Landessozialgericht Rheinland-Pfalz Beschluss, 17. Aug. 2015 - L 3 AS 370/15 B ER

ECLI:ECLI:DE:LSGRLP:2015:0817.L3AS370.15BER.0A
bei uns veröffentlicht am17.08.2015

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Mainz vom 15.7.2015 aufgehoben und der Antrag insgesamt abgelehnt.

2. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller begehrt die Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Erbringung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in bisheriger Höhe über den 28.2.2015 hinaus im Wege der einstweiligen Anordnung.

2

Der am 1951 geborene Antragsteller erhielt vom Antragsgegner bis zum 28.2.2015 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II - zuletzt monatlich in Höhe der Regelleistung von EUR 399 nebst einem Mehrbedarf für die Warmwasserbereitung in Höhe von EUR 9,18 (zusammen EUR 408,18) zuzüglich jeweils im Einzelnen nachgewiesener Kosten der Unterkunft und Heizung (z. B. im Januar 2015 EUR 31, d. h. monatlich insgesamt EUR 439,18).

3

Einen am 11.2.2015 gestellten Antrag auf Weiterbewilligung der Leistungen lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 11.6.2015 ab, da der Antragsteller nach Erreichen des 63. Lebensjahrs am 13.11.2014 wegen der Möglichkeit, Altersrente vorzeitig in Anspruch zu nehmen, nicht mehr hilfebedürftig sei. Zuvor hatte der Antragsgegner den Antragsteller mit Schreiben vom 3.12.2014 erfolglos aufgefordert, bei der Deutschen Rentenversicherung Rheinland-Pfalz Altersrente wegen Arbeitslosigkeit zu beantragen und den Antrag dann am 13.1.2015 selbst gestellt. Die Deutsche Rentenversicherung Rheinland-Pfalz versagte die Rentenzahlung mit Bescheid vom 9.6.2015 nach § 66 SGB I wegen einer Verletzung der Mitwirkungspflicht des Antragstellers, nachdem dieser zuvor - sowohl von der Rentenversicherung (Schreiben vom 21.4.2015), als auch vom Antragsgegner (Schreiben vom 3.3.2015), jeweils unter Fristsetzung und Hinweis auf die Folgen einer Verletzung der Mitwirkungspflicht - erfolglos zur Mitwirkung (Einreichung eines ausgefüllten Renten-Antragsformulars nebst dort genannter Unterlagen) aufgefordert worden war. Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Altersrente wegen Arbeitslosigkeit und auf Altersrente für langjährig Versicherte sind nach der dem Antragsteller erteilten Rentenauskunft vom 1.10.2014 mit Abschlägen zum 1.12.2014 erfüllt. Die Höhe der Altersrente ab dem 1.5.2017 war dem Kläger mit EUR 622,85 mitgeteilt worden, wobei bei der vorzeitigen Inanspruchnahme zum 1.12.2014 auf die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ein Abschlag von 7,2 % und auf die Altersrente für langjährig Versicherte ein Abschlag von 8,7 % erfolgen würde. Das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen des Rentenanspruchs bestätigte die Deutsche Rentenversicherung dem Antragsgegner nochmals telefonisch am 3.3.2015.

4

Der Antragsteller lehnte die Mitwirkung an der Rentenantragstellung mehrmals ausdrücklich ab und beantragte stattdessen am 15.6.2015 die Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Weiterzahlung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II über den 28.2.2015 hinaus.

5

Nachdem ein Vergleichsvorschlag des Sozialgerichts Mainz vom Antragsteller abgelehnt worden war, verpflichtete das Sozialgericht den Antragsgegner durch Beschluss vom 15.7.2015 im Wege der einstweiligen Anordnung, "dem Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 15.6.2015 bis zum 31.8.2015 in Höhe des Regelbedarfs nebst in dem Zeitraum fällig werdenden Bedarfs nach § 22 SGB II zu bewilligen": Es könne dahingestellt bleiben, ob die Voraussetzungen für ein Vorgehen nach den §§ 12 und 5 SGB II vorlägen; unabhängig davon sei es dem Antragsgegner verwehrt, in einer Konstellation wie der vorliegenden einen Leistungsantrag abzulehnen. Diese Möglichkeit müsste in § 5 SGB II ausdrücklich vorgesehen sein. Im Übrigen stelle der Hinweis auf eine "fiktive Rente" im Bescheid vom 11.6.2015 einen Verstoß gegen den Bedarfsdeckungsgrundsatz dar (Hinweis auf SG Karlsruhe, Urt. v. 21.1.2015 - S 4 AS 2983/12). Stattdessen dürfte dem Antragsgegner lediglich der Weg über § 66 SGB I (Versagung/Entziehung) offen stehen, wobei besonders hohe Anforderungen an die Rechtmäßigkeit eines solchen Bescheides zu stellen seien (Hinweis auf S. Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 5 RdNr. 36 f.). Der Ablehnungsbescheid vom 11.6.2015 sei daher ersichtlich rechtswidrig, so dass der Antragsteller (da nicht ersichtlich sei, dass die übrigen Anspruchsvoraussetzungen nach Februar 2015 entfallen seien) einen Anordnungsanspruch auf die begehrten Leistungen glaubhaft gemacht habe. Für die Zeit ab Antragstellung sei auch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

6

Hiergegen richtet sich die am 22.7.2015 bei Gericht eingegangene Beschwerde des Antragsgegners: Der Weiterbewilligungsantrag sei ab dem 1.3.2015 abgelehnt worden, da der Antragsteller einen Anspruch auf Altersrente haben könnte, gegenüber der Deutschen Rentenversicherung seinen Mitwirkungspflichten zur Beantragung seiner Altersrente jedoch nicht nachkommen sei. Nach § 12a SGB II sei er verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich sei. Ab dem 63. Lebensjahr erstrecke sich diese Verpflichtung auch auf die vorzeitige Inanspruchnahme von Altersrente (§ 12a Satz 2 Nr. 1 SGB II). Dieser Verpflichtung sei er trotz Aufforderung nicht nachgekommen. Ein Ausnahmetatbestand (etwa nach § 65 Abs. 4 SGB II) liege nicht vor. Die Leistungen hätten daher wegen fehlender Hilfebedürftigkeit nach den §§ 2 und 9 SGB II abgelehnt werden müssen, da der Antragsteller durch die Mitwirkung im Rentenverfahren seine Hilfebedürftigkeit hätte beseitigen können. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts liege kein Fall der §§ 60, 66 SGB II vor, da eine fehlende Mitwirkung des Antragstellers gegenüber der Rentenversicherung nicht gegenüber dem Antragsgegner wirke.

7

Der Antragsgegner beantragt,

8

den Beschluss des Sozialgerichts Mainz vom 15.7.2015 aufzuheben und den Antrag insgesamt abzulehnen.

9

Der Antragsteller beantragt,

10

die Beschwerde zurückzuweisen.

11

Er hält an seinem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz fest.

12

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Gerichtsakte und die bei Gericht eingereichte Verwaltungsakte des Antragsgegners verwiesen.

II.

13

Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Das Sozialgericht hat den Antragsgegner zu Unrecht vorläufig zur Leistung verpflichtet. Denn der Antragsteller hat einen Antragsanspruch nicht glaubhaft gemacht.

14

1. Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag, der gemäß § 86b Abs. 3 SGG bereits vor Klageerhebung zulässig ist, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2).

15

a) Dazu sind gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO sowohl der durch die Anordnung zu sichernde, im Hauptsacheverfahren geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) als auch der Grund, weshalb die Anordnung ergehen und dieser Anspruch vorläufig bis zur Entscheidung der Hauptsache gesichert werden soll (Anordnungsgrund), glaubhaft zu machen. Dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung entsprechend kann das Gericht grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und dem Antragsteller nicht schon in vollem Umfang das gewähren, was er im Hauptsacheverfahren erreichen kann. Die summarische Prüfung kann sich insbesondere bei schwierigen Fragen auch auf Rechtsfragen beziehen (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 86b Rn. 16c; vgl. hierzu auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19.12.2008 - L 9 B 192/08 KR ER), wobei dann die Interessen- und Folgenabwägung stärkeres Gewicht gewinnt (Binder, in: Hk-SGG, 2. Auflage 2006, § 86b Rn. 42). Zu berücksichtigen ist insoweit, dass dann, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr beseitigt werden können und wenn sich das Gericht in solchen Fällen an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren will, die Sach- und Rechtslage abschließend geprüft werden muss. Ist eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, ist aufgrund einer Fol-genabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 -, juris). Das Interesse an einer vorläufigen Regelung oder Sicherung der geltend gemachten Rechtsposition darf hierbei umso weniger zurückgestellt werden, je schwerer die Belastungen des Betroffenen wiegen, die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbunden sind. Art. 19 Abs. 4 GG verlangt auch bei Vornahmesachen jedenfalls dann vorläufigen Rechtsschutz, wenn ohne ihn schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 25.02.2009 - 1 BvR 120/09 -, juris).

16

b) Der Anordnungsanspruch ist glaubhaft gemacht, wenn das Gericht auf Grund einer vorläufigen, summarischen Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass dem Antragsteller ein Rechtsanspruch auf die begehrte Leistung zusteht und er deshalb im Hauptsacheverfahren mit demselben Begehren voraussichtlich Erfolg haben würde. Dabei wird der Sachverhalt gemäß § 103 SGG von Amts wegen unter Heranziehung der Beteiligten ermittelt, soweit dies unter Berücksichtigung der Eilbedürftigkeit des Rechtsschutzbegehrens geboten ist (Krodel, NZS 2002, 234 ff.; Finkelnburg u. a., a. a. O, Rn. 318 ff, jeweils m. w. N.).

17

2. Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen des vom Antragsteller erhobenen Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II nicht glaubhaft gemacht. Nach § 7 Abs. 1 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig sind (Nr. 2), hilfebedürftig sind (Nr. 3) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Vorliegend fehlt es an der Hilfebedürftigkeit: Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Diese Voraussetzungen sind beim Antragsteller nicht erfüllt, denn er erhält die erforderliche Hilfe von einem Träger anderer Sozialleistungen, nämlich der Deutschen Rentenversicherung Rheinland-Pfalz in Form der (mit Abschlägen von 7,2 % vorzeitig in Anspruch zu nehmenden) Altersrente wegen Arbeitslosigkeit (wahlweise auch der Altersrente für langjährig Versicherte, bei der die Abschläge jedoch höher sind).

18

a) Maßgeblich ist insoweit die tatsächliche Lage des Hilfesuchenden. § 9 Abs. 1 SGB II bringt zum Ausdruck, dass - steuerfinanzierte - Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II nicht für denjenigen erbracht werden sollen, der sich nach seiner tatsächlichen Lage selbst helfen kann. Leistungsansprüche gegenüber Dritten, insbesondere Trägern anderer Sozialleistungen, schließen die Hilfebedürftigkeit daher nur dann aus, wenn sie tatsächlich bestehen, ihre Inanspruchnahme zumutbar ist und sie in angemessener Zeit durchsetzbar sind (so zu Recht Mecke in: Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 9 RdNr. 8 und 21 mwN; so im Grundsatz auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 11.4.2012 - L 19 AS 544/12 B ER, juris; SG Karlsruhe, Urt. v. 21.1.2015 - S 4 AS 2983/12, juris RdNr. 42).

19

b) "Erhalten" im Sinne des § 9 Abs. 1 SGB II setzt - entgegen einer verbreiteten Ansicht (vgl. z. B. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 10.11.2014 - L 19 AS 1772/ 14 B ER, juris RdNr. 16; LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 5.10.2012 - L 9 AS 3208/12 ER B, juris RdNr. 18; SG Karlsruhe, Urt. v. 21.1.2015 - S 4 AS 2983/12, juris RdNr. 41; Karl, in jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 9 RdNr. 49; S. Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 5 RdNr. 37) - keinen tatsächlichen Zufluss voraus. Vielmehr verwendet das SGB II den Begriff "erhalten", um den Anspruch auf eine Sozialleistung zu bezeichnen. So regelt § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II etwa auch, dass Personen, die die in den Nr. 1 bis 4 im Einzelnen aufgezählten Voraussetzungen erfüllen, Leistungen nach diesem Buch "erhalten". Um an einen tatsächlichen Zufluss anzuknüpfen, verwendet das SGB II demgegen-über eine andere Terminologie, etwa den Begriff "beziehen", so z. B. in § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II, nach dem Leistungen nach diesem Buch u. a. nicht "erhält", wer Rente wegen Alters "bezieht". Diese Auslegung wird von den Gesetzesmaterialien gestützt: Die Begründung des Gesetzentwurfs des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (BT-Drs. 15/1516) stellte (zu der bis heute wortgleich geltenden Regelung in § 9 Abs. 1 SGB II " die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält") ausdrücklich darauf ab, dass nicht hilfebedürftig derjenige sei, der die erforderliche Hilfe von anderen erhalte oder erhalten könne (BT-Drs. 15/1516, S. 53). Weder ist seitdem (in Bezug auf den oben wiedergegebenen Wortlaut) eine Neuformulierung des Gesetzes erfolgt, noch war eine Änderung der Rechtslage durch den Gesetzgeber beabsichtigt (vgl. etwa BT-Drs. 17/3404, S. 93). Auch die Systematik des SGB II sowie Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelungen des SGB II sprechen dafür, dass das vom Gesetzgeber ausdrücklich geregelte Rangverhältnis der verschiedenen Sozialleistungen nicht einseitig durch den Leistungsempfänger durch die Weigerung abgeändert werden kann, an Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen der vorrangigen Sozialleistung mitzuwirken.

20

c) Dem steht entgegen der Ansicht des Sozialgerichts auch nicht der Bedarfsdeckungsgrundsatz entgegen. Abgesehen davon, dass ein solcher Grundsatz, ohne dass er sich in einer konkreten Anspruchsgrundlage niedergeschlagen hätte, für sich genommen keinen Anspruch auf eine bestimmte Sozialleistung begründen kann, fehlt es auch in der vorliegenden Fallkonstellation bereits an einem Bedarf. Denn ein Bedarf besteht nur dann, wenn der Betreffende hilfebedürftig ist, d. h. der Hilfe bedarf, was nicht gegeben ist, wenn er seinen Lebensunterhalt ohne weiteres durch Inanspruchnahme einer anderen, vorrangigen Sozialleistung decken kann.

21

d) Der Senat weicht damit nicht von der Rechtsprechung des BSG zur Berücksichtigung "bereiter Mittel" ab (vgl. z. B. BSG, Urt. v. 10.9.2013 - B 4 AS 89/12 R, juris; Urt. v. 12.6.2013 - B 14 AS 73/12 R, juris; Urt. v. 21.6.2011 - B 4 AS 21/10 R, BSGE 108, 258, juris), wonach bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 9 Abs. 1 SGB II den tatsächlichen Verhältnissen der Vorrang vor den normativen Verhältnissen zu geben ist. Denn diese Rechtsprechung bezieht sich zum einen auf die Berücksichtigung von Einkommen im Sinne von § 11 SGB II, nicht hingegen auf das gesetzlich geregelte Rangverhältnis verschiedener Sozialleistungen; zum anderen lagen durchweg Fallkonstellationen zugrunde, in denen der Hilfebedürftige tatsächlich keinen Zugriff (mehr) auf die eigentlich zu berücksichtigenden Zuflüsse hatte, etwa, weil er sie bereits anderweitig verbraucht hatte. In der vorliegenden Fallkonstellation erfolgt die Berücksichtigung des (tatsächlich bestehenden) Anspruchs auf eine vorrangige Sozialleistung (hier der Anspruch auf Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder auf Altersrente für langjährig Versicherte) nicht durch Rückgriff auf normative Verhältnisse, sondern einen tatsächlich in der Verfügungsmacht des Antragstellers stehenden Rentenanspruch, der nur deswegen nicht zu Auszahlung kommt, weil sich der Antragsteller weigert, einen ausgefüllten Fragebogen und für die Antragsbearbeitung noch fehlende Unterlagen einzureichen.

22

3. Die dem Antragsteller zustehende Altersrente wegen Arbeitslosigkeit erfüllt diese Voraussetzungen (der hiervon abweichenden Ansicht des LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 11.4.2012 - L 19 AS 544/12 B ER, juris RdNr. 14 und des SG Karlsruhe, Urt. v. 21.1.2015 - S 4 AS 2983/12, juris RdNr. 42 vermag sich der Senat nicht anzuschließen). Denn der Antragsteller erfüllt nach der ihm erteilten Rentenauskunft der Deutschen Rentenversicherung Rheinland-Pfalz vom 1.10.2014 sowohl die Voraussetzungen für die vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit zum 1.12.2014 (Rentenhöhe von EUR 622,85, Abschlag von 7,2 %), als auch die Voraussetzungen für die vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente für langjährig Versicherte (Rentenhöhe von EUR 622,85, Abschlag von 8,7 %). Ab seinem 63. Lebensjahr ist dem Antragsteller die vorzeitige Inanspruchnahme zur Beseitigung der Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 9 Abs. 1 SGB II auch zumutbar (§ 12a Satz 2 Nr. 1 SGB II). Die zu erwartende Rentenhöhe liegt auch über der Höhe der ihm bisher gezahlten Leistungen nach dem SGB II, so dass derzeit ein Anordnungsanspruch auf einen überschießenden Bedarf nicht glaubhaft gemacht ist.

23

Soweit sich die Bewilligung und Auszahlung aus Gründen, die der Antragsteller nicht zu vertreten hat, verzögern (z. B. während der Antragsbearbeitung durch die Rentenversicherung), kommt zur Überbrückung die Gewährung eines Darlehens nach § 24 Abs. 4 SGB II in Betracht. Ein Darlehen hat er bislang indes nicht beantragt.

24

5. Unerheblich ist schließlich, ob der Antragsteller ggf. zusätzlich einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat. Denn dieser würde ihn jedenfalls nicht an einer Antragstellung auf Altersrente hindern.

25

6. Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

26

7. Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).

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(2) Kommt derjenige, der eine Sozialleistung wegen Pflegebedürftigkeit, wegen Arbeitsunfähigkeit, wegen Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit, anerkannten Schädigungsfolgen oder wegen Arbeitslosigkeit beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 62 bis 65 nicht nach und ist unter Würdigung aller Umstände mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß deshalb die Fähigkeit zur selbständigen Lebensführung, die Arbeits-, Erwerbs- oder Vermittlungsfähigkeit beeinträchtigt oder nicht verbessert wird, kann der Leistungsträger die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen.

(3) Sozialleistungen dürfen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt oder entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

(1) Alle verwertbaren Vermögensgegenstände sind vorbehaltlich des Satzes 2 als Vermögen zu berücksichtigen. Nicht zu berücksichtigen sind

1.
angemessener Hausrat; für die Beurteilung der Angemessenheit sind die Lebensumstände während des Bezugs von Bürgergeld maßgebend,
2.
ein angemessenes Kraftfahrzeug für jede in der Bedarfsgemeinschaft lebende erwerbsfähige Person; die Angemessenheit wird vermutet, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller dies im Antrag erklärt,
3.
für die Altersvorsorge bestimmte Versicherungsverträge; zudem andere Formen der Altersvorsorge, wenn sie nach Bundesrecht ausdrücklich als Altersvorsorge gefördert werden,
4.
weitere Vermögensgegenstände, die unabhängig von der Anlageform als für die Altersvorsorge bestimmt bezeichnet werden; hierbei ist für jedes angefangene Jahr einer hauptberuflich selbständigen Tätigkeit, in dem keine Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung, an eine öffentlich-rechtliche Versicherungseinrichtung oder an eine Versorgungseinrichtung einer Berufsgruppe entrichtet wurden, höchstens der Betrag nicht zu berücksichtigen, der sich ergibt, wenn der zum Zeitpunkt der Antragstellung geltende Beitragssatz zur allgemeinen Rentenversicherung nach § 158 des Sechsten Buches mit dem zuletzt festgestellten endgültigen Durchschnittsentgelt gemäß Anlage 1 des Sechsten Buches multipliziert und anschließend auf den nächsten durch 500 teilbaren Betrag aufgerundet wird,
5.
ein selbst genutztes Hausgrundstück mit einer Wohnfläche von bis zu 140 Quadratmetern oder eine selbst genutzte Eigentumswohnung von bis zu 130 Quadratmetern; bewohnen mehr als vier Personen das Hausgrundstück beziehungsweise die Eigentumswohnung, erhöht sich die maßgebende Wohnfläche um jeweils 20 Quadratmeter für jede weitere Person; höhere Wohnflächen sind anzuerkennen, sofern die Berücksichtigung als Vermögen eine besondere Härte bedeuten würde,
6.
Vermögen, solange es nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks oder einer Eigentumswohnung von angemessener Größe bestimmt ist, und das Hausgrundstück oder die Eigentumswohnung Menschen mit Behinderungen oder pflegebedürftigen Menschen zu Wohnzwecken dient oder dienen soll und dieser Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet würde sowie
7.
Sachen und Rechte, soweit ihre Verwertung für die betroffene Person eine besondere Härte bedeuten würde.

(2) Von dem zu berücksichtigenden Vermögen ist für jede Person in der Bedarfsgemeinschaft ein Betrag in Höhe von 15 000 Euro abzusetzen. Übersteigt das Vermögen einer Person in der Bedarfsgemeinschaft den Betrag nach Satz 1, sind nicht ausgeschöpfte Freibeträge der anderen Personen in der Bedarfsgemeinschaft auf diese Person zu übertragen.

(3) Für die Berücksichtigung von Vermögen gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit wird Vermögen nur berücksichtigt, wenn es erheblich ist. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind.

(4) Vermögen ist im Sinne von Absatz 3 Satz 2 erheblich, wenn es in der Summe 40 000 Euro für die leistungsberechtigte Person sowie 15 000 Euro für jede weitere mit dieser in Bedarfsgemeinschaft lebende Person übersteigt; Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend. Bei der Berechnung des erheblichen Vermögens ist ein selbst genutztes Hausgrundstück oder eine selbst genutzte Eigentumswohnung abweichend von Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 nicht zu berücksichtigen. Es wird vermutet, dass kein erhebliches Vermögen vorhanden ist, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller dies im Antrag erklärt. Liegt erhebliches Vermögen vor, sind während der Karenzzeit Beträge nach Satz 1 an Stelle der Freibeträge nach Absatz 2 abzusetzen. Der Erklärung ist eine Selbstauskunft beizufügen; Nachweise zum vorhandenen Vermögen sind nur auf Aufforderung des Jobcenters vorzulegen.

(5) Das Vermögen ist mit seinem Verkehrswert zu berücksichtigen. Für die Bewertung ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem der Antrag auf Bewilligung oder erneute Bewilligung der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende gestellt wird, bei späterem Erwerb von Vermögen der Zeitpunkt des Erwerbs.

(6) Ist Bürgergeld unter Berücksichtigung des Einkommens nur für einen Monat zu erbringen, gilt keine Karenzzeit. Es wird vermutet, dass kein zu berücksichtigendes Vermögen vorhanden ist, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller dies im Antrag erklärt. Absatz 4 Satz 4 gilt entsprechend.

(1) Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen Anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen, werden durch dieses Buch nicht berührt. Ermessensleistungen dürfen nicht deshalb versagt werden, weil dieses Buch entsprechende Leistungen vorsieht.

(2) Der Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach diesem Buch schließt Leistungen nach dem Dritten Kapitel des Zwölften Buches aus. Leistungen nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches sind gegenüber dem Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 2 vorrangig.

(3) Stellen Leistungsberechtigte trotz Aufforderung einen erforderlichen Antrag auf Leistungen eines anderen Trägers nicht, können die Leistungsträger nach diesem Buch den Antrag stellen sowie Rechtsbehelfe und Rechtsmittel einlegen. Der Ablauf von Fristen, die ohne Verschulden der Leistungsträger nach diesem Buch verstrichen sind, wirkt nicht gegen die Leistungsträger nach diesem Buch; dies gilt nicht für Verfahrensfristen, soweit die Leistungsträger nach diesem Buch das Verfahren selbst betreiben. Wird eine Leistung aufgrund eines Antrages nach Satz 1 von einem anderen Träger nach § 66 des Ersten Buches bestandskräftig entzogen oder versagt, sind die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach diesem Buch ganz oder teilweise so lange zu entziehen oder zu versagen, bis die leistungsberechtigte Person ihrer Verpflichtung nach den §§ 60 bis 64 des Ersten Buches gegenüber dem anderen Träger nachgekommen ist. Eine Entziehung oder Versagung nach Satz 3 ist nur möglich, wenn die leistungsberechtigte Person vom zuständigen Leistungsträger nach diesem Buch zuvor schriftlich auf diese Folgen hingewiesen wurde. Wird die Mitwirkung gegenüber dem anderen Träger nachgeholt, ist die Versagung oder Entziehung rückwirkend aufzuheben.

(4) Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach dem Ersten Abschnitt des Dritten Kapitels werden nicht an oder für erwerbsfähige Leistungsberechtigte erbracht, die einen Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Teilarbeitslosengeld haben.

(5) Leistungen nach den §§ 16a, 16b, 16d sowie 16f bis 16k können auch an erwerbsfähige Leistungsberechtigte erbracht werden, sofern ein Rehabilitationsträger im Sinne des Neunten Buches zuständig ist; § 22 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Dritten Buches ist entsprechend anzuwenden.

Tenor

1. Der Bescheid des Beklagten vom 28.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.07.2012 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld II (Alg II) aufgrund einer unterlassenen Antragstellung bzw. Mitwirkungshandlung des Klägers bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) im Streit.
Der ... 1982 geborene, erwerbs- und vermögenslose Kläger befand sich im laufenden Leistungsbezug nach dem SGB II bei dem Beklagten, zuletzt aufgrund Bewilligungsbescheid vom 30.06.2011 für die Zeit vom 01.07.2011 bis zum 31.12.2011, in Höhe monatlicher Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von 364,00 Euro. Der Beklagte erhielt hierbei ein ärztliches Gutachten von Mai 2011 zur Kenntnis, wonach die Leistungsfähigkeit des Klägers für länger als sechs Monate, jedoch nicht auf Dauer, aufgehoben sei. Mit E-Mail vom 12.07.2011 erkundigte sich der Beklagte daraufhin bei der DRV, ob die Rentenanwartschaftszeit erfüllt sei. Am 14.07.2011 erhielt der Beklagte die Nachricht, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung derzeit erfüllt seien.
Mit Schreiben vom 19.07.2011 wurde der Kläger daraufhin gemäß § 12a Satz 1 SGB II aufgefordert, als vorrangige Sozialleistung eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bei der DRV zu beantragen.
Die DRV beantragte mit Schreiben vom 05.09.2011 wiederum bei dem Beklagten eine Auskunft über den Alg II-Bezug zum Abschluss des bei ihr anhängigen Verfahrens. Der Beklagte teilte der DRV am 09.09.2011 mit, dass Leistungen nach dem SGB II gewährt würden, und machte insoweit einen Erstattungsanspruch gem. § 5 SGB II in Verbindung mit §§ 103 f. SGB X geltend.
Am 14.11.2011 teilte die DRV dem Beklagten mit, dass der Rentenantrag abgelehnt worden sei, da der Kläger seiner gesetzlichen Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei.
Mit Bescheid vom 22.11.2011 entzog der Beklagte dem Kläger daraufhin die Leistungen ab dem 01.12.2011 mit dieser Begründung die Bewilligung von Arbeitslosengeld II unter Hinweis auf die §§ 60 und 66 SGB I. Zur Ausübung des Ermessens wurde darauf hingewiesen, dass der Beklagte zu wirtschaftlichem Handeln verpflichtet sei und auch im Interesse der Gemeinschaft der Steuerzahler nur bei nachgewiesener Hilfebedürftigkeit und in rechtmäßiger Höhe Leistungen erbringen könne.
Der Kläger wies mit seinem Widerspruch vom 23.12.2011 darauf hin, dass er aufforderungsgemäß einen Rentenantrag bei der DRV gestellt habe und erst anschließend eine Frist versäumt habe, weil ein Schreiben der DRV vom 05.10.2011 ihm erst 10 Tage später zugestellt worden und eine Antwort in der Frist damit nicht mehr möglich gewesen sei, zumal er krank gewesen sei. Zwischenzeitlich habe die DRV jedoch alle angeforderten Unterlagen erhalten. Schließlich fehle es auch an den Voraussetzungen einer vorherigen Anhörung und eines Hinweises gem. § 66 Abs. 3 SGB I.
Mit Bescheid vom 28.12.2011 wurde dem Widerspruch des Klägers daraufhin stattgegeben und der angegriffene Bescheid aufgehoben.
Mit weiterem Bescheid vom 30.12.2011 wurde auf den Fortbewilligungsantrag des Klägers Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 01.01.2012 bis zum 30.06.2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlichen 374,00 Euro bewilligt.
10 
Am 04.01.2012 teilte die DRV dem Beklagten erneut mit, dass der Kläger seinen Mitwirkungspflichten bislang nicht nachgekommen sei. Dem Kläger sei mit Schreiben vom 05.10.2011 dargelegt worden, dass ein Bedarf für eine Reha-Maßnahme bestehe. Die Zustimmungserklärung zur Durchführung des Heilverfahrens sei trotz Erinnerung vom 28.10.2011 nicht zugesandt worden, weswegen der Rentenantrag am 10.11.2011 wegen fehlender Mitwirkung abgelehnt worden sei. Der Kläger habe mitgeteilt, dass er die vorgeschlagene medizinische Rehabilitation in G. wegen der Entfernung von über 200 km nicht durchführen könne. Daraufhin sei ihm mit Schreiben vom 29.12.2011 mitgeteilt worden, dass für die Durchführung des Heilverfahrens auch eine Klinik in der näheren Umgebung (...) in Frage komme; dem Kläger sei eine 2-wöchige Frist zur Abgabe der Zustimmungserklärung gegeben worden.
11 
Mit weiterem Bescheid vom 09.01.2012 wurden dem Kläger für die Zeit vom 01.02.2012 bis zum 30.06.2012 insgesamt monatliche Leistungen von 720,00 Euro (Regelbedarf 374,00 Euro und Kosten der Unterkunft 346,00 Euro) bewilligt.
12 
Der Kläger übersandte in der Folgezeit seine Zustimmungserklärung nicht an die DRV, weswegen diese den Kläger mit Schreiben vom 24.02.2012 darauf hinwies, dass der Ablehnungsbescheid vom 10.11.2011 insoweit bis zur Nachholung der Mitwirkungspflichten weiterhin Bestand habe.
13 
Mit Bescheid vom 28.02.2012 hob der Beklagte daraufhin die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II ab dem 01.04.2012 ganz auf, da der Kläger seiner Mitwirkungspflicht gegenüber der DRV nicht genügt habe. Damit habe er nicht alle Möglichkeiten genutzt, seinen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln (hier: aus einem Rentenbezug) zu sichern. Die Entscheidung beruhe auf den §§ 2 und 9 SGB II sowie § 40 Abs. 1 SGB II in Verbindung mit § 48 SGB X.
14 
Der Kläger begründete seinen am 02.04.2012 eingelegten Widerspruch damit, dass die DRV die Sachlage völlig neu bewertet und für 13 Jahre zurückliegende Zeiten neue Nachweise angefordert habe. Auf seine Nachfragen, wieso bereits nachgewiesene und überprüfte Versicherungszeiten erneut nachgewiesen werden müssten, habe die DRV dann wegen nicht vorgelegter Nachweise mit einer Verneinung erforderlicher Mitwirkungshandlungen reagiert. Außerdem sei die Aufhebung durch den Beklagten grob rechtswidrig. Erneut sei das Verfahren nach § 66 SGB I missachtet und auch eine erforderliche Anhörung nicht durchgeführt worden.
15 
Der Beklagte wies den Kläger mit Schreiben vom 13.04.2012 darauf hin, dass der Aufhebungsbescheid nicht auf § 66 SGB I, sondern auf § 9 SGB II beruhe. Auf die entsprechenden Ausführungen im Aufhebungsbescheid dürfe insoweit verwiesen werden. Dem Kläger sei die Nachholung der Mitwirkung möglich, wofür er eine Frist bis zum 15.05.2012 (einschließlich Erbringung des diesbezüglichen Nachweises) erhalte.
16 
Am 19.06.2012 wies der Kläger den Beklagten darauf hin, dass er den Reha-Antrag gestellt habe und der diesbezügliche Nachweis von dem Beklagten selbst bei der DRV eingeholt werden könne.
17 
Mit Schreiben vom 21.06.2012 teilte die DRV dem Beklagten mit, dass eine ca. 5-wöchige Leistung zur medizinischen Rehabilitation bewilligt worden sei. Telefonisch wurde dem Beklagten von der DRV am 10.07.2012 mitgeteilt, dass sowohl ein Reha- als auch ein Rentenverfahren durchgeführt worden seien und die Mitwirkungspflicht erst am 30.05.2012 durch Vorlage der Zustimmungserklärung erfüllt worden sei.
18 
Daraufhin wurden mit Bescheid des Beklagten vom 11.07.2012 die Leistungen nach dem SGB II in der zuvor erfolgten Höhe für die Zeit vom 30.05.2012 bis zum 30.06.2012 wieder bewilligt.
19 
Der darüber hinausgehende Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13.07.2012 mit der Begründung zurückgewiesen, der Kläger habe nicht rechtzeitig seine Zustimmung zu der erforderlich Rehamaßnahme erklärt, weswegen er bereite Mittel nicht eingesetzt habe.
20 
Der Kläger hat am 16.08.2012 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben und seinen Rechtsstandpunkt wiederholt.
21 
Der Kläger beantragt,
22 
den Bescheid des Beklagten vom 28.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.07.2012 aufzuheben.
23 
Der Beklagte beantragt,
24 
die Klage abzuweisen.
25 
Der Beklagte hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig und beruft sich ebenfalls auf seinen bereits aktenkundigen Rechtsstandpunkt.
26 
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten sowie die Akten des SG Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

27 
Die Klage ist zulässig und begründet.
28 
Streitgegenständlich ist allein die Leistungsgewährung nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.04.2012 bis zum 29.05.2012, weil nur für diesen Zeitraum noch eine Lücke in der Leistungsbewilligung vorliegt.
29 
Nachdem mit bestandskräftigen Bescheiden vom 30.12.2011 und vom 09.01.2012 die Weiterbewilligung von Leistungen nach dem SGB II für den Leistungszeitraum 01.01.2012 bis 30.06.2012 erfolgte, ist eine Rechtsgrundlage für eine teilweise Aufhebung dieser Bewilligung für die Zeit vom 01.04.2012 bis zum 29.05.2012 nicht erkennbar.
30 
Die Gewährung von Arbeitslosengeld II erfolgt durch einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, dessen Aufhebung sich bei einer wesentlichen Veränderung der Verhältnisse, die bei seinem Erlass herrschten, nach den Voraussetzungen von § 48 SGB X richtet. War der Verwaltungsakt bereits bei seiner Bewilligung rechtswidrig, ist die Rücknahme des Verwaltungsaktes nach den Voraussetzungen des § 45 SGB X zulässig.
31 
Vorliegend geht der Beklagte von der grundsätzlichen Anwendbarkeit von § 48 SGB X aus. Dem ist zuzustimmen, weil nach Lage der Akten von einer erforderlichen Mitwirkungshandlung des Klägers auszugehen ist, die zum Zeitpunkt der Bewilligungen vom 30.12.2011 und vom 09.01.2012 noch erfüllt werden konnte. Jedenfalls ist insoweit ersichtlich keiner der Tatbestände erfüllt, die nach § 45 Abs. 2 SGB X die Rücknahme der Bewilligung wegen anfänglicher Rechtswidrigkeit zulassen.
32 
Allerdings sind auch die Voraussetzungen für eine Aufhebung nach § 48 SGB X nicht erfüllt. Nach § 48 Abs. 1 SGB X in der seit dem 01.01.2001 geltenden Fassung ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Nach Absatz 1 Satz 2 der Vorschrift soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit
33 
1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
34 
2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
35 
3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsakts Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
36 
4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maß verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
37 
Erwerbsfähige Leistungsberechtigte erhalten nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Arbeitslosengeld II. Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum entsprechend den Feststellungen in den Bewilligungsbescheiden vom 30.12.2011 und vom 09.01.2012 erwerbsfähig und hilfebedürftig und danach anspruchsberechtigt nach dem SGB II; zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die Ausführungen in den beiden Bewilligungsbescheiden und die angefügten Berechnungsbögen Bezug genommen.
38 
Demgegenüber lässt sich eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne der Tatbestandsalternativen in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X nicht feststellen. Der Beklagte möchte sich insoweit nicht auf eine konkrete Variante des § 48 SGB X festlegen, sondern zitiert diese Vorschrift nur allgemein in Zusammenhang mit den §§ 2, 9 SGB II und § 40 Abs. 1 SGB II. Sofern der Beklagte dies näher damit begründet, dass der Kläger „bereite Mittel“ der DRV nicht verwendet habe und daher seine Hilfebedürftigkeit im Sinne von § 9 SGB II nachträglich entfallen sei, ist dies unzutreffend.
39 
Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.
40 
„Zu berücksichtigendes Einkommen“ liegt aber nur dann vor, wenn dieses ohne wesentliche Zwischenschritte ohne Weiteres auch tatsächlich dem Zugriff des Hilfebedürftigen unterliegt, was bei einer Rentenantragstellung und danach noch zu prüfenden Frage der Bewilligung von Rente nicht zutrifft. Dies zeigt sich im vorliegenden Fall besonders deutlich daran, dass dem Kläger auch nicht die anvisierte Rente, sondern zunächst eine Reha-Maßnahme von der DRV bewilligt worden ist.
41 
Die von dem Beklagten danach vorgenommene Berücksichtigung fiktiven Einkommens verstößt gegen den Bedarfsdeckungsgrundsatz. Bei § 2 Abs. 1 Satz 1 und § 3 Abs. 3 SGB 2 handelt es sich um Grundsatznormen und nicht um eigenständige Ausschlusstatbestände mit Regelungscharakter, sodass diese selbst dann nicht als Rechtsgrundlage für die Minderung von Grundsicherungsleistungen herangezogen werden können, wenn andere Sozialleistungen vorwerfbar nicht in Anspruch genommen werden können (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.10.2012 – L 9 AS 3208/12 ER-B – juris, m.w.N., für die Minderung von Sozialgeld um einen fiktiven Unterhaltsvorschuss, welcher mangels Mitwirkung der Mutter bestandskräftig abgelehnt war).
42 
Die Vorschrift des § 9 SGB II zur Hilfebedürftigkeit bringt zum Ausdruck, dass SGB II-Leistungen nicht für denjenigen erbracht werden sollen, der sich nach seiner tatsächlichen Lage selbst helfen kann. Dabei wird an die tatsächliche Lage des Hilfebedürftigen angeknüpft. Ansprüche eines Leistungsberechtigten gegenüber Dritten zählen nur dann zum berücksichtigungsfähigen Einkommen i. S. von § 9 Abs. 1 SGB II, wenn diese in angemessener Zeit durchzusetzen sind. Dies ist bei einem Anspruch auf vorgezogene Rente nicht der Fall. Insoweit kann aber nur der tatsächliche Bezug einer in den Blick genommenen Rente und nicht die bloße Innehabung eines solchen Anspruchs zu einem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II führen (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.04.2012 – L 19 AS 544/12 B ER –, juris).
43 
Das Bundessozialgericht hat bereits mehrfach entschieden, dass bei der Frage der Berücksichtigung „bereiter Mittel“ im Sinne von § 9 SGB II die tatsächlichen Verhältnisse den Vorrang vor den normativen Verhältnissen haben (BSG, Urteil vom 10.09.2013 – B 4 AS 89/12 R –, juris m.w.N.; vorgesehen für BSGE; BSG, Urteil vom 12.06.2013 – B 14 AS 73/12 R –, juris; BSG, Urteil vom 21.06.2011 – B 4 AS 21/10 R –, BSGE 108, 258-267).
44 
Unabhängig hiervon sind die angegriffenen Bescheide des Beklagten auch bereits deswegen rechtswidrig, weil die nach § 24 Abs. 1 und 2 SGB X erforderliche Anhörung unterblieben und dies nicht nach § 41 Abs. 1 und 2 SGB X unbeachtlich ist. Den obigen Ausführungen lässt sich entnehmen, dass insbesondere geänderte Einkommensverhältnisse im Sinne von § 24 Abs. 2 Nr. 5 SGB X nicht die Anhörung entbehrlich machten. Ein Nachholung der Anhörung kann in der Durchführung des Klageverfahrens nicht gesehen werden, weil dies voraussetzen würde, dass die beklagte Behörde dem Kläger in angemessener Weise Gelegenheit zur Äußerung einräumt und danach zu erkennen gibt, ob sie nach Prüfung dieser Tatsachen am bisher erlassenen Verwaltungsakt festhält (BSG, Urteil vom 09.11.2010 – B 4 AS 37/09 R –, juris; BSG, Urteil vom 31.10.2002 - B 4 RA 15/01 R = SozR 3-1300 § 24 Nr. 22; BSG vom 6.4.2006 - B 7a AL 64/05 R).
45 
Das Vorgehen des Beklagten ist darüber hinaus aus mehreren weiteren Gesichtspunkten zweifelhaft. Zum einen erscheint es treuwidrig im Sinne eines Verstoßes gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens, nach den Bewilligungen mit Bescheiden vom 30.12.2011 und vom 09.01.2012 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 17.01.2012 erst am 28.02.2012 eine angebliche weiterhin vorhandene wesentliche Verletzung von Mitwirkungspflichten anzunehmen, welche dem Beklagten indes schon am 04.01.2012 mitgeteilt worden war.
46 
Zum anderen weist der Beklagte durch das mehrfache Abstellen auf die Mitwirkung des Klägers selbst auf das Verfahren nach § 66 SGB I hin, welches dem Schutz des Leistungsbeziehers dient und welches vorliegend ersichtlich nicht eingehalten wurde (Fristsetzung, Anhörung, Ermessen).
47 
Auch wenn das Verfahren nach § 12a SGB II insofern als vorrangig anzusehen sein sollte, wäre doch festzustellen, dass der Beklagte auch hiervon keinen Gebrauch gemacht hat. Das Verfahren nach § 66 SGB I ist jedenfalls nicht deswegen ausgeschlossen, weil eine Mitwirkungshandlung gegenüber einer anderen Behörde - angeblich - nicht vorgenommen wurde (Lilge in Berliner Kommentar zum Sozialrecht, SGB I, 2. Aufl. 2009, § 66 Rn. 38). Auch die Bestimmung des § 12a SGB II begründet im Übrigen keinen Leistungsausschluss und gibt damit keine Handhabe, einen Erst- oder Folgeantrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II mit dem Verweis auf vorrangige Leistungen abzulehnen (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.04.2012 – L 19 AS 544/12 B ER –, juris).
48 
Hierauf muss allerdings nicht näher eingegangen werden, ebenso wenig wie auf den erfolgten Verstoß gegen die Beratungs- und Fürsorgepflichten, da in dem angegriffenen Bescheid nicht darauf hingewiesen wurde, dass eine Nachholung der Mitwirkung zur umgehenden Wiederbewilligung existenzsichernder Leistungen führen würde.
49 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe

27 
Die Klage ist zulässig und begründet.
28 
Streitgegenständlich ist allein die Leistungsgewährung nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.04.2012 bis zum 29.05.2012, weil nur für diesen Zeitraum noch eine Lücke in der Leistungsbewilligung vorliegt.
29 
Nachdem mit bestandskräftigen Bescheiden vom 30.12.2011 und vom 09.01.2012 die Weiterbewilligung von Leistungen nach dem SGB II für den Leistungszeitraum 01.01.2012 bis 30.06.2012 erfolgte, ist eine Rechtsgrundlage für eine teilweise Aufhebung dieser Bewilligung für die Zeit vom 01.04.2012 bis zum 29.05.2012 nicht erkennbar.
30 
Die Gewährung von Arbeitslosengeld II erfolgt durch einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, dessen Aufhebung sich bei einer wesentlichen Veränderung der Verhältnisse, die bei seinem Erlass herrschten, nach den Voraussetzungen von § 48 SGB X richtet. War der Verwaltungsakt bereits bei seiner Bewilligung rechtswidrig, ist die Rücknahme des Verwaltungsaktes nach den Voraussetzungen des § 45 SGB X zulässig.
31 
Vorliegend geht der Beklagte von der grundsätzlichen Anwendbarkeit von § 48 SGB X aus. Dem ist zuzustimmen, weil nach Lage der Akten von einer erforderlichen Mitwirkungshandlung des Klägers auszugehen ist, die zum Zeitpunkt der Bewilligungen vom 30.12.2011 und vom 09.01.2012 noch erfüllt werden konnte. Jedenfalls ist insoweit ersichtlich keiner der Tatbestände erfüllt, die nach § 45 Abs. 2 SGB X die Rücknahme der Bewilligung wegen anfänglicher Rechtswidrigkeit zulassen.
32 
Allerdings sind auch die Voraussetzungen für eine Aufhebung nach § 48 SGB X nicht erfüllt. Nach § 48 Abs. 1 SGB X in der seit dem 01.01.2001 geltenden Fassung ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Nach Absatz 1 Satz 2 der Vorschrift soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit
33 
1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
34 
2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
35 
3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsakts Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
36 
4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maß verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
37 
Erwerbsfähige Leistungsberechtigte erhalten nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Arbeitslosengeld II. Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum entsprechend den Feststellungen in den Bewilligungsbescheiden vom 30.12.2011 und vom 09.01.2012 erwerbsfähig und hilfebedürftig und danach anspruchsberechtigt nach dem SGB II; zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die Ausführungen in den beiden Bewilligungsbescheiden und die angefügten Berechnungsbögen Bezug genommen.
38 
Demgegenüber lässt sich eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne der Tatbestandsalternativen in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X nicht feststellen. Der Beklagte möchte sich insoweit nicht auf eine konkrete Variante des § 48 SGB X festlegen, sondern zitiert diese Vorschrift nur allgemein in Zusammenhang mit den §§ 2, 9 SGB II und § 40 Abs. 1 SGB II. Sofern der Beklagte dies näher damit begründet, dass der Kläger „bereite Mittel“ der DRV nicht verwendet habe und daher seine Hilfebedürftigkeit im Sinne von § 9 SGB II nachträglich entfallen sei, ist dies unzutreffend.
39 
Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.
40 
„Zu berücksichtigendes Einkommen“ liegt aber nur dann vor, wenn dieses ohne wesentliche Zwischenschritte ohne Weiteres auch tatsächlich dem Zugriff des Hilfebedürftigen unterliegt, was bei einer Rentenantragstellung und danach noch zu prüfenden Frage der Bewilligung von Rente nicht zutrifft. Dies zeigt sich im vorliegenden Fall besonders deutlich daran, dass dem Kläger auch nicht die anvisierte Rente, sondern zunächst eine Reha-Maßnahme von der DRV bewilligt worden ist.
41 
Die von dem Beklagten danach vorgenommene Berücksichtigung fiktiven Einkommens verstößt gegen den Bedarfsdeckungsgrundsatz. Bei § 2 Abs. 1 Satz 1 und § 3 Abs. 3 SGB 2 handelt es sich um Grundsatznormen und nicht um eigenständige Ausschlusstatbestände mit Regelungscharakter, sodass diese selbst dann nicht als Rechtsgrundlage für die Minderung von Grundsicherungsleistungen herangezogen werden können, wenn andere Sozialleistungen vorwerfbar nicht in Anspruch genommen werden können (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.10.2012 – L 9 AS 3208/12 ER-B – juris, m.w.N., für die Minderung von Sozialgeld um einen fiktiven Unterhaltsvorschuss, welcher mangels Mitwirkung der Mutter bestandskräftig abgelehnt war).
42 
Die Vorschrift des § 9 SGB II zur Hilfebedürftigkeit bringt zum Ausdruck, dass SGB II-Leistungen nicht für denjenigen erbracht werden sollen, der sich nach seiner tatsächlichen Lage selbst helfen kann. Dabei wird an die tatsächliche Lage des Hilfebedürftigen angeknüpft. Ansprüche eines Leistungsberechtigten gegenüber Dritten zählen nur dann zum berücksichtigungsfähigen Einkommen i. S. von § 9 Abs. 1 SGB II, wenn diese in angemessener Zeit durchzusetzen sind. Dies ist bei einem Anspruch auf vorgezogene Rente nicht der Fall. Insoweit kann aber nur der tatsächliche Bezug einer in den Blick genommenen Rente und nicht die bloße Innehabung eines solchen Anspruchs zu einem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II führen (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.04.2012 – L 19 AS 544/12 B ER –, juris).
43 
Das Bundessozialgericht hat bereits mehrfach entschieden, dass bei der Frage der Berücksichtigung „bereiter Mittel“ im Sinne von § 9 SGB II die tatsächlichen Verhältnisse den Vorrang vor den normativen Verhältnissen haben (BSG, Urteil vom 10.09.2013 – B 4 AS 89/12 R –, juris m.w.N.; vorgesehen für BSGE; BSG, Urteil vom 12.06.2013 – B 14 AS 73/12 R –, juris; BSG, Urteil vom 21.06.2011 – B 4 AS 21/10 R –, BSGE 108, 258-267).
44 
Unabhängig hiervon sind die angegriffenen Bescheide des Beklagten auch bereits deswegen rechtswidrig, weil die nach § 24 Abs. 1 und 2 SGB X erforderliche Anhörung unterblieben und dies nicht nach § 41 Abs. 1 und 2 SGB X unbeachtlich ist. Den obigen Ausführungen lässt sich entnehmen, dass insbesondere geänderte Einkommensverhältnisse im Sinne von § 24 Abs. 2 Nr. 5 SGB X nicht die Anhörung entbehrlich machten. Ein Nachholung der Anhörung kann in der Durchführung des Klageverfahrens nicht gesehen werden, weil dies voraussetzen würde, dass die beklagte Behörde dem Kläger in angemessener Weise Gelegenheit zur Äußerung einräumt und danach zu erkennen gibt, ob sie nach Prüfung dieser Tatsachen am bisher erlassenen Verwaltungsakt festhält (BSG, Urteil vom 09.11.2010 – B 4 AS 37/09 R –, juris; BSG, Urteil vom 31.10.2002 - B 4 RA 15/01 R = SozR 3-1300 § 24 Nr. 22; BSG vom 6.4.2006 - B 7a AL 64/05 R).
45 
Das Vorgehen des Beklagten ist darüber hinaus aus mehreren weiteren Gesichtspunkten zweifelhaft. Zum einen erscheint es treuwidrig im Sinne eines Verstoßes gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens, nach den Bewilligungen mit Bescheiden vom 30.12.2011 und vom 09.01.2012 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 17.01.2012 erst am 28.02.2012 eine angebliche weiterhin vorhandene wesentliche Verletzung von Mitwirkungspflichten anzunehmen, welche dem Beklagten indes schon am 04.01.2012 mitgeteilt worden war.
46 
Zum anderen weist der Beklagte durch das mehrfache Abstellen auf die Mitwirkung des Klägers selbst auf das Verfahren nach § 66 SGB I hin, welches dem Schutz des Leistungsbeziehers dient und welches vorliegend ersichtlich nicht eingehalten wurde (Fristsetzung, Anhörung, Ermessen).
47 
Auch wenn das Verfahren nach § 12a SGB II insofern als vorrangig anzusehen sein sollte, wäre doch festzustellen, dass der Beklagte auch hiervon keinen Gebrauch gemacht hat. Das Verfahren nach § 66 SGB I ist jedenfalls nicht deswegen ausgeschlossen, weil eine Mitwirkungshandlung gegenüber einer anderen Behörde - angeblich - nicht vorgenommen wurde (Lilge in Berliner Kommentar zum Sozialrecht, SGB I, 2. Aufl. 2009, § 66 Rn. 38). Auch die Bestimmung des § 12a SGB II begründet im Übrigen keinen Leistungsausschluss und gibt damit keine Handhabe, einen Erst- oder Folgeantrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II mit dem Verweis auf vorrangige Leistungen abzulehnen (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.04.2012 – L 19 AS 544/12 B ER –, juris).
48 
Hierauf muss allerdings nicht näher eingegangen werden, ebenso wenig wie auf den erfolgten Verstoß gegen die Beratungs- und Fürsorgepflichten, da in dem angegriffenen Bescheid nicht darauf hingewiesen wurde, dass eine Nachholung der Mitwirkung zur umgehenden Wiederbewilligung existenzsichernder Leistungen führen würde.
49 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Kommt derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 nicht nach und wird hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert, kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind. Dies gilt entsprechend, wenn der Antragsteller oder Leistungsberechtigte in anderer Weise absichtlich die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert.

(2) Kommt derjenige, der eine Sozialleistung wegen Pflegebedürftigkeit, wegen Arbeitsunfähigkeit, wegen Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit, anerkannten Schädigungsfolgen oder wegen Arbeitslosigkeit beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 62 bis 65 nicht nach und ist unter Würdigung aller Umstände mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß deshalb die Fähigkeit zur selbständigen Lebensführung, die Arbeits-, Erwerbs- oder Vermittlungsfähigkeit beeinträchtigt oder nicht verbessert wird, kann der Leistungsträger die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen.

(3) Sozialleistungen dürfen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt oder entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist.

Leistungsberechtigte sind verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich ist. Abweichend von Satz 1 sind Leistungsberechtigte nicht verpflichtet,

1.
bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen oder
2.
Wohngeld nach dem Wohngeldgesetz oder Kinderzuschlag nach dem Bundeskindergeldgesetz in Anspruch zu nehmen, wenn dadurch nicht die Hilfebedürftigkeit aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft für einen zusammenhängenden Zeitraum von mindestens drei Monaten beseitigt würde.
Für die Zeit vom 1. Januar 2023 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2026 findet Satz 2 Nummer 1 mit der Maßgabe Anwendung, dass Leistungsberechtigte nicht verpflichtet sind, eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen.

(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen müssen alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit ausschöpfen. Eine erwerbsfähige leistungsberechtigte Person muss aktiv an allen Maßnahmen zu ihrer Eingliederung in Arbeit mitwirken, insbesondere einen Kooperationsplan abschließen. Im Rahmen der vorrangigen Selbsthilfe und Eigenverantwortung sollen erwerbsfähige leistungsberechtigte Personen eigene Potenziale nutzen und Leistungen anderer Träger in Anspruch nehmen.

(2) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen haben in eigener Verantwortung alle Möglichkeiten zu nutzen, ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten. Erwerbsfähige Leistungsberechtigte müssen ihre Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensunterhalts für sich und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen einsetzen.

(1) Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

(2) Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen sichern können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebender Partnerin oder lebenden Partners zu berücksichtigen. Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig, dabei bleiben die Bedarfe nach § 28 außer Betracht. In den Fällen des § 7 Absatz 2 Satz 3 ist Einkommen und Vermögen, soweit es die nach Satz 3 zu berücksichtigenden Bedarfe übersteigt, im Verhältnis mehrerer Leistungsberechtigter zueinander zu gleichen Teilen zu berücksichtigen.

(3) Absatz 2 Satz 2 findet keine Anwendung auf ein Kind, das schwanger ist oder sein Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres betreut.

(4) Hilfebedürftig ist auch derjenige, dem der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für den dies eine besondere Härte bedeuten würde.

(5) Leben Hilfebedürftige in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten, so wird vermutet, dass sie von ihnen Leistungen erhalten, soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann.

(1) Wer jemandem, der Leistungen nach diesem Buch beantragt hat oder bezieht, Leistungen erbringt, die geeignet sind, diese Leistungen nach diesem Buch auszuschließen oder zu mindern, hat der Agentur für Arbeit auf Verlangen hierüber Auskunft zu erteilen, soweit es zur Durchführung der Aufgaben nach diesem Buch erforderlich ist.

(2) Wer jemandem, der eine Leistung nach diesem Buch beantragt hat oder bezieht, zu Leistungen verpflichtet ist, die geeignet sind, Leistungen nach diesem Buch auszuschließen oder zu mindern, oder wer für ihn Guthaben führt oder Vermögensgegenstände verwahrt, hat der Agentur für Arbeit auf Verlangen hierüber sowie über damit im Zusammenhang stehendes Einkommen oder Vermögen Auskunft zu erteilen, soweit es zur Durchführung der Aufgaben nach diesem Buch erforderlich ist. § 21 Absatz 3 Satz 4 des Zehnten Buches gilt entsprechend. Für die Feststellung einer Unterhaltsverpflichtung ist § 1605 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs anzuwenden.

(3) Wer jemanden, der

1.
Leistungen nach diesem Buch beantragt hat oder bezieht oder dessen Partnerin oder Partner oder
2.
nach Absatz 2 zur Auskunft verpflichtet ist,
beschäftigt, hat der Agentur für Arbeit auf Verlangen über die Beschäftigung, insbesondere über das Arbeitsentgelt, Auskunft zu erteilen, soweit es zur Durchführung der Aufgaben nach diesem Buch erforderlich ist.

(4) Sind Einkommen oder Vermögen der Partnerin oder des Partners zu berücksichtigen, haben

1.
diese Partnerin oder dieser Partner,
2.
Dritte, die für diese Partnerin oder diesen Partner Guthaben führen oder Vermögensgegenstände verwahren,
der Agentur für Arbeit auf Verlangen hierüber Auskunft zu erteilen, soweit es zur Durchführung der Aufgaben nach diesem Buch erforderlich ist. § 21 Absatz 3 Satz 4 des Zehnten Buches gilt entsprechend.

(5) Wer jemanden, der Leistungen nach diesem Buch beantragt hat, bezieht oder bezogen hat, beschäftigt, hat der Agentur für Arbeit auf Verlangen Einsicht in Geschäftsbücher, Geschäftsunterlagen und Belege sowie in Listen, Entgeltverzeichnisse und Entgeltbelege für Heimarbeiterinnen oder Heimarbeiter zu gewähren, soweit es zur Durchführung der Aufgaben nach diesem Buch erforderlich ist.

(1) Wird dieses Gesetzbuch geändert, so sind, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist, auf Leistungen zur Eingliederung in Arbeit bis zum Ende der Leistungen oder der Maßnahme die Vorschriften in der vor dem Tag des Inkrafttretens der Änderung geltenden Fassung weiter anzuwenden, wenn vor diesem Tag

1.
der Anspruch entstanden ist,
2.
die Leistung zuerkannt worden ist oder
3.
die Maßnahme begonnen hat, wenn die Leistung bis zum Beginn der Maßnahme beantragt worden ist.

(2) Ist eine Leistung nur für einen begrenzten Zeitraum zuerkannt worden, richtet sich eine Verlängerung nach den zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Verlängerung geltenden Vorschriften.

(1) Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag

1.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen,
2.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen,
3.
in den Fällen des § 86a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.
Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder die Anordnung der sofortigen Vollziehung kann mit Auflagen versehen oder befristet werden. Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag die Maßnahmen jederzeit ändern oder aufheben.

(2) Soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. Die §§ 920, 921, 923, 926, 928, 929 Absatz 1 und 3, die §§ 930 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(3) Die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 sind schon vor Klageerhebung zulässig.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

(1) Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

(2) Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen sichern können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebender Partnerin oder lebenden Partners zu berücksichtigen. Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig, dabei bleiben die Bedarfe nach § 28 außer Betracht. In den Fällen des § 7 Absatz 2 Satz 3 ist Einkommen und Vermögen, soweit es die nach Satz 3 zu berücksichtigenden Bedarfe übersteigt, im Verhältnis mehrerer Leistungsberechtigter zueinander zu gleichen Teilen zu berücksichtigen.

(3) Absatz 2 Satz 2 findet keine Anwendung auf ein Kind, das schwanger ist oder sein Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres betreut.

(4) Hilfebedürftig ist auch derjenige, dem der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für den dies eine besondere Härte bedeuten würde.

(5) Leben Hilfebedürftige in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten, so wird vermutet, dass sie von ihnen Leistungen erhalten, soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann.

Tenor

1. Der Bescheid des Beklagten vom 28.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.07.2012 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld II (Alg II) aufgrund einer unterlassenen Antragstellung bzw. Mitwirkungshandlung des Klägers bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) im Streit.
Der ... 1982 geborene, erwerbs- und vermögenslose Kläger befand sich im laufenden Leistungsbezug nach dem SGB II bei dem Beklagten, zuletzt aufgrund Bewilligungsbescheid vom 30.06.2011 für die Zeit vom 01.07.2011 bis zum 31.12.2011, in Höhe monatlicher Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von 364,00 Euro. Der Beklagte erhielt hierbei ein ärztliches Gutachten von Mai 2011 zur Kenntnis, wonach die Leistungsfähigkeit des Klägers für länger als sechs Monate, jedoch nicht auf Dauer, aufgehoben sei. Mit E-Mail vom 12.07.2011 erkundigte sich der Beklagte daraufhin bei der DRV, ob die Rentenanwartschaftszeit erfüllt sei. Am 14.07.2011 erhielt der Beklagte die Nachricht, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung derzeit erfüllt seien.
Mit Schreiben vom 19.07.2011 wurde der Kläger daraufhin gemäß § 12a Satz 1 SGB II aufgefordert, als vorrangige Sozialleistung eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bei der DRV zu beantragen.
Die DRV beantragte mit Schreiben vom 05.09.2011 wiederum bei dem Beklagten eine Auskunft über den Alg II-Bezug zum Abschluss des bei ihr anhängigen Verfahrens. Der Beklagte teilte der DRV am 09.09.2011 mit, dass Leistungen nach dem SGB II gewährt würden, und machte insoweit einen Erstattungsanspruch gem. § 5 SGB II in Verbindung mit §§ 103 f. SGB X geltend.
Am 14.11.2011 teilte die DRV dem Beklagten mit, dass der Rentenantrag abgelehnt worden sei, da der Kläger seiner gesetzlichen Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei.
Mit Bescheid vom 22.11.2011 entzog der Beklagte dem Kläger daraufhin die Leistungen ab dem 01.12.2011 mit dieser Begründung die Bewilligung von Arbeitslosengeld II unter Hinweis auf die §§ 60 und 66 SGB I. Zur Ausübung des Ermessens wurde darauf hingewiesen, dass der Beklagte zu wirtschaftlichem Handeln verpflichtet sei und auch im Interesse der Gemeinschaft der Steuerzahler nur bei nachgewiesener Hilfebedürftigkeit und in rechtmäßiger Höhe Leistungen erbringen könne.
Der Kläger wies mit seinem Widerspruch vom 23.12.2011 darauf hin, dass er aufforderungsgemäß einen Rentenantrag bei der DRV gestellt habe und erst anschließend eine Frist versäumt habe, weil ein Schreiben der DRV vom 05.10.2011 ihm erst 10 Tage später zugestellt worden und eine Antwort in der Frist damit nicht mehr möglich gewesen sei, zumal er krank gewesen sei. Zwischenzeitlich habe die DRV jedoch alle angeforderten Unterlagen erhalten. Schließlich fehle es auch an den Voraussetzungen einer vorherigen Anhörung und eines Hinweises gem. § 66 Abs. 3 SGB I.
Mit Bescheid vom 28.12.2011 wurde dem Widerspruch des Klägers daraufhin stattgegeben und der angegriffene Bescheid aufgehoben.
Mit weiterem Bescheid vom 30.12.2011 wurde auf den Fortbewilligungsantrag des Klägers Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 01.01.2012 bis zum 30.06.2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlichen 374,00 Euro bewilligt.
10 
Am 04.01.2012 teilte die DRV dem Beklagten erneut mit, dass der Kläger seinen Mitwirkungspflichten bislang nicht nachgekommen sei. Dem Kläger sei mit Schreiben vom 05.10.2011 dargelegt worden, dass ein Bedarf für eine Reha-Maßnahme bestehe. Die Zustimmungserklärung zur Durchführung des Heilverfahrens sei trotz Erinnerung vom 28.10.2011 nicht zugesandt worden, weswegen der Rentenantrag am 10.11.2011 wegen fehlender Mitwirkung abgelehnt worden sei. Der Kläger habe mitgeteilt, dass er die vorgeschlagene medizinische Rehabilitation in G. wegen der Entfernung von über 200 km nicht durchführen könne. Daraufhin sei ihm mit Schreiben vom 29.12.2011 mitgeteilt worden, dass für die Durchführung des Heilverfahrens auch eine Klinik in der näheren Umgebung (...) in Frage komme; dem Kläger sei eine 2-wöchige Frist zur Abgabe der Zustimmungserklärung gegeben worden.
11 
Mit weiterem Bescheid vom 09.01.2012 wurden dem Kläger für die Zeit vom 01.02.2012 bis zum 30.06.2012 insgesamt monatliche Leistungen von 720,00 Euro (Regelbedarf 374,00 Euro und Kosten der Unterkunft 346,00 Euro) bewilligt.
12 
Der Kläger übersandte in der Folgezeit seine Zustimmungserklärung nicht an die DRV, weswegen diese den Kläger mit Schreiben vom 24.02.2012 darauf hinwies, dass der Ablehnungsbescheid vom 10.11.2011 insoweit bis zur Nachholung der Mitwirkungspflichten weiterhin Bestand habe.
13 
Mit Bescheid vom 28.02.2012 hob der Beklagte daraufhin die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II ab dem 01.04.2012 ganz auf, da der Kläger seiner Mitwirkungspflicht gegenüber der DRV nicht genügt habe. Damit habe er nicht alle Möglichkeiten genutzt, seinen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln (hier: aus einem Rentenbezug) zu sichern. Die Entscheidung beruhe auf den §§ 2 und 9 SGB II sowie § 40 Abs. 1 SGB II in Verbindung mit § 48 SGB X.
14 
Der Kläger begründete seinen am 02.04.2012 eingelegten Widerspruch damit, dass die DRV die Sachlage völlig neu bewertet und für 13 Jahre zurückliegende Zeiten neue Nachweise angefordert habe. Auf seine Nachfragen, wieso bereits nachgewiesene und überprüfte Versicherungszeiten erneut nachgewiesen werden müssten, habe die DRV dann wegen nicht vorgelegter Nachweise mit einer Verneinung erforderlicher Mitwirkungshandlungen reagiert. Außerdem sei die Aufhebung durch den Beklagten grob rechtswidrig. Erneut sei das Verfahren nach § 66 SGB I missachtet und auch eine erforderliche Anhörung nicht durchgeführt worden.
15 
Der Beklagte wies den Kläger mit Schreiben vom 13.04.2012 darauf hin, dass der Aufhebungsbescheid nicht auf § 66 SGB I, sondern auf § 9 SGB II beruhe. Auf die entsprechenden Ausführungen im Aufhebungsbescheid dürfe insoweit verwiesen werden. Dem Kläger sei die Nachholung der Mitwirkung möglich, wofür er eine Frist bis zum 15.05.2012 (einschließlich Erbringung des diesbezüglichen Nachweises) erhalte.
16 
Am 19.06.2012 wies der Kläger den Beklagten darauf hin, dass er den Reha-Antrag gestellt habe und der diesbezügliche Nachweis von dem Beklagten selbst bei der DRV eingeholt werden könne.
17 
Mit Schreiben vom 21.06.2012 teilte die DRV dem Beklagten mit, dass eine ca. 5-wöchige Leistung zur medizinischen Rehabilitation bewilligt worden sei. Telefonisch wurde dem Beklagten von der DRV am 10.07.2012 mitgeteilt, dass sowohl ein Reha- als auch ein Rentenverfahren durchgeführt worden seien und die Mitwirkungspflicht erst am 30.05.2012 durch Vorlage der Zustimmungserklärung erfüllt worden sei.
18 
Daraufhin wurden mit Bescheid des Beklagten vom 11.07.2012 die Leistungen nach dem SGB II in der zuvor erfolgten Höhe für die Zeit vom 30.05.2012 bis zum 30.06.2012 wieder bewilligt.
19 
Der darüber hinausgehende Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13.07.2012 mit der Begründung zurückgewiesen, der Kläger habe nicht rechtzeitig seine Zustimmung zu der erforderlich Rehamaßnahme erklärt, weswegen er bereite Mittel nicht eingesetzt habe.
20 
Der Kläger hat am 16.08.2012 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben und seinen Rechtsstandpunkt wiederholt.
21 
Der Kläger beantragt,
22 
den Bescheid des Beklagten vom 28.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.07.2012 aufzuheben.
23 
Der Beklagte beantragt,
24 
die Klage abzuweisen.
25 
Der Beklagte hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig und beruft sich ebenfalls auf seinen bereits aktenkundigen Rechtsstandpunkt.
26 
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten sowie die Akten des SG Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

27 
Die Klage ist zulässig und begründet.
28 
Streitgegenständlich ist allein die Leistungsgewährung nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.04.2012 bis zum 29.05.2012, weil nur für diesen Zeitraum noch eine Lücke in der Leistungsbewilligung vorliegt.
29 
Nachdem mit bestandskräftigen Bescheiden vom 30.12.2011 und vom 09.01.2012 die Weiterbewilligung von Leistungen nach dem SGB II für den Leistungszeitraum 01.01.2012 bis 30.06.2012 erfolgte, ist eine Rechtsgrundlage für eine teilweise Aufhebung dieser Bewilligung für die Zeit vom 01.04.2012 bis zum 29.05.2012 nicht erkennbar.
30 
Die Gewährung von Arbeitslosengeld II erfolgt durch einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, dessen Aufhebung sich bei einer wesentlichen Veränderung der Verhältnisse, die bei seinem Erlass herrschten, nach den Voraussetzungen von § 48 SGB X richtet. War der Verwaltungsakt bereits bei seiner Bewilligung rechtswidrig, ist die Rücknahme des Verwaltungsaktes nach den Voraussetzungen des § 45 SGB X zulässig.
31 
Vorliegend geht der Beklagte von der grundsätzlichen Anwendbarkeit von § 48 SGB X aus. Dem ist zuzustimmen, weil nach Lage der Akten von einer erforderlichen Mitwirkungshandlung des Klägers auszugehen ist, die zum Zeitpunkt der Bewilligungen vom 30.12.2011 und vom 09.01.2012 noch erfüllt werden konnte. Jedenfalls ist insoweit ersichtlich keiner der Tatbestände erfüllt, die nach § 45 Abs. 2 SGB X die Rücknahme der Bewilligung wegen anfänglicher Rechtswidrigkeit zulassen.
32 
Allerdings sind auch die Voraussetzungen für eine Aufhebung nach § 48 SGB X nicht erfüllt. Nach § 48 Abs. 1 SGB X in der seit dem 01.01.2001 geltenden Fassung ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Nach Absatz 1 Satz 2 der Vorschrift soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit
33 
1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
34 
2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
35 
3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsakts Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
36 
4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maß verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
37 
Erwerbsfähige Leistungsberechtigte erhalten nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Arbeitslosengeld II. Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum entsprechend den Feststellungen in den Bewilligungsbescheiden vom 30.12.2011 und vom 09.01.2012 erwerbsfähig und hilfebedürftig und danach anspruchsberechtigt nach dem SGB II; zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die Ausführungen in den beiden Bewilligungsbescheiden und die angefügten Berechnungsbögen Bezug genommen.
38 
Demgegenüber lässt sich eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne der Tatbestandsalternativen in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X nicht feststellen. Der Beklagte möchte sich insoweit nicht auf eine konkrete Variante des § 48 SGB X festlegen, sondern zitiert diese Vorschrift nur allgemein in Zusammenhang mit den §§ 2, 9 SGB II und § 40 Abs. 1 SGB II. Sofern der Beklagte dies näher damit begründet, dass der Kläger „bereite Mittel“ der DRV nicht verwendet habe und daher seine Hilfebedürftigkeit im Sinne von § 9 SGB II nachträglich entfallen sei, ist dies unzutreffend.
39 
Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.
40 
„Zu berücksichtigendes Einkommen“ liegt aber nur dann vor, wenn dieses ohne wesentliche Zwischenschritte ohne Weiteres auch tatsächlich dem Zugriff des Hilfebedürftigen unterliegt, was bei einer Rentenantragstellung und danach noch zu prüfenden Frage der Bewilligung von Rente nicht zutrifft. Dies zeigt sich im vorliegenden Fall besonders deutlich daran, dass dem Kläger auch nicht die anvisierte Rente, sondern zunächst eine Reha-Maßnahme von der DRV bewilligt worden ist.
41 
Die von dem Beklagten danach vorgenommene Berücksichtigung fiktiven Einkommens verstößt gegen den Bedarfsdeckungsgrundsatz. Bei § 2 Abs. 1 Satz 1 und § 3 Abs. 3 SGB 2 handelt es sich um Grundsatznormen und nicht um eigenständige Ausschlusstatbestände mit Regelungscharakter, sodass diese selbst dann nicht als Rechtsgrundlage für die Minderung von Grundsicherungsleistungen herangezogen werden können, wenn andere Sozialleistungen vorwerfbar nicht in Anspruch genommen werden können (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.10.2012 – L 9 AS 3208/12 ER-B – juris, m.w.N., für die Minderung von Sozialgeld um einen fiktiven Unterhaltsvorschuss, welcher mangels Mitwirkung der Mutter bestandskräftig abgelehnt war).
42 
Die Vorschrift des § 9 SGB II zur Hilfebedürftigkeit bringt zum Ausdruck, dass SGB II-Leistungen nicht für denjenigen erbracht werden sollen, der sich nach seiner tatsächlichen Lage selbst helfen kann. Dabei wird an die tatsächliche Lage des Hilfebedürftigen angeknüpft. Ansprüche eines Leistungsberechtigten gegenüber Dritten zählen nur dann zum berücksichtigungsfähigen Einkommen i. S. von § 9 Abs. 1 SGB II, wenn diese in angemessener Zeit durchzusetzen sind. Dies ist bei einem Anspruch auf vorgezogene Rente nicht der Fall. Insoweit kann aber nur der tatsächliche Bezug einer in den Blick genommenen Rente und nicht die bloße Innehabung eines solchen Anspruchs zu einem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II führen (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.04.2012 – L 19 AS 544/12 B ER –, juris).
43 
Das Bundessozialgericht hat bereits mehrfach entschieden, dass bei der Frage der Berücksichtigung „bereiter Mittel“ im Sinne von § 9 SGB II die tatsächlichen Verhältnisse den Vorrang vor den normativen Verhältnissen haben (BSG, Urteil vom 10.09.2013 – B 4 AS 89/12 R –, juris m.w.N.; vorgesehen für BSGE; BSG, Urteil vom 12.06.2013 – B 14 AS 73/12 R –, juris; BSG, Urteil vom 21.06.2011 – B 4 AS 21/10 R –, BSGE 108, 258-267).
44 
Unabhängig hiervon sind die angegriffenen Bescheide des Beklagten auch bereits deswegen rechtswidrig, weil die nach § 24 Abs. 1 und 2 SGB X erforderliche Anhörung unterblieben und dies nicht nach § 41 Abs. 1 und 2 SGB X unbeachtlich ist. Den obigen Ausführungen lässt sich entnehmen, dass insbesondere geänderte Einkommensverhältnisse im Sinne von § 24 Abs. 2 Nr. 5 SGB X nicht die Anhörung entbehrlich machten. Ein Nachholung der Anhörung kann in der Durchführung des Klageverfahrens nicht gesehen werden, weil dies voraussetzen würde, dass die beklagte Behörde dem Kläger in angemessener Weise Gelegenheit zur Äußerung einräumt und danach zu erkennen gibt, ob sie nach Prüfung dieser Tatsachen am bisher erlassenen Verwaltungsakt festhält (BSG, Urteil vom 09.11.2010 – B 4 AS 37/09 R –, juris; BSG, Urteil vom 31.10.2002 - B 4 RA 15/01 R = SozR 3-1300 § 24 Nr. 22; BSG vom 6.4.2006 - B 7a AL 64/05 R).
45 
Das Vorgehen des Beklagten ist darüber hinaus aus mehreren weiteren Gesichtspunkten zweifelhaft. Zum einen erscheint es treuwidrig im Sinne eines Verstoßes gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens, nach den Bewilligungen mit Bescheiden vom 30.12.2011 und vom 09.01.2012 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 17.01.2012 erst am 28.02.2012 eine angebliche weiterhin vorhandene wesentliche Verletzung von Mitwirkungspflichten anzunehmen, welche dem Beklagten indes schon am 04.01.2012 mitgeteilt worden war.
46 
Zum anderen weist der Beklagte durch das mehrfache Abstellen auf die Mitwirkung des Klägers selbst auf das Verfahren nach § 66 SGB I hin, welches dem Schutz des Leistungsbeziehers dient und welches vorliegend ersichtlich nicht eingehalten wurde (Fristsetzung, Anhörung, Ermessen).
47 
Auch wenn das Verfahren nach § 12a SGB II insofern als vorrangig anzusehen sein sollte, wäre doch festzustellen, dass der Beklagte auch hiervon keinen Gebrauch gemacht hat. Das Verfahren nach § 66 SGB I ist jedenfalls nicht deswegen ausgeschlossen, weil eine Mitwirkungshandlung gegenüber einer anderen Behörde - angeblich - nicht vorgenommen wurde (Lilge in Berliner Kommentar zum Sozialrecht, SGB I, 2. Aufl. 2009, § 66 Rn. 38). Auch die Bestimmung des § 12a SGB II begründet im Übrigen keinen Leistungsausschluss und gibt damit keine Handhabe, einen Erst- oder Folgeantrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II mit dem Verweis auf vorrangige Leistungen abzulehnen (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.04.2012 – L 19 AS 544/12 B ER –, juris).
48 
Hierauf muss allerdings nicht näher eingegangen werden, ebenso wenig wie auf den erfolgten Verstoß gegen die Beratungs- und Fürsorgepflichten, da in dem angegriffenen Bescheid nicht darauf hingewiesen wurde, dass eine Nachholung der Mitwirkung zur umgehenden Wiederbewilligung existenzsichernder Leistungen führen würde.
49 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe

27 
Die Klage ist zulässig und begründet.
28 
Streitgegenständlich ist allein die Leistungsgewährung nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.04.2012 bis zum 29.05.2012, weil nur für diesen Zeitraum noch eine Lücke in der Leistungsbewilligung vorliegt.
29 
Nachdem mit bestandskräftigen Bescheiden vom 30.12.2011 und vom 09.01.2012 die Weiterbewilligung von Leistungen nach dem SGB II für den Leistungszeitraum 01.01.2012 bis 30.06.2012 erfolgte, ist eine Rechtsgrundlage für eine teilweise Aufhebung dieser Bewilligung für die Zeit vom 01.04.2012 bis zum 29.05.2012 nicht erkennbar.
30 
Die Gewährung von Arbeitslosengeld II erfolgt durch einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, dessen Aufhebung sich bei einer wesentlichen Veränderung der Verhältnisse, die bei seinem Erlass herrschten, nach den Voraussetzungen von § 48 SGB X richtet. War der Verwaltungsakt bereits bei seiner Bewilligung rechtswidrig, ist die Rücknahme des Verwaltungsaktes nach den Voraussetzungen des § 45 SGB X zulässig.
31 
Vorliegend geht der Beklagte von der grundsätzlichen Anwendbarkeit von § 48 SGB X aus. Dem ist zuzustimmen, weil nach Lage der Akten von einer erforderlichen Mitwirkungshandlung des Klägers auszugehen ist, die zum Zeitpunkt der Bewilligungen vom 30.12.2011 und vom 09.01.2012 noch erfüllt werden konnte. Jedenfalls ist insoweit ersichtlich keiner der Tatbestände erfüllt, die nach § 45 Abs. 2 SGB X die Rücknahme der Bewilligung wegen anfänglicher Rechtswidrigkeit zulassen.
32 
Allerdings sind auch die Voraussetzungen für eine Aufhebung nach § 48 SGB X nicht erfüllt. Nach § 48 Abs. 1 SGB X in der seit dem 01.01.2001 geltenden Fassung ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Nach Absatz 1 Satz 2 der Vorschrift soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit
33 
1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
34 
2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
35 
3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsakts Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
36 
4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maß verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
37 
Erwerbsfähige Leistungsberechtigte erhalten nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Arbeitslosengeld II. Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum entsprechend den Feststellungen in den Bewilligungsbescheiden vom 30.12.2011 und vom 09.01.2012 erwerbsfähig und hilfebedürftig und danach anspruchsberechtigt nach dem SGB II; zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die Ausführungen in den beiden Bewilligungsbescheiden und die angefügten Berechnungsbögen Bezug genommen.
38 
Demgegenüber lässt sich eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne der Tatbestandsalternativen in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X nicht feststellen. Der Beklagte möchte sich insoweit nicht auf eine konkrete Variante des § 48 SGB X festlegen, sondern zitiert diese Vorschrift nur allgemein in Zusammenhang mit den §§ 2, 9 SGB II und § 40 Abs. 1 SGB II. Sofern der Beklagte dies näher damit begründet, dass der Kläger „bereite Mittel“ der DRV nicht verwendet habe und daher seine Hilfebedürftigkeit im Sinne von § 9 SGB II nachträglich entfallen sei, ist dies unzutreffend.
39 
Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.
40 
„Zu berücksichtigendes Einkommen“ liegt aber nur dann vor, wenn dieses ohne wesentliche Zwischenschritte ohne Weiteres auch tatsächlich dem Zugriff des Hilfebedürftigen unterliegt, was bei einer Rentenantragstellung und danach noch zu prüfenden Frage der Bewilligung von Rente nicht zutrifft. Dies zeigt sich im vorliegenden Fall besonders deutlich daran, dass dem Kläger auch nicht die anvisierte Rente, sondern zunächst eine Reha-Maßnahme von der DRV bewilligt worden ist.
41 
Die von dem Beklagten danach vorgenommene Berücksichtigung fiktiven Einkommens verstößt gegen den Bedarfsdeckungsgrundsatz. Bei § 2 Abs. 1 Satz 1 und § 3 Abs. 3 SGB 2 handelt es sich um Grundsatznormen und nicht um eigenständige Ausschlusstatbestände mit Regelungscharakter, sodass diese selbst dann nicht als Rechtsgrundlage für die Minderung von Grundsicherungsleistungen herangezogen werden können, wenn andere Sozialleistungen vorwerfbar nicht in Anspruch genommen werden können (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.10.2012 – L 9 AS 3208/12 ER-B – juris, m.w.N., für die Minderung von Sozialgeld um einen fiktiven Unterhaltsvorschuss, welcher mangels Mitwirkung der Mutter bestandskräftig abgelehnt war).
42 
Die Vorschrift des § 9 SGB II zur Hilfebedürftigkeit bringt zum Ausdruck, dass SGB II-Leistungen nicht für denjenigen erbracht werden sollen, der sich nach seiner tatsächlichen Lage selbst helfen kann. Dabei wird an die tatsächliche Lage des Hilfebedürftigen angeknüpft. Ansprüche eines Leistungsberechtigten gegenüber Dritten zählen nur dann zum berücksichtigungsfähigen Einkommen i. S. von § 9 Abs. 1 SGB II, wenn diese in angemessener Zeit durchzusetzen sind. Dies ist bei einem Anspruch auf vorgezogene Rente nicht der Fall. Insoweit kann aber nur der tatsächliche Bezug einer in den Blick genommenen Rente und nicht die bloße Innehabung eines solchen Anspruchs zu einem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II führen (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.04.2012 – L 19 AS 544/12 B ER –, juris).
43 
Das Bundessozialgericht hat bereits mehrfach entschieden, dass bei der Frage der Berücksichtigung „bereiter Mittel“ im Sinne von § 9 SGB II die tatsächlichen Verhältnisse den Vorrang vor den normativen Verhältnissen haben (BSG, Urteil vom 10.09.2013 – B 4 AS 89/12 R –, juris m.w.N.; vorgesehen für BSGE; BSG, Urteil vom 12.06.2013 – B 14 AS 73/12 R –, juris; BSG, Urteil vom 21.06.2011 – B 4 AS 21/10 R –, BSGE 108, 258-267).
44 
Unabhängig hiervon sind die angegriffenen Bescheide des Beklagten auch bereits deswegen rechtswidrig, weil die nach § 24 Abs. 1 und 2 SGB X erforderliche Anhörung unterblieben und dies nicht nach § 41 Abs. 1 und 2 SGB X unbeachtlich ist. Den obigen Ausführungen lässt sich entnehmen, dass insbesondere geänderte Einkommensverhältnisse im Sinne von § 24 Abs. 2 Nr. 5 SGB X nicht die Anhörung entbehrlich machten. Ein Nachholung der Anhörung kann in der Durchführung des Klageverfahrens nicht gesehen werden, weil dies voraussetzen würde, dass die beklagte Behörde dem Kläger in angemessener Weise Gelegenheit zur Äußerung einräumt und danach zu erkennen gibt, ob sie nach Prüfung dieser Tatsachen am bisher erlassenen Verwaltungsakt festhält (BSG, Urteil vom 09.11.2010 – B 4 AS 37/09 R –, juris; BSG, Urteil vom 31.10.2002 - B 4 RA 15/01 R = SozR 3-1300 § 24 Nr. 22; BSG vom 6.4.2006 - B 7a AL 64/05 R).
45 
Das Vorgehen des Beklagten ist darüber hinaus aus mehreren weiteren Gesichtspunkten zweifelhaft. Zum einen erscheint es treuwidrig im Sinne eines Verstoßes gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens, nach den Bewilligungen mit Bescheiden vom 30.12.2011 und vom 09.01.2012 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 17.01.2012 erst am 28.02.2012 eine angebliche weiterhin vorhandene wesentliche Verletzung von Mitwirkungspflichten anzunehmen, welche dem Beklagten indes schon am 04.01.2012 mitgeteilt worden war.
46 
Zum anderen weist der Beklagte durch das mehrfache Abstellen auf die Mitwirkung des Klägers selbst auf das Verfahren nach § 66 SGB I hin, welches dem Schutz des Leistungsbeziehers dient und welches vorliegend ersichtlich nicht eingehalten wurde (Fristsetzung, Anhörung, Ermessen).
47 
Auch wenn das Verfahren nach § 12a SGB II insofern als vorrangig anzusehen sein sollte, wäre doch festzustellen, dass der Beklagte auch hiervon keinen Gebrauch gemacht hat. Das Verfahren nach § 66 SGB I ist jedenfalls nicht deswegen ausgeschlossen, weil eine Mitwirkungshandlung gegenüber einer anderen Behörde - angeblich - nicht vorgenommen wurde (Lilge in Berliner Kommentar zum Sozialrecht, SGB I, 2. Aufl. 2009, § 66 Rn. 38). Auch die Bestimmung des § 12a SGB II begründet im Übrigen keinen Leistungsausschluss und gibt damit keine Handhabe, einen Erst- oder Folgeantrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II mit dem Verweis auf vorrangige Leistungen abzulehnen (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.04.2012 – L 19 AS 544/12 B ER –, juris).
48 
Hierauf muss allerdings nicht näher eingegangen werden, ebenso wenig wie auf den erfolgten Verstoß gegen die Beratungs- und Fürsorgepflichten, da in dem angegriffenen Bescheid nicht darauf hingewiesen wurde, dass eine Nachholung der Mitwirkung zur umgehenden Wiederbewilligung existenzsichernder Leistungen führen würde.
49 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

(2) Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen sichern können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebender Partnerin oder lebenden Partners zu berücksichtigen. Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig, dabei bleiben die Bedarfe nach § 28 außer Betracht. In den Fällen des § 7 Absatz 2 Satz 3 ist Einkommen und Vermögen, soweit es die nach Satz 3 zu berücksichtigenden Bedarfe übersteigt, im Verhältnis mehrerer Leistungsberechtigter zueinander zu gleichen Teilen zu berücksichtigen.

(3) Absatz 2 Satz 2 findet keine Anwendung auf ein Kind, das schwanger ist oder sein Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres betreut.

(4) Hilfebedürftig ist auch derjenige, dem der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für den dies eine besondere Härte bedeuten würde.

(5) Leben Hilfebedürftige in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten, so wird vermutet, dass sie von ihnen Leistungen erhalten, soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann.

Tenor

1. Der Bescheid des Beklagten vom 28.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.07.2012 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld II (Alg II) aufgrund einer unterlassenen Antragstellung bzw. Mitwirkungshandlung des Klägers bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) im Streit.
Der ... 1982 geborene, erwerbs- und vermögenslose Kläger befand sich im laufenden Leistungsbezug nach dem SGB II bei dem Beklagten, zuletzt aufgrund Bewilligungsbescheid vom 30.06.2011 für die Zeit vom 01.07.2011 bis zum 31.12.2011, in Höhe monatlicher Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von 364,00 Euro. Der Beklagte erhielt hierbei ein ärztliches Gutachten von Mai 2011 zur Kenntnis, wonach die Leistungsfähigkeit des Klägers für länger als sechs Monate, jedoch nicht auf Dauer, aufgehoben sei. Mit E-Mail vom 12.07.2011 erkundigte sich der Beklagte daraufhin bei der DRV, ob die Rentenanwartschaftszeit erfüllt sei. Am 14.07.2011 erhielt der Beklagte die Nachricht, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung derzeit erfüllt seien.
Mit Schreiben vom 19.07.2011 wurde der Kläger daraufhin gemäß § 12a Satz 1 SGB II aufgefordert, als vorrangige Sozialleistung eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bei der DRV zu beantragen.
Die DRV beantragte mit Schreiben vom 05.09.2011 wiederum bei dem Beklagten eine Auskunft über den Alg II-Bezug zum Abschluss des bei ihr anhängigen Verfahrens. Der Beklagte teilte der DRV am 09.09.2011 mit, dass Leistungen nach dem SGB II gewährt würden, und machte insoweit einen Erstattungsanspruch gem. § 5 SGB II in Verbindung mit §§ 103 f. SGB X geltend.
Am 14.11.2011 teilte die DRV dem Beklagten mit, dass der Rentenantrag abgelehnt worden sei, da der Kläger seiner gesetzlichen Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei.
Mit Bescheid vom 22.11.2011 entzog der Beklagte dem Kläger daraufhin die Leistungen ab dem 01.12.2011 mit dieser Begründung die Bewilligung von Arbeitslosengeld II unter Hinweis auf die §§ 60 und 66 SGB I. Zur Ausübung des Ermessens wurde darauf hingewiesen, dass der Beklagte zu wirtschaftlichem Handeln verpflichtet sei und auch im Interesse der Gemeinschaft der Steuerzahler nur bei nachgewiesener Hilfebedürftigkeit und in rechtmäßiger Höhe Leistungen erbringen könne.
Der Kläger wies mit seinem Widerspruch vom 23.12.2011 darauf hin, dass er aufforderungsgemäß einen Rentenantrag bei der DRV gestellt habe und erst anschließend eine Frist versäumt habe, weil ein Schreiben der DRV vom 05.10.2011 ihm erst 10 Tage später zugestellt worden und eine Antwort in der Frist damit nicht mehr möglich gewesen sei, zumal er krank gewesen sei. Zwischenzeitlich habe die DRV jedoch alle angeforderten Unterlagen erhalten. Schließlich fehle es auch an den Voraussetzungen einer vorherigen Anhörung und eines Hinweises gem. § 66 Abs. 3 SGB I.
Mit Bescheid vom 28.12.2011 wurde dem Widerspruch des Klägers daraufhin stattgegeben und der angegriffene Bescheid aufgehoben.
Mit weiterem Bescheid vom 30.12.2011 wurde auf den Fortbewilligungsantrag des Klägers Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 01.01.2012 bis zum 30.06.2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlichen 374,00 Euro bewilligt.
10 
Am 04.01.2012 teilte die DRV dem Beklagten erneut mit, dass der Kläger seinen Mitwirkungspflichten bislang nicht nachgekommen sei. Dem Kläger sei mit Schreiben vom 05.10.2011 dargelegt worden, dass ein Bedarf für eine Reha-Maßnahme bestehe. Die Zustimmungserklärung zur Durchführung des Heilverfahrens sei trotz Erinnerung vom 28.10.2011 nicht zugesandt worden, weswegen der Rentenantrag am 10.11.2011 wegen fehlender Mitwirkung abgelehnt worden sei. Der Kläger habe mitgeteilt, dass er die vorgeschlagene medizinische Rehabilitation in G. wegen der Entfernung von über 200 km nicht durchführen könne. Daraufhin sei ihm mit Schreiben vom 29.12.2011 mitgeteilt worden, dass für die Durchführung des Heilverfahrens auch eine Klinik in der näheren Umgebung (...) in Frage komme; dem Kläger sei eine 2-wöchige Frist zur Abgabe der Zustimmungserklärung gegeben worden.
11 
Mit weiterem Bescheid vom 09.01.2012 wurden dem Kläger für die Zeit vom 01.02.2012 bis zum 30.06.2012 insgesamt monatliche Leistungen von 720,00 Euro (Regelbedarf 374,00 Euro und Kosten der Unterkunft 346,00 Euro) bewilligt.
12 
Der Kläger übersandte in der Folgezeit seine Zustimmungserklärung nicht an die DRV, weswegen diese den Kläger mit Schreiben vom 24.02.2012 darauf hinwies, dass der Ablehnungsbescheid vom 10.11.2011 insoweit bis zur Nachholung der Mitwirkungspflichten weiterhin Bestand habe.
13 
Mit Bescheid vom 28.02.2012 hob der Beklagte daraufhin die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II ab dem 01.04.2012 ganz auf, da der Kläger seiner Mitwirkungspflicht gegenüber der DRV nicht genügt habe. Damit habe er nicht alle Möglichkeiten genutzt, seinen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln (hier: aus einem Rentenbezug) zu sichern. Die Entscheidung beruhe auf den §§ 2 und 9 SGB II sowie § 40 Abs. 1 SGB II in Verbindung mit § 48 SGB X.
14 
Der Kläger begründete seinen am 02.04.2012 eingelegten Widerspruch damit, dass die DRV die Sachlage völlig neu bewertet und für 13 Jahre zurückliegende Zeiten neue Nachweise angefordert habe. Auf seine Nachfragen, wieso bereits nachgewiesene und überprüfte Versicherungszeiten erneut nachgewiesen werden müssten, habe die DRV dann wegen nicht vorgelegter Nachweise mit einer Verneinung erforderlicher Mitwirkungshandlungen reagiert. Außerdem sei die Aufhebung durch den Beklagten grob rechtswidrig. Erneut sei das Verfahren nach § 66 SGB I missachtet und auch eine erforderliche Anhörung nicht durchgeführt worden.
15 
Der Beklagte wies den Kläger mit Schreiben vom 13.04.2012 darauf hin, dass der Aufhebungsbescheid nicht auf § 66 SGB I, sondern auf § 9 SGB II beruhe. Auf die entsprechenden Ausführungen im Aufhebungsbescheid dürfe insoweit verwiesen werden. Dem Kläger sei die Nachholung der Mitwirkung möglich, wofür er eine Frist bis zum 15.05.2012 (einschließlich Erbringung des diesbezüglichen Nachweises) erhalte.
16 
Am 19.06.2012 wies der Kläger den Beklagten darauf hin, dass er den Reha-Antrag gestellt habe und der diesbezügliche Nachweis von dem Beklagten selbst bei der DRV eingeholt werden könne.
17 
Mit Schreiben vom 21.06.2012 teilte die DRV dem Beklagten mit, dass eine ca. 5-wöchige Leistung zur medizinischen Rehabilitation bewilligt worden sei. Telefonisch wurde dem Beklagten von der DRV am 10.07.2012 mitgeteilt, dass sowohl ein Reha- als auch ein Rentenverfahren durchgeführt worden seien und die Mitwirkungspflicht erst am 30.05.2012 durch Vorlage der Zustimmungserklärung erfüllt worden sei.
18 
Daraufhin wurden mit Bescheid des Beklagten vom 11.07.2012 die Leistungen nach dem SGB II in der zuvor erfolgten Höhe für die Zeit vom 30.05.2012 bis zum 30.06.2012 wieder bewilligt.
19 
Der darüber hinausgehende Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13.07.2012 mit der Begründung zurückgewiesen, der Kläger habe nicht rechtzeitig seine Zustimmung zu der erforderlich Rehamaßnahme erklärt, weswegen er bereite Mittel nicht eingesetzt habe.
20 
Der Kläger hat am 16.08.2012 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben und seinen Rechtsstandpunkt wiederholt.
21 
Der Kläger beantragt,
22 
den Bescheid des Beklagten vom 28.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.07.2012 aufzuheben.
23 
Der Beklagte beantragt,
24 
die Klage abzuweisen.
25 
Der Beklagte hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig und beruft sich ebenfalls auf seinen bereits aktenkundigen Rechtsstandpunkt.
26 
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten sowie die Akten des SG Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

27 
Die Klage ist zulässig und begründet.
28 
Streitgegenständlich ist allein die Leistungsgewährung nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.04.2012 bis zum 29.05.2012, weil nur für diesen Zeitraum noch eine Lücke in der Leistungsbewilligung vorliegt.
29 
Nachdem mit bestandskräftigen Bescheiden vom 30.12.2011 und vom 09.01.2012 die Weiterbewilligung von Leistungen nach dem SGB II für den Leistungszeitraum 01.01.2012 bis 30.06.2012 erfolgte, ist eine Rechtsgrundlage für eine teilweise Aufhebung dieser Bewilligung für die Zeit vom 01.04.2012 bis zum 29.05.2012 nicht erkennbar.
30 
Die Gewährung von Arbeitslosengeld II erfolgt durch einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, dessen Aufhebung sich bei einer wesentlichen Veränderung der Verhältnisse, die bei seinem Erlass herrschten, nach den Voraussetzungen von § 48 SGB X richtet. War der Verwaltungsakt bereits bei seiner Bewilligung rechtswidrig, ist die Rücknahme des Verwaltungsaktes nach den Voraussetzungen des § 45 SGB X zulässig.
31 
Vorliegend geht der Beklagte von der grundsätzlichen Anwendbarkeit von § 48 SGB X aus. Dem ist zuzustimmen, weil nach Lage der Akten von einer erforderlichen Mitwirkungshandlung des Klägers auszugehen ist, die zum Zeitpunkt der Bewilligungen vom 30.12.2011 und vom 09.01.2012 noch erfüllt werden konnte. Jedenfalls ist insoweit ersichtlich keiner der Tatbestände erfüllt, die nach § 45 Abs. 2 SGB X die Rücknahme der Bewilligung wegen anfänglicher Rechtswidrigkeit zulassen.
32 
Allerdings sind auch die Voraussetzungen für eine Aufhebung nach § 48 SGB X nicht erfüllt. Nach § 48 Abs. 1 SGB X in der seit dem 01.01.2001 geltenden Fassung ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Nach Absatz 1 Satz 2 der Vorschrift soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit
33 
1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
34 
2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
35 
3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsakts Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
36 
4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maß verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
37 
Erwerbsfähige Leistungsberechtigte erhalten nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Arbeitslosengeld II. Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum entsprechend den Feststellungen in den Bewilligungsbescheiden vom 30.12.2011 und vom 09.01.2012 erwerbsfähig und hilfebedürftig und danach anspruchsberechtigt nach dem SGB II; zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die Ausführungen in den beiden Bewilligungsbescheiden und die angefügten Berechnungsbögen Bezug genommen.
38 
Demgegenüber lässt sich eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne der Tatbestandsalternativen in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X nicht feststellen. Der Beklagte möchte sich insoweit nicht auf eine konkrete Variante des § 48 SGB X festlegen, sondern zitiert diese Vorschrift nur allgemein in Zusammenhang mit den §§ 2, 9 SGB II und § 40 Abs. 1 SGB II. Sofern der Beklagte dies näher damit begründet, dass der Kläger „bereite Mittel“ der DRV nicht verwendet habe und daher seine Hilfebedürftigkeit im Sinne von § 9 SGB II nachträglich entfallen sei, ist dies unzutreffend.
39 
Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.
40 
„Zu berücksichtigendes Einkommen“ liegt aber nur dann vor, wenn dieses ohne wesentliche Zwischenschritte ohne Weiteres auch tatsächlich dem Zugriff des Hilfebedürftigen unterliegt, was bei einer Rentenantragstellung und danach noch zu prüfenden Frage der Bewilligung von Rente nicht zutrifft. Dies zeigt sich im vorliegenden Fall besonders deutlich daran, dass dem Kläger auch nicht die anvisierte Rente, sondern zunächst eine Reha-Maßnahme von der DRV bewilligt worden ist.
41 
Die von dem Beklagten danach vorgenommene Berücksichtigung fiktiven Einkommens verstößt gegen den Bedarfsdeckungsgrundsatz. Bei § 2 Abs. 1 Satz 1 und § 3 Abs. 3 SGB 2 handelt es sich um Grundsatznormen und nicht um eigenständige Ausschlusstatbestände mit Regelungscharakter, sodass diese selbst dann nicht als Rechtsgrundlage für die Minderung von Grundsicherungsleistungen herangezogen werden können, wenn andere Sozialleistungen vorwerfbar nicht in Anspruch genommen werden können (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.10.2012 – L 9 AS 3208/12 ER-B – juris, m.w.N., für die Minderung von Sozialgeld um einen fiktiven Unterhaltsvorschuss, welcher mangels Mitwirkung der Mutter bestandskräftig abgelehnt war).
42 
Die Vorschrift des § 9 SGB II zur Hilfebedürftigkeit bringt zum Ausdruck, dass SGB II-Leistungen nicht für denjenigen erbracht werden sollen, der sich nach seiner tatsächlichen Lage selbst helfen kann. Dabei wird an die tatsächliche Lage des Hilfebedürftigen angeknüpft. Ansprüche eines Leistungsberechtigten gegenüber Dritten zählen nur dann zum berücksichtigungsfähigen Einkommen i. S. von § 9 Abs. 1 SGB II, wenn diese in angemessener Zeit durchzusetzen sind. Dies ist bei einem Anspruch auf vorgezogene Rente nicht der Fall. Insoweit kann aber nur der tatsächliche Bezug einer in den Blick genommenen Rente und nicht die bloße Innehabung eines solchen Anspruchs zu einem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II führen (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.04.2012 – L 19 AS 544/12 B ER –, juris).
43 
Das Bundessozialgericht hat bereits mehrfach entschieden, dass bei der Frage der Berücksichtigung „bereiter Mittel“ im Sinne von § 9 SGB II die tatsächlichen Verhältnisse den Vorrang vor den normativen Verhältnissen haben (BSG, Urteil vom 10.09.2013 – B 4 AS 89/12 R –, juris m.w.N.; vorgesehen für BSGE; BSG, Urteil vom 12.06.2013 – B 14 AS 73/12 R –, juris; BSG, Urteil vom 21.06.2011 – B 4 AS 21/10 R –, BSGE 108, 258-267).
44 
Unabhängig hiervon sind die angegriffenen Bescheide des Beklagten auch bereits deswegen rechtswidrig, weil die nach § 24 Abs. 1 und 2 SGB X erforderliche Anhörung unterblieben und dies nicht nach § 41 Abs. 1 und 2 SGB X unbeachtlich ist. Den obigen Ausführungen lässt sich entnehmen, dass insbesondere geänderte Einkommensverhältnisse im Sinne von § 24 Abs. 2 Nr. 5 SGB X nicht die Anhörung entbehrlich machten. Ein Nachholung der Anhörung kann in der Durchführung des Klageverfahrens nicht gesehen werden, weil dies voraussetzen würde, dass die beklagte Behörde dem Kläger in angemessener Weise Gelegenheit zur Äußerung einräumt und danach zu erkennen gibt, ob sie nach Prüfung dieser Tatsachen am bisher erlassenen Verwaltungsakt festhält (BSG, Urteil vom 09.11.2010 – B 4 AS 37/09 R –, juris; BSG, Urteil vom 31.10.2002 - B 4 RA 15/01 R = SozR 3-1300 § 24 Nr. 22; BSG vom 6.4.2006 - B 7a AL 64/05 R).
45 
Das Vorgehen des Beklagten ist darüber hinaus aus mehreren weiteren Gesichtspunkten zweifelhaft. Zum einen erscheint es treuwidrig im Sinne eines Verstoßes gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens, nach den Bewilligungen mit Bescheiden vom 30.12.2011 und vom 09.01.2012 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 17.01.2012 erst am 28.02.2012 eine angebliche weiterhin vorhandene wesentliche Verletzung von Mitwirkungspflichten anzunehmen, welche dem Beklagten indes schon am 04.01.2012 mitgeteilt worden war.
46 
Zum anderen weist der Beklagte durch das mehrfache Abstellen auf die Mitwirkung des Klägers selbst auf das Verfahren nach § 66 SGB I hin, welches dem Schutz des Leistungsbeziehers dient und welches vorliegend ersichtlich nicht eingehalten wurde (Fristsetzung, Anhörung, Ermessen).
47 
Auch wenn das Verfahren nach § 12a SGB II insofern als vorrangig anzusehen sein sollte, wäre doch festzustellen, dass der Beklagte auch hiervon keinen Gebrauch gemacht hat. Das Verfahren nach § 66 SGB I ist jedenfalls nicht deswegen ausgeschlossen, weil eine Mitwirkungshandlung gegenüber einer anderen Behörde - angeblich - nicht vorgenommen wurde (Lilge in Berliner Kommentar zum Sozialrecht, SGB I, 2. Aufl. 2009, § 66 Rn. 38). Auch die Bestimmung des § 12a SGB II begründet im Übrigen keinen Leistungsausschluss und gibt damit keine Handhabe, einen Erst- oder Folgeantrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II mit dem Verweis auf vorrangige Leistungen abzulehnen (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.04.2012 – L 19 AS 544/12 B ER –, juris).
48 
Hierauf muss allerdings nicht näher eingegangen werden, ebenso wenig wie auf den erfolgten Verstoß gegen die Beratungs- und Fürsorgepflichten, da in dem angegriffenen Bescheid nicht darauf hingewiesen wurde, dass eine Nachholung der Mitwirkung zur umgehenden Wiederbewilligung existenzsichernder Leistungen führen würde.
49 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe

27 
Die Klage ist zulässig und begründet.
28 
Streitgegenständlich ist allein die Leistungsgewährung nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.04.2012 bis zum 29.05.2012, weil nur für diesen Zeitraum noch eine Lücke in der Leistungsbewilligung vorliegt.
29 
Nachdem mit bestandskräftigen Bescheiden vom 30.12.2011 und vom 09.01.2012 die Weiterbewilligung von Leistungen nach dem SGB II für den Leistungszeitraum 01.01.2012 bis 30.06.2012 erfolgte, ist eine Rechtsgrundlage für eine teilweise Aufhebung dieser Bewilligung für die Zeit vom 01.04.2012 bis zum 29.05.2012 nicht erkennbar.
30 
Die Gewährung von Arbeitslosengeld II erfolgt durch einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, dessen Aufhebung sich bei einer wesentlichen Veränderung der Verhältnisse, die bei seinem Erlass herrschten, nach den Voraussetzungen von § 48 SGB X richtet. War der Verwaltungsakt bereits bei seiner Bewilligung rechtswidrig, ist die Rücknahme des Verwaltungsaktes nach den Voraussetzungen des § 45 SGB X zulässig.
31 
Vorliegend geht der Beklagte von der grundsätzlichen Anwendbarkeit von § 48 SGB X aus. Dem ist zuzustimmen, weil nach Lage der Akten von einer erforderlichen Mitwirkungshandlung des Klägers auszugehen ist, die zum Zeitpunkt der Bewilligungen vom 30.12.2011 und vom 09.01.2012 noch erfüllt werden konnte. Jedenfalls ist insoweit ersichtlich keiner der Tatbestände erfüllt, die nach § 45 Abs. 2 SGB X die Rücknahme der Bewilligung wegen anfänglicher Rechtswidrigkeit zulassen.
32 
Allerdings sind auch die Voraussetzungen für eine Aufhebung nach § 48 SGB X nicht erfüllt. Nach § 48 Abs. 1 SGB X in der seit dem 01.01.2001 geltenden Fassung ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Nach Absatz 1 Satz 2 der Vorschrift soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit
33 
1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
34 
2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
35 
3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsakts Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
36 
4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maß verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
37 
Erwerbsfähige Leistungsberechtigte erhalten nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Arbeitslosengeld II. Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum entsprechend den Feststellungen in den Bewilligungsbescheiden vom 30.12.2011 und vom 09.01.2012 erwerbsfähig und hilfebedürftig und danach anspruchsberechtigt nach dem SGB II; zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die Ausführungen in den beiden Bewilligungsbescheiden und die angefügten Berechnungsbögen Bezug genommen.
38 
Demgegenüber lässt sich eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne der Tatbestandsalternativen in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X nicht feststellen. Der Beklagte möchte sich insoweit nicht auf eine konkrete Variante des § 48 SGB X festlegen, sondern zitiert diese Vorschrift nur allgemein in Zusammenhang mit den §§ 2, 9 SGB II und § 40 Abs. 1 SGB II. Sofern der Beklagte dies näher damit begründet, dass der Kläger „bereite Mittel“ der DRV nicht verwendet habe und daher seine Hilfebedürftigkeit im Sinne von § 9 SGB II nachträglich entfallen sei, ist dies unzutreffend.
39 
Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.
40 
„Zu berücksichtigendes Einkommen“ liegt aber nur dann vor, wenn dieses ohne wesentliche Zwischenschritte ohne Weiteres auch tatsächlich dem Zugriff des Hilfebedürftigen unterliegt, was bei einer Rentenantragstellung und danach noch zu prüfenden Frage der Bewilligung von Rente nicht zutrifft. Dies zeigt sich im vorliegenden Fall besonders deutlich daran, dass dem Kläger auch nicht die anvisierte Rente, sondern zunächst eine Reha-Maßnahme von der DRV bewilligt worden ist.
41 
Die von dem Beklagten danach vorgenommene Berücksichtigung fiktiven Einkommens verstößt gegen den Bedarfsdeckungsgrundsatz. Bei § 2 Abs. 1 Satz 1 und § 3 Abs. 3 SGB 2 handelt es sich um Grundsatznormen und nicht um eigenständige Ausschlusstatbestände mit Regelungscharakter, sodass diese selbst dann nicht als Rechtsgrundlage für die Minderung von Grundsicherungsleistungen herangezogen werden können, wenn andere Sozialleistungen vorwerfbar nicht in Anspruch genommen werden können (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.10.2012 – L 9 AS 3208/12 ER-B – juris, m.w.N., für die Minderung von Sozialgeld um einen fiktiven Unterhaltsvorschuss, welcher mangels Mitwirkung der Mutter bestandskräftig abgelehnt war).
42 
Die Vorschrift des § 9 SGB II zur Hilfebedürftigkeit bringt zum Ausdruck, dass SGB II-Leistungen nicht für denjenigen erbracht werden sollen, der sich nach seiner tatsächlichen Lage selbst helfen kann. Dabei wird an die tatsächliche Lage des Hilfebedürftigen angeknüpft. Ansprüche eines Leistungsberechtigten gegenüber Dritten zählen nur dann zum berücksichtigungsfähigen Einkommen i. S. von § 9 Abs. 1 SGB II, wenn diese in angemessener Zeit durchzusetzen sind. Dies ist bei einem Anspruch auf vorgezogene Rente nicht der Fall. Insoweit kann aber nur der tatsächliche Bezug einer in den Blick genommenen Rente und nicht die bloße Innehabung eines solchen Anspruchs zu einem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II führen (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.04.2012 – L 19 AS 544/12 B ER –, juris).
43 
Das Bundessozialgericht hat bereits mehrfach entschieden, dass bei der Frage der Berücksichtigung „bereiter Mittel“ im Sinne von § 9 SGB II die tatsächlichen Verhältnisse den Vorrang vor den normativen Verhältnissen haben (BSG, Urteil vom 10.09.2013 – B 4 AS 89/12 R –, juris m.w.N.; vorgesehen für BSGE; BSG, Urteil vom 12.06.2013 – B 14 AS 73/12 R –, juris; BSG, Urteil vom 21.06.2011 – B 4 AS 21/10 R –, BSGE 108, 258-267).
44 
Unabhängig hiervon sind die angegriffenen Bescheide des Beklagten auch bereits deswegen rechtswidrig, weil die nach § 24 Abs. 1 und 2 SGB X erforderliche Anhörung unterblieben und dies nicht nach § 41 Abs. 1 und 2 SGB X unbeachtlich ist. Den obigen Ausführungen lässt sich entnehmen, dass insbesondere geänderte Einkommensverhältnisse im Sinne von § 24 Abs. 2 Nr. 5 SGB X nicht die Anhörung entbehrlich machten. Ein Nachholung der Anhörung kann in der Durchführung des Klageverfahrens nicht gesehen werden, weil dies voraussetzen würde, dass die beklagte Behörde dem Kläger in angemessener Weise Gelegenheit zur Äußerung einräumt und danach zu erkennen gibt, ob sie nach Prüfung dieser Tatsachen am bisher erlassenen Verwaltungsakt festhält (BSG, Urteil vom 09.11.2010 – B 4 AS 37/09 R –, juris; BSG, Urteil vom 31.10.2002 - B 4 RA 15/01 R = SozR 3-1300 § 24 Nr. 22; BSG vom 6.4.2006 - B 7a AL 64/05 R).
45 
Das Vorgehen des Beklagten ist darüber hinaus aus mehreren weiteren Gesichtspunkten zweifelhaft. Zum einen erscheint es treuwidrig im Sinne eines Verstoßes gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens, nach den Bewilligungen mit Bescheiden vom 30.12.2011 und vom 09.01.2012 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 17.01.2012 erst am 28.02.2012 eine angebliche weiterhin vorhandene wesentliche Verletzung von Mitwirkungspflichten anzunehmen, welche dem Beklagten indes schon am 04.01.2012 mitgeteilt worden war.
46 
Zum anderen weist der Beklagte durch das mehrfache Abstellen auf die Mitwirkung des Klägers selbst auf das Verfahren nach § 66 SGB I hin, welches dem Schutz des Leistungsbeziehers dient und welches vorliegend ersichtlich nicht eingehalten wurde (Fristsetzung, Anhörung, Ermessen).
47 
Auch wenn das Verfahren nach § 12a SGB II insofern als vorrangig anzusehen sein sollte, wäre doch festzustellen, dass der Beklagte auch hiervon keinen Gebrauch gemacht hat. Das Verfahren nach § 66 SGB I ist jedenfalls nicht deswegen ausgeschlossen, weil eine Mitwirkungshandlung gegenüber einer anderen Behörde - angeblich - nicht vorgenommen wurde (Lilge in Berliner Kommentar zum Sozialrecht, SGB I, 2. Aufl. 2009, § 66 Rn. 38). Auch die Bestimmung des § 12a SGB II begründet im Übrigen keinen Leistungsausschluss und gibt damit keine Handhabe, einen Erst- oder Folgeantrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II mit dem Verweis auf vorrangige Leistungen abzulehnen (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.04.2012 – L 19 AS 544/12 B ER –, juris).
48 
Hierauf muss allerdings nicht näher eingegangen werden, ebenso wenig wie auf den erfolgten Verstoß gegen die Beratungs- und Fürsorgepflichten, da in dem angegriffenen Bescheid nicht darauf hingewiesen wurde, dass eine Nachholung der Mitwirkung zur umgehenden Wiederbewilligung existenzsichernder Leistungen führen würde.
49 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

(1) Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

(2) Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen sichern können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebender Partnerin oder lebenden Partners zu berücksichtigen. Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig, dabei bleiben die Bedarfe nach § 28 außer Betracht. In den Fällen des § 7 Absatz 2 Satz 3 ist Einkommen und Vermögen, soweit es die nach Satz 3 zu berücksichtigenden Bedarfe übersteigt, im Verhältnis mehrerer Leistungsberechtigter zueinander zu gleichen Teilen zu berücksichtigen.

(3) Absatz 2 Satz 2 findet keine Anwendung auf ein Kind, das schwanger ist oder sein Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres betreut.

(4) Hilfebedürftig ist auch derjenige, dem der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für den dies eine besondere Härte bedeuten würde.

(5) Leben Hilfebedürftige in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten, so wird vermutet, dass sie von ihnen Leistungen erhalten, soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 19. September 2012 wird zurückgewiesen, soweit der Beklagte die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 1. Dezember 2005 bis 31. März 2006 aufgehoben hat.

Im Übrigen wird das bezeichnete Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Aufhebung und Erstattung von SGB II-Leistungen für den Zeitraum vom 1.12.2005 bis 31.3.2007.

2

Die 1958 geborene Klägerin lebte seit Oktober 2004 mit Herrn S. (im Folgenden "S") zusammen, den sie in ihrem Erstantrag zur Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes vom 15.10.2004 als ihren Lebensgefährten bezeichnet hatte. Die Klägerin erzielte Erwerbseinkommen aus einer geringfügigen Beschäftigung, S bis Ende 2005 aus einer Angestelltentätigkeit. Sein Einkommen war jeweils im Folgemonat fällig. Für den Zeitraum vom 1.10.2005 bis 31.3.2006 bewilligte der Beklagte weiterhin Leistungen nach dem SGB II (Bescheid vom 26.10.2005). Von dem Gesamtbedarf setzte er ein anrechenbares monatliches Erwerbseinkommen der Klägerin in Höhe von 51,82 Euro sowie des S in Höhe von 797,82 Euro ab und bewilligte monatliche Leistungen in Höhe von 344,36 Euro (davon für die Klägerin in Höhe von 231,18 Euro).

3

Die Beschäftigung von S endete zum 31.12.2005. Auf sein Konto wurde am 5.12.2005 ein Betrag in Höhe von 1482,59 Euro (Verwendungszweck "Lohn- und Gehalt 11.2005") sowie am 19.12.2005 ein weiterer Betrag in Höhe von 23 838,11 Euro (Verwendungszweck "Lohn- und Gehalt 12.2005") gutgeschrieben. Hiervon hatte der Beklagte zunächst keine Kenntnis. Ab Januar 2006 erhielt S für die Dauer von 780 Kalendertagen Alg I in Höhe von monatlich 787,80 Euro. Nach Eingang des Alg-Bescheids bei dem Beklagten im Januar 2006 hörte dieser die Klägerin dazu an, dass S im Januar 2006 zwei Einkommen (Arbeitsentgelt und Arbeitslosengeld) erhalten habe und daher Leistungen zu Unrecht bezogen worden seien (Schreiben vom 31.3.2006). Hierzu erklärte S, er habe im Januar 2006 keine zwei Einkommen erzielt, sein letzter Verdienst sei am 19.12.2005 ausgezahlt worden. Sodann bewilligte der Beklagte unter Berücksichtigung des Alg I für den Zeitraum vom 1.2.2006 bis 31.3.2006 SGB II-Leistungen in Höhe von 354,58 Euro, der Klägerin davon in Höhe von 236,19 Euro (Änderungsbescheid vom 31.3.2006). Auf den Fortzahlungsantrag vom 7.4.2006 wurden vom 1.4.2006 bis 30.9.2006 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 404,95 Euro (davon für die Klägerin in Höhe von 261,48 Euro) unter Berücksichtigung eines anrechenbaren monatlichen Erwerbseinkommens der Klägerin sowie des Alg I von S festgesetzt (Bescheid vom 24./25.4.2006). Wegen der Anhebung der Regelleistungen ab 1.7.2006 erhöhte der Beklagte die monatlichen Leistungen für die Klägerin auf 274,48 Euro (Änderungsbescheid vom 13.5.2006). Für den weiteren Bewilligungszeitraum vom 1.10.2006 bis 31.3.2007 bewilligte er auf der Grundlage eines Fortzahlungsantrags vom 12.9.2006 weiterhin SGB II-Leistungen unter Anrechnung der Einkünfte (Bescheid vom 14.9.2006).

4

Im Juni 2006 gingen bei dem Beklagten die geforderten Kontoauszüge von S für den Zeitraum vom 1.12.2005 bis 31.1.2006 ein, nach weiterer Anforderung am 26.9.2006 die Gehaltsabrechnung von S für Dezember 2005. Hieraus ergab sich, dass S neben seinem Lohn für Dezember 2005 in Höhe von 1079,86 Euro auch eine Abfindung in Höhe von 33 406,75 Euro brutto (= 22 758,25 Euro netto) erhalten hatte. Auf das Anhörungsschreiben des Beklagten vom 9.1.2007 zu einem unrechtmäßigen Leistungsbezug in Höhe von 4434,09 Euro in der Zeit vom 1.12.2005 bis 31.3.2007 und einer möglichen Erstattung teilte die Klägerin mit, ihr Lebensgefährte habe seine Unterlagen, auch die Papiere über die Abfindung, persönlich vorgelegt. Die bewilligten Leistungen seien verbraucht.

5

Der Beklagte hob die Entscheidung über die Bewilligung von SGB II-Leistungen gemäß § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X ab dem 1.12.2005 ganz auf und ordnete die sofortige Vollziehung der Erstattung an. Wegen der Einkommensverhältnisse des Lebensgefährten sei die Klägerin nicht hilfebedürftig gewesen, weil im Dezember 2005 das Einkommen von November/Dezember 2005 angerechnet und ab Januar 2006 die Abfindung, aufgeteilt auf 15 Monate in Höhe von monatlich 1517,22 Euro, als Einkommen berücksichtigt werde (Bescheid vom 31.1.2007). Den Widerspruch wies der Beklagte mit der Begründung zurück, dass die Klägerin erst im Juni 2006 durch Vorlage der Kontoauszüge den Erhalt einer Abfindung und das zusätzliche Erwerbseinkommen des Partners im Dezember 2005 angezeigt habe. Wegen dieses Einkommens sei die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen vom 1.12.2005 bis 31.3.2007 aufzuheben. Es seien Leistungen in Höhe von 4434,09 Euro zu erstatten (Widerspruchsbescheid vom 11.12.2007).

6

Das SG hat den Bescheid vom 31.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2007 aufgehoben (Urteil vom 8.6.2010). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, es könne dahinstehen, ob die Voraussetzungen für eine Aufhebung oder Rücknahme vorlägen, weil der Aufhebungs- und Rückerstattungsbescheid sowohl hinsichtlich des Adressaten als auch inhaltlich zu unbestimmt sei und eine geltungserhaltende Reduktion ausscheide.

7

In der mündlichen Verhandlung vor dem LSG hat der Beklagte die von ihm eingelegte Berufung teilweise zurückgenommen, soweit die Erstattungsforderung einen Betrag in Höhe von 2808,27 Euro (Leistungsanteil für S) überschreite und dessen Leistungsanteil geltend gemacht werde. Auf die Berufung des Beklagten hat das LSG das Urteil des SG abgeändert und die Klage abgewiesen, soweit sie sich nicht durch Berufungsrücknahme des Beklagten erledigt hat (Urteil vom 19.9.2012). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, Rechtsgrundlage der Aufhebung für die Zeit vom 1.12.2005 bis 31.3.2006 sei § 48 Abs 1 S 1 und 2 SGB X, weil durch die zusätzliche Lohnzahlung für den laufenden Monat und die Abfindungszahlung im Dezember 2005 eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen eingetreten sei. Die Klägerin und S bildeten eine Bedarfsgemeinschaft. Dessen Einkommen sei daher auch bei dem Leistungsanspruch der Klägerin zu berücksichtigen; dies führe zum Wegfall der Hilfebedürftigkeit ab 1.12.2005. Das sich aus den Lohnzahlungen für November und Dezember ergebende Einkommen von S übersteige den Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft. Ab Januar 2006 sei neben dem Alg I die im Dezember zugeflossene Abfindungszahlung mit einem monatlichen Teilbetrag anzurechnen. Die vom Beklagten vorgenommene Festlegung des Verteilzeitraums auf 15 Monate begegne keinen Bedenken. Der "Aggregatzustand" der nach Antragstellung zugeflossenen Abfindung habe sich nicht dadurch verändert, dass im Zuflussmonat auch ohne Berücksichtigung der einmaligen Einnahme die Hilfebedürftigkeit entfallen sei. Allein die vorgezogene Auszahlung des Dezemberlohns begründe keine derart geänderten Verhältnisse, die eine "Umwandlung" der einmaligen Einnahme in Vermögen rechtfertigen könne. Eine echte "Überwindung" der Hilfebedürftigkeit durch Erzielung von Erwerbseinkommen liege nicht vor. Die Klägerin sei ihrer Pflicht zur Mitteilung wesentlicher Änderungen mindestens grob fahrlässig nicht nachgekommen. Ihre Angabe, bereits im Januar 2006 sei eine Mitteilung über die Abfindungszahlung erfolgt, sei nicht nachvollziehbar. Mit der Einreichung von Kontoauszügen des Partners im April 2006 sei durch eine Manipulation der Kontostände offensichtlich versucht worden, den Erhalt der Abfindung zu verschleiern. Erstmals aus den am 1.6.2006 beim Beklagten eingegangenen Kontoauszügen sei die Zahlung der Nettoabfindung in Höhe von 23 838,11 Euro ersichtlich gewesen. Der Vortrag der Klägerin, über die genauen Einnahmen ihres Partners keine Kenntnis gehabt zu haben, widerspreche ihrem erstinstanzlichen Vorbringen zur Mitteilung der Abfindung bereits im Januar 2006. Es habe sich aufgrund ihrer Kenntnis vom Kauf eines neuen Pkw sowie einer neuen Küche Anfang 2006 mit Barzahlung durch ihren Partner aufdrängen müssen, dass dieser über zusätzliche Einnahmen verfügt habe. Rechtsgrundlage der Aufhebung für die Zeit vom 1.4.2006 bis 31.3.2007 sei § 45 Abs 2 S 3 Nr 2 SGB X. Die rechtswidrigen Leistungsbewilligungen für diesen Zeitraum hätten auf Angaben beruht, die die Klägerin mindestens grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht habe. Der angefochtene Bescheid vom 31.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2007 werde hinsichtlich der Aufhebung und der Erstattungsforderung dem Bestimmtheitserfordernis wie auch dem Anhörungserfordernis gerecht. Die Revision sei zuzulassen. Klärungsbedürftig sei, ob eine einmalige Einnahme auch dann weiterhin als Einkommen zu berücksichtigen sei, wenn die Hilfebedürftigkeit für einen Monat nur wegen des Zuflusses von zwei Monatsentgelten aus derselben Beschäftigung (und ohne Berücksichtigung der einmaligen Einnahme) beseitigt werde.

8

Mit ihrer Revision trägt die Klägerin vor, nach der Rechtsprechung des BSG werde der Verteilzeitraum dann unterbrochen, wenn für mindestens einen Monat die Hilfebedürftigkeit - ohne Berücksichtigung der einmaligen Einnahme - entfalle (Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R). Ihr Lebensgefährte habe Arbeitsentgelt erhalten, welches die Hilfebedürftigkeit für mindestens einen Monat aufgehoben habe, ohne dass die Abfindung dabei eine Rolle gespielt habe. Die Vorhersehbarkeit einer möglichen Hilfebedürftigkeit für den Folgemonat sei keine Voraussetzung für die weitere Behandlung der Abfindung als Einkommen. Entscheidend sei das Zuflussprinzip, welches stringent anzuwenden sei.

9

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 19. September 2012 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Rostock vom 8. Juni 2010 zurückzuweisen.

10

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Er bezieht sich auf die Ausführungen des Berufungsgerichts.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet, soweit sie die Aufhebung der laufenden Bewilligung von SGB II-Leistungen für den Zeitraum vom 1.12.2005 bis zum 31.3.2006 betrifft. Insofern hat das LSG die Klage unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zu Recht abgewiesen. Wegen der Erstattungsforderung des Beklagten für diesen Zeitraum ist die Revision im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG), weil der Senat mangels ausreichender Feststellungen nicht abschließend entscheiden konnte, in welcher Höhe die Erstattung für diese Zeit rechtmäßig ist. Auch soweit der Beklagte die Bewilligungsbescheide für die weiter streitigen Zeiträume vom 1.4.2006 bis 30.9.2006 und 1.10.2006 bis 31.3.2007 aufgehoben hat und die Erstattung der SGB II-Leistungen begehrt, ist die Revision im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet.

13

1. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 31.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2007, mit dem der Beklagte die Bewilligungsentscheidungen von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Klägerin ab 1.12.2005 in vollem Umfang aufgehoben und die Erstattung der ihr vom 1.12.2005 bis 31.3.2007 erbrachten Leistungen verlangt. Durch seine Erklärungen im Berufungsverfahren hat der Beklagte die Berufung gegen das zusprechende Urteil des SG zurückgenommen, soweit der angefochtene Bescheid die Aufhebung und Erstattung des Individualanspruchs von S betrifft (vgl hierzu BSG SozR 4-1300 § 33 Nr 1 RdNr 16). Gegen den Bescheid vom 31.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2007 wendet sich die Klägerin zu Recht mit der isolierten Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG). Entgegen der Ansicht des LSG enthielt der Ausgangsbescheid vom 31.1.2007 auch bereits eine Erstattungsverfügung und wahrt insgesamt das Bestimmtheitserfordernis. Bezogen auf die Klägerin ist er auch formell rechtmäßig.

14

2. Der Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung durch den Bescheid vom 31.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2007 ist eine ordnungsgemäße Anhörung vorausgegangen. Nach § 24 SGB X ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Dies sind alle Tatsachen, die zum Ergebnis der Verwaltungsentscheidung beigetragen haben, dh auf die sich die Verwaltung auch gestützt hat (BSGE 69, 247 = SozR 3-1300 § 24 Nr 4 S 9; vgl zuletzt Urteil des Senats vom 28.3.2013 - B 4 AS 59/12 R - SozR 4-1300 § 45 Nr 13 RdNr 15, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen). Der Beklagte hat die Klägerin mit Schreiben vom 9.1.2007 zu dem Einkommenszufluss bei S im Dezember 2005 und zu der beabsichtigten Anrechnung, auch der Abfindung - aufgeteilt auf 15 Monate - für die Zeit ab 1.1.2006, angehört. Er hat ihr vorgehalten, eine Überzahlung verursacht zu haben, indem sie eine für den Leistungsanspruch erhebliche Änderung in ihren Verhältnissen nicht angezeigt habe. Schließlich umfasste das Anhörungsschreiben vom 9.1.2007 die Erstattungsforderung, indem der Beklagte darauf hinwies, dass die Klägerin in der Zeit vom 1.12.2005 bis 31.1.2007 Alg II in Höhe von 4434,09 Euro zu Unrecht bezogen und diesen Betrag zu erstatten habe. Hiermit eröffnete er in hinreichendem Umfang die Möglichkeit zur Stellungnahme zu den objektiven und subjektiven Merkmalen der maßgebenden Rechtsgrundlagen für die Aufhebungsentscheidung.

15

3. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 31.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2007 genügt den Anforderungen an die Bestimmtheit von Verwaltungsakten. Als materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung verlangt das Bestimmtheitserfordernis nach § 33 Abs 1 SGB X, dass der Verfügungssatz nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist. Dieses Erfordernis bezieht sich sowohl auf den Verfügungssatz der Entscheidung als auch auf den Adressaten des Verwaltungsaktes (BSG SozR 4-1300 § 33 Nr 1 RdNr 16). Der Betroffene muss bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers und unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls in die Lage versetzt werden, die in ihm getroffene Rechtsfolge vollständig, klar und unzweideutig zu erkennen und sein Verhalten daran auszurichten (BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2, RdNr 13 mwN; BSG SozR 4-4200 § 31 Nr 3 RdNr 16 mwN; BSG Urteil vom 15.12.2010 - B 14 AS 92/09 R - RdNr 18; BSGE 108, 289 ff = SozR 4-4200 § 38 Nr 2, RdNr 31). Ausreichende Klarheit kann auch dann bestehen, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsaktes, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss (vgl zuletzt Urteil des Senats vom 28.3.2013 - B 4 AS 59/12 R - SozR 4-1300 § 45 Nr 13 RdNr 16, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen; BSGE 112, 221 = SozR 4-1300 § 45 Nr 12, RdNr 26; BSG SozR 4-2600 § 96a Nr 9 RdNr 38).

16

Nach diesen Maßstäben geht aus dem angefochtenen Bescheid vom 31.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2007 hinreichend bestimmt hervor, dass der Beklagte die Bewilligungsentscheidungen ab 1.12.2005 ausschließlich gegenüber der Klägerin in vollem Umfang aufheben wollte. Dies lässt sich - wie das LSG zutreffend festgestellt hat - seiner Adressierung, seinem Verfügungssatz sowie seiner Begründung entnehmen. Diese betreffen - ohne Erwähnung der Bedarfsgemeinschaft oder des S - jeweils nur die Klägerin. Der Bestimmtheit eines Aufhebungsbescheides steht insoweit nicht entgegen, dass er nur an ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft gerichtet ist, wenn die Auslegung - wie hier - ergibt, dass nur dieses Mitglied in Anspruch genommen werden soll (vgl BSG SozR 4-1300 § 33 Nr 1 RdNr 16 f). Ebenso ist das Maß der Aufhebung nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont für die Klägerin erkennbar auf den Zeitraum ab 1.12.2005 und eine Aufhebung sämtlicher Bewilligungen in vollem Umfang festgelegt. Zwar hat der Beklagte in der "Betreff-Zeile" des Bescheides vom 31.1.2007 nur die den jeweiligen Bewilligungsabschnitt insgesamt regelnden Bescheide vom 26.10.2005, 25.4.2006 und 14.9.2006 aufgeführt. Aus dem Inhalt der weiteren Begründung des Bescheides ergibt sich jedoch für den objektiven Empfänger unzweideutig, dass auch die Änderungsbescheide vom 31.3.2006 und 13.5.2006 erfasst sein sollten, die für jeweils kürzere Zeiträume innerhalb der jeweiligen Bewilligungsabschnitte geringfügig höhere Leistungen festlegten. Einer näheren Differenzierung nach Monaten sowie nach dem Umfang der Aufhebung bezüglich der Leistungsarten (Regelleistung, Kosten der Unterkunft und Heizung) bedurfte es hier wegen der vollumfänglichen Aufhebung nicht, weil für die Klägerin erkennbar war, welche Bezugsmonate von der Aufhebung in vollem Umfang betroffen waren (vgl BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 196/11 R - SozR 4-1300 § 33 Nr 2 RdNr 16).

17

Der Bescheid vom 31.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2007 ist auch bezüglich der Erstattungsforderung hinreichend bestimmt. Der Beklagte hat bereits durch die Angabe einer Erstattungsforderung in der "Betreffzeile" des Bescheides vom 31.1.2007 sowie die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Erstattung eine Regelung iS von § 31 SGB X getroffen. Zwar ist die Höhe der zu erstattenden Beträge nicht bereits in diesem Bescheid, sondern erst im Widerspruchsbescheid genannt. Nach den vom LSG zutreffend gewürdigten Einzelfallumständen ist dies jedoch für die Annahme einer Regelung iS des § 31 SGB X sowie auch für die Bestimmtheit der Erstattungsforderung unschädlich, weil zur Höhe der Erstattungsforderung insbesondere auf den Inhalt des Anhörungsschreibens vom 9.1.2007 und die vorangegangenen Bewilligungsbescheide zurückgegriffen werden konnte.

18

4. a) Rechtsgrundlage für die Aufhebung der mit Bescheid vom 26.10.2005 für den Zeitraum vom 1.10.2005 bis 31.3.2006 bewilligten Leistungen ist hier § 40 SGB II, § 330 Abs 3 SGB III, § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt ist - ohne Ausübung von Ermessen - mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Bezogen auf den Bewilligungsbescheid vom 26.10.2005 ist erst nach dessen Bekanntgabe der Zufluss der doppelten Entgeltzahlung sowie der Abfindung an S erfolgt, sodass unter Berücksichtigung der maßgebenden objektiven tatsächlichen Verhältnisse, die bei Erlass des Bewilligungsbescheides vorgelegen haben (vgl nur BSG Urteil vom 21.6.2011 - B 4 AS 22/10 R - juris RdNr 16 mwN), eine wesentliche Änderung nach Erlass des Verwaltungsaktes, der aufgehoben werden soll, eingetreten ist. Die wesentliche Änderung lag hier darin, dass die Hilfebedürftigkeit der Klägerin und damit eine Anspruchsvoraussetzung für die bewilligten SGB II-Leistungen mit dem Zufluss dieser Beträge ab Dezember 2005 bis zum Ablauf des Bewilligungsabschnitts am 31.3.2006 entfallen ist (vgl für die Zeit ab 1.4.2006 unter 6).

19

b) Zwar konnte die Klägerin ihren von dem Beklagten zutreffend ermittelten Bedarf nicht durch eigenes Einkommen oder Vermögen decken. Sie gehörte aber im gesamten hier streitigen Zeitraum einer Bedarfsgemeinschaft mit S an. Zur Bedarfsgemeinschaft gehört nach § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst c SGB II(idF des Gesetzes vom 30.7.2004 - BGBl I 2014) als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen eine Person, die mit der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in eheähnlicher Lebensgemeinschaft lebt. Das LSG hat nach Würdigung der vorliegenden Tatsachen das Vorliegen einer Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft positiv festgestellt. Es hat die erforderlichen Kriterien für das Vorliegen einer Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft überprüft und diese im Ergebnis bejaht, indem es in der Art des Zusammenlebens der Klägerin und S eine Partnerschaft, eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft sowie ein gegenseitiges Einstehen bejaht hat. Neben der auch von der Klägerin nicht angegriffenen Feststellung einer Partnerschaft sah das LSG das erforderliche Einstehen aufgrund der Kontoauszüge des S bestätigt, woraus eine finanzielle Unterstützung der Klägerin ersichtlich war. Ferner wohnten die Klägerin und S seit Oktober 2004 in der gemeinsamen Wohnung (vgl zur auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft zuletzt BSGE 111, 250 ff = SozR 4-4200 § 7 Nr 32). Das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft führt nach § 9 Abs 2 S 1 SGB II dazu, dass bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen sind.

20

Für den Monat Dezember 2005 entfiel die Hilfebedürftigkeit der Klägerin bereits wegen des Zuflusses der Lohnzahlungen an S für November 2005 am 5.12.2005 und für Dezember 2005 am 19.12.2005. Diese stellten Einkommen iS von § 11 SGB II dar, welches als laufende Einnahme gemäß § 2 Abs 2 S 1 Alg II-V für den Monat zu berücksichtigen ist, in dem es zufließt. Bereits das auf den Gesamtbedarf der Klägerin und S anrechenbare Einkommen aus der Lohnzahlung für November 2005 betrug 1104,45 Euro. Auch unter Heranziehung des vom LSG zutreffend ermittelten Gesamtbedarfs von 1095,26 Euro ergibt sich ein Wegfall der Hilfebedürftigkeit der Klägerin in vollem Umfang.

21

c) Auch die weitere vollständige Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 26.10.2005 (sowie des Änderungsbescheides vom 31.3.2006) bis zum Ablauf des Bewilligungsabschnitts am 31.3.2006 ist rechtmäßig. Die am 19.12.2005 mit einem Nettobetrag in Höhe von 22 758,25 Euro zugeflossene Abfindung ist anrechenbares Einkommen iS von § 11 SGB II. Zu Abfindungszahlungen haben die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG bereits entschieden, dass für diese vom tatsächlichen Zufluss auszugehen ist und es sich nicht um von der Anrechnung ausgenommene zweckbestimmte Einnahmen nach § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB II handelt(vgl BSGE 102, 295 = SozR 4-4200 § 11 Nr 24, RdNr 15, BSG Urteil vom 28.10.2009 - B 14 AS 64/08 R - juris RdNr 18).

22

d) Der Verteilzeitraum, in dem das Einkommen aus der Abfindung zu berücksichtigen war, erstreckte sich unter voller Anrechnung auf den Zeitraum vom 1.1.2006 bis 31.12.2006. Nach der Rechtsprechung der beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG bleibt eine nach Antragstellung zugeflossene einmalige Einnahme rechtlich auch über den Zuflussmonat und den Bewilligungsabschnitt hinaus zu berücksichtigendes Einkommen. Der Aggregatzustand der Einnahme verändert sich nicht durch eine neue Antragstellung. Das Einkommen mutiert nicht gleichsam zu Vermögen (vgl nur BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 20). Die konkrete Verteilung wird normativ durch § 2 Abs 3 Alg II-V in der Fassung vom 22.8.2005 (BGBl I 2499) bestimmt. Hiernach sind einmalige Einnahmen von dem Monat an zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Abweichend davon ist nach S 2 der Regelung eine Berücksichtigung der Einnahmen ab dem Monat, der auf den Monat des Zuflusses folgt, zulässig, wenn Leistungen für den Monat des Zuflusses bereits erbracht worden sind. Einmalige Einnahmen sind, soweit nicht im Einzelfall eine andere Regelung angezeigt ist, auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen, dh monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag, anzusetzen (§ 2 Abs 3 S 3 Alg II-V). Als unbestimmter Rechtsbegriff ist der einzelfallbezogen zu bestimmende angemessene Zeitraum der Verteilung ausfüllungsbedürftig und unterliegt uneingeschränkter richterlicher Kontrolle. Zulässige Sachgesichtspunkte, die für die Angemessenheit einer Verteilung, die Belassung eines (geringfügigen) Anspruchs auf SGB II-Leistungen bei der Anrechnung und die zeitliche Dauer des Verteilzeitraums maßgebend sein können, sind die Höhe der einmaligen Einnahme, der mögliche Bewilligungszeitraum sowie der Umstand, ob der Hilfebedürftige durch die Höhe des festgesetzten monatlichen Teilbetrags seinen Krankenversicherungsschutz behalten kann (BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 16 RdNr 29). Zwar liegt grundsätzlich ein Regelfall mit einem Erfordernis zur Aufteilung nach § 2 Abs 3 S 3 Alg II-V vor, wenn der über den SGB II-Bezug vermittelte Krankenversicherungsschutz bei voller Berücksichtigung der Einnahme für mindestens einen Monat entfallen würde. Sind indes - wie hier - höhere Beträge im Streit, welche die Hilfebedürftigkeit der Bedarfsgemeinschaft bei prognostischer Betrachtung auf längere Dauer - hier konkret für einen Zeitraum von über einem Jahr - entfallen ließen, ist eine vollständige Anrechnung ohne Belassung von SGB II-Leistungen grundsätzlich nicht zu beanstanden. Ein solcher Fall liegt hier vor.

23

Allerdings ist der Verteilzeitraum nach der Rechtslage bis zum 31.3.2011 auf ein Jahr, dh hier auf den Zeitraum vom 1.1.2006 bis 31.12.2006, zu beschränken. Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber mit dem am 1.4.2011 in Kraft getretenen § 11 Abs 3 S 2 SGB II nF(BGBl I 453) den "Verteilzeitraum" zeitlich eindeutig auf einen Zeitraum von sechs Monaten mit einer nachfolgend nur möglichen Berücksichtigung noch vorhandener Beträge als Vermögen eingegrenzt hat (vgl BT-Drucks 17/3404 S 94), können keine Rückschlüsse für die Bewertung der Rechtslage vor diesem Zeitpunkt gezogen werden (vgl BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 40 RdNr 32). Zu der bis dahin geltenden Rechtslage hat das BSG eine Verteilung über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten hinaus im Einzelfall als angemessen angesehen, ist jedoch nicht über den Zeitabschnitt von zwölf Monaten hinausgegangen (vgl BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 40 RdNr 32; sa BVerfG Beschluss vom 7.4.2010 - 1 BvR 688/10). Dies berücksichtigt, dass eine Erstreckung über den im Gesetz angelegten maximalen Bewilligungszeitraum von zwölf Monaten (§ 41 SGB II) hinaus Leistungsbezieher mit hohen einmaligen Einnahmen unbillig lange von der Möglichkeit einer Vermögensbildung ausnehmen würde.

24

e) Die Bestimmung eines Verteilzeitraums und die Anrechnung der einmaligen Einnahme auf denselben entfällt hier auch nicht deshalb, weil die Abfindung in einem Monat zufloss, in dem bereits aufgrund der vorhergehenden Entgeltzahlungen an S die Hilfebedürftigkeit entfallen war. Soweit das LSG auf die Entscheidung des Senats vom 30.9.2008 (B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15) Bezug genommen hat, lag ein (abweichender) Sachverhalt zugrunde, weil sich die für die Bewilligung maßgebenden Verhältnisse erst nach Beginn des Verteilzeitraums durch einen Steuerklassenwechsel mit einem höheren monatlichen Nettoeinkommen sowie Wohngeld verändert haben konnten. Die als mögliche Konsequenz diskutierte Unterbrechung des Verteilzeitraums wegen Überwindung der Hilfebedürftigkeit für einen Monat erfasst die vorliegende Konstellation nicht, weil die Hilfebedürftigkeit der Klägerin und S allein im Dezember 2005, also zeitlich bereits vor dem Beginn des Verteilzeitraums wegen der Abfindung im Januar 2006, unterbrochen war. Unabhängig hiervon liegt auch keine Überwindung der Hilfebedürftigkeit vor. Allein die Tatsache, dass die erhöhte Lohnzahlung für November 2005 aus dem Arbeitsverhältnis als einem Dauerrechtsverhältnis zu einem Wegfall der Hilfebedürftigkeit nur in diesem Monat führte, begründete keine geänderten Verhältnisse, die eine "Umwandlung" der einmaligen Einnahme in Vermögen zu rechtfertigen vermögen. Es lag keine echte "Überwindung" der Hilfebedürftigkeit durch Erzielung von Erwerbseinkommen vor, weil es sich um ein bloßes Aussetzen der Hilfebedürftigkeit wegen einer höheren Lohnzahlung und einen vom Normalverlauf abweichenden Auszahlungsvorgang ohne Änderung der tatsächlichen Verhältnisse handelte.

25

f) Der vollständigen Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 26.10.2005 für den bis zum 31.3.2006 laufenden Bewilligungsabschnitt steht auch nicht entgegen, dass die Abfindungszahlung ausweislich der Feststellungen des LSG "für den Kauf eines neuen Pkw sowie einer neuen Küche Anfang 2006 durch ihren Partner" verwendet worden ist. Nähere Angaben zum Umfang des Verbrauchs der Abfindung und zum Zeitpunkt der Anschaffungen fehlen. Für den Bewilligungsabschnitt bis zum 31.3.2006 ist dies jedoch irrelevant. Die Aufhebung der laufenden Bewilligung nach § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X erfolgt schon deshalb, weil nach Erlass des Bewilligungsbescheides vom 26.10.2005 und während des laufenden Bewilligungsabschnitts Einkommen tatsächlich zugeflossen ist ("erzielt" im Sinne einer wesentlichen Änderung nach § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X), zur Bedarfsdeckung zur Verfügung stand und daher im Verteilzeitraum zu berücksichtigen war. Bereits hierin lag die wesentliche Änderung, die dazu führte, dass der Beklagte den Bewilligungsbescheid unter den nunmehr objektiv vorliegenden Verhältnissen nicht oder nicht wie geschehen hätte erlassen dürfen (vgl BSG SozR 1300 § 48 Nr 44). Ein späterer Verbrauch als weiteres Ausgabeverhalten des Hilfebedürftigen während des Verteilzeitraums ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Insofern hat der 14. Senat zu Recht betont, dass bei der Anwendung des § 48 SGB X - wegen Nichtanzeige der zugeflossenen Einnahme - mit Wirkung für die Vergangenheit nicht eine aktuelle Bedarfslage ungedeckt blieb - also eine Hilfebedürftigkeit tatsächlich bestand, sondern erst nach Aufhebung der Bewilligung bezogen auf die Vergangenheit und Rückforderung und daher regelmäßig und auch hier erst künftig eine Verbindlichkeit gegenüber dem Träger der Grundsicherung entstehe(vgl BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 33/12 R - BSGE 112, 229 = SozR 4-4200 § 11 Nr 57, RdNr 15).

26

5. Ausgehend von einer rechtmäßigen Aufhebung der Bewilligung für den Zeitraum vom 1.12.2005 bis 31.3.2006 vermochte der Senat anhand der bisherigen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht abschließend zu entscheiden, in welcher Höhe die Erstattungsforderung für diesen Zeitraum rechtmäßig ist. Gemäß § 40 Abs 2 S 1 SGB II in der bis zum 31.3.2006 geltenden Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 2954) sind - abweichend von § 50 SGB X - 56 vom Hundert der bei der Leistung nach § 19 S 1 Nr 1 und S 2 sowie § 28 berücksichtigten Kosten für Unterkunft, mit Ausnahme der Kosten für Heizungs- und Warmwasserversorgung, nicht zu erstatten. S 1 gilt nicht in Fällen des § 45 Abs 2 S 3 SGB X(§ 40 Abs 2 S 2 SGB II). Bis zum 31.3.2006 war eine Rückausnahme von der nur reduziert möglichen Rückforderung von Unterkunftskosten bei einer Aufhebung nach § 48 Abs 1 S 2 SGB X gesetzlich nicht vorgesehen. Eine ohnehin nur in engen Grenzen mögliche analoge Anwendung einer Regelung zum Nachteil von Leistungsberechtigen (vgl BSG Urteil des Senats vom 23.8.2012 - B 4 AS 32/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 61 RdNr 24 mwN) scheidet schon deshalb aus, weil die Bezugnahme auf § 48 Abs 1 S 2 SGB X aufgrund der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit vom 15.10.2003 (vgl BT-Drucks 15/1728 S 190; BT-Drucks 15/1749 S 33) aus dem ursprünglichen Gesetzentwurf (BT-Drucks 15/1516 = BT-Drucks 15/1638 S 18) gestrichen worden ist (Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, K § 40 RdNr 723, Stand 6/2012).

27

Für den Aufhebungszeitraum vom 1.12.2005 bis 31.3.2006 ist die Erstattungsforderung daher um den in § 40 Abs 2 S 1 SGB II genannten Anteil zu reduzieren. Insofern sind noch Feststellungen des LSG zu den in den aufgehobenen Bewilligungsbescheiden vom 26.10.2005 und 31.3.2006 berücksichtigten (nicht den tatsächlichen) Unterkunftsbedarfen (Aubel in jurisPK-SGB II, § 40 RdNr 135, Stand 12/2012) sowie zur Höhe der für die Heizungs- und Warmwasserversorgung angesetzten Kosten erforderlich.

28

6. a) Soweit die Aufhebung der Bewilligungsbescheide und die Erstattung für die weiter streitigen Bewilligungsabschnitte vom 1.4.2006 bis 30.9.2006 und 1.10.2006 bis 31.3.2007 betroffen ist, ist die Revision der Klägerin im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet.

29

Grundlage für die Rücknahme dieser Bescheide ist § 40 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB II iVm § 330 Abs 2 SGB III iVm § 45 Abs 2 S 3 Nr 2 SGB X. Wegen der für einen angemessenen Verteilzeitraum zu berücksichtigenden einmaligen Einnahme aus der Abfindungszahlung können diese Bescheide nur von Beginn an rechtswidrig sein. Einer Rücknahme nach § 45 SGB X steht nicht schon entgegen, dass der Beklagte den Bescheid vom 31.1.2007 auf § 48 SGB X gestützt hat. Da der angefochtene Bescheid in seinem Verfügungssatz nicht geändert worden ist und die Rücknahme nur mit einer anderen Rechtsgrundlage begründet wird, sind die Voraussetzungen einer Umdeutung nach § 43 SGB X hier nicht zu prüfen(vgl BSG SozR 3-1300 § 45 Nr 42 S 138; BSG SozR 3-1300 § 24 Nr 21 S 61). Ein Austausch der Rechtsgrundlage aus dem Bescheid des Beklagten vom 31.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2007 ist möglich, weil nach § 45 Abs 2 S 3 Nr 2 SGB X ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt - wegen § 330 Abs 2 SGB III - gleichfalls ohne Ermessensausübung - mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist, soweit er auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Dies ist hier der Fall (vgl hierzu unter d).

30

b) Bezogen auf eine Rücknahme nach § 45 Abs 2 S 3 Nr 2 SGB X fehlt es aber an tatsächlichen Feststellungen dazu, ob die mit dem streitgegenständlichen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 31.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2007 aufgehobenen Bewilligungsbescheide vom 24./25.4.2006 und 13.5.2006 (Bewilligungsabschnitt vom 1.4.2006 bis 30.9.2006) und vom 14.9.2006 (Bewilligungsabschnitt vom 1.10.2006 bis 31.3.2007) objektiv anfänglich rechtswidrig iS des § 45 SGB X waren. Dies war der Fall, wenn der Klägerin Leistungen bewilligt worden sind, obwohl sie aufgrund der Abfindungszahlung über noch ausreichend bedarfsdeckendes Einkommen verfügte, also nicht hilfebedürftig war. Zwar spricht hierfür die normative Verteilregelung des § 2 Abs 3 S 3 Alg II-V, die grundsätzlich vorsieht, dass eine einmalige Einnahme - unabhängig vom Ablauf eines Bewilligungsabschnitts und einer erneuten Antragstellung über den angemessenen Zeitraum von zwölf Monaten als oberste Grenze - zu verteilen und weiterhin zu berücksichtigen ist.

31

Aufgrund der rechtlichen Ausgangslage bei § 45 SGB X ist jedoch zu prüfen, ob die von der Klägerin bei den erneuten Antragstellungen am 7.4.2006 und 12.9.2006 angegebene Hilfebedürftigkeit wegen des Nichtvorhandenseins von Mitteln zur Deckung des Lebensunterhalts dennoch tatsächlich gegeben war, weil hier ein (zwischenzeitlicher) Verbrauch der zugeflossenen Mittel geltend gemacht wird. Waren die Mittel aus der Abfindung tatsächlich und unwiederbringlich verbraucht, standen "bereite Mittel" also bei den erneuten Bewilligungen tatsächlich - auch nicht als Restbeträge - zur Verfügung, erweisen sich diese nicht als anfänglich rechtswidrig iS von § 45 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X. Insofern haben die tatsächlichen Verhältnisse gegenüber der nur normativen und als Berechnungsgrundlage zu verstehenden Regelung des § 2 Abs 3 Alg II-V den Vorrang(Geiger in LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, RdNr 9 zu § 11; aA LSG Rheinland-Pfalz Urteil vom 27.4.2010 - L 3 AS 79/08 - und LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 15.4.2011 - L 13 AS 333/10 - RdNr 34 f; vgl hierzu auch BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 33/12 R - BSGE 112, 229 = SozR 4-4200 § 11 Nr 57, RdNr 16 f mit Verweis auf § 34 SGB II). Ist nach weiteren Feststellungen des LSG eine anfängliche Rechtswidrigkeit der bezeichneten Bewilligungsbescheide zu bejahen, ist weiter zu prüfen, ob - nach Ablauf des zwölfmonatigen Verteilzeitraums zum 31.12.2006 - ein ggf noch vorhandener Betrag aus der Abfindung als zu berücksichtigendes Vermögen die Rücknahme der bestandskräftigen Bewilligung auch für den Zeitraum vom 1.1.2007 bis 31.3.2007 rechtfertigen konnte. Auch insofern müssten allerdings die formellen Voraussetzungen (§ 24 SGB X) zu bejahen sein.

32

c) Das LSG wird also zu prüfen haben, ob, in welcher Höhe und wann die Abfindungszahlung für die Anschaffung eines Pkw sowie einer Küche bereits Anfang 2006 verwendet und daher (auch) etwaige Restbeträge aus der Abfindung bei der Antragstellung und Bewilligung im April 2006 bzw September 2006 nicht mehr vorhanden waren und auch nicht realisiert werden konnten. Insofern liegt die objektive Feststellungslast für das Vorliegen einer anfänglichen Rechtswidrigkeit - nach Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten zur Aufklärung des Sachverhalts - zwar grundsätzlich bei der Behörde. Es dürfte aber eine Beweislastumkehr zu erwägen sein. Diese hat das BSG zB für tatsächliche Fallgestaltungen anerkannt, in denen der Gegner der beweisbelasteten Partei den Beweis vereitelt oder erschwert oder die Beweisführung unmöglich ist, weil die zu beweisenden Tatsachen sich im Bereich des Gegners abgespielt haben und dieser an der ihm möglichen Sachverhaltsaufklärung nicht oder nicht rechtzeitig mitgewirkt hat (vgl insgesamt BSGE 95, 57, 64 = SozR 4-1300 § 48 Nr 6; auch BSG SozR 4-1500 § 128 Nr 5). Die in arbeitsförderungsrechtlichen Angelegenheiten zuständigen Senate haben dies vor allem bei unterlassenen Angaben zu Vermögenswerten bei der Antragstellung angenommen (BSGE 96, 238, 245 f = SozR 4-4220 § 6 Nr 4; BSG Urteil vom 28.8.2007 - B 7/7a AL 10/06 R).

33

d) Kommt das LSG nach erneuter Prüfung zu dem Ergebnis, dass eine anfängliche Rechtswidrigkeit der aufgehobenen Bewilligungsbescheide vorlag, wird es davon ausgehen können, dass diese auf Angaben beruhte, die die Klägerin als Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Dem gleichzustellen ist eine vorsätzlich oder grob fahrlässig unterlassene Mitteilung von wesentlichen Änderungen in den Verhältnissen, welche kausal zu der Leistungsbewilligung geführt hat (vgl zuletzt Urteil des Senats vom 28.3.2013 - B 4 AS 59/12 R - SozR 4-1300 § 45 Nr 13 RdNr 22, zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen).

34

Auf Grundlage der bindenden Feststellungen des LSG ist davon auszugehen, dass weder die Klägerin noch S die Zahlung der Abfindung vor Erlass der Bewilligungsbescheide vom 24./25.4.2006 und 14.9.2006 mitgeteilt haben. Hierzu wären sie jedoch verpflichtet gewesen, weil die Zahlung der Abfindung erkennbar eine wesentliche Veränderung in den Verhältnissen bewirkt hat. Das LSG hat zutreffend erst die Vorlage der Lohn- und Gehaltsabrechnung zum 26.9.2006 als maßgeblichen Zeitpunkt der Kenntniserlangung des Beklagten hinsichtlich der einmaligen Einnahme in Form der Abfindung angesehen. Vor diesem Zeitpunkt hatte der Beklagte nur bruchstückhafte Informationen über einen generellen Geldzufluss erhalten, ohne dass sich aus diesen die Zahlung einer einmaligen Einnahme hat erkennen lassen. Der Klägerin ist schließlich zumindest der Schuldvorwurf eines grob fahrlässigen Handelns zu machen. Den Antragsunterlagen zum Bewilligungsabschnitt ab dem 1.4.2006 waren die - vom LSG als manipuliert bewerteten - Kontoauszüge von S ua für den Monat Dezember 2005 beigefügt, die einen unzutreffenden Kontostand in Höhe von nur 959,73 Euro anstatt von 6959,73 Euro enthielten. Die unrichtige Angabe wirkte sich sowohl auf den Bewilligungsbescheid vom 24./25.4.2006 als auch auf denjenigen vom 14.9.2006 aus, weil die Angabe aus April 2006 bis zur Vorlage der Lohn- und Gehaltsabrechnung am 26.9.2006 "fortwirkte".

35

7. Die Höhe der Erstattungsforderung ist von der weiteren Sachaufklärung des LSG zur Rechtmäßigkeit der Aufhebungsentscheidung abhängig. Das LSG hat zu Recht die bereits mit dem bestandskräftigen Bescheid vom 13.9.2006 für Juni bis September 2006 zurückgeforderten Leistungen in Höhe von 62,80 Euro berücksichtigt. Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Revisionen der Kläger werden die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 6. August 2012 und des Sozialgerichts Düsseldorf vom 26. März 2012 sowie der Bescheid des Beklagten vom 12. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. November 2011 aufgehoben.

Der Beklagte wird verurteilt, als Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts monatlich von August bis Dezember 2011 an die Klägerin zu 1) 132,31 Euro und den Kläger zu 2) 132,30 Euro und für Januar 2012 an die Klägerin zu 1) 141,41 Euro und den Kläger zu 2) 141,40 Euro zu zahlen.

Der Beklagte hat den Klägern die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits in allen drei Instanzen zu erstatten.

Tatbestand

1

Umstritten ist die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1.8.2011 bis 31.1.2012.

2

Die im Jahr 1970 geborene, erwerbsfähige Klägerin zu 1, ihre Kinder R (geboren am 5.2.2006) und L (geboren am 10.9.2008) sowie der mit ihnen in einer gemeinsamen Wohnung lebende, im Jahr 1966 geborene, erwerbsfähige Kläger zu 2, mit dem sie seit September 2011 verheiratet ist, bezogen seit Mitte des Jahres 2005 laufend Leistungen nach dem SGB II. Durch Beschluss des Amtsgerichts (AG) Düsseldorf vom 18.1.2007 (513 IK 4/07) wurde über das Vermögen der Klägerin zu 1 ein Insolvenzverfahren eröffnet und mit Beschluss vom 31.8.2007 die Restschuldbefreiung gemäß § 291 Insolvenzordnung (InsO) angekündigt. Am 18.11.2010 verstarb der Vater der Klägerin zu 1 und diese wurde Erbin (Erbschein AG Neuss - 132 VI 1/11). Die Klägerin zu 1 teilte der Rechtsvorgängerin des Beklagten (im Folgenden einheitlich: Beklagter) mit, dass sie die Erbschaft annehmen wolle, diese aber nach Aussage ihres Treuhänders zur Hälfte in die Insolvenzmasse falle. Für die Zeit vom 1.3. bis zum 31.7.2011 bewilligte der Beklagte den Klägern und den Kindern letztlich Leistungen von monatlich 1389 Euro, die zumindest im Juli 2011 im Voraus gezahlt wurden.

3

Am 15.7.2011 wurden die Konten des Vaters aufgelöst und die Klägerin zu 1 erhielt 15 286,35 Euro, von denen sie die Hälfte (7643,17 Euro) unmittelbar auf ein Konto des gerichtlich bestellten Treuhänders überwies. Im Rahmen ihres Weiterbewilligungsantrags gab die Klägerin zu 1 an, monatlich betrage die Grundmiete für die Wohnung 404 Euro, die Heizkostenvorauszahlung 110 Euro, die übrige Nebenkostenvorauszahlung 165 Euro, die Miete für eine Garage 39,25 Euro, das Einkommen des Klägers zu 2 110 Euro, das Kindergeld 368 Euro, die Beiträge für die Kfz-Haftpflichtversicherung 40 Euro, die Hausratversicherung 16,36 Euro, die Haftpflichtversicherung 7,20 Euro. Der Beklagte lehnte Leistungen nach dem SGB II für die Klägerin zu 1 und die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen, den Kläger zu 2 und die Kinder, ab, weil die Klägerin zu 1 am 15.7.2011 ein Einkommen von 15 286,35 Euro erhalten habe, das auf sechs Monate aufzuteilen sei und zu einer monatlichen Anrechnung von 2547,73 Euro führe (Bescheid vom 12.8.2011, Widerspruchsbescheid vom 9.11.2011). Ab dem 1.2.2012 haben die Kläger wieder Leistungen nach dem SGB II erhalten, zuvor zahlten sie monatliche Beiträge für ihre Krankenversicherung von 150 Euro.

4

Das Sozialgericht (SG) hat die der anwaltlich vertretenen, nur von den Klägern, nicht aber den Kindern erhobene und auf die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II unter Anrechnung nur der Hälfte der Erbschaft als Einkommen gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 26.3.2012). Das Landessozialgericht (LSG) hat ihre Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 6.8.2012) und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Kläger hätten keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II vom 1.8.2011 bis zum 31.1.2012 gehabt, weil sie nicht hilfebedürftig gewesen seien. Obwohl der Erbfall am 18.11.2010 eingetreten sei, seien die 15 286,35 Euro bei der Klägerin zu 1 und den mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen erst mit dem Zufluss am 15.7.2011 als bereite Mittel und damit als Einkommen zu berücksichtigen und auf die folgenden sechs Monate zu verteilen. Es sei der gesamte Betrag zu berücksichtigen und nicht nur die Hälfte, auch wenn die Klägerin zu 1 eine Hälfte an den Treuhänder im Rahmen ihres Insolvenzverfahrens überwiesen habe. Die Klägerin zu 1 habe den gesamten Betrag erlangt und dann erst die eine Hälfte an den Treuhänder überwiesen und damit private Schulden getilgt. Aus der Subsidiarität der staatlichen Fürsorge folge, dass diese erst eingreife, wenn die hilfebedürftige Person die ihr zur Verfügung stehenden Mittel verbraucht habe. Aus insolvenzrechtlichen Regelungen folge nichts anderes, zumal die Klägerin zu 1 - insofern unschädlich - die Erbschaft auch habe ausschlagen können. Der Verteilzeitraum folge aus § 11 Abs 3 SGB II, der monatliche Bedarf der Kläger und der Kinder habe von August bis Dezember 2011 ausgehend von den jeweiligen Regelbedarfen zuzüglich der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung unter Einbeziehung der Garagenmiete und des Krankenversicherungsbeitrags maximal 1954,25 Euro und für Januar 2012 aufgrund der Erhöhung der Regelbedarfe 1992,25 Euro betragen. Dem stehe ein zu berücksichtigendes monatliches Einkommen der Bedarfsgemeinschaft von 2880,72 Euro gegenüber.

5

Mit ihren - vom LSG zugelassenen - Revisionen rügen die Kläger die Verletzung des § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II. Die von der Klägerin zu 1 aufgrund ihrer Obliegenheit nach § 295 Abs 1 Nr 2 InsO an den Treuhänder überwiesene eine Hälfte des Erbteils stelle kein Einkommen dar, das als bereite Mittel der Bedarfsgemeinschaft zur Verfügung gestanden habe und deshalb die Hilfebedürftigkeit in der umstrittenen Zeit gänzlich entfallen lasse. Nach § 287 InsO habe die Klägerin eine Pflicht zur privaten Schuldentilgung, die das LSG nicht ausreichend berücksichtigt habe. Sowohl Treuhänder als auch Beklagter hätten auf die Verpflichtung zum - jeweiligen - Einsatz der Erbschaft hingewiesen.

6

Die Kläger beantragen
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 6. August 2012 und des Sozialgerichts Düsseldorf vom 26. März 2012 sowie den Bescheid des Beklagten vom 12. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. November 2011 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihnen für die Zeit vom 1. August 2011 bis zum 31. Januar 2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Berücksichtigung nur der Hälfte des Erbes als Einkommen zu gewähren.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Auf die zulässigen Revisionen der Kläger sind die Urteile des LSG Nordrhein-Westfalen vom 6.8.2012 und des SG Düsseldorf vom 26.3.2012 sowie der Bescheid des Beklagten vom 12.8.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.11.2011 aufzuheben und ist der Beklagte zu verurteilen, als Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts monatlich von August bis Dezember 2011 an die Klägerin zu 1 132,31 Euro und den Kläger zu 2 132,30 Euro und für Januar 2012 an die Klägerin zu 1 141,41 Euro und den Kläger zu 2 141,40 Euro zu zahlen.

9

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind neben der Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidungen und der Bescheide des Beklagten die Begehren der Klägerin zu 1 und des Klägers zu 2, den Beklagten zur Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II an sie vom 1.8.2011 bis zum 31.1.2012 zu verurteilen. Leistungen für die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Kinder R und L sind von Anfang an nicht Gegenstand des Gerichtsverfahrens gewesen, wie bereits die Klage der damals schon anwaltlich vertretenen Kläger zeigt.

10

2. Rechtsgrundlage für den von den Klägern geltend gemachten und von dem Beklagten sowie von SG und LSG verneinten Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II sind § 19 Abs 1 iVm § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II in der für die strittige Zeit geltenden Bekanntmachung der Neufassung vom 13.5.2011 (BGBl I 850), denn für Rechtsstreitigkeiten über schon abgeschlossene Bewilligungsabschnitte ist das zum damaligen Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden.

11

Die Grundvoraussetzungen bestimmtes Alter, Erwerbsfähigkeit, gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland, um die genannten Leistungen zu erhalten, nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II erfüllten die Kläger, es lag auch kein Ausschlusstatbestand vor(vgl § 7 Abs 1 Satz 2, Abs 4, 5 SGB II), wie es sich aus den nicht umstrittenen Feststellungen des LSG ergibt. Entgegen der Beurteilung des LSG waren die Kläger in der strittigen Zeit auch hilfebedürftig und hatten die oben zugesprochenen Ansprüche gegen den Beklagten.

12

Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen sichern können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebende Partnerin oder lebenden Partner zu berücksichtigen. Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig, dabei bleiben die Bedarfe nach § 28 SGB II außer Betracht(§ 9 Abs 1, 2 Satz 1 bis 3 SGB II).

13

Die Klägerin zu 1 und der Kläger zu 2, die in der strittigen Zeit zunächst als Partner zusammenlebten und dann im September 2011 heirateten, bildeten zusammen mit den Kindern R und L eine Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs 3 SGB II).

14

Die monatlichen Ansprüche der Klägerin zu 1 von 132,31 Euro und des Klägers zu 2 von 132,30 Euro für die Monate August bis Dezember 2011 folgen aus einem Bedarf der Klägerin zu 1 von 507,57 Euro und des Klägers zu 2 von 507,56 Euro (dazu 3.) und einem jeweils auf den Bedarf anzurechnenden Einkommen von (nur) 375,26 Euro (dazu 4.).

15

3. Der Bedarf belief sich in den Monaten August bis Dezember 2011 für die Klägerin zu 1 auf 507,57 Euro und für den Kläger zu 2 auf 507,56 Euro und setzt sich aus dem Regelbedarf von 328 Euro (§ 20 Abs 4 SGB II)und den Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung der Klägerin zu 1 von 179,57 Euro und des Klägers zu 2 von 179,56 Euro (§ 22 Abs 1 SGB II) zusammen.

16

Die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung ergeben sich aus den tatsächlichen, nach den von keinem Beteiligten gerügten Feststellungen des LSG angemessenen Aufwendungen für die Wohnung der Kläger von monatlich (Grundmiete 404 Euro + Heizkostenvorauszahlung 110 Euro + Nebenkostenvorauszahlung 165 Euro + Garagenmiete 39,25 Euro =) 718,25 Euro, aufgeteilt auf die vier Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sind es für drei Personen 179,56 Euro und für eine 179,57 Euro. Die Miete für die Garage ist als Teil der Aufwendungen für die Unterkunft zu berücksichtigen, weil nach dem Mietvertrag der Kläger mit der Anmietung der Wohnung die Anmietung der Garage zwingend verbunden ist (vgl BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 28).

17

Die Voraussetzungen für weitere Bedarfe der Kläger, insbesondere nach § 21 SGB II, sind vom LSG nicht festgestellt und von keinem Beteiligten sind insofern Rügen erhoben worden. Die Beiträge für die Krankenversicherung sind nicht als Bedarf nach § 26 SGB II zu berücksichtigen.

18

4. Als Einkommen sind auf diesen Bedarf der Kläger in den Monaten August bis Dezember 2011 jeweils nur 375,26 Euro zu berücksichtigen; zu berücksichtigendes Vermögen (vgl § 12 SGB II)ist keins vorhanden.

19

Das zu berücksichtigende Einkommen errechnet sich ausgehend von dem Erbe der Klägerin zu 1 (dazu a) und dem Erwerbseinkommen des Klägers zu 2 (dazu b) - unter Berücksichtigung der vorzunehmenden Absetzbeträgen - sowie der Verteilung des Einkommens innerhalb der Bedarfsgemeinschaft nach § 9 Abs 2 SGB II(dazu c).

20

a) Von dem Erbe der Klägerin zu 1 sind, da nur von der verbliebenen Hälfte auszugehen ist, insgesamt nur 1053,86 Euro pro Monat als Einkommen zu berücksichtigen.

21

(1) Das LSG ist ebenso wie die Beteiligten zu Recht davon ausgegangen, dass das Erbe der Klägerin zu 1 aufgrund des Todes ihres Vaters am 18.11.2010 als Einkommen nach § 11 Abs 1 SGB II zu berücksichtigen ist, weil sie seit Mitte des Jahres 2005 bis Ende Juli 2011 und damit auch zu diesem Zeitpunkt im Leistungsbezug nach dem SGB II stand(stRspr des Bundessozialgerichts vgl nur Urteil vom 25.1.2012 - B 14 AS 101/11 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 47 RdNr 19 f mwN). Ebenfalls zutreffend ist die Beurteilung des LSG, dass dieses Erbe erst mit der Auskehrung des Auseinandersetzungsguthabens in Höhe von 15 286,35 Euro am 15.7.2011 als bereite Mittel zur Verfügung stand und damit erst ab diesem Zeitpunkt als Einkommen berücksichtigt werden kann (BSG aaO RdNr 22 f).

22

(2) Nicht gefolgt werden kann jedoch den Vorinstanzen und dem Beklagten, soweit das gesamte Erbe von 15 286,35 Euro als Einkommen berücksichtigt und auf die folgenden sechs Monate von August 2011 bis Januar 2012 verteilt wurde. Vielmehr ist entsprechend dem Begehren der Kläger nur die Hälfte des Erbes zu berücksichtigen.

23

Ob für eine volle Berücksichtigung des Erbes im Rahmen des SGB II als Einkommen - wie das LSG durchaus überzeugend ausgeführt hat - die Subsidiarität der staatlichen Fürsorge gegenüber der Obliegenheit des Schuldners zur Tilgung von privaten Schulden im Rahmen des Insolvenzrechts und zB aus dessen § 295 Abs 1 Nr 2 InsO spricht(so auch Urteil des Senats vom 16.10.2012 - B 14 AS 188/11 R), kann dahinstehen.

24

Entscheidend ist vielmehr, dass der Klägerin zu 1 als bereite Mittel zu Beginn des maßgeblichen Bewilligungsabschnitts am 1.8.2011 nur noch 7643,18 Euro zur Verfügung standen, weil sie nach den nicht bestrittenen Feststellungen des LSG unmittelbar, nachdem sie den Gesamtbetrag von 15 286,35 Euro erhalten hat, davon 7643,17 Euro an den Treuhänder aufgrund ihres Insolvenzverfahrens überwiesen hat. Die Berücksichtigung einer Einnahme als Einkommen setzt voraus, dass das zugeflossene Einkommen als "bereites Mittel" geeignet ist, den konkreten Bedarf im jeweiligen Monat zu decken. Dies gilt auch bei Berücksichtigung einer einmaligen Einnahme über einen Verteilzeitraum hinweg. Zwar muss der Hilfebedürftige sein Einkommen auch dann zur Behebung einer gegenwärtigen Notlage für sich verwenden, wenn er sich dadurch außerstande setzt, anderweitig bestehende Verpflichtungen zu erfüllen (BSG Urteil vom 19.9.2008 - B 14/7b AS 10/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 18 RdNr 25). Dementsprechend ist er bei Zufluss einer einmaligen Einnahme gehalten, das Geld nicht zur Schuldendeckung zu verwenden, sondern über den Verteilzeitraum hinweg zur Sicherung des Lebensunterhalts einzusetzen. Wenn die einmalige Einnahme, deren Berücksichtigung als Einkommen in Rede steht, tatsächlich aber nicht (mehr) uneingeschränkt zur Verfügung steht, ist ein Leistungsanspruch nicht ausgeschlossen. Die Verweigerung existenzsichernder Leistungen aufgrund einer unwiderleglichen Annahme, dass die Hilfebedürftigkeit bei bestimmtem wirtschaftlichen Verhalten - hier dem Verbrauch der einmaligen Einnahme in bestimmten monatlichen Teilbeträgen - (teilweise) abzuwenden gewesen wäre, ist mit Art 1 Grundgesetz (GG) iVm Art 20 GG nicht vereinbar (vgl zuletzt nur BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 33/12 R - vorgesehen für BSGE und SozR 4-4200 § 11 Nr 57, RdNr 13 f für eine Steuerrückerstattung, die die Kläger zur Schuldentilgung verwandt hatten).

25

In dieser Entscheidung (BSG aaO RdNr 17) wird auch darauf hingewiesen, dass ein solches Verhalten einen Ersatzanspruch nach § 34 SGB II auslösen kann, wobei jedoch die Kenntnisse der leistungsberechtigten Person, das Verhalten des Beklagten usw, vorliegend wohl auch das des Treuhänders, der nach Angaben der Klägerin zu 1 "mit Vehemenz" die Hälfte der Erbschaft verlangte, zu beachten sind.

26

(3) Die Verteilung dieses, am 15.7.2011 und nach der Zahlung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für diesen Monat zugeflossenen Einkommens von 7643,18 Euro auf die folgenden sechs Monate nach § 11 Abs 2 SGB II, weil der Leistungsanspruch für zumindest einen Monat entfiele, führt zu einem Monatsbetrag von 1273,86 Euro.

27

(4) Abzusetzen von diesem zu berücksichtigenden monatlichen Einkommen der Klägerin zu 1 sind noch Beiträge für Versicherungen, die gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind (§ 11b Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II), insgesamt 220 Euro aufgrund der Versicherungspauschale von 30 Euro (§ 6 Abs 1 Nr 1 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung), der in ihr nicht enthaltenen Kfz-Haftpflichtversicherung von 40 Euro sowie der aufgrund des durch die Leistungsablehnung des Beklagten andernfalls fehlenden Krankenversicherungsschutzes notwendigen Krankenversicherungsbeitrag von 150 Euro.

28

b) Von dem Erwerbseinkommen des Klägers zu 2 von 110 Euro im Monat sind nach Abzug des Absetzbetrages nach § 11b Abs 2 Satz 1 SGB II von 100 Euro sowie eines weiteren Betrages nach § 11b Abs 3 Satz 1 SGB II von 2 Euro nur 8 Euro zu berücksichtigen.

29

c) Die Verteilung dieses dem Bedarf gegenüberzustellenden Einkommens von (1053,86 + 8 =) 1061,86 Euro auf die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft nach § 9 Abs 2 SGB II führt zu dem bei den Klägern jeweils pro Monat zu berücksichtigenden Betrag von 375,26 Euro.

30

Der Bedarf in den Monaten August bis Dezember 2011 beträgt, wie festgestellt, für die Klägerin zu 1 auf 507,57 Euro und für den Kläger zu 2 auf 507,56 Euro. Der Bedarf der Kinder R und L errechnet sich ausgehend von einem Regelbedarf von 215 Euro (§ 23 Nr 1 SGB II) zuzüglich der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung von 179,56 Euro mit 394,56 Euro. Davon ist das für sie gezahlte Kindergeld abzuziehen, weil dieses als ihr Einkommen gilt (§ 11 Abs 1 Satz 4, 3 SGB II)und nur das Einkommen der Eltern bzw deren Partner beim Bedarf der Kinder nach § 9 Abs 2 Satz 2, 3 zu berücksichtigen ist und nicht umgekehrt, sodass sich ein verbleibender Bedarf von R und L von jeweils 210,56 Euro ergibt. Diese Bedarfe sind in Relation zum Gesamtbedarf von 1436,25 Euro zu setzen, und das innerhalb der Bedarfsgemeinschaft zu verteilende Einkommen ist nach diesen Prozentsätzen den einzelnen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft zuzuordnen (für die Klägerin zu 1 und den Kläger zu 2 ausgehend von 35,43 % jeweils 375, 26 Euro, für R und L ausgehend von 14,66 % jeweils 155,67 Euro.

31

5. Für Januar 2012 ergibt sich aufgrund der Erhöhung der Regelbedarfe zum 1.1.2012 durch die Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2012 vom 17.10.2011 (BGBl I 2090) und einer entsprechenden Berechnung für die Klägerin zu 1 ein Anspruch von 141,41 Euro und für den Kläger zu 2 von 141,40 Euro.

32

6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und berücksichtigt, dass die Kläger von Anfang an mit der Anrechnung der Hälfte des Erbes als Einkommen einverstanden waren.

Tenor

Auf die Sprungrevision des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 22. Dezember 2009 (S 40 AS 2407/08) aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Aufhebung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Zeitraum vom 1.10.2005 bis 31.12.2005 und die Erstattung der gewährten Leistungen in Höhe von 1454,28 Euro.

2

Der alleinstehende Kläger stellte erstmals am 31.3.2005 einen Antrag auf Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Zu Einkünften aus selbstständiger oder anderer Tätigkeit machte er keine Angaben. Auf dem Zusatzblatt 2 findet sich mit grünem Stift - der Beraterin - die Einfügung: "Ich-AG 3.2.03 - 1 Jahr Förderung". Der Beklagte gewährte dem Kläger alsdann Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, zunächst für den Zeitraum vom 31.3. bis 30.9.2005 (Bescheid vom 19.4.2005). Einkommen des Klägers berücksichtigte er bei der Berechnung der Leistungshöhe nicht. In seinem Fortzahlungsantrag vom 28.7.2005 gab der Kläger keine Änderungen der Verhältnisse an, woraufhin der Beklagte Alg II in der selben Höhe wie zuvor (monatlich: 601,89 Euro; Regelleistung: 331 Euro; KdU: 270,89 Euro) auch für den Zeitraum vom 1.10.2005 bis 31.3.2006 bewilligte (Bescheid vom 16.8.2005 ).

3

Auf eine Einladung des Beklagten zu einem Gespräch über seine berufliche Situation und zur Vorlage seiner Bewerbungen legte der Kläger am 29.12.2005 eine Änderungsmitteilung vor und gab an, er werde vom 9.1.2006 bis 28.2.2006 selbstständig tätig sein (Abbruch, Entkernung, Maurerarbeiten). Zusammen mit dieser Änderungsmitteilung füllte der Kläger das Zusatzblatt 2.1. (Einkommenserklärung) aus und legte die Anlage GSE zu seiner Einkommensteuererklärung für 2004 vor. Er teilte zunächst voraussichtliche Betriebseinnahmen in Höhe von 750 Euro sowie -ausgaben in Höhe von 225 Euro mit. Der Gewinn habe sich gegenüber den Vorjahren verringert, weil sich die Auftragslage verschlechtert habe. Im Mai und August 2006 reichte der Kläger ferner Betriebswirtschaftliche Auswertungen (BWA) für die Jahre 2005 und für die bereits abgelaufenen Monate des Jahres 2006 ein und legte mit einem weiteren Fortzahlungsantrag im Januar 2007 eine am 3.1.2007 erstellte betriebswirtschaftliche Auswertung vor, aus der sich für das Jahr 2005 insgesamt ein vorläufiges positives betriebswirtschaftliches Ergebnis von 8581,40 Euro ergibt, darunter im letzten Quartal 2005 - dem hier streitgegenständlichen Zeitraum - in Höhe von 10 115,44 Euro. Am 16.7.2007 gab der Kläger den Einkommensteuerbescheid für 2005 zu den Akten, der Einkünfte aus Gewerbebetrieb als Einzelunternehmer in Höhe von 10 405 Euro ausweist. In einem vom Kläger beigefügten Schreiben des Steuerberaters wird zur Erläuterung ausgeführt, dass der Gewinn nach § 4 Abs 3 EStG ermittelt worden sei und sich der in dem Steuerbescheid angesetzte Gewinn in Höhe von 10 405 Euro aus zwei Positionen zusammensetze - einem Gewinnanteil aus laufendem Geschäftsbetrieb in Höhe von 381 Euro und einem Gewinnanteil in Höhe von 10 024 Euro, der aus der Auflösung, Neubildung und Verzinsung von Sonderposten mit Rücklageanteil nach § 7g EStG (Ansparabschreibungen) entstanden sei. In dem Schreiben heißt es weiter: "Der hohe Gewinn des Jahres 2003 wurde im Rahmen der gesetzlichen Regelungen des § 7g EStG in die Folgejahre verschoben. Dieser Gewinnanteil ist im Jahr 2005 nicht zugeflossen und stand damit nicht zur Bestreitung des Lebensunterhaltes zur Verfügung."

4

Daraufhin führte der Beklagte eine Neuberechnung der Leistungen für den Zeitraum vom 1.10.2005 bis 31.3.2006 durch und hob mit Bescheid vom 24.1.2008 den Bewilligungsbescheid vom 16.8.2005 sowie den Änderungsbescheid vom 8.8.2006 unter Hinweis auf § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X auf. Mit Änderungsbescheid vom 24.4.2008 wurde die Leistungsbewilligung für den noch streitigen Zeitraum vom 1.10.2005 bis 31.12.2005 - der Rechtsstreit hat sich für den Zeitraum ab 1.1.2006 durch angenommenes Teilanerkenntnis in der mündlichen Verhandlung vor dem SG Dresden erledigt - teilweise in Höhe von monatlich 587,59 Euro aufgehoben und die Erstattungsforderung für diesen Zeitraum auf monatlich 484,76 Euro, insgesamt 1454,28 Euro, reduziert. Den Widerspruch des Klägers vom 28.1.2008 wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 25.4.2008 zurück.

5

Durch Urteil vom 22.12.2009 hat das SG die Klage hiergegen abgewiesen. Die streitbefangenen Bescheide seien - im Gegensatz zur Auffassung des Klägers - inhaltlich hinreichend bestimmt. Der Beklagte habe die rückwirkende Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 16.8.2005 zutreffend auf § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X gestützt. Der Bescheid vom 16.8.2005 sei bei seinem Erlass rechtmäßig gewesen und es sei eine wesentliche Änderung durch Zufluss von Einkommen eingetreten. Für den Beklagten habe aufgrund der Angaben des Klägers im Leistungsantrag weder Veranlassung bestanden, den Bewilligungsbescheid vom 16.8.2005 nur vorläufig zu erlassen, noch aufgrund der Angaben des Klägers in seinem Antrag auf Bewilligung von Alg II zu vermuten, dass sich im Leistungszeitraum Einkünfte - in wechselnder Höhe - aus selbstständiger Tätigkeit ergeben könnten. Die Kammer glaube dem Kläger, dass er beim Ausfüllen des Antrags weder Einkünfte gehabt, noch solche erwartet und deswegen die entsprechenden Felder des Antrags nicht angekreuzt habe. Zu Recht habe der Beklagte die Höhe des dann zugeflossenen Einkommens ausgehend vom steuerrechtlichen Gewinn ermittelt. Insofern komme dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2005 Tatbestandswirkung zu. Der auf die Auflösung der Ansparabschreibungen entfallende Gewinnanteil sei nicht abzuziehen. Die Auflösung der Rücklage fließe dem Steuerpflichtigen zu, weil Gelder, die ursprünglich für eine Investition vorgesehen und gebunden gewesen seien, nun wieder - auch zur Bestreitung des Lebensunterhalts - zur Verfügung gestanden hätten. Das SG hat die Sprungrevision zugelassen. Der Beklagte hat der Einlegung zugestimmt.

6

Der Kläger rügt mit der Revision (sinngemäß) eine Verletzung des § 11 Abs 1 SGB II und des § 2a Abs 1 Alg II-V iVm § 15 Abs 1 SGB IV. Zu Unrecht habe das SG die Feststellungen des Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2005 zugrunde gelegt. Die Auflösung der im Jahr 2003 gebildeten Ansparabschreibung habe nicht berücksichtigt werden dürfen. Hierbei handele es sich um einen im Jahr 2003 und nicht im maßgeblichen Zeitraum 2005 zugeflossenen Gewinn. Allein durch die Ausweisung der aufgelösten Ansparabschreibung stünden ihm keine bereiten Mittel zur Verfügung. Das Geld sei bereits im vorangegangenen Geschäftsjahr zur Deckung der laufenden Betriebskosten verwendet worden.

7

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 22. Dezember 2009 (S 40 AS 2407/08) sowie den Bescheid des Beklagten vom 24. Januar 2008 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 24. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. April 2008 aufzuheben.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er schließt sich den Ausführungen des SG an.

Entscheidungsgründe

10

Die Sprungrevision ist im Sinne der Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das SG begründet.

11

Der Senat vermochte nicht abschließend zu beurteilen, ob der aufgehobene Bewilligungsbescheid vom 16.8.2005 von Anfang an rechtswidrig war (§ 45 SGB X) oder durch eine wesentliche Änderung der Verhältnisse nachträglich rechtswidrig geworden ist (§ 48 SGB X). Es ist vom SG nicht festgestellt worden, ob bei Bescheiderteilung nach den objektiven Verhältnissen Hilfebedürftigkeit vorlag oder die Hilfebedürftigkeit ggf im Verlaufe des streitigen Zeitraumes entfallen ist.

12

1. Das beklagte Jobcenter ist gemäß § 70 Nr 1 SGG beteiligtenfähig(vgl Urteile des Senats vom 18.1.2011, ua B 4 AS 99/10 R). Nach § 76 Abs 3 Satz 1 SGB II ist die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisherigen beklagten Arbeitsgemeinschaft getreten. Dieser kraft Gesetzes eintretende Beteiligtenwechsel wegen der Weiterentwicklung der Organisation des SGB II stellt keine im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung dar.

13

Der Senat hat ebenfalls bereits entschieden, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Vorschrift des § 44b SGB II bestehen, weil der Gesetzgeber sich bei der einfachgesetzlichen Ausgestaltung innerhalb des von Art 91e Abs 1 und 3 GG eröffneten Gestaltungsspielraums bewegt(BSG Urteile vom 18.1.2011, ua B 4 AS 99/10 R).

14

2. Streitgegenstand ist der Bescheid des Beklagten vom 24.1.2008 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 24.4.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.4.2008, mit dem der Beklagte die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II teilweise aufgehoben hat und eine Erstattungsforderung in Höhe von 1454,28 Euro für den noch streitigen Zeitraum vom 1.10.2005 bis 31.12.2005 geltend gemacht hat. Der Kläger hat ihn zutreffend mit der Anfechtungsklage angegriffen.

15

3. Ob der Beklagte die Aufhebungsentscheidung - die Rechtswidrigkeit der Leistungsbewilligung unterstellt (s hierzu unter b) - auf § 48 SGB X stützen konnte, wie das SG annimmt, oder ob ggf § 45 SGB X als Rechtsgrundlage in Betracht kommt, kann vom erkennenden Senat mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen durch das SG ebenso wenig entschieden werden, wie die Frage, ob der Bewilligungsbescheid materiell-rechtlich rechtswidrig war.

16

a) Nach § 48 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. § 45 SGB X regelt, dass ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise zurückgenommen werden darf. § 45 SGB X findet also Anwendung, wenn der Verwaltungsakt bereits zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig war und deswegen geändert werden soll. Beide Normen grenzen sich nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts, der aufgehoben werden soll, ab (vgl BSGE 96, 285 = SozR 4-4300 § 122 Nr 4 RdNr 13; BSGE 59, 206 = SozR 1300 § 45 Nr 20 S 68 und BSGE 65, 221 = SozR 1300 § 45 Nr 45 S 141; vgl auch Urteil des Senats vom 16.12.2008 - B 4 AS 48/07 R - und zuletzt BSG vom 24.2.2011 - B 14 AS 45/09 R, zur Veröffentlichung vorgesehen). Dabei ist die Verwaltung grundsätzlich verpflichtet, vor Erlass eines Bescheides die Sachlage vollständig aufzuklären (BSG Urteil vom 28.6.1990 - 4 RA 57/89 - BSGE 67, 104, 113 ff = SozR 3-1300 § 32 Nr 2; BSGE 82, 183 = SozR 3-4100 § 71 Nr 2 mwN; BSGE 93, 51 = SozR 4-4100 § 115 Nr 1), um die objektiven Verhältnisse festzustellen. Insoweit kommt es entgegen der Auffassung des SG nicht darauf an, zu welchen Vermutungen die Verwaltung aufgrund der klägerischen Angaben Anlass gehabt hatte. Erlässt die Verwaltung einen endgültigen Bescheid auf Grundlage eines nicht endgültig aufgeklärten Sachverhalts und stellt sich später - nach weiteren Ermittlungen - heraus, dass der Bescheid bereits im Zeitpunkt des Erlasses objektiv rechtswidrig war, ist ein Fall des § 45 SGB X gegeben. Mangelnde Amtsermittlung kann auch niemals Grund für eine nur vorläufige Leistungsbewilligung sein. Der endgültige Bescheid ist umgekehrt kein taugliches Instrumentarium in Fällen, in denen - nicht wegen fehlerhafter Ausübung der Amtsermittlungspflicht, sondern - objektiv nur die Möglichkeit einer prospektiven Schätzung etwa der Einkommenssituation besteht. Eine endgültige Bewilligung unter Abschlag von der Leistungshöhe aufgrund einer prospektiven Schätzung von Einkommen ohne rechtliche Befugnis hierzu ist rechtswidrig (BSGE 93, 51 = SozR 4-4100 § 115 Nr 1). Entscheidet der Träger jedoch endgültig und bewilligt nicht nur vorläufige Leistungen, sind Maßstab der Überprüfung der Aufhebungsentscheidung § 45 oder § 48 SGB X.

17

Die objektiven Verhältnisse zum Zeitpunkt des Bewilligungsbescheides können den Feststellungen des SG jedoch nicht entnommen werden. Das SG hat ausgeführt, aufgrund der Angaben des Klägers in seinem Antrag auf Bewilligung von Alg II sei nicht zu vermuten gewesen, dass sich im Leistungszeitraum Einkünfte - in wechselnder Höhe - aus selbstständiger Tätigkeit ergeben könnten. Die Kammer glaube dem Kläger, dass er beim Ausfüllen des Antrags weder Einkünfte gehabt, noch solche erwartet und deswegen die entsprechenden Felder des Antrags nicht angekreuzt habe. Wenn das Gericht in seinen weiteren Ausführungen gleichwohl davon ausgeht, dass der Kläger Einkommen aus selbstständiger Beschäftigung hatte, brauchte es zwar von seinem Rechtsstandpunkt keine weitere Aufklärung der tatsächlichen Einkommens- und Vermögenssituation vorzunehmen. Insoweit verkennt es jedoch den rechtlichen Maßstab für die Beurteilung, ob eine zur Rechtswidrigkeit führende wesentlich Änderung der Verhältnisse oder eine anfängliche Rechtswidrigkeit gegeben waren.

18

b) Ob der Bewilligungsbescheid vom 16.8.2005 rechtmäßig war, beurteilt sich zuvörderst danach, ob der Kläger die Anspruchsvoraussetzungen für die Leistungsbewilligung nach dem SGB II erfüllt hatte, insbesondere ob er hilfebedürftig war. Nach § 7 Abs 1 Nr 3 iVm § 9 Abs 1 SGB II - jeweils in der Fassung des Gesetzes vom 24.12.2003, BGBl I 2954 - ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Person nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit (Nr 1), aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen (Nr 2) sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

19

Nach § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II - ebenfalls in der Fassung des Gesetzes vom 24.12.2003 - sind als Einkommen Einnahmen in Geld oder Geldeswert, mithin auch Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit zu berücksichtigen. Vom Einkommen sind ua die auf das Einkommen entrichteten Steuern abzuziehen (§ 11 Abs 2 Nr 1 SGB II). § 2a Alg II-V(idF der ersten Verordnung zur Änderung der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung vom 22.8.2005, mit Wirkung vom 1.10.2005, BGBl I 2499) regelt die Einzelheiten der Berechnung des Einkommens aus selbständiger Arbeit sowie Gewerbebetrieb. Nach § 2a Abs 1 Satz 1 und 2 Alg II-V ist dabei vom Arbeitseinkommen iS des § 15 SGB IV unter Verweis ua auf § 15 Abs 1 EStG auszugehen. Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind gemäß § 15 Abs 1 Satz 1 Nr 1 EStG(idF des Art 1 Nr 4 Gesetz vom 22.12.2003, BGBl I 2840 mit Wirkung vom 1.1.2004) Einkünfte aus gewerblichen Unternehmen.

20

Grundsätzlich ist es - im Gegensatz zur Auffassung des Klägers - zwar nicht zu beanstanden, dass das SG von dem Gewinn aus der Auflösung der Ansparrücklage iS des § 7g EStG als Arbeitseinkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit im hier streitigen Zeitraum ausgegangen ist(vgl auch LSG Berlin-Brandenburg 24.4.2007 - L 26 B 422/07 AS ER -; Klattenhoff in Hauck/Noftz, SGB IV, § 15 RdNr 8, Stand 43. EL XII/2005). Gemäß § 15 Abs 1 Satz 1 SGB IV(idF des Art 3 Nr 2 Gesetz zur Reform der Agrarsozialen Sicherung vom 29.7.1994, BGBl I 1890) ist Arbeitseinkommen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit. Nach der Gesetzesbegründung zu § 15 Abs 1 SGB IV(BT-Drucks 12/5700, S 96) soll das Arbeitseinkommen aus dem Steuerbescheid übernommen werden. Die allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts sind die §§ 4 - 7k EStG(vgl Seewald in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 15 SGB IV RdNr 10, Stand 44. EL August 2004). Auch die Regelung des § 7g EStG ist Teil der allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften und damit bei der Ermittlung des Arbeitseinkommens zu berücksichtigen(BSG Urteil vom 6.11.2008 - B 1 KR 28/07 R - SozR 4-2500 § 47 Nr 10; Fischer in jurisPK-SGB IV, 2. Aufl 2011, § 15 RdNr 43).

21

Ansparrücklagen sollen dem Selbstständigen ermöglichen, eine Rücklage für künftige Investitionen zu bilden. Durch ihre Bildung wird verhindert, dass in bestimmter Höhe erzielte Gewinne besteuert werden (siehe zum Ganzen: BSG Urteil vom 5.9.2006 - B 7a AL 38/05 R - SozR 4-4300 § 141 Nr 2). Nach § 7g Abs 3 EStG(in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.10.2002, BGBl I 4210) können Steuerpflichtige für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines Wirtschaftsguts iS des § 7g Abs 1 EStG eine den Gewinn mindernde Rücklage bilden (Ansparabschreibung). Sobald für das begünstigte Wirtschaftsgut Abschreibungen vorgenommen werden dürfen, ist die Rücklage gemäß § 7g Abs 4 Satz 1 EStG in Höhe von 40 vom Hundert der Anschaffungs- oder Herstellungskosten gewinnerhöhend aufzulösen. Ist eine Rücklage am Ende des zweiten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahres noch vorhanden, so ist sie zu diesem Zeitpunkt gemäß § 7g Abs 4 Satz 2 EStG gewinnerhöhend aufzulösen(siehe hierzu Drenseck in Schmidt, EStG, 24. Aufl 2005, § 7g RdNr 24; Lambrecht in EStG-KompaktKommentar, 4. Aufl 2004, § 7g RdNr 48 f; Pinkos, DB 1993, 1688, 1690 ff). Für den Fall, dass der Steuerpflichtige den Gewinn nach § 4 Abs 3 EStG ermittelt, bestimmt § 7g Abs 6 EStG, dass § 7 Abs 3 bis 5 EStG mit Ausnahme von Abs 3 Nr 1(gemeint: Abs 3 Satz 3 Nr 1) mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden ist, dass die Bildung der Rücklage als Betriebsausgabe (Abzug) und ihre Auflösung als Betriebseinnahme (Zuschlag) zu behandeln ist.

22

Die Rücklagenbildung hat zur Folge, dass sie im Jahr der Bildung zu einem buchmäßigen Aufwand führt, unabhängig davon, ob dabei ein Verlust entsteht oder ein bestehender Verlust sich erhöht (§ 7g Abs 3 Satz 4 EStG). Durch die Bildung einer Rücklage erhält der Steuerpflichtige mithin einen Steuervorteil unter der Bedingung, dass er spätestens zwei Jahre nach der (eigenkapitalschonenden) Rücklagenbildung investiert. Die Nichtbesteuerung der erzielten Gewinne in Höhe der Ansparrücklage führt dazu, dass beim Steuerpflichtigen im Jahr der Bildung der Ansparrücklage eine erhöhte Liquidität vorliegt; mit dem Ersparten kann und soll der Steuerpflichtige investieren (vgl BSG Urteil vom 5.9.2006 - B 7a AL 38/05 R - SozR 4-4300 § 141 Nr 2).

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Bei der Ansparrücklage handelt es sich im hier streitigen Zeitraum auch um Einkommen iS des SGB II. Die Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermögen nimmt das SGB II selbst nicht vor. Wie der Senat im Urteil vom 30.9.2008 (B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15; vgl auch Urteil des Senats vom 13.5.2009 - B 4 AS 49/08 R; BSG Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 48/07 R - FEVS 60, 546) dargelegt hat, ist Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB II grundsätzlich alles das, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er vor Antragstellung bereits hatte(ebenso schon BSG Urteil vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 17). Auszugehen ist vom tatsächlichen Zufluss, es sei denn, rechtlich wird ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt.

24

Grundsätzlich gilt für die Ansparrücklage nach diesem Grundsatz - da sie in jedem Fall bereits vor der Antragstellung gebildet wurde und soweit sie im hier streitigen Zeitraum noch vorhanden war -, dass sie als Vermögen zu werten wäre (vgl Urteil des erkennenden Senats vom heutigen Tag im Parallelverfahren für den Zeitraum vor dem Inkrafttreten des § 2a Alg II-V, - B 4 AS 22/10 R). Der Senat knüpft bei dieser Wertung an seine bisherige Rechtsprechung an, wonach ein Sparguthaben eines Leistungsberechtigten, das vor der Antragstellung gebildet wurde, durchgehend Vermögen ist, auch wenn es nach der Antragstellung fällig wird und zufließt (BSG Urteil vom 30.09.2008 - B 4 AS 57/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 16). Dieses gilt insbesondere in Fällen, in denen mit bereits erlangten Einkünften angespart wurde, zB bei Banken, Sparkassen oder Versicherungen. Denn anderenfalls wertete man den Rückgriff auf Erspartes unzulässig erneut als Einkommen. Dementsprechend bleibt ein auf längere Zeit angelegtes Sparguthaben auch bei seiner Auszahlung Vermögen (vgl BVerwG Urteile vom 18.2.1999 - 5 C 16/98 - NJW 1999, 3210 f = juris RdNr 16, und - 5 C 14/98 - NJW 1999, 3137 f = juris RdNr 15). Dieses gilt auch für die Ansparrücklage. Die Ansparrücklage entstammt Jahre zuvor - hier wohl 2003 - erwirtschaftetem Gewinn, war also zum damaligen Zeitpunkt Einkommen und fließt bei ihrer Auflösung in den Betrieb/das Unternehmen als Investition zurück (vgl Kratzsch in EStG, Praxiskommentar, Stand III/2008, § 7g RdNr 63c; s hierzu auch Urteil des erkennenden Senats vom selben Tag - B 4 AS 22/10 R). Tatsächlich handelt es sich mithin um die Freisetzung von angespartem Einkommen, also Vermögen.

25

Gleichwohl ist der Gewinn aus der aufgelösten Ansparrücklage im hier streitigen Zeitraum Einkommen. Dieses wird durch den Verweis in § 2a Alg II-V auf die einkommensteuerrechtlichen Vorschriften normativ bestimmt. Danach ist die aufgelöste oder aufzulösende Ansparrücklage, obwohl sie vor der Antragstellung gebildet wurde (s zum Sparguthaben BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 57/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 16) als Einkommen im jeweiligen Steuerjahr zu berücksichtigen. Grundsätzliche Bedenken gegen die normative Zuordnung als Einkommen bestehen auf Grundlage der soeben dargelegten Funktion der Ansparrücklage mit im Wesentlichen Steuerstundungseffekt (vgl hierzu Kratzsch in EStG, Praxiskommentar, Stand III/2008, § 7g RdNr 63c) nicht.

26

Soweit das SG allerdings auf Grundlage des § 2a Alg II-V allein darauf abstellt, dass der im Einkommensteuerbescheid ausgewiesene Gewinn als Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit anzusehen sei und der Steuerbescheid Tatbestandswirkung habe, übersieht es, dass die Anwendung des § 15 SGB IV und der einkommensteuerrechtlichen Regelungen hier nur als Berechnungselement zur Ermittlung des Anspruchs auf existenzsichernde Leistungen dienen. So zeigen Wortlaut, Begründungen des Verordnungsgebers mit Blick auf die Geschichte der Regelung der Berechnungsweise für Einkommen aus selbstständiger Beschäftigung, systematischer Zusammenhang und Sinn und Zweck der Regelung, dass die Anbindung an das Steuerrecht im Einzelfall unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des SGB II hinterfragt werden muss (zu anderen Fallgruppen der Durchbrechung der Anbindung an das Steuerrecht, zB im Unterhaltsrecht vgl BSG Urteil vom 6.11.2008 - B 1 KR 28/07 R - SozR 4-2500 § 47 Nr 10 - juris RdNr 25 ff). Der Steuerbescheid entfaltet folglich keine Tatbestandswirkung in dem Sinne, dass dessen Feststellungen ohne Berücksichtigung des Umstandes, ob es sich bei dem ausgewiesenen Gewinn um bereite Mittel handelt, zur Berechnung des Alg II herangezogen werden können.

27

Bereits der Wortlaut zeigt deutlich, dass § 15 SGB IV und der dortige Verweis auf die Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts, also auch auf § 7g EStG, nur die Grundlage für die Berechnung des Einkommens Selbstständiger sein soll. Wörtlich heißt es in § 2a Abs 1 Satz 1 Alg II-V, von dem nach diesen Vorschriften bestimmten Einkommen sei "auszugehen". Diese Formulierung lässt erkennen, dass der einkommensteuerrechtlich relevante Gewinn nicht mit dem bei der Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu berücksichtigenden Einkommen gleichgesetzt werden kann.

28

Dies wird durch die wechselvolle Geschichte der Vorschriften der Alg II-V im Hinblick auf die Berechnung von Einkommen Selbstständiger bestätigt. Wertungswidersprüche zwischen der steuerrechtlichen Betrachtung und dem Bedarfsdeckungsprinzip des SGB II hat der Verordnungsgeber selbst erkannt und zum Anlass genommen, die hier anzuwendende Fassung des § 2a Alg II-V zum 1.1.2008 wiederum zu ändern. Seit 1.1.2008 stellt er im Hinblick auf die möglichen Unterschiede (zu Gunsten und zu Lasten der Leistungsberechtigten) zwischen steuerrechtlichem Arbeitseinkommen und real zur Lebensunterhaltssicherung zur Verfügung stehendem Einkommen auf die Betriebseinnahmen, die tatsächlich zufließen, ab (vgl § 3 Alg II-V idF der VO vom 17.12.2007, BGBl I 2942). Zur Begründung hat er ausgeführt: "… Der Einkommensteuerbescheid ist nicht mehr relevant ... Die Erfahrungen in der praktischen Anwendung des bisherigen § 2a Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung haben gezeigt, dass durch die Berücksichtigung aller steuerlich möglichen Absetzungen vom Einkommen das zu berücksichtigende Arbeitseinkommen vielfach geringer war als das tatsächlich (für den Lebensunterhalt) zur Verfügung stehende Einkommen...".

29

Im Grundsatz entspricht es auch dem durchgängigen System des Grundsicherungsrechts sowie der ständigen Rechtsprechung des BSG, auf den tatsächlichen Zufluss einer Einnahme abzustellen, wenn sie als Einkommen im Rahmen der Berechnung der SGB II-Leistung den Leistungsanspruch mindern soll. § 9 Abs 1 SGB II bringt zum Ausdruck, dass SGB II-Leistungen nicht für denjenigen erbracht werden sollen, der sich nach seiner tatsächlichen Lage selbst helfen kann. Es kommt also auf den tatsächlichen Zufluss "bereiter Mittel" an (BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 14 AS 32/08 R, RdNr 20, zur Veröffentlichung vorgesehen). Entsprechend der Beurteilung der Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II muss korrespondierend bei der Festlegung der zu berücksichtigenden Einkommensteile an die tatsächliche Lage des Hilfebedürftigen angeknüpft werden. Zwar gilt insoweit, dass der Hilfesuchende sein Einkommen auch dann zur Behebung einer gegenwärtigen Notlage für sich verwenden muss, wenn er sich dadurch außerstande setzt, anderweitig bestehende Verpflichtungen zu erfüllen (BSG Urteil vom 19.9.2008 - B 14/7b AS 10/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 18, RdNr 25); andererseits kann ein Leistungsanspruch auch dann gegeben sein, wenn das zu berücksichtigende Einkommen tatsächlich nicht uneingeschränkt zur Verfügung steht (BSG Urteil vom 13.11.2008 - B 14 AS 2/08 R - BSGE 102, 76 ff = SozR 4-4200 § 9 Nr 7, RdNr 32; BSG Urteil vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 23/06 R - BSGE 99, 262 ff = SozR 4-3500 § 82 Nr 3, RdNr 15). In diesem Sinne regelt § 11 SGB II in der bis zum 31.3.2011 geltenden Fassung (nunmehr § 11b SGB II idF des RegelbedarfsÄndG vom 24.3.2011, BGBl I 453), dass das Einkommen um zahlreiche Absetzbeträge zu bereinigen ist, bevor es zur Leistungsberechnung heranzuziehen ist. Grund hierfür ist, nicht nur einen Anreiz für die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu schaffen, sondern auch, nur diejenigen Einkünfte tatsächlich bei der Höhe des Alg II-Anspruchs zu berücksichtigen, die tatsächlich zur Lebensunterhaltssicherung eingesetzt werden können. Deutlich wird dieses auch im System des § 2a Alg II-V selbst. Von der Regelberechnung nach § 2 a Abs 2 S 1 Alg II-V, wonach das Einkommen auf Jahresbasis zu berechnen ist, ist nach § 2 a Abs 2 S 2 Alg II-V abzuweichen, wenn Arbeitseinkommen nur während eines Teils des Kalenderjahres erzielt wird. Dies kann zB der Fall sein, wenn die selbstständige Tätigkeit nur während eines Teils des Jahres ausgeübt wird oder wenn die noch zu Beginn des Jahres erzielten Einnahmen im Laufe des Jahres wegfallen. In diesem Fall ist das monatliche Einkommen auf Basis des Teilzeitraums des Kalenderjahres zu berechnen, in dem die Einnahmen tatsächlich erzielt werden. Diese Abweichung dient nach der Begründung des Verordnungsgebers dazu, eine Gefährdung der Sicherung des Lebensunterhalts zu vermeiden. Es kommt also auch hier letztlich darauf an, ob eine auf das gesamte Jahr bezogene Durchschnittsbetrachtung die tatsächlichen Einnahmen im Bedarfszeitraum widerspiegelt (vgl Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 11 RdNr 78)und damit ob bereite Mittel zur Verfügung standen, um den Lebensunterhalt zu decken (siehe dazu auch Senatsurteil vom 10.5.2011 - B 4 KG 1/10 R - mwN).

30

Sinn und Zweck der hier anzuwendenden Fassung des § 2a Alg II-V ist es mithin, im Interesse der Verwaltungsvereinfachung die einkommensteuerrechtlichen Festsetzungen als Anknüpfungspunkt für die grundsicherungsrechtliche Berechnung des berücksichtigungsfähigen Einkommens heranzuziehen. Die tatsächliche Berücksichtigung bei der Berechnung des Alg II hat allerdings unter der grundsicherungsrechtlichen Einschränkung zu erfolgen, dass der einkommensteuerrechtlich ermittelte Gewinn auch tatsächlich zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung steht. Nur so kann der Zweck des SGB II, die Existenzsicherung zu gewährleisten, erfüllt werden

31

Insoweit fehlt es an Feststellungen des SG. Es wird diese vor allem vor dem Hintergrund des Vortrags des Klägers nachzuholen haben, dass er die Ansparrücklage bereits vor ihrer einkommensteuerrechtlichen Veranlagung als Gewinn iS des § 7g EStG verbraucht habe, sie ihm also nicht zur Lebensunterhaltssicherung zur Verfügung gestanden habe; er mithin trotz der steuerlichen Veranlagung hilfebedürftig und demnach leistungsberechtigt war. Es würde alsdann bereits an der Rechtswidrigkeit des Ausgangsbescheides mangeln. War die aufgelöste Ansparrücklage oder waren Teile hiervon hingegen bei der Bescheiderteilung für den hier streitigen Zeitraum noch oder bereits vorhanden, so könnte ein Fall des § 45 SGB X gegeben sein. Ist sie erst nach Bescheiderteilung aufgelöst worden, liegt ein Fall von § 48 SGB X vor.

32

4. Das SG wird im wieder eröffneten erstinstanzlichen Gerichtsverfahren auch Feststellungen zum Vermögen des Klägers zu treffen haben. Solche fehlen hier, obwohl hierzu nach dem eigenen Vorbringen des Klägers Anlass bestanden hätte. Der Kläger hat selbst vorgebracht, der "hohe Gewinn des Jahres 2003" aus seinem Gewerbebetrieb sei "in die Folgejahre verschoben" worden und er habe auf dieses Geld auch tatsächlich Zugriff gehabt und es verbraucht. Daher hätte Anlass zur Prüfung bestanden, wie hoch die Gewinne der letzten Jahre waren und wofür sie verwendet wurden bzw wie viel davon in die Bildung von Ansparrücklagen geflossen ist, um letztlich beurteilen zu können, wie hoch das Vermögen des Klägers bei Bescheiderteilung am 16.8.2005 war. Diesbezüglich ist der Grundsatz zu beachten, dass auch nicht bereite Mittel, wenn es sich um verwertbares Vermögen handelt, zur Existenzsicherung einzusetzen sind (vgl Senatsurteil vom 30.8.2010 - B 4 AS 70/09 R).

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5. Ferner kann es für eine abschließende Entscheidung des Rechtsstreits darauf ankommen, ob der Kläger zum Zeitpunkt der Bescheiderteilung oder während des Bewilligungszeitraums über anderweitiges Einkommen aus seiner Erwerbstätigkeit verfügt hat. Die Angaben des Klägers in den BWA geben durchaus Anlass, insoweit, unabhängig von der einkommensteuerrechtlichen Veranlagung, in eine nähere Prüfung einzutreten. Das SG wird dabei insbesondere den Sachvortrag des Klägers im erstinstanzlichen Verfahren zu berücksichtigen haben, wonach er aufgrund der betrieblichen Überschüsse im letzten Quartal 2005 seinen gesamten monatlichen Bedarf in Höhe von 601,89 Euro habe decken können.

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6. Sollte vorliegend § 45 SGB X Anwendung finden, wäre der Umstand, dass der Beklagte seinen Bescheid auf § 48 SGB X gestützt hat, alleine nicht klagebegründend(Senatsurteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 48/07 R; vgl auch BSG Urteil vom 5.9.2006 - B 7a AL 38/05 R - SozR 4-4300 § 141 Nr 2). Denn das so genannte "Nachschieben von Gründen" (richtigerweise: Stützen der Entscheidung auf eine andere Rechtsgrundlage) ist zulässig, soweit der Verwaltungsakt dadurch nicht in seinem Regelungsumfang oder seinem Wesensgehalt verändert oder die Rechtsverteidigung des Betroffenen in nicht zulässiger Weise beeinträchtigt oder erschwert wird (BSGE 29, 129, 132 = SozR Nr 123 zu § 54 SGG; BSGE 87, 8, 12 = SozR 3-4100 § 152 Nr 9; BSG Urteil vom 18.9.1997 - 11 RAr 9/97 - juris RdNr 22; BSG Urteil vom 25.4.2002 - B 11 AL 69/01 R - juris RdNr 16 f). Weil die §§ 45, 48 SGB X auf dasselbe Ziel, nämlich die Aufhebung eines Verwaltungsakts, gerichtet sind, ist das Auswechseln dieser Rechtsgrundlagen grundsätzlich zulässig(BSG Urteil vom 25.4.2002, aaO).

35

Wäre der rechtliche Maßstab für die Aufhebungsentscheidung vorliegend § 45 SGB X, so kann dies bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung jedoch nur dann unbeachtet bleiben, wenn es einer Ermessensentscheidung nicht bedurfte, denn eine Ermessensentscheidung wurde hier von dem Beklagten nicht getroffen. § 40 Abs 1 Nr 1 SGB II verweist auf § 330 Abs 2 SGB III; dieser ordnet an, dass bei Vorliegen der in § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes diese - im Wege einer gebundenen Entscheidung, also ohne Ermessen - auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist. Das SG hat bisher noch keine Tatsachen festgestellt, nach denen beurteilt werden kann, ob der Tatbestand des § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X erfüllt ist. Das SG wird - sollte es zur Anwendung des § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X gelangen - auch zu prüfen haben, ob der Beklagte eine Anhörung zu den tatsächlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift vorgenommen hat und die Frage zu klären haben, ob eine ggf fehlende Anhörung hierzu auch nach einer Zurückverweisung durch das BSG im weiteren Verfahren wirksam iS des § 41 Abs 1 Nr 3, Abs 2 SGB X durchgeführt werden kann.

36

Das SG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

(2) Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen sichern können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebender Partnerin oder lebenden Partners zu berücksichtigen. Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig, dabei bleiben die Bedarfe nach § 28 außer Betracht. In den Fällen des § 7 Absatz 2 Satz 3 ist Einkommen und Vermögen, soweit es die nach Satz 3 zu berücksichtigenden Bedarfe übersteigt, im Verhältnis mehrerer Leistungsberechtigter zueinander zu gleichen Teilen zu berücksichtigen.

(3) Absatz 2 Satz 2 findet keine Anwendung auf ein Kind, das schwanger ist oder sein Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres betreut.

(4) Hilfebedürftig ist auch derjenige, dem der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für den dies eine besondere Härte bedeuten würde.

(5) Leben Hilfebedürftige in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten, so wird vermutet, dass sie von ihnen Leistungen erhalten, soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann.

(1) Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a genannten Einnahmen sowie Einnahmen, die nach anderen Vorschriften des Bundesrechts nicht als Einkommen im Sinne dieses Buches zu berücksichtigen sind. Dies gilt auch für Einnahmen in Geldeswert, die im Rahmen einer Erwerbstätigkeit, des Bundesfreiwilligendienstes oder eines Jugendfreiwilligendienstes zufließen. Als Einkommen zu berücksichtigen sind auch Zuflüsse aus darlehensweise gewährten Sozialleistungen, soweit sie dem Lebensunterhalt dienen. Der Kinderzuschlag nach § 6a des Bundeskindergeldgesetzes ist als Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen. Dies gilt auch für das Kindergeld für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts, mit Ausnahme der Bedarfe nach § 28, benötigt wird.

(2) Einnahmen sind für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Dies gilt auch für Einnahmen, die an einzelnen Tagen eines Monats aufgrund von kurzzeitigen Beschäftigungsverhältnissen erzielt werden.

(3) Würde der Leistungsanspruch durch die Berücksichtigung einer als Nachzahlung zufließenden Einnahme, die nicht für den Monat des Zuflusses erbracht wird, in diesem Monat entfallen, so ist diese Einnahme auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen und monatlich ab dem Monat des Zuflusses mit einem entsprechenden monatlichen Teilbetrag zu berücksichtigen.

Tenor

1. Der Bescheid des Beklagten vom 28.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.07.2012 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld II (Alg II) aufgrund einer unterlassenen Antragstellung bzw. Mitwirkungshandlung des Klägers bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) im Streit.
Der ... 1982 geborene, erwerbs- und vermögenslose Kläger befand sich im laufenden Leistungsbezug nach dem SGB II bei dem Beklagten, zuletzt aufgrund Bewilligungsbescheid vom 30.06.2011 für die Zeit vom 01.07.2011 bis zum 31.12.2011, in Höhe monatlicher Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von 364,00 Euro. Der Beklagte erhielt hierbei ein ärztliches Gutachten von Mai 2011 zur Kenntnis, wonach die Leistungsfähigkeit des Klägers für länger als sechs Monate, jedoch nicht auf Dauer, aufgehoben sei. Mit E-Mail vom 12.07.2011 erkundigte sich der Beklagte daraufhin bei der DRV, ob die Rentenanwartschaftszeit erfüllt sei. Am 14.07.2011 erhielt der Beklagte die Nachricht, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung derzeit erfüllt seien.
Mit Schreiben vom 19.07.2011 wurde der Kläger daraufhin gemäß § 12a Satz 1 SGB II aufgefordert, als vorrangige Sozialleistung eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bei der DRV zu beantragen.
Die DRV beantragte mit Schreiben vom 05.09.2011 wiederum bei dem Beklagten eine Auskunft über den Alg II-Bezug zum Abschluss des bei ihr anhängigen Verfahrens. Der Beklagte teilte der DRV am 09.09.2011 mit, dass Leistungen nach dem SGB II gewährt würden, und machte insoweit einen Erstattungsanspruch gem. § 5 SGB II in Verbindung mit §§ 103 f. SGB X geltend.
Am 14.11.2011 teilte die DRV dem Beklagten mit, dass der Rentenantrag abgelehnt worden sei, da der Kläger seiner gesetzlichen Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei.
Mit Bescheid vom 22.11.2011 entzog der Beklagte dem Kläger daraufhin die Leistungen ab dem 01.12.2011 mit dieser Begründung die Bewilligung von Arbeitslosengeld II unter Hinweis auf die §§ 60 und 66 SGB I. Zur Ausübung des Ermessens wurde darauf hingewiesen, dass der Beklagte zu wirtschaftlichem Handeln verpflichtet sei und auch im Interesse der Gemeinschaft der Steuerzahler nur bei nachgewiesener Hilfebedürftigkeit und in rechtmäßiger Höhe Leistungen erbringen könne.
Der Kläger wies mit seinem Widerspruch vom 23.12.2011 darauf hin, dass er aufforderungsgemäß einen Rentenantrag bei der DRV gestellt habe und erst anschließend eine Frist versäumt habe, weil ein Schreiben der DRV vom 05.10.2011 ihm erst 10 Tage später zugestellt worden und eine Antwort in der Frist damit nicht mehr möglich gewesen sei, zumal er krank gewesen sei. Zwischenzeitlich habe die DRV jedoch alle angeforderten Unterlagen erhalten. Schließlich fehle es auch an den Voraussetzungen einer vorherigen Anhörung und eines Hinweises gem. § 66 Abs. 3 SGB I.
Mit Bescheid vom 28.12.2011 wurde dem Widerspruch des Klägers daraufhin stattgegeben und der angegriffene Bescheid aufgehoben.
Mit weiterem Bescheid vom 30.12.2011 wurde auf den Fortbewilligungsantrag des Klägers Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 01.01.2012 bis zum 30.06.2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlichen 374,00 Euro bewilligt.
10 
Am 04.01.2012 teilte die DRV dem Beklagten erneut mit, dass der Kläger seinen Mitwirkungspflichten bislang nicht nachgekommen sei. Dem Kläger sei mit Schreiben vom 05.10.2011 dargelegt worden, dass ein Bedarf für eine Reha-Maßnahme bestehe. Die Zustimmungserklärung zur Durchführung des Heilverfahrens sei trotz Erinnerung vom 28.10.2011 nicht zugesandt worden, weswegen der Rentenantrag am 10.11.2011 wegen fehlender Mitwirkung abgelehnt worden sei. Der Kläger habe mitgeteilt, dass er die vorgeschlagene medizinische Rehabilitation in G. wegen der Entfernung von über 200 km nicht durchführen könne. Daraufhin sei ihm mit Schreiben vom 29.12.2011 mitgeteilt worden, dass für die Durchführung des Heilverfahrens auch eine Klinik in der näheren Umgebung (...) in Frage komme; dem Kläger sei eine 2-wöchige Frist zur Abgabe der Zustimmungserklärung gegeben worden.
11 
Mit weiterem Bescheid vom 09.01.2012 wurden dem Kläger für die Zeit vom 01.02.2012 bis zum 30.06.2012 insgesamt monatliche Leistungen von 720,00 Euro (Regelbedarf 374,00 Euro und Kosten der Unterkunft 346,00 Euro) bewilligt.
12 
Der Kläger übersandte in der Folgezeit seine Zustimmungserklärung nicht an die DRV, weswegen diese den Kläger mit Schreiben vom 24.02.2012 darauf hinwies, dass der Ablehnungsbescheid vom 10.11.2011 insoweit bis zur Nachholung der Mitwirkungspflichten weiterhin Bestand habe.
13 
Mit Bescheid vom 28.02.2012 hob der Beklagte daraufhin die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II ab dem 01.04.2012 ganz auf, da der Kläger seiner Mitwirkungspflicht gegenüber der DRV nicht genügt habe. Damit habe er nicht alle Möglichkeiten genutzt, seinen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln (hier: aus einem Rentenbezug) zu sichern. Die Entscheidung beruhe auf den §§ 2 und 9 SGB II sowie § 40 Abs. 1 SGB II in Verbindung mit § 48 SGB X.
14 
Der Kläger begründete seinen am 02.04.2012 eingelegten Widerspruch damit, dass die DRV die Sachlage völlig neu bewertet und für 13 Jahre zurückliegende Zeiten neue Nachweise angefordert habe. Auf seine Nachfragen, wieso bereits nachgewiesene und überprüfte Versicherungszeiten erneut nachgewiesen werden müssten, habe die DRV dann wegen nicht vorgelegter Nachweise mit einer Verneinung erforderlicher Mitwirkungshandlungen reagiert. Außerdem sei die Aufhebung durch den Beklagten grob rechtswidrig. Erneut sei das Verfahren nach § 66 SGB I missachtet und auch eine erforderliche Anhörung nicht durchgeführt worden.
15 
Der Beklagte wies den Kläger mit Schreiben vom 13.04.2012 darauf hin, dass der Aufhebungsbescheid nicht auf § 66 SGB I, sondern auf § 9 SGB II beruhe. Auf die entsprechenden Ausführungen im Aufhebungsbescheid dürfe insoweit verwiesen werden. Dem Kläger sei die Nachholung der Mitwirkung möglich, wofür er eine Frist bis zum 15.05.2012 (einschließlich Erbringung des diesbezüglichen Nachweises) erhalte.
16 
Am 19.06.2012 wies der Kläger den Beklagten darauf hin, dass er den Reha-Antrag gestellt habe und der diesbezügliche Nachweis von dem Beklagten selbst bei der DRV eingeholt werden könne.
17 
Mit Schreiben vom 21.06.2012 teilte die DRV dem Beklagten mit, dass eine ca. 5-wöchige Leistung zur medizinischen Rehabilitation bewilligt worden sei. Telefonisch wurde dem Beklagten von der DRV am 10.07.2012 mitgeteilt, dass sowohl ein Reha- als auch ein Rentenverfahren durchgeführt worden seien und die Mitwirkungspflicht erst am 30.05.2012 durch Vorlage der Zustimmungserklärung erfüllt worden sei.
18 
Daraufhin wurden mit Bescheid des Beklagten vom 11.07.2012 die Leistungen nach dem SGB II in der zuvor erfolgten Höhe für die Zeit vom 30.05.2012 bis zum 30.06.2012 wieder bewilligt.
19 
Der darüber hinausgehende Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13.07.2012 mit der Begründung zurückgewiesen, der Kläger habe nicht rechtzeitig seine Zustimmung zu der erforderlich Rehamaßnahme erklärt, weswegen er bereite Mittel nicht eingesetzt habe.
20 
Der Kläger hat am 16.08.2012 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben und seinen Rechtsstandpunkt wiederholt.
21 
Der Kläger beantragt,
22 
den Bescheid des Beklagten vom 28.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.07.2012 aufzuheben.
23 
Der Beklagte beantragt,
24 
die Klage abzuweisen.
25 
Der Beklagte hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig und beruft sich ebenfalls auf seinen bereits aktenkundigen Rechtsstandpunkt.
26 
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten sowie die Akten des SG Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

27 
Die Klage ist zulässig und begründet.
28 
Streitgegenständlich ist allein die Leistungsgewährung nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.04.2012 bis zum 29.05.2012, weil nur für diesen Zeitraum noch eine Lücke in der Leistungsbewilligung vorliegt.
29 
Nachdem mit bestandskräftigen Bescheiden vom 30.12.2011 und vom 09.01.2012 die Weiterbewilligung von Leistungen nach dem SGB II für den Leistungszeitraum 01.01.2012 bis 30.06.2012 erfolgte, ist eine Rechtsgrundlage für eine teilweise Aufhebung dieser Bewilligung für die Zeit vom 01.04.2012 bis zum 29.05.2012 nicht erkennbar.
30 
Die Gewährung von Arbeitslosengeld II erfolgt durch einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, dessen Aufhebung sich bei einer wesentlichen Veränderung der Verhältnisse, die bei seinem Erlass herrschten, nach den Voraussetzungen von § 48 SGB X richtet. War der Verwaltungsakt bereits bei seiner Bewilligung rechtswidrig, ist die Rücknahme des Verwaltungsaktes nach den Voraussetzungen des § 45 SGB X zulässig.
31 
Vorliegend geht der Beklagte von der grundsätzlichen Anwendbarkeit von § 48 SGB X aus. Dem ist zuzustimmen, weil nach Lage der Akten von einer erforderlichen Mitwirkungshandlung des Klägers auszugehen ist, die zum Zeitpunkt der Bewilligungen vom 30.12.2011 und vom 09.01.2012 noch erfüllt werden konnte. Jedenfalls ist insoweit ersichtlich keiner der Tatbestände erfüllt, die nach § 45 Abs. 2 SGB X die Rücknahme der Bewilligung wegen anfänglicher Rechtswidrigkeit zulassen.
32 
Allerdings sind auch die Voraussetzungen für eine Aufhebung nach § 48 SGB X nicht erfüllt. Nach § 48 Abs. 1 SGB X in der seit dem 01.01.2001 geltenden Fassung ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Nach Absatz 1 Satz 2 der Vorschrift soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit
33 
1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
34 
2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
35 
3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsakts Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
36 
4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maß verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
37 
Erwerbsfähige Leistungsberechtigte erhalten nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Arbeitslosengeld II. Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum entsprechend den Feststellungen in den Bewilligungsbescheiden vom 30.12.2011 und vom 09.01.2012 erwerbsfähig und hilfebedürftig und danach anspruchsberechtigt nach dem SGB II; zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die Ausführungen in den beiden Bewilligungsbescheiden und die angefügten Berechnungsbögen Bezug genommen.
38 
Demgegenüber lässt sich eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne der Tatbestandsalternativen in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X nicht feststellen. Der Beklagte möchte sich insoweit nicht auf eine konkrete Variante des § 48 SGB X festlegen, sondern zitiert diese Vorschrift nur allgemein in Zusammenhang mit den §§ 2, 9 SGB II und § 40 Abs. 1 SGB II. Sofern der Beklagte dies näher damit begründet, dass der Kläger „bereite Mittel“ der DRV nicht verwendet habe und daher seine Hilfebedürftigkeit im Sinne von § 9 SGB II nachträglich entfallen sei, ist dies unzutreffend.
39 
Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.
40 
„Zu berücksichtigendes Einkommen“ liegt aber nur dann vor, wenn dieses ohne wesentliche Zwischenschritte ohne Weiteres auch tatsächlich dem Zugriff des Hilfebedürftigen unterliegt, was bei einer Rentenantragstellung und danach noch zu prüfenden Frage der Bewilligung von Rente nicht zutrifft. Dies zeigt sich im vorliegenden Fall besonders deutlich daran, dass dem Kläger auch nicht die anvisierte Rente, sondern zunächst eine Reha-Maßnahme von der DRV bewilligt worden ist.
41 
Die von dem Beklagten danach vorgenommene Berücksichtigung fiktiven Einkommens verstößt gegen den Bedarfsdeckungsgrundsatz. Bei § 2 Abs. 1 Satz 1 und § 3 Abs. 3 SGB 2 handelt es sich um Grundsatznormen und nicht um eigenständige Ausschlusstatbestände mit Regelungscharakter, sodass diese selbst dann nicht als Rechtsgrundlage für die Minderung von Grundsicherungsleistungen herangezogen werden können, wenn andere Sozialleistungen vorwerfbar nicht in Anspruch genommen werden können (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.10.2012 – L 9 AS 3208/12 ER-B – juris, m.w.N., für die Minderung von Sozialgeld um einen fiktiven Unterhaltsvorschuss, welcher mangels Mitwirkung der Mutter bestandskräftig abgelehnt war).
42 
Die Vorschrift des § 9 SGB II zur Hilfebedürftigkeit bringt zum Ausdruck, dass SGB II-Leistungen nicht für denjenigen erbracht werden sollen, der sich nach seiner tatsächlichen Lage selbst helfen kann. Dabei wird an die tatsächliche Lage des Hilfebedürftigen angeknüpft. Ansprüche eines Leistungsberechtigten gegenüber Dritten zählen nur dann zum berücksichtigungsfähigen Einkommen i. S. von § 9 Abs. 1 SGB II, wenn diese in angemessener Zeit durchzusetzen sind. Dies ist bei einem Anspruch auf vorgezogene Rente nicht der Fall. Insoweit kann aber nur der tatsächliche Bezug einer in den Blick genommenen Rente und nicht die bloße Innehabung eines solchen Anspruchs zu einem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II führen (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.04.2012 – L 19 AS 544/12 B ER –, juris).
43 
Das Bundessozialgericht hat bereits mehrfach entschieden, dass bei der Frage der Berücksichtigung „bereiter Mittel“ im Sinne von § 9 SGB II die tatsächlichen Verhältnisse den Vorrang vor den normativen Verhältnissen haben (BSG, Urteil vom 10.09.2013 – B 4 AS 89/12 R –, juris m.w.N.; vorgesehen für BSGE; BSG, Urteil vom 12.06.2013 – B 14 AS 73/12 R –, juris; BSG, Urteil vom 21.06.2011 – B 4 AS 21/10 R –, BSGE 108, 258-267).
44 
Unabhängig hiervon sind die angegriffenen Bescheide des Beklagten auch bereits deswegen rechtswidrig, weil die nach § 24 Abs. 1 und 2 SGB X erforderliche Anhörung unterblieben und dies nicht nach § 41 Abs. 1 und 2 SGB X unbeachtlich ist. Den obigen Ausführungen lässt sich entnehmen, dass insbesondere geänderte Einkommensverhältnisse im Sinne von § 24 Abs. 2 Nr. 5 SGB X nicht die Anhörung entbehrlich machten. Ein Nachholung der Anhörung kann in der Durchführung des Klageverfahrens nicht gesehen werden, weil dies voraussetzen würde, dass die beklagte Behörde dem Kläger in angemessener Weise Gelegenheit zur Äußerung einräumt und danach zu erkennen gibt, ob sie nach Prüfung dieser Tatsachen am bisher erlassenen Verwaltungsakt festhält (BSG, Urteil vom 09.11.2010 – B 4 AS 37/09 R –, juris; BSG, Urteil vom 31.10.2002 - B 4 RA 15/01 R = SozR 3-1300 § 24 Nr. 22; BSG vom 6.4.2006 - B 7a AL 64/05 R).
45 
Das Vorgehen des Beklagten ist darüber hinaus aus mehreren weiteren Gesichtspunkten zweifelhaft. Zum einen erscheint es treuwidrig im Sinne eines Verstoßes gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens, nach den Bewilligungen mit Bescheiden vom 30.12.2011 und vom 09.01.2012 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 17.01.2012 erst am 28.02.2012 eine angebliche weiterhin vorhandene wesentliche Verletzung von Mitwirkungspflichten anzunehmen, welche dem Beklagten indes schon am 04.01.2012 mitgeteilt worden war.
46 
Zum anderen weist der Beklagte durch das mehrfache Abstellen auf die Mitwirkung des Klägers selbst auf das Verfahren nach § 66 SGB I hin, welches dem Schutz des Leistungsbeziehers dient und welches vorliegend ersichtlich nicht eingehalten wurde (Fristsetzung, Anhörung, Ermessen).
47 
Auch wenn das Verfahren nach § 12a SGB II insofern als vorrangig anzusehen sein sollte, wäre doch festzustellen, dass der Beklagte auch hiervon keinen Gebrauch gemacht hat. Das Verfahren nach § 66 SGB I ist jedenfalls nicht deswegen ausgeschlossen, weil eine Mitwirkungshandlung gegenüber einer anderen Behörde - angeblich - nicht vorgenommen wurde (Lilge in Berliner Kommentar zum Sozialrecht, SGB I, 2. Aufl. 2009, § 66 Rn. 38). Auch die Bestimmung des § 12a SGB II begründet im Übrigen keinen Leistungsausschluss und gibt damit keine Handhabe, einen Erst- oder Folgeantrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II mit dem Verweis auf vorrangige Leistungen abzulehnen (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.04.2012 – L 19 AS 544/12 B ER –, juris).
48 
Hierauf muss allerdings nicht näher eingegangen werden, ebenso wenig wie auf den erfolgten Verstoß gegen die Beratungs- und Fürsorgepflichten, da in dem angegriffenen Bescheid nicht darauf hingewiesen wurde, dass eine Nachholung der Mitwirkung zur umgehenden Wiederbewilligung existenzsichernder Leistungen führen würde.
49 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe

27 
Die Klage ist zulässig und begründet.
28 
Streitgegenständlich ist allein die Leistungsgewährung nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.04.2012 bis zum 29.05.2012, weil nur für diesen Zeitraum noch eine Lücke in der Leistungsbewilligung vorliegt.
29 
Nachdem mit bestandskräftigen Bescheiden vom 30.12.2011 und vom 09.01.2012 die Weiterbewilligung von Leistungen nach dem SGB II für den Leistungszeitraum 01.01.2012 bis 30.06.2012 erfolgte, ist eine Rechtsgrundlage für eine teilweise Aufhebung dieser Bewilligung für die Zeit vom 01.04.2012 bis zum 29.05.2012 nicht erkennbar.
30 
Die Gewährung von Arbeitslosengeld II erfolgt durch einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, dessen Aufhebung sich bei einer wesentlichen Veränderung der Verhältnisse, die bei seinem Erlass herrschten, nach den Voraussetzungen von § 48 SGB X richtet. War der Verwaltungsakt bereits bei seiner Bewilligung rechtswidrig, ist die Rücknahme des Verwaltungsaktes nach den Voraussetzungen des § 45 SGB X zulässig.
31 
Vorliegend geht der Beklagte von der grundsätzlichen Anwendbarkeit von § 48 SGB X aus. Dem ist zuzustimmen, weil nach Lage der Akten von einer erforderlichen Mitwirkungshandlung des Klägers auszugehen ist, die zum Zeitpunkt der Bewilligungen vom 30.12.2011 und vom 09.01.2012 noch erfüllt werden konnte. Jedenfalls ist insoweit ersichtlich keiner der Tatbestände erfüllt, die nach § 45 Abs. 2 SGB X die Rücknahme der Bewilligung wegen anfänglicher Rechtswidrigkeit zulassen.
32 
Allerdings sind auch die Voraussetzungen für eine Aufhebung nach § 48 SGB X nicht erfüllt. Nach § 48 Abs. 1 SGB X in der seit dem 01.01.2001 geltenden Fassung ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Nach Absatz 1 Satz 2 der Vorschrift soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit
33 
1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
34 
2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
35 
3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsakts Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
36 
4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maß verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
37 
Erwerbsfähige Leistungsberechtigte erhalten nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Arbeitslosengeld II. Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum entsprechend den Feststellungen in den Bewilligungsbescheiden vom 30.12.2011 und vom 09.01.2012 erwerbsfähig und hilfebedürftig und danach anspruchsberechtigt nach dem SGB II; zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die Ausführungen in den beiden Bewilligungsbescheiden und die angefügten Berechnungsbögen Bezug genommen.
38 
Demgegenüber lässt sich eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne der Tatbestandsalternativen in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X nicht feststellen. Der Beklagte möchte sich insoweit nicht auf eine konkrete Variante des § 48 SGB X festlegen, sondern zitiert diese Vorschrift nur allgemein in Zusammenhang mit den §§ 2, 9 SGB II und § 40 Abs. 1 SGB II. Sofern der Beklagte dies näher damit begründet, dass der Kläger „bereite Mittel“ der DRV nicht verwendet habe und daher seine Hilfebedürftigkeit im Sinne von § 9 SGB II nachträglich entfallen sei, ist dies unzutreffend.
39 
Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.
40 
„Zu berücksichtigendes Einkommen“ liegt aber nur dann vor, wenn dieses ohne wesentliche Zwischenschritte ohne Weiteres auch tatsächlich dem Zugriff des Hilfebedürftigen unterliegt, was bei einer Rentenantragstellung und danach noch zu prüfenden Frage der Bewilligung von Rente nicht zutrifft. Dies zeigt sich im vorliegenden Fall besonders deutlich daran, dass dem Kläger auch nicht die anvisierte Rente, sondern zunächst eine Reha-Maßnahme von der DRV bewilligt worden ist.
41 
Die von dem Beklagten danach vorgenommene Berücksichtigung fiktiven Einkommens verstößt gegen den Bedarfsdeckungsgrundsatz. Bei § 2 Abs. 1 Satz 1 und § 3 Abs. 3 SGB 2 handelt es sich um Grundsatznormen und nicht um eigenständige Ausschlusstatbestände mit Regelungscharakter, sodass diese selbst dann nicht als Rechtsgrundlage für die Minderung von Grundsicherungsleistungen herangezogen werden können, wenn andere Sozialleistungen vorwerfbar nicht in Anspruch genommen werden können (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.10.2012 – L 9 AS 3208/12 ER-B – juris, m.w.N., für die Minderung von Sozialgeld um einen fiktiven Unterhaltsvorschuss, welcher mangels Mitwirkung der Mutter bestandskräftig abgelehnt war).
42 
Die Vorschrift des § 9 SGB II zur Hilfebedürftigkeit bringt zum Ausdruck, dass SGB II-Leistungen nicht für denjenigen erbracht werden sollen, der sich nach seiner tatsächlichen Lage selbst helfen kann. Dabei wird an die tatsächliche Lage des Hilfebedürftigen angeknüpft. Ansprüche eines Leistungsberechtigten gegenüber Dritten zählen nur dann zum berücksichtigungsfähigen Einkommen i. S. von § 9 Abs. 1 SGB II, wenn diese in angemessener Zeit durchzusetzen sind. Dies ist bei einem Anspruch auf vorgezogene Rente nicht der Fall. Insoweit kann aber nur der tatsächliche Bezug einer in den Blick genommenen Rente und nicht die bloße Innehabung eines solchen Anspruchs zu einem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II führen (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.04.2012 – L 19 AS 544/12 B ER –, juris).
43 
Das Bundessozialgericht hat bereits mehrfach entschieden, dass bei der Frage der Berücksichtigung „bereiter Mittel“ im Sinne von § 9 SGB II die tatsächlichen Verhältnisse den Vorrang vor den normativen Verhältnissen haben (BSG, Urteil vom 10.09.2013 – B 4 AS 89/12 R –, juris m.w.N.; vorgesehen für BSGE; BSG, Urteil vom 12.06.2013 – B 14 AS 73/12 R –, juris; BSG, Urteil vom 21.06.2011 – B 4 AS 21/10 R –, BSGE 108, 258-267).
44 
Unabhängig hiervon sind die angegriffenen Bescheide des Beklagten auch bereits deswegen rechtswidrig, weil die nach § 24 Abs. 1 und 2 SGB X erforderliche Anhörung unterblieben und dies nicht nach § 41 Abs. 1 und 2 SGB X unbeachtlich ist. Den obigen Ausführungen lässt sich entnehmen, dass insbesondere geänderte Einkommensverhältnisse im Sinne von § 24 Abs. 2 Nr. 5 SGB X nicht die Anhörung entbehrlich machten. Ein Nachholung der Anhörung kann in der Durchführung des Klageverfahrens nicht gesehen werden, weil dies voraussetzen würde, dass die beklagte Behörde dem Kläger in angemessener Weise Gelegenheit zur Äußerung einräumt und danach zu erkennen gibt, ob sie nach Prüfung dieser Tatsachen am bisher erlassenen Verwaltungsakt festhält (BSG, Urteil vom 09.11.2010 – B 4 AS 37/09 R –, juris; BSG, Urteil vom 31.10.2002 - B 4 RA 15/01 R = SozR 3-1300 § 24 Nr. 22; BSG vom 6.4.2006 - B 7a AL 64/05 R).
45 
Das Vorgehen des Beklagten ist darüber hinaus aus mehreren weiteren Gesichtspunkten zweifelhaft. Zum einen erscheint es treuwidrig im Sinne eines Verstoßes gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens, nach den Bewilligungen mit Bescheiden vom 30.12.2011 und vom 09.01.2012 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 17.01.2012 erst am 28.02.2012 eine angebliche weiterhin vorhandene wesentliche Verletzung von Mitwirkungspflichten anzunehmen, welche dem Beklagten indes schon am 04.01.2012 mitgeteilt worden war.
46 
Zum anderen weist der Beklagte durch das mehrfache Abstellen auf die Mitwirkung des Klägers selbst auf das Verfahren nach § 66 SGB I hin, welches dem Schutz des Leistungsbeziehers dient und welches vorliegend ersichtlich nicht eingehalten wurde (Fristsetzung, Anhörung, Ermessen).
47 
Auch wenn das Verfahren nach § 12a SGB II insofern als vorrangig anzusehen sein sollte, wäre doch festzustellen, dass der Beklagte auch hiervon keinen Gebrauch gemacht hat. Das Verfahren nach § 66 SGB I ist jedenfalls nicht deswegen ausgeschlossen, weil eine Mitwirkungshandlung gegenüber einer anderen Behörde - angeblich - nicht vorgenommen wurde (Lilge in Berliner Kommentar zum Sozialrecht, SGB I, 2. Aufl. 2009, § 66 Rn. 38). Auch die Bestimmung des § 12a SGB II begründet im Übrigen keinen Leistungsausschluss und gibt damit keine Handhabe, einen Erst- oder Folgeantrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II mit dem Verweis auf vorrangige Leistungen abzulehnen (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.04.2012 – L 19 AS 544/12 B ER –, juris).
48 
Hierauf muss allerdings nicht näher eingegangen werden, ebenso wenig wie auf den erfolgten Verstoß gegen die Beratungs- und Fürsorgepflichten, da in dem angegriffenen Bescheid nicht darauf hingewiesen wurde, dass eine Nachholung der Mitwirkung zur umgehenden Wiederbewilligung existenzsichernder Leistungen führen würde.
49 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

(2) Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen sichern können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebender Partnerin oder lebenden Partners zu berücksichtigen. Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig, dabei bleiben die Bedarfe nach § 28 außer Betracht. In den Fällen des § 7 Absatz 2 Satz 3 ist Einkommen und Vermögen, soweit es die nach Satz 3 zu berücksichtigenden Bedarfe übersteigt, im Verhältnis mehrerer Leistungsberechtigter zueinander zu gleichen Teilen zu berücksichtigen.

(3) Absatz 2 Satz 2 findet keine Anwendung auf ein Kind, das schwanger ist oder sein Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres betreut.

(4) Hilfebedürftig ist auch derjenige, dem der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für den dies eine besondere Härte bedeuten würde.

(5) Leben Hilfebedürftige in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten, so wird vermutet, dass sie von ihnen Leistungen erhalten, soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann.

Leistungsberechtigte sind verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich ist. Abweichend von Satz 1 sind Leistungsberechtigte nicht verpflichtet,

1.
bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen oder
2.
Wohngeld nach dem Wohngeldgesetz oder Kinderzuschlag nach dem Bundeskindergeldgesetz in Anspruch zu nehmen, wenn dadurch nicht die Hilfebedürftigkeit aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft für einen zusammenhängenden Zeitraum von mindestens drei Monaten beseitigt würde.
Für die Zeit vom 1. Januar 2023 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2026 findet Satz 2 Nummer 1 mit der Maßgabe Anwendung, dass Leistungsberechtigte nicht verpflichtet sind, eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen.

(1) Kann im Einzelfall ein vom Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf nicht gedeckt werden, erbringt die Agentur für Arbeit bei entsprechendem Nachweis den Bedarf als Sachleistung oder als Geldleistung und gewährt der oder dem Leistungsberechtigten ein entsprechendes Darlehen. Bei Sachleistungen wird das Darlehen in Höhe des für die Agentur für Arbeit entstandenen Anschaffungswertes gewährt. Weiter gehende Leistungen sind ausgeschlossen.

(2) Solange sich Leistungsberechtigte, insbesondere bei Drogen- oder Alkoholabhängigkeit sowie im Falle unwirtschaftlichen Verhaltens, als ungeeignet erweisen, mit den Leistungen für den Regelbedarf nach § 20 ihren Bedarf zu decken, kann das Bürgergeld bis zur Höhe des Regelbedarfs für den Lebensunterhalt in voller Höhe oder anteilig in Form von Sachleistungen erbracht werden.

(3) Nicht vom Regelbedarf nach § 20 umfasst sind Bedarfe für

1.
Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten,
2.
Erstausstattungen für Bekleidung und Erstausstattungen bei Schwangerschaft und Geburt sowie
3.
Anschaffung und Reparaturen von orthopädischen Schuhen, Reparaturen von therapeutischen Geräten und Ausrüstungen sowie die Miete von therapeutischen Geräten.
Leistungen für diese Bedarfe werden gesondert erbracht. Leistungen nach Satz 2 werden auch erbracht, wenn Leistungsberechtigte keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung benötigen, den Bedarf nach Satz 1 jedoch aus eigenen Kräften und Mitteln nicht voll decken können. In diesem Fall kann das Einkommen berücksichtigt werden, das Leistungsberechtigte innerhalb eines Zeitraumes von bis zu sechs Monaten nach Ablauf des Monats erwerben, in dem über die Leistung entschieden wird. Die Leistungen für Bedarfe nach Satz 1 Nummer 1 und 2 können als Sachleistung oder Geldleistung, auch in Form von Pauschalbeträgen, erbracht werden. Bei der Bemessung der Pauschalbeträge sind geeignete Angaben über die erforderlichen Aufwendungen und nachvollziehbare Erfahrungswerte zu berücksichtigen.

(4) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts können als Darlehen erbracht werden, soweit in dem Monat, für den die Leistungen erbracht werden, voraussichtlich Einnahmen anfallen. Satz 1 gilt auch, soweit Leistungsberechtigte einmalige Einnahmen nach § 11 Absatz 3 Satz 4 vorzeitig verbraucht haben.

(5) Soweit Leistungsberechtigten der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für sie eine besondere Härte bedeuten würde, sind Leistungen als Darlehen zu erbringen. Die Leistungen können davon abhängig gemacht werden, dass der Anspruch auf Rückzahlung dinglich oder in anderer Weise gesichert wird.

(6) In Fällen des § 22 Absatz 5 werden Leistungen für Erstausstattungen für die Wohnung nur erbracht, wenn der kommunale Träger die Übernahme der Leistungen für Unterkunft und Heizung zugesichert hat oder vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden konnte.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.