Landgericht München II Urteil, 6. Okt. 2020 - 13 O 2044/20

ECLI:lg-munchen-ii
14.06.2021

Landgericht München II

 

Az.: 13 O 2044/20

Urteil vom 06.10.2020

 

Tenor
 

1.Das Anerkenntnis- und Vorbehaltsurteil vom 29.07.2020 wird unter Wegfall des Vorbehalts aufrechterhalten.
 
2.Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
 
3.Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.  


Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung von Geschäftsraummiete.

Die Klägerin vermietet an die Beklagte aufgrund Mietvertrages vom 23./27.04.2009, der durch einen Nachtrag vom 11.12.2009/07.01.2010 ergänzt wurde, Geschäftsräume im Anwesen A. Straße XX in … Der monatliche Mietzins beträgt 4.649,40 € netto zuzüglich 190 € Betriebskostenvorauszahlung und Umsatzsteuer in Höhe von 19%. Insgesamt beläuft sich der danach monatlich zu zahlende Betrag auf 5.758,89 €. Für die Einzelheiten des Mietvertrages wird auf die Anlagen K 1 und K 2 Bezug genommen. Die Beklagte betreibt in den Mieträumen ein Einzelhandelsgeschäft, in welchem vor allem Textilien verkauft werden.

Mit Allgemeinverfügung vom 16.03.2020, Aktz.: 51b-G8000-2020/122-67, ordneten die Bayerischen Staatsministerien für Gesundheit und Pflege und für Familie, Arbeit und Soziales vor dem Hintergrund der Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus unter anderem die Schließung von Einzelhandelsgeschäften jeder Art in Bayern an, soweit sie nicht einer Ausnahmeregelung in Ziffer 4 der Allgemeinverfügung unterfielen. Das Einzelhandelsgeschäft der Beklagten wurde von der Ausnahmeregelung nicht erfasst. Die Beklagte musste daher ihr Geschäft im Anwesen A. Straße XX in … am 18.03.2020 schließen. Im Anschluss an die bis 31.03.2020 befristete Allgemeinverfügung ordneten die 1. Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 27.03.2020 in § 2 Abs. 4 und sodann die 2. Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 16.04.2020 in § 2 Abs. 4 und 5 eine grundsätzlich fortdauernde Betriebsuntersagung für Einzelhandelsgeschäfte in Bayern an, welche auch das Einzelhandelsgeschäft der Beklagten erfasste. Die Beklagte konnte ihr Geschäft erst wieder am 27.04.2020 öffnen, musste aber strenge Auflagen zur Durchführung von Hygienemaßnahmen einhalten.

Die Beklagte hat die Miete und den Betriebskostenvorschuss für den Monat April 2020 nicht gezahlt.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte sei unbeschadet der SARS-CoV-2 Pandemie und der damit verbunden Auswirkungen, namentlich der Betriebsschließung des Einzelhandelsgeschäfts der Beklagten in der Zeit vom 18.03.2020 bis 27.04.2020, zur Zahlung der Miete verpflichtet. Das mit der Nutzung der Mietsache verbundene wirtschaftliche Risiko liege bei der Beklagten.

Die Klägerin hat mit Klageschrift vom 28.05.2020, bei Gericht eingegangen am 29.05.2020, und an die Beklagte zugestellt am 19.06.2020 Klage im Urkundsprozess erhoben.

Die Klägerin beantragte ursprünglich, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 5.758,89 € nebst Zinsen in Höhe von 9%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.04.2020 zu zahlen.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 17.07.2020 den Anspruch der Klägerin im Urkundsverfahren anerkannt, sich aber die Geltendmachung von Rechten im Nachverfahren vorbehalten.

Das Landgericht München II hat die Beklagte durch Anerkenntnis- und Vorbehaltsurteil vom 29.07.2020 dem Anerkenntnis gemäß verurteilt.

Mit Schriftsatz vom 03.08.2020 beantragte die Beklagte das Nachverfahren durchzuführen. Im Nachverfahren beantragt die Beklagte, das Anerkenntnis-Vorbehaltsurteil vom 29.07.2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Mit der Miete für Monat März 2020 hat sie, soweit sie auf den Zeitraum der Schließung entfiel, hilfsweise die Aufrechnung erklärt.

Die Beklagte trägt vor, sie sei durch die wegen der SARS-CoV-2 Pandemie angeordneten Schließungen ihrer Geschäfte in eine wirtschaftlich kaum noch zu beherrschende Situation geraten. Die Beklagte habe im Monat März 2020 einen Umsatzrückgang von 47,68% und im April 2020 von 78,56% erlitten. Die Schließung ihrer Filialen habe zu einer ganz erheblichen Liquiditätslücke geführt, so dass eine Mietzahlung im April 2020 nicht möglich gewesen sei. Im Bereich des Onlinehandels der Beklagten sei es nicht zu einem Umsatzanstieg gekommen. Die Beklagte habe, von Kurzarbeitergeld abgesehen, keine staatlichen Hilfen erhalten.

Die Beklagte ist der Auffassung, das Auftreten der Covid-19 Pandemie und die damit verbunden wirtschaftlichen Auswirkungen berechtigten sie zu einer Minderung des Mietzinses wegen eines Mangels, bedingten aber jedenfalls eine Anpassung des Mietvertrages unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage. Es liege auch eine rechtliche Unmöglichkeit hinsichtlich der Pflicht zur Überlassung der Mietsache vor. In der Folge all dessen entfalle die Verpflichtung zur Mietzinszahlung.

Die Klägerin beantragt im Nachverfahren, das Anerkenntnis-Vorbehaltsurteil im Urkundsprozess des Landgerichts München II vom 29.07.2020 für vorbehaltlos zu erklären. Weiter beantragte die Klägerin im Hinblick auf die Miete für den Monat Mai 2020, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 5.758,89 € nebst Zinsen in Höhe von 9%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.05.2020 zu zahlen.

Zur Begründung der Klageerweiterung führte die Klägerin aus, dass die Beklagte die Miete für den Monat Mai 2020 nur unter Vorbehalt der Rückforderung ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht gezahlt habe, so dass der Zahlung keine Erfüllungswirkung zukomme.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 11.09.2020 den Vorbehalt der Rückforderung bezüglich der Miete für den Monat Mai 2020 zurückgenommen. Die Parteien haben den Rechtsstreit im Hinblick auf die Miete für den Monat Mai 2020 übereinstimmend für erledigt erklärt.

Das Landgericht München II hat am 22.09.2020 mündlich zur Sache verhandelt. Im Übrigen wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteivertreter nebst Anlagen Bezug genommen.


Entscheidungsgründe


Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet. Das Vorbehaltsurteil vom 29.07.2020 war daher für vorbehaltlos zu erklären.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Mietzins in Höhe von 5.758,89 € aus dem zwischen den Parteien bestehenden Mietvertrag in Verbindung mit § 535 Abs. 2 BGB.

Die Verpflichtung zur Mietzinszahlung ist nicht nach § 536 Abs. 1 BGB entfallen. Das Auftreten der SARS-CoV-2 Pandemie und die in der Folge der Pandemie durch die Allgemeinverfügung und die Infektionsschutzmaßnahmenverordnungen der Bayerischen Staatsministerien für Familie, Arbeit und Soziales bzw. für Gesundheit und Pflege bedingte Schließung des Ladengeschäfts der Beklagten führen nicht zu einer Mangelhaftigkeit der Mietsache. Zwar können auch behördliche und gesetzliche Anordnungen als aus dem Umfeld der Mietsache stammende Einwirkungen die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache beeinträchtigen. Sie führen jedoch nur dann zu einem Mangel im Sinne des § 536 Abs. 1 BGB, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage der Mietsache vorliegt. Sonstige behördliche oder gesetzliche Maßnahmen, die die Nutzbarkeit der Mietsache und den wirtschaftlichen Erfolg des Mieters beeinträchtigen, fallen in den Risikobereich des Mieters (Häublein, in MüKo, BGB, 8. Aufl. 2020, § 536 Rn. 24 f.; BGH NJW 2011, 3151). Das Auftreten der SARS-CoV-2 Pandemie steht in keinem Zusammenhang mit dem Mietobjekt. Die in der Folge ergriffenen behördlichen Maßnahmen und erlassenen Rechtsverordnungen dienten dem Schutz der Gesamtbevölkerung vor Ansteckung und sollten einer Überlastung des Gesundheitswesens durch stark steigende Fallzahlen mit Covid-19 Erkrankungen entgegenwirken. Die Anordnung der Schließung von Einzelhandelsgeschäften, die als eine von zahlreichen Maßnahmen dem Ziel diente, das Zusammentreffen von Menschen zu beschränken, erfasste ganz Bayern. Daher stehen diese allgemeinen Maßnahmen zum Gesundheitsschutz nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage der Mietsache (vgl. auch LG Heidelberg, Urteil vom 30.07.2020, 5 O 66/20).

Die Verpflichtung zur Mietzinszahlung ist auch nicht nach §§ 326 Abs. 1, 275 Abs. 1 BGB entfallen. Die Hauptleistungspflicht der Klägerin als Vermieterin besteht in der Überlassung der Mietsache zum bestimmungsgemäßen Gebrauch. Diese Pflicht hat die Klägerin unstreitig erfüllt. Eine Unmöglichkeit der Leistungserbringung liegt daher nicht vor. Es bestand aber auch keine rechtliche Unmöglichkeit. Die rechtliche Unmöglichkeit setzt voraus, dass der vertraglich geschuldete Erfolg nicht eintreten kann, weil ihn die Rechtsordnung nicht anerkennt oder aber der Schuldner aus rechtlichen Gründen nicht leisten darf (Ernst, in MüKo BGB, 8. Aufl. 2019, § 275 Rn. 41 f.). Beide Fälle liegen erkennbar nicht vor. Die mietvertragliche Überlassung von Gewerberäumen zum Betrieb eines Handelsunternehmens ist in der Rechtsordnung ohne weiteres anerkannt. Die Vermietung der Klägerin an die Beklagte verstößt auch nicht gegen ein gesetzliches Verbot. Das Risiko die Mietsache dem Betriebskonzept gemäß nutzen zu können, liegt nach § 537 Abs. 1 BGB beim Vermieter (vgl. auch LG Heidelberg, Urteil vom 30.07.2020, 5 O 66/20).

Eine Anpassung des Mietvertrages nach § 313 Abs. 1 BGB, die zu einer Reduzierung oder gar dem Wegfall der Mietzinszahlungspflicht führen könnte, ist nicht vorzunehmen. Dabei kann dahinstehen, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage überhaupt erfüllt sind. Denn die Vorschrift des § 313 BGB ist im vorliegenden Fall nicht anzuwenden. Nach § 537 Abs. 1 BGB liegt das Risiko die in mangelfreiem Zustand überlassene Mietsache den eigenen wirtschaftlichen Zwecken gemäß verwenden zu können beim Mieter. Hierunter fällt auch, dass es dem Mieter gelingt, sein Betriebskonzept umzusetzen, dass prognostizierte Kunden- und Umsatzzahlen erreicht werden und dass er Gewinn erzielt (Finkenauer, in MüKo BGB, 8. Aufl. 2019, § 313 Rn. 223 m.w.N.; BGH NJW 2006, 899). Zwar könnte etwas anderes gelten, wenn durch unvorhergesehene Umstände der Geschäftsbetrieb dauerhaft nicht aufrechterhalten werden kann und dadurch der Mieter in eine wirtschaftliche Notlage gerät. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Die Beklagte musste ihr Geschäft für die Dauer von circa fünf Wochen schließen. Hierbei handelt es sich um einen, insbesondere angesichts des seit 2009 laufenden langfristigen Mietvertrages, überschaubaren Zeitraum. Die Schließung erfolgte nur vorübergehend. Der Geschäftsbetrieb kann seit dem 27.04.2020 wieder betrieben werden. Zwar führen die erforderlichen Hygienemaßnahmen zu einem zusätzlichen Aufwand und es mag nach der Wiedereröffnung eine Kaufzurückhaltung beim Publikum zu beobachten sein. Vor dem Hintergrund der hier vorliegenden langfristigen Vermietung ist es aber geboten, die wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Äquivalenz der vertraglichen Leistung und Gegenleistung ebenfalls längerfristig zu betrachten. Danach ist festzustellen, dass ein Umsatzausfall über fünf Wochen bei der Betrachtung der mehrjährigen wirtschaftlichen Entwicklung, die von der konjunkturellen Entwicklung, der Entwicklung des Kundenzuspruchs, der Entwicklung der Wettbewerbssituation und der Entwicklung des Stadtteils, in dem sich das Geschäft befindet, abhängig ist, nicht erheblich ins Gewicht fällt. Hinzu kommt, dass durch die gesetzlichen Regelungen zum Kurarbeitergeld die Lohnkosten der Beklagten in erheblichem Umfang ausgeglichen werden. Die besondere wirtschaftliche Belastung der Beklagten liegt darin, dass nicht nur das streitgegenständliche Ladengeschäft, sondern alle Filialen der Beklagten in Deutschland in etwa zeitgleich schließen mussten und dadurch in der Summe hohe Umsatzausfälle zu verzeichnen waren. Hierbei handelt es sich aber um einen Umstand, der nicht mit der hier streitgegenständlichen Vertragsbeziehung im Zusammenhang steht und dementsprechend auch nicht zur Geschäftsgrundlage des zwischen den Parteien bestehenden Mietvertrages gehört. Daher kommt es auch nicht in Betracht die Klägerin an diesen wirtschaftlichen Kosten der Beklagten, etwa durch eine Absenkung des Mietzinses zu beteiligen.

Die Vorschrift des § 313 BGB ist aber auch deshalb nicht anzuwenden, weil der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19 Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27.03.2020 (BGBBl. I 2020, S. 569) in Artikel 240 EGBGB eine gesetzliche Regelung geschaffen hat, welche vor dem Hintergrund der Pandemie gezielt einzelne Normen des BGB mit dem Ziel einer Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie abgeändert bzw. ergänzt hat. In Artikel 240 § 2 EGBGB hat der Gesetzgeber einzelne mietvertragliche Regelungen aufgenommen, welche nach Artikel 240 § 1 Abs. 4 Nr. 1 EGBGB abschließend sind. Es handelt sich hier um eine spezielle Gesetzesnorm, welche die Folgen der Pandemie für Miet- und Pachtverträge vorrangig regelt und entgegenstehende mietvertragliche Normen ebenso verdrängt, wie die Normen des allgemeinen Schuldrechts zu denen § 313 BGB gehört. Dass es sich bei Artikel 240 EGBGB um eine besondere und vorrangige Regelung handeln soll, ist in Abschnitt B. Ziffer 1. der Begründung des Gesetzentwurfes vom 24.03.2020 (BT-Drucks. 19/18110) festgehalten. Artikel 240 § 2 EGBGB sieht vor, dass ein Vermieter von Grundstücken und Räumen das Mietverhältnis nicht allein aus dem Grund kündigen darf, weil der Mieter mit der Mietzinszahlung für den Zeitraum 01.04.2020 bis 30.06.2020 in Verzug gerät. Eine Reduzierung der Miete im Hinblick auf die nach § 535 Abs. 2 BGB bestehende Pflicht zur Mietzinszahlung sieht Artikel 240 § 2 EGBGB dagegen nicht vor. In Abschnitt B. Ziffer 1. der Begründung des Gesetzentwurfes vom 24.03.2020 heißt es ausdrücklich, dass die Pflicht zur Zahlung der Miete bestehen bleibt. Ausweislich des Berichts des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz vom 25.03.2020 (BT-Drucks. 19/18158) hat die Fraktion Die Linke zum Ausdruck gebracht, dass es vorzugswürdig wäre, würde Mietern ein Teil der Miete erlassen (BT-Drucks. 19/18158, S. 3). Diese Anregung hat jedoch keinen Eingang in das Gesetz gefunden. Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass Artikel 240 § 2 EGBGB nicht nur die Pflicht zur vollständigen Mietzinszahlung unberührt lässt. Vielmehr hat der Gesetzgeber bewusst auch keine Regelung zur Reduzierung der Mietzahlung aufgenommen, weil er an der Pflicht zur vollständigen Mietzahlung festhalten wollte. Eine Reduzierung des vertraglich geschuldeten Mietzinses unter Rückgriff auf § 313 BGB kommt angesichts des eindeutigen Willens des Gesetzgebers nicht in Betracht.

Die Beklagte war vor diesem Hintergrund auch verpflichtet, die Miete für den Monat März 2020 unbeschadet der Schließung ab dem 18.03.2020 zu bezahlen. Ein Rückforderungsanspruch der Beklagten bestand insoweit nicht. Die hilfsweise erklärte Aufrechnung geht damit ins Leere.

Die Miete ist nach § 3 des Mietvertrages monatlich im Voraus bis zum 5. Tag des Monats zu zahlen. Hierbei handelt es sich um eine nach dem Kalender bestimmte Zeit, wonach die Aprilmiete am 05.04.2020 zu zahlen war. Die Beklagte befand sich daher ab dem 06.04.2020 mit der Mietzinszahlung nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB in Verzug, weshalb sie ab diesem Zeitpunkt nach § 288 BGB die Zahlung von Verzugszinsen schuldet.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1, 91a ZPO. Die Beklagte ist vollumfänglich unterlegen. Die Beklagte wäre auch im Hinblick auf die von der Klägerin für Monat Mai 2020 eingeklagte Miete unterlegen gewesen, hätten die Parteien den Rechtsstreit nicht insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt. Die Beklagte war für Mai 2020 zur Zahlung der Miete nebst des Betriebskostenvorschusses verpflichtet. Die Zahlung unter Vorbehalt der Rückforderung führte nicht zur Erfüllung der Schuld nach § 362 Abs. 1 BGB (BGH vom 15.03.2012, Aktz.: IX ZR 34/11).

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

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(1) Hat die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt, oder entsteht während der Mietzeit ein solcher Mangel, so ist der Mieter für die Zeit, in der die Tauglichkeit aufgehoben ist, von der Entrichtung der Miete befreit. Für die Zeit, während der die Tauglichkeit gemindert ist, hat er nur eine angemessen herabgesetzte Miete zu entrichten. Eine unerhebliche Minderung der Tauglichkeit bleibt außer Betracht.

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1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 5.081,98 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 07.04.2020 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 697,82 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.04.2020 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist für die Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird auf 5.081,98 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Auswirkungen der wegen der Coronaverordnung erfolgten Anordnung der Schließung der Filiale der Beklagten in W. vom 18.03.2020 bis 19.04.2020. Die Beklagte hat deshalb die Miete für April 2020 nicht gezahlt. Bezüglich der Wiedereröffnung am 20.04.2020 hat sie hilfsweise die Aufrechnung wegen Überbezahlung der Miete für März 2020 geltend gemacht.

Die Kläger sind die Vermieter und die Beklagte ist die Mieterin der Geschäftsräume im Anwesen N. Str. 4 in 74XXX W.. Die vereinbarte monatliche Sockelmiete beträgt einschließlich der vereinbarten Nebenkostenvorauszahlung und der Mehrwertsteuer 5.081,98 €. Die Geschäftsräume wurden dabei zur Nutzung als Verkaufs- und Lagerräume eines Einzelhandelsgeschäfts mit sämtlichen Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs vermietet.

Ursprünglich wurde der Mietvertrag am 31.07.2014 bzw. 05.08.2014 zwischen der Beklagten und der Rechtsvorgängerin der Kläger, Frau P. D., abgeschlossen (Anlage B2). In diesem war unter § 3 eine Sockelmiete in Höhe von 2.500,00 € zzgl. Mehrwertsteuer und darüber hinaus eine Erhöhung dieses Sockelbetrages abhängig vom jeweiligen Jahresumsatz vereinbart. Außerdem enthält er unter § 10 folgende Regelung:

„Bei erheblicher Veränderung der Charakteristik der Verkehrssituation, der Einzelhandelssituation oder Straßenführung in Bezug auf die Erreichbarkeit des Objektes steht der Mieterin ein Kündigungsrecht mit einer sechsmonatigen Frist zum Monatsende zu.


Am 27.12.2016 haben die hiesigen Parteien den Nachtrag Nr. 1 (Anlage K5) zu diesem Mietvertrag abgeschlossen. In diesem ist eine Sockelmiete von 5 € pro Quadratmeter zzgl. Betriebskostenvorauszahlung und Mehrwertsteuer geregelt, darüber hinaus heißt es auszugsweise unter 3. Miete:

„Ab einem Nettojahresumsatz von € 500.000 erhöht sich der monatlich zu zahlende Mietzins auf 4.200,00 € (netto).

Ab einem Nettojahresumsatz von € 600.000 erhöht sich der monatlich zu zahlende Mietzins auf 4.700,00 € (netto).

Ab einem Nettojahresumsatz von € 700.000 erhöht sich der monatlich zu zahlende Mietzins auf 5.200,00 € (netto).

Innerhalb von 3 Monaten nach Ablauf eines Kalenderjahres wird die Mieterin dem Vermieter eine Aufstellung über die in dem abgelaufenen Kalenderjahr getätigten Umsätze übergeben, den die (Jahres-) Sockelmiete übersteigenden Betrag der Umsatzmiete errechnen und die betreffende Restmietzahlung an den Vermieter leisten.“

Zwischen dem 18.03.2020 bis einschließlich 19.04.2020 kam es zur Schließung der streitgegenständlichen Filiale in W. gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 12 der Coronaverordnung vom 17.03.2020. Dabei wurde ein Großteil der Belegschaft in Kurzarbeit geschickt.

Mit Schreiben vom 24.3.2020 (Anlage K2) teilte die Beklagte mit, dass sie die Miete für April 2020 zunächst nicht zahlen wird. Mit anwaltlichem Schreiben vom 01.04.2020 (Anlage K3) wurde die Beklagte aufgefordert, die Miete fristgerecht bis zum 03.04.2020 zu überweisen und die vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten der Kläger bis zum 15.04.2020 zu zahlen.

Mit Schriftsatz vom 11.05.2020 (Klageerwiderung) hat die Beklagte, soweit das Mietobjekt ab dem 20.04.2020 wieder geöffnet werden konnte, hilfsweise die Aufrechnung mit einem Teil der Miete März 2020 in Höhe von 2.134,43 € während des Zeitraums der Schließung erklärt.

Die Kläger sind der Ansicht, die Beklagte hätte die Miete ohne Rechtsgrund nicht gezahlt.

Insbesondere könne die Beklagte die Miete nicht nach § 536 BGB mindern. Zwar enthalte § 1 des ursprünglichen Mietvertrages einen Verwendungszweck, allerdings sei die Nutzung durch die Beklagte zu keiner Zeit beeinträchtigt gewesen. Die Formulierung der Gesetzesbegründung anlässlich der Neuregelung des Artikel 240 § 2 EGBGB – „die Verpflichtung der Mieter zur Zahlung der Miete bleibt im Gegenzug im Grundsatz bestehen“ – zeige, dass aufgrund des Verwendungsrisikos des Mieters eine Minderung der Miete ausgeschlossen sei. Gerade die zwischen den Parteien vereinbarte Umsatzmiete spreche gegen eine Mietminderung. Es sei eine Mindestmiete vereinbart worden, die unabhängig davon geschuldet werde, ob in dem Ladengeschäft Umsatz erzielt werde oder nicht. Maßgeblich für die Bemessung der Miete sei der Jahresumsatz und nicht der Umsatz einzelner Monate. Dies lasse sich erst zum 31.3.2021 bestimmen. Der Mietvertrag weise deshalb gerade der Beklagten das Risiko zu, welche Umsätze realisiert werden. Eine Beteiligung der Kläger ergebe sich erst bei einem besonders erfolgreichen Geschäftsjahr. Ein Umfeldmangel liege nicht vor.

Auch eine Unmöglichkeit der Gebrauchsüberlassung liege nicht vor, da die Beklagte die Räumlichkeiten zumindest als Lagerraum und im Hinblick auf das Online-Geschäft auch zum Vertrieb von Waren genutzt habe.

Bezogen auf die konkrete Situation der Beklagten scheide auch eine Vertragsanpassung nach § 313 BGB aus. Die von der Beklagten aufgezeigten – und bestrittenen – Umsatzzahlen seien unzureichend – aus diesen ergebe sich eine Existenzgefährdung nicht – zumal es sich bei der Beklagten um ein weltweit tätiges Unternehmen handele.

Die Kläger beantragen, die Beklagte zu veruteilen , an die Kläger 5.081,98 € zzgl. 5 %-Punkten Zins über dem Basiszinssatz seit 07.04.2020 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 697,82 € zzgl. 5 %-Punkten Zins über dem Basiszinssatz seit 16.04.2020 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, Klageabweisung.

Die Beklagte behauptet, sie habe im März 2020 einen Rückgang des Nettoumsatzes gegenüber dem Durchschnitt der Jahre 2018/2019 von 45,42 % und im April 2020 in Höhe von 39,25 % zu verzeichnen gehabt. Sie setze im Regelbetrieb zwischen 5 und 7 Millionen Euro netto pro Tag in ihren Filialen um. Eine Verlagerung auf den Onlinehandel habe nicht stattgefunden, was im Wesentlichen daran liege, dass die von der Beklagten angebotenen Produkte im Regelfall niedrigpreisig seien und sich ein Onlinekauf für den Kunden in Anbetracht der Verpackungs- und Versandkosten nur eingeschränkt lohne. Bei den Osterartikeln würde es sich zudem um Mitnahmeartikel handeln, die nur dann mitgenommen würden, wenn sich der Kunde ohnehin zum Textilkauf in der Filiale aufhalte. Die Beklagte habe keinerlei staatliche Hilfen erhalten. Diesbezüglich habe die A. Unternehmensberatung GmbH mit Lieferanten und Vermietern verhandelt, die Nutzung von Kurzarbeit koordiniert und geprüft, ob Steuererleichterungen oder staatliche Finanzierungsunterstützung erlangt werden könnten. Eine staatliche Finanzierungsunterstützung habe jedoch nicht erreicht werden können. Sämtliche Filialen der Beklagten (über 3.000) hätten geschlossen werden müssen.

Sie ist der Auffassung, dass sie für die Zeit der Schließung der Filiale nicht verpflichtet sei, Mietzinszahlungen für das streitgegenständliche Objekt zu leisten. Da die Filiale auch im März an 13 von 31 Tagen nicht geöffnet war, ergebe sich diesbezüglich ein Erstattungsanspruch der Beklagten in Höhe von 2.134,43 €.

Es liege entweder ein Sachmangel der Mietsache, eine Unmöglichkeit der Gebrauchsüberlassung oder ein Fall der Anpassung des Mietvertrages im Rahmen der Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage vor.

Die Mietzahlungspflicht entfalle gemäß § 536 Abs. 1 S. 1 BGB, da eine Aufhebung der Tauglichkeit zur Nutzung vorliege. Zwar enthalte das BGB, anders als das österreichische allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, keine ausdrückliche Regelung bezüglich der Seuche im Mietrecht, allerdings werde der Mangelbegriff des § 536 BGB fortwährend erweitert. So könne der Mangel auch in einer äußeren Einwirkung auf die Mietsache bestehen (sog. Umwelt- oder Umfeldmangel). Beispiele diesbezüglich seien Baumaßnahmen in Nebengebäuden oder die Sperrung des Zugangsbereichs. „Umfeld“ im Sinne der Umfeldmangel-Rechtsprechung sei im vorliegenden Fall das gesamte Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Es liege ein vergleichbarer Fall wie dem Urteil des Reichsgerichts zum Tanzverbot vom 09.11.1915 (RGZ 87, 277 – III 145/15) und vom 20.02.1917 (RGZ 89, 203 – III 384/16) sowie der Benzintankanlagenentscheidung vom 03.01.1919 (III 271/18) zugrunde. Darüber hinaus enthalte der Mietvertrag einen ausdrücklichen Vertragszweck – nämlich die Nutzung als Verkaufs- und Lagerräume eines Einzelhandelsgeschäfts mit sämtlichen Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs, wobei sich aus der Kurzbaubeschreibung ergebe, dass es sich um ein K.-Ladenlokal handeln solle – welcher die „Sollbeschaffenheit“ darstelle. Diese hätten die Kläger während der Schließung nicht erfüllen können. Hinzu komme, dass sich die Kläger durch die Vereinbarung einer Umsatzmiete am betriebswirtschaftlichen Risiko der Klägerin beteiligt hätten und das Verwendungsrisiko damit zumindest zum Teil auch auf diese übergegangen sei.

Desweiteren liege ein Fall von Unmöglichkeit vor, da der Vertragszweck, der im vorliegenden Fall im Mietvertrag ausdrücklich vereinbart worden sei (siehe oben), infolge der behördlichen Anordnung nicht mehr habe erreicht werden können. Somit liege eine zumindest vorübergehende Unmöglichkeit der vermieterseits geschuldeten Überlassung zum vereinbarten Zweck vor.

Jedenfalls wäre der Mietvertrag auf Grundlage der Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB anzupassen. Die entscheidende Veränderung in Form des Auftretens des Corona-Virus und des Erlasses der CoronaVO sei erst nach Vertragsschluss erfolgt und nicht Inhalt des Vertrages. Auch enthielte der Mietvertrag keinerlei Regelungen für diesen Fall. Es sei jedoch offensichtlich, dass zumindest die Beklagte auf eine Mietpreisanpassungsklausel bestanden hätte, wenn sie diese Situation bei Mietvertragsabschluss vorausgesehen hätte. Ein Festhalten am ursprünglichen Vertrag sei der Beklagten unzumutbar. Sämtliche über 3000 Filialen seien geschlossen worden und es liege ein vergleichbarer Umsatzausfall in allen Filialen vor – insbesondere die Saison- und Osterware habe nicht verkauft werden können. Dadurch sei es zu erheblichen Liquiditätsproblemen gekommen. Die Bezahlung der Miete April 2020 hätte die wirtschaftliche Schieflage der Beklagten ganz erheblich verstärkt. Eine hälftige Teilung der Mietlast sei daher angemessen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 04.06.2020 verwiesen.

Der Rechtsstreit wurde mit Beschluss vom 27.05.2020 nach § 348 Abs. 3 S. 2 ZPO von der Kammer übernommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Kläger haben aus § 535 Abs. 2 BGB einen Anspruch auf Zahlung der Aprilmiete 2020 in Höhe von 5.081,98 € gegen die Beklagte. Die Aufrechnung der Beklagten geht ins Leere.

Die Beklagte kann die Miete für den Zeitraum der Filialschließung vom 18.03.2020 bis einschließlich 19.04.2020 auch weder nach § 536 Abs. 1 BGB mindern (siehe sogleich 1.), noch liegt eine Unmöglichkeit der Gebrauchsüberlassung nach § 275 BGB mit der Folge des § 326 Abs. 1 BGB vor (siehe 2.). Darüber hinaus ist im vorliegenden Fall auch nicht eine Vertragsanpassung nach § 313 BGB vorzunehmen (siehe 3.).

1. Die Beklagte kann die Miete für den Zeitraum 18.03.2020 bis einschließlich 19.04.2020 nicht nach § 536 Abs. 1 BGB mindern.

Eine ausdrückliche vertragliche Regelung, wie beispielsweise Haftungsausschlüsse oder -beschränkungen oder eine Force-Majeure-Klausel, enthält der zwischen den Parteien geschlossene Mietvertrag bzw. Nachtrag Nr. 1 für den vorliegenden Fall einer behördlich angeordneten Ladenschließung nicht, weshalb sich die Mietzahlungspflicht vorrangig nach dem mietrechtlichen Sachmängelgewährleistungsrecht gemäß §§ 536 ff. BGB bestimmt (Sittner, Mietrechtspraxis unter Covid-19, NJW 2020, 1169).

Gemäß § 536 Abs. 1 BGB ist die vereinbarte Miete kraft Gesetzes gemindert, wenn die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel aufweist, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder (erheblich) mindert, oder ein solcher Mangel während der Mietzeit entsteht. Ein derartiger Mangel ist dann gegeben, wenn der tatsächliche Zustand der Mietsache vom vertraglich vorausgesetzten Zustand abweicht. Der vertraglich geschuldete Zustand bestimmt sich in erster Linie nach den Beschaffenheitsvereinbarungen der Mietvertragsparteien, die auch durch schlüssiges Verhalten (konkludent) getroffen werden können. Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung können dabei auch Umstände sein, die von außen auf die Mietsache unmittelbar einwirken (sog. Umweltfehler), wie etwa Immissionen, denen die Mietsache ausgesetzt ist. Soweit Parteiabreden zur Beschaffenheit der Mietsache fehlen, wird der zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand unter Berücksichtigung des vereinbarten Nutzungszwecks und des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nach der Verkehrsanschauung bestimmt (BGH, Urt. v. 19.12.2012 – VIII ZR 152/12, NJW 2013, 680). Auch öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse und -beschränkungen können die Tauglichkeit zu dem vertragsgemäßen Gebrauch mindern und damit einen Sachmangel darstellen. Insbesondere bei der Vermietung von Gewerberäumen können privat- oder öffentlich-rechtliche Hindernisse zu einem Mangel führen. Voraussetzung ist aber, dass die Beschränkungen der konkret vermieteten Sache ihre Ursache gerade in deren Beschaffenheit und Beziehung zur Umwelt haben und nicht in den persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters (BGH, Urt. v. 02.03.1994 – XII ZR 175,92, BeckRS 2009, 20713; Urt.v. 13.07.2011 – XII ZR 181/09, NJW 2011, 3151 – Rauchverbot; Eisenschmid in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 14. Auflage 2019, § 536 Rn. 78). Durch hoheitliche Maßnahmen bewirkte Gebrauchsbeschränkungen können deshalb nur dann einen Mangel begründen, wenn sie unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage der konkreten Mietsache in Zusammenhang stehen; Maßnahmen, die nur den geschäftlichen Erfolg des Mieters beeinträchtigen, fallen in dessen Risikobereich. § 535 Abs. 1 S. 2 BGB verpflichtet den Vermieter nur, die Mietsache in einem Zustand zu erhalten, der dem Mieter die vertraglich vorgesehene Nutzung ermöglicht, das Verwendungsrisiko trägt hingegen der Mieter allein (Sittner, Mietrechtspraxis unter Covid-19, NJW 2020, 1169).

Ausgehend von diesen rechtlichen Vorgaben liegt im vorliegenden Fall kein Sachmangel vor. Die hoheitlichen Maßnahmen dienen im vorliegenden Fall dem Schutz der Bevölkerung vor allgemeinen gesundheitlichen Gefahren. Sie knüpfen nicht unmittelbar an die konkrete Beschaffenheit der Mietsache an, sondern allein an den Betrieb des jeweiligen Mieters. Die Maßnahmen stellen dabei nicht auf die konkreten baulichen Gegebenheiten ab, sondern allgemein auf die Nutzungsart sowie den Umstand, dass in den betroffenen Flächen Publikumsverkehr stattfindet und dies Infektionen begünstigt (Sittner, Mietrechtspraxis unter Covid-19, NJW 2020, 1169, Daßbach/Bayrak, Corona-Krise und vertragliche Risikoverteilung, NJ 2020, 185, Leo/Götz, Fälle und Lösungen zum Schicksal der Mietzahlungspflicht des Gewerberaummieters in COVID-19-Zeiten, NZM 2020, 402).

Daran ändert auch nichts, dass die streitgegenständlichen Gewerberäume im vorliegenden Fall zur Nutzung als Verkaufs- und Lagerräume eines Einzelhandelsgeschäfts mit sämtlichen Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs vermietet wurden und sich aus der Kurzbaubeschreibung ergibt, dass es sich um ein K.-Ladenlokal handeln sollte. Denn die Mietsache ist zu diesem Zweck weiterhin in gleicher Weise geeignet wie vor dem hoheitlichen Einschreiten. Untersagt ist lediglich dessen Betrieb und zwar losgelöst von Fragen der Beschaffenheit oder Lage der Mietsache. Dieser Umstand fällt jedoch in den Risikobereich des Mieters (Sittner, Mietrechtspraxis unter Covid-19, NJW 2020, 1169).

Auch die beklagtenseits angeführte Rechtsprechung des Reichsgerichts führt nicht zur Annahme eines Sachmangels. Zwar hat das Reichsgericht – darin ist der Beklagten Recht zu geben – im „Tanzlokal-Fall“ angenommen, dass ein Mangel im Sinne von § 537 BGB vorliege, da das Tanzverbot den Pachtgegenstand selbst betroffen habe, in dem es die Ausnutzung der Eigenschaft als Tanzlokal verhindere. Allerdings beruht die im vorliegenden Fall angeordnete Schließung nicht auf einer öffentlich-rechtlich missbilligten Eigenschaft der Mietsache, sondern erfasst Mieträume ausschließlich aufgrund ihrer tatsächlichen Nutzung durch den Mieter. Würde die Beklagte eine noch zulässige Nutzung betreiben oder ihr Nutzungskonzept verändern, bliebe ihr Betrieb zulässig (Zehelein, Infektionsschutzbedingte Schließungsanordnungen in der COVID-19-Pandemie, NZM 2020, 390). Zudem war für das Reichsgericht für die Annahme eines Mangels der Mietsache der heute in Rechtsprechung und herrschender Lehre vorausgesetzte Objektbezug der Nutzungsbeeinträchtigung (noch) nicht von entscheidender Bedeutung, wenn dort allgemein öffentlich-rechtliche Beschränkungen als die Miet- und Pachtsache „betreffend“ für ausreichend erachtet wurden (vgl. RG, Urt.v. 20.02.1917 III 384/18 „Verbot jeglicher Tanzveranstaltung“; Urt. v. 09.11.1915 III 145/15 „polizeiliche Untersagung öffentlicher Tänze“; zur heutigen h.M. Eisenschmid in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 14. Auflage 2019, § 536 Rn. 78 ff.) Entsprechendes gilt für die Benzintankanlagenentscheidung. Dort war eine vertragsgemäße, ebenso wie eine anderweitige Nutzung des Gegenstandes des Vertragsverhältnisses – eine Tankanlage – aufgrund des behördlichen Veräußerungsverbotes für Benzin sowie dessen Beschlagnahme und Verschwinden aus dem Handel nicht mehr möglich, was das Reichsgericht dazu veranlasste, die besondere Einrichtung der Mietsache mit deren Lage gleichzusetzen und deshalb einen Mangel anzunehmen (Urt. v. 03.01.1919, III 271/18). Im vorliegenden Fall handelt es sich aber gerade um solche Beschränkungen, die losgelöst von der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage der Mietsache und daher nach heutigen Maßstäben – in Abkehr zu der Rechtsprechung des Reichsgerichts – nicht als Mangel der Mietsache anzusehen sind.

2. Es liegt auch kein Fall der Unmöglichkeit für die Kläger nach § 275 BGB vor, mit der Folge des Entfalls der Gegenleistungspflicht für die Beklagte nach § 326 Abs. 1 BGB.

Nach § 326 Abs. 1 S. 1 BGB entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung, wenn der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 BGB nicht zu leisten braucht. § 275 Abs. 1 BGB regelt dabei, dass der Anspruch auf Leistung ausgeschlossen ist, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.

Gemäß § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB besteht die Hauptleistungspflicht des Vermieters darin, dem Mieter die Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen. § 535 Abs. 1 S.2 BGB wird durch § 537 Abs. 1 S. 1 BGB vervollständigt, der regelt, dass der Mieter von der Entrichtung der Miete nicht dadurch befreit wird, dass er durch einen in seiner Person liegenden Grund an der Ausübung seines Gebrauchsrechts gehindert wird. Dadurch wird deutlich, dass der Vermieter nur eine Gebrauchsmöglichkeit verschaffen muss. Immer wenn der Mieter die Sache nicht gebrauchen kann, weil sie selbst nicht nutzungstauglich ist, geht der Vermieter nach § 326 Abs. 2 oder 536 BGB seines Anspruchs auf die Miete verlustig. Betrifft die Störung dagegen die Nutzungstätigkeit des Mieters, bleibt dieser zur Mietzahlung verpflichtet. Dies gilt nicht nur, wenn ihn der Umstand ganz individuell an der Nutzung der Sache hindert, sondern auch, wenn ein beliebiger anderer Mieter von der Sache nicht den vertragsgemäßen Gebrauch machen könnte. Dies lässt die Verpflichtung zur Mietzahlung nicht entfallen, solange es nicht an der Sache selbst liegt, dass sie nicht bestimmungsgemäß verwendet werden kann. Dies kommt vor allem durch die in der Rechtsprechung zu findenden Aussage, durch § 537 BGB sei das Verwendungsrisiko dem Mieter zugewiesen, zum Ausdruck. Dass es ihm zugewiesen ist, liegt nur daran, dass die Vermieterleistung nicht mehr die Nutzung der Mietsache einschließt, sondern sich auf deren Bereitstellung im gebrauchstauglichen Zustand beschränkt (Harke in beckOK, BGB, 01.07.2020, § 537 Rn. 10, 10.1). Wie auch im Rahmen von § 536 BGB können danach allenfalls solche Störungen zu einer Unmöglichkeit führen, die in der Beschaffenheit, der Lage oder dem Zustand der Mietsache begründet sind. Aus diesem Grunde werden die Vorschriften des allgemeinen Leistungsstörungsrechts nach Übergabe der Mietsache durch das besondere mietrechtliche Gewährleistungssystem verdrängt (Sittner, Mietrechtspraxis unter Covid-19, NJW 2020, 1169; Eisenschmid in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 14. Auflage 2019, § 536 Rn. 532 ff.)

Gemessen an dem, ist den Klägern als Vermieter die Hauptleistungspflicht, nämlich die Überlassung der Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand, zwischen dem 18.03.2020 und 19.04.2020 nicht unmöglich gewesen. Nach dem Mietvertrag erfolgte die Vermietung zur Nutzung als Verkaufs- und Lagerräume eines Einzelhandelsgeschäfts mit sämtlichen Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs. Zwar konnte die Beklagte die streitgegenständliche Mietsache im vorliegenden Fall während der behördlich angeordneten Schließung nicht als Verkaufsräume – als Lagerräume sehr wohl – eines Einzelhandelsgeschäfts mit sämtlichen Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs, nämlich als K.-Ladenlokal, nutzen, dieses Risiko fällt jedoch in deren Verwendungsrisiko. Die Kläger haben der Beklagten die Mietsache, wie es ihrer Hauptleistungspflicht entspricht, in gebrauchstauglichem Zustand bereitgestellt. Der Umstand, dass die Nutzung für die Beklagte nicht wie von ihr beabsichtigt möglich war, liegt nicht an der Sache selbst.

3. Außerdem kommt eine Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 BGB wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage nicht in Betracht.

Im Ergebnis kann dahin gestellt bleiben, ob § 313 Abs. 1 BGB im vorliegende Fall überhaupt anwendbar ist (siehe a) und ob die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen (siehe b), da zumindest eine Unzumutbarkeit für die Beklagte am Festhalten des Vertrages nicht festgestellt werden kann (siehe c).

a) Fraglich ist bereits, ob § 313 BGB im vorliegenden Fall anwendbar ist.

In Ausformung der Vertragstreue und als Ausnahmetatbestand vom Grundsatz der Privatautonomie ist § 313 BGB besonders eng auszulegen und grundsätzlich nachrangig (Sittner, Mietrechtspraxis unter Covid-19, NJW 2020, 1169). Zwar enthält der zwischen den Parteien abgeschlossene Mietvertrag für den hier vorliegenden Fall einer behördlich angeordneten Schließung keine Regelung (siehe oben), allerdings könnte die Anwendbarkeit im vorliegende Fall zu verneinen sein, da der Mietvertrag Regelungen enthält, durch die sich der Vermieter zumindest mittelbar an dem eigentlich beim Mieter liegenden Verwendungsrisiko beteiligt hat, nämlich indem eine Mindestmiete und darüber hinaus eine Umsatzmiete vereinbart wurde. Dadurch haben sich die Kläger zumindest ab einem gewissen Umsatz am Verwendungsrisiko beteiligt. Bei einem Umsatz unter 500.000,00 €, wenn es also lediglich um die Mindestmiete geht, partizipieren sie am Verwendungsrisiko jedoch nicht.

Darüber hinaus ist § 313 BGB auch gegenüber gesetzlichen Regelungen grundsätzlich nachrangig (bspw. §§ 314, 536 BGB). Diese sind im vorliegenden Fall jedoch nicht anwendbar (siehe oben). Möglich wäre jedoch eine Sperrwirkung durch das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27. März 2020, da sich dieses ausdrücklich auf Mietverträge bezieht und insoweit zwingende Regelungen zur Risikoverteilung enthält. Nach Art 240 § 2 Abs. 1 EGBGB ist der Vermieter zumindest temporär nicht berechtigt, einen Mietvertrag wegen eines auf die Covid-19-Pandemie zurückzuführenden Zahlungsrückstandes zu kündigen. Gleichzeitig erstreckt sich das „Moratorium“ in Art 240 § 1 Abs. 1 BGB gerade nicht auf Mietverträge, sodass Mieter nach einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers nicht berechtigt sind, das dort enthaltene Leistungsverweigerungsrecht geltend zu machen und weiterhin jedenfalls „im Grundsatz“ verpflichtet sind, die Miete zu zahlen. Ob dem Gesetzgeber dabei – insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Gesetz in sehr kurzer Zeit erarbeitet wurde – bewusst war, dass er Ansprüche der Mieter wegen Störung der Geschäftsgrundlage ausschließt, geht aus den Materialien indes nicht hervor (Sittner, Mietrechtspraxis unter Covid-19, NJW 2020, 1169).

Ob tatsächlich eine Sperrwirkung der vertraglichen oder der gesetzlichen Regelung vorliegt, muss jedoch nicht entschieden werden, da eine Unzumutbarkeit für die Beklagte in jedem Fall zu verneinen ist (siehe sogleich c).

b) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, kann gemäß § 313 Abs. 1 BGB eine Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

Die Geschäftsgrundlage eines Vertrags wird nach der Rechtsprechung des BGH gebildet durch die bei Vertragsabschluss bestehenden gemeinsamen Vorstellungen der Parteien oder die dem Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Vertragspartei vom Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf dieser Vorstellung aufbaut (BGH, Urt. v. 11.12.2019 – VIII ZR 234/18, NZM 2020, 322). Dabei wird zwischen der „großen“ und der „kleinen“ Geschäftsgrundlage unterschieden. Unter der „großen Geschäftsgrundlage“ versteht man die Erwartung, dass sich die grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen des Vertrags nicht etwa durch Revolution, Krieg, Vertreibung, Hyperinflation oder eine (Natur-)Katastrophe ändern, dass die Sozialexistenz nicht erschüttert werde. Von der „kleinen“ Geschäftsgrundlage spricht man dagegen in allen übrigen Fällen, wenn es also „nur“ um die den jeweiligen Vertrag betreffenden Umstände geht: die Größe des erst noch zu vermessenden Grundstücks als Vertragsgegenstand, eine schleichende Geldentwertung bei langfristiger Verpflichtung etc. Der Wortlaut des § 313 erfasst auch die „große“ Geschäftsgrundlage (Finkenauer in Münchner Kommentar, BGB, 8. Auflage 2019, § 313, Rn. 17,18).

An dem gemessen, stellt die Schließungsanordnung eine Störung der Geschäftsgrundlage dar. Zwar ist nicht im Hinblick auf die Nutzbarkeit der Mietsache von der Geschäftsgrundlage auszugehen, da diese maßgeblicher Vertragsinhalt ist, sondern vielmehr die Vorstellung der Parteien, dass keine zumindest bundes- tatsächlich aber weltweite – Pandemie auftritt, aufgrund derer flächendeckend Gewerbebetriebe geschlossen werden müssen. Diese ist auch schwerwiegend gestört, da die Nutzbarkeit der Mietsache – jedenfalls vorrübergehend – vollständig entfallen ist. Es handelt sich damit um eine zu berücksichtigende Zweckstörung, die eine Fallgruppe des § 313 BGB darstellt (Finkenauer in Münchner Kommentar, BGB, 8. Auflage 2019, § 313, Rn. 253 ff.). Die Leistung des Vermieters ist für den Mieter aufgrund der Unmöglichkeit, das Gewerbe in dem hierfür angemieteten Objekt zu betreiben, sinnlos geworden (Zehelein, Infektionsschutzbedingte Schließungsanordnungen in der COVID-19-Pandemie, NZM 2020, 390).

Letztlich bedarf es keiner Entscheidung, ob die Parteien bei Kenntnis der Möglichkeit einer weltweiten Pandemie tatsächlichen die Mietzahlungspflicht nicht oder nicht in vollem Umfang vereinbart hätten. Denn eine Vertragsanpassung zugunsten der Beklagten kommt jedenfalls deshalb nicht in Betracht, weil ihr ein unverändertes Festhalten an der vertraglich vereinbarten Mietzahlung unter Abwägung aller Umstände einschließlich der vertraglichen Risikoverteilung zumutbar ist (siehe sogleich c).

c) Der Beklagten ist es unter Abwägung aller Umstände einschließlich der vertraglichen Risikoverteilung zumutbar, an der vertraglich vereinbarten Mietzahlungspflicht festzuhalten.

Maßgeblich ist dabei die Frage, inwieweit die eingetretene Veränderung der Umstände üblicherweise in das Risiko einer Vertragspartei fällt, wie nahe diese den Veränderungen steht und inwieweit es der betroffenen Partei zumutbar oder überhaupt möglich gewesen wäre, entsprechende Vorkehrungen zu treffen (Zehelein, Infektionsschutzbedingte Schließungsanordnungen in der COVID-19-Pandemie, NZM 2020, 390) oder sich im Zeitraum der Schließung anderweitige Einnahmequellen zu verschaffen, bspw. Onlinehandel, etc (Sittner, Mietrechtspraxis unter Covid-19, NJW 2020, 1169). Im Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter trägt dabei grundsätzlich der Mieter das Verwendungsrisiko bezüglich der Mietsache (BGH, Urt.v. 16.02.2000 – XII ZR 279/97, NJW 2000, 1714; siehe oben). Dazu gehört bei der gewerblichen Miete vor allem das Risiko, mit dem Mietobjekt Gewinne erzielen zu können. Eine solche Risikoverteilung bzw. -übernahme schließt für den Betroffenen – abgesehen von extremen Ausnahmefällen, in denen eine unvorhergesehene Entwicklung mit unter Umständen existentiell bedeutsame Folgen für eine Partei eintritt – regelmäßig die Möglichkeit aus, sich bei Verwirklichung des Risikos auf Wegfall der Geschäftsgrundlage zu berufen (BGH, Urt.v. 16.02.2000 – XII ZR 279/97, NJW 2000, 1714). Das Maß der Unzumutbarkeit ist damit letztlich nur bei substantiierter Darlegung des Mieters erreicht, in der eigenen Existenz gefährdet (vgl. Daßbach/Bayrak, Corona-Krise und vertragliche Risikoverteilung, NJ 2020, 185) oder jedenfalls in einem solchen Ausmaß wirtschaftlich betroffen zu sein, das ein weiteres Festhalten am unveränderten Mietvertrag unter Berücksichtigung aller übrigen Umstände als unzumutbar erscheinen lässt.

Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des vorliegenden Einzelfalles liegt eine Unzumutbarkeit für die Beklagte im Sinne des § 313 Abs. 1 BGB im vorliegenden Fall nicht vor.

Die Beklagte als Mieterin trägt grundsätzlich das Verwendungsrisiko. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der vereinbarten Mindestmiete mit zusätzlicher Umsatzmiete ab einem Umsatz von 500.000,00 €/Jahr. Daraus kann insbesondere nicht der Wille der Parteien abgebildet werden, dass auch die Kläger an den Einbußen zu partizipieren haben, die die Beklagte infolge einer nachteiligen Veränderung der Marktlage erleidet (vgl. Ekkenga/Schirrmacher, Auswirkungen der COVID-19-Katastrophe auf die Zahlungspflichten gewerblicher Mieter und Pächter, NZM 2020, 410). Es lässt sich vielmehr umgekehrt lediglich der Wille einer Beteiligung ab einem bestimmten Umsatz, also einem besonderen Erfolg der Beklagten, ablesen. Gerade die Vereinbarung einer Mindestmiete zeigt, dass die Kläger an einem gänzlichen Misserfolg nicht partizipieren wollten, wobei den Parteien hierbei die Möglichkeit schwankender Umsätze sichtlich bewusst war.

Der Gesichtspunkt, einer Partei das Treffen von Vorkehrungen aufzuerlegen, scheidet im vorliegenden Fall aus, da die Möglichkeit einer weltweiten Pandemie für beide Seiten überraschend und unvorhersehbar gewesen sein dürfte. Darüber hinaus wäre ein solches Ausfallrisiko wohl entweder nicht oder nur zu prohibitiv hohen Kosten versicherbar (Ekkenga/Schirrmacher, Auswirkungen der COVID-19-Katastrophe auf die Zahlungspflichten gewerblicher Mieter und Pächter, NZM 2020, 410; Daßbach/Bayrak, Corona-Krise und vertragliche Risikoverteilung, NJ 2020, 185).

Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte die Räume – insbesondere die Lagerräume, auch wenn diese nur einen kleinen Teil des Mietobjekts ausmachen – weiterhin genutzt hat und sich unstreitig in der Zeit der Schließung Mitarbeiter in den Räumlichkeiten befunden haben, die verderbliche Ware und Saisonware abgebaut haben.

Maßgeblich im vorliegenden Fall ist jedoch, dass die Beklagte eine Existenzgefährdung oder eine vergleichbare, zur Unzumutbarkeit führende, wirtschaftliche Beeinträchtigung weder dargelegt noch bewiesen hat. Sie hat diesbezüglich behauptet, sie habe im März 2020 einen Rückgang des Nettoumsatzes gegenüber dem Durchschnitt der Jahre 2018/2019 von 45,42 % und im April 2020 in Höhe von 39,25 % zu verzeichnen gehabt. Sie setze im Regelbetrieb zwischen 5 und 7 Millionen Euro netto pro Tag in ihren Filialen um. Eine Verlagerung auf den Onlinehandel habe nicht stattgefunden, was im Wesentlichen daran liege, dass die von der Beklagten angebotenen Produkte im Regelfall niedrigpreisig seien und sich ein Onlinekauf für den Kunden in Anbetracht der Verpackungs- und Versandkosten nur eingeschränkt lohne. Bei den Osterartikeln würde es sich zudem um Mitnahmeartikel handeln, die nur dann mitgenommen würden, wenn sich der Kunde ohnehin zum Textilkauf in der Filiale aufhalte. Die Beklagte habe keinerlei staatliche Hilfen erhalten. Diesbezüglich habe die A. Unternehmensberatung GmbH mit Lieferanten und Vermietern verhandelt, die Nutzung von Kurzarbeit koordiniert und geprüft, ob Steuererleichterungen oder staatliche Finanzierungsunterstützung erlangt werden können. Eine staatliche Finanzierungsunterstützung habe jedoch nicht erreicht werden können. Unstreitig ist, dass sich ein Großteil der Belegschaft in Kurzarbeit befand.

Selbst wenn man diese Behauptungen auch im Übrigen als wahr unterstellt, ergibt sich daraus eine Existenzgefährdung bzw. eine unzumutbare wirtschaftliche Beeinträchtigung jedoch nicht. Zwar mag ein filialbezogener Nettoumsatzrückgang von 45,42 % bzw. 39,25 % im März bzw. April 2020 bzw. ein betriebsbezogener Nettoumsatzverlust von 5 bis 7 Millionen Euro pro Tag – der jedoch auch nicht näher dargelegt ist – zunächst erheblich erscheinen. Allerdings wurden diesem Nettoumsatzrückgang weder die ersparten Mitarbeiterkosten durch die Inanspruchnahme von Kurzarbeit, noch etwaige Rücklagen gegenübergestellt. Auch ist das Ergebnis der – angeblichen – Verhandlungen mit Lieferanten und Vermietern (Nachlässe, Stundungen, etc) nicht ersichtlich und in die Berechnung eingestellt. Darüber hinaus ist – wie bereits im Rahmen der mündlichen Verhandlung erörtert – in keiner Weise ersichtlich, inwiefern die Beklagte bspw. Oster- und Saisonware nächstes Jahr zum Verkauf nutzen kann. Diesbezüglich würden dann zu diesem Zeitpunkt Kosten der Beklagten entfallen. Darüber hinaus muss zu Lasten der Beklagten berücksichtigt werden, dass sie in der Zeit der Ladenschließung in keiner Weise besondere Bemühungen bezüglich einer Umsatzgenerierung veranstaltet hat. Auch wenn es sich bei den Produkten der Beklagten im Wesentlichen um niedrigpreisige Produkte handeln sollte, wäre es für die Beklagte möglich gewesen, den Onlinehandel auszuweiten oder dies zumindest zu versuchen, bspw. durch Rabattaktionen, Minderung der Versandkosten, Erlass der Versandkosten ab einem Mindestbestelltbetrag, etc. Dies ist nach den eigenen Angaben der Beklagten jedoch nicht erfolgt, weshalb sie sich nicht lediglich auf einen Nettoumsatzrückgang zurückziehen kann. Gleichermaßen unbehelflich ist der Vortrag der Beklagten, sie hätte keine staatlichen Hilfen erhalten und habe sich insoweit beraten lassen. Hieraus ergibt sich nicht, ob ein Anspruch auf staatliche Leistungen bestand oder ob diese aus anderen Gründen nicht bezogen wurden; jedenfalls wäre ein ernsthaftes Bemühen der Beklagten um die Erlangung staatlicher Hilfen vorauszusetzen, welches vorliegend weder ersichtlich noch dargetan ist. Entsprechend verhält es sich mit den Verhandlungen der Beklagten mit ihren Lieferanten und Vermietern, auch insoweit wäre von der Beklagten zu verlangen, dass sie alles ihr Zumutbare unternimmt, um ihre laufenden Kosten zu decken; allein die Beauftragung einer Unternehmensberatung und das Führen von Verhandlungen genügt insoweit nicht. Unbehelflich ist insoweit auch die pauschale Behauptung des – auch im Übrigen nur unzureichend informierten – und entgegen der gerichtlichen Anordnung nicht von einem Geschäftsführer der Beklagten begleiteten Sitzungsvertreters, die 3.000 Betriebe der Beklagten im gesamten Bundesgebiet seien vollständig zum Erliegen gekommen.

Entscheidend gegen eine Unzumutbarkeit spricht auch der begrenzte Zeitraum der Schließung von nur 4 1/2 Wochen (26 Arbeitstage). Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund des § 10 des ursprünglich geschlossenen Mietvertrages maßgeblich. Dieser sieht ein Kündigungsrecht der Mieterin bei erheblicher Veränderung der Charakteristik der Verkehrssituation, der Einzelhandelssituation oder Straßenführung in Bezug auf die Erreichbarkeit des Objekts mit einer sechsmonatigen Frist zum Monatsende vor. Es wurde somit gerade in Fällen, bei denen ein – theoretisch auch vollständiger – Umsatzrückgang der Beklagten einhergeht – zwar aus anderen Gründen als dem streitgegenständlichen – ein sechsmonatiges Festhalten am Vertrag vereinbart. Dies war der Beklagten bei Vertragsschluss somit zumutbar. Im vorliegenden Fall geht es jedoch lediglich um etwas mehr als einen Monat. Dies muss der Beklagten dann erst recht zumutbar sein.

Dementsprechend steht den Klägern für den Zeitraum der Schließung vom 18.03.2020 bis einschließlich 19.04.2020 die vertraglich vereinbarte Miete zu, weshalb auch die beklagtenseits erklärte Aufrechnung nicht durchgreift.

4. Die Zinspflicht ergibt sich aus § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB

II.

Darüber hinaus haben die Kläger einen Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlich geleisteten Rechtsanwaltskosten in Höhe von 697,82 € aus §§ 280, Abs. 1, 535 Abs. 2, (241 Abs. 2) BGB, dadurch, dass die Beklagte angekündigt hat die Aprilmiete 2020 aufgrund der Auswirkungen von Corona nicht zu bezahlen. Bei der unsicheren und schwierigen Rechtslage war es für die Kläger erforderlich und zweckmäßig unmittelbar einen Rechtsanwalt aufzusuchen, um Rechtsrat einzuholen.

Die Zinspflicht ergibt sich aus § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.

Der Streitwert wurde gemäß §§ 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO festgesetzt. Soweit die Beklagte ab dem Zeitpunkt der Wiedereröffnung (20.04.2020) „hilfsweise“ mit der Miete März 2020 während des Zeitraums der Schließung (18.03. bis 31.03.2020) aufrechnet, ist keine Streitwerterhöhung eingetreten, da kein Fall des § 45 Abs. 3 GKG vorliegt. Die Beklagte ist der Ansicht, dass sie lediglich für den Zeitraum der Filialschließung nicht verpflichtet sei, Miete zu zahlen. Eine Mietzinszahlungspflicht ab dem 20.04.2020 wird von ihr daher dem Grunde nach nicht bestritten, sondern lediglich mit der Aufrechnung angegriffen. Dies stellt jedoch gerade keinen Fall der Hilfsaufrechnung, sondern eine Primäraufrechnung, die nicht streitwerterhöhend ist, dar (vgl. Schindler in BeckOK, Kostenrecht, 01.06.2020, § 45 GKG, Rn. 19).

 

*

(1) Braucht der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten, entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung; bei einer Teilleistung findet § 441 Abs. 3 entsprechende Anwendung. Satz 1 gilt nicht, wenn der Schuldner im Falle der nicht vertragsgemäßen Leistung die Nacherfüllung nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu erbringen braucht.

(2) Ist der Gläubiger für den Umstand, auf Grund dessen der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten braucht, allein oder weit überwiegend verantwortlich oder tritt dieser vom Schuldner nicht zu vertretende Umstand zu einer Zeit ein, zu welcher der Gläubiger im Verzug der Annahme ist, so behält der Schuldner den Anspruch auf die Gegenleistung. Er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Befreiung von der Leistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt.

(3) Verlangt der Gläubiger nach § 285 Herausgabe des für den geschuldeten Gegenstand erlangten Ersatzes oder Abtretung des Ersatzanspruchs, so bleibt er zur Gegenleistung verpflichtet. Diese mindert sich jedoch nach Maßgabe des § 441 Abs. 3 insoweit, als der Wert des Ersatzes oder des Ersatzanspruchs hinter dem Wert der geschuldeten Leistung zurückbleibt.

(4) Soweit die nach dieser Vorschrift nicht geschuldete Gegenleistung bewirkt ist, kann das Geleistete nach den §§ 346 bis 348 zurückgefordert werden.

(5) Braucht der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten, kann der Gläubiger zurücktreten; auf den Rücktritt findet § 323 mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass die Fristsetzung entbehrlich ist.

(1) Der Mieter wird von der Entrichtung der Miete nicht dadurch befreit, dass er durch einen in seiner Person liegenden Grund an der Ausübung seines Gebrauchsrechts gehindert wird. Der Vermieter muss sich jedoch den Wert der ersparten Aufwendungen sowie derjenigen Vorteile anrechnen lassen, die er aus einer anderweitigen Verwertung des Gebrauchs erlangt.

(2) Solange der Vermieter infolge der Überlassung des Gebrauchs an einen Dritten außerstande ist, dem Mieter den Gebrauch zu gewähren, ist der Mieter zur Entrichtung der Miete nicht verpflichtet.

Landgericht Heidelberg 

Az.: 5 O 66/20

Urteil vom 30.07.2020

 

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 5.081,98 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 07.04.2020 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 697,82 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.04.2020 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist für die Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird auf 5.081,98 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Auswirkungen der wegen der Coronaverordnung erfolgten Anordnung der Schließung der Filiale der Beklagten in W. vom 18.03.2020 bis 19.04.2020. Die Beklagte hat deshalb die Miete für April 2020 nicht gezahlt. Bezüglich der Wiedereröffnung am 20.04.2020 hat sie hilfsweise die Aufrechnung wegen Überbezahlung der Miete für März 2020 geltend gemacht.

Die Kläger sind die Vermieter und die Beklagte ist die Mieterin der Geschäftsräume im Anwesen N. Str. 4 in 74XXX W.. Die vereinbarte monatliche Sockelmiete beträgt einschließlich der vereinbarten Nebenkostenvorauszahlung und der Mehrwertsteuer 5.081,98 €. Die Geschäftsräume wurden dabei zur Nutzung als Verkaufs- und Lagerräume eines Einzelhandelsgeschäfts mit sämtlichen Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs vermietet.

Ursprünglich wurde der Mietvertrag am 31.07.2014 bzw. 05.08.2014 zwischen der Beklagten und der Rechtsvorgängerin der Kläger, Frau P. D., abgeschlossen (Anlage B2). In diesem war unter § 3 eine Sockelmiete in Höhe von 2.500,00 € zzgl. Mehrwertsteuer und darüber hinaus eine Erhöhung dieses Sockelbetrages abhängig vom jeweiligen Jahresumsatz vereinbart. Außerdem enthält er unter § 10 folgende Regelung:

„Bei erheblicher Veränderung der Charakteristik der Verkehrssituation, der Einzelhandelssituation oder Straßenführung in Bezug auf die Erreichbarkeit des Objektes steht der Mieterin ein Kündigungsrecht mit einer sechsmonatigen Frist zum Monatsende zu.


Am 27.12.2016 haben die hiesigen Parteien den Nachtrag Nr. 1 (Anlage K5) zu diesem Mietvertrag abgeschlossen. In diesem ist eine Sockelmiete von 5 € pro Quadratmeter zzgl. Betriebskostenvorauszahlung und Mehrwertsteuer geregelt, darüber hinaus heißt es auszugsweise unter 3. Miete:

„Ab einem Nettojahresumsatz von € 500.000 erhöht sich der monatlich zu zahlende Mietzins auf 4.200,00 € (netto).

Ab einem Nettojahresumsatz von € 600.000 erhöht sich der monatlich zu zahlende Mietzins auf 4.700,00 € (netto).

Ab einem Nettojahresumsatz von € 700.000 erhöht sich der monatlich zu zahlende Mietzins auf 5.200,00 € (netto).

Innerhalb von 3 Monaten nach Ablauf eines Kalenderjahres wird die Mieterin dem Vermieter eine Aufstellung über die in dem abgelaufenen Kalenderjahr getätigten Umsätze übergeben, den die (Jahres-) Sockelmiete übersteigenden Betrag der Umsatzmiete errechnen und die betreffende Restmietzahlung an den Vermieter leisten.“

Zwischen dem 18.03.2020 bis einschließlich 19.04.2020 kam es zur Schließung der streitgegenständlichen Filiale in W. gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 12 der Coronaverordnung vom 17.03.2020. Dabei wurde ein Großteil der Belegschaft in Kurzarbeit geschickt.

Mit Schreiben vom 24.3.2020 (Anlage K2) teilte die Beklagte mit, dass sie die Miete für April 2020 zunächst nicht zahlen wird. Mit anwaltlichem Schreiben vom 01.04.2020 (Anlage K3) wurde die Beklagte aufgefordert, die Miete fristgerecht bis zum 03.04.2020 zu überweisen und die vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten der Kläger bis zum 15.04.2020 zu zahlen.

Mit Schriftsatz vom 11.05.2020 (Klageerwiderung) hat die Beklagte, soweit das Mietobjekt ab dem 20.04.2020 wieder geöffnet werden konnte, hilfsweise die Aufrechnung mit einem Teil der Miete März 2020 in Höhe von 2.134,43 € während des Zeitraums der Schließung erklärt.

Die Kläger sind der Ansicht, die Beklagte hätte die Miete ohne Rechtsgrund nicht gezahlt.

Insbesondere könne die Beklagte die Miete nicht nach § 536 BGB mindern. Zwar enthalte § 1 des ursprünglichen Mietvertrages einen Verwendungszweck, allerdings sei die Nutzung durch die Beklagte zu keiner Zeit beeinträchtigt gewesen. Die Formulierung der Gesetzesbegründung anlässlich der Neuregelung des Artikel 240 § 2 EGBGB – „die Verpflichtung der Mieter zur Zahlung der Miete bleibt im Gegenzug im Grundsatz bestehen“ – zeige, dass aufgrund des Verwendungsrisikos des Mieters eine Minderung der Miete ausgeschlossen sei. Gerade die zwischen den Parteien vereinbarte Umsatzmiete spreche gegen eine Mietminderung. Es sei eine Mindestmiete vereinbart worden, die unabhängig davon geschuldet werde, ob in dem Ladengeschäft Umsatz erzielt werde oder nicht. Maßgeblich für die Bemessung der Miete sei der Jahresumsatz und nicht der Umsatz einzelner Monate. Dies lasse sich erst zum 31.3.2021 bestimmen. Der Mietvertrag weise deshalb gerade der Beklagten das Risiko zu, welche Umsätze realisiert werden. Eine Beteiligung der Kläger ergebe sich erst bei einem besonders erfolgreichen Geschäftsjahr. Ein Umfeldmangel liege nicht vor.

Auch eine Unmöglichkeit der Gebrauchsüberlassung liege nicht vor, da die Beklagte die Räumlichkeiten zumindest als Lagerraum und im Hinblick auf das Online-Geschäft auch zum Vertrieb von Waren genutzt habe.

Bezogen auf die konkrete Situation der Beklagten scheide auch eine Vertragsanpassung nach § 313 BGB aus. Die von der Beklagten aufgezeigten – und bestrittenen – Umsatzzahlen seien unzureichend – aus diesen ergebe sich eine Existenzgefährdung nicht – zumal es sich bei der Beklagten um ein weltweit tätiges Unternehmen handele.

Die Kläger beantragen, die Beklagte zu veruteilen , an die Kläger 5.081,98 € zzgl. 5 %-Punkten Zins über dem Basiszinssatz seit 07.04.2020 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 697,82 € zzgl. 5 %-Punkten Zins über dem Basiszinssatz seit 16.04.2020 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, Klageabweisung.

Die Beklagte behauptet, sie habe im März 2020 einen Rückgang des Nettoumsatzes gegenüber dem Durchschnitt der Jahre 2018/2019 von 45,42 % und im April 2020 in Höhe von 39,25 % zu verzeichnen gehabt. Sie setze im Regelbetrieb zwischen 5 und 7 Millionen Euro netto pro Tag in ihren Filialen um. Eine Verlagerung auf den Onlinehandel habe nicht stattgefunden, was im Wesentlichen daran liege, dass die von der Beklagten angebotenen Produkte im Regelfall niedrigpreisig seien und sich ein Onlinekauf für den Kunden in Anbetracht der Verpackungs- und Versandkosten nur eingeschränkt lohne. Bei den Osterartikeln würde es sich zudem um Mitnahmeartikel handeln, die nur dann mitgenommen würden, wenn sich der Kunde ohnehin zum Textilkauf in der Filiale aufhalte. Die Beklagte habe keinerlei staatliche Hilfen erhalten. Diesbezüglich habe die A. Unternehmensberatung GmbH mit Lieferanten und Vermietern verhandelt, die Nutzung von Kurzarbeit koordiniert und geprüft, ob Steuererleichterungen oder staatliche Finanzierungsunterstützung erlangt werden könnten. Eine staatliche Finanzierungsunterstützung habe jedoch nicht erreicht werden können. Sämtliche Filialen der Beklagten (über 3.000) hätten geschlossen werden müssen.

Sie ist der Auffassung, dass sie für die Zeit der Schließung der Filiale nicht verpflichtet sei, Mietzinszahlungen für das streitgegenständliche Objekt zu leisten. Da die Filiale auch im März an 13 von 31 Tagen nicht geöffnet war, ergebe sich diesbezüglich ein Erstattungsanspruch der Beklagten in Höhe von 2.134,43 €.

Es liege entweder ein Sachmangel der Mietsache, eine Unmöglichkeit der Gebrauchsüberlassung oder ein Fall der Anpassung des Mietvertrages im Rahmen der Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage vor.

Die Mietzahlungspflicht entfalle gemäß § 536 Abs. 1 S. 1 BGB, da eine Aufhebung der Tauglichkeit zur Nutzung vorliege. Zwar enthalte das BGB, anders als das österreichische allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, keine ausdrückliche Regelung bezüglich der Seuche im Mietrecht, allerdings werde der Mangelbegriff des § 536 BGB fortwährend erweitert. So könne der Mangel auch in einer äußeren Einwirkung auf die Mietsache bestehen (sog. Umwelt- oder Umfeldmangel). Beispiele diesbezüglich seien Baumaßnahmen in Nebengebäuden oder die Sperrung des Zugangsbereichs. „Umfeld“ im Sinne der Umfeldmangel-Rechtsprechung sei im vorliegenden Fall das gesamte Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Es liege ein vergleichbarer Fall wie dem Urteil des Reichsgerichts zum Tanzverbot vom 09.11.1915 (RGZ 87, 277 – III 145/15) und vom 20.02.1917 (RGZ 89, 203 – III 384/16) sowie der Benzintankanlagenentscheidung vom 03.01.1919 (III 271/18) zugrunde. Darüber hinaus enthalte der Mietvertrag einen ausdrücklichen Vertragszweck – nämlich die Nutzung als Verkaufs- und Lagerräume eines Einzelhandelsgeschäfts mit sämtlichen Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs, wobei sich aus der Kurzbaubeschreibung ergebe, dass es sich um ein K.-Ladenlokal handeln solle – welcher die „Sollbeschaffenheit“ darstelle. Diese hätten die Kläger während der Schließung nicht erfüllen können. Hinzu komme, dass sich die Kläger durch die Vereinbarung einer Umsatzmiete am betriebswirtschaftlichen Risiko der Klägerin beteiligt hätten und das Verwendungsrisiko damit zumindest zum Teil auch auf diese übergegangen sei.

Desweiteren liege ein Fall von Unmöglichkeit vor, da der Vertragszweck, der im vorliegenden Fall im Mietvertrag ausdrücklich vereinbart worden sei (siehe oben), infolge der behördlichen Anordnung nicht mehr habe erreicht werden können. Somit liege eine zumindest vorübergehende Unmöglichkeit der vermieterseits geschuldeten Überlassung zum vereinbarten Zweck vor.

Jedenfalls wäre der Mietvertrag auf Grundlage der Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB anzupassen. Die entscheidende Veränderung in Form des Auftretens des Corona-Virus und des Erlasses der CoronaVO sei erst nach Vertragsschluss erfolgt und nicht Inhalt des Vertrages. Auch enthielte der Mietvertrag keinerlei Regelungen für diesen Fall. Es sei jedoch offensichtlich, dass zumindest die Beklagte auf eine Mietpreisanpassungsklausel bestanden hätte, wenn sie diese Situation bei Mietvertragsabschluss vorausgesehen hätte. Ein Festhalten am ursprünglichen Vertrag sei der Beklagten unzumutbar. Sämtliche über 3000 Filialen seien geschlossen worden und es liege ein vergleichbarer Umsatzausfall in allen Filialen vor – insbesondere die Saison- und Osterware habe nicht verkauft werden können. Dadurch sei es zu erheblichen Liquiditätsproblemen gekommen. Die Bezahlung der Miete April 2020 hätte die wirtschaftliche Schieflage der Beklagten ganz erheblich verstärkt. Eine hälftige Teilung der Mietlast sei daher angemessen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 04.06.2020 verwiesen.

Der Rechtsstreit wurde mit Beschluss vom 27.05.2020 nach § 348 Abs. 3 S. 2 ZPO von der Kammer übernommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Kläger haben aus § 535 Abs. 2 BGB einen Anspruch auf Zahlung der Aprilmiete 2020 in Höhe von 5.081,98 € gegen die Beklagte. Die Aufrechnung der Beklagten geht ins Leere.

Die Beklagte kann die Miete für den Zeitraum der Filialschließung vom 18.03.2020 bis einschließlich 19.04.2020 auch weder nach § 536 Abs. 1 BGB mindern (siehe sogleich 1.), noch liegt eine Unmöglichkeit der Gebrauchsüberlassung nach § 275 BGB mit der Folge des § 326 Abs. 1 BGB vor (siehe 2.). Darüber hinaus ist im vorliegenden Fall auch nicht eine Vertragsanpassung nach § 313 BGB vorzunehmen (siehe 3.).

1. Die Beklagte kann die Miete für den Zeitraum 18.03.2020 bis einschließlich 19.04.2020 nicht nach § 536 Abs. 1 BGB mindern.

Eine ausdrückliche vertragliche Regelung, wie beispielsweise Haftungsausschlüsse oder -beschränkungen oder eine Force-Majeure-Klausel, enthält der zwischen den Parteien geschlossene Mietvertrag bzw. Nachtrag Nr. 1 für den vorliegenden Fall einer behördlich angeordneten Ladenschließung nicht, weshalb sich die Mietzahlungspflicht vorrangig nach dem mietrechtlichen Sachmängelgewährleistungsrecht gemäß §§ 536 ff. BGB bestimmt (Sittner, Mietrechtspraxis unter Covid-19, NJW 2020, 1169).

Gemäß § 536 Abs. 1 BGB ist die vereinbarte Miete kraft Gesetzes gemindert, wenn die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel aufweist, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder (erheblich) mindert, oder ein solcher Mangel während der Mietzeit entsteht. Ein derartiger Mangel ist dann gegeben, wenn der tatsächliche Zustand der Mietsache vom vertraglich vorausgesetzten Zustand abweicht. Der vertraglich geschuldete Zustand bestimmt sich in erster Linie nach den Beschaffenheitsvereinbarungen der Mietvertragsparteien, die auch durch schlüssiges Verhalten (konkludent) getroffen werden können. Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung können dabei auch Umstände sein, die von außen auf die Mietsache unmittelbar einwirken (sog. Umweltfehler), wie etwa Immissionen, denen die Mietsache ausgesetzt ist. Soweit Parteiabreden zur Beschaffenheit der Mietsache fehlen, wird der zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand unter Berücksichtigung des vereinbarten Nutzungszwecks und des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nach der Verkehrsanschauung bestimmt (BGH, Urt. v. 19.12.2012 – VIII ZR 152/12, NJW 2013, 680). Auch öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse und -beschränkungen können die Tauglichkeit zu dem vertragsgemäßen Gebrauch mindern und damit einen Sachmangel darstellen. Insbesondere bei der Vermietung von Gewerberäumen können privat- oder öffentlich-rechtliche Hindernisse zu einem Mangel führen. Voraussetzung ist aber, dass die Beschränkungen der konkret vermieteten Sache ihre Ursache gerade in deren Beschaffenheit und Beziehung zur Umwelt haben und nicht in den persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters (BGH, Urt. v. 02.03.1994 – XII ZR 175,92, BeckRS 2009, 20713; Urt.v. 13.07.2011 – XII ZR 181/09, NJW 2011, 3151 – Rauchverbot; Eisenschmid in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 14. Auflage 2019, § 536 Rn. 78). Durch hoheitliche Maßnahmen bewirkte Gebrauchsbeschränkungen können deshalb nur dann einen Mangel begründen, wenn sie unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage der konkreten Mietsache in Zusammenhang stehen; Maßnahmen, die nur den geschäftlichen Erfolg des Mieters beeinträchtigen, fallen in dessen Risikobereich. § 535 Abs. 1 S. 2 BGB verpflichtet den Vermieter nur, die Mietsache in einem Zustand zu erhalten, der dem Mieter die vertraglich vorgesehene Nutzung ermöglicht, das Verwendungsrisiko trägt hingegen der Mieter allein (Sittner, Mietrechtspraxis unter Covid-19, NJW 2020, 1169).

Ausgehend von diesen rechtlichen Vorgaben liegt im vorliegenden Fall kein Sachmangel vor. Die hoheitlichen Maßnahmen dienen im vorliegenden Fall dem Schutz der Bevölkerung vor allgemeinen gesundheitlichen Gefahren. Sie knüpfen nicht unmittelbar an die konkrete Beschaffenheit der Mietsache an, sondern allein an den Betrieb des jeweiligen Mieters. Die Maßnahmen stellen dabei nicht auf die konkreten baulichen Gegebenheiten ab, sondern allgemein auf die Nutzungsart sowie den Umstand, dass in den betroffenen Flächen Publikumsverkehr stattfindet und dies Infektionen begünstigt (Sittner, Mietrechtspraxis unter Covid-19, NJW 2020, 1169, Daßbach/Bayrak, Corona-Krise und vertragliche Risikoverteilung, NJ 2020, 185, Leo/Götz, Fälle und Lösungen zum Schicksal der Mietzahlungspflicht des Gewerberaummieters in COVID-19-Zeiten, NZM 2020, 402).

Daran ändert auch nichts, dass die streitgegenständlichen Gewerberäume im vorliegenden Fall zur Nutzung als Verkaufs- und Lagerräume eines Einzelhandelsgeschäfts mit sämtlichen Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs vermietet wurden und sich aus der Kurzbaubeschreibung ergibt, dass es sich um ein K.-Ladenlokal handeln sollte. Denn die Mietsache ist zu diesem Zweck weiterhin in gleicher Weise geeignet wie vor dem hoheitlichen Einschreiten. Untersagt ist lediglich dessen Betrieb und zwar losgelöst von Fragen der Beschaffenheit oder Lage der Mietsache. Dieser Umstand fällt jedoch in den Risikobereich des Mieters (Sittner, Mietrechtspraxis unter Covid-19, NJW 2020, 1169).

Auch die beklagtenseits angeführte Rechtsprechung des Reichsgerichts führt nicht zur Annahme eines Sachmangels. Zwar hat das Reichsgericht – darin ist der Beklagten Recht zu geben – im „Tanzlokal-Fall“ angenommen, dass ein Mangel im Sinne von § 537 BGB vorliege, da das Tanzverbot den Pachtgegenstand selbst betroffen habe, in dem es die Ausnutzung der Eigenschaft als Tanzlokal verhindere. Allerdings beruht die im vorliegenden Fall angeordnete Schließung nicht auf einer öffentlich-rechtlich missbilligten Eigenschaft der Mietsache, sondern erfasst Mieträume ausschließlich aufgrund ihrer tatsächlichen Nutzung durch den Mieter. Würde die Beklagte eine noch zulässige Nutzung betreiben oder ihr Nutzungskonzept verändern, bliebe ihr Betrieb zulässig (Zehelein, Infektionsschutzbedingte Schließungsanordnungen in der COVID-19-Pandemie, NZM 2020, 390). Zudem war für das Reichsgericht für die Annahme eines Mangels der Mietsache der heute in Rechtsprechung und herrschender Lehre vorausgesetzte Objektbezug der Nutzungsbeeinträchtigung (noch) nicht von entscheidender Bedeutung, wenn dort allgemein öffentlich-rechtliche Beschränkungen als die Miet- und Pachtsache „betreffend“ für ausreichend erachtet wurden (vgl. RG, Urt.v. 20.02.1917 III 384/18 „Verbot jeglicher Tanzveranstaltung“; Urt. v. 09.11.1915 III 145/15 „polizeiliche Untersagung öffentlicher Tänze“; zur heutigen h.M. Eisenschmid in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 14. Auflage 2019, § 536 Rn. 78 ff.) Entsprechendes gilt für die Benzintankanlagenentscheidung. Dort war eine vertragsgemäße, ebenso wie eine anderweitige Nutzung des Gegenstandes des Vertragsverhältnisses – eine Tankanlage – aufgrund des behördlichen Veräußerungsverbotes für Benzin sowie dessen Beschlagnahme und Verschwinden aus dem Handel nicht mehr möglich, was das Reichsgericht dazu veranlasste, die besondere Einrichtung der Mietsache mit deren Lage gleichzusetzen und deshalb einen Mangel anzunehmen (Urt. v. 03.01.1919, III 271/18). Im vorliegenden Fall handelt es sich aber gerade um solche Beschränkungen, die losgelöst von der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage der Mietsache und daher nach heutigen Maßstäben – in Abkehr zu der Rechtsprechung des Reichsgerichts – nicht als Mangel der Mietsache anzusehen sind.

2. Es liegt auch kein Fall der Unmöglichkeit für die Kläger nach § 275 BGB vor, mit der Folge des Entfalls der Gegenleistungspflicht für die Beklagte nach § 326 Abs. 1 BGB.

Nach § 326 Abs. 1 S. 1 BGB entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung, wenn der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 BGB nicht zu leisten braucht. § 275 Abs. 1 BGB regelt dabei, dass der Anspruch auf Leistung ausgeschlossen ist, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.

Gemäß § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB besteht die Hauptleistungspflicht des Vermieters darin, dem Mieter die Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen. § 535 Abs. 1 S.2 BGB wird durch § 537 Abs. 1 S. 1 BGB vervollständigt, der regelt, dass der Mieter von der Entrichtung der Miete nicht dadurch befreit wird, dass er durch einen in seiner Person liegenden Grund an der Ausübung seines Gebrauchsrechts gehindert wird. Dadurch wird deutlich, dass der Vermieter nur eine Gebrauchsmöglichkeit verschaffen muss. Immer wenn der Mieter die Sache nicht gebrauchen kann, weil sie selbst nicht nutzungstauglich ist, geht der Vermieter nach § 326 Abs. 2 oder 536 BGB seines Anspruchs auf die Miete verlustig. Betrifft die Störung dagegen die Nutzungstätigkeit des Mieters, bleibt dieser zur Mietzahlung verpflichtet. Dies gilt nicht nur, wenn ihn der Umstand ganz individuell an der Nutzung der Sache hindert, sondern auch, wenn ein beliebiger anderer Mieter von der Sache nicht den vertragsgemäßen Gebrauch machen könnte. Dies lässt die Verpflichtung zur Mietzahlung nicht entfallen, solange es nicht an der Sache selbst liegt, dass sie nicht bestimmungsgemäß verwendet werden kann. Dies kommt vor allem durch die in der Rechtsprechung zu findenden Aussage, durch § 537 BGB sei das Verwendungsrisiko dem Mieter zugewiesen, zum Ausdruck. Dass es ihm zugewiesen ist, liegt nur daran, dass die Vermieterleistung nicht mehr die Nutzung der Mietsache einschließt, sondern sich auf deren Bereitstellung im gebrauchstauglichen Zustand beschränkt (Harke in beckOK, BGB, 01.07.2020, § 537 Rn. 10, 10.1). Wie auch im Rahmen von § 536 BGB können danach allenfalls solche Störungen zu einer Unmöglichkeit führen, die in der Beschaffenheit, der Lage oder dem Zustand der Mietsache begründet sind. Aus diesem Grunde werden die Vorschriften des allgemeinen Leistungsstörungsrechts nach Übergabe der Mietsache durch das besondere mietrechtliche Gewährleistungssystem verdrängt (Sittner, Mietrechtspraxis unter Covid-19, NJW 2020, 1169; Eisenschmid in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 14. Auflage 2019, § 536 Rn. 532 ff.)

Gemessen an dem, ist den Klägern als Vermieter die Hauptleistungspflicht, nämlich die Überlassung der Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand, zwischen dem 18.03.2020 und 19.04.2020 nicht unmöglich gewesen. Nach dem Mietvertrag erfolgte die Vermietung zur Nutzung als Verkaufs- und Lagerräume eines Einzelhandelsgeschäfts mit sämtlichen Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs. Zwar konnte die Beklagte die streitgegenständliche Mietsache im vorliegenden Fall während der behördlich angeordneten Schließung nicht als Verkaufsräume – als Lagerräume sehr wohl – eines Einzelhandelsgeschäfts mit sämtlichen Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs, nämlich als K.-Ladenlokal, nutzen, dieses Risiko fällt jedoch in deren Verwendungsrisiko. Die Kläger haben der Beklagten die Mietsache, wie es ihrer Hauptleistungspflicht entspricht, in gebrauchstauglichem Zustand bereitgestellt. Der Umstand, dass die Nutzung für die Beklagte nicht wie von ihr beabsichtigt möglich war, liegt nicht an der Sache selbst.

3. Außerdem kommt eine Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 BGB wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage nicht in Betracht.

Im Ergebnis kann dahin gestellt bleiben, ob § 313 Abs. 1 BGB im vorliegende Fall überhaupt anwendbar ist (siehe a) und ob die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen (siehe b), da zumindest eine Unzumutbarkeit für die Beklagte am Festhalten des Vertrages nicht festgestellt werden kann (siehe c).

a) Fraglich ist bereits, ob § 313 BGB im vorliegenden Fall anwendbar ist.

In Ausformung der Vertragstreue und als Ausnahmetatbestand vom Grundsatz der Privatautonomie ist § 313 BGB besonders eng auszulegen und grundsätzlich nachrangig (Sittner, Mietrechtspraxis unter Covid-19, NJW 2020, 1169). Zwar enthält der zwischen den Parteien abgeschlossene Mietvertrag für den hier vorliegenden Fall einer behördlich angeordneten Schließung keine Regelung (siehe oben), allerdings könnte die Anwendbarkeit im vorliegende Fall zu verneinen sein, da der Mietvertrag Regelungen enthält, durch die sich der Vermieter zumindest mittelbar an dem eigentlich beim Mieter liegenden Verwendungsrisiko beteiligt hat, nämlich indem eine Mindestmiete und darüber hinaus eine Umsatzmiete vereinbart wurde. Dadurch haben sich die Kläger zumindest ab einem gewissen Umsatz am Verwendungsrisiko beteiligt. Bei einem Umsatz unter 500.000,00 €, wenn es also lediglich um die Mindestmiete geht, partizipieren sie am Verwendungsrisiko jedoch nicht.

Darüber hinaus ist § 313 BGB auch gegenüber gesetzlichen Regelungen grundsätzlich nachrangig (bspw. §§ 314, 536 BGB). Diese sind im vorliegenden Fall jedoch nicht anwendbar (siehe oben). Möglich wäre jedoch eine Sperrwirkung durch das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27. März 2020, da sich dieses ausdrücklich auf Mietverträge bezieht und insoweit zwingende Regelungen zur Risikoverteilung enthält. Nach Art 240 § 2 Abs. 1 EGBGB ist der Vermieter zumindest temporär nicht berechtigt, einen Mietvertrag wegen eines auf die Covid-19-Pandemie zurückzuführenden Zahlungsrückstandes zu kündigen. Gleichzeitig erstreckt sich das „Moratorium“ in Art 240 § 1 Abs. 1 BGB gerade nicht auf Mietverträge, sodass Mieter nach einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers nicht berechtigt sind, das dort enthaltene Leistungsverweigerungsrecht geltend zu machen und weiterhin jedenfalls „im Grundsatz“ verpflichtet sind, die Miete zu zahlen. Ob dem Gesetzgeber dabei – insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Gesetz in sehr kurzer Zeit erarbeitet wurde – bewusst war, dass er Ansprüche der Mieter wegen Störung der Geschäftsgrundlage ausschließt, geht aus den Materialien indes nicht hervor (Sittner, Mietrechtspraxis unter Covid-19, NJW 2020, 1169).

Ob tatsächlich eine Sperrwirkung der vertraglichen oder der gesetzlichen Regelung vorliegt, muss jedoch nicht entschieden werden, da eine Unzumutbarkeit für die Beklagte in jedem Fall zu verneinen ist (siehe sogleich c).

b) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, kann gemäß § 313 Abs. 1 BGB eine Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

Die Geschäftsgrundlage eines Vertrags wird nach der Rechtsprechung des BGH gebildet durch die bei Vertragsabschluss bestehenden gemeinsamen Vorstellungen der Parteien oder die dem Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Vertragspartei vom Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf dieser Vorstellung aufbaut (BGH, Urt. v. 11.12.2019 – VIII ZR 234/18, NZM 2020, 322). Dabei wird zwischen der „großen“ und der „kleinen“ Geschäftsgrundlage unterschieden. Unter der „großen Geschäftsgrundlage“ versteht man die Erwartung, dass sich die grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen des Vertrags nicht etwa durch Revolution, Krieg, Vertreibung, Hyperinflation oder eine (Natur-)Katastrophe ändern, dass die Sozialexistenz nicht erschüttert werde. Von der „kleinen“ Geschäftsgrundlage spricht man dagegen in allen übrigen Fällen, wenn es also „nur“ um die den jeweiligen Vertrag betreffenden Umstände geht: die Größe des erst noch zu vermessenden Grundstücks als Vertragsgegenstand, eine schleichende Geldentwertung bei langfristiger Verpflichtung etc. Der Wortlaut des § 313 erfasst auch die „große“ Geschäftsgrundlage (Finkenauer in Münchner Kommentar, BGB, 8. Auflage 2019, § 313, Rn. 17,18).

An dem gemessen, stellt die Schließungsanordnung eine Störung der Geschäftsgrundlage dar. Zwar ist nicht im Hinblick auf die Nutzbarkeit der Mietsache von der Geschäftsgrundlage auszugehen, da diese maßgeblicher Vertragsinhalt ist, sondern vielmehr die Vorstellung der Parteien, dass keine zumindest bundes- tatsächlich aber weltweite – Pandemie auftritt, aufgrund derer flächendeckend Gewerbebetriebe geschlossen werden müssen. Diese ist auch schwerwiegend gestört, da die Nutzbarkeit der Mietsache – jedenfalls vorrübergehend – vollständig entfallen ist. Es handelt sich damit um eine zu berücksichtigende Zweckstörung, die eine Fallgruppe des § 313 BGB darstellt (Finkenauer in Münchner Kommentar, BGB, 8. Auflage 2019, § 313, Rn. 253 ff.). Die Leistung des Vermieters ist für den Mieter aufgrund der Unmöglichkeit, das Gewerbe in dem hierfür angemieteten Objekt zu betreiben, sinnlos geworden (Zehelein, Infektionsschutzbedingte Schließungsanordnungen in der COVID-19-Pandemie, NZM 2020, 390).

Letztlich bedarf es keiner Entscheidung, ob die Parteien bei Kenntnis der Möglichkeit einer weltweiten Pandemie tatsächlichen die Mietzahlungspflicht nicht oder nicht in vollem Umfang vereinbart hätten. Denn eine Vertragsanpassung zugunsten der Beklagten kommt jedenfalls deshalb nicht in Betracht, weil ihr ein unverändertes Festhalten an der vertraglich vereinbarten Mietzahlung unter Abwägung aller Umstände einschließlich der vertraglichen Risikoverteilung zumutbar ist (siehe sogleich c).

c) Der Beklagten ist es unter Abwägung aller Umstände einschließlich der vertraglichen Risikoverteilung zumutbar, an der vertraglich vereinbarten Mietzahlungspflicht festzuhalten.

Maßgeblich ist dabei die Frage, inwieweit die eingetretene Veränderung der Umstände üblicherweise in das Risiko einer Vertragspartei fällt, wie nahe diese den Veränderungen steht und inwieweit es der betroffenen Partei zumutbar oder überhaupt möglich gewesen wäre, entsprechende Vorkehrungen zu treffen (Zehelein, Infektionsschutzbedingte Schließungsanordnungen in der COVID-19-Pandemie, NZM 2020, 390) oder sich im Zeitraum der Schließung anderweitige Einnahmequellen zu verschaffen, bspw. Onlinehandel, etc (Sittner, Mietrechtspraxis unter Covid-19, NJW 2020, 1169). Im Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter trägt dabei grundsätzlich der Mieter das Verwendungsrisiko bezüglich der Mietsache (BGH, Urt.v. 16.02.2000 – XII ZR 279/97, NJW 2000, 1714; siehe oben). Dazu gehört bei der gewerblichen Miete vor allem das Risiko, mit dem Mietobjekt Gewinne erzielen zu können. Eine solche Risikoverteilung bzw. -übernahme schließt für den Betroffenen – abgesehen von extremen Ausnahmefällen, in denen eine unvorhergesehene Entwicklung mit unter Umständen existentiell bedeutsame Folgen für eine Partei eintritt – regelmäßig die Möglichkeit aus, sich bei Verwirklichung des Risikos auf Wegfall der Geschäftsgrundlage zu berufen (BGH, Urt.v. 16.02.2000 – XII ZR 279/97, NJW 2000, 1714). Das Maß der Unzumutbarkeit ist damit letztlich nur bei substantiierter Darlegung des Mieters erreicht, in der eigenen Existenz gefährdet (vgl. Daßbach/Bayrak, Corona-Krise und vertragliche Risikoverteilung, NJ 2020, 185) oder jedenfalls in einem solchen Ausmaß wirtschaftlich betroffen zu sein, das ein weiteres Festhalten am unveränderten Mietvertrag unter Berücksichtigung aller übrigen Umstände als unzumutbar erscheinen lässt.

Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des vorliegenden Einzelfalles liegt eine Unzumutbarkeit für die Beklagte im Sinne des § 313 Abs. 1 BGB im vorliegenden Fall nicht vor.

Die Beklagte als Mieterin trägt grundsätzlich das Verwendungsrisiko. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der vereinbarten Mindestmiete mit zusätzlicher Umsatzmiete ab einem Umsatz von 500.000,00 €/Jahr. Daraus kann insbesondere nicht der Wille der Parteien abgebildet werden, dass auch die Kläger an den Einbußen zu partizipieren haben, die die Beklagte infolge einer nachteiligen Veränderung der Marktlage erleidet (vgl. Ekkenga/Schirrmacher, Auswirkungen der COVID-19-Katastrophe auf die Zahlungspflichten gewerblicher Mieter und Pächter, NZM 2020, 410). Es lässt sich vielmehr umgekehrt lediglich der Wille einer Beteiligung ab einem bestimmten Umsatz, also einem besonderen Erfolg der Beklagten, ablesen. Gerade die Vereinbarung einer Mindestmiete zeigt, dass die Kläger an einem gänzlichen Misserfolg nicht partizipieren wollten, wobei den Parteien hierbei die Möglichkeit schwankender Umsätze sichtlich bewusst war.

Der Gesichtspunkt, einer Partei das Treffen von Vorkehrungen aufzuerlegen, scheidet im vorliegenden Fall aus, da die Möglichkeit einer weltweiten Pandemie für beide Seiten überraschend und unvorhersehbar gewesen sein dürfte. Darüber hinaus wäre ein solches Ausfallrisiko wohl entweder nicht oder nur zu prohibitiv hohen Kosten versicherbar (Ekkenga/Schirrmacher, Auswirkungen der COVID-19-Katastrophe auf die Zahlungspflichten gewerblicher Mieter und Pächter, NZM 2020, 410; Daßbach/Bayrak, Corona-Krise und vertragliche Risikoverteilung, NJ 2020, 185).

Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte die Räume – insbesondere die Lagerräume, auch wenn diese nur einen kleinen Teil des Mietobjekts ausmachen – weiterhin genutzt hat und sich unstreitig in der Zeit der Schließung Mitarbeiter in den Räumlichkeiten befunden haben, die verderbliche Ware und Saisonware abgebaut haben.

Maßgeblich im vorliegenden Fall ist jedoch, dass die Beklagte eine Existenzgefährdung oder eine vergleichbare, zur Unzumutbarkeit führende, wirtschaftliche Beeinträchtigung weder dargelegt noch bewiesen hat. Sie hat diesbezüglich behauptet, sie habe im März 2020 einen Rückgang des Nettoumsatzes gegenüber dem Durchschnitt der Jahre 2018/2019 von 45,42 % und im April 2020 in Höhe von 39,25 % zu verzeichnen gehabt. Sie setze im Regelbetrieb zwischen 5 und 7 Millionen Euro netto pro Tag in ihren Filialen um. Eine Verlagerung auf den Onlinehandel habe nicht stattgefunden, was im Wesentlichen daran liege, dass die von der Beklagten angebotenen Produkte im Regelfall niedrigpreisig seien und sich ein Onlinekauf für den Kunden in Anbetracht der Verpackungs- und Versandkosten nur eingeschränkt lohne. Bei den Osterartikeln würde es sich zudem um Mitnahmeartikel handeln, die nur dann mitgenommen würden, wenn sich der Kunde ohnehin zum Textilkauf in der Filiale aufhalte. Die Beklagte habe keinerlei staatliche Hilfen erhalten. Diesbezüglich habe die A. Unternehmensberatung GmbH mit Lieferanten und Vermietern verhandelt, die Nutzung von Kurzarbeit koordiniert und geprüft, ob Steuererleichterungen oder staatliche Finanzierungsunterstützung erlangt werden können. Eine staatliche Finanzierungsunterstützung habe jedoch nicht erreicht werden können. Unstreitig ist, dass sich ein Großteil der Belegschaft in Kurzarbeit befand.

Selbst wenn man diese Behauptungen auch im Übrigen als wahr unterstellt, ergibt sich daraus eine Existenzgefährdung bzw. eine unzumutbare wirtschaftliche Beeinträchtigung jedoch nicht. Zwar mag ein filialbezogener Nettoumsatzrückgang von 45,42 % bzw. 39,25 % im März bzw. April 2020 bzw. ein betriebsbezogener Nettoumsatzverlust von 5 bis 7 Millionen Euro pro Tag – der jedoch auch nicht näher dargelegt ist – zunächst erheblich erscheinen. Allerdings wurden diesem Nettoumsatzrückgang weder die ersparten Mitarbeiterkosten durch die Inanspruchnahme von Kurzarbeit, noch etwaige Rücklagen gegenübergestellt. Auch ist das Ergebnis der – angeblichen – Verhandlungen mit Lieferanten und Vermietern (Nachlässe, Stundungen, etc) nicht ersichtlich und in die Berechnung eingestellt. Darüber hinaus ist – wie bereits im Rahmen der mündlichen Verhandlung erörtert – in keiner Weise ersichtlich, inwiefern die Beklagte bspw. Oster- und Saisonware nächstes Jahr zum Verkauf nutzen kann. Diesbezüglich würden dann zu diesem Zeitpunkt Kosten der Beklagten entfallen. Darüber hinaus muss zu Lasten der Beklagten berücksichtigt werden, dass sie in der Zeit der Ladenschließung in keiner Weise besondere Bemühungen bezüglich einer Umsatzgenerierung veranstaltet hat. Auch wenn es sich bei den Produkten der Beklagten im Wesentlichen um niedrigpreisige Produkte handeln sollte, wäre es für die Beklagte möglich gewesen, den Onlinehandel auszuweiten oder dies zumindest zu versuchen, bspw. durch Rabattaktionen, Minderung der Versandkosten, Erlass der Versandkosten ab einem Mindestbestelltbetrag, etc. Dies ist nach den eigenen Angaben der Beklagten jedoch nicht erfolgt, weshalb sie sich nicht lediglich auf einen Nettoumsatzrückgang zurückziehen kann. Gleichermaßen unbehelflich ist der Vortrag der Beklagten, sie hätte keine staatlichen Hilfen erhalten und habe sich insoweit beraten lassen. Hieraus ergibt sich nicht, ob ein Anspruch auf staatliche Leistungen bestand oder ob diese aus anderen Gründen nicht bezogen wurden; jedenfalls wäre ein ernsthaftes Bemühen der Beklagten um die Erlangung staatlicher Hilfen vorauszusetzen, welches vorliegend weder ersichtlich noch dargetan ist. Entsprechend verhält es sich mit den Verhandlungen der Beklagten mit ihren Lieferanten und Vermietern, auch insoweit wäre von der Beklagten zu verlangen, dass sie alles ihr Zumutbare unternimmt, um ihre laufenden Kosten zu decken; allein die Beauftragung einer Unternehmensberatung und das Führen von Verhandlungen genügt insoweit nicht. Unbehelflich ist insoweit auch die pauschale Behauptung des – auch im Übrigen nur unzureichend informierten – und entgegen der gerichtlichen Anordnung nicht von einem Geschäftsführer der Beklagten begleiteten Sitzungsvertreters, die 3.000 Betriebe der Beklagten im gesamten Bundesgebiet seien vollständig zum Erliegen gekommen.

Entscheidend gegen eine Unzumutbarkeit spricht auch der begrenzte Zeitraum der Schließung von nur 4 1/2 Wochen (26 Arbeitstage). Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund des § 10 des ursprünglich geschlossenen Mietvertrages maßgeblich. Dieser sieht ein Kündigungsrecht der Mieterin bei erheblicher Veränderung der Charakteristik der Verkehrssituation, der Einzelhandelssituation oder Straßenführung in Bezug auf die Erreichbarkeit des Objekts mit einer sechsmonatigen Frist zum Monatsende vor. Es wurde somit gerade in Fällen, bei denen ein – theoretisch auch vollständiger – Umsatzrückgang der Beklagten einhergeht – zwar aus anderen Gründen als dem streitgegenständlichen – ein sechsmonatiges Festhalten am Vertrag vereinbart. Dies war der Beklagten bei Vertragsschluss somit zumutbar. Im vorliegenden Fall geht es jedoch lediglich um etwas mehr als einen Monat. Dies muss der Beklagten dann erst recht zumutbar sein.

Dementsprechend steht den Klägern für den Zeitraum der Schließung vom 18.03.2020 bis einschließlich 19.04.2020 die vertraglich vereinbarte Miete zu, weshalb auch die beklagtenseits erklärte Aufrechnung nicht durchgreift.

4. Die Zinspflicht ergibt sich aus § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB

II.

Darüber hinaus haben die Kläger einen Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlich geleisteten Rechtsanwaltskosten in Höhe von 697,82 € aus §§ 280, Abs. 1, 535 Abs. 2, (241 Abs. 2) BGB, dadurch, dass die Beklagte angekündigt hat die Aprilmiete 2020 aufgrund der Auswirkungen von Corona nicht zu bezahlen. Bei der unsicheren und schwierigen Rechtslage war es für die Kläger erforderlich und zweckmäßig unmittelbar einen Rechtsanwalt aufzusuchen, um Rechtsrat einzuholen.

Die Zinspflicht ergibt sich aus § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.

Der Streitwert wurde gemäß §§ 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO festgesetzt. Soweit die Beklagte ab dem Zeitpunkt der Wiedereröffnung (20.04.2020) „hilfsweise“ mit der Miete März 2020 während des Zeitraums der Schließung (18.03. bis 31.03.2020) aufrechnet, ist keine Streitwerterhöhung eingetreten, da kein Fall des § 45 Abs. 3 GKG vorliegt. Die Beklagte ist der Ansicht, dass sie lediglich für den Zeitraum der Filialschließung nicht verpflichtet sei, Miete zu zahlen. Eine Mietzinszahlungspflicht ab dem 20.04.2020 wird von ihr daher dem Grunde nach nicht bestritten, sondern lediglich mit der Aufrechnung angegriffen. Dies stellt jedoch gerade keinen Fall der Hilfsaufrechnung, sondern eine Primäraufrechnung, die nicht streitwerterhöhend ist, dar (vgl. Schindler in BeckOK, Kostenrecht, 01.06.2020, § 45 GKG, Rn. 19).

 

(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.

(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.

(1) Der Mieter wird von der Entrichtung der Miete nicht dadurch befreit, dass er durch einen in seiner Person liegenden Grund an der Ausübung seines Gebrauchsrechts gehindert wird. Der Vermieter muss sich jedoch den Wert der ersparten Aufwendungen sowie derjenigen Vorteile anrechnen lassen, die er aus einer anderweitigen Verwertung des Gebrauchs erlangt.

(2) Solange der Vermieter infolge der Überlassung des Gebrauchs an einen Dritten außerstande ist, dem Mieter den Gebrauch zu gewähren, ist der Mieter zur Entrichtung der Miete nicht verpflichtet.

(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.

(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.

(1) Durch den Mietvertrag wird der Vermieter verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu gewähren. Der Vermieter hat die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. Er hat die auf der Mietsache ruhenden Lasten zu tragen.

(2) Der Mieter ist verpflichtet, dem Vermieter die vereinbarte Miete zu entrichten.

(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.

(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.

*

(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.

(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn

1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist,
2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt,
3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.

(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.

(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.

(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.

*

(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Das Schuldverhältnis erlischt, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird.

(2) Wird an einen Dritten zum Zwecke der Erfüllung geleistet, so finden die Vorschriften des § 185 Anwendung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 34/11
Verkündet am:
15. März 2012
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. Januar 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die
Richter Raebel, Prof. Dr. Gehrlein, Grupp und die Richterin Möhring

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 15. Februar 2011 im Umfang der Anfechtung aufgehoben und insgesamt wie folgt neu gefasst : Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 15. Dezember 2009 im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt geändert: 1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 433.947,05 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 4,77 v.H. vom 9. Januar 2009 bis zum 31. Januar 2009, in Höhe von 2 v.H. vom 1. Februar 2009 bis zum 30. April 2009, in Höhe von 1,3 v.H. vom 1. Mai 2009 bis zum 31. Juli 2009 und in Höhe von 0,75 v.H. seit dem 1. August 2009 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt der Kläger 8 v.H., die Beklagte 92 v.H. Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger 15 v.H., die Beklagte 85 v.H.
Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Beklagte.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger ist Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der K. GmbH & Co. KG (fortan: Schuldnerin). In einem Vorprozess erstritt er gegen die Beklagte am 4. Januar 2008 ein Berufungsurteil, nach welchem diese 9.979.906,23 € nebst Zinsen in Höhe von 5 vom Hundert vom 1. Juni 2000 bis zum 19. Mai 2002 und in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. Mai 2002 an ihn zu zahlen hatte. Mit Schreiben vom 28. Januar 2008 forderte der Kläger die Beklagte auf, den ausgeurteilten Betrag nebst von ihm bis zum 28. Januar 2008 auf 4.852.929 € berechneter Zinsen zu bezahlen. Auf Anfrage der Beklagten , die zwischenzeitlich Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil vom 4. Januar 2008 eingelegt hatte, erklärte er, dass er bis auf Weiteres nicht beabsichtige, die Zwangsvollstreckung zu betreiben. Dennoch bezahlte die Beklagte am 3. März 2008 auf die Hauptforderung und die Zinsen 14.909.266,88 €, nachdem sie zuvor mitgeteilt hatte, dass die Zahlung lediglich zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erfolge und deshalb nicht als Erfüllung der vom Kläger behaupteten Ansprüche betrachtet werden könne. Aufgrund dieses Vorbehalts verweigerte der Kläger die Annahme des überwiese- nen Betrags und veranlasste dessen sofortige Rücküberweisung. Durch Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 7. Mai 2009 wurde die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten zurückgewiesen. Am 5. Juni 2009 zahlte die Beklagte an den Kläger die Hauptforderung und die titulierten Zinsen bis zum 3. März 2008.
2
Der Kläger hatte bereits im Jahr 2008 die vorliegende Klage erhoben, mit der er von der Beklagten Ersatz des Verzugsschadens verlangt, der ihm wegen der verspäteten Zahlung der im Vorprozess ausgeurteilten Zinsen im Zeitraum zwischen dem 19. August 2005 und dem 4. Dezember 2008 entstanden sei. Das Landgericht hat der auf Zahlung von 473.711,25 € nebst Zinsen lautenden Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Verurteilung der Beklagten auf den Betrag von 262.761,93 € reduziert. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den vom Berufungsgericht abgewiesenen Teil seiner Klage beschränkt auf den Betrag von 171.185,12 € nebst Zinsen weiter. Hierbei handelt es sich um den Betrag der Wiederanlagezinsen, die der Kläger im Zeitraum zwischen dem 3. März 2008 und dem 4. Dezember 2008 hätte erzielen können, wenn die Beklagte die bis zum 28. Januar 2008 geschuldeten Zinsen rechtzeitig gezahlt hätte.

Entscheidungsgründe:


3
Die Revision hat Erfolg. Sie führt im erstrebten Umfang zur Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts.

I.


4
Das Berufungsgericht hat, soweit dies für das Revisionsverfahren noch von Interesse ist, ausgeführt: Über den 3. März 2008 hinaus habe der Kläger keinen Anspruch auf Ersatz seines Verzugsschadens. Zwar habe die an diesem Tag erfolgte Zahlung der Beklagten nicht die Erfüllung seiner Forderung bewirkt. Nach der Zahlung habe sich die Beklagte jedoch nicht mehr im Verzug befunden. Der Kläger sei durch die Zurückweisung der Zahlung trotz des von der Beklagten erklärten Vorbehalts in Annahmeverzug geraten. Die unter Vorbehalt geleistete Zahlung entspreche in ihrer Wirkung letztlich einer Hinterlegung , zu welcher die Beklagte gemäß §§ 711, 108 ZPO ebenfalls berechtigt gewesen sei. Die Bestimmung des § 378 BGB, nach welcher die Ansprüche des Gläubigers mit dem Verzicht des Schuldners auf eine Rücknahme der hinterlegten Sache rückwirkend als erfüllt gälten, könne auf einen zur Sicherheitsleistung hinterlegten Geldbetrag entsprechend angewandt werden. Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen zwischen den prozessualen Befugnissen und den materiellrechtlichen Pflichten der Beklagten sei es geboten, das unter prozessual unvermeidbaren Vorbehalten stehende Zahlungsangebot ausreichen zu lassen, um die Wirkungen des § 293 BGB herbeizuführen. Das Interesse des Klägers, die hohen Verzugszinsen zu erhalten, sei nicht höher zu bewerten als das Interesse der Beklagten, sich von der Verpflichtung zur Zahlung der Verzugszinsen zu befreien. Das Risiko einer Haftung nach § 717 Abs. 2 ZPO habe für den Kläger nicht bestanden, weil es sich bei dem Urteil vom 4. Januar 2008 um ein Berufungsurteil gehandelt habe; eine Haftung nach § 717 Abs. 3 ZPO sei nicht in Betracht gekommen, nachdem der Kläger ausdrücklich erklärt habe, nicht vollstrecken zu wollen.

II.


5
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz des geltend gemachten Verzugsschadens (§ 280 Abs. 1 und 2, § 286 Abs. 1 Satz 1, § 289 Satz 2 BGB) über den Zeitpunkt der zurückgewiesenen Zahlung vom 3. März 2008 hinaus.
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1. Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Verzug der Beklagten mit der Zahlung der dem Kläger bis zum 28. Januar 2008 geschuldeten Fälligkeits- und Verzugszinsen nicht durch die Überweisung des geschuldeten Betrags am 3. März 2008 endete. Der Verzug des Schuldners endet, wenn eine seiner Voraussetzungen entfällt, insbesondere wenn der Schuldner die geschuldete Leistung erbringt. Dies war hier schon deshalb nicht der Fall, weil der Kläger die Zahlung der Beklagten zurückgewiesen hat.
7
2. Durch die Ablehnung der angebotenen Zahlung ist der Kläger nicht in Annahmeverzug geraten, der die Wirkungen des Schuldnerverzugs hätte entfallen lassen (BGH, Urteil vom 3. April 2007 - X ZR 104/04, NJW 2007, 2761 Rn. 7). Der Gläubiger kommt in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt (§ 293 BGB). Die Leistung muss dem Gläubiger so, wie sie zu bewirken ist, tatsächlich angeboten werden (§ 294 BGB). Das ist hier nicht geschehen. Zahlungen aufgrund eines vorläufig vollstreckbaren Urteils sind in der Regel dahin zu verstehen, dass sie nur eine vorläufige Leistung darstellen sollen und unter der aufschiebenden Bedingung der rechtskräftigen Bestätigung der zugrunde liegenden Verbindlichkeit erfolgen (BGH, Beschluss vom 25. Mai 1976 - III ZB 4/76, WM 1976, 1069; Urteil vom 19. Januar 1983 - VIII ZR 315/81, BGHZ 86, 267, 269). Im Streitfall hat die Beklagte einen entsprechen- den Vorbehalt sogar ausdrücklich erklärt. Die unter einer solchen Bedingung stehende Zahlung stellte nicht die von der Beklagten geschuldete Leistung dar. Eine Leistung unter dem Vorbehalt der Rückforderung hat keine Erfüllungswirkung (§ 362 BGB). Der Vorbehalt dient gerade dazu, diese Wirkung auszuschließen. Der Gläubiger muss also damit rechnen, dass er das Geleistete zurückgewähren muss; er kann nicht nach seinem Belieben mit dem Gegenstand der Leistung verfahren.
8
3. Die Ablehnung der angebotenen Zahlung verstieß nicht gegen das Schikaneverbot (§ 226 BGB) oder gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB).
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a) Die Ausübung eines Rechts ist nach § 226 BGB unzulässig, wenn sie nur den Zweck haben kann, einem anderen Schaden zuzufügen; jeder andere Zweck muss ausgeschlossen sein (RGZ 68, 424, 425; 98, 15, 17). Ein berechtigtes Interesse an der Zurückweisung der so nicht geschuldeten Leistung folgt hier bereits daraus, dass der Kläger den gezahlten Betrag, hätte er ihn angenommen , im Falle der Aufhebung des Urteils vom 4. Januar 2008 hätte zurückgewähren müssen. Gemäß § 717 Abs. 3 Satz 4 ZPO, § 818 Abs. 4 BGB hätte er sich nicht auf einen Wegfall der Bereicherung berufen können. Die Annahme der Leistung hätte ihm damit ein Risiko auferlegt, das er bei Ablehnung der Leistung nicht zu tragen hatte. Schon damit steht fest, dass die Ablehnung der Leistung nicht ausschließlich der Schädigung der Beklagten diente.
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b) Eine Rechtsausübung ist unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 226 BGB missbräuchlich, wenn sie beachtliche Interessen eines anderen verletzt, ihr aber kein schutzwürdiges Eigeninteresse zugrunde liegt (BGH, Urteil vom 24. Februar 1994 - IX ZR 120/93, WM 1994, 623, 625 mwN). Diese Voraussetzungen sind gleichfalls nicht erfüllt.

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aa) Die Beklagte wollte mit der Vorbehaltsleistung erreichen, dass sie keine Verzugszinsen mehr zu zahlen hatte. Obwohl die Leistung unter Vorbehalt keine Erfüllung der titulierten Forderung bewirkt und nicht die geschuldete Leistung darstellt, hat der Bundesgerichtshof dieses Interesse in früheren Entscheidungen nicht von vornherein für unbeachtlich gehalten. Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 24. Juni 1981 - IVa ZR 104/80, NJW 1981, 2244; vom 7. Oktober 1982 - VII ZR 163/81, WM 1983, 21; vom 26. Juni 1984 - VI ZR 232/82, VersR 1984, 868; vom 21. September 1989 - III ZR 15/88, BGHR GG vor Art. 1 / enteignungsgleicher Eingriff Verzögerungsschaden 1; BAGE 126, 198 Rn. 16; offen gelassen allerdings von BGH, Urteil vom 30. Januar 1987 - V ZR 220/85, ZZP 102, 366, 367 f), die in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung (OLG Karlsruhe VersR 1992, 370) und in der Literatur (MünchKomm-BGB/Ernst, 5. Aufl., § 286 Rn. 94, § 288 Rn. 17; Staudinger/Löwisch/Feldmann, BGB, 2009, § 286 Rn. 120; Erman/Hager, BGB, 13. Aufl., § 286 Rn. 73; kritsch etwa Braun, AcP 184 [1984], 152, 161 ff; Krüger, NJW 1990, 1208, 1211; Kerwer, Die Erfüllung in der Zwangsvollstreckung [1996], S. 163 ff; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, 12. Aufl., § 14 Rn. 71) überwiegend Zustimmung gefunden hat, vermag eine Leistung des Schuldners, die zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil erfolgt, den Verzug des Schuldners zu beenden , obwohl sie keine Erfüllung bewirkt. Grund dafür ist, dass auch eine im Wege der Zwangsvollstreckung aus einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil beigetriebene Leistung die Beendigung des Schuldnerverzuges zur Folge hat. Die Zahlung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung soll die nämlichen Folgen nach sich ziehen.
12
bb) Diesem Interesse des Schuldners stehen jedoch schutzwürdige eigene Interessen des Gläubigers (des Klägers) entgegen. Der Gläubiger hat Anspruch auf die geschuldete Leistung, nicht nur auf eine Leistung unter dem Vorbehalt der Rückzahlung. Mit der Annahme der Vorbehaltsleistung verliert der Gläubiger seinen Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen, obgleich nicht sicher ist, dass er die Leistung letztlich behalten darf. Bei einer Abänderung oder Aufhebung des Titels kann er nach Maßgabe des § 717 Abs. 3 ZPO zur Erstattung des Geleisteten nebst Zinsen in gesetzlicher Höhe ab dem Empfang der Leistung verpflichtet sein, ohne sich auf einen Wegfall der Bereicherung berufen zu können. Ob die Voraussetzungen dieser Norm im konkreten Fall tatsächlich erfüllt gewesen wären, was die Beklagte bezweifelt, ist nicht entscheidend. Bestand auch nur das Risiko einer Inanspruchnahme, diente die Zurückweisung der Vorbehaltszahlung eigenen berechtigten Interessen des Klägers. Im Übrigen setzt der Erstattungsanspruch aus § 717 Abs. 3 ZPO nach der neueren Rechtsprechung des Senats nicht voraus, dass vor der Zahlung oder Leistung des Titelschuldners die Zwangsvollstreckung angedroht worden war (BGH, Urteil vom 5. Mai 2011 - IX ZR 176/10, NJW 2011, 2518 Rn. 17 ff, zVb in BGHZ 189, 320). Unabhängig hiervon will der Titelschuldner mit der Vorbehaltszahlung regelmäßig so gestellt werden, wie er stünde, wenn die Zahlung durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen erzwungen worden wäre (BGH, Urteil vom 24. Juni 1981 - IVa ZR 104/80, NJW 1981, 2244). Um diese Rechtsfolge abzuwenden, muss dem Titelgläubiger das Recht zugestanden werden, die Annahme der Vorbehaltsleistung abzulehnen. Der Gläubiger kann aus dem vorläufig vollstreckbaren Berufungsurteil vollstrecken, muss es aber nicht. Er kann es ohne Angabe von Gründen bei dem bestehenden Zustand belassen und den Eintritt der Rechtskraft des Berufungsurteils abwarten. Das Recht, die titulierte Leistung erst dann entgegenzunehmen, wenn er diese bedingungslos behalten darf, kann man dem Gläubiger nicht entziehen.

13
4. Der vom Berufungsgericht beschriebene Widerspruch zwischen den prozessualen Befugnissen und den materiellrechtlichen Pflichten der Beklagten als Titelschuldnerin besteht nicht. Die Beklagte hätte zwar den dem Kläger angebotenen Betrag als prozessuale Sicherheit nach §§ 711, 108 ZPO hinterlegen können. Das Gesetz sieht eine Beendigung der Verzinsungspflicht jedoch nur im Falle einer Hinterlegung als Erfüllungssurrogat vor (§§ 378, 379 Abs. 2 BGB). Soweit vertreten wird, dass die Hinterlegung einer prozessualen Sicherheit in ein Hinterlegungsverhältnis nach §§ 372 ff BGB umgewandelt werden kann (RG JW 1914, 466 Nr. 6; BGH, Urteil vom 18. Oktober 1983 - VIII ZR 169/82, WM 1983, 1337, 1338), kommt dieser Umwandlung keine Rückwirkung zu. Eine Umqualifizierung der Hinterlegung bei Eintritt der Rechtskraft des Vollstreckungstitels hätte deshalb nicht nachträglich die Pflicht der Beklagten entfallen lassen, über den Zeitpunkt der zurückgewiesenen Zahlung vom 3. März 2008 hinaus Verzugszinsen zu zahlen.

III.


14
Das Urteil des Berufungsgerichts war daher im angefochtenen Umfang aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, kann der Senat selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dem Kläger war über den vom Berufungsgericht titulierten Betrag von 262.761,93 € nebst Zinsen hinaus der weitere Betrag von 171.185,12 € nebst Zinsen zuzusprechen. In dieser Höhe hätte der Kläger unstreitig im Zeitraum zwischen dem 4. März 2008 und dem 4. Dezember 2008 Anlagezinsen aus dem am 28. Januar 2008 angemahnten Zinsbetrag von 4.852.929 € erzielt.
Kayser Raebel Gehrlein
Grupp Möhring

Vorinstanzen:
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 15.12.2009 - 2 O 555/08 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 15.02.2011 - 17 U 153/09 -

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.