Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 467/12
vom
28. März 2013
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. März
2013, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Franke,
Dr. Quentin,
Reiter
als beisitzende Richter,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 30. Mai 2012 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes, besonders schwerer räuberischer Erpressung in drei Fällen, vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in fünf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Betrug, wegen Betruges, Diebstahls in zwei Fällen, vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung und vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis sowie wegen falscher Verdächtigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm vor Ablauf von drei Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
2
Das zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte und wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

I.


3
Zu den Straftaten des Angeklagten hat das Landgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
4
1. Am 9. Juni 2011 mietete der Angeklagte bei einer Autovermietungsfirma in B. einen Pkw der Marke VW, Typ Golf, obwohl er wusste, dass er die Mietkosten in Höhe von etwa 700 € nicht würde bezahlen können. Als das Fahrzeug am 29. Juni 2011 von einem Bekannten des Angeklagten bei der Autovermietung zurückgegeben wurde, wies es Beschädigungen auf. Mietzahlungen leistete der Angeklagte – wie von Anfang an geplant – nicht.
5
2. Nach Anmietung des Fahrzeugs fuhr er mit diesem auf öffentlichen Straßen, ohne im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis zu sein.
6
3. In der Nacht zum 24. Juni 2011 veranlasste der Angeklagte den Inhaber eines bereits geschlossenen Lebensmittelgeschäfts durch Vortäuschen von Kaufabsicht zur erneuten Öffnung des Ladens. Nachdem der Angeklagte das Geschäft betreten hatte, folgten ihm einer vorherigen Absprache gemäß zwei mit schwarzen Tüchern maskierte Mittäter und richteten ihre mitgeführten Pistolen auf den Ladeninhaber. Nachdem dieser, vom Angeklagten dazu aufgefordert , aus Angst die Ladenkasse geöffnet hatte, entnahm ihr der Angeklagte Bargeld in Höhe von etwa 200 €. Ferner steckte er mehrere Stangen Zigaretten und das Mobiltelefon des Ladeninhabers ein, bevor er mit seinen Mittätern das Geschäft verließ und das erbeutete Geld und die Zigaretten zu gleichen Teilen aufteilte.
7
4. Am Nachmittag des 2. August 2011 verwickelte der Angeklagte die in einem Matratzengeschäft allein tätige Verkäuferin unter Vorspiegelung von Kaufinteresse in ein Kundengespräch, bis alle anderen Kunden die Geschäftsräume verlassen hatten. Vom Angeklagten über Mobiltelefon entsprechend informiert , betrat dem zuvor gefassten Tatplan gemäß ein vermummter Mittäter das Geschäft, ging mit einer vorgehaltenen Pistole auf die Verkäuferin zu, lud die Pistole durch und forderte die Aushändigung des Bargeldes. Aus Angst übergab ihm die Verkäuferin die Tageseinnahmen in Höhe von 875 €, mit denen der Mittäter fluchtartig das Geschäft verließ. Danach verließ auch der Angeklagte das Matratzengeschäft; die Beute wurde hälftig aufgeteilt. Die Verkäuferin musste sich auf Grund von Angststörungen in psychiatrische Behandlung begeben.
8
5. Am darauffolgenden Tag gegen 23.30 Uhr betrat der Angeklagte ein Sonnenstudio und verwickelte eine dort tätige Aushilfskraft in ein Gespräch. Wie zuvor abgesprochen, verständigte er über sein Mobiltelefon einen draußen wartenden Mittäter in einem für den geplanten Überfall günstigen Moment. Der vermummte Mittäter betrat daraufhin das Sonnenstudio, lud die Waffe vor dem Angestellten durch und forderte diesen zur Aushändigung der Geldbörse mit den Tageseinnahmen auf. Dem kam der Angestellte nach. Der Mittäter des Angeklagten flüchtete mit der Beute in Höhe von 311 €, die er später mit dem Angeklagten aufteilte.
9
6. Am Nachmittag des darauffolgenden Tages, des 4. August 2011, betrat der Angeklagte, wie zuvor mit seinem Mittäter abgesprochen, erneut das bereits zwei Tage zuvor überfallene Matratzengeschäft. Bei vergleichbarer Vorgehensweise erbeuteten der Angeklagte und sein Mittäter Bargeld in Höhe von 65 € und konnten unerkannt entkommen.
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7. Am Abend des 2. Dezember 2011 hebelten der Angeklagte und sein Mittäter, der gesondert verfolgte M. H. , die Tür zu einem Bürogebäude am K. in B. auf und entwendeten aus den Räumlichkeiten zwei Laptops samt Zubehör, eine Spardose und eine Geldkassette mit Bargeld in Höhe von etwa 850 € sowie die Fahrzeugschlüssel für einen Pkw Ferrari, um diese Gegenstände für sich zu behalten bzw. gewinnbringend zu verkaufen.
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8. Anschließend begaben sich beide auf den Hof des Bürogebäudes und entwendeten auf Grund eines neuen Tatentschlusses mit Hilfe der Fahrzeugschlüssel den dort geparkten Pkw Ferrari, um ihn für eigene Zwecke zu benutzen.
12
9. Noch am Abend desselben Tages befuhr der Angeklagte mit diesem Fahrzeug im Beisein seiner Freundin öffentliche Straßen in B. , obwohl er nicht im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis war.
13
10. Zwei Tage später befuhr er mit diesem Pkw erneut öffentliche Straßen , um zu einer Tankstelle in B. -T. zu gelangen.
14
11. Dort betankte er den Pkw Ferrari mit 62,1 Liter Superbenzin zum Preis von 96,16 €, entfernte sich, wie von Anfang an geplant, ohne Bezahlung vom Tankstellengelände und flüchtete mit dem Pkw unter Benutzung öffentlicher Straßen ohne die erforderliche Fahrerlaubnis.
15
12. Am Abend des 23. Februar 2010 überquerte der Angeklagte mit einem Pkw Daimler Benz in der Innenstadt von B. mit unangemessen hoher Geschwindigkeit eine Kreuzung bei für ihn rotem Ampellicht. Zur gleichen Zeit wollte der fast blinde Geschädigte S. bei für ihn grünem Ampellicht die Straße überqueren. Das von dem Angeklagten geführte Fahrzeug erfasste ihn. Durch den Aufprall wurde der Geschädigte durch die Luft geschleudert und schlug auf die Fahrbahn auf. Er erlitt durch die Tat u.a. eine offene Ellenbogenfraktur und beidseitige Unterschenkelfrakturen. Bis Ende August 2010 musste er stationär im Krankenhaus und in einer Rehabilitationseinrichtung behandelt werden und ist seit dem Unfall auf einen Rollstuhl angewiesen. Ambulante ärztliche und therapeutische Behandlungen dauern an.
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13. Obwohl der Angeklagte den Unfall mit dem Geschädigten bemerkt hatte, setzte er seine Fahrt im öffentlichen Straßenverkehr fort ohne seinen Feststellungspflichten zu genügen.
17
14. Als er noch am Abend desselben Tages von einem Polizeibeamten zu dem Unfall befragt wurde, gab er wahrheitswidrig an, nicht er, sondern sein Bruder sei der Fahrer des Tatfahrzeugs gewesen; er selbst sei lediglich Beifahrer gewesen. Dabei handelte er mit dem Bewusstsein und in der Absicht, von sich selbst als Täter abzulenken und gegen seinen Bruder ein polizeiliches Ermittlungsverfahren einleiten zu lassen. Auch an diesem Tag verfügte der Angeklagte nicht über eine gültige Fahrerlaubnis.
18
15. Obwohl der Angeklagte auch am 14. Februar 2011 nicht über die erforderliche Fahrerlaubnis verfügte, fuhr er bewusst und gewollt mit überhöhter Geschwindigkeit mit einem Kraftfahrzeug in B. auf öffentlichen Straßen.

II.


19
Der Rechtsfolgenausspruch begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
20
1. Die für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte nach dem in der Hauptverhandlung gewonnenen Gesamteindruck gegeneinander abzuwägen ist grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters. In dessen Strafzumessung kann das Revisionsgericht daher nur dann eingreifen, wenn diese Rechtsfehler aufweist, weil sie einseitig, widersprüchlich oder unvollständig ist, gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder – unter Berücksichtigung des weiten tatrichterlichen Ermessens – nicht mehr als gerechter Schuldausgleich angesehen werden kann. Nur in diesem Rahmen kann eine Verletzung des Gesetzes im Sinne von § 337 Abs. 1 StPO vorliegen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349). Liegt ein solcher Rechtsfehler nicht vor, hat das Revisionsgericht die Strafzumessung des Tatrichters regelmäßig hinzunehmen (BGH, Urteil vom 17. September 1980 – 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 320). Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle der tatrichterlichen Strafzumessung im Revisionsverfahren ist danach ausgeschlossen (Senatsurteil vom 5. April 2007 – 4 StR 5/07, wistra 2007, 341, 342). Das Revisionsgericht kann insbesondere nicht mit der Erwägung, ein strafzumessungserheblicher Umstand sei nicht genügend berücksichtigt worden , seine Bewertung an die Stelle derjenigen des Tatrichters setzen.
21
2. Gemessen daran weist die Strafzumessung des angefochtenen Urteils durchgreifende Rechtsfehler zu Gunsten des Angeklagten auf, die zur Aufhebung des gesamten Rechtsfolgenausspruchs zwingen.
22
a) Bereits die Annahme eines minder schweren Falles des Raubes bzw. der besonders schweren räuberischen Erpressung in den Fällen II. 3, 4, 5 und 6 der Urteilsgründe begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
23
So lässt der knappe Hinweis auf die bisherige Delinquenz, das Bewährungsversagen und das jeweils raffinierte und planvolle Vorgehen nicht erkennen , ob das Landgericht die erforderliche Gesamtwürdigung unter Einbeziehung aller für die Abwägung erheblichen Umstände vorgenommen hat. Dazu gehört hier vor allem die Tatsache, dass der Angeklagte nicht nur einen Raubüberfall begangen hat, sondern dass er kurz danach an drei aufeinanderfolgenden Tagen im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit unterschiedlichen Mittätern ähnliche Taten begangen hat, wobei er die Tatobjekte zur Begehung der Raubüberfälle ausgekundschaftet und die Taten unter Berücksichtigung der jeweils gegebenen Umstände geplant und ausgeführt hat. Dies drängt zu der Annahme, dass die Begehung dieser sowie der nunmehr insgesamt über 80 Straftaten durch den zur Zeit der tatrichterlichen Hauptverhandlung 25-jährigen Angeklagten nicht Ausdruck einer durch häufige Tatbegehung abgesunkenen Hemmschwelle war, sondern auf eine verfestigte rechtsfeindliche Gesinnung und damit auf eine erhöhte kriminelle Intensität schließen lässt, zumal der Angeklagte bislang mehrere Bewährungschancen nicht genutzt und bereits Jugendstrafe verbüßt hat. Dies war auch nicht erst bei der Bildung der Gesamtstrafe zu berücksichtigen. Da die Schuld des Täters in Bezug auf die Einzeltaten durch eine Mehrheit von Taten erhöht werden kann, ist dieser Umstand vielmehr auch bei der Bemessung der Einzelstrafe und schon bei der Er- wägung mit in Betracht zu ziehen, ob jeweils ein minder schwerer Fall bejaht werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 271; Senatsurteil vom 23. Februar 1989 – 4 StR 8/89, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Beurteilungsrahmen 7).
24
Zu Recht beanstandet die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang auch die Erwägung des Landgerichts, zu Gunsten des Angeklagten sei zu berücksichtigen, dass dieser bei den Taten gegenüber den Opfern unmaskiert aufgetreten sei. Damit wird der zu Lasten des Angeklagten berücksichtigte Umstand , er sei bei diesen Taten jeweils raffiniert und planvoll vorgegangen, nicht nur in widersprüchlicher und daher kaum nachvollziehbarer Weise relativiert (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 22. Oktober 1986 – 2 StR 516/86, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 4). Die Formulierung lässt auch besorgen, dass sich die Strafkammer den Blick dafür verstellt hat, dass die fehlende Maskierung gerade Bestandteil des mit erheblicher krimineller Energie erdachten Tatplanes war, wonach die jeweils Geschädigten zunächst durch Vortäuschen von Kaufabsicht in Sicherheit gewiegt werden sollten, um die anschließende Tatausführung unter Ausnutzung des Überraschungsmoments zu erleichtern.
25
b) Sowohl bei der Wahl der Strafrahmen als auch bei der Festsetzung der Einzelstrafen hat das Landgericht jeweils zu Gunsten des Angeklagten die vollzogene Untersuchungshaft berücksichtigt. Untersuchungshaft ist indes, jedenfalls bei Verhängung einer zu verbüßenden Freiheitsstrafe, kein Strafmilderungsgrund , es sei denn, mit ihrem Vollzug wären ungewöhnliche, über die üblichen deutlich hinausgehende Beschwernisse verbunden (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2011 – 1 StR 407/11, NStZ 2012, 147; Urteil vom 19. Mai 2010 – 2 StR 102/10, NStZ 2011, 100; Urteil vom 19. Dezember 2002 – 3 StR 401/02, NStZ-RR 2003, 110, 111). Will der Tatrichter wegen besonde- rer Nachteile für den Angeklagten den Vollzug der Untersuchungshaft bei der Strafzumessung mildernd berücksichtigen, müssen diese Nachteile in den Urteilsgründen dargelegt werden (BGH, Urteil vom 14. Juni 2006 – 2 StR 34/06, NJW 2006, 2645). Daran fehlt es hier, zumal die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten im Wesentlichen seit der Vollstreckung der letzten Jugendstrafe unverändert geblieben sind.
26
c) Soweit das Landgericht den Angeklagten wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung und vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis verurteilt hat (Fall II. 12 der Urteilsgründe ), muss die Rechtsfolge ebenfalls neu zugemessen werden.
27
Die verhängte Einzelstrafe von einem Jahr und zwei Monaten lässt besorgen , dass die Strafkammer dem Maß der persönlichen Schuld des Angeklagten sowie dem Unrechtsgehalt und der Gefährlichkeit der Tat nicht hinreichend Rechnung getragen hat.
28
Das Landgericht hat bei der Festsetzung dieser Strafe eine Reihe von Umständen zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, von denen bereits jeder für sich genommen in erheblichem Maße straferhöhend ins Gewicht fällt. Es hat insbesondere darauf abgestellt, dass der Angeklagte bereits mehrfach einschlägig strafrechtlich in Erscheinung getreten ist und die einer Vorverurteilung zu Grunde liegende Tat „erschreckende Ähnlichkeit“ mit der abgeurteilten Tat aufweist. Auch habe der Angeklagte bei Tatbegehung unter laufender Bewährung gestanden und mehrere Straftatbestände tateinheitlich verwirklicht. "Ganz erheblich strafschärfend" müsse sich ferner auswirken, dass der Geschädigte "in überdurchschnittlicher Weise unter den Tatfolgen leidet" und sich weiterhin umfangreichen ärztlichen und therapeutischen Behandlungen unterziehen müsse. Vor dem Hintergrund dieser Erwägungen ist zu besorgen, dass die Strafkammer mit der Verhängung einer Einzelstrafe im unteren Bereich des zur Verfügung stehenden Strafrahmens unter Verkennung von Tatunrecht und -schuld den dem Tatrichter eingeräumten Beurteilungsrahmen unterschritten hat.
29
d) Zu Recht wendet sich die Beschwerdeführerin auch gegen die Erwägungen , die den Gesamtstrafausspruch des angefochtenen Urteils tragen.
30
Allerdings kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei der Bildung einer Gesamtstrafe strafmildernd ins Gewicht fallen, dass zwischen den einzelnen Taten ein enger zeitlicher, sachlicher und situativer Zusammenhang besteht (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 1995 – 1 StR 463/95, BGHR StGB § 54 Serienstraftaten 3 mwN). Auch bei der Bemessung einer Gesamtstrafe gilt jedoch, dass das Gesetz bei der Strafzumessung "von jedem Sche- matismus …" weit entfernt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt34, 345, 351). Vielmehr richtet es sich nach den Umständen des Einzelfalles, ob der genannte enge Zusammenhang bei der Gesamtstrafenbildung als bestimmender Strafzumessungsgrund im Sinne von § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO maßgeblich zu Gunsten des Täters zu werten und daher ausdrücklich zu erwägen ist oder nicht (BGH, Urteil vom 18. September 1995 aaO). Die strafmildernde Bedeutung dieses Umstandes beruht – etwa im Bereich von Sexualdelikten – darauf, dass die wiederholte Verwirklichung gleichartiger , gegen dasselbe Opfer gerichteter, einer persönlichen Beziehung entspringenden Taten nicht notwendig Ausdruck einer sich steigernden rechtsfeindlichen Einstellung sein muss; vielmehr kann die Hemmschwelle für die späteren Taten von Tat zu Tat niedriger geworden sein (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 1995 aaO).
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Vor dem Hintergrund der insbesondere zu den Taten des Raubes und der besonders schweren räuberischen Erpressung getroffenen Feststellungen lässt die Auffassung des Landgerichts, wegen des engen zeitlichen und situativen Zusammenhangs dieser (und anderer) Taten sei ein besonders straffer Zusammenzug aller verhängten Einzelstrafen vorzunehmen, hier jedoch einen weiteren Wertungsfehler besorgen. Der Angeklagte hat innerhalb eines sehr kurzen Tatzeitraums, in den Fällen II. 4, 5 und 6 an drei aufeinanderfolgenden Tagen, im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit unterschiedlichen Mittätern insgesamt drei verschiedene Tatobjekte zur Begehung von Raubüberfällen ausgekundschaftet, die Taten unter Berücksichtigung der jeweils gegebenen Umstände vor Ort geplant und in kurzer Folge ausgeführt. Danach liegt die Annahme, gerade diese Taten seien nicht der Ausdruck einer bei dem Angeklagten vorliegenden, sich steigernden rechtsfeindlichen Einstellung, auch angesichts seiner strafrechtlichen Vorbelastung und seines Bewährungsversagens fern.

III.


32
Auf den aufgezeigten Rechtsfehlern kann der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils insgesamt beruhen. Es ist nicht nur anzunehmen, dass der Tatrichter bei rechtsfehlerfreier Strafzumessung in den Fällen II. 3, 4, 5 und 6 nicht zur Annahme minder schwerer Fälle gekommen wäre. Vielmehr ist nicht auszuschließen, dass alle verhängten Einzelstrafen, die Gesamtfreiheitsstrafe und auch die angeordnete Sperrfrist deutlich höher ausgefallen wären.
Mutzbauer Roggenbuck Franke
Quentin Reiter

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Strafprozeßordnung - StPO | § 267 Urteilsgründe


(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese

Strafprozeßordnung - StPO | § 337 Revisionsgründe


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Strafgesetzbuch - StGB | § 54 Bildung der Gesamtstrafe


(1) Ist eine der Einzelstrafen eine lebenslange Freiheitsstrafe, so wird als Gesamtstrafe auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt. In allen übrigen Fällen wird die Gesamtstrafe durch Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe, bei Strafen verschiedener

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 5/07
vom
5. April 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Anstiftung zur uneidlichen Falschaussage u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 5. April 2007,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Prof. Dr. Kuckein,
Richterinnen am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 5. September 2006 im gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Betruges und wegen Anstiftung zur uneidlichen Falschaussage in neun Fällen, davon in zwei Fällen tateinheitlich begangen mit Beihilfe zum versuchten Betrug, unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Paderborn vom 17. Mai 2004 und Auflösung der darin gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Revision , mit der sie die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
2
1. Hintergrund der jetzt abgeurteilten Straftaten sind "Unregelmäßigkeiten" des Angeklagten bei seiner beruflichen Tätigkeit als Prüfingenieur bei der Technischen Prüf- und Überwachungsgesellschaft mbH (TPÜ), die Gegenstand der Verurteilung durch das Landgericht Paderborn vom 17. Mai 2004 sind, aus der das Landgericht im nunmehr angefochtenen Urteil die Einzelstrafen gemäß § 55 Abs. 1 StGB einbezogen hat. Nach den dazu mitgeteilten Feststellungen behielt der Angeklagte im Zeitraum von Dezember 1999 bis Ende September 2001 von ihm für Fahrzeuguntersuchungen nach § 29 StVZO eingenommene Beträge teilweise pflichtwidrig für sich, woraus sich ein Schaden für die TPÜ in Höhe von mindestens 95.214,50 DM ergab. Im November 2002 erging deshalb gegen ihn wegen Untreue ein Strafbefehl, gegen den der Angeklagte aber Einspruch einlegte. Darüber hinaus wurde der Angeklagte von der TPÜ vor dem Arbeitsgericht Paderborn auf Ersatz des Schadens in Anspruch genommen. Um den Beweis seiner Pflichtwidrigkeiten zu vereiteln, ließ der Angeklagte Unterlagen aus dem Firmengebäude entwenden, wobei die von ihm instruierten Täter auch noch Geld mitnahmen. Das Amtsgericht Paderborn verurteilte den Angeklagten deshalb wegen Untreue und wegen Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten. Auf die Berufungen sowohl der Staatsanwaltschaft als auch des Angeklagten verurteilte das Landgericht Paderborn den Angeklagten – wie erwähnt – am 17. Mai 2004 unter Verwerfung der weiter gehenden Berufungen wegen Untreue in 22 Fällen und wegen gemeinschaftlichen Diebstahls zu einer nicht zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, wobei es an Einzelstrafen neben drei Geldstrafen (zwischen 60 und 120 Tagessätzen) auf 20 Freiheitsstrafen von insgesamt sieben Jahren und einem Monat (fünfmal drei Monate , neunmal vier Monate, dreimal fünf Monate, zweimal sechs Monate und einmal sieben Monate) erkannte.
3
Gegenstand des nunmehr angefochtenen Urteils ist das Verhalten des Angeklagten im Rahmen des von der TPÜ gegen ihn angestrengten arbeitsgerichtlichen Verfahrens und des vorerwähnten Strafverfahrens. In dem Arbeits- rechtsstreit schloss der Angeklagte im Januar 2002 mit der TPÜ einen Vergleich , in dem er sich zur Zahlung von etwas mehr als 48.000 Euro verpflichtete. Später entschloss er sich jedoch, den Vergleich anzufechten, um sich zu Unrecht von seiner Zahlungspflicht zu befreien. Hierzu veranlasste er zwei Zeugen, im Termin vor dem Arbeitsgericht am 4. Juni 2003 wahrheitswidrig zu behaupten, der Angeklagte sei durch den Handlungsbevollmächtigten der TPÜ, Dr. B. , zum Abschluss des Vergleichs unter massiver Bedrohung mit Gefahr für Leib und Leben für sich und seine Familie genötigt worden. Das Arbeitsgericht glaubte den beiden Zeugen nicht und stellte die wirksame Beendigung des Verfahrens durch den Vergleich mit Urteil vom selben Tage fest. Die Berufung des Angeklagten wies das Landesarbeitsgericht durch Versäumnisurteil zurück. In dem Strafverfahren wegen Untreue wiederholten die beiden Zeugen auf Veranlassung des Angeklagten ihre bereits vor dem Arbeitsgericht gemachten wahrheitswidrigen Aussagen. Des Weiteren benannte der Angeklagte im Berufungsverfahren vor dem Landgericht fünf weitere Zeugen aus seinem Verwandten - und Freundeskreis, die auf seine Veranlassung der Wahrheit zuwider aussagten , die Manipulationen bei der Abrechnung seien auf Veranlassung und in Absprache mit dem Firmenchef der TPÜ geschehen. Das Landgericht schenkte den Zeugen keinen Glauben und verurteilte den Angeklagten deshalb am 17. Mai 2004 wie angegeben.
4
2. Die Überprüfung des Strafausspruchs aufgrund der erhobenen Sachrüge weist durchgreifende Rechtsfehler zu Gunsten des Angeklagten auf, die zur Aufhebung des gesamten Rechtsfolgenausspruchs zwingen.
5
Zwar ist die Strafzumessung grundsätzlich Sache des Tatrichters und ein Eingriff des Revisionsgerichts nur möglich, wenn die Strafzumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder nach unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein. Dagegen ist eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen (st. Rspr.; BGHSt 34, 345, 349).
6
Aber auch unter Zugrundelegung dieses eingeschränkten Prüfungsmaßstabes halten weder die Einzelfreiheitsstrafaussprüche (sechs Monate für den versuchten Betrug, jeweils neun Monate für die beiden Anstiftungen zur uneidlichen Falschaussage, tateinheitlich begangen mit Beihilfe zum versuchten Betrug , und jeweils sechs Monate für die sieben Anstiftungen zur uneidlichen Falschaussage) noch der Gesamtstrafenausspruch von zwei Jahren der rechtlichen Nachprüfung stand. Schon für sich gesehen sind sowohl die Einzelstrafen als auch die Gesamtstrafe angesichts der Hartnäckigkeit, mit der der Angeklagte auch dann noch sein kriminelles Tun fortgesetzt hat, als seine „Unregelmäßigkeiten“ bei der TPÜ bereits aufgedeckt waren und er deshalb auch schon sowohl zivil- als auch strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen worden war – ungewöhnlich milde. Die Strafbemessung wird dem Tatunrecht ungeachtet der dem Angeklagten vom Landgericht zugute gehaltenen Umstände nicht gerecht.
7
Davon abgesehen, erweisen sich die Strafzumessungserwägungen im angefochtenen Urteil zu Gunsten des Angeklagten auch als lücken- und deshalb als rechtsfehlerhaft. Das Landgericht hat zwar ganz allgemein den „beachtlichen Aufwand“, mit dem der Angeklagte in krimineller Weise tätig geworden ist und sein „erhebliches kriminelles Potential“, welches er an den Tag gelegt hat, zu seinen Lasten gewertet. Zu Recht beanstandet die Beschwerdeführerin jedoch , dass das Landgericht im Rahmen der Strafzumessungserwägungen völlig außer Acht gelassen hat, dass der Angeklagte den Zeugen Dr. B. über mehrere Jahre hinweg in Bezug auf das Zustandekommen des arbeitsgerichtlichen Vergleichs in massiver Weise bewußt fälschlich eines auch strafrechtlich relevanten , besonders verwerflichen Vorgehens bezichtigt hat. Auch wenn der Tatrichter nicht gehalten ist, sämtliche Strafzumessungsgründe in den Urteilsgründen anzugeben (vgl. Meyer-Goßner StPO 49. Aufl. § 267 Rdn. 18), durfte die Strafkammer diesen fraglos „bestimmenden“ (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO) Gesichtspunkt nicht außer Betracht lassen.
8
Angesichts der auffallend milden Einzelstrafen und der Gesamtstrafe ist zudem zu besorgen, dass der Tatrichter Gesichtspunkte der Strafzumessung im Sinne der Findung einer schuldangemessenen Strafe mit solchen der Strafaussetzung zur Bewährung vermengt und die Bemessung der Strafen so vorgenommen hat, dass die Vollstreckung noch zur Bewährung ausgesetzt werden konnte (vgl. BGHSt 29, 319, 321; BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 29).
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3. Über den Strafausspruch ist deshalb insgesamt neu zu verhandeln und zu entscheiden.
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Soweit die Beschwerdeführerin die strafmildernde Bewertung des Geständnisses des Angeklagten mit der Behauptung angreift, dieses sei erst erfolgt, nachdem das Landgericht dem Angeklagten in Aussicht gestellt habe, im Falle eines Geständnisses im Höchstmaß eine Freiheitsstrafe mit Bewährung zu verhängen, ist dies urteilsfremd und kann daher im Revisionsverfahren keine Beachtung finden. Eine Verfahrensrüge - etwa im Rahmen eines Ablehnungsgesuchs - hat die Staatsanwaltschaft nicht erhoben.
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4. Mit der Aufhebung des Urteils im Strafausspruch und der Zurückverweisung der Sache an das Landgericht ist die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung des angefochtenen Urteils gegenstandslos. Davon abgesehen, zeigt die Beschwerdeführerin auch nicht auf, inwieweit diese Entscheidung fehlerhaft sein könnte.
Tepperwien Maatz Kuckein
Solin-Stojanović Sost-Scheible

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 407/11
vom
13. Oktober 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges oder Computerbetruges
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Oktober 2011 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
München II vom 24. März 2011 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.

Gründe:

1
1. Der Angeklagte hatte als Angestellter eines Telefon-Shops eine zentrale Rolle in einem näher geschilderten System zur Erlangung von Mobiltelefonen und Notebooks auf Kosten der Telefongesellschaft. Ihr wurde unter Vorlage manipulierter Personalpapiere vorgespiegelt, (überwiegend) nicht existierende oder (in einigen Fällen) wegen falscher Angaben kaum ermittelbare Personen wollten Mobilfunkverträge abschließen. Nachdem eine - im Einzelfall nicht mehr feststellbar - automatisiert oder durch einen Mitarbeiter der Gesellschaft durch Abgleich mit Schuldnerdateien vorgenommene Bonitätsprüfung wie eingeplant wegen der erfundenen Angaben nichts Negatives ergeben hatte, wurden die Geräte in den Shop übersandt, die der Angeklagte und weitere Beteiligte für sich behielten und verwerteten.
2
2. Auf Grundlage dieser Feststellungen wurde der Angeklagte wahlweise wegen (gewerbsmäßigen) Betrugs oder (gewerbsmäßigen) Computerbetrugs in 51 Fällen zu drei Jahren und drei Monaten Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt.
3
3. Seine uneingeschränkt eingelegte, auf die Sachrüge gestützte Revision ist unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO). In der Revisionsbegründung des ge- richtlich bestellten Verteidigers heißt es, dass der „Tatbestand des gewerbsmäßigen Betrugs oder Computerbetrugs erfüllt“ sei; näher begründet ist bean- tragt (§ 344 Abs. 1 StPO), den Strafausspruch aufzuheben; im Übrigen, so heißt es abschließend, sei die Sachrüge allgemein erhoben. In einem späteren Schriftsatz legt eine Wahlverteidigerin dar, warum hier kein Betrug vorliege. Trotz des zum Revisionsumfang insgesamt nicht völlig klaren Vorbringens geht der Senat hier von einer umfassenden Urteilsanfechtung aus.
4
4. Die Revision meint, der Schuldspruch könne schon deshalb keinen Bestand haben, weil der Angeklagte keinen Einfluss darauf gehabt habe, mit wem die Telefongesellschaft nach Durchführung einer Bonitätsprüfung einen Vertrag abschließe; da dies allein deren Risiko sei, liege keine Täuschung i.S.d. § 263 StGB vor. Dieses Vorbringen versagt. Grundsätzlich reicht es aus, wenn die Täuschung (eine mit falschem Namen und/oder Anschrift bezeichnete Person will einen Vertrag abschließen), den Irrtum des Getäuschten (diese Person ist „zahlungsfähig“, da sie nicht in Schuldnerdateien eingetragen ist), mitverur- sacht hat (vgl. Satzger in SSW-StGB, § 263 Rn. 86; Cramer/Perron in Schönke /Schröder, StGB, 28. Aufl., § 263 Rn. 43; Tiedemann in LK, 11. Aufl., § 263 Rn. 93 jew. mwN). Dies gilt umso mehr, als der Irrtum über die „Zahlungsfähigkeit“ einer Person nur auf Grundlage des vom Angeklagten durch Täuschung hervorgerufenen Irrtums über deren Existenz entstehen konnte. Es war in dem in Kenntnis der Abläufe bei der Telefongesellschaft geschaffenen System angelegt , dass der im Abgleich der Schuldnerdateien liegende Überprüfungsmechanismus ins Leere gehen musste. Unter diesen Umständen stellt sich daher die Frage nach einer Risikoverteilung nicht, ohne dass der Senat der Frage nachgehen müsste, ob dies in anderen Fallgestaltungen Bedeutung gewinnen kann. Die Auffassung der Revision, die gebotene Übertragung der Grundsätze zur verfassungskonformen Auslegung des Untreuetatbestandes (vgl. BVerfG NJW 2010, 3209; BGH, Beschluss vom 13. September 2010 - 1 StR 220/09 NJW 2011, 88; NJW 2011, 1747), ergebe (dennoch), dass hier mangels relevanter Täuschung kein Betrug vorliege, zeigt einen Rechtsirrtum des Landgerichts nicht auf.
5
5. Entsprechendes gilt im Ergebnis für das sonstige Revisionsvorbringen. Ergänzend ist lediglich hinsichtlich des Strafausspruchs zu bemerken:
6
Der Angeklagte ist türkischer Staatsbürger, der seit seiner Geburt (1985) in Deutschland lebt. Wegen der Höhe der Strafe, so führt die Revision aus, lägen beim Angeklagten gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG i.V.m. § 56 Abs. 1 Nr. 2 und § 56 Abs. 1 Satz 4 AufenthG die Voraussetzungen einer sog. „Re- gelausweisung“ vor; da somit die zuständige Behörde kein Ermessen habe, könnten besondere Härten nicht hinlänglich berücksichtigt werden. Dies hätte bei der Strafzumessung erörtert werden müssen.
7
Der Senat sieht keinen Rechtsfehler.
8
Ausländerrechtliche Folgen einer Tat sind regelmäßig keine bestimmenden Strafzumessungsgründe (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juli 2010 - 1 StR 349/10; BGH, Beschluss vom 31. August 2007 - 2 StR 304/07, StV 2008, 298 mwN). Dies gilt auch bei einer zwingend vorgeschriebenen Ausweisung (BGH, Beschlüsse vom 31. August 2007 - 2 StR 304/07, StV 2008, 298 und 5. Dezember 2001 - 2 StR 273/01, NStZ 2002, 196 mwN); anderes kann nur dann gelten, wenn zusätzliche Umstände hinzutreten, die die Ausweisung als besondere Härte erscheinen lassen (BGH, aaO). Der Senat braucht jedoch nicht der Frage nachzugehen, wie derartige Umstände, die sich jedenfalls von den notwendig oder erfahrungsgemäß häufig mit einer Ausweisung verbundenen Belastungen wegen einzelfallbedingter Besonderheiten in klar erkennbarer Weise nachhaltig unterscheiden müssen, konkret beschaffen sein könnten. Hier fehlt es nämlich schon an einer zwingend vorgeschriebenen Ausweisung. Auch bei einer Regelausweisung gemäß § 56 Abs. 1 Satz 4 AufenthG kann nämlich die Ausländerbehörde bei bedeutsamen atypischen Umständen von einer Ausweisung absehen (vgl. Alexy in Hofmann/Hoffmann, AusländerR, § 56 AufenthG Rn. 25 ff. mwN). Es ist daher davon auszugehen, dass auch in derartigen Fällen die Ausländerbehörden ungewöhnliche Besonderheiten im Rahmen ihrer gerichtlich überprüfbaren Entscheidung zu bedenken haben (vgl. BGH, NStZ, aaO), eine Erörterung der Voraussetzungen einer Regelausweisung als wesentlicher Strafzumessungsgrund ist daher nicht geboten.
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6. Die Strafkammer hält es im Rahmen der Strafzumessung für „positiv“, dass gegen den Angeklagten - mehrere Monate lang auch vollzogene - Untersuchungshaft angeordnet werden musste. Dieser offenbar als stets strafmil- dernd angesehene Gesichtspunkt falle hier „umso stärker“ ins Gewicht, als es dem erstmals inhaftierten Angeklagten aus nicht konkret genannten Gesundheitsgründen dabei „nicht gut ging“. Untersuchungshaft ist jedoch, jedenfalls bei Verhängung einer zu verbüßenden Freiheitsstrafe, kein Strafmilderungsgrund (vgl. BGH, Urteil vom 19. Mai 2010 - 2 StR 102/10, NStZ 2011, 100; Urteil vom 19. Dezember 2002 - 3 StR 401/02, NStZ-RR 2003, 110; zusammenfassend Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 4. Aufl., Rn. 434 jew. mwN). Erstmaliger Vollzug von Untersuchungshaft (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 21. Dezember 1993 - 5 StR 683/93, NStZ 1994, 198; BGH, Urteil vom 14. Juni 2006 - 2 StR 34/06, NJW 2006, 2645) oder Krankheit während der Un- tersuchungshaft (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 25. November 1983 - 2 StR 717/83, StV 1984, 151 ) können allenfalls dann strafmildernd sein, wenn damit ungewöhnliche, über die üblichen deutlich hinausgehende Beschwernisse verbunden sind (zusammenfassend Fischer, StGB, 58. Aufl., § 46 Rn. 72, 73 mwN). Allein der Hinweis auf ein eingeschränktes Wohlbefinden belegt dies nicht. All dies hat sich aber nur zu Gunsten des Angeklagten ausgewirkt.
Nack Wahl Rothfuß RiBGH Prof. Dr. Jäger ist urlaubsabwesend und deshalb an der Unterschrift gehindert. Graf Nack

(1) Ist eine der Einzelstrafen eine lebenslange Freiheitsstrafe, so wird als Gesamtstrafe auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt. In allen übrigen Fällen wird die Gesamtstrafe durch Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe, bei Strafen verschiedener Art durch Erhöhung der ihrer Art nach schwersten Strafe gebildet. Dabei werden die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend gewürdigt.

(2) Die Gesamtstrafe darf die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen. Sie darf bei zeitigen Freiheitsstrafen fünfzehn Jahre und bei Geldstrafe siebenhundertzwanzig Tagessätze nicht übersteigen.

(3) Ist eine Gesamtstrafe aus Freiheits- und Geldstrafe zu bilden, so entspricht bei der Bestimmung der Summe der Einzelstrafen ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe.

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.