Landgericht Wuppertal Urteil, 27. Okt. 2015 - 5 O 111/15
Gericht
Tenor
Die Klage und die Widerklage werden abgewiesen.
Die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Klägerin zu 73 % und der Beklagte zu 2) zu 27 %. Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1). Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) trägt die Klägerin zu 73 %, in Höhe von 27 % trägt der Beklagte zu 2) seine außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
1
Tatbestand:
2Die Parteien streiten über eine etwaige Verletzung einer Pflicht des Beklagten zu 1) als Insolvenzverwalter bzw. einer anwaltlichen Pflicht des Beklagten zu 2) im Zusammenhang mit dem Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs in einem Rechtsstreit vor dem Landgericht Hagen zu Aktenzeichen 9 O 220/07 mit der B Versicherungs-AG wegen eines Feuerbrands im Jahr 2005. Mit der Widerklage macht der Beklagte zu 2) anwaltliche Honorarforderungen geltend.
3Bei der Klägerin handelt es sich um eine Gesellschaft mit Sitz in P, die im Jahr 2005 auf ihrem Grundstück B in P eine Druckerei betrieb.
4Zwischen der Klägerin und der B Versicherungs-AG (im Folgenden: B) bestand im Jahr 2005 ein Versicherungsvertrag. Danach gewährte die B der Klägerin für den Zeitraum bis zum 18.3.2006, mittags 12 Uhr Versicherungsschutz in Form einer Immobilienversicherung für das Betriebsgebäude der Klägerin. Die Versicherung umfasste eine Feuerversicherung als dynamische Neuwertversicherung zum Wert 1914 mit einer Versicherungssumme von 92.000 Mark. Bestandteil des Vertrags waren die Allgemeinen Bedingungen für die dynamische Gebäudeversicherung. Für den Inhalt der Immobilienversicherung und den Inhalt der Allgemeinen Bedingungen für die dynamische Gebäudeversicherung wird auf die Anlage K18 der Beiakte des Landgerichts Hagen zu Aktenzeichen 9 O 220/07 vollumfänglich Bezug genommen.
5Am 16.5.2005 kam es auf dem Betriebsgrundstück der Klägerin zu einem schweren Brand, bei dem das Betriebsgebäude erheblich beschädigt wurde. Aufgrund von in der Folgezeit bestehenden Liquiditätsschwierigkeiten wurde der Beklagte zu 1) mit Beschluss des Amtsgerichts Hagen vom 25.8.2005 zu Aktenzeichen IN 100 159/05 als vorläufiger Insolvenzverwalter über das Vermögen der Klägerin bestellt. Mit Beschluss vom 2.11.2005 eröffnete das Amtsgericht Hagen das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin; der Beklagte zu 1) wurde zum Insolvenzverwalter ernannt.
6Die B lehnte die Zahlung einer Entschädigung für den Brandschaden mit Schreiben vom 24.3.2007 ab, zahlte jedoch an die Deutsche Bank als Grundschuldgläubigerin einen Betrag von 515.943,56 €.
7Mit Klageschrift vom 20.6.2007 reichte der Beklagte zu 1) als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Klägerin Klage gegen die B bei dem Landgericht Hagen ein. Das Verfahren wurde unter dem Aktenzeichen 9 O 220/07 geführt. Die Klage war zunächst nur auf die Zahlung einer Entschädigung für die Betriebseinrichtung in Höhe von 1.119.667,00 € aus der Firmen-Inhaltsversicherung und die Zahlung von Zinsen gerichtet. Prozessbevollmächtigter des Beklagten zu 1) im dem Verfahren war Rechtsanwalt Q.
8Mit Schreiben vom 30.8.2007 informierte Rechtsanwalt Q den Beklagten zu 1) darüber, dass Herr S, der Geschäftsführer der Klägerin, die Wiederaufbaukosten für das Betriebsgebäude ermittelt habe und nahm Bezug auf ein Angebot der Firma W und T GmbH & Co. KG zum Preis von 799.733,75 € zuzüglich MWSt. In dem Angebot waren keine Architektenleistungen und Baunebenkosten enthalten; hierfür lag ein Angebot eines Architekten vor.
9Parallel zum laufenden Gerichtsprozess fand eine außergerichtliche Korrespondenz zwischen dem Beklagten zu 1) bzw. seinem Prozessbevollmächtigten und der B statt. Mit Schreiben vom 11.12.2007 erklärte sich die B mit einer Verlängerung der Wiederaufbaufrist um ein Jahr bis zum 16.5.2009 einverstanden, die der Prozessbevollmächtigte mit drei Schreiben aus den Monaten Mai, August und November erbeten hatte.
10In der öffentlichen Sitzung vom 16.9.2008 schlossen der Beklagte zu 1) und die B als Parteien des Ausgangsrechtsstreits einen Vergleich, der widerrufen wurde. Der Vergleich enthielt eine Vereinbarung zum Gebäudeschaden, der zu dem Zeitpunkt noch nicht gerichtlich geltend gemacht worden war. Der Vergleich sah insoweit vor, dass von der B eine Zahlung von 130.000 € geleistet werden sollte gegen den Nachweis des Wiederaufbaus. Ohne den Nachweis des Wiederaufbaus sollte ein Betrag von 45.000 € gezahlt werden. Bis zum 15.11.2008 sollte die Mitteilung erfolgen, welche Alternative gewählt werde; falls eine Mitteilung bis dahin nicht erfolgt war, sollte allein der Betrag von 45.000 € geschuldet sein. Im Falle einer mitgeteilten Wiederaufbauabsicht sollte der Nachweis des Wiederaufbaus bis zum 15.5.2009 entsprechend der versicherungsvertraglichen Bedingungen erbracht werden.
11Mit Schreiben vom 23.10.2008 teilte Rechtsanwalt T2 als damaliger anwaltlicher Vertreter des Geschäftsführers der Klägerin S dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 1) mit, dass er das Betriebsgebäude gerne wieder aufbaue wolle, ihm jedoch das nötige Kapital fehle. Er bat den Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 1) zudem darum, gegenüber der B auch die Bauneben- und Architektenkosten geltend zu machen und stellte fest, dass in dem Vergleich die Abbruchkosten fehlten, die ebenfalls berücksichtigt werden sollten.
12Mit Schriftsatz vom 16.12.2008 erweiterte der Beklagte zu 1) die beim Landgericht Hagen rechtshängige Klage um die Ansprüche aus der Immobilienversicherung und der Ertragsausfallversicherung, welche eine weitere bestehende, dritte Versicherungspolice darstellte. Darin kündigte er den Antrag an, die B zu verurteilen, an ihn weitere 247.087,39 € zu zahlen, mithin insgesamt 1.366.754,39 €. Die B sollte zudem verurteilt werden, die Löschung von Grundschulden zu bewilligen. Weiter sollte festgestellt werden, dass die B verpflichtet ist, über die Zeitwertentschädigung aus der Immobilienversicherung hinaus für den Wiederaufbau des Betriebsgebäudes Neuwertentschädigung zu leisten, sobald die Sicherstellung des Wiederaufbaus nachgewiesen worden ist.
13Dabei legte der Beklagte zu 1) einen anderen, höheren Wert für den Neuwertschaden zugrunde als der Privatgutachter O, der in seinem Gutachten vom 21.10.2005 den Zeitwertschaden mit 70 % des Neuwertschadens und diesen wiederum mit 708.543,00 € angegeben hatte. Der Beklagte zu 1) gab den Zeitwertschaden mit 763.030,95 € an. Von diesem brachte er den bereits von der B an die Deutsche Bank gezahlten Betrag in Abzug, so dass sich der geltend gemachte Restbetrag von 247.087,39 € ergab.
14In der öffentlichen Sitzung vom 12.10.2010 schlossen die Parteien des Ausgangsrechtsstreits vor dem Landgericht Hagen erneut einen Vergleich, der anschließend widerrufen wurde. Für den Inhalt des Vergleichs wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 12.10.2010 des Landgerichts Hagen (Bl. 561 ff. der Beiakte zu Landgericht Hagen, Az. 9 O 220/07) vollumfänglich Bezug genommen.
15In der Sitzung vom 22.3.2011 schlossen die Parteien des Ausgangsrechtsstreits den dritten Vergleich. Für den Inhalt des Vergleichs wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 22.3.2011 des Landgerichts Hagen (Bl. 595 ff. der Beiakte zu Landgericht Hagen, Az. 9 O 220/07) vollumfänglich Bezug genommen.
16Beide Vergleiche behielten die Regelung zum Gebäudeschaden aus dem ursprünglichen Vergleich vom 16.9.2008 bei, wonach die B 130.000 € bei Nachweis des Wiederaufbaus und 45.000 € ohne diesen Nachweis zahlen sollte. Die Mitteilung über die Wiederaufbauabsicht sollte nach der Regelung im dritten Vergleich bis zum 22.5.2011 erfolgen. Der Wiederaufbau sollte bis zum 30.9.2011 nachgewiesen werden. Der dritte Vergleich enthielt zudem eine Regelung bezüglich der von der B gegen den Geschäftsführer der Klägerin persönlich erhobenen Ansprüche, die Gegenstand eines weiteren Rechtsstreits vor dem Landgericht Hagen zu Aktenzeichen 2 O 445/09 waren. Der Geschäftsführer der Klägerin trat dem Vergleich bei, in dem sich die B dazu verpflichtete, die Klage in dem Verfahren zu Aktenzeichen 2 O 445/09 zurückzunehmen.
17Vor der Zustimmung zu diesem dritten Vergleich hatte der Beklagte zu 2) den Geschäftsführer der Klägerin, der diesen zwischenzeitlich mandatiert hatte, gefragt, ob dieser die Wiederaufbaufrist in finanzieller Hinsicht und wegen des erforderlichen Genehmigungsverfahrens für ausreichend halte. Der Geschäftsführer der Klägerin hatte dies mit der Begründung bejaht, dass der Nachweis des Wiederaufbaus innerhalb der Frist machbar sei.
18Nach dem Termin besprach der Beklagte zu 2) das Verhandlungsergebnis mit dem Geschäftsführer der Klägerin, wobei es um die Zahlungsbeträge ging. An der Wiederaufbauklausel hatte der Geschäftsführer der Klägerin nichts auszusetzen. Auf eine entsprechende Rückfrage hin hielt er auch die Wiederaufbaufrist für ausreichend.
19Der Vergleich wurde durch den Beklagten zu 2) namens und im Auftrag des Geschäftsführers der Klägerin mit Schriftsatz vom 19.4.2011 widerrufen. Zur Begründung führte er aus, in der Regelung der Entschädigung für den Betriebseinrichtungsschaden sei der Vorratsschaden nicht berücksichtigt und eine falsche Quote für die Zinsforderung zugrunde gelegt worden.
20Am 9.5.2011 machte das Landgericht Hagen einen weiteren schriftlichen Vergleichsvorschlag, der eine höhere Zahlung der B zum Gegenstand hatte. Hinsichtlich der Wiederaufbaukosten wurde die Regelung aus den vorherigen Vergleichen unter Anpassung der Fristen beibehalten. Für den Inhalt des Vergleichsvorschlags des Landgerichts Hagen wird auf Blatt 610 der Beiakte zu Az. 9 O 220/07 vollumfänglich Bezug genommen.
21In der öffentlichen Sitzung vom 23.8.2011 schlossen die Parteien des Ausgangsrechtsstreits einen vierten und letzten Vergleich. Die B verpflichtete sich zur Zahlung von 1.240.000,00 €. Bezüglich der Ansprüche wegen des Gebäudeschadens, soweit der Neuwertanteil betroffen ist, trafen die Prozessparteien die Regelung, dass eine Zahlung von weiteren 130.000 € gegen den Nachweis des Wiederaufbaus und von 45.000 € ohne diesen Nachweis erbracht werden sollte. Der Beklagte zu 1) sollte bis zum 1.11.2011 mitteilen, für welche Alternative er sich entscheiden wolle. Für den Fall, dass keine Mitteilung gegenüber dem Prozessbevollmächtigten der B erfolgen sollte, sollte allein eine Zahlung von 45.000 € geschuldet sein. Sollte sich der Beklagte zu 1) zu einem Wiederaufbau entschließen, war der Nachweis bis zum 30.4.2012 zu erbringen. Der Nachweis sollte entsprechend den versicherungsvertraglichen Bedingungen erfolgen. Dem Vergleich trat der Geschäftsführer der Klägerin persönlich bei; das Rechtsverhältnis zwischen dem Geschäftsführer der Klägerin und der B betreffend sah der Vergleich vor, dass mit dem Vergleichsabschluss auch sämtliche Ansprüche der B gegen den Geschäftsführer der Klägerin abgegolten sind und die B die Klage im Verfahren zu Aktenzeichen 2 O 445/09 zurücknimmt.
22Der Vergleich vom 23.8.2011 beendete den Rechtsstreit zu Aktenzeichen 9 O 220/07 vor dem Landgericht Hagen.
23Am 16.9.2011 schrieb der Beklagte zu 1) an den Beklagten zu 2) und bot an, die schuldnerische Immobilie zugunsten des Geschäftsführers der Klägerin freizugeben oder die Immobilie auf ihn zu übertragen.
24Mit Schreiben vom 4.10.2011 wies der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 1) den Beklagten zu 2) vorsorglich auf den Fristablauf für die Anzeige der Wiederaufbauabsicht zum 1.11.2011 hin.
25Am 27.10.2011 zeigte der Geschäftsführer der Klägerin den Prozessbevollmächtigten der B seine Wiederaufbauabsicht an. Kurz darauf teilte er dem Beklagten zu 2) mit, dass er den jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit der anwaltlichen Vertretung beauftragt habe. Er stellte am 13.3.2012 einen Antrag beim Amtsgericht Hagen auf eine Abschlagszahlung in Höhe von 200.000 € für den Wiederaufbau der Immobilie. Der Beklagte zu 1) merkte zu dem Antrag an, dass es möglich sein dürfte, das Geld zur Verfügung zu stellen, der Antrag jedoch nicht von den Bestimmungen der Insolvenzordnung gedeckt sei. Das Amtsgericht Hagen wies den Antrag auf die Abschlagszahlung zurück. Der Nachweis des Wiederaufbaus wurde nicht geführt, so dass die B in der Folgezeit lediglich 45.000 € für den Wiederaufbauschaden zahlte.
26Mit Beschluss vom 3.4.2014 hob das Amtsgericht Hagen das Insolvenzverfahren nach § 200 InsO auf. Am 29.12.2014 erklärte der Geschäftsführer der Klägerin die Abtretung sämtlicher Ansprüche an die Klägerin, die ihm im Zusammenhang mit dem Abschluss des Vergleichs vor dem Landgericht Hagen vom 23.8.2011 im Hinblick auf die dort vereinbarte Wiederaufbauleistung in Höhe von 130.000 € gegen den Beklagten zu 2) zustehen.
27Die Klägerin behauptet, der Beklagte zu 1) habe dem Geschäftsführer der Klägerin vor dem Termin am 23.8.2011 mitgeteilt, dass die Erfüllung der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme einer Versicherungsleistung für den Wiederaufbau des Betriebsgebäudes sichergestellt sei. Im Fall eines Vergleichsabschlusses würde das Insolvenzverfahren kurzfristig aufgehoben nach § 200 InsO. Der Beklagte zu 1) könne dem Geschäftsführer der Klägerin sodann sehr kurzfristig eine hohe Akontozahlung aus dem erwarteten Insolvenzüberschuss auszahlen, womit der Geschäftsführer der Klägerin den Wiederaufbau sehr kurzfristig selbst angehen könnte.
28Hierzu meint die Klägerin, von dem Pflichtenkreis des Beklagten zu 1) als Insolvenzverwalter sei die Pflicht umfasst gewesen, einen abzuschließenden gerichtlichen Vergleich zweckentsprechend auszugestalten. Der Beklagte zu 1) hätte bei Abschluss des Vergleichs in geeigneter Weise sicherstellen müssen, dass die Klägerin die Wiederaufbauleistung in Anspruch nehmen kann. Dafür hätte der Beklagte zu 1) entweder eine andere Fristenregelung treffen oder sicherstellen müssen, dass er dem Geschäftsführer der Klägerin bereits vor der Aufhebung des Insolvenzverfahrens einen ausreichend hohen Geldbetrag zur Verfügung stellen kann. Der Beklagte zu 1) habe den Rechtsstreit in wesentlichen Teilen selbst geführt und die maßgeblichen Entscheidungen nicht in die Hände seines Prozessbevollmächtigten gelegt. Zudem sei dem Beklagten zu 1) bekannt gewesen, dass sein damaliger Prozessbevollmächtigter in versicherungsrechtlichen Angelegenheiten keine ausreichenden Kenntnisse besessen habe und auch nicht in der Lage bzw. nicht bereit gewesen sei, sich in dem erforderlichen Maße in dieses Rechtsgebiet einzuarbeiten. Aus diesem Grund habe der Beklagte zu 1) zwischenzeitlich auch angekündigt, seinem damaligen Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt Q das Mandat zu entziehen. Es habe sich an verschiedenen Stellen – insbesondere was die Versicherung zum Neuwert und die klageweise Geltendmachung der Vorratsschäden betrifft – gezeigt, dass das Mandat durch Rechtsanwalt Q nicht ordnungsgemäß bearbeitet worden sei.
29Die Klägerin behauptet weiter, der Geschäftsführer der Klägerin habe den ausreichenden Nachweis des Wiederaufbaus wegen der unterbliebenen Akontozahlung nicht erbringen können. Hierdurch sei der Klägerin ein Schaden in Höhe von 85.000 € entstanden. Die Wiederaufbaufrist sei zu kurz bemessen gewesen. Die B hätte einer längeren Frist zum Beispiel von einem Jahr beginnend mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens zugestimmt. Sie selbst habe das alte Gebäude wieder aufbauen wollen. Sie hätte zudem das Betriebsgrundstück wenige Monate nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens veräußern können. Im Falle einer Veräußerung des Betriebsgrundstücks hätte die Klägerin einen Mehrerlös von 85.000 € erzielt. Der Erwerber habe beabsichtigt, das Grundstück unverzüglich wieder zu bebauen und hätte daher problemlos die Wiederaufbauleistung gegenüber der B geltend machen können. Hierzu meint die Klägerin, ihr hätte gegen die B ein Anspruch darauf zugestanden, die Wiederaufbaufrist um 18 Monate zu verlängern. Ferner meint die Klägerin, der Erwerber hätte die Wiederaufbauleistung auch bei dem Bau eines vergleichbaren Gebäudes in Anspruch nehmen können.
30Die Klägerin behauptet, der Beklagte zu 2) habe die Klägerin nicht auf die mit der Vertragsgestaltung verbundenen Risiken hingewiesen. Das Risiko, dass die Klägerin den Nachweis des Wiederaufbaus innerhalb der Frist nicht würde führen können, sei für den Beklagten zu 2) ohne weiteres ersichtlich gewesen. Hätte der Beklagte zu 2) den Geschäftsführer der Klägerin darauf hingewiesen, dass gegen die B der vermeintliche Anspruch auf die Verlängerung der Wiederaufbaufrist um 18 Monate bestanden hätte, hätte der Geschäftsführer der Klägerin verlangt, dass eine entsprechende Frist vereinbart werde.
31Der Beklagte zu 2) habe schon im Hinblick auf das Schreiben des Beklagten zu 1) vom 16.9.2011 nicht ordnungsgemäß beraten. Er hätte dem Geschäftsführer der Klägerin auch nicht zum Abschluss des abgeschlossenen Vergleichs raten dürfen. Er hätte für eine Formulierung des Vergleichs sorgen müssen, die erkennbare Risiken ausschloss und eine ausreichend lange Wiederaufbaufrist vorsah. Er hätte darauf hinwirken müssen, dass sich der Beklagte zu 1) in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter verpflichte, dem Geschäftsführer der Klägerin schon während des noch laufenden Insolvenzverfahrens den Wiederaufbau durch die Bereitstellung liquider Mittel zu ermöglichen.
32Die Klägerin beantragt,
33die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 85.000,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
34Die Beklagten beantragen,
35die Klage abzuweisen.
36Der Beklagte zu 1) behauptet, der Geschäftsführer der Klägerin und seine Rechtsanwälte seien in die Geschehnisse und Prozesse eng eingebunden gewesen. Der Geschäftsführer der Klägerin habe um die Bedeutung der ursprünglich im Jahr 2008 ablaufenden Wiederaufbaufrist von Beginn des Ausgangsprozesses an gewusst. Der Widerruf des Prozessvergleichs aus der öffentlichen Sitzung vom 22.3.2011 sei nicht aus Anlass der streitgegenständlichen Wiederaufbauregelung erfolgt. Die Wiederaufbauregelung mit den Fristen von 2 bzw. 8 Monaten sei allein auf das Betreiben des Geschäftsführers der Klägerin zurückgegangen. Er selbst habe den Wiederaufbau in das Ermessen des Geschäftsführers der Klägerin und seines Prozessbevollmächtigten, des Rechtsanwalts Q, gestellt. Es sprächen verschiedene Gesichtspunkte dafür, dass das Gebäude nicht wiederaufgebaut werden sollte, nämlich sowohl die Finanzierungslücke von 750.000 € als auch die Tatsache, dass der Wiederaufbau nach dem Sommer 2007 nicht mehr forciert worden sei. Auch der behauptete Verkauf des Grundstücks sei ein Zeichen gegen die Wiederaufbauabsicht der Klägerin. Schließlich wäre im Falle des Verkaufs nicht der behauptete Preis erzielt worden, da für ein bebautes Grundstück nicht der Preis eines unbebauten Grundstücks erzielt werden könne.
37Der Beklagte zu 1) meint, er habe sich darauf verlassen können, dass der Geschäftsführer der Klägerin die Frage einer Sicherstellung des Wiederaufbaus innerhalb der Ausschlussfrist von drei Jahren korrekt erfasst und gemäß den ihm erteilten Hinweisen durch entsprechende Vorkehrungen Sorge für die Einhaltung dieser Frist getroffen habe. Er selbst habe nichts mehr veranlassen müssen, nachdem der Geschäftsführer der Klägerin unstreitig auf eigene Initiative die Wiederaufbauabsicht im Schreiben vom 27.10.2011 angezeigt habe und sich die jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin um bedingungsgemäße Nachweise zur Sicherstellung des Wiederaufbaus gekümmert haben.
38Schließlich habe er das erzielte Verhandlungsergebnis akzeptieren müssen. Ab dem Sommer 2011 habe keine weitere Verhandlungsbereitschaft der B mehr bestanden. Die Fortsetzung des Rechtsstreits über mehrere Instanzen hätte zu erheblichen Kostenbelastungen geführt. Angesichts erheblicher Prozessrisiken habe der Vergleich ein gutes Verhandlungsergebnis dargestellt.
39Der Beklagte zu 1) meint, er habe keine insolvenzspezifische Pflicht verletzt. Ein Auswahlverschulden hinsichtlich seines Prozessbevollmächtigten könne ihm schon aus dem Grund nicht vorgeworfen werden, weil die Klägerin den Rechtsanwalt Q bereits vor der Bestellung des Beklagten zu 1) als vorläufigen Insolvenzverwalter mandatiert hatte. Ihm falle auch kein Überwachungsverschulden zur Last. Sein Vorgehen erscheine im Rahmen der gebotenen ex ante-Betrachtung und angesichts des ihm zustehenden Ermessensspielraums als uneingeschränkt vertretbar. Schließlich sei der Anspruch wegen des anspruchsmindernden Eigenverschuldens der Klägerin ausgeschlossen.
40Der Beklagte zu 2) rügt zunächst die Wirksamkeit der Vollmacht der Prozessbevollmächtigten der Klägerin wegen einer vermeintlichen Interessenkollision.
41Der Beklagte zu 2) behauptet, wenn die B dem Abschluss eines Vergleichsvertrags mit einer längeren Frist hätte zustimmen wollen, hätte sie die vereinbarte Frist verlängert. Das habe der Prozessbevollmächtigte der Klägerin jedoch nicht versucht, obwohl er bereits im November 2011 mandatiert worden sei. Zudem habe er selbst davon ausgehen können, dass der Beklagte zu 1) als Insolvenzverwalter die von ihm erteilte Zusage der Frist habe überschauen und einhalten können.
42Der Beklagte zu 2) meint, er sei nicht verpflichtet gewesen, den Geschäftsführer der Klägerin wegen der Wiederaufbaufrist zu beraten, da diese den Beklagten zu 1) und nicht den Geschäftsführer der Klägerin betroffen habe. Denn das Insolvenzverfahren habe über den Ablauf der Frist hinaus fortbestanden. Nicht der Geschäftsführer der Klägerin habe den Nachweis des Wiederaufbaus erbringen sollen, sondern der Beklagte zu 1).
43Der Beklagte zu 2) rechnet hilfsweise mit anwaltlichen Honorarforderungen auf und begehrt widerklagend von der Klägerin und dem Geschäftsführer der Klägerin die Zahlung vermeintlicher anwaltlicher Honorare in Höhe von insgesamt 31.424,87 EUR.
44Wegen dieser anwaltlichen Honorarforderungen in Höhe von 31.424,87 EUR erließ das Amtsgericht Euskirchen auf Antrag des Beklagten zu 2) am 7.1.2015 einen Mahnbescheid gegen die Klägerin und den Geschäftsführer der Klägerin. Hiergegen erhoben die Klägerin und der Geschäftsführer der Klägerin am 16.1.2015 Widerspruch. Am 9.2.2015 gab das Amtsgericht Euskirchen das Verfahren an das Landgericht Hagen ab.
45Der Beklagte zu 2) beantragt,
46die Klägerin als Gesamtschuldnerin mit dem Geschäftsführer der Klägerin zu verurteilen, an den Beklagten zu 2) 31.424,87 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz aus 24.555,00 EUR seit dem 28.6.2012, aus 603,33 EUR seit dem 16.7.2012 und aus 6.266,54 EUR seit dem 18.6.2012 zu zahlen,
47Die Klägerin beantragt,
48die Widerklage abzuweisen.
49Die Klägerin rügt die anderweitige Rechtshängigkeit des Streitgegenstands der Widerklage wegen der Geltendmachung der Honorarforderungen im Mahnverfahren vor dem Amtsgericht Euskirchen.
50Sie behauptet weiter, der Geschäftsführer der Klägerin habe den Beklagten zu 2) nicht beauftragt, dem Rechtsstreit beizutreten. Dessen Beauftragung sei allein im Hinblick auf das Verfahren vor dem Landgericht Hagen zu Aktenzeichen 2 O 445/09 erfolgt. Insoweit seien die angefallenen Gebühren bezahlt worden.
51Die Klägerin meint, was den Auftrag des Beklagten zu 2) angehe, den Geschäftsführer der Klägerin hinsichtlich der Ausgestaltung des Vergleichs und der Verbesserung der vom Beklagten zu 1) verhandelten Konditionen begleitend zu beraten, könne diese Beauftragung nicht zu einem Gebührenanspruch des Beklagten zu 2) führen. Für die Gebührenberechnung sei allein der Gegenstand der gerichtlichen Streitwertfestsetzung des Landgerichts Hagen maßgeblich; über die auf dieser Grundlage berechneten anwaltlichen Gebühren hinaus stehe dem Beklagten zu 2) ein Vergütungsanspruch nicht zu. Insoweit behauptet sie, es sei nicht erforderlich gewesen, dass der Geschäftsführer der Klägerin dem Rechtsstreit und dem Vergleich vor dem Landgericht Hagen beigetreten sei.
52Schließlich erhebt die Klägerin die Einrede der Verjährung darauf gestützt, dass die zur Begründung der Gebührenansprüche angeführten Tätigkeiten bereits im Jahr 2011 erfolgt seien.
53Mit Beschluss vom 23.2.2015 zu Az. I – 5 Sa 88/14 hat das Oberlandesgericht Düsseldorf das Landgericht Wuppertal als zuständiges Prozessgericht für die Klage bestimmt.
54Das Gericht hat die Akten des Rechtsstreits vor dem Landgericht Hagen zu Aktenzeichen 9 O 220/07 beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Auf den Hilfsantrag des Beklagten zu 2) hat das Gericht mit Beschluss vom 27.10.2015 die Drittwiderklage gegen den Geschäftsführer der Klägerin abgetrennt, sich insoweit für unzuständig erklärt und die Drittwiderklage an das Landgericht Hagen verwiesen.
55Entscheidungsgründe:
56Die Klage und die Widerklage haben keinen Erfolg.
57Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Widerklage ist bereits unzulässig.
58I.
59Die Klage ist zulässig.
60Das Landgericht Wuppertal ist zuständig nach §§ 36 Abs. 1 Nr. 3, 37 ZPO wegen der Zuständigkeitsbestimmung des Oberlandesgerichts Düsseldorf mit Beschluss vom 23.2.2015 zu Aktenzeichen I – 5 Sa 88/14.
61Die Klage wurde wirksam erhoben. Die Prozessvollmacht des Klägervertreters ist nicht unwirksam wegen einer vermeintlichen Interessenkollision. Eine Interessenkollision im Sinne des § 356 StGB, § 43 a BRAO oder § 3 BORA ist anzunehmen, wenn ein Rechtsanwalt in derselben Rechtssache gleichzeitig oder nacheinander zwei oder mehr Parteien berät und/oder vertritt, die gegenläufige Interessen haben (Offermann-Burckart, NJW 2010, 2489). Eine solche Situation liegt nicht vor, da den Klägervertreter weder mit dem Beklagten zu 1), noch mit dem Beklagten zu 2) ein Mandatsverhältnis verband oder verbindet.
62Selbst wenn der Klägerin Schadensersatzansprüche gegen ihren eigenen Prozessbevollmächtigten aus dem Anwaltsvertrag zustünden, hätte dies auf die Wirksamkeit des Anwaltsvertrags keine Auswirkung. Nach der Rechtsprechung sind die Wirksamkeit der einem Rechtsanwalt erteilten Vollmacht, für die die Vorschriften der §§ 78 ff. ZPO ein Sonderrecht bilden, und die Wirksamkeit der von ihm namens der Partei vorgenommenen Rechtshandlungen unabhängig von der Wirksamkeit des Anwaltsvertrags. Ein Verstoß gegen ein berufsrechtliches Tätigkeitsverbot führt daher nicht dazu, dass die Prozesshandlungen unwirksam sind. Selbst bei Zuwiderhandlung gegen umfassende und generelle Tätigkeitsverbote bleiben die Handlungen des Rechtsanwalts wirksam, um die Beteiligten im Interesse der Rechtssicherheit zu schützen (BGH, Urt. v. 14. 5. 2009, IX ZR 60/08, NJW-RR 2010, 67 m. w. N.).
63Die Klage ist jedoch unbegründet.
64Der Klägerin steht der gegen den Beklagten zu 1) und den Beklagten zu 2) als Gesamtschuldner geltend gemachte Schadensersatzanspruch in Höhe von 85.000 EUR aus keinem rechtlichen Grund zu.
651.
66Die Klägerin hat gegen den Beklagten zu 1) keinen Anspruch auf die Zahlung von 85.000 EUR aus § 60 Abs. 1 InsO.
67Nach § 60 Abs. 1 InsO ist der Insolvenzverwalter allen Beteiligten des Insolvenzverfahrens gegenüber zum Schadenersatz verpflichtet, wenn er schuldhaft die Pflichten verletzt, die ihm nach der Insolvenzordnung obliegen.
68Der Beklagte zu 1) war Insolvenzverwalter, da er mit Beschluss des Amtsgerichts Hagen vom 2.11.2005 als solcher über das Vermögen der Klägerin bestellt worden war. Die Klägerin war Insolvenzschuldnerin und damit Beteiligte des Insolvenzverfahrens im Sinne des § 60 InsO (vgl. Klopp/Kluth/Pechartscheck, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 23, Rn. 9).
69Der Beklagte zu 1) hat jedoch keine insolvenzspezifische Pflicht verletzt, die sich aus den Regelungen der Insolvenzordnung selbst ergibt. Dem Insolvenzverwalter obliegt nach § 80 InsO die Verwaltung des zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögens und die Verfügung hierüber. Nach § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 InsO fällt darunter insbesondere die Aufgabe, das Vermögen des Schuldners zu sichern und zu erhalten. Dabei hat er die sachlich gewürdigten Belange des Insolvenzschuldners zu wahren. Diesem gegenüber ist der Insolvenzverwalter dazu verpflichtet, das Verfahren bestmöglich abzuwickeln und die Insolvenzmasse nach §§ 1, 80 Abs. 1, 148 Abs. 1, 159 InsO bestmöglich zu verwerten. Gleichzeitig hat er auf die Interessen der Insolvenzgläubiger Rücksicht zu nehmen, indem er gehalten ist, die Kosten des Insolvenzverfahrens zu Gunsten der Insolvenzmasse gering zu halten.
70Vermögensbestandteil sind auch etwaige Forderungen der Insolvenzschuldnerin gegenüber Dritten. Aus diesem Grund kann der Insolvenzverwalter verpflichtet sein, diese Forderung gerichtlich durchzusetzen.
71Eine Pflicht zur Prozessführung trifft den Insolvenzverwalter dann, wenn die Verfolgung eines Masseanspruchs hinreichende Erfolgsaussichten bietet und die Prozessführung wirtschaftlich vertretbar erscheint (Jaeger/Gerhardt, InsO, § 60, Rn. 80; Uhlenbruck/Sinz, InsO, § 60, Rn. 47). Daraus erwächst ihm die Pflicht, mit Sorgfalt die Prozessaussichten zu prüfen sowie in einem zu Recht anhängig gemachten Prozess sein Verhalten dem jeweiligen Prozessstand anzupassen. Maßgeblich für Entscheidungen über die Prozessführung ist nicht nur der potentielle wirtschaftliche Zugewinn, dem die gerichtliche Durchsetzung von Ansprüchen dient, sondern sind auch die Verfahrenskosten, die dabei entstehen (Klopp/Kluth/Pechartscheck, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 23, Rn. 23). Zu den Prozessführungspflichten des Insolvenzverwalters gehört es weiterhin, den Prozess durch Vergleichsabschluss zu beenden, wenn dies zweckmäßig erscheint (vgl. Jaeger/Gerhardt, InsO, § 60 InsO, Rn. 80).
72Bei der Ausgestaltung des Pflichtenkreises des Insolvenzverwalters ist der allgemeine Grundsatz zu beachten, wonach dem Insolvenzverwalter wegen seiner vielfältigen und schwierigen Aufgaben bei der Ausübung seiner Tätigkeit grundsätzlich ein weiter Ermessensspielraum zusteht (BGH, Urt. v. 25.4.2002, NJW 2002, 2783, 2785).
73In Anbetracht dieser Grundsätze ist die Verletzung einer insolvenzspezifischen Pflicht durch den Beklagten zu 1) zu verneinen.
74Zunächst hat der Beklagte zu 1) aktiv einen Prozess gegen die B geführt, um den angenommenen Zahlungsanspruch aus der Immobilienversicherung durchzusetzen. Mit der Klageerweiterung am 16.12.2008 wurde die Ansprüche aus der Immobilienversicherung Gegenstand des Rechtsstreits zwischen dem Beklagten zu 1) und der B vor dem Landgericht Hagen zu Aktenzeichen 9 O 220/07. Zur Erfüllung seiner Prozessführungspflichten bediente sich der Beklagte zu 1) seines damaligen Prozessbevollmächtigten, des Rechtsanwalts Q.
75Beauftragt der Insolvenzverwalter einen Rechtsanwalt mit der Vertretung seiner Interessen, beschränkt sich die Haftung des Insolvenzverwalters auf ein Auswahl- und Überwachungsverschulden (OLG Nürnberg, Urt. v. 11.12.2013, 12 U 1530/12, juris, Rn. 144 m. w. N.; Uhlenbruck/Sinz, InsO, § 60, Rn. 99).
76Dem Beklagten zu 1) kann jedoch wieder ein Auswahl-, noch ein Überwachungsverschulden zur Last gelegt werden.
77Ein Auswahlverschulden ist zu verneinen. Der beauftragte Rechtsanwalt Q war bereits zuvor von dem Geschäftsführer der Klägerin für die Geltendmachung der Entschädigungsansprüche gegen die B Versicherungs-AG mandatiert worden. Zwar erlöschen durch die Eröffnung des Insolvenzverfahren die Dienst- und Geschäftsbesorgungsverträge gem. §§ 115 Abs. 1, 116 Abs. 1 InsO. Jedoch war es sachgerecht, dass der Beklagte zu 1) das Anwaltsverhältnis mit Rechtsanwalt Q fortgesetzt hat. Denn der Beklagte zu 1) hatte keinen triftigen Grund dazu, an dieser Entscheidung und einer künftigen ordnungsgemäßen Auftragserfüllung zu zweifeln, zumal es unter dem Gesichtspunkt einer effizienten und kostengünstigen Verfahrensgestaltung zumindest vertretbar erschien, den bereits mit der Angelegenheit befassten Rechtsanwalt nicht auszuwechseln. Auch aus den von der Klägerin vorgelegten Schreiben, die von der damaligen anwaltlichen Vertreterin des Geschäftsführers der Klägerin verfasst worden sind, ergeben sich keine Umstände, aufgrund derer sich eine völlige Ungeeignetheit oder offenbare schwere Versäumnisse von Rechtsanwalt Q feststellen lässt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dem Insolvenzverwalter wegen seiner vielfältigen und schwierigen Aufgaben bei der Ausübung seiner Tätigkeit grundsätzlich ein weiter Ermessensspielraum zusteht (BGH, Urt. v. 25.4.2002, NJW 2002, 2783, 2785). Ein solches Ermessen steht dem Insolvenzverwalter auch bei der Auswahl und Beauftragung eines Prozessvertreters zu. Zwingende Gründe, die gegen die Beauftragung von Rechtsanwalt Q sprachen, sind nicht ersichtlich. Dementsprechend handelte es sich bei der Entscheidung, diesen mit der Prozessführung zu beauftragen, da er sowohl mit der Insolvenzschuldnerin, als auch mit den streitgegenständlichen Geschehnissen bereits vertraut war, nicht um eine unvertretbare Entscheidung.
78Ein Überwachungsverschulden ist zu verneinen, weil auch bei Zugrundelegung des klägerischen Vortrags nicht anzunehmen ist, dass der Beklagte zu 1) als Insolvenzverwalter seinen Pflichten nicht hinreichend nachgekommen ist. Hierbei ist nämlich der weite Entscheidungsspielraum des Insolvenzverwalters zu berücksichtigen.
79Zunächst stellte der Abschluss des Vergleiches mit der Regelung des Gebäudeschadens eine vertretbare wirtschaftliche Entscheidung dar. Dies wird auch von der Klägerin nicht bestritten, welche insoweit lediglich rügt, dass eine andere Fristenregelung hätte getroffen werden müssen.
80Der Beklagte zu 1) stand mit seinem Prozessbevollmächtigten im regelmäßigen Austausch. Es lagen keine für den Beklagten zu 1) erkennbaren groben anwaltlichen Fehler oder offensichtliche Versäumnisse vor, die den Schluss darauf zuließen, dass der Prozessbevollmächtigte den Prozess mangelhaft führte und ausgetauscht werden musste. Hierbei ist zu beachten, dass dem Beklagten zu 1) ein etwaiges Sonderwissen oder eine besondere Beurteilungskompetenz, das bzw. die er als Rechtsanwalt hatte, nicht haftungsverschärfend angelastet werden kann. Die Tatsache, dass es von Seiten des Geschäftsführers der Klägerin Kritik an dem Vorgehen des Rechtsanwalts Q gab, steht dem nicht entgegen. Die von der Klägerin vorgelegten Schreiben, die die behauptete schlechte Verwaltung des Mandats durch Rechtsanwalt Q betreffen, stammen allesamt aus dem Zeitraum vor der Klageeinreichung beim Landgericht Hagen. Sie vermögen daher keine Zweifel an der Prozessführung durch selbigen hervorzurufen. Dessen ungeachtet ist gegen die von der Klägerin behaupteten anwaltlichen Versäumnisse einzuwenden, dass auch bei Zugrundelegung des klägerischen Vortrags die Entscheidung, an Rechtsanwalt Q als Prozessbevollmächtigten festzuhalten, nicht als eine unvertretbare Entscheidung anzusehen ist. Denn mit der Mandatierung eines anderen Rechtsanwalts wären Schwierigkeiten und Ineffizienzen einhergegangen, zumal dies zu zusätzlichen Honorarkosten zulasten der Insolvenzmasse geführt hätte.
81Außerdem war für den Beklagten zu 1) nicht ersichtlich, dass sich die getroffene Regelung zum Wiederaufbau nicht würde umsetzen lassen, so dass der Abschluss eines solchen Vergleichs einem Verzicht auf die Zahlung weiterer 85.000 EUR gleichgekommen wäre. Denn der Beklagte zu 1) konnte angesichts des Kenntnis- und Wissenstands, den er über die bereits im Jahr 2007 begonnene Wiederaufbauplanung des Geschäftsführers der Klägerin hatte, davon ausgehen, dass ein Wiederaufbau innerhalb der vereinbarten acht Monate hätte erfolgen können. Jedenfalls erschien die Frist nicht von vornherein als offensichtlich ungeeignet, um die Verwirklichung des Zahlungsanspruchs in voller Höhe zu erreichen. Das gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass der Geschäftsführer der Klägerin schon seit der öffentlichen Sitzung des Landgerichts Hagen im Ausgangsprozess vom 16.9.2008 Kenntnis davon hatte, dass zwischen dem Beklagten zu 1) und der B eine solche Fristenregelung im Raum stand, und er diesbezüglich kein Bedenken geäußert hatte.
82Hinzu kommt, dass der Differenzbetrag von 85.000 EUR für beide Alternativen der Zahlung wegen des Gebäudeschadens nur einen relativ geringen Teil der Gesamtvergleichssumme ausmachte. In Anbetracht des dem Insolvenzverwalter zustehenden Entscheidungsspielraums bei der aktiven Prozessführung und den Schwierigkeiten, sich über die die tatsächlichen Gegebenheiten des Wiederaufbaus des Betriebsgebäude umfassend zu informieren und diese korrekt einzuschätzen, konnte der Beklagte zu 1) den Fokus darauf legen, im Wege der gütlichen Einigung die Zahlung eines möglichst hohen Betrags zu erreichen. Denn bei einer Gesamtschau der von dem Beklagten zu 1) zu berücksichtigenden Interessen der Insolvenzschuldnerin ebenso wie der Insolvenzgläubiger war die Höhe des von der B zu zahlenden Gesamtbetrags entscheidend. Mit dem Vergleichsabschluss konnte ein Klageerfolg erreicht werden, der einem überwiegenden Obsiegen entspricht. Eine Fortführung des Prozesses begegnete dabei nicht unerheblichen Prozessrisiken. Zudem sprach für den Vergleichsabschluss, das auf diese Weise ein Abschluss des Insolvenzverfahrens mit einem Überschuss bei Verteilung der Verwertungserlöse und der Unternehmensfortführung erreicht werden konnte.
83Die Verletzung einer insolvenzspezifischen Pflicht ist auch nicht darin zu sehen, dass der Insolvenzverwalter dem Geschäftsführer der Klägerin keinen ausreichend hohen Geldbetrag zur Verfügung gestellt oder eine solche Zahlung sichergestellt hat, mit der dieser den Wiederaufbau hätte finanzieren können. Denn die Leistung einer Vorabzahlung hat das Amtsgericht Hagen mit Beschluss vom 23.4.2012 abgelehnt. Zudem hat der Beklagte zu 1) im Schreiben vom 16.9.2011 angeboten, die schuldnerische Immobilie zugunsten des Geschäftsführers der Klägerin freizugeben oder die Immobilie auf diesen zu übertragen. Damit hat der Beklagte zu 1) die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten genutzt, um den Wiederaufbau zu fördern.
84Selbst wenn mit der klägerischen Auffassung eine Pflichtverletzung des Beklagten zu 1) anzunehmen wäre, hätte er diese jedenfalls nicht zu vertreten. Nach dem besonderen Verschuldensmaßstab in § 60 Abs. 1 S. 2 InsO hat der Beklagte zu 1) nur für die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters einzustehen. Diese Formulierung ist angelehnt an den im Handels- und Gesellschaftsrecht geltenden Sorgfaltsmaßstab, der die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes oder eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vorschreibt (§ 43 Abs. 1 GmbHG, § 93 Abs. 1 AktG). Zwar ist davon auszugehen, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter überblicken kann, ob sich eine in einem gerichtlichen Vergleich getroffene Regelung zum Wiederaufbau des eigenen Betriebsgebäudes tatsächlich umsetzen lässt, also die für den Zahlungsanspruch erforderlichen Voraussetzungen tatsächlich geschaffen werden können. Allerdings sind bei dem für die Haftung des Insolvenzverwalters geltenden Sorgfaltsmaßstab die Besonderheiten des Insolvenzverfahrens zu beachten. Die Fortführung eines insolventen Unternehmens stellt den Insolvenzverwalter regelmäßig vor besondere Schwierigkeiten, zumal dieser vielfach einen ihm nicht vertrauten Geschäftszweig übernimmt und mit Informationsdefiziten konfrontiert ist. Zudem muss der Insolvenzverwalter die Interessen verschiedener am Insolvenzverfahren Beteiligter berücksichtigen, die zueinander gegenläufig sein können. Die Amtsführung unter ungünstigen Bedingungen ist bei der Sorgfaltsbewertung angemessen zu berücksichtigen (Klopp/Kluth/Pechartscheck, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 23, Rn. 10). Entsprechendes muss für die Vereinbarung einer kurzen Wiederaufbaufrist im Vergleich und den Wiederaufbau selbst gelten. Angesichts der bereits begonnenen Planung des Wiederaufbaus und fehlender entsprechender Warnhinweise von Seiten des Geschäftsführers der Klägerin konnte der Beklagte zu 1) davon ausgehen, dass der Nachweis des Wiederaufbaus innerhalb der Frist möglich sein würde. Sein Angebot, die Immobilie freizugeben, diente erkennbar dem Interesse, den Wiederaufbau bzw. den Erhalt der Zahlung zu ermöglichen. Zudem bestand unabhängig von der Frage, ob sich die B im Sommer 2011 tatsächlich noch bereit erklärt hätte, die Fristen für den Wiederaufbau zu verlängern, für den Beklagten zu 1) das Risiko, dass die B nach den mehrmaligen Zugeständnissen nicht mehr bereit sein würde, auf einen anderen Vergleichsvorschlag einzugehen. Damit bestand das Risiko, dass eine gütliche Einigung endgültig scheiterte mit der denkbaren Folge des Unterliegens im Prozess. Zudem hätte ein Scheitern der Vergleichsgespräche zu einer möglicherweise erheblichen Verlängerung des gegebenenfalls mehrinstanzlichen Rechtsstreits und des Insolvenzverfahrens mit steigenden Kosten geführt. In Anbetracht der hohen Vergleichssumme, die der vierte Widerrufsvergleich dem Beklagten zu 1) einbrachte, welche die Befriedigung sämtlicher Insolvenzgläubiger und zugleich einen baldigen Abschluss des Insolvenzverfahrens ermöglichte, kann dem Beklagten zu 1) nicht vorgeworfen werden, diese Zahlung nicht wegen eines weiteren Betrages riskiert zu haben, der lediglich ungefähr sieben Prozent der Gesamtsumme betrug.
852.
86Der Klägerin steht gegen den Beklagten zu 2) kein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 85.000 EUR aus § 280 Abs. 1 i. V. m. §§ 611 Abs. 1, 675 Abs. 1 BGB und dem Anwaltsvertrag zu. Hierfür fehlt es bereits an einem Schuldverhältnis im Sinne des § 280 Abs. 1 BGB, weil der Anwaltsvertrag nicht zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 2), sondern dem Geschäftsführer der Klägerin und dem Beklagten zu 2) bestand.
87Der Klägerin steht gegen den Beklagten zu 2) auch kein Anspruch aus Schadensersatz in Höhe von 85.000 EUR aus abgetretenem Recht gemäß §§ 398, 280 Abs. 1 i. V. m. §§ 611 Abs. 1, 675 Abs. 1 BGB und dem Anwaltsvertrag zu.
88Der Geschäftsführer der Klägerin hat am 29.12.2014 etwaige ihm gegen den Beklagten zu 2) im Zusammenhang mit dem Abschluss des Vergleichs vor dem Landgericht Hagen vom 23.8.2011 im Hinblick auf die dort vereinbarte Wiederaufbauleistung in Höhe von 130.000 EUR zustehenden Ansprüche wirksam an die Klägerin abgetreten gem. § 398 BGB.
89Zwischen dem Geschäftsführer der Klägerin und dem Beklagten zu 2) bestand ein Schuldverhältnis in Form des Anwaltsvertrags als typengemischter Vertrag nach §§ 611, 675 Abs. 1 BGB.
90Der Beklagte zu 2) hat aus diesem Schuldverhältnis indes keine Pflicht verletzt.
91Ein Rechtsanwalt ist aufgrund des Anwaltsvertrags in den Grenzen des ihm erteilten Mandats verpflichtet, die Interessen seines Mandanten nach jeder Richtung und umfassend wahrzunehmen und Schädigungen seines Auftraggebers, mag deren Möglichkeit auch nur von einem Rechtskundigen vorausgesehen werden können, zu vermeiden. Soweit der Mandant nicht eindeutig zu erkennen gibt, dass er des Rates nur in einer bestimmten Richtung bedarf, ist der Rechtsanwalt zur allgemeinen, umfassenden und möglichst erschöpfenden Belehrung des Auftraggebers verpflichtet. In den Grenzen des Mandats hat er dem Mandanten diejenigen Schritte anzuraten, die zu dem erstrebten Ziel zu führen geeignet sind, und Nachteile für den Auftraggeber zu verhindern, soweit solche voraussehbar und vermeidbar sind. Dazu hat er dem Auftraggeber den sichersten und gefahrlosesten Weg vorzuschlagen und ihn über mögliche Risiken aufzuklären, damit der Mandant zu einer sachgerechten Entscheidung in der Lage ist. Erwägt der Mandant den Abschluss eines Vergleichs, muss der Rechtsanwalt ihm dessen Vor- und Nachteile darlegen. Dies gilt in besonderem Maße, wenn es sich um einen Abfindungsvergleich handelt. Der Anwalt hat vor Abschluss des Vergleichs alle damit zusammenhängenden Vor- und Nachteile so gewissenhaft zu bedenken, wie es ihm aufgrund seiner Informationen, Kenntnisse und Erfahrungen vorausschauend möglich ist. Er hat von einem Vergleich abzuraten, wenn er für die von ihm vertretene Partei eine unangemessene Benachteiligung darstellt und insbesondere die begründete Aussicht besteht, im Falle einer streitigen Entscheidung ein wesentlich günstigeres Ergebnis zu erzielen (zum Ganzen OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.4.2011, 24 U 160/10, juris, Rn. 44 f. m. w. N.).
92Hingegen geht die anwaltliche Pflicht nicht so weit, dass der Rechtsanwalt ein rechtserhebliches Verhalten von einem Insolvenzverwalter erreichen muss, auf das der Rechtsanwalt wegen des gesetzlich definierten Aufgaben- und Pflichtenkreises nur beschränkt Einfluss nehmen kann. Deshalb konnte von dem Beklagten zu 2) nicht verlangt werden darauf hinzuwirken, dass sich der Beklagte zu 1) in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter verpflichtet, dem Geschäftsführer der Klägerin durch die Bereitstellung liquider Mittel den Wiederaufbau während des laufenden Insolvenzverfahrens zu ermöglichen, zumal das Amtsgericht Hagen den Antrag auf eine Abschlagszahlung wie bereits ausgeführt zurückgewiesen hatte.
93Die sich aus den dargestellten Grundsätzen ergebenden anwaltlichen Pflichten hat der Beklagte zu 2) nicht verletzt.
94Nach dem unbestrittenen Vortrag des Beklagten zu 2) hat dieser mit dem Geschäftsführer der Klägerin sowohl vor, als auch nach dem Termin am 22.3.2011 über den Vergleich gesprochen. Diese Besprechung schloss die Wiederaufbauregelung einschließlich der Frist ein. Der Beklagte zu 2) hat den Geschäftsführer der Klägerin danach gefragt, inwieweit diese Fristenregelung eine Realisierung der Ansprüche wegen des Gebäudeschadens gewährleiste. Damit hat er dasjenige Risiko angesprochen, bezüglich dessen die Klägerin dem Beklagten zu 2) einen Beratungsverstoß vorwirft, obwohl er Grund zu der Annahme hatte, dass sich der Geschäftsführer der Klägerin der in dieser Regelung liegenden Risiken ohnehin bewusst war. Nach den Äußerungen des Geschäftsführers der Klägerin konnte der Beklagte zu 2) darauf vertrauen, dass auch die Regelung im vierten Prozessvergleich vom 23.8.2011 zweckmäßig und umsetzbar war. Da die in diesem Vergleich vorgesehene Wiederaufbaufrist länger bemessen war als diejenige Frist aus dem dritten Widerrufsvergleich, konnte der Beklagte zu 2) davon ausgehen, dass die Fristenregelung der Realisierung des Anspruchs nicht entgegenstand.
95Ein Rechtsanwalt ist nämlich nicht verpflichtet, die Aussagen des Mandanten zu hinterfragen oder zu kontrollieren und an der faktischen Realisierbarkeit von Ansprüchen zu zweifeln, wenn der informierte und sachkundige Mandant angibt, dass sich eine beabsichtigte Regelung umsetzen lasse. Auf die Angaben des Mandanten kann der Rechtsanwalt vertrauen, solange er die Unrichtigkeit nicht kennt oder nicht erkennen muss (Heermann, in: MüKo BGB, § 675, Rn. 30). Das ist nicht der Fall.
96Aus diesem Grund hätte der Beklagte zu 2) auch selbst dann, wenn mit der klägerischen Auffassung anzunehmen wäre, dass die Klägerin gegen die B einen Anspruch auf die Verlängerung der Wiederaufbaufrist um 18 Monate gehabt hätte, hierauf nicht hinweisen müssen. Denn es war aus seiner Sicht auch mit der vereinbarten Frist möglich, einen Wiederaufbau fristgemäß nachzuweisen. Der Geschäftsführer der Klägerin hatte ihm nämlich bereits im Rahmen des Vergleichsabschlusses im März mitgeteilt, dass die im Vergleich vom 22.3.2011 vereinbarte Frist eingehalten werden könne, die kürzer war, als die Frist im letztendlich geschlossenen Vergleich.
97Dabei wäre nach der Auffassung der Kammer eine Verletzung der anwaltlichen Pflichten durch den Beklagten zu 2) selbst dann nicht anzunehmen, wenn der Beklagte zu 2) sich bei dem Geschäftsführer der Klägerin nicht danach erkundigt hätte, ob dieser die Wiederaufbaufrist für ausreichend halte, oder nicht darauf hingewiesen hätte, dass wegen der im Fall des Vergleichsabschlusses verbindlich geltenden Wiederaufbaufristen ein tatsächliches Risiko dafür bestand, dass lediglich die geringere Summe für den Gebäudeschaden in Höhe von 45.000 € von der B beansprucht werden könnte.
98Zunächst neigt die Kammer dazu, eine Beratungs- und Hinweispflicht des Beklagten zu 2) gegenüber dem Geschäftsführer der Klägerin schon mit der formalen Begründung zu verneinen, dass es sich bei dem Zahlungsanspruch aus der Immobilienversicherung, der mit der vergleichsweisen Regelung der Wiederaufbauzahlung abgebildet wurde, nicht um einen Anspruch des eigenen Mandanten handelte, sondern einen Anspruch der Klägerin selbst. Denn Vertragspartei des Versicherungsvertrags war nicht der Geschäftsführer der Klägerin persönlich, sondern die Klägerin. Der für diese handelnde Beklagte zu 1) war seinerseits anwaltlich beraten und vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten. Dieser Teil des Vergleichs betraf auch nicht den Rechtsstreit zwischen der B und dem Geschäftsführer der Klägerin.
99Eine Pflichtverletzung des Beklagten zu 2) ist jedoch jedenfalls wegen des besseren Wissens seines Mandanten, des Geschäftsführers der Klägerin, zu verneinen. Dieser bedurfte keiner Aufklärung über die mit der Fristenregelung verbundenen Risiken. Denn der Geschäftsführer der Klägerin kannte das Risiko oder hätte es erkennen müssen, wenn mit der Klägerin davon auszugehen wäre, dass ein Wiederaufbau innerhalb der Frist tatsächlich nicht möglich war. Die Frist für den Nachweis des Wiederaufbaus des Betriebsgebäudes betrug nach allen der insgesamt vier gerichtlichen Vergleiche nicht mehr als ungefähr acht Monate. Der Geschäftsführer der Klägerin kannte den Inhalt der verschiedenen abgeschlossenen Prozessvergleiche. Er war bereits in der Sitzung vom 16.9.2008 anwesend, in der der erste Prozessvergleich geschlossen worden war, der eine solche Regelung zum Inhalt hatte. Diese Fristenregelung war mithin bereits Grundlage der Vergleichsgespräche zwischen dem Beklagten zu 1) und der B zu einer Zeit, in der der Beklagte zu 2) noch nicht als Prozessbevollmächtigter des Geschäftsführers der Klägerin im Ausgangsrechtsstreit vor dem Landgericht Hagen zu Aktenzeichen 9 O 220/07 aufgetreten war.
100Zudem war der Geschäftsführer der Klägerin bereits dem dritten Widerrufsvergleich aus der öffentlichen Sitzung vom 22.3.2011 beigetreten. Danach sollte der Nachweis des Wiederaufbaus sogar binnen etwas über sechs Monaten, nämlich bis zum 30.9.2011, erfolgen. Der Geschäftsführer der Klägerin war in dieser Sitzung anwesend. Der Widerruf dieses Vergleichs erfolgte ausweislich des Schriftsatzes des Beklagten zu 2) als damaliger Prozessbevollmächtigter des Geschäftsführers der Klägerin auch nicht aus Gründen der Fristenregelung, sondern alleine aus Gründen der Höhe der Vergleichsforderungen wegen anderer Ansprüche als derjenigen aus der Immobilienversicherung. Demgegenüber sah der finale Vergleich sogar eine Frist für den Nachweis des Wiederaufbaus von ungefähr acht Monaten, also eine längere Frist, vor.
101Anders als für den Geschäftsführer der Klägerin war es für den Beklagten zu 2) nicht ersichtlich, dass die beabsichtigte Gestaltung des gerichtlichen Vergleichs mit dem unnötigen und leicht vermeidbaren Risiko verbunden war, dass es innerhalb der Frist bis zum 30.4.2012 nicht möglich sein würde, den Nachweis des Wiederaufbaus entsprechend den versicherungsvertraglichen Bedingungen zu führen. Die anwaltliche Hinweis- und Beratungspflicht geht nicht so weit, dass ein Mandant auf diesem bereits bekannte oder jedenfalls für diesen offensichtliche Risiken hingewiesen werden muss, die sich nicht aus juristischen, sondern aus tatsächlichen Fragestellungen ergeben, hinsichtlich derer der Mandant über besseres Wissen verfügt. Der Geschäftsführer der Klägerin vermochte in dieser Funktion und als Gesellschafter der Klägerin auch weitaus besser einzuschätzen, ob dieser Nachweis innerhalb der Frist erbracht werden könnte. Demgegenüber war dem Beklagten zu 2) auch nicht bekannt, dass der Nachweis des Wiederaufbaus innerhalb der Frist nicht erbracht werden könnte, falls der Wiederaufbau nach wie vor gewollt war. Denn es waren unstreitig bereits im Jahr 2007 Angebote eines Bauunternehmens und eines Architekten eingeholt worden.
102Selbst wenn man mit der klägerischen Auffassung davon ausginge, dass eine Pflichtverletzung des Beklagten zu 2) wegen des unterlassenen Hinweises auf bestehende Risiken anzunehmen wäre, die der Beklagte zu 2) nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB zu vertreten hätte, wäre der Anspruch wegen des Mitverschuldens des Geschäftsführers der Klägerin gem. § 254 BGB ausgeschlossen. Denn bei einer wertenden Betrachtung des Gesamtgeschehens vor und bei dem Abschluss des Widerrufsvergleichs ist ein etwaiger Schaden im Verhältnis zwischen dem Geschäftsführer der Klägerin und dem Beklagten zu 2) allein von Ersterem verursacht worden. Da der Geschäftsführer der Klägerin als Mandant anders als der Beklagte zu 2) umfangreiche Kenntnis über die Absicht und entsprechende Pläne zum Wiederaufbau hatte, konnte er selbst beurteilen, ob die vereinbarte Frist ausreichend war. Vor allem im Verhältnis zwischen dem Beklagten zu 2) und dem Geschäftsführer der Klägerin wäre allein letzterer im Stande gewesen, den erforderlichen Zeitraum für den Wiederaufbau einzuschätzen und zu erkennen, dass die Frist zum Nachweis des Wiederaufbaus möglicherweise zu kurz bemessen sein könnte. Der Beklagte zu 2) ist zu einem Zeitpunkt hinzugezogen worden, als die Fristenregelung bereits im Raum stand, die also nicht auf sein Betreiben zurückgeht. Auch dies ist zu seinen Gunsten zu berücksichtigen. Da der Geschäftsführer der Klägerin unter anderem in den öffentlichen Sitzungen vom 22.3.2011 und 23.8.2011 persönlich zugegen war, hätte er zumindest anmerken müssen, dass die Frist zu kurz bemessen sei, um dem Beklagten zu 2) zu ermöglichen, insoweit erneut in die Vergleichsverhandlungen einzusteigen. Dies ist unstreitig nicht geschehen; vielmehr hat der Geschäftsführer der Klägerin dem Beklagten zu 2) gegenüber angegeben, dass er die Frist für ausreichend halte.
1033.
104Da der Klägerin kein Zahlungsanspruch gegen die Beklagten zusteht, hat sie auch keinen Anspruch auf die Zahlung von Prozesszinsen gem. §§ 288, 291 BGB.
105II.
106Die Widerklage ist unzulässig.
107Der Zulässigkeit der Widerklage steht der Einwand anderweitiger Rechtshängigkeit nach § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO entgegen, wonach während der Dauer der Rechtshängigkeit die Streitsache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden darf. Auf Antrag des Beklagten zu 2) ist am 7.1.2015 vom Amtsgericht Euskirchen unstreitig ein Mahnbescheid über die widerklageweise geltend gemachte Forderung erlassen worden, dem die Klägerin und der Geschäftsführer der Klägerin widersprochen haben. Nach § 696 Abs. 3 ZPO gilt die Streitsache als mit der Zustellung des Mahnbescheids rechtshängig geworden, wenn die Streitsache alsbald nach der Erhebung des Widerspruchs abgegeben wird. Das Amtsgericht Euskirchen hat den Rechtsstreit am 9.2.2015 zur Durchführung des streitigen Verfahrens an das Landgericht Hagen abgegeben. Dies geschah auch alsbald im Sinne des § 696 Abs. 3 ZPO.
108III.
109Wegen des Vorbringens in den nachgelassenen Schriftsätzen der Beklagten zu 1) und 2) musste die mündliche Verhandlung nicht wiedereröffnet werden. Soweit in den Schriftsätzen der Klägervortrag substantiiert bestritten wurde, war dieses Vorbringen nicht entscheidungserheblich.
110IV.
111Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 100 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1, 2 ZPO.
112Der Streitwert wird auf 116.424,87 EUR festgesetzt
113(für die Klage: 85.000 EUR,
114für die Widerklage: 31.424,87 EUR).
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Annotations
(1) Sobald die Schlußverteilung vollzogen ist, beschließt das Insolvenzgericht die Aufhebung des Insolvenzverfahrens.
(2) Der Beschluß und der Grund der Aufhebung sind öffentlich bekanntzumachen. Die §§ 31 bis 33 gelten entsprechend.
(1) Das zuständige Gericht wird durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt:
- 1.
wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung des Richteramtes rechtlich oder tatsächlich verhindert ist; - 2.
wenn es mit Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke ungewiss ist, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig sei; - 3.
wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist; - 4.
wenn die Klage in dem dinglichen Gerichtsstand erhoben werden soll und die Sache in den Bezirken verschiedener Gerichte belegen ist; - 5.
wenn in einem Rechtsstreit verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben; - 6.
wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.
(2) Ist das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof, so wird das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört.
(3) Will das Oberlandesgericht bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen, so hat es die Sache unter Begründung seiner Rechtsauffassung dem Bundesgerichtshof vorzulegen. In diesem Fall entscheidet der Bundesgerichtshof.
(1) Ein Anwalt oder ein anderer Rechtsbeistand, welcher bei den ihm in dieser Eigenschaft anvertrauten Angelegenheiten in derselben Rechtssache beiden Parteien durch Rat oder Beistand pflichtwidrig dient, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Handelt derselbe im Einverständnis mit der Gegenpartei zum Nachteil seiner Partei, so tritt Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren ein.
(1) Der Rechtsanwalt ist der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten.
(2) Sein Recht, in Rechtsangelegenheiten aller Art vor Gerichten, Schiedsgerichten oder Behörden aufzutreten, kann nur durch ein Bundesgesetz beschränkt werden.
(3) Jedermann hat im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften das Recht, sich in Rechtsangelegenheiten aller Art durch einen Rechtsanwalt seiner Wahl beraten und vor Gerichten, Schiedsgerichten oder Behörden vertreten zu lassen.
(1) Der Insolvenzverwalter ist allen Beteiligten zum Schadenersatz verpflichtet, wenn er schuldhaft die Pflichten verletzt, die ihm nach diesem Gesetz obliegen. Er hat für die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters einzustehen.
(2) Soweit er zur Erfüllung der ihm als Verwalter obliegenden Pflichten Angestellte des Schuldners im Rahmen ihrer bisherigen Tätigkeit einsetzen muß und diese Angestellten nicht offensichtlich ungeeignet sind, hat der Verwalter ein Verschulden dieser Personen nicht gemäß § 278 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu vertreten, sondern ist nur für deren Überwachung und für Entscheidungen von besonderer Bedeutung verantwortlich.
(1) Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über.
(2) Ein gegen den Schuldner bestehendes Veräußerungsverbot, das nur den Schutz bestimmter Personen bezweckt (§§ 135, 136 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), hat im Verfahren keine Wirkung. Die Vorschriften über die Wirkungen einer Pfändung oder einer Beschlagnahme im Wege der Zwangsvollstreckung bleiben unberührt.
(1) Wird ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt, so geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf den vorläufigen Insolvenzverwalter über. In diesem Fall hat der vorläufige Insolvenzverwalter:
- 1.
das Vermögen des Schuldners zu sichern und zu erhalten; - 2.
ein Unternehmen, das der Schuldner betreibt, bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortzuführen, soweit nicht das Insolvenzgericht einer Stillegung zustimmt, um eine erhebliche Verminderung des Vermögens zu vermeiden; - 3.
zu prüfen, ob das Vermögen des Schuldners die Kosten des Verfahrens decken wird; das Gericht kann ihn zusätzlich beauftragen, als Sachverständiger zu prüfen, ob ein Eröffnungsgrund vorliegt und welche Aussichten für eine Fortführung des Unternehmens des Schuldners bestehen.
(2) Wird ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt, ohne daß dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt wird, so bestimmt das Gericht die Pflichten des vorläufigen Insolvenzverwalters. Sie dürfen nicht über die Pflichten nach Absatz 1 Satz 2 hinausgehen.
(3) Der vorläufige Insolvenzverwalter ist berechtigt, die Geschäftsräume des Schuldners zu betreten und dort Nachforschungen anzustellen. Der Schuldner hat dem vorläufigen Insolvenzverwalter Einsicht in seine Bücher und Geschäftspapiere zu gestatten. Er hat ihm alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen und ihn bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen; die §§ 97, 98, 101 Abs. 1 Satz 1, 2, Abs. 2 gelten entsprechend.
Das Insolvenzverfahren dient dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird. Dem redlichen Schuldner wird Gelegenheit gegeben, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien.
(1) Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über.
(2) Ein gegen den Schuldner bestehendes Veräußerungsverbot, das nur den Schutz bestimmter Personen bezweckt (§§ 135, 136 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), hat im Verfahren keine Wirkung. Die Vorschriften über die Wirkungen einer Pfändung oder einer Beschlagnahme im Wege der Zwangsvollstreckung bleiben unberührt.
(1) Der Insolvenzverwalter ist allen Beteiligten zum Schadenersatz verpflichtet, wenn er schuldhaft die Pflichten verletzt, die ihm nach diesem Gesetz obliegen. Er hat für die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters einzustehen.
(2) Soweit er zur Erfüllung der ihm als Verwalter obliegenden Pflichten Angestellte des Schuldners im Rahmen ihrer bisherigen Tätigkeit einsetzen muß und diese Angestellten nicht offensichtlich ungeeignet sind, hat der Verwalter ein Verschulden dieser Personen nicht gemäß § 278 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu vertreten, sondern ist nur für deren Überwachung und für Entscheidungen von besonderer Bedeutung verantwortlich.
(1) Ein vom Schuldner erteilter Auftrag, der sich auf das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen bezieht, erlischt durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
(2) Der Beauftragte hat, wenn mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist, die Besorgung des übertragenen Geschäfts fortzusetzen, bis der Insolvenzverwalter anderweitig Fürsorge treffen kann. Der Auftrag gilt insoweit als fortbestehend. Mit seinen Ersatzansprüchen aus dieser Fortsetzung ist der Beauftragte Massegläubiger.
(3) Solange der Beauftragte die Eröffnung des Verfahrens ohne Verschulden nicht kennt, gilt der Auftrag zu seinen Gunsten als fortbestehend. Mit den Ersatzansprüchen aus dieser Fortsetzung ist der Beauftragte Insolvenzgläubiger.
(1) Der Insolvenzverwalter ist allen Beteiligten zum Schadenersatz verpflichtet, wenn er schuldhaft die Pflichten verletzt, die ihm nach diesem Gesetz obliegen. Er hat für die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters einzustehen.
(2) Soweit er zur Erfüllung der ihm als Verwalter obliegenden Pflichten Angestellte des Schuldners im Rahmen ihrer bisherigen Tätigkeit einsetzen muß und diese Angestellten nicht offensichtlich ungeeignet sind, hat der Verwalter ein Verschulden dieser Personen nicht gemäß § 278 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu vertreten, sondern ist nur für deren Überwachung und für Entscheidungen von besonderer Bedeutung verantwortlich.
(1) Die Geschäftsführer haben in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden.
(2) Geschäftsführer, welche ihre Obliegenheiten verletzen, haften der Gesellschaft solidarisch für den entstandenen Schaden.
(3) Insbesondere sind sie zum Ersatz verpflichtet, wenn den Bestimmungen des § 30 zuwider Zahlungen aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen der Gesellschaft gemacht oder den Bestimmungen des § 33 zuwider eigene Geschäftsanteile der Gesellschaft erworben worden sind. Auf den Ersatzanspruch finden die Bestimmungen in § 9b Abs. 1 entsprechende Anwendung. Soweit der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft erforderlich ist, wird die Verpflichtung der Geschäftsführer dadurch nicht aufgehoben, daß dieselben in Befolgung eines Beschlusses der Gesellschafter gehandelt haben.
(4) Die Ansprüche auf Grund der vorstehenden Bestimmungen verjähren in fünf Jahren.
(1) Die Vorstandsmitglieder haben bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, namentlich Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die den Vorstandsmitgliedern durch ihre Tätigkeit im Vorstand bekanntgeworden sind, haben sie Stillschweigen zu bewahren.
(2) Vorstandsmitglieder, die ihre Pflichten verletzen, sind der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet. Ist streitig, ob sie die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt haben, so trifft sie die Beweislast. Schließt die Gesellschaft eine Versicherung zur Absicherung eines Vorstandsmitglieds gegen Risiken aus dessen beruflicher Tätigkeit für die Gesellschaft ab, ist ein Selbstbehalt von mindestens 10 Prozent des Schadens bis mindestens zur Höhe des Eineinhalbfachen der festen jährlichen Vergütung des Vorstandsmitglieds vorzusehen.
(3) Die Vorstandsmitglieder sind namentlich zum Ersatz verpflichtet, wenn entgegen diesem Gesetz
- 1.
Einlagen an die Aktionäre zurückgewährt werden, - 2.
den Aktionären Zinsen oder Gewinnanteile gezahlt werden, - 3.
eigene Aktien der Gesellschaft oder einer anderen Gesellschaft gezeichnet, erworben, als Pfand genommen oder eingezogen werden, - 4.
Aktien vor der vollen Leistung des Ausgabebetrags ausgegeben werden, - 5.
Gesellschaftsvermögen verteilt wird, - 6.
(weggefallen) - 7.
Vergütungen an Aufsichtsratsmitglieder gewährt werden, - 8.
Kredit gewährt wird, - 9.
bei der bedingten Kapitalerhöhung außerhalb des festgesetzten Zwecks oder vor der vollen Leistung des Gegenwerts Bezugsaktien ausgegeben werden.
(4) Der Gesellschaft gegenüber tritt die Ersatzpflicht nicht ein, wenn die Handlung auf einem gesetzmäßigen Beschluß der Hauptversammlung beruht. Dadurch, daß der Aufsichtsrat die Handlung gebilligt hat, wird die Ersatzpflicht nicht ausgeschlossen. Die Gesellschaft kann erst drei Jahre nach der Entstehung des Anspruchs und nur dann auf Ersatzansprüche verzichten oder sich über sie vergleichen, wenn die Hauptversammlung zustimmt und nicht eine Minderheit, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals erreichen, zur Niederschrift Widerspruch erhebt. Die zeitliche Beschränkung gilt nicht, wenn der Ersatzpflichtige zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung des Insolvenzverfahrens mit seinen Gläubigern vergleicht oder wenn die Ersatzpflicht in einem Insolvenzplan geregelt wird.
(5) Der Ersatzanspruch der Gesellschaft kann auch von den Gläubigern der Gesellschaft geltend gemacht werden, soweit sie von dieser keine Befriedigung erlangen können. Dies gilt jedoch in anderen Fällen als denen des Absatzes 3 nur dann, wenn die Vorstandsmitglieder die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters gröblich verletzt haben; Absatz 2 Satz 2 gilt sinngemäß. Den Gläubigern gegenüber wird die Ersatzpflicht weder durch einen Verzicht oder Vergleich der Gesellschaft noch dadurch aufgehoben, daß die Handlung auf einem Beschluß der Hauptversammlung beruht. Ist über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet, so übt während dessen Dauer der Insolvenzverwalter oder der Sachwalter das Recht der Gläubiger gegen die Vorstandsmitglieder aus.
(6) Die Ansprüche aus diesen Vorschriften verjähren bei Gesellschaften, die zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung börsennotiert sind, in zehn Jahren, bei anderen Gesellschaften in fünf Jahren.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
Eine Forderung kann von dem Gläubiger durch Vertrag mit einem anderen auf diesen übertragen werden (Abtretung). Mit dem Abschluss des Vertrags tritt der neue Gläubiger an die Stelle des bisherigen Gläubigers.
(1) Auf einen Dienstvertrag oder einen Werkvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat, finden, soweit in diesem Untertitel nichts Abweichendes bestimmt wird, die Vorschriften der §§ 663, 665 bis 670, 672 bis 674 und, wenn dem Verpflichteten das Recht zusteht, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen, auch die Vorschriften des § 671 Abs. 2 entsprechende Anwendung.
(2) Wer einem anderen einen Rat oder eine Empfehlung erteilt, ist, unbeschadet der sich aus einem Vertragsverhältnis, einer unerlaubten Handlung oder einer sonstigen gesetzlichen Bestimmung ergebenden Verantwortlichkeit, zum Ersatz des aus der Befolgung des Rates oder der Empfehlung entstehenden Schadens nicht verpflichtet.
(3) Ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, die Anmeldung oder Registrierung des anderen Teils zur Teilnahme an Gewinnspielen zu bewirken, die von einem Dritten durchgeführt werden, bedarf der Textform.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.
(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.
(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.
Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.
(1) Durch die Erhebung der Klage wird die Rechtshängigkeit der Streitsache begründet.
(2) Die Rechtshängigkeit eines erst im Laufe des Prozesses erhobenen Anspruchs tritt mit dem Zeitpunkt ein, in dem der Anspruch in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht oder ein den Erfordernissen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 entsprechender Schriftsatz zugestellt wird.
(3) Die Rechtshängigkeit hat folgende Wirkungen:
(1) Wird rechtzeitig Widerspruch erhoben und beantragt eine Partei die Durchführung des streitigen Verfahrens, so gibt das Gericht, das den Mahnbescheid erlassen hat, den Rechtsstreit von Amts wegen an das Gericht ab, das in dem Mahnbescheid gemäß § 692 Abs. 1 Nr. 1 bezeichnet worden ist, wenn die Parteien übereinstimmend die Abgabe an ein anderes Gericht verlangen, an dieses. Der Antrag kann in den Antrag auf Erlass des Mahnbescheids aufgenommen werden. Die Abgabe ist den Parteien mitzuteilen; sie ist nicht anfechtbar. Mit Eingang der Akten bei dem Gericht, an das er abgegeben wird, gilt der Rechtsstreit als dort anhängig. § 281 Abs. 3 Satz 1 gilt entsprechend.
(2) Ist das Mahnverfahren maschinell bearbeitet worden, so tritt, sofern die Akte nicht elektronisch übermittelt wird, an die Stelle der Akten ein maschinell erstellter Aktenausdruck. Für diesen gelten die Vorschriften über die Beweiskraft öffentlicher Urkunden entsprechend. § 298 findet keine Anwendung.
(3) Die Streitsache gilt als mit Zustellung des Mahnbescheids rechtshängig geworden, wenn sie alsbald nach der Erhebung des Widerspruchs abgegeben wird.
(4) Der Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens kann bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Antragsgegners zur Hauptsache zurückgenommen werden. Die Zurücknahme kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden. Mit der Zurücknahme ist die Streitsache als nicht rechtshängig geworden anzusehen.
(5) Das Gericht, an das der Rechtsstreit abgegeben ist, ist hierdurch in seiner Zuständigkeit nicht gebunden.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.
(1) Besteht der unterliegende Teil aus mehreren Personen, so haften sie für die Kostenerstattung nach Kopfteilen.
(2) Bei einer erheblichen Verschiedenheit der Beteiligung am Rechtsstreit kann nach dem Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.
(3) Hat ein Streitgenosse ein besonderes Angriffs- oder Verteidigungsmittel geltend gemacht, so haften die übrigen Streitgenossen nicht für die dadurch veranlassten Kosten.
(4) Werden mehrere Beklagte als Gesamtschuldner verurteilt, so haften sie auch für die Kostenerstattung, unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 3, als Gesamtschuldner. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, nach denen sich diese Haftung auf die im Absatz 3 bezeichneten Kosten erstreckt, bleiben unberührt.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.