Landgericht Kaiserslautern Urteil, 26. Jan. 2017 - 6042 Js 217/13 - 4 KLs

bei uns veröffentlicht am26.01.2017

Tenor

1. Die Angeklagten H. O. und N. O. werden jeweils wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit gemeinschaftlicher Bedrohung, gemeinschaftlicher Freiheitsberaubung und versuchter gemeinschaftlicher Nötigung sowie wegen gemeinschaftlicher Bedrohung in Tateinheit mit gemeinschaftlicher versuchter Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird, verurteilt.

Das Verfahren wird eingestellt hinsichtlich des Anklagevorwurfs zur Tat vom Sommer 2011 auf Zypern.

Im Übrigen werden die Angeklagten freigesprochen.

2. Die Angeklagten H. O. und N. O. tragen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Nebenklägerin G. O., soweit sie verurteilt wurden. Soweit die Angeklagten freigesprochen wurden und das Verfahren eingestellt wurde, fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Staatskasse zur Last.

3. Angewendete Vorschriften: §§ 224 Abs. 1 Nr. 4, 239 Abs. 1, 240 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3, 241 Abs. 1, 22, 23, 25 Abs. 2, 52, 53 StGB

Gründe

I.

1

Zur Person des Angeklagten H. O.:

2

Der Angeklagte H. O. wurde am … 1963 im türkischen S. geboren. Als Angehöriger der kurdischen Minderheit war es ihm verwehrt, ein aufgenommenes Hochschulstudium abzuschließen. Infolge politischen Engagements musste er Anfang der 90er-Jahre nach Deutschland fliehen, wo er zumindest bis Januar 2013 einen Dönerimbiss betrieb, der seinem Wohnhaus in K. angegliedert war. Er ist verheiratet und Vater von vier Kindern, darunter die Zeugin G. O. Erst einige Jahre nach seiner eigenen Flucht folgte ihm seine Familie nach Deutschland.

3

Der Angeklagte H. O. ist nicht vorbestraft. Nach vorläufiger Festnahme am 06.01.2013 befand er sich in dieser Sache vom 07.01.2013 bis zum 22.01.2013 in Untersuchungshaft in der JVA Frankenthal aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts Kaiserslautern vom 07.01.2013 (Az.: 2a Gs 13/13).

4

Zur Person des Angeklagten N. O.:

5

Der Angeklagte N. O. wurde am … 1983 im türkischen H. geboren und wuchs dort auch auf. Im Juli 2002 reiste er erstmals in die Bundesrepublik Deutschland ein und lebte dort bis zu seiner Abschiebung im Januar 2004. Bevor er im Oktober 2012 seinen Lebensmittelpunkt erneut nach Deutschland verlegte, ging er im türkischen Teil Zyperns einer Tätigkeit als Koch nach. Zumindest bis Januar 2013 arbeitete er in einem Dönerimbiss, der dem Wohnhaus der Familie O. in K. angegliedert war. Eine im Juli 2011 geschlossene Ehe mit seiner Cousine väterlicherseits, der Zeugin G. O., wurde im Oktober 2013 geschieden. Gegenwärtig ist er erneut verheiratet und Vater eines Kindes. Es besteht eine Aufenthaltserlaubnis bis zum 30.11.2017.

6

Der Angeklagte N. O. ist nicht vorbestraft. Nach vorläufiger Festnahme am 06.01.2013 befand er sich in dieser Sache vom 07.01.2013 bis zum 13.05.2013 in Untersuchungshaft in der JVA Rohrbach aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts Kaiserslautern vom 07.01.2013 (Az.: 2a Gs 14/13).

II.

7

Im Jahr 2008 vereinbarte der Angeklagte H. O. mit seinem Bruder, dem Vater des Angeklagten N. O., dass seine Tochter, die am … 1992 geborene Zeugin G. O., den N. O. heiraten soll. Dadurch sollte dem in der Türkei lebenden Angeklagten N. O. der Zuzug nach Deutschland ermöglicht werden. Die Zeugin G. O. war an dieser Absprache nicht beteiligt. Sie erfuhr von ihrer Verlobung nach der Rückkehr von einer Klassenfahrt.

8

Als die Zeugin G. O. ihren Vater damit konfrontierte, ihren Cousin, zu dem sie in den vergangenen Jahren nur sporadisch in Kontakt stand, nicht heiraten zu wollen, beharrte dieser auf der Verlobung. Er begründete seine Entscheidung damit, seinem Bruder und dessen Sohn einen Gefallen erweisen zu wollen. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Vater des Angeklagten N. O. dem Angeklagten H. O. bereits Geld geliehen, um die Eröffnung eines Dönerladens in K. zu unterstützen, der als Lebensgrundlage für den Angeklagten N. O. dienen sollte.

9

Im Sommer 2010 fuhr die Zeugin G. O. mit ihrer Familie in die Südosttürkei nach S., wo sie im Haus der Familie des Angeklagten N. O. wohnte. Der Anlass dieser Reise - nämlich die religiöse Trauung durch einen Imam - wurde der Zeugin G. O. verheimlicht. Ihr gegenüber wurde bei Reiseantritt wahrheitswidrig vorgegeben, es handele sich um einen gewöhnlichen Ferienaufenthalt. Erst vor Ort erfuhr sie, dass ihre eigene Hochzeit geplant ist. Der Zeugin G. O., die unter dem strengen Regiment ihres Vaters mit gewaltsamen Übergriffen groß geworden ist, war es nicht möglich, zu fliehen oder fremde Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die Kontaktdaten auf ihrem Handyspeicher waren gelöscht worden und sie stand in der abgelegenen türkischen Region unter Beobachtung durch ihre Familienangehörigen und die Familienangehörigen des Angeklagten N. O., von denen einige Schusswaffen trugen. Auch weil sie sich an das Schicksal einer anderen jungen Frau erinnert fühlte, die in einem Nachbarort von S. von ihrer Familie weglief und aus diesem Grund getötet worden sein soll, sah sie für sich keine realistische Fluchtmöglichkeit. Im Laufe des Aufenthalts fand die religiöse Hochzeit durch einen Imam statt.

10

Im Sommer 2011 eröffnete der Angeklagte H. O. seiner Tochter, der Zeugin G. O., dass diese erneut in die Türkei fliegen müsse, um den Angeklagten N. O. nun auch standesamtlich zu heiraten. Zu diesem Zweck übergab er ihr Flugtickets nach Antup und weiter in den türkischen Teil Zyperns, wo der Angeklagte N. O. zu dieser Zeit als Koch arbeitete. Der Angeklagte H. O. begleitete seine Tochter bis in den Transitbereich des Flughafens und ließ sie von dort aus alleine in die Türkei reisen. Ob sie die Reise auch tatsächlich unternimmt, wurde von ihrem Vater durch regelmäßige Anrufe auf ihrem Handy kontrolliert.

11

Auf Zypern kam der Angeklagte N. O. an einem Abend mit einer Flasche Rotwein nach Hause und forderte die Zeugin G. O. auf, diese leer zu trinken. Als sie sich weigerte, zerrte sie der Angeklagte N. O. ins Schlafzimmer, verschloss die Tür von innen und legte den Schlüssel für die Zeugin G. O. unerreichbar auf einem Kleiderschrank ab. Daraufhin warf er die Zeugin G. O. zunächst auf den Boden, dann auf das Bett, wobei sie mit dem Kopf gegen den Bettrahmen stieß und Schmerzen erlitt. Während die Zeugin G. O. weinte und schrie, zog er sie aus und vollzog an ihr den vaginalen Geschlechtsverkehr.

12

Nach einem einwöchigen Aufenthalt auf Zypern flogen der Angeklagte N. O. und die Zeugin G. O. nach Antup und von dort weiter nach Urfa, wo Vorbereitungen für die standesamtliche Trauung getroffen wurden. Die standesamtliche Trauung erfolgte am 26.07.2011 in H.

13

Danach begab sich die Zeugin G. O. wieder nach Deutschland, von wo aus sie auf Geheiß ihrer Familie die Weichen für den Zuzug des Angeklagten N. O. stellte. Sie nahm am 06.12.2011 die deutsche Staatsbürgerschaft an und stellte im folgenden Jahr beim Ausländeramt der Stadtverwaltung K. die für den Zuzug erforderlichen Anträge. Der Angeklagte N. O. erhielt ein Visum zum Zwecke der Familienzusammenführung und reiste im Oktober 2012 nach Deutschland ein. Er nahm im Elternhaus der Zeugin G. O. in K. seinen Wohnsitz und arbeitete im angegliederten Dönerimbiss der Familie.

14

Am späten Vormittag des 06.01.2013 hörte die Zeugin G. O. in ihrem Elternhaus ein Telefonat zwischen ihrem Bruder M. O. und dessen Ehefrau, einer Schwester des Angeklagten N. O., mit, in welchem der Zeugin, die inzwischen mit einem türkischen Staatsangehörigen in der Türkei liiert war, vorgeworfen wurde, die Familienehre zu beschmutzen. Daraufhin begab sie sich in den Dönerimbiss der Familie, um ihren dort arbeitenden Ehemann, den Angeklagten N. O., dazu aufzufordern, bei seiner Schwester ein gutes Wort für sie einzulegen. Es entwickelte sich eine heftige und lautstarke Auseinandersetzung, zu der dann auch der Vater der G. O., der Angeklagte H. O., hinzukam.

15

Als die Zeugin G. O. auf die Aufforderung ihres Vaters hin nicht schwieg, wurde sie von ihrem Vater und ihrem Ehemann überwältigt und gewaltsam in den Toilettenraum des Dönerimbisses gezerrt und dort am Boden festgehalten. Da es dem Angeklagten H. O. nicht gelang, den Mund der Zeugin G. O. mit Klebeband zuzukleben, drückte ihr Ehemann, der Angeklagte N. O., ihr beide Hände fest auf den Mund, sodass sie in Atemnot und Todesangst geriet. Außerdem stellte sich der Angeklagte H. O. mit den Füßen auf den Bauch der Zeugin, was ihm jedoch nur kurz gelang, da die Zeugin sich zur Seite wegdrehte. Während der Auseinandersetzung drohten ihr beide Angeklagten, sie umzubringen, weil sie die Familienehre beschmutzen würde. Auch wenn sie bei der Polizei etwas über den Vorfall sagen würde, würden sie sie finden und umbringen. Erst als die Mutter der Zeugin G. O. hinzukam, ließen sie von ihr ab.

16

In Begleitung ihrer Mutter begab sich die Zeugin G. O. in das Wohnhaus, wo sie unter dem Vorwand, ihr sei übel, ins Badezimmer rannte und sich dort einsperrte. Mit ihrem Handy verständigte sie die Polizei. Nachdem die Angeklagten H. und N. O. auf das Telefonat aufmerksam geworden waren, kündigten sie der Zeugin G. O. durch die verschlossene Badezimmertür an, sie umzubringen. Sodann traten die Angeklagten in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken die Tür auf und wiesen die Zeugin G. O. an, gegenüber der Polizei anzugeben, sie hätte einen Selbstmordversuch unternommen. Sollte sie dies nicht tun, werde sie von ihnen umgebracht. Die Zeugin G. O. begab sich daraufhin in ihr Zimmer, wo sie sich aufhielt bis kurz darauf die Polizei eintraf. Im Rahmen ihrer ersten polizeilichen Vernehmung vom selben Tag sagte sie gegen die Angeklagten aus.

17

Im Rahmen der Auseinandersetzung im Dönerimbiss erlitt die Zeugin G. O. Schmerzen und eine kleine Kratzwunde über dem rechten Jochbogen am Übergang zum Augenwinkel.

18

Seit den Vorfällen vom 06.01.2013 befindet sich die Zeugin G. O. in einem Zeugenschutzprogramm. Sie ist an einem unbekannten Ort untergebracht und erhält monatlich circa 400 Euro zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts.

III.

19

Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen

20

Die Feststellungen zur Person des Angeklagten H. O. beruhen auf seinen Ausführungen im Rahmen des letzten Wortes, auf der glaubhaften Aussage der Zeugin G. O. sowohl in der Hauptverhandlung als auch gegenüber dem Sachverständigen G., der hierüber als Zeuge berichtete, und auf dem Inhalt des in der Hauptverhandlung verlesenen Bundeszentralregisterauszugs vom 23. Mai 2016.

21

Die Feststellungen zur Person des Angeklagten N. O. beruhen auf der glaubhaften Aussage der Zeugin G. O., auf einer mit seiner Zustimmung abgegebenen Verteidigererklärung, auf dem Inhalt des in der Hauptverhandlung verlesenen Bescheids über den Vollzug des Aufenthaltsgesetzes des Landesverwaltungsamts Saarland vom 11.06.2014 (Bl. 583 ff. d.A.) und auf dem Inhalt des in der Hauptverhandlung verlesenen Bundeszentralregisterauszugs vom 23. Mai 2016

22

Feststellungen zur Sache

23

Die Angeklagten H. O. und N. O. haben sich nicht zur Sache eingelassen. Die diesbezüglichen Feststellungen beruhen im Wesentlichen auf den Angaben der Zeugin G. O. Ihre Aussage wurde seitens der Kammer unter Hinzuziehung eines aussagepsychologischen Sachverständigen geprüft und für glaubhaft befunden. Sie wird bestätigt durch das weitere Ergebnis der Beweisaufnahme.

24

Die Zeugin G. O. hat im Wesentlichen wie folgt ausgesagt: Sie begann ihren Bericht damit, ihre Eltern hätten ihr, nachdem sie im Alter von 16 Jahren von einer Klassenfahrt nach Hause gekommen sei, ihre eigene Verlobung mit ihrem Cousin, dem Angeklagten N. O., bekannt gegeben. Sie hätten ihr ebenfalls mitgeteilt, die Verlobung ginge auf eine Vereinbarung zwischen ihrem Vater, dem Angeklagten H. O., und dessen Bruder, dem Vater des Angeklagten N. O. zurück. Sie sei hierüber schockiert gewesen. Zum Angeklagten N. O. habe sie zwar in der Kindheit häufiger Kontakt gehabt, vor der Verlobung hätten sie sich aber drei Jahre lang nicht gesehen und nur gelegentlich telefoniert. Sie habe ihren Eltern mitgeteilt, nicht mit dem Angeklagten N. O. verlobt sein zu wollen. Ihr Vater habe aber hierauf bestanden. Er habe ihr gesagt, er wolle seinem Bruder damit etwas Gutes tun und dessen Sohn den Zuzug nach Deutschland ermöglichen. Damit dieser hier arbeiten könne, werde er einen Dönerladen eröffnen, wofür er von seinem Bruder auch bereits Geld erhalten habe.

25

Im September 2010 sei ihr dann von ihrem Vater mitgeteilt worden, die Familie werde in die Türkei in den Urlaub fahren. Nach dreitägiger Anreise mit dem Auto hätten sie in S. im Haus der Familie des Angeklagten N. O. gewohnt. Dort habe sie erfahren, dass eine Hochzeit ansteht. Auf ihre Frage „Wer heiratet denn?“ habe ihre Mutter geantwortet „Na Du!“. Sie sei von ihrer Familie und den Verwandten beaufsichtigt worden. Auch sei ihr gesagt worden, sie werde umgebracht, falls sie sich der Heirat verschließen werde. Die Hochzeitszeremonie sei von einem Imam durchgeführt worden. Der Imam habe Fragen zum Islam gestellt. Dann seien sie und der Angeklagte N. O. plötzlich verheiratet gewesen. Sie habe in dem Moment nicht gewusst, was mit ihr geschehen ist. Am Abend habe eine Feier stattgefunden, an der viele Leute aus dem Ort teilgenommen hätten. Sie habe ihr Hochzeitskleid vor der Feier abgelegt, weil sie sich darin unwohl gefühlt habe. Nach der Feier sei ihr ein weißes Tuch in die Hand gedrückt worden. Sie sei aufgefordert worden, das Tuch während der Hochzeitsnacht unter das Bettlaken zu legen.

26

In der Hochzeitsnacht, sei sie vom Angeklagten N. O. zum Geschlechtsverkehr gezwungen worden. Er habe sie mit beiden Armen umschlungen und so fest gedrückt, dass sie Schmerzen empfunden hätte. Er habe sie zu Boden geschubst und seinen Körper mit den Worten „Du bist jetzt meine Frau, ich gebe dich niemandem her“ auf sie gelegt. Dann habe er ihren Rock ausgezogen, ihren Intimbereich berührt und den Geschlechtsverkehr mit ihr vollzogen. Im Anschluss habe der Angeklagte N. O. das weiße Tuch um ihren Unterleib gewickelt. Damit habe sie sich auf das Bett setzen sollen. Anhand des Blutes sei festgestellt worden, dass sie noch Jungfrau war. Nach der Hochzeitsnacht habe sie für drei Tage das Haus nicht verlassen dürfen. In dieser Zeit sei ihr übel gewesen und sie habe sich schlecht gefühlt. Sie sei frustriert gewesen und habe Hass auf ihre Eltern empfunden. Nach einem insgesamt dreiwöchigen Aufenthalt in der Türkei seien sie zurück nach Deutschland gereist.

27

Die Zeugin berichtete weiter, einige Zeit später sei ihr von ihren Eltern mitgeteilt worden, der Angeklagte N. O. müsse möglichst bald nach Deutschland kommen, denn seine Familie würde hierauf drängen. Ihr Vater habe diesem Wunsch entsprechen müssen, weil er der Familie Geld geschuldet habe. Sie habe dann am 06.12.2011 die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen. Ihr sei aufgegeben worden, nun häufiger zu Hause zu bleiben und sich auf ihre Rolle als Hausfrau und Mutter vorzubereiten. Da sie hiermit unzufrieden gewesen sei, sei sie zu ihrem Freund, den sie über das Internet kennen gelernt habe, in die Türkei geflohen. Nach wenigen Tagen sei sie aber wieder nach Deutschland zurückgekehrt, um sich von der Universität abzumelden. Dann habe sie erneut ihre Koffer gepackt und sei wieder zu ihrem Freund in die Türkei gereist. Dort sei sie geblieben, bis ihre Mutter und ihr Bruder sie aufgespürt hätten. Durch eine Anfrage bei ihrer Facebookfreundin, der Zeugin S. Y., hätten sie ihren Aufenthaltsort in Erfahrung gebracht. Nach ihrer Ankunft in der Türkei seien sie gemeinsam zur Polizei gegangen, wo ein Gespräch zwischen ihr und ihrer Mutter im Beisein einer Polizeibeamtin stattgefunden habe. Ihre Mutter habe ihr in dem Gespräch in Aussicht gestellt, sie könne frei leben, falls sie erreichen würde, dass ihr Ehemann nach Deutschland ziehen kann.

28

Die Zeugin gab weiter an, sie habe nach ihrer Ankunft in Deutschland zunächst ihre Facebookfreundin S. Y. in Bochum besucht. Gemeinsam seien sie weiter nach K. gefahren und aufs Ausländeramt gegangen, um dem Angeklagten N. O. den Zuzug nach Deutschland zu ermöglichen. Dort habe sie aber erfahren müssen, dass hierfür noch weitere Unterlagen erforderlich waren. Zu Hause sei sie deswegen stark unter Druck gesetzt und zeitweise sogar in ihrem Zimmer eingeschlossen worden.

29

Am Tag des Vorfalls im Dönerimbiss habe sie morgens einen telefonischen Streit zwischen ihrem Bruder, dem Zeugen M. O., und seiner Ehefrau, einer Schwester des Angeklagten N. O., mitbekommen. Während des Telefonats habe die Ehefrau gesagt, sie, die G. O., habe die Ehre der Familie durch ihr Verhalten beschmutzt. Ihr Bruder habe ihr, der G. O., ebenfalls Vorwürfe gemacht. Dies habe sie sehr belastet. Sie habe das Gefühl gehabt, für alles verantwortlich gemacht zu werden. Daher sei sie zu ihrem Ehemann, dem Angeklagten N. O., in den Dönerimbiss gegangen, wo dieser gearbeitet habe. Sie habe ihn bitten wollen, bei seiner Schwester ein gutes Wort für sie einzulegen. Sie habe an die Hintertür des Dönerladens geklopft. Da er nicht aufgemacht habe, habe sie gegen die Hintertür gehämmert. Dennoch habe er nicht geöffnet. Sie habe den Dönerimbiss daher durch die vordere Eingangstür betreten. Ihr Ehemann sei auf sie zugelaufen, habe sie geschubst und ihr vorgeworfen, zu viel Lärm zu veranstalten. Er habe sie als Hure tituliert. G. O. berichtete weiter, sie habe ihren Ehemann dazu aufgefordert, mit seiner Schwester zu sprechen und bei ihr ein gutes Wort für sie einzulegen. Daraufhin sei der Streit heftiger geworden und der Angeklagte N. O. habe rumgebrüllt.

30

Dann habe ihr Vater, der Angeklagte H. O., den Dönerimbiss betreten und sie aufgefordert, still zu sein. Nachdem sie ihm die Situation zu erklären versucht habe, habe er den Dönerimbiss kurz verlassen und sei mit Klebeband wiedergekommen. G. O. gab an, sie habe zunächst nicht verstanden, was das sollte. Ihr Vater sei auf sie zugegangen und habe gesagt, sie würde nur Schande über die Familie bringen. Sie habe Angst gehabt, von ihm geschlagen zu werden. Daher habe sie eine Eisenstange, die auf der Theke des Dönerimbisses gelegen habe, ergriffen und diese drohend in Richtung des Vaters erhoben. Sie sei jedoch von ihrem Vater und ihrem Ehemann überwältigt worden. Sie sei von ihnen auf den Boden geworfen und in den Toilettenraum des Dönerimbisses gezogen worden. Dort sei sie von beiden am Boden festgehalten worden. Ihr Vater habe vergeblich versucht, ihr den Mund mit Klebeband zuzukleben. Daraufhin habe ihr Ehemann mit beiden Händen ihren Mund umgriffen und zugedrückt. Sie habe Atemnot bekommen und gedacht, sie müsse nun sterben. Sie habe nicht mehr schreien können. Zudem habe sich ihr Vater mit den Füßen auf ihren Bauch gestellt. Da sie sich weggedreht habe, sei er dabei gestürzt. Während sie auf dem Boden gelegen habe, hätten ihr Vater und ihr Ehemann zu ihr gesagt, es wäre besser, sie nun umzubringen, weil sie die Familienehre beschmutzen würde. Auch hätten beide gesagt, sie würden sie finden und umbringen, falls sie die Polizei informieren würde.

31

Als ihre Mutter, die Zeugin G. O., zu ihnen in den Dönerimbiss gestoßen sei, hätten ihr Vater und ihr Ehemann von ihr abgelassen. Ihre Mutter habe ihr mit einem T-Shirt durch das Gesicht gewischt. Ihr Vater habe ihren Ehemann ins Wohnhaus geschickt, um ihr Handy zu finden, welches sie allerdings in ihrem Pullover versteckt habe. Sie sei von ihrer Mutter in das Wohnhaus geführt worden, weil sie vorgegeben habe, Übelkeit und Schmerzen zu haben. Dort sei sie auf die Toilette gerannt, habe sich eingeschlossen und mit ihrem Handy die Polizei alarmiert.

32

G. O. gab weiter an, ihr Vater und ihr Ehemann seien nach dem Notruf an die verschlossene Toilettentür gekommen und hätten ihr zugerufen, sie würden sie töten noch bevor die Polizei eintrifft. Beide hätten dann mit Gewalt die Tür aufgebrochen. Ihr Bruder sei nun ebenfalls dabei gewesen und habe versucht, sie zu schlagen. Ihr Vater und ihr Ehemann hätten sie aufgefordert, sie solle bei der Polizei angeben, sie hätte einen Selbstmordversuch unternommen. Andernfalls würden sie sie umbringen. Von ihrem Ehemann sei sie dann auf ihr Zimmer gebracht worden. Dort habe sie sich bis zum Eintreffen der Polizei aufgehalten.

33

Im Anschluss an ihren freien Bericht beantwortete die Zeugin G. O. Fragen.

34

Auf die Frage, ob es auch eine standesamtliche Hochzeit gegeben habe, antwortete G. O., eine solche habe am 26.07.2011 in H. stattgefunden. Der Angeklagte N. O. habe zuvor in Urfa Hochzeitsfotos anfertigen lassen. Dies sei kompliziert gewesen, da an dem Tag fast alle Fotoshops geschlossen gewesen seien. Mit den Hochzeitsfotos seien sie zum Standesamt gefahren. Sie hätten eine Unterschrift geleistet und seien dann verheiratet gewesen. Dies sei etwa ein Jahr nach der Imam-Hochzeit gewesen.

35

Auf die ergänzende Frage nach dem Ablauf der standesamtlichen Hochzeit schilderte G. O., ihr Vater habe die Reise in die Türkei organisiert. Als sie im Sommer 2011 mit Kopfhörern auf ihrem Bett gelegen habe, habe er ihr mitgeteilt, sie müsse abermals in die Türkei reisen, um dort ein zweites Mal zu heiraten. Zunächst habe sie das nicht ganz geglaubt, doch dann habe sie gemerkt, dass ihr Vater es ernst meint. Er habe sie mit Tickets für einen Flug nach Antup und einen Anschlussflug nach Zypern ausgestattet und sie in den Transitbereich des Flughafens gebracht. Während der Reise sei sie dann ständig telefonisch nach ihrem jeweiligen Aufenthaltsort befragt worden. Von Zypern aus sei sie später gemeinsam mit dem Angeklagten N. O. wieder über Antup nach Urfa gereist, wo sie die Hochzeitsbilder anfertigen ließen. Auf Vorhalt eines Ausschnitts aus ihrer richterlichen Vernehmung vom 15.10.2013 (Bl. 15 der Verschriftlichung) „Besucht habe ich ihn auf Zypern, weil mein Vater mich dazu gezwungen hat, für ihn rüberzugehen, nur dass die Heiratsurkunde entsteht, und durch die Heiratsurkunde kann er sich in Deutschland sehen lassen.“ gab sie an, nicht mehr zu wissen, was sie damals mit dem Begriff „Zwang“ gemeint habe.

36

Nach Schwangerschaften befragt, antwortete G. O., sie habe vom Angeklagten N. O. ein Kind erwartet. Ihre Familie habe ihr untersagt, deswegen zum Frauenarzt zu gehen. Da sie zu der Zeit im Dönerladen gearbeitet habe, ihrer Familie im Haushalt behilflich gewesen sei und den Pflichten als Ehefrau habe nachkommen müssen, sei ihr Leben sehr anstrengend gewesen. Ihr Ehemann habe eines Tages herausgefunden, dass sie über das Internet einen anderen Mann kennen gelernt hatte. Hiermit habe er ihre Eltern konfrontiert. Diese hätten ihr daraufhin das Handy weggenommen und ihr die Benutzung des Internets untersagt. Dies habe sie derart belastet, dass es nachts zu einer Fehlgeburt gekommen sei. Sie habe Schmerzen im Unterleib gehabt, die sie nicht konkret habe einordnen können. Dann sei es zu starken Blutungen, Schwindel und Übelkeit gekommen. Sie habe ihren Eltern nichts davon erzählt. Da die Blutungen auch am nächsten Tag angedauert hätten, sei sie mit einer Nachbarin zur Frauenärztin gegangen. Dort sei eine Fehlgeburt festgestellt worden.

37

Auf die Frage, ob es abgesehen von der Hochzeitsnacht sexuelle Übergriffe durch den Angeklagten N. O. gegeben habe, erklärte G. O., unmittelbar vor der standesamtlichen Hochzeit im Sommer 2011 sei es auf Zypern zum erzwungenen Geschlechtsverkehr gekommen. Der Angeklagte N. O. habe im türkischen Teil Zyperns als Koch gearbeitet. An einem Abend sei er mit einer Flasche Rotwein nach Hause gekommen und habe sie dazu aufgefordert, diese leer zu trinken. Sie habe sich jedoch geweigert. Dann habe er sie ins Schlafzimmer gezerrt, die Tür von innen abgeschlossen und den Zimmerschlüssel auf den Kleiderschrank gelegt, sodass sie ihn nicht habe erreichen können. Der Angeklagte N. O. habe sie auf den Boden geschubst und aufs Bett gezerrt. Dabei sei sie mit dem Kopf gegen den Bettrahmen gestoßen, was zu erheblichen Schmerzen geführt habe. Er habe sie ausgezogen, im Intimbereich angefasst und mit ihr den vaginalen Geschlechtsverkehr ausgeübt. Währenddessen habe sie geschrien und geweint.

38

Auf die Bitte, die Schilderung zum Vorfall auf Zypern zu konkretisieren, erklärte G. O., der Angeklagte N. O. habe die Tür hinter ihnen verschlossen und sie dann geschubst. Sie habe sich zunächst wehren wollen und ihn auch geschubst, er sei allerdings stärker gewesen. Anschließend habe er sie auf den Boden gestoßen und ihre Hände zusammen gehalten. Sie habe ihn zwar noch bespuckt, konnte ihn jedoch nicht von sich wegdrängen. Dann habe er sie auf das Bett gezerrt, wobei sie sich gestoßen habe.

39

Auf eine Frage nach dem Ablauf der Imam-Hochzeit schilderte G. O., sie und der Angeklagte N. O. hätten zusammen mit zwei männlichen Trauzeugen in einem Raum gesessen. Ihnen gegenüber habe sich ein Fenster befunden, durch welches sie von der Verwandtschaft beobachtet worden seien. Viele Männer hätten an dem Tag Schusswaffen getragen. Sie habe das Gefühl gehabt, sie werde umgebracht, wenn sie sich der Hochzeit nicht fügen würde. Sie sei im Umfeld der Hochzeit ständig beobachtet worden und hätte noch nicht einmal alleine zur Toilette gehen dürfen. Die Kontaktdaten auf ihrem Handyspeicher seien nach ihrer Ankunft in S. gelöscht worden. In der Region habe es keine Telefonzelle und nur wenige Autos gegeben. Die nächste Stadt sei circa eine Stunde weit entfernt gewesen.

40

Nach ihren persönlichen Plänen vor der Heirat mit dem Angeklagten N. O. befragt, gab G. O. an, sie habe auf eigenen Füßen stehen und nicht von einem Mann abhängig sein wollen. Dafür habe sie sich die Unterstützung ihrer Eltern erhofft. Vor ihrer Verlobung habe sie wenigstens noch einigermaßen frei leben können. Sie habe beispielsweise mit auf Klassenfahrten fahren dürfen. Da ihre Eltern besorgt gewesen seien, sie würde sich die deutsche Kultur aneignen, habe sie jedoch auch schon damals keine Geburtstagsfeiern besuchen dürfen. Über diese Einschränkungen hinaus habe sie regelmäßig Gewalt durch ihren Vater erfahren. Er habe ihr ins Gesicht geschlagen oder sie getreten, wenn sie seinen Anweisungen nicht Folge geleistet habe oder andere Ansichten als er vertreten habe.

41

Auf eine Frage nach ihrer Reaktion auf die Verlobung antwortete die Zeugin G. O., der Gedanke, ihren eigenen Cousin zu heiraten, sei für sie unerträglich gewesen. Sie habe ihn als Verwandten und damit ähnlich wie einen Bruder wahrgenommen. Da ihre Eltern ebenfalls Cousin und Cousine seien und wegen ihrer Herkunft nichts anderes als Verwandtenehen kennen würden, könne sie deren Haltung aber ein wenig nachvollziehen. Ihre Mutter habe ihr damals in Aussicht gestellt, gegen die Hochzeit einzutreten, falls der Angeklagte N. O. und sie dieselbe Blutgruppe aufweisen würden. Sie sei wohl davon ausgegangen, dass dies automatisch zu einer Behinderung der gemeinsamen Kinder führen würde. Ihrem Vater, dem Angeklagten H. O., sei die Blutgruppe egal gewesen. Er habe erklärt, ihr Ehemann könne keine andere Person als der Angeklagte N. O. werden.

42

Danach befragt, warum sie freiwillig wieder zurück nach Deutschland gekehrt sei, nachdem ihre Mutter und ihr Bruder sie in der Türkei aufgespürt hatten, antwortete sie, sie habe auch befürchtet, ihr Freund könne in erhebliche Schwierigkeiten geraten, wenn seine Familie, die ebenfalls sehr traditionell eingestellt gewesen sei, von ihrer Vorgeschichte erfahren hätte. Sie habe auf keinen Fall gewollt, dass es deshalb weiteren Ärger gibt. Sie habe sich gedacht „Dann soll N. O. halt nach Deutschland kommen. Dann ist alles vorbei.“ Sie sei jedoch enttäuscht worden. Denn entgegen der Zusicherungen durch ihre Familie und durch die Zeugin S. Y., wonach sie bloß einen Termin im Ausländeramt hätte wahrnehmen und eine Unterschrift hätte leisten müssen, sei alles viel komplizierter gewesen. Sie habe das Gefühl, die Zeugin S. Y. habe in diesem Punkt mit ihren Eltern bewusst zusammengearbeitet, um sie täuschen.

43

Nach dem Grund für ihre Aufnahme in ein Zeugenschutzprogramm und ihre derzeitige Lebensgrundlage befragt, gab die Zeugin G. O. an, dies sei unmittelbar im Anschluss an den Vorfall im Januar 2013 mit den Polizeibeamten erörtert worden. Man habe befürchtet, der Angeklagte N. O., dessen Familie oder ihre eigene Familie würde sie töten. Sie sei deshalb zunächst in einem Frauenhaus untergebracht worden. Jetzt befände sie sich an einem geheimen Ort. Der Zeugenschutz stelle ihr monatlich 400 Euro zur Verfügung, welche ihr vom Arbeitsamt ausgezahlt würden.

44

Danach befragt, welche Verletzungen sie bei dem Vorfall im Januar 2013 davon getragen habe, antwortete G. O., sie habe Schmerzen am Ohr und im Bauchbereich erlitten. Ein Ohrring sei verbogen gewesen. Sie habe auch einen Kratzer am Auge abbekommen. Des Weiteren gehe sie davon aus, dass sie an der Lippe geblutet habe, weil ihre Mutter mit einem T-Shirt durch ihr Gesicht gewischt habe.

45

Im Anschluss an die Frage, ob sie auch dauerhafte Verletzungsfolgen aufweise, erlitt die Zeugin einen spontanen Weinkrampf. Sie gab an, gelegentlich unter plötzlichem Herzrasen zu leiden, und nachts von Alpträumen geplagt zu werden. Die Alpträume würden in Überhängen enden und sie sei orientierungslos, wenn sie aufwacht. Zur Beruhigung nehme sie Medikamente. Auf die Frage nach dem Beginn dieser Symptome schildert die Zeugin, dass sie erst nach dem Weggang von der Familie aufgetreten seien.

46

Auf die Frage, warum sie sich bei der Imam-Hochzeit nicht an die Polizei gewendet habe, antwortete G. O., sie sei sich nicht sicher gewesen, ob die Polizei überhaupt gekommen wäre. Jedenfalls wäre sie noch vor dem Eintreffen der Polizei getötet worden. Aus dem Nachbarort sei ihr ein Vorfall bekannt geworden, bei dem eine andere Familie eine weggelaufene Frau von der Polizei aufspüren ließ und später tötete. Dies habe sie ständig vor Augen gehabt.

47

Abermals zum Ablauf der Imam-Hochzeit befragt, gab G. O. an, sie sei am Morgen mit der Schwester des Angeklagten N. O. beim Frisör gewesen. Der Angeklagte N. O. habe sie dorthin gefahren und später auch wieder abgeholt. Bei ihrer Rückkehr im Dorf sei laute Musik gespielt worden und auf dem Anwesen ihres Onkels hätten sich viele Gäste versammelt, die zum Teil bewaffnet gewesen seien. Dann sei im Hof ein Schaf geschlachtet worden, dessen Blut man ihr auf die Stirn geschmiert habe. Sie habe sich im übertragenen Sinne in dem geschlachteten Schaf wiedererkannt und sei in Tränen ausgebrochen. Ihr Vater, der Angeklagte H. O., sei peinlich berührt gewesen. Er habe den anderen Gästen zugerufen, ihre Reaktion sei auf ihre große Tierliebe zurückzuführen. Während der Zeremonie habe sie mit dem Angeklagten N. O. auf einer Couch gesessen. Zwei weitere Männer, die als Trauzeugen fungiert hätten, seien ebenfalls im Raum gewesen. Sie habe ein Kopftuch tragen müssen. Der Imam habe mehrere Fragen zum Islam gestellt, die der Angeklagte N. O. beantworten konnte. G. O. gab an, sie selbst habe die Fragen nicht beantworten können, weshalb sie nur mit dem Kopf geschüttelt habe, wenn sie vom Imam angesprochen worden sei. Der Imam habe zu ihr gesagt: „Nichts über den Islam zu wissen, ist nicht schlimm. Nichts über den Islam wissen zu wollen ist aber sehr schlimm.“ Nach den Fragen habe er sie und den Angeklagten N. O. zu Mann und Frau erklärt. Sie habe dann auf ihr Zimmer gehen dürfen. Dort habe sie ihr Brautkleid ausgezogen, weil sie sich darin unwohl gefühlt habe. Ohne das Brautkleid sei sie anschließend auf die Hochzeitsfeier gegangen. Der Angeklagte N. O. habe sie nun vor allen Gästen angeschrien und sie aufgefordert, das Brautkleid wieder anzuziehen. Sein Bruder habe ihn aber wieder beruhigen können. Später sei ihr dann das weiße Tuch überreicht worden. Sie habe den Angeklagten N. O. darum gebeten, das Tuch unbenutzt zu lassen, weil sie sich geschämt habe. Er habe daraufhin jedoch nur gesagt: „Zweifelst du an deiner Jungfräulichkeit? Du weißt, was passiert, wenn du nicht mehr jungfräulich bist. Dann töten wir dich!“ Nach der Hochzeitsnacht habe sie das Haus drei Tage lang nicht verlassen dürfen.

48

Auf ihren türkischen Freund angesprochen, gab G. O. an, sie habe „Ibrahim“ im Jahr 2009 über das Internet kennen gelernt. Sie habe sich von ihm zum ersten Mal in ihrem Leben verstanden gefühlt und sich in ihn verliebt. Hierzu führte sie weiter aus: „Es war die Sehnsucht nach Liebe. Ich hatte sie gefunden. Ich kannte das Gefühl vorher nicht.“ Nach der Imam-Hochzeit habe sie den Kontakt zu ihm abgebrochen, um ihn nicht in Schwierigkeiten zu bringen. Da sie nach zwei Jahren zufällig von einem gemeinsamen Bekannten erfahren habe, dass Ibrahim unter dem Kontaktabbruch sehr gelitten habe, habe sie ihm wieder über das Internet geschrieben und ihm auch von der Zwangsheirat erzählt. Ibrahim habe ihr helfen wollen. Während der ersten Woche des Studiums sei zu ihm in die Türkei gereist. Weil sie befürchtet habe, im Falle dauerhaften Fernbleibens von der Universität zwangsexmatrikuliert zu werden und nie mehr ein Studium aufnehmen zu dürfen, sei sie nach kurzer Zeit nach Deutschland zurückgekehrt, um sich ordnungsgemäß von der Universität abzumelden. Dann sei sie abermals in die Türkei zu Ibrahim gereist, wobei sie kein Rückflugticket gekauft habe. Ihre Familie habe sie dann jedoch aufgespürt.

49

Sachverständig beraten ist die Kammer der Überzeugung, dass die Aussage der Zeugin G. O. auf einem realen Erlebnishintergrund basiert.

50

In ihren in sich stimmigen und vollumfänglich nachvollziehbaren Ausführungen, denen die Kammer nach eigener Prüfung folgt, kamen die Sachverständigen Prof. Dr. med. B. G. und Diplompsychologe H. S. zu dem Ergebnis, dass an der Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin G. O. keine Zweifel bestehen. Der Sachverständige G. explorierte die Zeugin im Jahr 2013 in einem zweitägigen Gespräch und ließ seine Beobachtungen aus der Hauptverhandlung in die Bewertung von Aussagequalität und Aussageverlässlichkeit einfließen. Die Aussagetüchtigkeit wurde durch den ebenfalls in der Hauptverhandlung anwesenden Sachverständigen S. begutachtet, der die Zeugin im Jahr 2013 unabhängig vom Sachverständigen G. über einen Zeitraum von zwei Tagen explorierte und testpsychologisch untersuchte.

51

Inhaltlich führte der Sachverständige S. aus, die Aussagetüchtigkeit der Zeugin G. O. sei in leistungspsychologischer und persönlichkeitspsychologischer Hinsicht gegeben.

52

Im leistungspsychologischen Bereich habe sich testpsychologisch feststellen lassen, dass die Intelligenz der G. O. im normativen Durchschnittsbereich liegt, ebenso wie ihre Konzentrationsfähigkeit und ihre verbale Merk- und Gedächtnisleistung. Es habe keine Anhaltspunkte für relevante Auffassungs-, Verarbeitungs- oder Erinnerungsmängel gegeben. In leistungspsychologischer Hinsicht seien daher keine Einschränkungen der Aussagetüchtigkeit anzunehmen.

53

In persönlichkeitspsychologischer Hinsicht habe sich ebenfalls keine Einschränkung der Aussagetüchtigkeit feststellen lassen. G. O. sei im Gespräch freundlich-zugewandt, kooperativ und auskunftsbereit gewesen. Sie habe in ihren Schilderungen nicht demonstrativ gewirkt und die Vorkommnisse nicht unangemessen dramatisiert. Sie sei ruhig und unaufgeregt gewesen. Nur im Zusammenhang mit der Schilderung der Tatvorgänge habe sie einmal völlig unerwartet die Fassung verloren und mit den Tränen gekämpft. Phantastische Ausschmückungen und künstlich-unechte Affekte seien nicht zu beobachten gewesen. Testpsychologische Untersuchungen zur Persönlichkeitsstruktur hätten eine submissive psychische Tendenz aufgezeigt, sodass spontane reaktive Aggressivität oder Erregbarkeit als Verhaltenscharakteristiken ausgeschlossen werden könnten. Untersuchungen zur Evaluierung von Wahrnehmungs- und Denkstilen hätten realistische Wahrnehmungsabläufe und eine präzise Beobachtungsgabe ergeben. G. O. zeichne sich insgesamt durch eine ernsthafte, nicht spielerische Lebensgrundeinstellung aus und verfüge über eine intakte Realitätsprüfungskompetenz.

54

Darüber hinaus seien in den testpsychologischen Verfahren aber auch extreme Werte zu sozialer Erwünschtheit sowie eine Neigung zur Selbstidealisierung aufgefallen. Diese Eigenschaften, welche verhaltensmäßig nicht zu beobachten gewesen wären, könnten die Aussagetüchtigkeit grundsätzlich relativieren. Im Falle der G. O. sei dies aber ausgeschlossen, weil sich Hinweise für das Bestehen einer deutlichen psychischen Traumatisierung finden ließen.

55

So seien bei ihr im Rahmen der Exploration unterschwellige Ängste zu erkennen gewesen. Sie habe sich sehr schreckhaft verhalten, beispielsweise sei sie beim Zuschlagen eines Fensters inadäquat zusammengezuckt. In Kongruenz hiermit hätten sich auch testpsychologisch hohe Angstwerte (Prozentrang 99,9) gezeigt. Die Zeugin weise des Weiteren depressive Symptome wie Sorgenhaftigkeit, Selbstzweifel, allgemeines Unglücklichsein und eingeschränkte Lebenszufriedenheit auf. Übereinstimmend damit hätten die Persönlichkeitstests einen starken Leidensdruck aufgezeigt.

56

Bei Einbeziehung dieser psychoemotionalen Begebenheiten sei zu schlussfolgern, dass die im Persönlichkeitstest gezeigte Neigung zu sozialer Erwünschtheit und Selbstidealisierung aus der gefühlten Notwendigkeit der Zeugin entstanden ist, sich angesichts der in der Familie erfahrenen Ablehnung möglichst fehlerlos und sozial unauffällig darzustellen. Das Verhalten bei der Durchführung des Persönlichkeitstests sei daher als Reaktion mit Selbstverteidigungscharakter zu bewerten und hätte keinen Einfluss auf ihre Aussagetüchtigkeit.

57

Der Sachverständige G. führte aus, die Aussage der G. O. sei gemessen an Aussagequalität und Aussageverlässlichkeit unzweifelhaft glaubhaft. In Übereinstimmung mit den Ausführungen des Sachverständigen S. sehe er im Übrigen auch ihre Aussagetüchtigkeit als gegeben an.

58

Inhaltlich ging der Sachverständige zunächst auf den biographischen Hintergrund und die Psychopathologie der G. O. ein. Im Alter von fünf Jahren sei sie aus der Türkei nach Deutschland gezogen und gemeinsam mit drei Geschwistern bei ihren Eltern aufgewachsen. Den Vater, der bereits vor der restlichen Familie nach Deutschland geflüchtet sei, habe sie zunächst als fremd erlebt. Er habe zu Gewaltausbrüchen geneigt, die sich gegen alle Familienmitglieder gerichtet hätten. Von ihren Eltern sei sie stets mit viel Misstrauen behandelt worden. Der Kontakt zu gleichaltrigen Kindern sei ihr teilweise verwehrt worden. Ihren späteren Ehemann, den Angeklagten N. O., habe sie ursprünglich als Bruder wahrgenommen. Er sei ihr aber unsympathisch gewesen, weil er ihr als Kind einmal die Haare abgeschnitten hätte.

59

In psychopathologischer Hinsicht sei davon auszugehen, dass die Zeugin ursprünglich keine psychiatrischen Erkrankungen aufgewiesen habe. Im Rahmen der Exploration seien aber Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung erkennbar gewesen. So habe sich die Zeugin im Kontakt als sehr nervös und ängstlich erwiesen. Des Weiteren habe sie von intrusiven Alpträumen und Flashbacks berichtet. Unter intrusiven Alpträumen verstünde man Traumsequenzen, die sich nicht durch Aufwachen auflösen sondern in den Wachzustand übergehen. Flashbacks seien Erinnerungen, die wie Filme wahrgenommen werden und nicht bewusst beendet werden können. Die Auffälligkeiten seien innerhalb von sechs Monaten nach den Ereignissen vom 06.01.2013 erstmals aufgetreten, was als diagnostisches Kriterium für eine Posttraumatische Belastungsstörung gelte.

60

Der Sachverständige G. wies darauf hin, dieser psychopathologische Befund müsse als Zeichen einer Reaktionsbildung auf ein tatsächlich stattgefundenes Geschehen außergewöhnlicher Bedrohung verstanden werden. Er wies weiter darauf hin, die Aussagetüchtigkeit werde hiervon aber nicht berührt.

61

Die Qualität und die Verlässlichkeit der Aussage der Zeugin G. O. beurteilte der Sachverständige G. anhand der Realkennzeichen nach Steller und Köhnken. Er führte aus, aufgrund des Vorliegens vieler hochwertiger Realkennzeichen sei kein anderer Schluss als die Glaubhaftigkeit der Aussage zuzulassen.

62

Zur Prüfung der Aussagekonstanz habe er die Zeugin an getrennten Tagen exploriert und ihre Angaben mit dem Inhalt ihrer polizeilichen und gerichtlichen Vernehmungen abgeglichen. Während die Kernaussage weitestgehend unverändert geblieben sei, habe sich im zeitlichen Verlauf ein höherer Detaillierungsgrad im Randgeschehen gezeigt. Dies sei in dieser Weise bei einer glaubhaften Aussage zu erwarten. Auch der Umstand, dass die Zeugin G. O. die sexuellen Übergriffe durch den Angeklagten N. O. zum Teil erst spät erwähnt habe, sei psychologisch nachvollziehbar, weil es sich dabei um schambesetzte Themen handele. Scham sei ebenfalls der Grund dafür, dass die Schilderungen zu den sexuellen Übergriffen wenig, aber immer noch ausreichend Plastizität besäßen.

63

In den Bekundungen der Zeugin seien logische Brüche nicht erkennbar gewesen. Dies entspräche der Beobachtung in der Hauptverhandlung. Die Zeugin habe die Geschehnisse vielmehr in einer logisch nachvollziehbaren, zeitlich wie örtlich und situativ trennscharfen Weise eingeordnet. Da es Brüche in der Chronologie gegeben habe, sei nicht der Eindruck einer vorgefertigten Geschichte entstanden.

64

Der Sachverständige G. führte weiter aus, die Schilderungen der Zeugin G. O. verfügten über originelle Details und typische ethnische Spezifika. Hierzu zähle unter anderem der Deflorationsbeweis in der Hochzeitsnacht oder eine Art Teufelsaustreibung, die ihr Vater durch Ausstreuen von Salz an ihr vorgenommen habe. Auch gäbe es indirekt handlungsbezogene Schilderungen wie den Streit des Bruders mit dessen Ehefrau am Morgen des 06.01.2013. Im fehlgeschlagenen Anwendungsversuch von Klebeband durch den Vater läge zudem eine phänomengemäße Schilderung unverstandener Handlungselemente.

65

G. O. habe für alle Ereignisse komplexe Interaktionsgeschehen geschildert. Besonders hervorzuheben sei die Dynamik im Rahmen der Angriffe in Dönerimbiss und Wohnhaus vom 06.01.2013 und die nachvollziehbare Darstellung der eskalierenden Gewalt seitens des Vaters und des damaligen Ehemannes. Auch habe sie Beschreibungen eigener psychischer Vorgänge in ihre Schilderung integriert. Hierzu zählten Angst, Ohnmachtsgefühle und das Gefühl von Unentrinnbarkeit während der religiösen Hochzeitszeremonie in der Türkei. Schließlich habe sie die Angeklagten zwar nicht explizit entlastet, sie habe aber in Teilen Verständnis für deren Verhalten aufgrund ihrer soziokulturellen Einbindung gezeigt.

66

Der Sachverständige erörterte darüber hinaus, ob die Zeugin G. O. ihre Schilderungen eingesetzt haben könnte, um sich an den Angeklagten für früher erfahrenes Unrecht zu rächen. Diese Alternativhypothese sei aber bereits mit ihrem ängstlichen und submissiven Wesen nicht zu vereinbaren. Zudem habe sie neben ihrem Vater und ihrem damaligen Ehemann, die sie für ihre Unterdrückung verantwortlich mache, auch ihren Bruder beschuldigt. So habe sie angegeben, dieser habe bei der Auseinandersetzung im Badezimmer ebenfalls versucht, sie zu schlagen. Im Falle des Vorliegens eines Rachemotivs sei eine solche Ausweitung der Anschuldigungen eher nicht zu erwarten. Schließlich würde der Zeugin G. O. die Rache an ihren Familienmitgliedern nicht als dauerhafte Entlastung dienen, da sie in einen großen Familienverband eingebunden sei und daher eine Gegenreaktion zu erwarten hätte.

67

Die Kammer schließt sich dem Ergebnis der Begutachtung nach eigener Prüfung und Überzeugungsbildung an. Die Schilderungen der Sachverständigen S. und G. waren in sich stimmig und vollumfänglich nachvollziehbar. Auf Fragen der Verfahrensbeteiligten gingen sie in großer Ausführlichkeit und ohne sich in Widersprüche zu setzen ein. Zudem ist die Kammer davon überzeugt, dass die Sachverständigen aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung und ihrer großen Professionalität methodisch beanstandungslos gearbeitet haben.

68

Der Sachverständige G. war für die vorliegende Fragestellung auch aus fachlicher Sicht besonders geeignet, weil er in der Vergangenheit bereits zahlreiche aussagepsychologische Gutachten mit transkulturellem Bezug erstattet hat. An der Universität Gießen lehrt er als Leiter des Instituts für Psychiatrie und Psychotherapie unter anderem das Fach „Transkulturelle Psychiatrie“, wobei ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit auf transkulturellen Phänomenen in der aussagepsychologischen Begutachtung liegt. Auf diesem Gebiet betreut er ferner wissenschaftliche Arbeiten. Mit dem Sachverständigen S. hat er nach eigenem glaubhaften Bekunden schon mehrfach zusammengearbeitet. Dabei würden sie ihre Untersuchungen stets eigenständig und unabhängig voneinander durchführen, was die Qualität und Validität der Arbeit sichere. Im Rahmen der Zusammenarbeit könne es so durchaus zu divergierenden Erkenntnissen kommen, was bei früheren Kooperationen auch schon der Fall gewesen sei.

69

Für die Richtigkeit der Aussage der Zeugin G. O. spricht weiter, dass diese in wesentlichen Punkten durch das Ergebnis der weiteren Beweisaufnahme gestützt wird.

70

Ihre Angaben zu den Auseinandersetzungen im Dönerimbiss und im Wohnhaus der Familie vom 06.01.2013 werden gestützt durch die in Augenschein genommenen Lichtbilder von den Tatorten (Bl. 207 ff. d.A.) und die glaubhafte Aussage des Zeugen KHK W., der die Lichtbilder am 07.01.2013 als Kriminaltechniker anfertigte. Auf Vorhalt der Lichtbilder erklärte er, mit Ausnahme einer aufgebrochenen Badezimmertür, welche auf Bl. 212 f. d.A. zu sehen sei, habe er keine Auffälligkeiten im Wohnhaus feststellen können. Die aus den Türzargen herausgebrochenen Schließbleche und Schrauben hätten verstreut im Badezimmer herumgelegen. Auf den Lichtbildern Bl. 213 f. d.A. sei dies von ihm festgehalten worden. Der Türverschluss sei regelrecht in den Raum gesprengt worden, weshalb von einer erheblichen Gewalteinwirkung auszugehen sei. Auf der Salattheke des Dönerimbisses, welche auf den Lichtbildern Bl. 224 f. d.A. zu sehen sei, hätten ca. 50 cm lange metallische Winkeleisen gelegen. Diese dienten normalerweise als Halter für Salatschüsseln, könnten aber auch als Schlagwerkzeug verwendet werden.

71

Die Kammer hat den Angaben des Zeugen KHK W. Glauben geschenkt. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass der als Zeuge vernommene Polizeibeamte die Angeklagten zu Unrecht belasten sollte. Vielmehr war er ersichtlich darum bemüht, nur das zu schildern, an das er sich auch noch zu erinnern vermochte.

72

Dass es im Rahmen der Auseinandersetzung im Dönerimbiss vom 06.01.2013 zu Verletzungen der G. O. kam, steht im Einklang mit dem Inhalt des in der Hauptverhandlung verlesenen Berichts über die Notfallbehandlung im N. Klinikum vom 06.01.2013 (Bl. 10 d.A.). Demzufolge berichtete die Zeugin G. O. über Schmerzen im Bereich des Brustkorbs, am rechten Unterkieferast sowie über der rechten Wange. Objektiv konnte eine kleine Kratzwunde über dem rechten Jochbogen am Übergang zum Augenwinkel über der rechten Wange festgestellt werden.

73

Das Fehlen weiterer objektiver Verletzungszeichen sowohl bei der Notfallbehandlung im N. Klinikum als auch im Rahmen der Konsultation eines Gynäkologen am 08.01.2013, deren Ergebnis über die im allseitigen Einverständnis vorgenommene Verlesung eines Berichts der Zeugin KOK S. (Bl. 144 d.A.) in die Hauptverhandlung eingeführt wurde, stellt die Richtigkeit der Aussage der G. O. nicht in Frage. Die Untersuchungsbefunde sind ohne weiteres mit dem von ihr geschilderten Tathergang vereinbar. So gab die Zeugin bei ihrer Vernehmung an, sie sei von den Angeklagten im Dönerimbiss überwältigt und auf den Boden geworfen worden. Sie sei dann in den Toilettenraum gezogen worden, wo der Angeklagte H. O. vergeblich versucht habe, ihren Mund mit Klebeband zuzukleben, und der Angeklagte N. O. ihren Mund mit beiden Händen umgriffen und zugedrückt habe. Des Weiteren habe der Angeklagte H. O. sich mit den Füßen auf ihren Bauch gestellt. Bei solchen Einwirkungen sind objektive Verletzungszeichen nicht zwingend zu erwarten. Dies gilt umso mehr, als dass sich die Tat zu einer Jahreszeit ereignete, in der bei lebensnaher Betrachtung eher wärmende und wetterfeste - mithin lange und dicke - Kleidung getragen wird, welche Schutz vor Verletzungen bieten kann.

74

Der von G. O. geschilderte Hergang der Auseinandersetzung im Badezimmer des Wohnhauses wird in wesentlichen Punkten durch die Aussage ihres Bruders, des Zeugen M. O., gestützt. Dieser ließ im mündlichen Haftprüfungstermin vom 22.01.2013 von seinem Verteidiger eine Erklärung abgeben (Bl. 267 f. d.A.), mit deren Verlesung er nach qualifizierter Belehrung einverstanden war. Aufgrund der fehlenden Unmittelbarkeit und der damit einhergehenden eingeschränkten Möglichkeit zur Glaubhaftigkeitsbeurteilung kommt ihr jedoch nur ein geringer Beweiswert für die Überzeugungsbildung der Kammer zu. In Übereinstimmung mit den Schilderungen der Zeugin G. O. heißt es in der Erklärung in Bezug auf die Vorkommnisse vom 06.01.2013: „Ich hatte mit meiner Ehefrau telefoniert und habe mitbekommen, dass es Streit gab und sich später meine Schwester im Badezimmer eingesperrt hat.“ Des Weiteren räumt der Zeuge M. O. ein, an der Auseinandersetzung im Badezimmer beteiligt gewesen zu sein, was ebenfalls im Einklang mit den Ausführungen der G. O. steht: „Ich war wütend, weil es wieder Streit mit meiner Schwester gab. Ich habe versucht, die Badezimmertür zu öffnen. Es kann auch sein, dass ich gegen die Tür getreten habe, dies auch weil ich Angst hatte, dass sich meine Schwester etwas antun würde, da diese bereits öfter damit gedroht hatte. Die Tür wurde dann aufgetreten, aber das habe ich nicht mitbekommen, da ich wütend war. Ich sagte meiner Schwester „Mach die Tür auf, oder es kracht!“ - ich habe aber nie gesagt, mach die Tür auf oder ich bring dich um. Ich war aufgeregt, ich habe auch versucht an G. heranzukommen. Es kann sein, dass ich G. mit der flachen Hand getroffen habe, ich wurde von den anderen aber dann zurückgezogen. Wenn ich sie getroffen habe, dann nur einmal.“

75

Soweit G. O. erklärte, sie sei aufgrund ihrer Unzufriedenheit mit der zugewiesenen Rolle als Hausfrau und Mutter zwei Mal zu ihrem Freund in die Türkei geflohen, dort aber von ihrer Mutter und ihrem Bruder aufgespürt worden, steht dies im Einklang mit dem Inhalt eines verlesenen Rapporteintrags des Polizeipräsidiums Westpfalz vom 16.10.2012. Darin heißt es: „Der Vater und Bruder der türkischstämmigen 01 erschienen auf hiesiger Dienststelle und wollten die 20-jährige 01 vermisst melden. Laut Angaben des Vaters und des Bruders habe die 01 heute Morgen die elterliche Wohnung verlassen. Sie hätte eine Tasche mit persönlichen und wichtigen Gegenständen gepackt und mitgenommen. Die 01 ist mit einem Türken verheiratet, der in den nächsten Tagen nach Deutschland kommen wird. Dafür wurde der 01 von den Eltern eine Wohnung eingerichtet. Auch aus dieser Wohnung fehlen Kleidungsstücke und diverse Gegenstände. Des Weiteren hat die 01 von der Mutter vor etwa zwei Wochen 1500 Euro erhalten, die sie zum Kauf von Einrichtungsgegenständen hätte verwenden sollen, was jedoch nicht erfolgt ist. Durch Nachforschungen seitens des Bruders der 01 wurde auch festgestellt, dass sich die 01 zum Studium an der Uni K. eingeschrieben habe, allerdings an noch keiner Vorlesung teilgenommen hat bzw. auch keinen Kontakt zu ihren Professoren aufgenommen hat. Laut weiteren Beschreibungen des Bruders verhält sich die 01 sehr westlich orientiert, was der Familien offensichtlich nicht gefällt. Sie würde abends sehr spät heimkehren und hätte in der Vergangenheit schon sehr viele Männer, hauptsächlich über die Internetplattform Facebook kennen gelernt. Über ihr Handy wäre sie nun nicht mehr erreichbar. Die Familie wollte die 01 nun vermisst melden und von der Polizei eine Handyortung veranlassen. Dieses wurde nach Prüfung der Gesamtumstände von mir abgelehnt. Es liegen keine Anhaltspunkte für eine Gefahr für Leib/Leben der 01 vor. Vermutlich hat die 11 ihren familiären Umkreis aus freien Stücken verlassen um ihre Lebensgestaltung selbst übernehmen zu können.“

76

Die Schilderungen der G. O., sie habe im Anschluss an ihre Rückkehr aus der Türkei Vorbereitungen für den Zuzug des Angeklagten N. O. nach Deutschland getroffen und zu diesem Zweck einen Termin im Ausländeramt wahrgenommen, wird durch die Aussage des zuständigen Sachbearbeiters, des Zeugen H. W., bestätigt. Dieser gab an, seitens des Bundesverwaltungsamts sei im Jahr 2012 ein Visumantrag des Angeklagten N. O. im Ausländeramt der Stadtverwaltung K. eingegangen. Weil der Angeklagte N. O. schon einmal in Deutschland gelebt habe, habe er G. O. vorgeladen. Sie sei von ihm über die Bedeutung des Gesprächs aufgeklärt und zu ihrer Heirat befragt worden. Sie habe ihm mitgeteilt, den Angeklagten N. O. in der Türkei kennen gelernt und aus Liebe geheiratet zu haben. Als er ihr eröffnet habe, dass ein Verwandter eine Sicherheit leisten müsse, weil der Lebensunterhalt des Angeklagten N. O. nicht gesichert sei, sei G. O. in Tränen ausgebrochen. Sie habe ihm vorgeworfen, ihr nicht helfen zu wollen und das Verfahren unnötig zu verzögern. Am nächsten Tag habe ein Rechtsanwalt aus Frankfurt im Auftrag der Familie bei ihm angerufen. Diesem habe er die Rechtslage erläutert und mit dem Bruder der G. O. einen neuen Termin vereinbart. Der Bruder sei mit seinem Vater, dem Angeklagten H. O., erschienen und habe eine Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG abgegeben. Daraufhin sei die Visumzustimmung im Oktober 2012 erteilt worden und der Angeklagte N. O. sei am 29.10.2012 nach Deutschland eingereist. Auf Vorhalt seiner Vernehmung vom 10.01.2013 (Bl. 205 d.A.) „Ich fragte G. konkret, ob sie überhaupt will, dass N. nach Deutschland kommt oder ob die Familie diese Heirat forciert hat. G. meinte: „Nein, das war Liebe auf den ersten Blick!“ Sie schwärmte regelrecht von ihm.“ erklärte er, er erinnere sich hieran gut. G. O. habe gesagt, der Angeklagte N. sei ihre große Liebe, und sie habe unbedingt gewollt, dass er zu ihr zieht. Auf Vorhalt eines weiteren Auszugs aus seiner polizeilichen Vernehmung vom 10.01.2013 „Anfänglich war sie freundlich und nett. Als ich ihrem Ansinnen nicht zustimmte, wurde sie zornig, wie ein kleines Kind, dem man seine Puppe wegnimmt.“ gab er an, dieses Beispiel sei ihm direkt nach dem Gespräch durch den Kopf gegangen.

77

Die Aussage des Zeugen W. ist glaubhaft. Der Zeuge berichtete sachlich, nüchtern und aus guter Erinnerung. Er stand dem Verfahren neutral gegenüber und zeigte keine Bemühungen, die Angeklagten zu Unrecht zu belasten.

78

Die Schilderungen des Zeugen W. zum Verhalten der G. O. stehen im Übrigen nicht im Widerspruch zum weiteren Inhalt ihrer Aussage. Insbesondere lässt sich hieraus nicht ableiten, sie habe den Angeklagten N. O. tatsächlich aus Liebe geheiratet. Ihre so lautenden Angaben auf dem Ausländeramt sind nach Auffassung der Kammer vor dem Hintergrund zu verstehen, dass ihr seitens ihrer Mutter auf der Polizeistation in der Türkei versprochen wurde, frei leben zu können, falls sie ihrem Ehemann ermöglichen würde, nach Deutschland zu ziehen. Es ist daher lebensnah, dass sich G. O. bei ihrem Termin im Ausländeramt verstellte und bewusst falsche Angaben machte. Nur auf diese Weise konnte sie sicherstellen, dass dem Visumantrag für den Angeklagten N. O. zugestimmt wird.

79

Weder für noch gegen die Richtigkeit der Angaben der G. O. streitet die Aussage des Zeugen PK A., der zeitweise mit den Ermittlungen befasst war. In seiner Vernehmung gab er an, bloß bruchstückhafte Erinnerungen an das Geschehen zu haben. Er wisse nur noch, dass es sich um Familienstreitigkeiten gehandelt habe. Auch auf Vorhalt eines Rapporteintrags vom 06.01.2013 (Bl. 3 d.A.) „Über Notruf meldet die G. O., dass sie im Haus der Eltern festgehalten werden würde. Außerdem sei sie von ihrem Vater (H. O.), ihrem Ehemann (N. O.) und ihrem Bruder (M. O.) mehrfach geschlagen und getreten worden. Dies u.a. in den Bauch, da sie von ihrem Freund schwanger sei. Mit ihrem Mann, der gleichzeitig ihr Cousin ist, sei sie gegen ihren Willen in der Türkei verheiratet worden. Während des Einsatzes vor Ort erlitt die Gü. O. (Mutter) einen Schwächeanfall und wurde durch den Rettungsdienst in WPK verbracht.“ gab er an, keine genauen Erinnerungen mehr an den Vorgang zu haben.

80

Ebenfalls ohne Beweiswert für die Richtigkeit der Angaben der G. O. ist die Aussage des Zeugen KHK Hu. Dieser gab an, er habe die erste Vernehmung mit ihr durchgeführt. Nach fast vier Jahren habe er aber kaum mehr Erinnerung an den Inhalt. Er wisse nur noch, dass die Zeugin wohl gegen ihren Willen im Wohnhaus der Familie festgehalten worden sei und dass man sie gegen ihren Willen verheiratet habe. Die Vernehmung müsse ruhig und sachlich verlaufen sein, weil sie ihm sonst besser in Erinnerung geblieben wäre. Auch auf Vorhalt der Vernehmung vom 06.01.2013 (Bl. 6 d.A.) konnte der Zeuge keine näheren Angaben zur Sache machen.

81

Keinen Anlass an der Richtigkeit der Aussage der G. O. zu zweifeln, geben die Wahrnehmungen des Zeugen KHK R., welcher sie am 07.01.2013 ergänzend vernommen hat. Der Zeuge R. gab an, zwar keine konkreten Erinnerungen an den Inhalt der Vernehmung mehr zu haben, dafür sei sein damaliger Eindruck aber umso lebendiger. Die Schilderungen der G. O. seien für ihn nicht greifbar gewesen. Er habe das Gefühl gehabt, sie verwickle sich in Widersprüche und sage die Unwahrheit. Auf Nachfrage, woran er dies festmache, führte er aus, es sei für ihn unverständlich gewesen, dass sie mit dem Angeklagten N. O. die Hochzeitsnacht verbrachte und das Brautkleid sowie Geschenke entgegennahm. Er habe den Eindruck gehabt, die Zeugin habe sich ursprünglich bereitwillig auf die Hochzeit eingelassen, ihre Entscheidung aber später bereut.

82

Sachverständig beraten nimmt die Kammer an, dass die Einschätzung des Zeugen R. nicht geteilt werden kann, weil sie soziokulturelle Aspekte außer Betracht lässt. Es ist bereits nicht zu erkennen, dass G. O. die Hochzeitsnacht freiwillig mit dem Angeklagten N. O. verbrachte. Vielmehr schilderte sie, er habe sie vor dem Geschlechtsverkehr mit beiden Armen umschlungen und so fest gedrückt, dass sie Schmerzen empfunden hätte. Dann habe er sie zu Boden geschubst und seinen Körper auf sie gelegt. Sie hatte mithin keine andere Wahl als sich dem stärkeren Angeklagten zu ergeben, was umso mehr gilt, als dass sie sich in einer für sie fremden und bedrohlich wirkenden Umgebung befand. Auch hinsichtlich der Entgegennahme des Brautkleids und von Hochzeitsgeschenken war das Verhalten der G. O. alternativlos, weil dies den soziokulturellen Gepflogenheiten in der Osttürkei entspricht und sie anderenfalls erhebliche Konsequenzen zu erwarten gehabt hätte.

83

Ebenfalls keine Zweifel an der Richtigkeit der Aussage der G. O. ergeben sich aus der Aussage der Zeugen S. Y. Die Zeugin S. Y. bekundete, sie habe G. O. vor fünf bis sechs Jahren über einen gemeinsamen Internetfreund kennengelernt. Dieser habe ihr erzählt, sie sei zwangsverheiratet worden. Um mehr darüber zu erfahren, habe sie Kontakt zu ihr aufgenommen und über einen längeren Zeitraum mit ihr kommuniziert. G. O. habe in ihr eine erwachsene Ansprechpartnerin für ihre Probleme gesehen und ihre Seele bei ihr ausschütten können. Im Laufe der Gespräche sei ihr aber aufgefallen, dass viele Geschichten widersprüchlich gewesen wären. Sie habe ihr daher nicht alles geglaubt.

84

Ende des Jahres 2012 seien ihr Bruder und ihr Ehemann in ihre Wohnung nach Bochum gekommen und hätten sie nach dem Aufenthaltsort der G. O. gefragt. Beide seien sehr verzweifelt gewesen und hätten ihr unter Tränen berichtet, G. O. sei von zu Hause weggelaufen. Daraufhin habe sie den Aufenthaltsort der G. O. ausfindig gemacht und ihn der Familie mitgeteilt. Nachdem G. O. aus der Türkei zurückgekehrt wäre, sei sie zunächst zu ihr nach Bochum gekommen. Gemeinsam seien sie dann nach Kaiserslautern zu ihrer Familie gefahren. S. Y. schilderte weiter, die Familie sei sehr freundlich gewesen und habe den Eindruck gemacht, sie hätte der G. O. verziehen. Seitens der Familie sei kein Druck auf G. O. ausgeübt worden. Sie sei durch die Familie auch nicht eingeschüchtert worden. Auf ihre ausdrückliche Nachfrage hin habe G. O. in K. bleiben wollen. Sie sei daraufhin wieder nach B. gefahren und der Kontakt sei abgebrochen.

85

Auf Vorhalt ihrer polizeilichen Vernehmung vom 08.01.2013 (Bl. 139 f. d.A.) „An dem Sonntagabend wurde in der Familie besprochen, wie es weitergeht. Es wurde nach Lösungen gesucht. Es war ein positives Klima. Ich habe auch noch zu dem Vater der G. gesagt, dass wir hier nicht nach Schuldigen suchen, sondern hier eine Lösung finden müssen. Es war dann so, wie bereits ausgesagt, es sollte jeder so leben können wie er möchte. Die G. und ihr Ehemann waren zusammen weggegangen. Sie wollten sich aussprechen. Als beide zurückkamen, hatte ich auch ein positives Gefühl. Beide wollten sich scheiden lassen und wollten sich einvernehmlich trennen.“ erklärte die Zeugin Y., diese Angaben würden so stimmen. Sie erinnere sich gut an den Abend. Es habe ein sehr versöhnliches Klima in der Familie geherrscht.

86

Auf Vorhalt eines weiteren Ausschnitts aus ihrer polizeilichen Vernehmung vom 08.01.2013 (Bl. 140 d.A.) „An diesem Abend kam auch noch die Tante und der Onkel zu Besuch. Die Tante sagte etwas auf Kurdisch zu G., was ich aber nicht verstanden habe, mir aber später übersetzt wurde. Sie sagte zu ihr, wie G. das alles ihrer Familie hat antun können. Daraufhin ist G. ausgerastet, ist aufgesprungen und hat den Stuhl umgeworfen. Sie hat mit der Tante rumgeschrien. Ich habe G. aufgefordert, sich normal zu verhalten und normal zu reden. Ich habe zu G. gesagt, sie solle sich beruhigen und hoch gehen. Mir ist aufgefallen, dass die G., immer wenn sie schreit und wütend ist, nach draußen geht und dort herumschreit, damit die Nachbarn alles mitbekommen. Ihre Mutter meinte, dass würde sie immer so tun und sie habe auch schon häufig gedroht, sie würde zur Polizei gehen. Ich habe gefragt, was die G. denn der Polizei sagen soll. Ich sagte zur Mutter, dass sich die G. auch wieder beruhigt, sie würde wieder reinkommen. G. schrie noch eine Weile im Garten herum: „Es reicht, sollen doch alle hören, was hier passiert!“ Die Mutter versuchte immer wieder durch das Küchenfenster ihre Tochter zu beruhigen. G.s Ehemann ist dann zu G.in den Garten. G. hat sich dann alleine in den Garten gesetzt.“ gab die Zeugin Y. an, auch dies sei korrekt. Die Zeugin G. O. habe sich sehr unhöflich verhalten. Sie hätte nicht ausrasten müssen, da sie ja schließlich alles verursacht hätte. Nach ihrer Reise in die Türkei hätte sie demütig und höflich gegenüber ihren Eltern sein müssen.

87

Auf Vorhalt eines weiteren Ausschnitts aus ihrer polizeilichen Vernehmung vom 08.01.2013 (Bl. 140 d.A.) „An dem Abend hat die G.in meinem Beisein zu ihren Eltern gesagt, sie hatte eigentlich geschrien, dass es eigentlich ganz leicht sei, sie fertig zu machen. Ihr Vater meinte, was sie denn sagen wolle, sie hätten nichts zu befürchten. Daraufhin schrie G., dass sie nur sagen müsse, dass ihr Vater sie angefasst hätte, dies würde reichen. Sie hat ihren Vater eigentlich so richtig erniedrigt.“ bestätigte die Zeugin Y. diese Angaben ebenfalls. G. O. sei es immer nur darum gegangen, Aufmerksamkeit zu erregen. Sie habe sogar mit Selbstmord gedroht. Daher habe sie den Eltern auch vorgeschlagen, sie in die Psychiatrie einzuweisen.

88

Die Aussage der Zeugin S. Y. ist nach Auffassung der Kammer nicht glaubhaft. Ihr mangelt es an logischer Konsistenz. So ist schon nicht nachvollziehbar, aus welchen Motiven sie den Angeklagten H. O. und seinen Sohn, den Zeugen M. O., bei der Suche nach G. O. unterstützte. Die Zeugin Y. gab an, über einen längeren Zeitraum mit G. O. in Kontakt gestanden zu haben und als Ansprechpartnerin für ihre Probleme fungiert zu haben. Auch habe sie Kenntnis von einer möglichen Zwangsverheiratung gehabt. Handlungspsychologisch wäre daher zu erwarten gewesen, dass sie dem Hilfeersuchen von Vater und Bruder mit besonderer Skepsis begegnet. Stattdessen half sie ihnen bereitwillig und teilte ihnen ohne Rücksprache mit der Zeugin G. O. deren Aufenthaltsort in der Türkei mit. Mit dieser Unstimmigkeit konfrontiert, erklärte die Zeugin Y.: „Ich hatte Hilfe angeboten, weil G. Mist gebaut hat und ich mir dachte, sie hat deshalb Angst nach Hause zu kommen. Als Mutter dachte ich, G. hat einen Fehler gemacht.“ Diese Erklärung erscheint angesichts ihres Vorwissens und der Tatsache, dass G. O. zum Zeitpunkt der Flucht bereits volljährig war und ein Studium aufgenommen hatte, wenig überzeugend. Ihre Schilderungen sind auch insoweit inkonsistent, als dass sie einerseits ein „sehr versöhnliches Klima“ innerhalb der Familie herausstellt, andererseits einen massiven Konflikt zulasten Zeugin G. O. beschreibt. In diesem Zusammenhang fällt auf, dass sie mit offenkundigem Nachdruck betonte, die G. O. sei von ihrer Familie nicht eingeschüchtert worden und es sei auch kein Druck auf sie ausgeübt worden. Im Gegensatz zu dieser vorteilhaften Beschreibung verwendete sie in Bezug auf G. O. ausschließlich negative Attribute und charakterisiert sie als respektlos, aufbrausend und suizidal. Abgesehen davon, dass die Beschreibung sehr undifferenziert ist, passt sie auch nicht zum persönlichkeitspsychologischen Profil der Zeugin G. O. Die Sachverständigen G. und S. legten in ihren in sich stimmigen und vollumfänglich nachvollziehbaren Ausführungen dar, G. O. weise submissive Tendenzen auf, verfüge über ängstliche Wesenszüge und neige zu sozialer Erwünschtheit. Spontane reaktive Aggressivität oder Erregbarkeit könnten als Verhaltenscharakteristikum ausgeschlossen werden. Hiermit ist das von der Zeugin S. Y. beschriebene Verhalten nicht in Einklang zu bringen. Schließlich warf die Zeugin Y. der G. O. vor, sich in Widersprüche verwickelt zu haben. Als sie dazu aufgefordert wurde, dies zu konkretisieren, war sie dazu nicht in der Lage. Auf die Frage, ob sie Beispiele für die Widersprüche nennen könne, reagierte sie ausweichend und berief sich darauf, aufgrund des langen Zeitablaufs keine Erinnerung mehr an die Gesprächsinhalte zu haben. An diesem Punkt offenbarte sich ein Bruch zu ihrer ansonsten recht ausführlichen Aussage. Auch dies trägt zu dem Gesamteindruck der Kammer bei, der Zeugin sei nicht zu glauben.

89

Keine Zweifel an der Richtigkeit der Aussage der Zeugin G. O. ergeben sich aus den in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Videos. Die Videos 1, 2, 3 und 6 zeigen die G. O. und den Angeklagten N. O. gemeinsam mit einigen anderen jüngeren Personen in einem halbwegs festlich dekorierten Raum. Während im Hintergrund Musik läuft, tanzen sie oder sitzen an einem Tisch und konsumieren Limonade bzw. Bier. Nach den überzeugenden Ausführungen des Dolmetschers E., der diesbezüglich als Sprachsachverständiger fungierte, äußere die Zeugin G. O. in den Videos, sie sei sehr aufgeregt und freue sich. Außerdem schildere sie, dass viel Alkohol getrunken werde. Im sechsten Video werde ein typisches türkisches Gesellschaftsspiel namens „Das Schwein ist weggelaufen“ gespielt. Die Videos 4 und 5 zeigen die G. O. zusammen mit einer anderen jungen Frau auf einem Balkon. G. O. trägt ein blaues Kleid und posiert für Fotoaufnahmen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen E. fordert sie die andere Frau auf, sie zu fotografieren. Außerdem sage sie, dass es sehr heiß sei.

90

Auf Vorhalt des ersten Videos bekundete G. O., es handele sich um eine Abschiedsfeier für einen Bruder des Angeklagten N. O., der nach Rumänien reisen sollte, um dort zu heiraten. Sie glaube, die Feier habe am Tag nach ihrer Imam-Hochzeit stattgefunden. Auf dem Video sage sie, sie sei glücklich. Sie habe sich an dem Tag tatsächlich sehr gefreut, weil ihre beiden Cousinen, die sie schon lange nicht mehr gesehen hätte, ebenfalls anwesend waren. Auf Vorhalt des zweiten Videos erklärte G. O., sie stelle die anwesenden Leute vor. In dem Video nenne sie den 29. Juli als Datum der Feier. Sie sage, sie sei sehr aufgeregt und glücklich. Auf Vorhalt des sechsten Videos gab sie an, sie habe den Raum mit den anderen jungen Frauen häufiger verlassen, um unbeobachtet von den Männern in der angrenzenden Küche Whiskey zu trinken. Die allgemeine Stimmung sei an dem Abend gut gewesen und es sei viel getrunken worden.

91

Die Kammer hat aus der Inaugenscheinnahme der Videos 1, 2, 3 und 6 keinen Eindruck von der Beziehung zwischen dem Angeklagten N. O. und der G. O. gewonnen, der den Schilderungen der Zeugin widerspräche. Vielmehr stellt sich die Interaktion der beiden als eher zurückhaltend und distanziert dar. Es erfolgt kein Austausch von Zärtlichkeiten und es sind keine sonstigen Gesten zu erkennen, die auf eine starke emotionale Bindung, wie sie bei lebensnaher Betrachtung im Anschluss an eine Liebeshochzeit zu erwarten wären, hindeuten. Die Videos 4 und 5 lassen nach Ansicht der Kammer keine Rückschlüsse zu. Es handelt sich um Momentaufnahmen, deren Kontext unklar ist. Selbst unter der Annahme, dass es sich hierbei um Aufnahmen der G. O. im Hochzeitskleid handelt, ändert sich an der Bewertung nichts. Denn auch eine junge Frau, die zu einer Imam-Ehe gezwungen wird, kann zunächst Freude an einem hübschen Hochzeitskleid empfinden und sich darin ablichten lassen wollen. Soweit die Zeugin in ihrer Vernehmung angegeben hat, sie habe das Hochzeitskleid am Abend abgelegt, weil sie sich darin nicht wohlgefühlt habe, ergibt sich kein Widerspruch. Es ist durchaus denkbar und lebensnah, dass sie ihre endgültige Einstellung zum Kleid erst unter dem Eindruck der Trauungszeremonie vor dem Imam gefasst hat.

92

Erkenntnisse weder für noch gegen die Richtigkeit der Angaben der Zeugin G. O. lieferte die Inaugenscheinnahme eines Photoalbums. Das Album beginnt mit einem Babyphoto und endet mit zwei Hochzeitsphotos sowie einer eingeklebten mutmaßlichen Kondomverpackung. Dazwischen befinden sich Bilder der Zeugin G. O. und handschriftlich niedergeschriebene Sprüche in türkischer Sprache wie „Du hast mein Leben lebenswert gemacht. Du hast meinem Leben einen Zweck gegeben. Du hast mir Hoffnung gebracht.“, oder „Du hast meinen Blick auf die Welt geändert. Wie gut hat es mir getan, dass du in mein Leben getreten bist.“ oder „Ich weiß nicht, wie ich es bisher ausgehalten habe ohne dich. Ich wundere mich, dass du mich immer mit Geduld ertragen hast. Dafür gibt es nur eine Antwort: Liebe. Du hast mich trotz allem geliebt, mir einen Zweck gegeben. Das habe ich zu spät erkannt. Es wird sich einiges ändern in der Zukunft.“ Nach den überzeugenden Ausführungen des Sprachsachverständigen E., denen sich die Kammer nach eigener Prüfung anschließt, handelt es sich hierbei nicht um in der Türkei gängige Poesiesprüche.

93

Auf Vorhalt des Photoalbums bekundete die Zeugin G. O., dieses sei für den Angeklagten N. O. bestimmt gewesen. Sie habe es ihm nach der standesamtlichen Hochzeit zukommen lassen, um Zweifel an ihrer Liebe zu ihm auszuräumen. Der Bruder des Angeklagten N. O. habe zuvor erfahren, dass sie Facebookfreundschaften mit anderen Männern führe. Daher habe sie Angst gehabt, getötet zu werden. Die Sprüche habe sie sich zum Teil ausgedacht, zum Teil dem Internet entnommen. Das Babybild habe sie bewusst ausgewählt, um den Eindruck zu erwecken, sie wolle demnächst Kinder mit dem Angeklagten N. O. haben. Bei Durchsicht des Albums bekundete die Zeugin G. O., es würden Bilder fehlen. Zudem seien die Hochzeitsbilder später hinzugefügt worden. Beim Anblick der eingeklebten mutmaßlichen Kondomverpackung reagierte sie angeekelt und bekundete, dies stamme nicht von ihr.

94

Die Kammer ist der Ansicht, dass dem Photoalbum kein wirklicher Beweiswert zukommt. Ausgehend von seinem objektiven Erscheinungsbild kann es Ausdruck sowohl echter als auch vorgetäuschter Liebe sein. Ferner setzte sich G. O. durch ihre Angaben im Rahmen des Vorhalts nicht in Widerspruch zu ihren vorangegangenen Schilderungen. Bereits zuvor berichtete sie davon, über Facebook einen anderen Mann kennen gelernt zu haben, was zu Unstimmigkeiten in der Familie geführt habe.

IV.

95

1. Aufgrund der Feststellungen zum Geschehen im Dönerimbiss vom 06.01.2013 haben sich die Angeklagten H. O. und N. O. jeweils wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit gemeinschaftlicher Bedrohung, gemeinschaftlicher Freiheitsberaubung und versuchter gemeinschaftlicher Nötigung gemäß §§ 224 Abs. 1 Nr. 4, 239 Abs. 1, 240 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3, 241 Abs. 1, 22, 23, 25 Abs. 2, 52 StGB strafbar gemacht.

96

2. Aufgrund der Feststellungen zum Geschehen im Badezimmer des Wohnhauses vom 06.01.2013 haben sich die Angeklagten H. O. und N. O. jeweils wegen gemeinschaftlicher Bedrohung in Tateinheit mit gemeinschaftlicher versuchter Nötigung gemäß §§ 240 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3, 241 Abs. 1, 22, 23, 25 Abs. 2, 52 StGB strafbar gemacht.

97

3. Diese Taten stehen zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit gemäß § 53 StGB.

98

4. Soweit den Angeklagten H. O. und N. O. in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Kaiserslautern vom 29.01.2013 (Bl. 339 ff. d.A.) ein Vergehen der gemeinschaftlichen Zwangsheirat zur Last gelegt wurde, waren sie aus rechtlichen Gründen freizusprechen.

99

a) In Bezug auf die Hochzeit vor dem Imam im Sommer 2010 im türkischen S. scheitert eine Strafbarkeit nach §§ 237, 25 Abs. 2 StGB daran, dass diese Form der Verbindung nicht vom Schutzbereich der Norm erfasst wird.

100

Geschütztes Rechtsgut des § 237 StGB ist das Recht auf freie Eheschließung im Sinne des Artikels Art. 6 Abs. 1 GG (BT-Drs. 17/4401, S. 8; Bülte und Becker, ZIS 2012, 61).

101

Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass die religiöse Trauung zwischen Ausländern nicht vom Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG erfasst ist, wenn deren Heimatstaat diese Trauung nicht als wirksame Eheschließung anerkennt (BVerwG, Urt. v. 22.02.2005, Az.: 1 C 17/03; OVG Lüneburg, Beschl. v. 01.02.2005, Az.: 2 ME 1326/04; OVG Saarlouis, Beschl. v. 18.01.2002, Az.: 1 W 8/01; OVG Koblenz, Urt. v. 05.07.1993, Az.: 13 A 10564/92).

102

Eine Imam-Ehe ist eine religiöse Trauung, die in der Türkei nicht als wirksame Eheschließung anerkannt wird (vgl. EGMR, Urt. v. 02.11.2010, Serife Y. v. Türkei (Nr. 3976/05) vgl. Yerlikaya und Cakir-Ceylan, ZIS 2010, 205, 210). Zum Zeitpunkt der Eheschließung waren sowohl die Zeugin G. O. als auch der Angeklagte N. O. türkische Staatsangehörige.

103

b) In Bezug auf die standesamtliche Trauung vom 26.07.2011 in H. scheitert eine Strafbarkeit nach §§ 237 Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB daran, dass die Mitwirkung der Zeugin G. O. an der Eheschließung nicht durch die in der Norm aufgeführten spezifischen Nötigungsmittel kausal verursacht wurde (vgl. Fischer, StGB, 64. Aufl., § 237, Rn. 10). Die Kammer konnte keine Feststellungen dahingehend treffen, dass die Zeugin G. O. durch Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Eingehung der standesamtlichen Ehe genötigt wurde. Der Angeklagte H. O. händigte ihr bloß Flugtickets nach Antup und weiter nach Urfa aus und brachte sie in den Transitbereich des Flughafens. Von dort aus flog sie eigenständig und in Kenntnis der beabsichtigten Eheschließung in Türkei. Der Umstand, dass sie während der Reise telefonisch durch den Angeklagten H. O. kontrolliert wurde, ändert daran nichts.

104

Eine Strafbarkeit nach § 237 Abs. 2, 25 Abs. 2 StGB scheidet ebenfalls aus. Insbesondere liegt keine List vor, weil der Zeugin G. O. die wahre Absicht der Reise in die Türkei nicht verborgen blieb, sondern von ihrem Vater explizit hierüber in Kenntnis gesetzt wurde.

105

5. Soweit dem Angeklagten N. O. in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Kaiserslautern vom 29.01.2013 eine Vergewaltigung der Zeugin G. O. in der Zeit um Silvester 2010/2011 in der Nähe des türkischen Urfa zur Last gelegt wurde, war er aus tatsächlichen Gründen freizusprechen. Eine Einstellung des Verfahrens wegen der Unanwendbarkeit des deutschen Strafrechts nach §§ 3 ff. StGB schied aufgrund des Vorrangs des Freispruchs aus (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 59. Aufl., § 260, Rn. 44).

106

Dem Tatvorwurf lag folgender Sachverhalt zugrunde:

107

„Über Silvester 2010/2011 wurde von den Familien ein Aufenthalt der Zeugin bei dem Angeklagten N. O. in der Nähe von Urfa arrangiert, wo die Zeugin zwei Wochen blieb. In dieser Zeit übte der Angeklagte N. O. in mindestens einem Fall gegen den Willen der Zeugin mit dieser den vaginalen Geschlechtsverkehr aus. Er warf sie auf das Bett, zog sie aus und forderte sie dazu auf, nicht zu schreien, sonst würde er sie schlagen.

108

Der Tatvorwurf hat sich in der Beweisaufnahme nicht bestätigt. Weder im Rahmen ihres freien Berichts noch auf die konkreten Fragen der Kammer sowie der Staatsanwaltschaft schilderte die Zeugin das in der Anklageschrift bezeichnete Geschehen. Ein weiterer Übergriff habe zu einem anderen als dem angeklagten Zeitpunkt stattgefunden.

109

6. Soweit dem Angeklagten N. O. in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Kaiserslautern vom 29.01.2013 (Bl. 339 ff. d.A.) eine Vergewaltigung der Zeugin G. O. während des Aufenthalts auf Zypern im Sommer 2011 zur Last gelegt wurde, war das Verfahren wegen der Unanwendbarkeit des deutschen Strafrechts gemäß § 260 Abs. 3 StPO einzustellen. Der Vorwurf der Vergewaltigung hat sich in der Beweisaufnahme zwar in tatsächlicher Hinsicht bestätigt. Die Tat fällt jedoch nicht unter die deutsche Gerichtsbarkeit nach §§ 3 ff. StGB.

110

Es handelt sich nicht um eine Inlandstat gemäß § 3 StGB, weil sich die Vergewaltigung im türkischen Teil Zyperns ereignete. Da der Angeklagten N. O. weder zur Tatzeit im Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit war noch die deutsche Staatsangehörigkeit in der Zwischenzeit erworben hat, kann die Tat auch nicht nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB oder als Auslandstat mit besonderem Inlandsbezug nach § 5 Nr. 8 StGB verfolgt werden. Eine Verfolgbarkeit gemäß § 7 Abs. 1 StGB scheidet ebenfalls aus, weil die Zeugin G. O. erst nach der Tat die deutsche Staatsangehörigkeit erhielt.

V.

111

Bei der Strafzumessung ist die Kammer gemäß den Grundsätzen der §§ 46 ff. StGB von der Schuld der Angeklagten ausgegangen und hat die Wirkung, die von der Strafe für ihr zukünftiges Leben in der Gesellschaft zu erwarten ist, berücksichtigt. Im Einzelnen hat sie sich insbesondere von folgenden Erwägungen leiten lassen:

112

1. Hinsichtlich des Geschehens im Dönerimbiss war für den Angeklagten H. O. der Strafrahmen dem § 224 Abs. 1 StGB zu entnehmen, der eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zehn Jahren vorsieht.

113

Eine Strafmilderung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB war nicht vorzunehmen, da eine verminderte Schuldfähigkeit des Angeklagten H. O. bei Begehung der Tat nicht vorlag.

114

Ferner kam die Annahme eines minder schweren Falles nicht in Betracht, da das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit nicht derart vom Durchschnitt der gewöhnlich vorkommenden Fälle abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint (BGHSt 26, 97; BGH NStZ-RR 2004, 80).

115

Innerhalb des Regelstrafrahmens war die Strafzumessung im engeren Sinne vorzunehmen. Hier berücksichtigte die Kammer zugunsten des Angeklagten H. O., dass durch die Tat keine größeren unmittelbaren körperlichen Verletzungen bei der Zeugin G. O. hervorgerufen wurden. Strafmildernd wurde ebenfalls gewertet, dass es sich bei dem Vorfall im Dönerimbiss um eine spontan zugespitzte Krise innerhalb eines dysfunktionalen Familienverbandes handelte. Diesem Umstand war jedoch nur ein geringes Gewicht beizumessen, da die Kammer davon überzeugt ist, dass der Angeklagte durch sein Eigenverständnis als autoritäres Familienoberhaupt selbst die maßgebliche Ursache für das zerrüttete Verhältnis zu seiner Tochter, der Zeugin G. O., gesetzt hat. Aus diesem Grund fließt auch nur geringfügig zu seinen Gunsten in die Strafzumessung ein, dass sich seine Tochter infolge der Tat von ihm abwendete und er diesen Verlust nun zu verkraften hat. Weiter war strafmildernd zu berücksichtigen, dass der Angeklagte bislang nicht vorbestraft ist und seit der Tat im Januar 2013 auch keine weitere Straftat begangen hat. Schließlich wirkten sich die lange Verfahrensdauer und die mit dem Verfahren verbundene emotionale Belastung, was auch Gegenstand seines letzten Wortes war, strafmildernd aus.

116

Demgegenüber ist die erlittene Untersuchungshaft bei Verhängung einer zu verbüßenden Freiheitsstrafe kein Strafmilderungsgrund, weil sie nach § 51 Abs. 1 S. 1 StGB grundsätzlich auf die zu vollstreckende Strafe angerechnet wird (BGH, Urt. v. 28.03.2013, Az.: 4 StR 467/12; BGH, Urt. v. 10.10.2013, Az.: 4 StR 258/13; BGH, Urt. v. 19.12.2013, Az.: 4 StR 302/13). Dass der Angeklagte durch den Vollzug der Untersuchungshaft besondere Nachteile oder ungewöhnliche Beschwernisse erlitten hat, die eine Berücksichtigung der Untersuchungshaft ausnahmsweise rechtfertigen würden, konnte nicht festgestellt werden.

117

Zu Lasten des Angeklagten H. O. wirkte sich aus, dass in der Tat eine Haltung zum Ausdruck kommt, die der Familienehre den Vorrang gegenüber der Integrität des einzelnen Familienmitglieds einräumt. Auch war zu seinen Lasten in die Strafzumessung einzubeziehen, dass er tateinheitlich zur gemeinschaftliche gefährlichen Körperverletzung eine gemeinschaftliche Bedrohung, eine gemeinschaftliche Freiheitsberaubung und eine versuchte gemeinschaftlicher Nötigung - mithin Straftaten gegen mehrere verschiedene Rechtsgüter - begangen hat. Schließlich wertete die Kammer die sozialen Folgen der Tat für die Zeugin G. O. strafschärfend. Die Vorfälle vom 06.01.2013 haben zu einem dauerhaften Bruch mit ihrer gesamten Familie geführt und sie aus ihrem sozialen Umfeld gerissen. Sie ist nun den Einschränkungen des Zeugenschutzprogramms unterworfen und nicht mehr in der Lage, ein freies Leben zu führen.

118

Unter Abwägung der vorstehenden Gesichtspunkte hat die Kammer eine Freiheitsstrafe in Höhe von

119

acht Monaten

120

als tat- und schuldangemessen erachtet.

121

Hinsichtlich des Geschehens im Badezimmer des Wohnhauses war für den Angeklagten H. O. der Strafrahmen des § 240 Abs. 1 StGB, der Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe vorsieht, zu Grunde zu legen.

122

Eine Strafmilderung gemäß §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB war nicht vorzunehmen, da die Gesamtwürdigung aller schuldrelevanten Tatumstände eine Milderung nicht anzeigt. In die Gesamtwürdigung waren neben der Persönlichkeit des Täters die Tatumstände im weitesten Sinne und dabei vor allem die versuchsbezogenen Gesichtspunkte, namentlich insbesondere die Nähe der Tatvollendung, die Gefährlichkeit des Versuchs und die eingesetzte kriminelle Energie, einzubeziehen (vgl. BGH, Beschl. v. 28.09.2010, Az.: 3 StR 261/10). Vorliegend berücksichtigte die Kammer, dass sich das Geschehen im Badezimmer des Wohnhauses nicht als bloße unmittelbare Fortsetzung des Konflikts im Dönerimbiss darstellte. Vielmehr war der ursprüngliche Konflikt durch die Intervention der Mutter bereits abgeschlossen und wurde dann mit derselben Intention - nämlich zwecks Einwirkung auf die Zeugin G. O. - erneut aufgegriffen. Dies impliziert eine nicht unerhebliche kriminelle Energie und lässt die inakzeptable Haltung des Angeklagten, der Familienehre den Vorrang gegenüber der Integrität des einzelnen Familienmitglieds einzuräumen, besonders hervortreten. Des Weiteren war in die Gesamtwürdigung einzubeziehen, dass das Ziel der Einwirkung auf die Zeugin G. O. darin bestand, sie davon abzuhalten, staatliche Organe zu ihrem Schutz in Anspruch zu nehmen. Bereits der Versuch, dieses legitime Verhalten zu unterbinden, ist mit der freiheitlichen Rechtsordnung hochgradig unvereinbar und erscheint als besonders gefährlich. Dies gilt umso mehr, als dass das in Aussicht gestellte Übel die Tötung der Schutzsuchenden war. Schließlich bestand auch eine enge Nähe zur Tatvollendung. Denn angesichts von jahrelanger Gewalterfahrung und Unterdrückung war damit zu rechnen, dass die Zeugin G. O. der Drohung nicht standhält und den Aufforderungen der Angeklagten nachgibt.

123

Innerhalb des Regelstrafrahmens war die Strafzumessung im engeren Sinne vorzunehmen. Strafmildernd war zu berücksichtigen, dass die Tat im Versuchsstadium blieb. In Grenzen berücksichtigte die Kammer zugunsten des Angeklagten H. O., dass sich seine Tochter in der Folge endgültig von ihm lossagte und er nun ihren Verlust zu verkraften hat (s.o.). Weiter war strafmildernd zu berücksichtigen, dass der Angeklagte H. O. bislang nicht vorbestraft ist und seit der Tat im Januar 2013 nicht wieder straffällig wurde. Schließlich wirkten sich die lange Verfahrensdauer und die mit dem Verfahren verbundene emotionale Belastung des Angeklagten strafmildernd aus.

124

Die sozialen Folgen der Tat für die Zeugin G. O. wertete die Kammer strafschärfend (s.o.). Ebenfalls strafschärfend floss in die Strafzumessung ein, dass tateinheitlich zur versuchten Nötigung eine Bedrohung gemäß § 241 StGB verwirklicht wurde. § 241 StGB schützt mit dem Rechtsfrieden des Einzelnen im Sinne des individuellen Rechtssicherheitsvertrauens ein anderes Rechtsgut als § 240 StGB. Des Weiteren wirkte sich zu Lasten des Angeklagten aus, dass die Tat in besonderer Weise Ausdruck der Einstellung ist, der Ehre der Familie als solcher den Vorrang gegenüber den Interessen eines einzelnen Familienmitglieds einzuräumen.

125

Unter Abwägung vorstehender Gesichtspunkte hat die Kammer eine Freiheitsstrafe in Höhe von

126

sechs Monaten

127

als tat- und schuldangemessen erachtet.

128

Aus den verhängten Einzelstrafen war unter Erhöhung der Einsatzstrafe von acht Monaten eine Gesamtstrafe zu bilden, die die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen durfte, §§ 53, 54 StGB.

129

Nach erneuter Abwägung aller Strafzumessungsgesichtspunkte und unter Würdigung der Person des Angeklagten sowie der einzelnen Straftaten hält die Kammer eine

130

Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten

131

für den Angeklagten H. O. für tat- und schuldangemessen.

132

Die Freiheitsstrafe konnte gemäß § 56 Abs. 2 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden. Die Kammer ist davon überzeugt, dass sich der Verurteilte H. O. auch ohne Vollzug der verhängten Freiheitsstrafe die vorliegende Verurteilung zur hinreichenden Warnung gereichen lassen wird und zukünftig keine Straftaten mehr begehen wird. Er ist fest in seiner Familie verankert und wurde zum ersten Mal wegen einer Straftat verurteilt. Ferner hat er im Anschluss an die Taten, die mittlerweile vier Jahre zurückliegen, straffrei gelebt. Die Wahrscheinlichkeit auch künftig straffreien Verhaltens ist daher größer als die Wahrscheinlichkeit neuer Straftaten. Nach einer Gesamtwürdigung der Tat und der Persönlichkeit des Verurteilten H. O. liegen auch besondere Umstände vor. Bereits angesichts dessen, dass ihn der Eindruck des Hauptverfahrens sowie das Wiedersehen mit seiner Tochter emotional stark aufgewühlt hat, er durch die Länge der Hauptverhandlung nicht nur geringfügig belastet wurde und er als nicht Vorbestrafter Untersuchungshaft erlitten hat, erscheint eine Strafaussetzung trotz des Unrechts- und Schuldgehalts der Tat als nicht unangemessen. Im Hinblick auf diese Gesichtspunkte gebietet auch die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung der Strafe nicht, § 56 Abs. 3 StGB.

133

2. Hinsichtlich des Geschehens im Dönerimbiss am 06.01.2013 war für den Angeklagten N. O. der Strafrahmen ebenfalls dem § 224 Abs. 1 StGB zu entnehmen, der eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zehn Jahren vorsieht.

134

Eine Strafmilderung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB war nicht vorzunehmen, da eine verminderte Schuldfähigkeit des Angeklagten N. O. bei Begehung der Tat nicht vorlag.

135

Ferner kam die Annahme eines minder schweren Falles nicht in Betracht, da das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit nicht derart vom Durchschnitt der gewöhnlich vorkommenden Fälle abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint (BGHSt 26, 97; BGH NStZ-RR 2004, 80).

136

Zugunsten des Angeklagten N. O. berücksichtigte die Kammer im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne die geringen unmittelbaren körperlichen Verletzungen der Zeugin G. O. (s.o.). Weiter wurde strafmildernd gewertet, dass sich die Tat als spontaner Gewaltausbruch in einer konfliktbelasteten Ehe darstellt. Insofern hat die Kammer auch aufgegriffen, dass die Verheiratung mit der Zeugin G. O. und damit die Grundursache des Konflikts nicht von ihm persönlich initiiert wurde, sondern auf eine Vereinbarung zwischen seinem Vater und dem Angeklagten H. O. zurückgeht. Nur wenig zu seinen Gunsten floss in die Strafzumessung ein, dass sich seine Ehefrau infolge der Tat endgültig von ihm trennte, weil das Zusammenleben der beiden bereits im Vorfeld massiv gestört war. Weiter war strafmildernd zu berücksichtigen, dass der Angeklagte bislang nicht vorbestraft ist und seit der Tat im Januar 2013 auch keine weitere Straftat begangen hat. Schließlich wirkte sich die lange Verfahrensdauer strafmildernd aus.

137

Da der Angeklagte durch den Vollzug der Untersuchungshaft keine besonderen Nachteile oder ungewöhnliche Beschwernisse erlitten hat, konnte hieraus kein Strafmilderungsgrund abgeleitet werden (s.o.).

138

Zu Lasten des Angeklagten N. O. wirkte sich aus, dass durch die Tat eine Haltung zum Ausdruck kommt, die der Familienehre den Vorrang gegenüber der Integrität des einzelnen Familienmitglieds einräumt. Des Weiteren war zu seinen Lasten einzubeziehen, dass tateinheitlich Straftaten gegen mehrere verschiedene Rechtsgüter begangen wurden (s.o.). Schließlich wertete die Kammer die sozialen Folgen der Tat für die Zeugin G. O. strafschärfend (s.o.).

139

Unter Abwägung der vorstehenden Gesichtspunkte hat die Kammer eine Freiheitsstrafe in Höhe von

140

acht Monaten

141

als tat- und schuldangemessen erachtet.

142

Hinsichtlich des Geschehens im Badezimmer des Wohnhauses war für den Angeklagten N. O. der Strafrahmen des § 240 Abs. 1 StGB, der Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe vorsieht, zu Grunde zu legen.

143

Eine Strafmilderung gemäß §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB war nicht vorzunehmen, da die Gesamtwürdigung aller schuldrelevanten Tatumstände eine Milderung aus den gleichen Gründen wie im Falle des Angeklagten H. O. (s.o.) nicht anzeigt.

144

Innerhalb des Regelstrafrahmens war die Strafzumessung im engeren Sinne vorzunehmen. Strafmildernd war zu berücksichtigen, dass die Tat im Versuchsstadium blieb. In Grenzen berücksichtigte die Kammer zugunsten des Angeklagten N. O., dass sich seine Ehefrau infolge der Tat endgültig von ihm trennte (s.o.). Weiter war strafmildernd zu berücksichtigen, dass der Angeklagte N. O. bislang nicht vorbestraft ist und seit der Tat im Januar 2013 nicht wieder straffällig wurde. Schließlich wirkte sich die lange Verfahrensdauer strafmildernd aus.

145

Die sozialen Folgen der Tat für die Zeugin G. O. und die tateinheitlich verwirklichte Bedrohung wertete die Kammer strafschärfend (s.o.). Des Weiteren wirkte sich zu Lasten des Angeklagten aus, dass die Tat in besonderer Weise Ausdruck der Einstellung ist, der Ehre der Familie als solcher den Vorrang gegenüber den Interessen eines einzelnen Familienmitglieds einzuräumen.

146

Unter Abwägung vorstehender Gesichtspunkte hat die Kammer eine Freiheitsstrafe in Höhe von

147

sechs Monaten

148

als tat- und schuldangemessen erachtet.

149

Aus den verhängten Einzelstrafen war unter Erhöhung der Einsatzstrafe von acht Monaten eine Gesamtstrafe zu bilden, die die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen durfte, §§ 53, 54 StGB.

150

Nach erneuter Abwägung aller Strafzumessungsgesichtspunkte und unter Würdigung der Person des Angeklagten sowie der einzelnen Straftaten hält die Kammer eine

151

Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten

152

für den Angeklagten N. O. für tat- und schuldangemessen.

153

Die Freiheitsstrafe konnte gemäß § 56 Abs. 2 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden. Die Kammer ist davon überzeugt, dass sich der Verurteilte N. O. auch ohne Vollzug der verhängten Freiheitsstrafe die vorliegende Verurteilung zur hinreichenden Warnung gereichen lassen wird und zukünftig keine Straftaten mehr begehen wird. Er ist erneut verheiratet und nunmehr Vater eines Kindes, wurde zum ersten Mal wegen einer Straftat verurteilt und hat im Anschluss an die Taten, die mittlerweile vier Jahre zurückliegen, straffrei gelebt. Die Wahrscheinlichkeit auch künftig straffreien Verhaltens ist daher größer als die Wahrscheinlichkeit neuer Straftaten. Nach einer Gesamtwürdigung der Tat und der Persönlichkeit des Verurteilten N. O. liegen auch besondere Umstände vor. Bereits angesichts dessen, dass er durch die Länge der Hauptverhandlung nicht nur geringfügig belastet wurde und er als nicht Vorbestrafter Untersuchungshaft erlitten hat, erscheint eine Strafaussetzung trotz des Unrechts- und Schuldgehalts der Tat als nicht unangemessen. Im Hinblick auf diese Gesichtspunkte gebietet auch die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung der Strafe nicht, § 56 Abs. 3 StGB.

VI.

154

Den Angeklagten H. O. und N. O. war darüber hinaus wegen der Verletzung des Beschleunigungsgrundsatzes gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK und der hieraus resultierenden überlangen Verfahrensdauer eine Wiedergutmachung zu gewähren. Die Kammer hat in der Hauptverhandlung festgestellt, dass sich das Verfahren überlang hinzog, wobei die Gründe im Verantwortungsbereich des Staates liegen. Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Kaiserslautern stammt vom 29.01.2013 (Bl. 339 ff. d.A.), der Eröffnungsbeschluss der Kammer vom 05.03.2013 (Bl. 417 f. d.A.). Auf eine Terminsverfügung vom 08.03.2013 (Bl. 419 ff. d.A.) fand am 08.05.2013 der erste Hauptverhandlungstermin statt (Bl. 476 ff. d.A.). Am zweiten Hauptverhandlungstermin vom 13.05.2013 (Bl. 479 ff. d.A.) wurde die Einholung eines aussagepsychologischen Gutachtens beschlossen. Das Verfahren wurde dafür ausgesetzt und die Haftbefehle wurden aufgehoben. Der Beschluss über die Anfertigung des Gutachtens erging am 05.06.2013 (Bl. 505 f. d.A.). Das Gutachten ging der Kammer am 19.12.2013 zu und wurde den Verfahrensbeteiligten anschließend zur Kenntnis gebracht (Bl. 545 d.A.). Seitens der Kammer erfolgte am 19.03.2014 ein Versuch zur Terminsfindung (Bl. 562 d.A.). Aufgrund des Eingangs mehrerer Haftsachen in Kapitaldelikten wurde den Verfahrensbeteiligten am 17.12.2014 mitgeteilt, dass eine Terminierung erst Anfang des Jahres 2015 möglich sein wird (Bl. 593 d.A.). Am 11.08.2015 wurden neue Hauptverhandlungstermine für die Zeit ab Februar 2016 verfügt (Bl. 605 ff. d.A.), die am 27.01.2016 aber aufgrund langfristiger Erkrankung der Berichterstatterin wieder aufgehoben wurden (Bl. 636 d.A.). Die Terminierung zur jetzigen Hauptverhandlung erfolgte am 20.05.2016 (Bl. 674 ff. d.A.).

155

Zur Kompensation der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung hat die Kammer es daher für geboten erachtet,

156

drei Monate

157

der verhängten Freiheitsstrafe als vollstreckt anzusehen.

VII.

158

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 464 Abs. 1 und 2, 465 Abs. 1 S. 1, 467 Abs. 1, 472 Abs. 1 S. 1 StPO.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Landgericht Kaiserslautern Urteil, 26. Jan. 2017 - 6042 Js 217/13 - 4 KLs

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Landgericht Kaiserslautern Urteil, 26. Jan. 2017 - 6042 Js 217/13 - 4 KLs

Referenzen - Gesetze

Landgericht Kaiserslautern Urteil, 26. Jan. 2017 - 6042 Js 217/13 - 4 KLs zitiert 23 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 6


(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 49 Besondere gesetzliche Milderungsgründe


(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes: 1. An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.2. Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf hö

Strafgesetzbuch - StGB | § 224 Gefährliche Körperverletzung


(1) Wer die Körperverletzung 1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,3. mittels eines hinterlistigen Überfalls,4. mit einem anderen Beteiligten gemeins

Strafgesetzbuch - StGB | § 56 Strafaussetzung


(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig au

Strafgesetzbuch - StGB | § 53 Tatmehrheit


(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. (2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wi

Strafgesetzbuch - StGB | § 25 Täterschaft


(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht. (2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

Strafgesetzbuch - StGB | § 23 Strafbarkeit des Versuchs


(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt. (2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1). (3) Hat der Täter aus grobem Unv

Strafgesetzbuch - StGB | § 240 Nötigung


(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Rechtswidrig ist die

Strafgesetzbuch - StGB | § 54 Bildung der Gesamtstrafe


(1) Ist eine der Einzelstrafen eine lebenslange Freiheitsstrafe, so wird als Gesamtstrafe auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt. In allen übrigen Fällen wird die Gesamtstrafe durch Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe, bei Strafen verschiedener

Strafgesetzbuch - StGB | § 51 Anrechnung


(1) Hat der Verurteilte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf zeitige Freiheitsstrafe und auf Geldstrafe angerechnet. Das Gericht kann

Strafprozeßordnung - StPO | § 260 Urteil


(1) Die Hauptverhandlung schließt mit der auf die Beratung folgenden Verkündung des Urteils. (2) Wird ein Berufsverbot angeordnet, so ist im Urteil der Beruf, der Berufszweig, das Gewerbe oder der Gewerbezweig, dessen Ausübung verboten wird, gena

Strafprozeßordnung - StPO | § 464 Kosten- und Auslagenentscheidung; sofortige Beschwerde


(1) Jedes Urteil, jeder Strafbefehl und jede eine Untersuchung einstellende Entscheidung muß darüber Bestimmung treffen, von wem die Kosten des Verfahrens zu tragen sind. (2) Die Entscheidung darüber, wer die notwendigen Auslagen trägt, trifft da

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 68 Haftung für Lebensunterhalt


(1) Wer sich der Ausländerbehörde oder einer Auslandsvertretung gegenüber verpflichtet hat, die Kosten für den Lebensunterhalt eines Ausländers zu tragen, hat für einen Zeitraum von fünf Jahren sämtliche öffentlichen Mittel zu erstatten, die für den

Strafgesetzbuch - StGB | § 241 Bedrohung


(1) Wer einen Menschen mit der Begehung einer gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten rechtswidrigen Tat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder gegen eine Sache von bedeutend

Strafgesetzbuch - StGB | § 7 Geltung für Auslandstaten in anderen Fällen


(1) Das deutsche Strafrecht gilt für Taten, die im Ausland gegen einen Deutschen begangen werden, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt. (2) Für andere Taten, die im Ausland begangen werden, g

Strafgesetzbuch - StGB | § 3 Geltung für Inlandstaten


Das deutsche Strafrecht gilt für Taten, die im Inland begangen werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 5 Auslandstaten mit besonderem Inlandsbezug


Das deutsche Strafrecht gilt, unabhängig vom Recht des Tatorts, für folgende Taten, die im Ausland begangen werden:1.(weggefallen)2.Hochverrat (§§ 81 bis 83);3.Gefährdung des demokratischen Rechtsstaatesa)in den Fällen des § 86 Absatz 1 und 2, wenn P

Strafgesetzbuch - StGB | § 237 Zwangsheirat


(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Eingehung der Ehe nötigt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewa

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Landgericht Kaiserslautern Urteil, 26. Jan. 2017 - 6042 Js 217/13 - 4 KLs zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Landgericht Kaiserslautern Urteil, 26. Jan. 2017 - 6042 Js 217/13 - 4 KLs zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 28. März 2013 - 4 StR 467/12

bei uns veröffentlicht am 28.03.2013

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES Urteil 4 StR 467/12 vom 28. März 2013 in der Strafsache gegen wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. März 2013, an der teilgenommen hab

Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Sept. 2010 - 3 StR 261/10

bei uns veröffentlicht am 28.09.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 261/10 vom 28. September 2010 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen zu 1.: versuchten Betruges zu 2.: Beihilfe zum versuchten Betrug Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer

Bundesgerichtshof Urteil, 10. Okt. 2013 - 4 StR 258/13

bei uns veröffentlicht am 10.10.2013

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 258/13 vom 10. Oktober 2013 BGHSt: ja BGHR: ja Nachschlagewerk: ja Veröffentlichung: ja ––––––––––––––––––––––––––––– StGB § 176a Abs. 2 Nr. 2 1. Eine gemeinschaftliche

Bundesgerichtshof Urteil, 19. Dez. 2013 - 4 StR 302/13

bei uns veröffentlicht am 19.12.2013

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 302/13 vom 19. Dezember 2013 in der Strafsache gegen wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat

Referenzen

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer sich der Ausländerbehörde oder einer Auslandsvertretung gegenüber verpflichtet hat, die Kosten für den Lebensunterhalt eines Ausländers zu tragen, hat für einen Zeitraum von fünf Jahren sämtliche öffentlichen Mittel zu erstatten, die für den Lebensunterhalt des Ausländers einschließlich der Versorgung mit Wohnraum sowie der Versorgung im Krankheitsfalle und bei Pflegebedürftigkeit aufgewendet werden, auch soweit die Aufwendungen auf einem gesetzlichen Anspruch des Ausländers beruhen. Aufwendungen, die auf einer Beitragsleistung beruhen, sind nicht zu erstatten. Der Zeitraum nach Satz 1 beginnt mit der durch die Verpflichtungserklärung ermöglichten Einreise des Ausländers. Die Verpflichtungserklärung erlischt vor Ablauf des Zeitraums von fünf Jahren ab Einreise des Ausländers nicht durch Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Abschnitt 5 des Kapitels 2 oder durch Anerkennung nach § 3 oder § 4 des Asylgesetzes.

(2) Die Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 bedarf der Schriftform. Sie ist nach Maßgabe des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes vollstreckbar. Der Erstattungsanspruch steht der öffentlichen Stelle zu, die die öffentlichen Mittel aufgewendet hat.

(3) Die Auslandsvertretung unterrichtet unverzüglich die Ausländerbehörde über eine Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1.

(4) Die Ausländerbehörde unterrichtet, wenn sie Kenntnis von der Aufwendung nach Absatz 1 zu erstattender öffentlicher Mittel erlangt, unverzüglich die öffentliche Stelle, der der Erstattungsanspruch zusteht, über die Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 und erteilt ihr alle für die Geltendmachung und Durchsetzung des Erstattungsanspruchs erforderlichen Auskünfte. Der Empfänger darf die Daten nur zum Zweck der Erstattung der für den Ausländer aufgewendeten öffentlichen Mittel sowie der Versagung weiterer Leistungen verarbeiten.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
eine Schwangere zum Schwangerschaftsabbruch nötigt oder
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht.

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.

(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.

(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Eingehung der Ehe nötigt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(2) Ebenso wird bestraft, wer zur Begehung einer Tat nach Absatz 1 den Menschen durch Gewalt, Drohung mit einem empfindlichen Übel oder durch List in ein Gebiet außerhalb des räumlichen Geltungsbereiches dieses Gesetzes verbringt oder veranlasst, sich dorthin zu begeben, oder davon abhält, von dort zurückzukehren.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.

(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht.

(2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Eingehung der Ehe nötigt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(2) Ebenso wird bestraft, wer zur Begehung einer Tat nach Absatz 1 den Menschen durch Gewalt, Drohung mit einem empfindlichen Übel oder durch List in ein Gebiet außerhalb des räumlichen Geltungsbereiches dieses Gesetzes verbringt oder veranlasst, sich dorthin zu begeben, oder davon abhält, von dort zurückzukehren.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Eingehung der Ehe nötigt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(2) Ebenso wird bestraft, wer zur Begehung einer Tat nach Absatz 1 den Menschen durch Gewalt, Drohung mit einem empfindlichen Übel oder durch List in ein Gebiet außerhalb des räumlichen Geltungsbereiches dieses Gesetzes verbringt oder veranlasst, sich dorthin zu begeben, oder davon abhält, von dort zurückzukehren.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.

(1) Die Hauptverhandlung schließt mit der auf die Beratung folgenden Verkündung des Urteils.

(2) Wird ein Berufsverbot angeordnet, so ist im Urteil der Beruf, der Berufszweig, das Gewerbe oder der Gewerbezweig, dessen Ausübung verboten wird, genau zu bezeichnen.

(3) Die Einstellung des Verfahrens ist im Urteil auszusprechen, wenn ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Die Urteilsformel gibt die rechtliche Bezeichnung der Tat an, deren der Angeklagte schuldig gesprochen wird. Hat ein Straftatbestand eine gesetzliche Überschrift, so soll diese zur rechtlichen Bezeichnung der Tat verwendet werden. Wird eine Geldstrafe verhängt, so sind Zahl und Höhe der Tagessätze in die Urteilsformel aufzunehmen. Wird die Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten, die Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung zur Bewährung ausgesetzt, der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt oder von Strafe abgesehen, so ist dies in der Urteilsformel zum Ausdruck zu bringen. Im übrigen unterliegt die Fassung der Urteilsformel dem Ermessen des Gerichts.

(5) Nach der Urteilsformel werden die angewendeten Vorschriften nach Paragraph, Absatz, Nummer, Buchstabe und mit der Bezeichnung des Gesetzes aufgeführt. Ist bei einer Verurteilung, durch die auf Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren erkannt wird, die Tat oder der ihrer Bedeutung nach überwiegende Teil der Taten auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen worden, so ist außerdem § 17 Abs. 2 des Bundeszentralregistergesetzes anzuführen.

Das deutsche Strafrecht gilt für Taten, die im Inland begangen werden.

(1) Das deutsche Strafrecht gilt für Taten, die im Ausland gegen einen Deutschen begangen werden, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt.

(2) Für andere Taten, die im Ausland begangen werden, gilt das deutsche Strafrecht, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt und wenn der Täter

1.
zur Zeit der Tat Deutscher war oder es nach der Tat geworden ist oder
2.
zur Zeit der Tat Ausländer war, im Inland betroffen und, obwohl das Auslieferungsgesetz seine Auslieferung nach der Art der Tat zuließe, nicht ausgeliefert wird, weil ein Auslieferungsersuchen innerhalb angemessener Frist nicht gestellt oder abgelehnt wird oder die Auslieferung nicht ausführbar ist.

Das deutsche Strafrecht gilt, unabhängig vom Recht des Tatorts, für folgende Taten, die im Ausland begangen werden:

1.
(weggefallen)
2.
Hochverrat (§§ 81 bis 83);
3.
Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates
a)
in den Fällen des § 86 Absatz 1 und 2, wenn Propagandamittel im Inland wahrnehmbar verbreitet oder der inländischen Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden und der Täter Deutscher ist oder seine Lebensgrundlage im Inland hat,
b)
in den Fällen des § 86a Absatz 1 Nummer 1, wenn ein Kennzeichen im Inland wahrnehmbar verbreitet oder in einer der inländischen Öffentlichkeit zugänglichen Weise oder in einem im Inland wahrnehmbar verbreiteten Inhalt (§ 11 Absatz 3) verwendet wird und der Täter Deutscher ist oder seine Lebensgrundlage im Inland hat,
c)
in den Fällen der §§ 89, 90a Abs. 1 und des § 90b, wenn der Täter Deutscher ist und seine Lebensgrundlage im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes hat, und
d)
in den Fällen der §§ 90 und 90a Abs. 2;
4.
Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit (§§ 94 bis 100a);
5.
Straftaten gegen die Landesverteidigung
a)
in den Fällen der §§ 109 und 109e bis 109g und
b)
in den Fällen der §§ 109a, 109d und 109h, wenn der Täter Deutscher ist und seine Lebensgrundlage im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes hat;
5a.
Widerstand gegen die Staatsgewalt und Straftaten gegen die öffentliche Ordnung
a)
in den Fällen des § 111, wenn die Aufforderung im Inland wahrnehmbar ist und der Täter Deutscher ist oder seine Lebensgrundlage im Inland hat,
b)
in den Fällen des § 127, wenn der Zweck der Handelsplattform darauf ausgerichtet ist, die Begehung von rechtswidrigen Taten im Inland zu ermöglichen oder zu fördern und der Täter Deutscher ist oder seine Lebensgrundlage im Inland hat, und
c)
in den Fällen des § 130 Absatz 2 Nummer 1, auch in Verbindung mit Absatz 6, wenn ein in Absatz 2 Nummer 1 oder Absatz 3 bezeichneter Inhalt (§ 11 Absatz 3) in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, im Inland wahrnehmbar verbreitet oder der inländischen Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird und der Täter Deutscher ist oder seine Lebensgrundlage im Inland hat;
6.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit
a)
in den Fällen der §§ 234a und 241a, wenn die Tat sich gegen eine Person richtet, die zur Zeit der Tat Deutsche ist und ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat,
b)
in den Fällen des § 235 Absatz 2 Nummer 2, wenn die Tat sich gegen eine Person richtet, die zur Zeit der Tat ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, und
c)
in den Fällen des § 237, wenn der Täter zur Zeit der Tat Deutscher ist oder wenn die Tat sich gegen eine Person richtet, die zur Zeit der Tat ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat;
7.
Verletzung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen eines im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes liegenden Betriebs, eines Unternehmens, das dort seinen Sitz hat, oder eines Unternehmens mit Sitz im Ausland, das von einem Unternehmen mit Sitz im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes abhängig ist und mit diesem einen Konzern bildet;
8.
Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in den Fällen des § 174 Absatz 1, 2 und 4, der §§ 176 bis 178 und des § 182, wenn der Täter zur Zeit der Tat Deutscher ist;
9.
Straftaten gegen das Leben
a)
in den Fällen des § 218 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 und Absatz 4 Satz 1, wenn der Täter zur Zeit der Tat Deutscher ist, und
b)
in den übrigen Fällen des § 218, wenn der Täter zur Zeit der Tat Deutscher ist und seine Lebensgrundlage im Inland hat;
9a.
Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit
a)
in den Fällen des § 226 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 bei Verlust der Fortpflanzungsfähigkeit, wenn der Täter zur Zeit der Tat Deutscher ist, und
b)
in den Fällen des § 226a, wenn der Täter zur Zeit der Tat Deutscher ist oder wenn die Tat sich gegen eine Person richtet, die zur Zeit der Tat ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat;
10.
falsche uneidliche Aussage, Meineid und falsche Versicherung an Eides Statt (§§ 153 bis 156) in einem Verfahren, das im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes bei einem Gericht oder einer anderen deutschen Stelle anhängig ist, die zur Abnahme von Eiden oder eidesstattlichen Versicherungen zuständig ist;
10a.
Sportwettbetrug und Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben (§§ 265c und 265d), wenn sich die Tat auf einen Wettbewerb bezieht, der im Inland stattfindet;
11.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen der §§ 324, 326, 330 und 330a, die im Bereich der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone begangen werden, soweit völkerrechtliche Übereinkommen zum Schutze des Meeres ihre Verfolgung als Straftaten gestatten;
11a.
Straftaten nach § 328 Abs. 2 Nr. 3 und 4, Abs. 4 und 5, auch in Verbindung mit § 330, wenn der Täter zur Zeit der Tat Deutscher ist;
12.
Taten, die ein deutscher Amtsträger oder für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter während eines dienstlichen Aufenthalts oder in Beziehung auf den Dienst begeht;
13.
Taten, die ein Ausländer als Amtsträger oder für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter begeht;
14.
Taten, die jemand gegen einen Amtsträger, einen für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten oder einen Soldaten der Bundeswehr während der Ausübung ihres Dienstes oder in Beziehung auf ihren Dienst begeht;
15.
Straftaten im Amt nach den §§ 331 bis 337, wenn
a)
der Täter zur Zeit der Tat Deutscher ist,
b)
der Täter zur Zeit der Tat Europäischer Amtsträger ist und seine Dienststelle ihren Sitz im Inland hat,
c)
die Tat gegenüber einem Amtsträger, einem für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten oder einem Soldaten der Bundeswehr begangen wird oder
d)
die Tat gegenüber einem Europäischen Amtsträger oder Schiedsrichter, der zur Zeit der Tat Deutscher ist, oder einer nach § 335a gleichgestellten Person begangen wird, die zur Zeit der Tat Deutsche ist;
16.
Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern (§ 108e), wenn
a)
der Täter zur Zeit der Tat Mitglied einer deutschen Volksvertretung oder Deutscher ist oder
b)
die Tat gegenüber einem Mitglied einer deutschen Volksvertretung oder einer Person, die zur Zeit der Tat Deutsche ist, begangen wird;
17.
Organ- und Gewebehandel (§ 18 des Transplantationsgesetzes), wenn der Täter zur Zeit der Tat Deutscher ist.

(1) Das deutsche Strafrecht gilt für Taten, die im Ausland gegen einen Deutschen begangen werden, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt.

(2) Für andere Taten, die im Ausland begangen werden, gilt das deutsche Strafrecht, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt und wenn der Täter

1.
zur Zeit der Tat Deutscher war oder es nach der Tat geworden ist oder
2.
zur Zeit der Tat Ausländer war, im Inland betroffen und, obwohl das Auslieferungsgesetz seine Auslieferung nach der Art der Tat zuließe, nicht ausgeliefert wird, weil ein Auslieferungsersuchen innerhalb angemessener Frist nicht gestellt oder abgelehnt wird oder die Auslieferung nicht ausführbar ist.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

(1) Hat der Verurteilte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf zeitige Freiheitsstrafe und auf Geldstrafe angerechnet. Das Gericht kann jedoch anordnen, daß die Anrechnung ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten des Verurteilten nach der Tat nicht gerechtfertigt ist.

(2) Wird eine rechtskräftig verhängte Strafe in einem späteren Verfahren durch eine andere Strafe ersetzt, so wird auf diese die frühere Strafe angerechnet, soweit sie vollstreckt oder durch Anrechnung erledigt ist.

(3) Ist der Verurteilte wegen derselben Tat im Ausland bestraft worden, so wird auf die neue Strafe die ausländische angerechnet, soweit sie vollstreckt ist. Für eine andere im Ausland erlittene Freiheitsentziehung gilt Absatz 1 entsprechend.

(4) Bei der Anrechnung von Geldstrafe oder auf Geldstrafe entspricht ein Tag Freiheitsentziehung einem Tagessatz. Wird eine ausländische Strafe oder Freiheitsentziehung angerechnet, so bestimmt das Gericht den Maßstab nach seinem Ermessen.

(5) Für die Anrechnung der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a der Strafprozeßordnung) auf das Fahrverbot nach § 44 gilt Absatz 1 entsprechend. In diesem Sinne steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 467/12
vom
28. März 2013
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. März
2013, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Franke,
Dr. Quentin,
Reiter
als beisitzende Richter,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 30. Mai 2012 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes, besonders schwerer räuberischer Erpressung in drei Fällen, vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in fünf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Betrug, wegen Betruges, Diebstahls in zwei Fällen, vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung und vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis sowie wegen falscher Verdächtigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm vor Ablauf von drei Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
2
Das zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte und wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

I.


3
Zu den Straftaten des Angeklagten hat das Landgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
4
1. Am 9. Juni 2011 mietete der Angeklagte bei einer Autovermietungsfirma in B. einen Pkw der Marke VW, Typ Golf, obwohl er wusste, dass er die Mietkosten in Höhe von etwa 700 € nicht würde bezahlen können. Als das Fahrzeug am 29. Juni 2011 von einem Bekannten des Angeklagten bei der Autovermietung zurückgegeben wurde, wies es Beschädigungen auf. Mietzahlungen leistete der Angeklagte – wie von Anfang an geplant – nicht.
5
2. Nach Anmietung des Fahrzeugs fuhr er mit diesem auf öffentlichen Straßen, ohne im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis zu sein.
6
3. In der Nacht zum 24. Juni 2011 veranlasste der Angeklagte den Inhaber eines bereits geschlossenen Lebensmittelgeschäfts durch Vortäuschen von Kaufabsicht zur erneuten Öffnung des Ladens. Nachdem der Angeklagte das Geschäft betreten hatte, folgten ihm einer vorherigen Absprache gemäß zwei mit schwarzen Tüchern maskierte Mittäter und richteten ihre mitgeführten Pistolen auf den Ladeninhaber. Nachdem dieser, vom Angeklagten dazu aufgefordert , aus Angst die Ladenkasse geöffnet hatte, entnahm ihr der Angeklagte Bargeld in Höhe von etwa 200 €. Ferner steckte er mehrere Stangen Zigaretten und das Mobiltelefon des Ladeninhabers ein, bevor er mit seinen Mittätern das Geschäft verließ und das erbeutete Geld und die Zigaretten zu gleichen Teilen aufteilte.
7
4. Am Nachmittag des 2. August 2011 verwickelte der Angeklagte die in einem Matratzengeschäft allein tätige Verkäuferin unter Vorspiegelung von Kaufinteresse in ein Kundengespräch, bis alle anderen Kunden die Geschäftsräume verlassen hatten. Vom Angeklagten über Mobiltelefon entsprechend informiert , betrat dem zuvor gefassten Tatplan gemäß ein vermummter Mittäter das Geschäft, ging mit einer vorgehaltenen Pistole auf die Verkäuferin zu, lud die Pistole durch und forderte die Aushändigung des Bargeldes. Aus Angst übergab ihm die Verkäuferin die Tageseinnahmen in Höhe von 875 €, mit denen der Mittäter fluchtartig das Geschäft verließ. Danach verließ auch der Angeklagte das Matratzengeschäft; die Beute wurde hälftig aufgeteilt. Die Verkäuferin musste sich auf Grund von Angststörungen in psychiatrische Behandlung begeben.
8
5. Am darauffolgenden Tag gegen 23.30 Uhr betrat der Angeklagte ein Sonnenstudio und verwickelte eine dort tätige Aushilfskraft in ein Gespräch. Wie zuvor abgesprochen, verständigte er über sein Mobiltelefon einen draußen wartenden Mittäter in einem für den geplanten Überfall günstigen Moment. Der vermummte Mittäter betrat daraufhin das Sonnenstudio, lud die Waffe vor dem Angestellten durch und forderte diesen zur Aushändigung der Geldbörse mit den Tageseinnahmen auf. Dem kam der Angestellte nach. Der Mittäter des Angeklagten flüchtete mit der Beute in Höhe von 311 €, die er später mit dem Angeklagten aufteilte.
9
6. Am Nachmittag des darauffolgenden Tages, des 4. August 2011, betrat der Angeklagte, wie zuvor mit seinem Mittäter abgesprochen, erneut das bereits zwei Tage zuvor überfallene Matratzengeschäft. Bei vergleichbarer Vorgehensweise erbeuteten der Angeklagte und sein Mittäter Bargeld in Höhe von 65 € und konnten unerkannt entkommen.
10
7. Am Abend des 2. Dezember 2011 hebelten der Angeklagte und sein Mittäter, der gesondert verfolgte M. H. , die Tür zu einem Bürogebäude am K. in B. auf und entwendeten aus den Räumlichkeiten zwei Laptops samt Zubehör, eine Spardose und eine Geldkassette mit Bargeld in Höhe von etwa 850 € sowie die Fahrzeugschlüssel für einen Pkw Ferrari, um diese Gegenstände für sich zu behalten bzw. gewinnbringend zu verkaufen.
11
8. Anschließend begaben sich beide auf den Hof des Bürogebäudes und entwendeten auf Grund eines neuen Tatentschlusses mit Hilfe der Fahrzeugschlüssel den dort geparkten Pkw Ferrari, um ihn für eigene Zwecke zu benutzen.
12
9. Noch am Abend desselben Tages befuhr der Angeklagte mit diesem Fahrzeug im Beisein seiner Freundin öffentliche Straßen in B. , obwohl er nicht im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis war.
13
10. Zwei Tage später befuhr er mit diesem Pkw erneut öffentliche Straßen , um zu einer Tankstelle in B. -T. zu gelangen.
14
11. Dort betankte er den Pkw Ferrari mit 62,1 Liter Superbenzin zum Preis von 96,16 €, entfernte sich, wie von Anfang an geplant, ohne Bezahlung vom Tankstellengelände und flüchtete mit dem Pkw unter Benutzung öffentlicher Straßen ohne die erforderliche Fahrerlaubnis.
15
12. Am Abend des 23. Februar 2010 überquerte der Angeklagte mit einem Pkw Daimler Benz in der Innenstadt von B. mit unangemessen hoher Geschwindigkeit eine Kreuzung bei für ihn rotem Ampellicht. Zur gleichen Zeit wollte der fast blinde Geschädigte S. bei für ihn grünem Ampellicht die Straße überqueren. Das von dem Angeklagten geführte Fahrzeug erfasste ihn. Durch den Aufprall wurde der Geschädigte durch die Luft geschleudert und schlug auf die Fahrbahn auf. Er erlitt durch die Tat u.a. eine offene Ellenbogenfraktur und beidseitige Unterschenkelfrakturen. Bis Ende August 2010 musste er stationär im Krankenhaus und in einer Rehabilitationseinrichtung behandelt werden und ist seit dem Unfall auf einen Rollstuhl angewiesen. Ambulante ärztliche und therapeutische Behandlungen dauern an.
16
13. Obwohl der Angeklagte den Unfall mit dem Geschädigten bemerkt hatte, setzte er seine Fahrt im öffentlichen Straßenverkehr fort ohne seinen Feststellungspflichten zu genügen.
17
14. Als er noch am Abend desselben Tages von einem Polizeibeamten zu dem Unfall befragt wurde, gab er wahrheitswidrig an, nicht er, sondern sein Bruder sei der Fahrer des Tatfahrzeugs gewesen; er selbst sei lediglich Beifahrer gewesen. Dabei handelte er mit dem Bewusstsein und in der Absicht, von sich selbst als Täter abzulenken und gegen seinen Bruder ein polizeiliches Ermittlungsverfahren einleiten zu lassen. Auch an diesem Tag verfügte der Angeklagte nicht über eine gültige Fahrerlaubnis.
18
15. Obwohl der Angeklagte auch am 14. Februar 2011 nicht über die erforderliche Fahrerlaubnis verfügte, fuhr er bewusst und gewollt mit überhöhter Geschwindigkeit mit einem Kraftfahrzeug in B. auf öffentlichen Straßen.

II.


19
Der Rechtsfolgenausspruch begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
20
1. Die für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte nach dem in der Hauptverhandlung gewonnenen Gesamteindruck gegeneinander abzuwägen ist grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters. In dessen Strafzumessung kann das Revisionsgericht daher nur dann eingreifen, wenn diese Rechtsfehler aufweist, weil sie einseitig, widersprüchlich oder unvollständig ist, gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder – unter Berücksichtigung des weiten tatrichterlichen Ermessens – nicht mehr als gerechter Schuldausgleich angesehen werden kann. Nur in diesem Rahmen kann eine Verletzung des Gesetzes im Sinne von § 337 Abs. 1 StPO vorliegen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349). Liegt ein solcher Rechtsfehler nicht vor, hat das Revisionsgericht die Strafzumessung des Tatrichters regelmäßig hinzunehmen (BGH, Urteil vom 17. September 1980 – 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 320). Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle der tatrichterlichen Strafzumessung im Revisionsverfahren ist danach ausgeschlossen (Senatsurteil vom 5. April 2007 – 4 StR 5/07, wistra 2007, 341, 342). Das Revisionsgericht kann insbesondere nicht mit der Erwägung, ein strafzumessungserheblicher Umstand sei nicht genügend berücksichtigt worden , seine Bewertung an die Stelle derjenigen des Tatrichters setzen.
21
2. Gemessen daran weist die Strafzumessung des angefochtenen Urteils durchgreifende Rechtsfehler zu Gunsten des Angeklagten auf, die zur Aufhebung des gesamten Rechtsfolgenausspruchs zwingen.
22
a) Bereits die Annahme eines minder schweren Falles des Raubes bzw. der besonders schweren räuberischen Erpressung in den Fällen II. 3, 4, 5 und 6 der Urteilsgründe begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
23
So lässt der knappe Hinweis auf die bisherige Delinquenz, das Bewährungsversagen und das jeweils raffinierte und planvolle Vorgehen nicht erkennen , ob das Landgericht die erforderliche Gesamtwürdigung unter Einbeziehung aller für die Abwägung erheblichen Umstände vorgenommen hat. Dazu gehört hier vor allem die Tatsache, dass der Angeklagte nicht nur einen Raubüberfall begangen hat, sondern dass er kurz danach an drei aufeinanderfolgenden Tagen im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit unterschiedlichen Mittätern ähnliche Taten begangen hat, wobei er die Tatobjekte zur Begehung der Raubüberfälle ausgekundschaftet und die Taten unter Berücksichtigung der jeweils gegebenen Umstände geplant und ausgeführt hat. Dies drängt zu der Annahme, dass die Begehung dieser sowie der nunmehr insgesamt über 80 Straftaten durch den zur Zeit der tatrichterlichen Hauptverhandlung 25-jährigen Angeklagten nicht Ausdruck einer durch häufige Tatbegehung abgesunkenen Hemmschwelle war, sondern auf eine verfestigte rechtsfeindliche Gesinnung und damit auf eine erhöhte kriminelle Intensität schließen lässt, zumal der Angeklagte bislang mehrere Bewährungschancen nicht genutzt und bereits Jugendstrafe verbüßt hat. Dies war auch nicht erst bei der Bildung der Gesamtstrafe zu berücksichtigen. Da die Schuld des Täters in Bezug auf die Einzeltaten durch eine Mehrheit von Taten erhöht werden kann, ist dieser Umstand vielmehr auch bei der Bemessung der Einzelstrafe und schon bei der Er- wägung mit in Betracht zu ziehen, ob jeweils ein minder schwerer Fall bejaht werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 271; Senatsurteil vom 23. Februar 1989 – 4 StR 8/89, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Beurteilungsrahmen 7).
24
Zu Recht beanstandet die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang auch die Erwägung des Landgerichts, zu Gunsten des Angeklagten sei zu berücksichtigen, dass dieser bei den Taten gegenüber den Opfern unmaskiert aufgetreten sei. Damit wird der zu Lasten des Angeklagten berücksichtigte Umstand , er sei bei diesen Taten jeweils raffiniert und planvoll vorgegangen, nicht nur in widersprüchlicher und daher kaum nachvollziehbarer Weise relativiert (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 22. Oktober 1986 – 2 StR 516/86, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 4). Die Formulierung lässt auch besorgen, dass sich die Strafkammer den Blick dafür verstellt hat, dass die fehlende Maskierung gerade Bestandteil des mit erheblicher krimineller Energie erdachten Tatplanes war, wonach die jeweils Geschädigten zunächst durch Vortäuschen von Kaufabsicht in Sicherheit gewiegt werden sollten, um die anschließende Tatausführung unter Ausnutzung des Überraschungsmoments zu erleichtern.
25
b) Sowohl bei der Wahl der Strafrahmen als auch bei der Festsetzung der Einzelstrafen hat das Landgericht jeweils zu Gunsten des Angeklagten die vollzogene Untersuchungshaft berücksichtigt. Untersuchungshaft ist indes, jedenfalls bei Verhängung einer zu verbüßenden Freiheitsstrafe, kein Strafmilderungsgrund , es sei denn, mit ihrem Vollzug wären ungewöhnliche, über die üblichen deutlich hinausgehende Beschwernisse verbunden (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2011 – 1 StR 407/11, NStZ 2012, 147; Urteil vom 19. Mai 2010 – 2 StR 102/10, NStZ 2011, 100; Urteil vom 19. Dezember 2002 – 3 StR 401/02, NStZ-RR 2003, 110, 111). Will der Tatrichter wegen besonde- rer Nachteile für den Angeklagten den Vollzug der Untersuchungshaft bei der Strafzumessung mildernd berücksichtigen, müssen diese Nachteile in den Urteilsgründen dargelegt werden (BGH, Urteil vom 14. Juni 2006 – 2 StR 34/06, NJW 2006, 2645). Daran fehlt es hier, zumal die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten im Wesentlichen seit der Vollstreckung der letzten Jugendstrafe unverändert geblieben sind.
26
c) Soweit das Landgericht den Angeklagten wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung und vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis verurteilt hat (Fall II. 12 der Urteilsgründe ), muss die Rechtsfolge ebenfalls neu zugemessen werden.
27
Die verhängte Einzelstrafe von einem Jahr und zwei Monaten lässt besorgen , dass die Strafkammer dem Maß der persönlichen Schuld des Angeklagten sowie dem Unrechtsgehalt und der Gefährlichkeit der Tat nicht hinreichend Rechnung getragen hat.
28
Das Landgericht hat bei der Festsetzung dieser Strafe eine Reihe von Umständen zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, von denen bereits jeder für sich genommen in erheblichem Maße straferhöhend ins Gewicht fällt. Es hat insbesondere darauf abgestellt, dass der Angeklagte bereits mehrfach einschlägig strafrechtlich in Erscheinung getreten ist und die einer Vorverurteilung zu Grunde liegende Tat „erschreckende Ähnlichkeit“ mit der abgeurteilten Tat aufweist. Auch habe der Angeklagte bei Tatbegehung unter laufender Bewährung gestanden und mehrere Straftatbestände tateinheitlich verwirklicht. "Ganz erheblich strafschärfend" müsse sich ferner auswirken, dass der Geschädigte "in überdurchschnittlicher Weise unter den Tatfolgen leidet" und sich weiterhin umfangreichen ärztlichen und therapeutischen Behandlungen unterziehen müsse. Vor dem Hintergrund dieser Erwägungen ist zu besorgen, dass die Strafkammer mit der Verhängung einer Einzelstrafe im unteren Bereich des zur Verfügung stehenden Strafrahmens unter Verkennung von Tatunrecht und -schuld den dem Tatrichter eingeräumten Beurteilungsrahmen unterschritten hat.
29
d) Zu Recht wendet sich die Beschwerdeführerin auch gegen die Erwägungen , die den Gesamtstrafausspruch des angefochtenen Urteils tragen.
30
Allerdings kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei der Bildung einer Gesamtstrafe strafmildernd ins Gewicht fallen, dass zwischen den einzelnen Taten ein enger zeitlicher, sachlicher und situativer Zusammenhang besteht (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 1995 – 1 StR 463/95, BGHR StGB § 54 Serienstraftaten 3 mwN). Auch bei der Bemessung einer Gesamtstrafe gilt jedoch, dass das Gesetz bei der Strafzumessung "von jedem Sche- matismus …" weit entfernt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt34, 345, 351). Vielmehr richtet es sich nach den Umständen des Einzelfalles, ob der genannte enge Zusammenhang bei der Gesamtstrafenbildung als bestimmender Strafzumessungsgrund im Sinne von § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO maßgeblich zu Gunsten des Täters zu werten und daher ausdrücklich zu erwägen ist oder nicht (BGH, Urteil vom 18. September 1995 aaO). Die strafmildernde Bedeutung dieses Umstandes beruht – etwa im Bereich von Sexualdelikten – darauf, dass die wiederholte Verwirklichung gleichartiger , gegen dasselbe Opfer gerichteter, einer persönlichen Beziehung entspringenden Taten nicht notwendig Ausdruck einer sich steigernden rechtsfeindlichen Einstellung sein muss; vielmehr kann die Hemmschwelle für die späteren Taten von Tat zu Tat niedriger geworden sein (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 1995 aaO).
31
Vor dem Hintergrund der insbesondere zu den Taten des Raubes und der besonders schweren räuberischen Erpressung getroffenen Feststellungen lässt die Auffassung des Landgerichts, wegen des engen zeitlichen und situativen Zusammenhangs dieser (und anderer) Taten sei ein besonders straffer Zusammenzug aller verhängten Einzelstrafen vorzunehmen, hier jedoch einen weiteren Wertungsfehler besorgen. Der Angeklagte hat innerhalb eines sehr kurzen Tatzeitraums, in den Fällen II. 4, 5 und 6 an drei aufeinanderfolgenden Tagen, im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit unterschiedlichen Mittätern insgesamt drei verschiedene Tatobjekte zur Begehung von Raubüberfällen ausgekundschaftet, die Taten unter Berücksichtigung der jeweils gegebenen Umstände vor Ort geplant und in kurzer Folge ausgeführt. Danach liegt die Annahme, gerade diese Taten seien nicht der Ausdruck einer bei dem Angeklagten vorliegenden, sich steigernden rechtsfeindlichen Einstellung, auch angesichts seiner strafrechtlichen Vorbelastung und seines Bewährungsversagens fern.

III.


32
Auf den aufgezeigten Rechtsfehlern kann der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils insgesamt beruhen. Es ist nicht nur anzunehmen, dass der Tatrichter bei rechtsfehlerfreier Strafzumessung in den Fällen II. 3, 4, 5 und 6 nicht zur Annahme minder schwerer Fälle gekommen wäre. Vielmehr ist nicht auszuschließen, dass alle verhängten Einzelstrafen, die Gesamtfreiheitsstrafe und auch die angeordnete Sperrfrist deutlich höher ausgefallen wären.
Mutzbauer Roggenbuck Franke
Quentin Reiter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 258/13
vom
10. Oktober 2013
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
–––––––––––––––––––––––––––––
1. Eine gemeinschaftliche Tatbegehung nach § 176a Abs. 2 Nr. 2 StGB setzt
voraus, dass bei der Verwirklichung der Grundtatbestände des § 176 Abs. 1
und 2 StGB mindestens zwei Personen grundsätzlich vor Ort mit gleicher
Zielrichtung täterschaftlich derart bewusst zusammenwirken, dass sie in der
Tatsituation zusammen auf das Tatopfer einwirken oder sich auf andere
Weise psychisch oder physisch aktiv unterstützen.
2. Der Qualifikationstatbestand des § 176a Abs. 2 Nr. 2 StGB ist auch dann
erfüllt, wenn von zwei am Tatort aktiv zusammenwirkenden Tätern sich der
eine nach § 176 Abs. 1 StGB, der andere nach § 176 Abs. 2 StGB strafbar
macht.
BGH, Urteil vom 10. Oktober 2013 – 4 StR 258/13 – LG Essen
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. Oktober
2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Mutzbauer,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Richter am Amtsgericht
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Rechtsanwalt
als Verteider,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers D. ,
Rechtsanwältin
als Vertreterin des Nebenklägers Y. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 4. Februar 2013 aufgehoben
a) hinsichtlich der Verurteilung im Fall II. 1 f der Urteilsgründe ; insoweit wird der Angeklagte freigesprochen; im Umfang des Freispruches fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;
b) im Schuldspruch mit den zugehörigen Feststellungen in den Fällen II. 1 e und II. 2 der Urteilsgründe;
c) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aa) hinsichtlich der Einzelstrafen in den Fällen II. 1 a bis d und II. 3 der Urteilsgründe, bb) im Gesamtstrafenausspruch.
2. In dem nach dem Teilfreispruch verbleibenden Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Jugendlichen in drei Fällen, schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes, sexuellen Missbrauchs eines Kindes, versuchten sexuellen Missbrauchs eines Jugendlichen sowie wegen Verbreitung pornographischer Schriften in Tateinheit mit Verbreitung und Erwerb kinderpornographischer Schriften in Tateinheit mit Erwerb jugendpornographischer Schriften und wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte, vom Generalbundesanwalt überwiegend vertretene Revision der Staatsanwaltschaft. Mit ihrer umfassend erhobenen Rüge der Verletzung materiellen Rechts beanstandet die Staatsanwaltschaft insbesondere, dass das Landgericht in den Fällen II. 1 a bis e der Urteilsgründe keinen schweren sexuellen Missbrauch von Kindern gemäß § 176a Abs. 2 Nr. 2 StGB angenommen hat. Ferner wendet sie sich gegen die Strafzumessung.
2
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der Schuldsprüche in den Fällen II. 1 e und f sowie II. 2 der Urteilsgründe – im Fall II. 1 f der Urteilsgründe zu Gunsten des Angeklagten mit der Folge eines Teilfreispruchs –, der Einzelstrafen für die Taten II. 1 a bis d und II. 3 der Urteilsgründe sowie der Gesamtstrafe. Im Übrigen erweist sich die Revision als unbegründet.

I.


3
Nach den Feststellungen sprach der Angeklagte den gesondert verfolgten Z. , den er Anfang des Jahres 2012 über das Internet kennen gelernt hatte und mit dem es gegen Bezahlung durch den Angeklagten zum Austausch von sexuellen Handlungen gekommen war, darauf an, ob er nicht auch jüngere Personen männlichen Geschlechts kennen würde, die Interesse an entgeltlichen sexuellen Kontakten mit dem Angeklagten hätten. Z. , der sich durch die Vermittlung von Jungen aus seinem Wohnumfeld ein lukratives Geschäft versprach , ging auf das Ansinnen des Angeklagten ein. In der Folgezeit wandte er sich an den 15-jährigen Y. , den am 17. April 1998 geborenen K. , die jeweils 13 Jahre alten D. und G. sowie den zwölfjährigen H. und veranlasste die Jungen, gegen ein jeweils vom Angeklagten geleistetes Entgelt von 20 € bis 30 € an Treffen mit dem Angeklagten teilzunehmen, bei denen jeweils auch der gesondert verfolgte Z. zugegen war und es zu sexuellen Handlungen zwischen dem Angeklagten und den Jungen kam. Im Einzelnen ereigneten sich folgende Missbrauchstaten:
4
Am 22. März 2012 suchte der gesondert verfolgte Z. zusammen mit Y. und K. den Angeklagten in dessen Wohnung in K. auf. Nachdem Z. , Y. und K. sich auf Frage des Angeklagten hin ausgezogen und alle Beteiligten zunächst an ihren Penissen masturbiert hatten, manipulierte der Angeklagte an den Geschlechtsteilen des Z. und der beiden Jungen, während Z. dem 13 Jahre alten K. und dem weiteren Geschädigten Y. zur Stimulation einen Pornofilm auf seinem Mobiltelefon zeigte. Im weiteren Verlauf führte der Angeklagte bei Y. und Z. den Oralverkehr aus, ehe der Geschädigte K. der Aufforderung des gesondert verfolgten Z. , seinerseits an dem erigierten Penis des Angeklagten den Oralverkehr durchzuführen , nachkam und kurzzeitig das Glied des Angeklagten in den Mund nahm (II. 1 a der Urteilsgründe). An einem weiteren von Z. vermittelten Treffen mit dem Angeklagten zwischen dem 22. März 2012 und dem 21. April 2012 nahm neben Z. und Y. der Geschädigte D. teil. Nachdem der Ge- schädigte – einer Aufforderung des Z. Folge leistend – seine Hose heruntergezogen und den Oberkörper entblößt hatte, manipulierte der Angeklagte mit der Hand am Glied des Jungen und führte anschließend bei dem Kind den Oralverkehr aus (II. 1 b der Urteilsgründe). Am 21. April 2012 holte der Angeklagte entsprechend einer mit dem gesondert verfolgten Z. getroffenen Absprache diesen und die Geschädigten Y. und G. in G. ab und nahm sie mit in seine Wohnung. Dort forderte Z. die Jungen auf, sich zu entkleiden. Z. und die beiden Jungen entblößten ihre Geschlechtsteile, an denen sie anschließend jeweils mit ihren Händen manipulierten. Der gesondert verfolgte Z. zeigte dem Geschädigten G. auf seinem Mobiltelefon einen Pornofilm, weil er wollte, dass der Junge für die sexuellen Handlungen durch den Angeklagten entsprechend erregt war. Sodann führte der Angeklagte bei Z. und den beiden Jungen jeweils den Oralverkehr durch (II. 1 c der Urteilsgründe ). Für den 29. April 2012 vereinbarten der gesondert verfolgte Z. und der Angeklagte ein erneutes Treffen, bei dem der jetzt 14-jährige K. und der weitere Geschädigte H. dem Angeklagten zugeführt werden sollten. Vereinbarungsgemäß fuhr der Angeklagte nach G. , wo er mit Z. und den Jungen K. und H. zusammentraf. Nachdem Z. und K. ihre Genitalien entblößt und der Geschädigte H. – dem Beispiel der anderen folgend – seine Hose und Unterhose heruntergezogen und den Oberkörper durch Hochziehen der Oberbekleidung freigelegt hatte, nahm der Angeklagte den Penis des Geschädigten H. in den Mund und führte kurzzeitig den Oralverkehr an diesem durch, während die beiden anderen jeweils mit den Händen an ihren Geschlechtsteilen manipulierten. Anschließend nahm der Geschädigte K. für kurze Zeit den Oralverkehr am Angeklagten vor(Fall II. 1 d der Urteilsgründe).
5
Zu einem nicht näher festgestellten Zeitpunkt fasste der gesondert verfolgte Z. gemeinsam mit zwei Bekannten den Entschluss, den Angeklagten mittels kompromittierender Fotos zu erpressen, die während der Sexualkontakte entstehen sollten. Der Zeuge Y. fand sich bereit, an dem Erpressungsvorhaben mitzuwirken. In Ausführung des Tatplans meldete sich Z. beim Angeklagten und initiierte ein neuerliches Treffen, für das Y. den Geschädigten H. akquirieren wollte. Da H. zu einem weiteren Treffen mit sexuellen Handlungen zunächst nicht bereit war, setzte Y. ihn unter Druck, indem er ihm durch Umdrehen eines Fingers Schmerzen zufügte, und erreichte auf diese Weise, dass der Geschädigte widerwillig an dem vereinbarten Treffen mit dem Angeklagten teilnahm. Am 16. Mai 2012 begab sich der Angeklagte mit Z. , Y. und dem Geschädigten H. zu der für den Sexualkontakt vorgesehenen Lichtung bei einer Abraumhalde in G. . Dort berührte der Angeklagte den Geschädigten mit der Hand an dessen freigelegtem Oberkörper , wobei er selbst an sich bis zum Samenerguss onanierte. Der gesondert verfolgte Z. fertigte hiervon Lichtbilder mit seinem Mobiltelefon (II. 1 e der Urteilsgründe). Um den Angeklagten mit den Lichtbildern zu konfrontieren und die Erpressung ins Werk zu setzen, vereinbarte Z. mit dem Angeklagten ein weiteres Treffen, für das dem Angeklagten wahrheitswidrig Y. als „Sexualobjekt“ angekündigt wurde. Tatsächlich bestand zwischen Z. und Y. Einvernehmen, dass es bei diesem Treffen zu keinem Sexualkontakt mit dem Angeklagten kommen werde. Absprachegemäß suchte der Angeklagte am 28. Mai 2012 in der sicheren Vorstellung, dort den Oralverkehr an Y. vornehmen zu können, die an der Abraumhalde gelegene Lichtung auf. Als er und Z. an der Lichtung auf Y. trafen, lief dieser rasch weg (II. 1 f der Urteilsgründe ).
6
Der Angeklagte stand über das Internet in Kontakt mit dem 15-jährigen T. . Im Rahmen der Kommunikation, die mit sich steigernder Intensität sexuelle Themen zum Gegenstand hatte, übermittelte T. auf Aufforderung des Angeklagten Bilder von sich, auf denen er unbekleidet masturbierend und seinen Anus präsentierend zu sehen war. Des Weiteren tauschten der Angeklagte und T. kinderpornographische Bilder aus, wobei der Angeklagte an T. fünf Bilder sandte und von T. aufforderungsgemäß drei Bilder erhielt (II. 2 der Urteilsgründe). Auf dem Computer „Macbook“ und der externen Festplatte „Freecom“ des Angeklagten, die bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten sichergestellt wurden, befanden sich unter anderem neun Bilder mit kinderpornographischen Inhalten (II. 3 der Urteilsgründe).

II.


7
1. Die Revision beanstandet zu Recht, dass das Landgericht einen schweren sexuellen Missbrauch von Kindern nach § 176a Abs. 2 Nr. 2 StGB in den Fällen II. 1 a bis d der Urteilsgründe nicht angenommen und im Fall II. 1 e der Urteilsgründe nicht geprüft hat.
8
a) Nach § 176a Abs. 2 Nr. 2 StGB wird der sexuelle Missbrauch von Kindern in den Fällen des § 176 Abs. 1 und 2 StGB als schwerer sexueller Missbrauch von Kindern mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft, wenn die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird. Die Qualifikationsnorm des § 176a Abs. 2 Nr. 2 StGB, die vom Gesetzgeber durch das Sechste Gesetz zur Reform des Strafrechts (6. StrRG) vom 26. Januar 1998 (BGBl. I, S. 164) in Anlehnung an die Vorschrift des § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 StGB in das Strafgesetzbuch eingefügt worden ist (vgl. Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 13/8587, S. 31 f.), trägt dem gesteigerten Tatunrecht Rechnung, welches daraus resultiert, dass regelmäßig die psychischen Widerstandskräfte des Kindes in höherem Maße beeinträchtigt sind und die Gefahren für dessen ungestörte sexuelle Entwicklung zunehmen, wenn das Opfer dem gemeinsamen sexuellen Ansinnen mehrerer ausgesetzt ist (vgl. Hörnle in LK-StGB, 12. Aufl., § 176a Rn. 32; Perron/Eisele in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 176a Rn. 9). Mit Blick auf diesen Normzweck setzt eine gemeinschaftliche Tatbegehung nach § 176a Abs. 2 Nr. 2 StGB voraus, dass bei der Verwirklichung der Grundtatbestände des § 176 Abs. 1 und 2 StGB mindestens zwei Personen grundsätzlich vor Ort mit gleicher Zielrichtung derart bewusst zusammenwirken , dass sie in der Tatsituation zusammen auf das Tatopfer einwirken oder sich auf andere Weise psychisch oder physisch aktiv unterstützen (vgl. Fischer, StGB, 60. Aufl., § 176a Rn. 9; vgl. auch BGH, Urteil vom 22. Dezember 2005 – 4 StR 347/05, NStZ 2006, 572, 573; Beschluss vom 14. Oktober 1999 – 4 StR 312/99, NStZ 2000, 194 jeweils zu § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB). Erforderlich ist aufgrund des von § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB abweichenden Wortlauts der Vorschrift ein täterschaftliches Verhalten (vgl. MüKoStGB/ Renzikowski, 2. Aufl., § 176a Rn. 24; Fischer, aaO; Perron/Eisele, aaO; aA Hörnle, aaO, Rn. 34). Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Mittäterschaft nach § 25 Abs. 2 StGB müssen allerdings nicht vorliegen. Dies folgt daraus, dass durch § 176a Abs. 2 Nr. 2 StGB seinem ausdrücklichen Regelungsgehalt nach gerade auch die gemeinschaftliche Begehung der Taten gemäß § 176 Abs. 1 StGB qualifiziert werden soll. Bei § 176 Abs. 1 StGB handelt es sich aber um ein eigenhändiges Delikt (vgl. BGH, Urteil vom 7. September 1995 – 1 StR 236/95, BGHSt 41, 242, 243 ff.), was jede mittäterschaftliche Zurech- nung gemäß § 25 Abs. 2 StGB ausschließt (vgl. Hörnle, aaO, § 176 Rn. 24, 26). Für die Qualifizierung von Missbrauchstaten nach § 176 Abs. 1 StGB durch eine gemeinsame Tatbegehung reicht es daher aus, dass mehrere Personen im Rahmen eines einheitlichen Tatgeschehens jede für sich sexuelle Handlungen am Tatopfer vornehmen oder jeweils an sich vornehmen lassen.
9
Nach seinem auf Taten nach § 176 Abs. 1 und 2 StGB abstellenden Wortlaut ist der Qualifikationstatbestand des § 176a Abs. 2 Nr. 2 StGB auch dann erfüllt, wenn von zwei am Tatort aktiv zusammenwirkenden Tätern sich der eine nach § 176 Abs. 1 StGB, der andere nach § 176 Abs. 2 StGB strafbar macht (vgl. Hörnle, aaO, § 176a Rn. 36; Renzikowski, aaO; Fischer, aaO; Perron/Eisele, aaO; Eschelbach in Matt/Renzikowski, StGB, § 176a Rn. 20; Ziegler in von Heintschel-Heinegg, StGB, § 176a Rn. 13; Gössel, Das Neue Sexualstrafrecht, 2005, § 6 Rn. 44; Laubenthal, Handbuch Sexualstraftaten, 2012, Rn. 530; aA Wolters in SK-StGB, § 176a Rn. 19 [Stand: August 2012] und in Satzger/Schmitt/Widmaier, StGB, § 176a Rn. 15). Da § 176 Abs. 2 StGB die Verursachung sexueller Handlungen von oder an einem Dritten durch Einwirken auf das kindliche Opfer strafrechtlich erfasst (vgl. BGH, Urteil vom 7. September 1995 – 1 StR 236/95, aaO, 246), liegt die für eine gemeinschaftliche Tatbegehung nach § 176a Abs. 2 Nr. 2 StGB erforderliche gleiche Zielrichtung des täterschaftlichen Handelns hier darin, dass der Täter nach § 176 Abs. 2 StGB durch seinen Bestimmungsakt gerade diejenige sexuelle Handlung ermöglicht, die der andere im Sinne des § 176 Abs. 1 StGB vornimmt oder an sich vornehmen lässt. Auch diese Art des Zusammenwirkens gegenüber dem Tatopfer weist den im Vergleich zu den Grundtatbeständen gesteigerten Unrechtsgehalt auf, der für die Qualifikation des § 176a Abs. 2 Nr. 2 StGB kennzeichnend ist.
10
b) In den Fällen II. 1 a bis d der Urteilsgründe hat sich der Angeklagte danach entgegen der Auffassung der Strafkammer jeweils auch des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß § 176a Abs. 2 Nr. 2 StGB schuldig gemacht. Nach den Feststellungen wurden die kindlichen Tatopfer jeweils durch den gesondert verfolgten Z. dazu bestimmt, die sexuellen Handlungen am Angeklagten vorzunehmen oder durch ihn an sich zu dulden.Z. veranlasste die Kinder nicht nur im Vorfeld zur Teilnahme an den Treffen mit dem Angeklagten , sondern war bei diesen Treffen jeweils selbst vor Ort anwesend und unterstützte die sexuellen Handlungen zwischen dem Angeklagten und den Opfern, indem er die Opfer verbal zur Mitwirkung aufforderte oder durch auf deren sexuelle Stimulation abzielende Handlungen auf die Kinder einwirkte.
11
Da der Angeklagte in den Fällen II. 1 a bis d der Urteilsgründe unter anderem jeweils wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB verurteilt worden ist, berührt die unzutreffende rechtliche Wertung des Landgerichts allein den Schuldumfang der Taten, sodass die Schuldsprüche bestehen bleiben können und es nur einer Aufhebung der Einzelstrafaussprüche bedarf (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Mai 2010 – 4 StR 139/10, NStZ-RR 2010, 278).
12
c) Im Fall II. 1 e der Urteilsgründe lassen die bisherigen tatsächlichen Feststellungen eine abschließende rechtliche Bewertung nicht zu. Das Landgericht hat zwar festgestellt, dass das Tatopfer H. erst auf Druck des Zeugen Y. zu einem weiteren Treffen mit dem Angeklagten zur Vornahme sexueller Handlungen bereit war, und der Zeuge Y. zusammen mit Z. , dem Angeklagten und dem Opfer zur späteren Tatörtlichkeit fuhr. Ob Y. die Vornahme der sexuellen Handlung durch den Angeklagten vor Ort durch einen aktiven Mitwirkungsbeitrag unterstützte, ist der Sachverhaltsschilderung des angefochtenen Urteils aber nicht zu entnehmen. Ein Bestimmungsakt des Z. gegenüber dem Opfer im Sinne des § 176 Abs. 2 StGB ist ebenfalls nicht fest- gestellt. Der Schuldspruch im Fall II. 1 e der Urteilsgründe bedarf daher einer neuen tatrichterlichen Prüfung.
13
2. Der Schuldspruch wegen Verbreitung pornographischer Schriften in Tateinheit mit Verbreitung und Erwerb kinderpornographischer Schriften und Erwerb jugendpornographischer Schriften im Fall II. 2 der Urteilsgründe kann bereits deshalb keinen Bestand haben, weil die Urteilsfeststellungen die Annahme einer materiell-rechtlichen Tat nicht tragen.
14
Die Übersendung und der Empfang mehrerer kinderpornographischer oder jugendpornographischer Bilder über das Internet stellt nur dann eine Tat im materiell-rechtlichen Sinne dar, wenn die Übermittlungen im Rahmen eines zusammenhängenden Kommunikationsvorgangs erfolgten. Liegen dagegen mehrere zeitlich voneinander getrennte Kommunikationsvorgänge vor, sind mehrere real konkurrierende Taten gegeben (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2008 – 3 StR 215/08, NStZ 2009, 208). Das Landgericht hat lediglich festgestellt , dass der gegenseitige Austausch kinderpornographischer Bilder und die Übersendung der jugendpornographischen Abbildungen von dem Zeugen T. an den Angeklagten im Rahmen der Internetkommunikation zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen vorgenommen wurden. Nähere Feststellungen zu den Einzelheiten dieser Kommunikation, insbesondere zu deren Dauer und Verlauf, hat es dagegen nicht getroffen. Nach den Urteilsgründen bleibt daher offen, ob der Übermittlung der Bilder ein einheitlicher oder mehrere getrennte Kommunikationsvorgänge zu Grunde lagen.
15
Im Übrigen begegnet die Verurteilung wegen tateinheitlich begangener Verbreitung kinderpornographischer Schriften gemäß § 184b Abs. 1 Nr. 1 StGB durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Da die Übersendung der kinderporno- graphischen Bilder, die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergaben, durch den Angeklagten an den Zeugen T. nach den Feststellungen nicht dazu diente, die Bilder einem größeren Personenkreis zugänglich zu machen, hat sich der Angeklagte insoweit nicht eines Verbreitens im Sinne des § 184b Abs. 1 Nr. 1 StGB (zum Begriff des Verbreitens vgl. BGH, Urteile vom 22. Dezember 2004 – 2 StR 365/04, BGHR StGB § 130 Abs. 2 Verbreiten 1; vom 24. März 1999 – 3 StR 240/98, BGHR StGB § 184 Verbreiten 1), sondern des Besitzverschaffens von kinderpornographischen Schriften nach § 184b Abs. 2 StGB schuldig gemacht.
16
3. Im Fall II. 1 f der Urteilsgründe führt die Revision der Staatsanwaltschaft zu Gunsten des Angeklagten (§ 301 StPO) zur Aufhebung der Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten sexuellen Missbrauchs eines Jugendlichen gemäß § 182 Abs. 2 und 4 StGB und zum Freispruch des Angeklagten. Die vom Angeklagten angestrebte Missbrauchstat hat die Schwelle zum strafbaren Versuch nicht überschritten.
17
Nach § 22 StGB versucht eine Straftat, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestands unmittelbar ansetzt. Noch nicht tatbestandsmäßige Handlungen erfüllen diese Voraussetzung nur, wenn sie nach dem Tatplan der Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals so dicht vorgelagert sind, dass das Geschehen bei ungestörtem Fortgang ohne weitere Zwischenakte in die Tatbestandsverwirklichung einmündet (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 27. September 2011 – 4 StR 454/11, BGHR StGB § 176 Abs. 1 Versuch 1 mwN). Von diesem Maßstab ausgehend liegt in dem von der Strafkammer festgestellten Aufsuchen der zur Tatbegehung vorgesehenen Örtlichkeit kein unmittelbares Ansetzen des Angeklagten zur Verwirklichung des Tatbestands des § 182 Abs. 2 StGB, da das Tatopfer noch nicht in den Zugriffsbe- reich des Angeklagten gelangt und die Vornahme des Oralverkehrs am Opfer nach den Vorstellungen des Angeklagten im Weiteren von der Bereitschaft des Opfers abhängig war, sich auf das sexuelle Ansinnen des Angeklagten einzulassen.
18
4. Der Einzelstrafausspruch im Fall II. 3 der Urteilsgründe begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Bei der Bemessung der Einzelstrafe hat das Landgericht die Dauer der Untersuchungshaft, von der sich der Angeklagte stark beeindruckt gezeigt hat, zu Gunsten des bislang unbestraften Angeklagten strafmildernd berücksichtigt. Erlittene Untersuchungshaft ist aber regelmäßig für die Strafzumessung ohne Bedeutung, weil sie nach § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB grundsätzlich auf die zu vollstreckende Strafe angerechnet wird (vgl. BGH, Urteile vom 20. August 2013 – 5 StR 248/13, Rn. 3, vom 19. Mai 2010 – 2 StR 102/10, NStZ 2011, 100; vom 14. Juni 2006 – 2 StR 34/06, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Lebensumstände 21). Auch beim erstmaligen Vollzug der Untersuchungshaft kommt eine mildernde Berücksichtigung nur in Betracht, sofern im Einzelfall besondere Umstände hinzutreten (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2011 – 1 StR 407/11, NStZ 2012, 147). Solche zusätzlichen, den Angeklagten besonders beschwerende Umstände oder Folgen des Haftvollzugs hat die Strafkammer indes nicht konkret festgestellt. Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass sich die rechtlich unzutreffende Wertung der Strafkammer auf die Höhe der verhängten Einzelfreiheitsstrafe ausgewirkt hat.
19
5. Die Aufhebung der Verurteilungen in den Fällen II. 1 e und f sowie II. 2 der Urteilsgründe und der Einzelstrafen in den Fällen II. 1 a bis d und II. 3 der Urteilsgründe zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.
20
Für die neuerlich zu treffende Gesamtstrafenentscheidung weist der Senat darauf hin, dass die Bemessung der Gesamtstrafe einer eingehenden Begründung bedarf, wenn die Einsatzstrafe nur geringfügig überschritten wird (vgl. BGH, Urteile vom 29. Juni 2005 – 1 StR 149/05, NStZ 2006, 568; vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 271). Bei der zusammenfassenden Würdigung der einzelnen Taten wird der neue Tatrichter auch zu bedenken haben, dass sich die rechtskräftig feststehenden Missbrauchstaten in den Fällen II. 1 a bis d der Urteilsgründe jeweils gegen verschiedene kindliche Tatopfer richteten.
Sost-Scheible Cierniak Mutzbauer
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 302/13
vom
19. Dezember 2013
in der Strafsache
gegen
wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19. Dezember
2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 21. Januar 2013 im Strafausspruch in den Fällen B. I. 1.a bis 1.d und 1.f der Urteilsgründe sowie im Gesamtstrafenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorgenannte Urteil im Schuldspruch in den Fällen B. II. und B. I. 1.e der Urteilsgründe, im Strafausspruch im Fall B. I. 1.a der Urteilsgründe sowie im Gesamtstrafenausspruch jeweils mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen fünffachen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln sowie wegen Nöti- gung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil richten sich die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft. Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft ist wirksam auf den Strafausspruch in den Fällen B. I. 1.a bis 1.d und 1.f sowie den Gesamtstrafenausspruch beschränkt. Die Revision des Angeklagten hat teilweise, die Revision der Staatsanwaltschaft hat in vollem Umfang Erfolg.

I.


2
Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils schloss sich der Angeklagte spätestens im Sommer 2011 mit den gesondert verfolgten B. und M. zusammen, um mit Kokain in nicht geringen Mengen Handel zu treiben. Im Dezember 2011 schloss sich ihnen noch der gesondert verfolgte Bo. an. In den Fällen B. I. 1.a bis 1.d und 1.f der Urteilsgründe bezog die Bande zu Handelszwecken jeweils mindestens 500 g, 150 g, 200 g, 910 g und 100 g Kokain mit 10 % Wirkstoffgehalt. Im Fall B. I. 1.d waren zunächst 910 g Kokain in den Besitz der Bande gelangt; 410 g davon hatte man mangels Absatzmöglichkeit an den Lieferanten zurückgegeben. Im Fall B. I. 1.e der Urteilsgründe bewahrte der Angeklagte am 8. Mai 2012 179,8 g Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 6,95 % in seiner Wohnung auf. Das Marihuana war für den Eigenkonsum und als Zahlungsmittel für Kokain bestimmt. Das Landgericht hat im Fall 1.a eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten, in den Fällen 1.b bis 1.d eine Freiheitsstrafe von jeweils zwei Jahren und in den Fällen 1.e und 1.f eine solche von jeweils einem Jahr verhängt.
3
Im Fall B. II. der Urteilsgründe hat die Strafkammer folgende Feststellungen getroffen:
4
Am 10. Februar 2012 kam es zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen dem L. und dem Angeklagten. Hintergrund der Auseinandersetzung war, dass M. und B. den Eindruck hatten, L. verkaufe Betäubungsmittel an „Kunden“ des Angeklagten. L. ging mit einem Schlagstock in der Hand auf den von B. herbeigerufenen Angeklagten zu. Dem Angeklagten gelang es während der tätlichen Auseinandersetzung, L. den Schlagstock abzunehmen und ihn zu treten. Der Schlagstock wurde von seinem Begleiter M. über einen Zaun geworfen. Nach dieser Auseinandersetzung äußerte L. , er wolle sich mit dem S. schlagen, der daraufhin telefonisch hinzugezogen wurde. Während der sich anschließenden tätlichen Auseinandersetzung zwischen L. und S. besprühte der Bo. den L. mit CS-Gas. Danach lief L. davon. Für diese Tat hat das Landgericht auf eine Einzelstrafe von zwei Jahren erkannt.

II.


5
Der Strafausspruch in den von der Staatsanwaltschaft angegriffenen Fällen hat keinen Bestand.
6
1. Schon die Erwägungen, mit denen die Strafkammer den Strafrahmen des § 30a Abs. 3 BtMG bejaht hat, begegnen rechtlichen Bedenken. Die Formulierung , „der Gesetzgeber hatte bei Schaffung des zusätzlich verschärften Verbrechenstatbestandes des § 30a BtMG international organisierte Drogensyndikate im Blick, die nicht nur mittels Kurieren Drogen in die Bundesrepublik einschleusen, sondern auch Absatzorganisationen aufbauen und Maßnahmen für das Waschen und den Rückfluss der Gelder aus Rauschgifthandel treffen“ lässt besorgen, dass die Strafkammer im Rahmen der Gesamtabwägung zu hohe Anforderungen an die Annahme eines „Normalfalles“ nach§ 30a Abs. 1 BtMG gestellt hat (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 1996 – 5 StR 402/95, BGHR BtMG § 30a Bande 2; Urteil vom 18. Juni 2009 – 3 StR 171/09, NStZ-RR 2009, 320, 321). Zudem sind die Wertungen zur Bandenstruktur widersprüchlich. Bei der Erörterung des minder schweren Falles geht die Strafkammer davon aus, dass die Bande um den Angeklagten besonders schlecht organisiert war (UA S. 16). Bei der rechtlichen Würdigung spricht sie hingegen von einer „ausgeklügelten Organisationsstruktur“ (UA S. 13).
7
2. Rechtsfehlerhaft hat die Strafkammer außerdem bei der konkreten Strafzumessung eine zu geringe Strafrahmenuntergrenze zugrunde gelegt, indem sie den Strafrahmen von sechs Monaten bis zehn JahrenFreiheitsstrafe des § 30a Abs. 3 BtMG angewendet hat. Dabei hat sie übersehen, dass die durch den schwereren Qualifikationstatbestand des § 30a Abs. 1 BtMG im Wege der Gesetzeskonkurrenz verdrängten Tatbestände sowohl des § 29a Abs. 1 BtMG als auch des § 30 Abs. 1 BtMG eine Sperrwirkung hinsichtlich der Mindeststrafe entfalten (BGH, Urteil vom 13. Februar 2003 – 3 StR 349/02, BGHR BtMG § 30a Abs. 3 Strafzumessung 1); für die Höchststrafe gilt demgegenüber nach der ständigen Rechtsprechung die für den Schuldspruch maßgebliche Bestimmung (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Mai 2010 – 1 StR 59/10, NStZ 2011, 98, 99; Beschluss vom 14. August 2013 – 2 StR 144/13; vgl. aber auch Beschluss vom 25. Juli 2013 – 3 StR 143/13 Rn. 7 ff., juris).
8
Die Strafkammer hat nicht erwogen, ob auch minder schwere Fälle nach § 29a Abs. 2 und § 30 Abs. 2 BtMG vorliegen. Der Senat kann deshalb nicht ausschließen, dass die Einzelstrafen in den Fällen des bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln auf diesem Fehler beruhen. Im Fall I. 1.f unterschreitet die Einzelstrafe den Strafrahmen des § 30 Abs. 1 BtMG, in den Fällen I. 1.b bis 1.d ist auf die Mindeststrafe des § 30 Abs. 1 BtMG erkannt worden. Im Fall I. 1.a ist lediglich auf eine die Mindeststrafe des § 30 Abs. 1 BtMG geringfügig übersteigende Einzelstrafe erkannt worden. Überdies lässt das Urteil zum Fall I. 1.a angesichts der Betäubungsmittelmenge, die nicht über der im Fall I. 1.d gehandelten lag, eine nachvollziehbare Begründung für die Bemessung dieser Strafe vermissen. Insoweit wirkt die Aufhebung auch zugunsten des Angeklagten (§ 301 StPO).
9
3. Hinzu kommt ein weiterer Fehler zugunsten des Angeklagten bei der Bemessung aller Einzelstrafen. Das Landgericht hat im Rahmen der konkreten Strafzumessung die erlittene Untersuchungshaft strafmildernd berücksichtigt. Untersuchungshaft ist indes, jedenfalls bei der Verhängung einer zu verbüßenden Freiheitsstrafe, kein Strafmilderungsgrund, es sei denn, mit ihrem Vollzug wären ungewöhnliche, über die üblichen deutlich hinausgehende Beschwernisse verbunden (BGH, Urteile vom 28. März 2013 – 4 StR 467/12 Rn. 25 und vom 10. Oktober 2013 – 4 StR 258/13, Rn. 18, jeweils mwN). Will der Tatrichter wegen besonderer Nachteile für den Angeklagten den Vollzug der Untersuchungshaft bei der Strafzumessung mildernd berücksichtigen, müssen diese Nachteile in den Urteilsgründen dargelegt werden (BGH, Urteil vom 14. Juni 2006 – 2 StR 34/06, NJW 2006, 2645). Daran fehlt es hier.
10
4. Die Aufhebung der Einzelstrafen führt auch zur Aufhebung der Gesamtstrafe.

III.


11
Die Revision des Angeklagten hat in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist seine Revision aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 12. September 2013 unbegründet.
12
1. Die Verurteilung wegen (vollendeter) Nötigung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
13
a) Die Strafkammer hat bei der rechtlichen Würdigung zum Fall B. II. der Urteilsgründe lediglich ausgeführt, dass der Angeklagte mit M. , B. , Bo. und S. unter Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben von L. verlangt hat, dieser solle Drogengeschäfte mit Kunden des Angeklagten unterlassen. In welchen konkreten Verhaltensweisen sie eine Nötigungshandlung gesehen hat, ist nicht angegeben. Dass bei der Tat eine Drohung ausgesprochen worden wäre, ist nicht festgestellt, ebenso wenig, dass die geschilderten Tätlichkeiten des Angeklagten der Durchsetzung einer solchen Forderung dienten. Die Nötigung ist außerdem als Erfolgsdelikt ausgestaltet (BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2003 – 3 StR 421/03, BGHR StGB § 240 Abs. 1 Nötigungserfolg 3). Die Gewaltanwendung muss in kausalem Sinne zu dem vom Täter geforderten Verhalten des Opfers führen. Vollendet ist die Nötigung erst dann, wenn der Genötigte die verlangte Handlung vorgenommen oder zumindest mit ihrer Ausführung begonnen hat. Auch dazu enthalten die Urteilsgründe keinerlei Angaben.
14
b) Bereits deshalb hat die tateinheitliche Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB keinen Bestand. Zudem lässt der geschilderte Tatablauf es nicht ausgeschlossen erscheinen, dass sich der Angeklagte gegen L. , der mit einem Schlagstock in der Hand auf ihn zuging , zur Wehr gesetzt hat.
15
2. Der Schuldspruch im Fall B. I. 1.e der Urteilsgründe wegen unerlaubten Besitzes einer nicht geringen Menge Marihuana in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln kann nicht bestehen bleiben. Der Besitz einer nicht geringen Menge Marihuana ist nicht rechtsfehlerfrei festgestellt, weil die Urteilsgründe nicht erkennen lassen, worauf die Feststellung eines Wirkstoffgehalts von 6,95 % Tetrahydrocannabinol (THC) beruht. In der Beweiswürdigung setzt sich die Strafkammer nur mit den Angaben des Angeklagten und der gesondert verfolgten Bandenmitglieder zum Wirkstoffgehalt des Kokains auseinander. Dass der Angeklagte einen Wirkstoffgehalt des Marihuanas von genau 6,95 % THC gestanden haben könnte, schließt der Senat aus.
16
Der Schuldspruch begegnet aber auch deshalb Bedenken, weil die Absicht des Angeklagten, einen Teil des Marihuanas als Zahlungsmittel für Kokain einzusetzen, nicht hinreichend in Bezug auf ein bestimmtes Kokaingeschäft konkretisiert ist. Allein in dem Bereithalten eines Zahlungsmittels für noch völlig ungewisse Betäubungsmittelgeschäfte liegt weder ein versuchtes noch ein vollendetes Handeltreiben (vgl. BGH, Urteil vom 1. August 1990 – 2 StR 147/90, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 22; Weber, BtMG, 4. Aufl., § 29 Rn. 225, 555).
17
Auch der Strafausspruch für diese Tat weist Rechtsfehler auf. Eigenständige Strafzumessungserwägungen fehlen völlig. Es lässt sich daher nicht ausschließen, dass das Landgericht bei der Strafzumessung – wie ausdrücklich bei der rechtlichen Würdigung – fehlerhaft von einem mehrfachen Überschreiten der nicht geringen Menge THC ausgegangen ist.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
eine Schwangere zum Schwangerschaftsabbruch nötigt oder
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht.

(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.

(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).

(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 261/10
vom
28. September 2010
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: versuchten Betruges
zu 2.: Beihilfe zum versuchten Betrug
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
28. September 2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 1. Dezember 2009, soweit es sie betrifft , im Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten G. wegen versuchten Betruges zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt; den Angeklagten K. hat es der Beihilfe zum versuchten Betrug schuldig gesprochen und gegen ihn eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verhängt. Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen. Sie beanstanden die Verletzung materiellen Rechts; der Angeklagte G. rügt darüber hinaus auch das Verfahren. Die Rechtsmittel haben mit der Sachrüge zum Strafausspruch Erfolg ; im Übrigen sind sie unbegründet i.S.d. § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Zur Rüge des Angeklagten G. , § 265 StPO sei verletzt, weil das Landgericht in mehreren in der Hauptverhandlung erteilten rechtlichen Hinweisen keine Tatsachen angegeben habe, auf die sich die von der Anklage abweichende rechtliche Beurteilung stütze, bemerkt der Senat: Dem Angeklagten wurde in Ziffer I. 2. der Anklageschrift u.a. ein versuchter Betrug nach § 263 Abs. 1, 2, 3 Nr. 5, §§ 22, 23 StGB zum Nachteil der Fahrlehrerversicherung zur Last gelegt. Wegen dieses Delikts ist er vom Landgericht auch verurteilt worden. Eines rechtlichen Hinweises nach § 265 StPO bedurfte es hierfür nicht. Die ihm in der Hauptverhandlung erteilten Hinweise betrafen nicht das abgeurteilte Delikt, sondern verschiedene Alternativen der Brandstiftung nach §§ 306 ff. StGB sowie des Versicherungsmissbrauchs nach § 265 StGB; ob diese Hinweise den Anforderungen des § 265 StPO genügten, ist deshalb unerheblich.
3
2. Der Strafausspruch hält bei beiden Angeklagten rechtlicher Prüfung nicht stand. Das Landgericht hat die Strafe dem Strafrahmen des § 263 Abs. 3 StGB, bei dem Angeklagten K. gemildert nach § 27 Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB, entnommen. Eine - bei dem Angeklagten K. weitere - Milderung wegen Versuchs nach § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB hat es abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, in diesem Zusammenhang sei eine "Gesamtwürdigung aller schuldrelevanten Umstände" vorzunehmen; lediglich solche hat es sodann erwogen. Dies genügt den Anforderungen an die Strafrahmenwahl bei einem Versuch nicht. Dabei hat das Tatgericht neben der Persönlichkeit des Täters die Tatumstände im weitesten Sinne und dabei vor allem die versuchsbezogenen Gesichtspunkte, namentlich insbesondere die Nähe der Tatvollendung, die Gefährlichkeit des Versuchs und die eingesetzte kriminelle Energie, in einer Gesamtschau umfassend zu würdigen (BGH, Beschluss vom 17. März 1988 - 1 StR 104/88, BGHR StGB § 23 Abs. 2 Strafrahmenverschiebung 4; Urteil vom 23. September 1993 - 3 StR 430/93, BGHR StGB § 23 Abs. 2 Strafrahmenverschiebung 12; Beschluss vom 27. Oktober 2000 - 2 StR 381/00, BGHR StGB § 23 Abs. 2 Strafrahmenverschiebung 13; Beschluss vom 6. November 2002 - 5 StR 361/02, NStZ-RR 2003, 72; Fischer, StGB, 57. Aufl., § 23 Rn. 4). Hieran fehlt es.
4
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen werden durch den Wertungsfehler nicht berührt; sie können deshalb bestehen bleiben. Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen; diese dürfen indes den bisherigen nicht widersprechen.
Becker von Lienen Sost-Scheible Schäfer Mayer

(1) Wer einen Menschen mit der Begehung einer gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten rechtswidrigen Tat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder gegen eine Sache von bedeutendem Wert bedroht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Wer einen Menschen mit der Begehung eines gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten Verbrechens bedroht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(3) Ebenso wird bestraft, wer wider besseres Wissen einem Menschen vortäuscht, daß die Verwirklichung eines gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten Verbrechens bevorstehe.

(4) Wird die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) begangen, ist in den Fällen des Absatzes 1 auf Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder auf Geldstrafe und in den Fällen der Absätze 2 und 3 auf Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder auf Geldstrafe zu erkennen.

(5) Die für die angedrohte Tat geltenden Vorschriften über den Strafantrag sind entsprechend anzuwenden.

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
eine Schwangere zum Schwangerschaftsabbruch nötigt oder
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht.

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.

(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.

(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.

(1) Ist eine der Einzelstrafen eine lebenslange Freiheitsstrafe, so wird als Gesamtstrafe auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt. In allen übrigen Fällen wird die Gesamtstrafe durch Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe, bei Strafen verschiedener Art durch Erhöhung der ihrer Art nach schwersten Strafe gebildet. Dabei werden die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend gewürdigt.

(2) Die Gesamtstrafe darf die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen. Sie darf bei zeitigen Freiheitsstrafen fünfzehn Jahre und bei Geldstrafe siebenhundertzwanzig Tagessätze nicht übersteigen.

(3) Ist eine Gesamtstrafe aus Freiheits- und Geldstrafe zu bilden, so entspricht bei der Bestimmung der Summe der Einzelstrafen ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe.

(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.

(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.

(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.

(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
eine Schwangere zum Schwangerschaftsabbruch nötigt oder
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht.

(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.

(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).

(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.

(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.

(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.

(1) Ist eine der Einzelstrafen eine lebenslange Freiheitsstrafe, so wird als Gesamtstrafe auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt. In allen übrigen Fällen wird die Gesamtstrafe durch Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe, bei Strafen verschiedener Art durch Erhöhung der ihrer Art nach schwersten Strafe gebildet. Dabei werden die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend gewürdigt.

(2) Die Gesamtstrafe darf die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen. Sie darf bei zeitigen Freiheitsstrafen fünfzehn Jahre und bei Geldstrafe siebenhundertzwanzig Tagessätze nicht übersteigen.

(3) Ist eine Gesamtstrafe aus Freiheits- und Geldstrafe zu bilden, so entspricht bei der Bestimmung der Summe der Einzelstrafen ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe.

(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.

(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.

(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.

(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.

(1) Jedes Urteil, jeder Strafbefehl und jede eine Untersuchung einstellende Entscheidung muß darüber Bestimmung treffen, von wem die Kosten des Verfahrens zu tragen sind.

(2) Die Entscheidung darüber, wer die notwendigen Auslagen trägt, trifft das Gericht in dem Urteil oder in dem Beschluß, der das Verfahren abschließt.

(3) Gegen die Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen ist sofortige Beschwerde zulässig; sie ist unzulässig, wenn eine Anfechtung der in Absatz 1 genannten Hauptentscheidung durch den Beschwerdeführer nicht statthaft ist. Das Beschwerdegericht ist an die tatsächlichen Feststellungen, auf denen die Entscheidung beruht, gebunden. Wird gegen das Urteil, soweit es die Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen betrifft, sofortige Beschwerde und im übrigen Berufung oder Revision eingelegt, so ist das Berufungs- oder Revisionsgericht, solange es mit der Berufung oder Revision befaßt ist, auch für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde zuständig.