 40, 17). Wird die Wirksamkeit verneint, kann hierüber ein Zwischenurteil ergehen, das die Unwirksamkeit feststellt (Senat 14. Juli 1960 - 2 AZR 152/60 - zu III der Gründe, BAGE 9, 319; BGH 26. Januar 1967 - Ia ZB 19/65 - zu II 2 a der Gründe, BGHZ 47, 132). Wird der Vergleich als wirksam angesehen, so ergeht ein Endurteil dahin, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich erledigt ist (BAG 23. November 2006 - 6 AZR 394/06 - aaO; BGH 10. März 1955 - II ZR 201/53 - BGHZ 16, 388).

17

3. Werden in einem Prozessvergleich andere Verfahren mit erledigt (Gesamtvergleich), so kann der Streit über dessen Wirksamkeit in jedem dieser Verfahren geklärt werden. Dabei steht es der Partei frei, die Unwirksamkeit des Vergleichs als Vorfrage klären zu lassen, sie demnach in dem von ihr gewählten Verfahren zum Streitgegenstand einer Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO zu machen. Damit wird die Frage der Wirksamkeit des Vergleichs einer rechtskraftfähigen Entscheidung zugeführt, die für die Parteien in den übrigen Verfahren bindend ist. Diese sind ggf. bis zur Entscheidung des angegangenen Gerichts auszusetzen (Senat 25. Juni 1981 - 2 AZR 219/79 - zu II 1 d der Gründe, BAGE 36, 105; BGH 4. Mai 1983 - VIII ZR 94/82 - zu I der Gründe, BGHZ 87, 215).

18

4. Der in der Revision erhobene Feststellungsantrag des Klägers ist als ein solcher Zwischenfeststellungsantrag auszulegen und mit diesem Inhalt zulässig. Er zielt darauf, die Wirkungen einer erfolgreich geltend gemachten Unwirksamkeit des Vergleichs nicht nur für den vorliegenden Rechtsstreit, sondern auch für die miterledigten Rechtsstreite verbindlich klären zu lassen. Dabei kann offenbleiben, ob schon der im Berufungsverfahren zuletzt gestellte Antrag zu 1 - wovon offenbar das Landesarbeitsgericht ausgegangen ist - als ein solcher Antrag auszulegen war. Das Begehren ist auch zulässig, wenn von einer erstmaligen Anbringung des Antrags in der Revision auszugehen wäre. Zwar ist eine Klageerweiterung in der Revisionsinstanz grundsätzlich unzulässig (st. Rspr., BAG 5. Juni 2003 - 6 AZR 277/02 - zu II 1 der Gründe mwN, AP ZPO 1977 § 256 Nr. 81 = EzA ZPO 2002 § 256 Nr. 2). Sie ist aber aus prozessökonomischen Gründen zuzulassen, wenn der neue Sachantrag sich auf den vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt stützt und berechtigte Interessen des Gegners nicht beeinträchtigt werden (BAG 18. September 2007 - 3 AZR 560/05 - Rn. 14, NZA-RR 2008, 320; 10. Februar 2004 - 9 AZR 89/03 - zu A der Gründe, AP ATG § 2 Nr. 6 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 10). Das ist hier der Fall. Die Beklagte sieht dies ersichtlich nicht anders.

19

5. Dem Umstand, dass das Landesarbeitsgericht durch Endurteil entschieden hat, entspricht es, dass der Kläger seinen Antrag auf (Sach-)Entscheidung über die Berufungsanträge auch in der Revision weiter verfolgt. Diese sind nicht in der Berufungsinstanz „hängen geblieben“ (vgl. Senat 4. März 2004 - 2 AZR 305/03 - zu B II der Gründe, AP ZPO § 794 Nr. 40 = EzA ZPO 2002 § 794 Nr. 1; OLG Karlsruhe 21. Juli 2005 - 19 U 46/05 - MDR 2005, 1368). Das Vorbringen der Parteien lässt nicht erkennen, dass sie den Streit zunächst auf die Frage der Wirksamkeit des Prozessvergleichs beschränkt hätten (zu einer solchen Konstellation, in der die Berufungsanträge vorerst nicht gestellt waren: BGH 6. Juli 1966 - Ib ZR 83/64 - zu I 1 der Gründe, AP ZPO § 794 Nr. 12). Mit der vor dem Senat erfolgten Klarstellung, dass sich die begehrte Sachentscheidung auf die im vorliegenden Rechtsstreit erhobenen Berufungsanträge beschränkt, hat der Kläger der prozessualen Selbstständigkeit der mitverglichenen Rechtsstreite Rechnung getragen. Eine Sachentscheidung in den weiteren Verfahren kann der Kläger nur dadurch herbeiführen, dass er sich jeweils auf die Unwirksamkeit des Vergleichs vom 16. August 2006 beruft und sodann die entsprechenden Sachanträge stellt.

20

II. Der Feststellungsantrag ist begründet. Der Prozessvergleich vom 16. August 2006 ist unwirksam.

21

1. Der Tatbestand des angefochtenen Urteils bietet dem Senat eine ausreichende Entscheidungsgrundlage. Er ist nicht mangelhaft iSv. § 69 Abs. 3 ArbGG.

22

a) § 69 Abs. 3 ArbGG verlangt für Urteile, gegen die die Revision statthaft ist, eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstands auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien. Dabei ist eine Bezugnahme auf Schriftsätze möglich, soweit dadurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird. Diesen Anforderungen (zu den Einzelheiten vgl. Senat 20. August 2009 - 2 AZR 165/08 - Rn. 16, AP BGB § 626 Nr. 223 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 27) wird die angefochtene Entscheidung gerecht. Das Landesarbeitsgericht hat im Tatbestand den Streitgegenstand bezeichnet, die Anträge hervorgehoben und auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen. Eine vorbehaltlose Antragstellung - wie im Termin der letzten mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer erfolgt - stellt grundsätzlich die Bezugnahme auf den gesamten bis dahin vorliegenden Inhalt der Verfahrensakten dar, der damit insgesamt iSv. § 559 Abs. 1 ZPO der revisionsrechtlichen Beurteilung unterliegt(vgl. BAG 5. Februar 2009 - 6 AZR 151/08 - Rn. 24, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 69 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 87; BGH 16. Juni 1992 - XI ZR 166/91 - NJW 1992, 2148).

23

b) Danach kann offenbleiben, ob die Rügen des Klägers, soweit sie sich auf Verfahrensfehler des Landesarbeitsgerichts bei der Behandlung seines in der Vorinstanz angebrachten und negativ beschiedenen Tatbestandsberichtigungsantrags beziehen, wegen der Unanfechtbarkeit dieser Entscheidung (§ 320 Abs. 4 Satz 4 ZPO) und der Möglichkeit der Anhörungsrüge (§ 78a ArbGG) zulässig sind. Es ist jedenfalls mit Blick auf die Inbezugnahme des Parteivorbringens nicht ersichtlich, dass die gerügte Auslassung wesentlichen Vorbringens zu einer Unrichtigkeit des Tatbestands hätte führen können.

24

2. Der Prozessvergleich vom 16. August 2006 ist nicht aus formellen Gründen unwirksam. Die gesetzlichen Anforderungen an die Protokollierung (§ 162 Abs. 1, § 160 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) sind erfüllt. Der Kläger hat seinen in der Vorinstanz erhobenen Einwand, es fehle an einer Genehmigung des Vergleichs, in der Revision nicht mehr aufgegriffen. Seine Behauptung ist zudem durch das vom Vorsitzenden und der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle unterzeichnete Sitzungsprotokoll widerlegt. Weist das Protokoll - wie hier - die Beachtung der für die Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten aus, ist dagegen nur der Nachweis der Fälschung möglich (§ 165 ZPO).

25

3. Der Vergleich ist unwirksam, weil die Anfechtung berechtigt ist. Der Kläger ist im Termin der mündlichen Verhandlung vom 16. August 2006 widerrechtlich durch Drohung seitens des Kammervorsitzenden zum Abschluss des Vergleichs bestimmt worden (§ 123 Abs. 1 BGB). Dies hat er nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts frist- und formgerecht durch Anfechtung geltend gemacht (§ 124 Abs. 1 und 2, § 143 Abs. 1 und 2 BGB).

26

a) Eine Drohung iSd. § 123 Abs. 1 BGB setzt die Ankündigung eines zukünftigen Übels voraus, dessen Zufügung als in irgendeiner Weise von der Macht des Ankündigenden abhängig hingestellt wird. Der Bedrohte muss einer Zwangslage ausgesetzt sein, die ihm subjektiv das Gefühl gibt, sich nur noch zwischen zwei Übeln entscheiden zu können. Die Widerrechtlichkeit der Drohung kann sich aus der Widerrechtlichkeit des eingesetzten Mittels oder der des verfolgten Zwecks ergeben. Bedient sich der Drohende an sich erlaubter Mittel zur Verfolgung eines an sich nicht verbotenen Zwecks, kann sich die Widerrechtlichkeit gleichwohl aus der Inadäquanz, dh. der Unangemessenheit des gewählten Mittels im Verhältnis zum verfolgten Zweck ergeben. Hat der Drohende an der Erreichung des verfolgten Zwecks kein berechtigtes Interesse oder ist das Mittel nach Treu und Glauben nicht als angemessen zur Erreichung dieses Zwecks anzusehen, ist die Drohung rechtswidrig (BAG 13. Dezember 2007 - 6 AZR 200/07 - Rn. 18, EzA BGB 2002 § 123 Nr. 8; 15. Dezember 2005 - 6 AZR 197/05 - Rn. 14, AP BGB § 123 Nr. 66 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 6 mwN).

27

b) § 123 Abs. 1 BGB verlangt, dass der Drohende das Übel irgendwie in Aussicht stellt. Eine Willenserklärung, die lediglich unter Ausnutzung einer bestehenden Zwangslage veranlasst worden ist, kann nicht wegen widerrechtlicher Drohung angefochten werden (BGH 7. Juni 1988 - IX ZR 245/86 - zu I 2 der Gründe, AP BGB § 123 Nr. 33). § 123 Abs. 1 BGB schützt die freie Willensentscheidung nur vor rechtswidrigen Beeinflussungen durch arglistige Täuschung oder widerrechtliche Drohung. Die rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit des Einzelnen wird dagegen nicht allgemein gegen jede Art von Beeinträchtigung durch eine Zwangslage geschützt (BAG 16. Februar 1983 - 7 AZR 134/81 - zu I 5 der Gründe, AP BGB § 123 Nr. 22 = EzA BGB § 123 Nr. 21; BGH 7. Juni 1988 - IX ZR 245/86 - aaO).

28

c) Für die Anfechtung wegen Drohung ist es unerheblich, von welcher Person die Drohung stammt. Diese kann auch von einer Hilfsperson des Geschäftspartners oder einem Dritten ausgehen (BAG 15. Dezember 2005 - 6 AZR 197/05 - Rn. 16, AP BGB § 123 Nr. 66 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 6; Senat 26. November 1981 - 2 AZR 664/79 -). Dritter in diesem Sinne kann auch das Gericht oder ein Mitglied des Gerichts sein (BGH 6. Juli 1966 - Ib ZR 83/64 - zu II 3 der Gründe, AP ZPO § 794 Nr. 12).

29

d) Danach ist die Anfechtung berechtigt.

30

aa) Der wirksamen Anfechtung des Prozessvergleichs steht nicht entgegen, dass der Kläger lediglich eine unzulässige Einflussnahme auf seine Willensbildung und nicht auch eine vergleichbare Einwirkung auf seinen Prozessbevollmächtigten geltend gemacht hat. Der bei den Landesarbeitsgerichten nach § 11 Abs. 4 ArbGG bestehende Vertretungszwang, der den Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs mit umfasst(vgl. GMP/Germelmann ArbGG 7. Aufl. § 11 Rn. 119; für den Anwaltszwang: BGH 20. Februar 1991 - XII ZB 125/88 - zu II 2 der Gründe, NJW 1991, 1743 mwN), hindert nach den Umständen des vorliegenden Falls die Vergleichsanfechtung wegen eines Willensmangels in der Person des Klägers nicht.

31

(1) Zwar ist ein Rechtsgeschäft, das ein Vertreter abgeschlossen hat, nach § 166 Abs. 1 BGB wegen Täuschung oder Drohung nur anfechtbar, wenn sich der Vertreter hat täuschen lassen oder sich die Drohung gegen ihn richtete(Palandt/Heinrichs BGB 68. Aufl. § 166 Rn. 3). Etwas anderes kann aber dann gelten, wenn es um die Anfechtung eines Prozessvergleichs geht und der geltend gemachte Willensmangel in der Person einer Partei besteht, die in einem Vergleichstermin selbst zugegen war. Beteiligt sich die Prozesspartei an den gerichtlichen Vergleichsverhandlungen, so ist es je nach den Umständen möglich, dass nicht ihr Bevollmächtigter, sondern sie selbst die eigentliche Entscheidung trifft, ob der Vergleich mit dem ausgehandelten Inhalt angenommen werden soll. Schließt der Prozessbevollmächtigte unter derartigen Voraussetzungen den Vergleich ab, setzt er regelmäßig nur den Geschäftswillen seines Mandanten in die Tat um; er handelt nach dessen Weisungen. Dann aber kommt es für Willensmängel im Rahmen der Anfechtung analog § 166 Abs. 2 BGB auf die Prozesspartei selbst und nicht ihren Vertreter an(zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung BGH 24. Oktober 1968 - II ZR 214/66 - zu II 2 b der Gründe, WM 1969, 471; für den Fall der Drohungsanfechtung unausgesprochen BGH 6. Juli 1966 - Ib ZR 83/64 - NJW 1966, 2399).

32

(2) Im Streitfall gehen die Parteien übereinstimmend von einem weisungsgebundenen Handeln des damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers aus. So hat die Beklagte selbst ausgeführt, die Verhandlungen hätten sich deshalb so langwierig gestaltet, weil der Kläger mehrfach erklärt habe, den Vergleich schließen zu wollen, einige Sekunden später aber hiervon wieder Abstand genommen habe. Angesichts dieses „Szenario“ sei es nachvollziehbar, dass der Vorsitzende nach Stunden erklärt habe, der Kläger habe „sonst keine Chance“ und ihn mit den Worten angesprochen habe: „Stimmen Sie dem jetzt endlich zu, ich will Mittag essen gehen“. Das wiederum lässt den Schluss zu, dass der Prozessbevollmächtigte den Vergleich ohne das Einverständnis des Klägers nicht genehmigt hätte.

33

bb) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist von einer Willensbeeinflussung des Klägers durch widerrechtliche Drohung seitens des Vorsitzenden auszugehen.

34

(1) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Erklärungen des Vorsitzenden „Gleich werden Sie an die Wand gestellt und erschossen“, „Ich reiße Ihnen sonst den Kopf ab“ und: „Seien Sie vernünftig, sonst müssen wir Sie zum Vergleich prügeln“ seien ersichtlich nicht wörtlich zu verstehen, sondern „als schlechter Scherz“ zu erkennen gewesen. Der Vorsitzende habe dem Kläger - wenn auch in unsachlicher Art und Weise - anhand der Prozesslage die voraussichtlichen Folgen eines möglichen Scheiterns der Vergleichsverhandlungen aufzeigen wollen.

35

(2) Damit hat sich das Landesarbeitsgericht zu Unrecht allein am Wortlaut der in Rede stehenden Äußerungen orientiert. Es hat nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Drohung iSv. § 123 BGB nicht ausdrücklich ausgesprochen zu werden braucht, sondern versteckt oder durch schlüssiges Verhalten erfolgen kann(BGH 7. Juni 1988 - IX ZR 245/86 - zu I 1 a der Gründe, AP BGB § 123 Nr. 33). Den Erklärungen des Vorsitzenden kann ein drohendes Element nicht abgesprochen werden. Aus dem Vorbringen der Parteien geht nicht hervor, dass dem Kläger die - offenbar häufiger an den Tag gelegte - ungewöhnliche Art des Vorsitzenden bekannt gewesen wäre oder die Vergleichsverhandlungen in einer aufgelockerten Gesprächsatmosphäre geführt worden wären. Dies ist auch objektiv nicht ersichtlich. Vielmehr beschreibt das Vorbringen beider Parteien eine durchgehende Anspannung des Klägers. Unter diesen Umständen ist es nachvollziehbar, dass beim Kläger aufgrund der in Rede stehenden Äußerungen der Eindruck entstanden ist, dem Vorsitzenden sei jedes, ggf. auch ein anrüchiges Mittel recht, um den Prozess zu dem gewünschten Abschluss bringen, und er - der Kläger - diesem Druck nur dadurch ausweichen könne, dass er den angetragenen Vergleich (endlich) schließe. Bereits dies erfüllt die Voraussetzungen des § 123 Abs. 1 BGB.

36

(a) Zwar soll das Gericht nach § 64 Abs. 7, § 57 Abs. 2 ArbGG in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht sein. Damit weist ihm das Gesetz im Hinblick auf Vergleichsbemühungen eine aktive Rolle zu, die sich auch in Vergleichsvorschlägen äußern kann (Dietrich ZZP 120, 443, 446). Wenn das Gericht in diesem Zusammenhang - was von vielen Parteien als hilfreich empfunden wird - seine vorläufigen rechtlichen Überlegungen und etwaige Beweisrisiken offenlegt, ist darin in der Regel ein sachlicher Hinweis auf die rechtlichen Folgen eines Scheiterns der Vergleichsverhandlungen zu sehen; die bloße Verdeutlichung von Prozessrisiken kann regelmäßig nicht als Drohung gewertet werden (BGH 6. Juli 1966 - Ib ZR 83/64 - zu II 2 c der Gründe, AP ZPO § 794 Nr. 12; BGB-RGRK/Steffen 12. Aufl. § 779 Rn. 52; Staudinger/Singer/ v. Finckenstein (2004) § 123 Rn. 63; Arndt NJW 1967, 1585; Schneider NJW 1966, 2399).

37

(b) Anders liegt der Fall aber, wenn die Verhandlungsführung den Eindruck erweckt, die Partei müsse sich zwingend der Autorität des Gerichts beugen (vgl. Staudinger/Singer/v. Finckenstein (2004) § 123 Rn. 63; Dietrich ZZP 120, 443, 451; Schallow Der mangelhafte Prozessvergleich S. 222 f.). Die Einbettung des Prozessvergleichs in das gerichtliche Urteilsverfahren setzt die Einhaltung verfahrensrechtlicher Vorschriften voraus, insbesondere des Gebots, einer Partei auch im Rahmen von Vergleichsverhandlungen Gelegenheit zu geben, ihren Standpunkt zu vertreten, und ihr rechtliches Gehör zu gewähren (Schallow S. 222; Wolf in Gottwald/Hutmacher/Röhl/Strempel Der Prozessvergleich S. 153, 156). Außerdem verlangt der aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) iVm. Art. 2 GG abzuleitende Justizgewährleistungsanspruch danach, einer Partei den Zugang zu einer gerichtlichen Entscheidung nicht in einer unzumutbaren, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise zu erschweren(BVerfG 30. April 2003 - 1 PBvU 1/02 - BVerfGE 107, 395). Bei der Beurteilung, ob das Drängen des Gerichts auf einen Vergleichsabschluss nach den Umständen des Einzelfalls eine widerrechtliche Drohung darstellt, sind diese grundrechtlichen Anforderungen mit zu berücksichtigen.

38

(c) Im Streitfall hat der Vorsitzende in seiner dienstlichen Äußerung, die sich der Kläger ausdrücklich zu eigen gemacht hat, eingeräumt, es sei ihm darum gegangen, dem Kläger das „tödliche“ Risiko einer Ablehnung des Vergleichs vor Augen zu führen. Die drastische Wortwahl, mit der er dies in der Verhandlung zum Ausdruck gebracht hat, war geeignet, beim Kläger die Furcht vor einer von ihm nicht mehr zu beeinflussenden, nachteiligen Entscheidung zu wecken und die freie Abwägung des Für und Wider auszuschließen (vgl. hierzu einen ähnlichen Fall BGH 6. Juli 1966 - Ib ZR 83/64 - zu II 2 c der Gründe, AP ZPO § 794 Nr. 12). Hinzu kommt, dass der Kläger die Äußerungen des Vorsitzenden dahin verstehen musste, bei weiteren Bedenken gegen den Vergleich oder dessen Inhalt als „Störenfried“ zu gelten und nicht erwarten zu können, mit seinem Anliegen noch Gehör zu finden und mit Sachargumenten durchzudringen. Das in Aussicht gestellte Übel war damit zum einen die Verlängerung der für den Kläger unerträglich gewordenen Situation im Gerichtssaal selber. Zum anderen musste der Kläger befürchten, bei endgültiger Verweigerung eines Vergleichsabschlusses kein unbefangenes, abgewogenes Urteil mehr erlangen zu können. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Vergleich aus Sicht des Vorsitzenden für den Kläger vorteilhaft war. Die durch § 123 Abs. 1 BGB geschützte freie Willensbestimmung schließt die Verweigerung eines angetragenen Vergleichs ein, mag dies auch aus Sicht des Gerichts oder objektiv unvernünftig erscheinen.

39

cc) Das Vorgehen des Vorsitzenden war offensichtlich dazu bestimmt, den Kläger zu veranlassen, seinen Widerstand gegen den angetragenen Vergleich aufzugeben. Das ergibt sich sowohl aus den Worten: „Manche muss man eben zu ihrem Glück zwingen“ als auch aus dem Hinweis, der Kläger habe sonst „keine Chance“. Der Einwand der Beklagten, derartige Erklärungen seien lediglich Ausdruck einer durch die langwierigen Vergleichsverhandlungen eingetretenen Erschöpfung des Kammervorsitzenden, liegt fern. Wäre dem so gewesen, hätte es angesichts der offen zutage getretenen Unsicherheit des Klägers nahe gelegen, die Aufnahme eines Widerrufsvorbehalts in den Vergleich anzuregen.

40

dd) Zu Unrecht meint die Beklagte, schon nach dem eigenen Vorbringen des Klägers fehle es jedenfalls an der Kausalität der aufgezeigten Drohung für den Vergleichsschluss.

41

(1) Gemäß § 123 Abs. 1 BGB muss die Drohung für die angefochtene Willenserklärung des Bedrohten ursächlich gewesen sein. Dabei genügt es, dass sie nach der Vorstellung des Drohenden mitursächlich gewesen ist (BAG 28. November 2007 - 6 AZR 1108/06 - Rn. 58, BAGE 125, 70; 15. Dezember 2005 - 6 AZR 197/05 - Rn. 19, AP BGB § 123 Nr. 66 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 6; MünchKommBGB/Kramer 5. Aufl. § 123 Rn. 47). Eine Willenserklärung kann nur dann erfolgreich wegen Drohung angefochten werden, wenn der Anfechtende einem auf die Bestimmung des Willens gerichteten Verlangen nachgegeben und die Willenserklärung nicht aus eigener, selbstständiger Überlegung abgegeben hat (BAG 23. November 2006 - 6 AZR 394/06 - Rn. 45, BAGE 120, 251).

42

(2) Danach ist die Kausalität der widerrechtlichen Einflussnahme auf den Willensbildungsprozess des Klägers zu bejahen. Ist die Androhung eines Übels geeignet, den Bedrohten zur Abgabe einer Willenserklärung zu bestimmen, so ist regelmäßig davon auszugehen, dass sie eine solche Wirkung auch gehabt hat (vgl. BGH 30. Januar 1963 - VIII ZR 256/61 - BB 1963, 452).

43

(a) Diese Vermutung ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht dadurch erschüttert, dass der Kläger gegen den Vorsitzenden - möglicherweise trotz ausdrücklichen Hinweises - kein Ablehnungsgesuch (§ 42, § 44 ZPO)angebracht, sondern die Vergleichsverhandlungen fortgesetzt hat. Zwar mag das Führen von Vergleichsverhandlungen in Kenntnis eines Ablehnungsgrunds als „Einlassen“ im Sinne von § 43 ZPO zu verstehen sein und ggf. den Verlust eines Ablehnungsrechts aus § 42 ZPO bewirken(bspw. OLG Frankfurt 19. Februar 1991 - 3 WF 185/90 - FamRZ 1991, 839; MünchKommZPO/Gehrlein 3. Aufl. § 43 Rn. 5). Es ist aber fraglich, ob § 43 ZPO auch im Rahmen von § 123 BGB zum Tragen kommen kann. Letztlich kann dies dahinstehen. § 43 ZPO dient der Prozesswirtschaftlichkeit und soll verhindern, dass das Ablehnungsrecht zu Zwecken der Prozesstaktik eingesetzt wird(MünchKommZPO/Gehrlein aaO Rn. 1). Zwingende materiell-rechtliche Wirkungen ergeben sich daraus nicht. Im Übrigen wird allein durch die Nichtausübung eines Ablehnungsrechts noch nicht der Kausalzusammenhang zwischen Drohung und späterem Vergleichsschluss durchbrochen.

44

(b) Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Kausalität der Drohung durch Zwischenberatungen der Parteien untereinander beseitigt worden wäre. Abgesehen davon, dass die Beklagte nicht darstellt, was Gegenstand dieser Beratungen war, spricht der weitere Verlauf der mündlichen Verhandlung gegen einen von den vorangegangenen Äußerungen des Vorsitzenden unbeeinflussten, freien Entschluss des Klägers, dem Vergleich zuzustimmen. Sonst hätte es einer weiteren Einwirkung auf den Kläger nicht bedurft.

45

e) Der Rechtsstreit war nicht zur neuen Verhandlung und Entscheidung über die Wirksamkeit des Prozessvergleichs an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Es bedarf keiner weiteren Feststellungen. Zwar hat das Landesarbeitsgericht das Vorbringen des Klägers zum Vorliegen einer widerrechtlichen Drohung als streitig angesehen und für seine Entscheidung lediglich als wahr unterstellt. Dabei hat es aber übersehen, dass die Behauptungen des Klägers, soweit sie sich auf den Gang der Verhandlung und für die Beklagte wahrnehmbare Äußerungen des Vorsitzenden bezogen haben, entweder in weiten Teilen - was etwa die von diesem selbst in einer dienstlichen Stellungnahme eingeräumten Äußerungen anbelangt - durch bejahende Einlassung zugestanden worden sind oder zumindest wegen der Unzulässigkeit eines Bestreitens nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden zu gelten hatten.

46

aa) Soweit die Beklagte dem Vorbringen des Klägers überhaupt - im Wesentlichen pauschal - entgegen getreten ist, hat sie sich auf Erinnerungslücken ihres Prozessbevollmächtigten berufen. Insoweit liegt ein Bestreiten mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO) vor.

47

bb) Dies ist hier unzulässig. Dem Vortrag der Beklagten ist nicht zu entnehmen, welche Anstrengungen ihr Prozessbevollmächtigter unter Hinzuziehung ggf. vorhandener Sitzungsunterlagen unternommen hat, mögliche Erinnerungslücken zu schließen. Im Übrigen war die Beklagte im Termin vom 16. August 2006 auch durch ihren Personalleiter vertreten. Ob und mit welchem Ergebnis sie versucht hat, sich über diesen die erforderlichen Kenntnisse zu verschaffen, geht aus ihrem Vorbringen nicht hervor.

48

4. Die Anfechtung des Prozessvergleichs ist nicht gemäß § 144 BGB ausgeschlossen. Die diesbezüglichen Behauptungen der Beklagten sind unschlüssig.

49

a) Nach § 144 Abs. 1 BGB ist die Anfechtung ausgeschlossen, wenn das anfechtbare Rechtsgeschäft von dem Anfechtungsberechtigten bestätigt wird. Bestätigung ist jede Erklärung des Anfechtungsberechtigten, in der sein Wille zum Ausdruck kommt, ein ihm bekanntes Anfechtungsrecht nicht auszuüben (BAG 28. November 2007 - 6 AZR 1108/06 - Rn. 36, BAGE 125, 70; BGH 28. April 1971 - VIII ZR 258/69 - zu II 3 e cc der Gründe, NJW 1971, 1795). An die Annahme einer Bestätigung durch schlüssiges Verhalten sind strenge Anforderungen zu stellen. Teilnehmer am Rechtsverkehr pflegen erfahrungsgemäß nicht ohne Weiteres auf bestehende Befugnisse oder Gestaltungsmöglichkeiten zu verzichten (BGH 2. Februar 1990 - V ZR 266/88 - zu II 1 der Gründe, BGHZ 110, 220). Für die Fälle des § 123 BGB gilt dies in besonderem Maße, weil dem Anfechtungsberechtigten eine Anfechtungsfrist von einem Jahr zur Verfügung steht(§ 124 BGB). Diese gesetzliche Überlegungsfrist darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass jedes Verhalten des Anfechtungsberechtigten, das sich als Wahrnehmung von Rechten und Pflichten aus dem anfechtbaren Rechtsgeschäft verstehen lässt, als dessen Bestätigung gewertet wird. Eine stillschweigende Bestätigung iSv. § 144 BGB kann erst angenommen werden, wenn das fragliche Verhalten eindeutig Ausdruck eines entsprechenden Willens und jede andere Deutung den Umständen nach ausgeschlossen ist(BAG 28. November 2007 - 6 AZR 1108/06 - aaO; 16. Dezember 2004 - 2 AZR 148/04 - zu B I 1 der Gründe mwN, AP BGB § 123 Nr. 64 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 5).

50

b) Danach kann eine Bestätigung des anfechtbaren Vergleichs nicht darin gesehen werden, dass der Kläger für die Zeit bis zum 31. Dezember 2006 Leistungen auf der Grundlage des Vergleichs entgegen genommen und sich mit der Beklagten um die Auslegung von dessen Nr. 3 gestritten hat. Das Verhalten des Klägers war ersichtlich einer wirtschaftlichen Notwendigkeit geschuldet. Es steht auch nicht im Widerspruch zu seiner Überzeugung, der Prozessvergleich habe den Rechtsstreit nicht beendet und das Arbeitsverhältnis bestehe mangels rechtswirksamer Kündigung fort. Selbst wenn der Kläger, wie von der Beklagten behauptet, im Hinblick auf die Zeugniserteilung eine Vollstreckung aus dem Vergleich angekündigt hätte, müsste dies nicht als dessen Bestätigung verstanden werden. Der Kläger konnte angesichts des Ablaufs der Kündigungsfrist ohnehin ein Zeugnis beanspruchen. Ebenso wenig lässt sich ein eindeutiger Bestätigungswille daraus ableiten, dass er die Konsequenzen aus dem Verhalten des Vorsitzenden erst zu einem Zeitpunkt gezogen hat, zu welchem sein neu begründetes Arbeitsverhältnis mit einem anderen Arbeitgeber bereits beendet war. Sein Verhalten lässt durchaus andere Deutungen zu. So ist es möglich, dass der Kläger seinen neuen Arbeitgeber nicht dadurch verunsichern wollte, dass er einen Kündigungsrechtsstreit mit seinem früheren Arbeitgeber wieder aufnähme, oder er die Hoffnung hegte, er könne sich durch einen beruflichen Neuanfang die Belastungen, die mit einer Fortsetzung des vorliegenden Rechtsstreits verbunden sind, ersparen.

51

5. Ist der Vergleich damit gemäß § 142 Abs. 1 BGB unwirksam, kann dahinstehen, ob - wie vom Kläger geltend gemacht - sonstige Unwirksamkeitsgründe vorliegen. Grundsätzlich können auch möglicherweise nichtige Rechtsgeschäfte angefochten werden (sog. Doppelwirkungen im Recht, vgl. BGH 25. November 2009 - VIII ZR 318/08 - Rn. 18, BB 2010, 271).

52

III. Der durch den Prozessvergleich nicht erledigte Rechtsstreit ist in der Lage fortzusetzen, in der er sich vor Vergleichsabschluss befand. Da das Berufungsgericht noch keine Sachentscheidung getroffen hat, ist der Rechtsstreit an dieses zurückzuverweisen (entsprechend § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dabei hat der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.

        

    Kreft
zugleich für ehrenamtlichen
Richter Dr. Bartel, der wegen
des Endes seiner Amtszeit an
einer Unterzeichnung
verhindert ist    

        

    Eylert    

        

    Berger    

        

        

        

        

        

    Jan Eulen    

                 

(1) Ein rechtskräftig beendetes Verfahren kann entsprechend den Vorschriften des Vierten Buches der Zivilprozeßordnung wieder aufgenommen werden.

(2) Die Wiederaufnahme des Verfahrens ist ferner zulässig, wenn ein Beteiligter strafgerichtlich verurteilt worden ist, weil er Tatsachen, die für die Entscheidung der Streitsache von wesentlicher Bedeutung waren, wissentlich falsch behauptet oder vorsätzlich verschwiegen hat.

(3) Auf Antrag kann das Gericht anordnen, daß die gewährten Leistungen zurückzuerstatten sind.

(1) Die Nichtigkeitsklage findet statt:

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
2.
wenn ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs oder eines Rechtsmittels ohne Erfolg geltend gemacht ist;
3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;
4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat.

(2) In den Fällen der Nummern 1, 3 findet die Klage nicht statt, wenn die Nichtigkeit mittels eines Rechtsmittels geltend gemacht werden konnte.

Die Restitutionsklage findet statt:

1.
wenn der Gegner durch Beeidigung einer Aussage, auf die das Urteil gegründet ist, sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat;
2.
wenn eine Urkunde, auf die das Urteil gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht war;
3.
wenn bei einem Zeugnis oder Gutachten, auf welches das Urteil gegründet ist, der Zeuge oder Sachverständige sich einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht hat;
4.
wenn das Urteil von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt ist;
5.
wenn ein Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten gegen die Partei schuldig gemacht hat;
6.
wenn das Urteil eines ordentlichen Gerichts, eines früheren Sondergerichts oder eines Verwaltungsgerichts, auf welches das Urteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist;
7.
wenn die Partei
a)
ein in derselben Sache erlassenes, früher rechtskräftig gewordenes Urteil oder
b)
eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde;
8.
wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht.

Für die Erhebung der Klagen und das weitere Verfahren gelten die allgemeinen Vorschriften entsprechend, sofern nicht aus den Vorschriften dieses Gesetzes sich eine Abweichung ergibt.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.