Landgericht Düsseldorf Urteil, 26. März 2015 - 4b O 10/14
Tenor
I. Die Beklagte wird verurteilt,
1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise auch Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle mehrerer Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an einem ihrer gesetzlichen Vertreter zu vollstrecken ist, zu unterlassen,
a) Mobiltelefone anzubieten und/oder zu liefern, die zur Ausübung eines Verfahrens zum Modulieren der Amplitude des Antennen-Signals (Sa) eines induktiven Antennen-Schaltkreises geeignet sind, enthaltend eine Spule, mittels eines Steuer-Schaltkreises, der binäre Anschlüsse (P1 bis P7) enthält, die in einen Zustand hoher Impedanz (HZ) gebracht werden können und einen Innen-Widerstand von nicht Null aufweisen, wobei der Antennen-Schaltkreis von mindestens zwei Anschlüssen (P1 bis P4) des Steuer-Schaltkreises elektrisch versorgt wird, wobei das Verfahren die Schritte aufweist:
- Setzen der Anschlüsse (P1 bis P4), welche die elektrische Versorgung des Antennen-Schaltkreises sicherstellen, auf „1“, um den Antennen-Schaltkreises mit voller Energie zu versorgen, und
- Modifizieren des Zustands von mindestens einem der Anschlüsse (P1 bis P4), die die elektrische Versorgung des Antennen-Schaltkreises sicherstellen, um die Amplitude des Antennen-Signals (Sa) zu modulieren;
und/oder
b) Vorrichtungen zur Ausgabe von Daten durch induktive Kopplung anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen, umfassend einen Antennen-Schaltkreis vom induktiven Typ, enthaltend eine Spule, durch die ein Antennen-Signal (Sa) läuft, einen Steuer-Schaltkreis des Antennen-Schaltkreises, der binäre Anschlüsse (P1 bis P7) enthält, die auf hohe Impedanz (HZ) gebracht werden können und einen Innen-Widerstand von nicht Null aufweisen, wobei der Antennen-Schaltkreis elektrisch von mindestens zwei Anschlüssen (P1 bis P4) des Steuer-Schaltkreises versorgt wird, und der Steuer-Schaltkreis angeordnet ist, um die Amplitude des Antennen-Signals (Sa) mit dem Verfahren gemäß I. 1. a) zu modulieren;
2. der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses vollständig darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 06.09.2010 begangen hat, und zwar unter Angabe
a) der einzelnen Lieferungen und Bestellungen, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Liefer- und Bestellmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Herstellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei die Beklagte hinsichtlich der Angaben zu lit. a) Rechnungen vorzulegen hat, und
wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der Angebotsempfänger und nicht gewerblichen Abnehmer statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernimmt und ihn ermächtigt, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist.
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen,
- der der A. durch die unter Ziffer I. 1. bezeichneten, in dem Zeitraum vom 06.09.2010 bis zum 18.12.2014 begangenen Handlungen und
- der der Klägerin durch die unter Ziffer I. 1 . bezeichneten, seit dem 19.12.2014 begangenen Handlungen
entstanden ist und noch entstehen wird.
III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
IV. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
V. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000.000,00 EUR vorläufig vollstreckbar, wobei die einzelnen titulierten Ansprüche gegen Teilsicherheiten wie folgt vollstreckt werden können:
Unterlassung (I. 1.): 8.000.000,00 EUR
Rechnungslegung (I. 2.): 1.500.000,00 EUR
Kosten (III.): 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages
1
4b O 10/14 |
Verkündet am 26.03.2015 Brassel, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle |
Landgericht Düsseldorf
3IM NAMEN DES VOLKES
4Urteil
5In dem Rechtsstreit
6hat die 4b. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 19. Februar 2015 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. Voß, die Richterin am Landgericht Dr. Fehre und die Richterin am Landgericht Dr. Thom
7für R e c h t erkannt:
8I. Die Beklagte wird verurteilt,
91. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise auch Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle mehrerer Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an einem ihrer gesetzlichen Vertreter zu vollstrecken ist, zu unterlassen,
10a) Mobiltelefone anzubieten und/oder zu liefern, die zur Ausübung eines Verfahrens zum Modulieren der Amplitude des Antennen-Signals (Sa) eines induktiven Antennen-Schaltkreises geeignet sind, enthaltend eine Spule, mittels eines Steuer-Schaltkreises, der binäre Anschlüsse (P1 bis P7) enthält, die in einen Zustand hoher Impedanz (HZ) gebracht werden können und einen Innen-Widerstand von nicht Null aufweisen, wobei der Antennen-Schaltkreis von mindestens zwei Anschlüssen (P1 bis P4) des Steuer-Schaltkreises elektrisch versorgt wird, wobei das Verfahren die Schritte aufweist:
11- Setzen der Anschlüsse (P1 bis P4), welche die elektrische Versorgung des Antennen-Schaltkreises sicherstellen, auf „1“, um den Antennen-Schaltkreises mit voller Energie zu versorgen, und
12- Modifizieren des Zustands von mindestens einem der Anschlüsse (P1 bis P4), die die elektrische Versorgung des Antennen-Schaltkreises sicherstellen, um die Amplitude des Antennen-Signals (Sa) zu modulieren;
13und/oder
14b) Vorrichtungen zur Ausgabe von Daten durch induktive Kopplung anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen, umfassend einen Antennen-Schaltkreis vom induktiven Typ, enthaltend eine Spule, durch die ein Antennen-Signal (Sa) läuft, einen Steuer-Schaltkreis des Antennen-Schaltkreises, der binäre Anschlüsse (P1 bis P7) enthält, die auf hohe Impedanz (HZ) gebracht werden können und einen Innen-Widerstand von nicht Null aufweisen, wobei der Antennen-Schaltkreis elektrisch von mindestens zwei Anschlüssen (P1 bis P4) des Steuer-Schaltkreises versorgt wird, und der Steuer-Schaltkreis angeordnet ist, um die Amplitude des Antennen-Signals (Sa) mit dem Verfahren gemäß I. 1. a) zu modulieren;
152. der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses vollständig darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 06.09.2010 begangen hat, und zwar unter Angabe
16a) der einzelnen Lieferungen und Bestellungen, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Liefer- und Bestellmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
17b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
18c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Herstellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
19d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
20wobei die Beklagte hinsichtlich der Angaben zu lit. a) Rechnungen vorzulegen hat, und
21wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der Angebotsempfänger und nicht gewerblichen Abnehmer statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernimmt und ihn ermächtigt, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist.
22II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen,
23- der der A. durch die unter Ziffer I. 1. bezeichneten, in dem Zeitraum vom 06.09.2010 bis zum 18.12.2014 begangenen Handlungen und
24- der der Klägerin durch die unter Ziffer I. 1 . bezeichneten, seit dem 19.12.2014 begangenen Handlungen
25entstanden ist und noch entstehen wird.
26III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
27IV. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
28V. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000.000,00 EUR vorläufig vollstreckbar, wobei die einzelnen titulierten Ansprüche gegen Teilsicherheiten wie folgt vollstreckt werden können:
29Unterlassung (I. 1.): 8.000.000,00 EUR
30Rechnungslegung (I. 2.): 1.500.000,00 EUR
31Kosten (III.): 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages
32Tatbestand
33Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents B(Klagepatent) auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch. Inhaberin des Klagepatents ist die A.. Von dieser, damals noch firmierend unter C., später unter D., mit Sitz in X, wurde das Klagepatent am 22.03.2000 unter Inanspruchnahme einer französischen Priorität vom 25.03.1999 angemeldet. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 04.09.2002 veröffentlicht. Das Patent steht in Kraft.
34Unter dem 02.06.2014 hat die Beklagte beim Bundespatentgericht Nichtigkeitsklage eingereicht mit dem Antrag, das Klagepatent im Umfang der Ansprüche 1 und 5 für nichtig zu erklären. Über die Nichtigkeitsklage wurde bislang noch nicht entschieden.
35Das Klagepatent bezieht sich auf ein Verfahren zum Modulieren der Amplitude eines Signals und dessen Ausstrahlung durch eine Antenne. Die von der Klägerin geltend gemachten Patentansprüche 1 und 5 des Klagepatents, dessen Verfahrenssprache französisch ist, lauten in der deutschen Übersetzung wie folgt:
361. Verfahren zum Modulieren der Amplitude des Antennen-Signals (Sa) eines induktiven Antennen-Schaltkreises (10), enthaltend eine Spule (11), mittels eines Steuer-Schaltkreises (2), der binäre Anschlüsse (P1 bis P7) enthält, die in einen Zustand hoher Impedanz (HZ) gebracht werden können und einen Innen-Widerstand von nicht Null aufweisen, dadurch gekennzeichnet, dass der Antennen-Schaltkreis (10) von mindestens zwei Anschlüssen (P1 bis P4) des Steuer-Schaltkreises (2) elektrisch versorgt wird, wobei das Verfahren die Schritte aufweist:
37- Setzen der Anschlüsse (P1 bis P4), welche die elektrische Versorgung des Antennen-Schaltkreises (10) sicherstellen, auf „1“, um den Antennen-Schaltkreises mit voller Energie zu versorgen, und
38- Modifizieren des Zustands von mindestens einem der Anschlüsse (P1 bis P4), die die elektrische Versorgung des Antennen-Schaltkreises (10) sicherstellen, um die Amplitude des Antennen-Signals (Sa) zu modulieren.
395. Vorrichtung (20, 30) zur Ausgabe von Daten durch induktive Kopplung, umfassend einen Antennen-Schaltkreis (10) vom induktiven Typ, enthaltend eine Spule (11), durch die ein Antennen-Signal (Sa) läuft, einen Steuer-Schaltkreis (2) des Antennen-Schaltkreises (10), der binäre Anschlüsse (P1 bis P7) enthält, die auf hohe Impedanz (HZ) gebracht werden können und einen Innen-Widerstand von nicht Null aufweisen, dadurch gekennzeichnet, dass der Antennen-Schaltkreis (10) elektrisch von mindestens zwei Anschlüssen (P1 bis P4) des Steuer-Schaltkreises (2) versorgt wird, und dass der Steuer-Schaltkreis (2) angeordnet ist, um die Amplitude des Antennen-Signals (Sa) mit dem Verfahren gemäß einem der Ansprüche 1 bis 3 zu modulieren.
40Nachfolgend werden in leicht verkleinerter Form aus der Klagepatentschrift stammende Schaltbilder wiedergegeben. Figur 1 zeigt das elektrische Schaltbild einer Vorrichtung zum Übertragen von Daten nach der Erfindung, Figuren 4 und 5 zeigen das elektrische und das logische Schaltbild eines Mikroprozessoranschlusses.
41 42 43 44Am 20.06.2012 unterzeichneten die Herren E als Président du directoire der A. und F als Directeur général der Klägerin einen Patentlizenzvertrag betreffend G (nachfolgend Lizenzvertrag I). Gemäß Art. 2 Ziff. 2.1.1 räumte die A. der Klägerin eine ausschließliche Lizenz an verschiedenen Schutzrechten, darunter auch dem Klagepatent, ein. Wegen der Einzelheiten der Vereinbarung wird auf die Anlage K 5c Bezug genommen.
45Am 19.12.2014 unterzeichneten die Herren H als Membre du directoire der A. und Fals Directeur général der Klägerin einen weiteren Patentlizenzvertrag für die G, mit dem sie in der Zwischenzeit vereinbarte Vertragsergänzungen und -änderungen in einer konsolidierten Vertragsfassung zusammenfassten (nachfolgend Lizenzvertrag II). Wiederum räumte die A. mit Art. 2 Ziff. 2.1.1 der Klägerin eine ausschließliche Lizenz an verschiedenen Schutzrechten, darunter auch dem Klagepatent ein. Gemäß Ziffer 10 des Vertrages wurde der ursprüngliche Lizenzvertrag beendet und durch den neuen Vertrag ersetzt. Wegen der weiteren Einzelheiten des neuen Vertrages wird auf die Anlage K 5d Bezug genommen.
46Am 27. und 28.01.2015 unterzeichneten die Herren H und F weiterhin eine Änderung des am 19.12.2014 unterzeichneten neuen Lizenzvertrages, mit der die Patentinhaberin gegenüber der Klägerin die Abtretung aller Schadensersatzansprüche erklärte, die der Klägerin in Verbindung mit dem Klagepatent entstanden. Wegen der Einzelheiten der Änderungsvereinbarung wird auf Anlage K 23 verwiesen.
47Die Beklagte ist Teil der I, die sich unter anderem mit der Herstellung und dem Vertrieb von Mobilfunkgeräten beschäftigt. Die Mobilfunkgeräte werden auf den als Anlagen K3 und K7 auszugsweise wiedergegebenen Internetseiten unter der Domain I beworben und zum Verkauf, auch in der Bundesrepublik Deutschland, angeboten. Urheberrechtlich gestaltet wurden diese Internetseiten von der J(Copyright J). Auch die Domain-Adresse I gehört der J. Allerdings wird die Beklagte im Impressum (Anlage K 16, K 26) genannt. Unter dem Suchbegriff „K“ erscheint die Beklagte als erstes Suchergebnis bei Google unter der Impressumsangabe (Anlage K25). Die Telefonnummer der Beklagten erscheint unter der Rubrik „Kontakt“ und „Anrufen“ auf der Internetseite X (Anlage K26) und ist die gleiche, die beim L in Deutschland erscheint. Auch bei der Anwahl von Deutschland unter der Länderseite öffnet sich der als Anlage K 28 vorgelegte Ausdruck mit den Schaltflächen „Anrufen“ unter Kontakt und „Support Center“. Ausweislich des als Anlage K17 vorgelegten Handelsregisterauszugs HRB 88937 ist Gegenstand des Unternehmens der Beklagten der Vertrieb, Verkaufs- und Marketingunterstützung sowie der Kundendienst. Sie beschäftigt Mitarbeiter für die Bereiche „Sales“ und „Distribution“ sowie „Regional Key Account Manager“ für deutsche Mobilfunknetzanbieter.
48Die Klage richtet sich gegen Angebot und Vertrieb NFC-fähiger Mobilfunkgeräte wie das Mobiltelefon „M“ durch die Beklagte. Mit der G („Near Field Communication“) ist eine Kommunikation durch kontaktlose Übertragung von Daten zwischen zwei Geräten über kurze Distanzen von wenigen Zentimetern möglich, wie z.B. bei der Ticketbezahlung durch ein NFC-fähiges-Smartphone bei der Deutschen Bahn. Umgesetzt wird die Kommunikation durch einen NFC-Controller im Zusammenwirken mit anderen Komponenten (z.B. einer Antennenschaltung). In NFC-fähigen Mobiltelefonen, die von dem I-Konzern stammen, z. B. dem „M“, handelt es sich bei dem NFC-Controller um den NFC-Chip „N“, der dort mit anderen Komponenten (z.B. der Antennenschaltung) verbaut ist (nachfolgend: angegriffene Ausführungsform).
49Der NFC-Chip N dient der kontaktlosen Kommunikation bei 13,56 MHz, unter anderem entsprechend den Vorgaben der Standards ISO 14443 Typ A und ISO 14443 Typ B. Nachstehend ist ein typisches Anwendungsschaltkreisdiagramm für den NFC-Chip dargestellt. Die Abbildung stammt aus einem Datenblatt des Chip-Anbieters O für diesen Chip (Anlage K 10). Die weiteren Abbildungen stammen aus einer von der Beklagten bei dem Unternehmen P in Auftrag gegebenen Chip-Analyse und geben Teile der Schaltung des Senderteils des Chips N (Aufbau des Senderkerns) wieder (Anlage K 12).
50 51X
52Im Hinblick auf ihre Aktivlegitimation behauptet die Klägerin, ihr sei durch den Lizenzvertrag I vom 20.12.2012 (Anlage K5c, dort Art. 2.1.1.) eine ausschließliche Lizenz am Klagepatent erteilt worden. Diese Lizenz sei durch den Abschluss des zweiten Lizenzvertrages vom 19.12.2014 (Anlage K5d) bestätigt und erneuert worden.
53Zur Passivlegitimation der Beklagten behauptet die Klägerin, die Beklagte selbst biete die angegriffene Ausführungsform in Deutschland an und vertreibe sie. Jedenfalls aber fördere sie durch ihr Handeln die Vertriebstätigkeit der Jin Deutschland. Für die als Anlagen K 3 und K 7 vorgelegten Internetseiten I werde als Verantwortliche ausweislich der Anlage K3 die Beklagte genannt. Dies stimme überein mit den Angaben im Handelsregister, wonach die Beklagte verantwortlich sei für den Vertrieb, den Kundendienst sowie die Verkaufs- und Marketingunterstützung. Die Beklagte zeige auf ihrer Internetseite Smartphones, die über die streitgegenständliche G verfügten. Dies sei ausreichend, um die Beklagte in der geltend gemachten Weise in Anspruch nehmen zu können.
54In dem Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform sieht die Klägerin eine mittelbare Verletzung des Klagepatentanspruchs 1 sowie eine wortsinngemäße Verletzung des Klagepatentanspruchs 5. Die Klagepatentansprüche seien im Hinblick auf den Begriff der binären Anschlüsse dahingehend auszulegen, dass diese lediglich zwei Zustände annehmen können müssten. Es genüge, wenn die Anschlüsse – wie von der patentgemäßen Lehre gefordert – in den Zustand „1“ und den Zustand „HZ“ gebracht werden könnten. Für einen dritten Zustand „0“ bestehe keine zwingende Notwendigkeit. Ob die mindestens zwei binären Anschlüsse dann innerhalb oder außerhalb des Steuer-Schaltkreises parallel geschaltet würden, sei unbeachtlich. Ebenso wenig sei es notwendig, dass zwingend alle Anschlüsse, die überhaupt für die elektrische Versorgung der Antenne genutzt werden könnten, für die Energieversorgung der Antennenschaltung eingesetzt würden. Davon seien jedenfalls solche Anschlüsse ausgenommen, die Energie mit entgegengesetztem elektrischen Vorzeichen bereitstellten.
55Die Verwirklichung der patentgemäßen Lehre durch die angegriffene Ausführungsform ergebe sich aus dem zum NFC-Controller N gehörigen Datenblatt, den von den Unternehmen P extrahierten Schaltbildern und dem Umstand, dass der NFC-Controller der ISO/A- und ISO/B-Norm genüge. Das einfache Bestreiten der Beklagten sei insofern unerheblich. Der NFC-Controller weise binäre Anschlüsse im Sinne des Klagepatents auf. Es handele sich um die Knotenpunkte, mit denen die PMOS-Transistoren an die zum Ausgang TX1 beziehungsweise TX1 führende Leitung angeschlossen seien. Die PMOS-Transistoren könnten die Zustände „1“ und „HZ“ annehmen. Selbst wenn verlangt würde, dass die Anschlüsse auch den Zustand „0“ annehmen können müssten, werde die Lehre des Klagepatents verwirklicht, weil die Schaltung der PMOS- und NMOS-Transistoren im Sendertreiber des Controllers (Schaltbild 5.1.4 der Anlage K 12) elektrotechnisch nahezu exakt der Schaltung der binären Anschlüsse im Ausführungsbeispiel des Klagepatents entspreche. Die zum Ausgang TX1 gehörige Steuerschaltung sei dabei mit der zum Ausgang TX2 gehörigen Schaltung identisch, versorge die Antennenschaltung jedoch mit Energie mit umgekehrtem Vorzeichen. Diese Schaltungsanordnung verletze das Klagepatent quasi doppelt. Dass der Zustand der binären Anschlüsse der angegriffenen Ausführungsform zwecks Amplitudenmodulation modifiziert werde, ergebe sich schließlich daraus, dass der NFC-Controller N der ISO/A- und ISO/B-Norm genüge. Damit sei die angegriffene Ausführungsform zur Anwendung des geschützten Verfahrens objektiv geeignet. Auf die NFC-Fähigkeit der angegriffenen Ausführungsform weise die Beklagte explizit hin.
56Eine Aussetzung des Rechtsstreits sei nicht veranlasst, weil die gegen das Klagepatent gerichtete Nichtigkeitsklage keine Aussicht auf Erfolg habe.
57Nachdem die Klägerin ursprünglich noch die Feststellung beantragt hat, dass die Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin den ihr entstandenen Schaden zu ersetzen, beantragt sie nunmehr,
58zu erkennen wie geschehen, wobei die Ansprüche auf Rechnungslegung und Schadensersatz (Anträge zu I. 2. und II.) bereits für die Zeit seit dem 04.10.2002 geltend gemacht werden,
59hilfsweise zum Antrag zu I. 1. b)
60- im Falle des Anbietens im Angebot ausdrücklich und unübersehbar darauf hinzuweisen, dass die Mobiltelefone nicht ohne Zustimmung der Klägerin als ausschließlicher Lizenznehmerin des EP Bfür den NFC-Modus verwendet werden dürfen;
61- im Falle der Lieferung den Abnehmern unter Auferlegung einer an die Klägerin als ausschließliche Lizenznehmerin zu zahlende Vertragsstrafe von 10.000,00 EUR für jeden Fall der Zuwiderhandlung die schriftliche Verpflichtung aufzuerlegen, die Mobiltelefone nicht ohne Zustimmung der Klägerin als ausschließliche Lizenznehmerin des EP Bfür den NFC-Modus zu verwenden.
62Die Beklagte beantragt,
63die Klage abzuweisen,
64hilfsweise den Rechtsstreit bis zu einer erstinstanzlichen Entscheidung des Bundespatentgerichts in dem Nichtigkeitsverfahren über den Rechtsbestand des deutschen Teils des europäischen Patents EP 1 163 718 B 1 auszusetzen,
65weiter hilfsweise für den Fall einer Verurteilung eine Vollstreckungssicherheitsleistung in Höhe von mindestens 300 Mio EUR anzuordnen.
66Die Klägerin tritt dem Aussetzungsantrag entgegen.
67Hinsichtlich der Aktivlegitimation bestreitet die Beklagte mit Nichtwissen, dass die Klägerin und die A. beim Abschluss des Lizenzvertrages I wirksam vertreten gewesen seien. Zudem ist sie der Auffassung, beide Verträge würden der Klägerin keine ausschließliche, sondern lediglich eine einfache Lizenz einräumen. Dies ergebe sich aus dem Verbot der Unterlizenzerteilung. Zudem sei das klägerische Vorgehen nicht von dem in der Lizenzvereinbarung genannten NFC Licensing Program gedeckt. Außerdem sei nicht ersichtlich, dass der Klägerin vor der Lizenzerteilung entstandene Ansprüche auf Schadensersatz wirksam abgetreten worden seien.
68Im Hinblick auf die Passivlegitimation behauptet die Beklagte, sie sei weder Herstellerin der angegriffenen Ausführungsformen noch in dem vorwiegend in Asien stattfindenden Herstellungsprozess der streitgegenständlichen Mobiltelefone eingebunden. Allein aus ihrer Nennung im Impressum der Website I ergebe sich nicht, dass sie die angegriffene Ausführungsform in äußerlich wahrnehmbarer Weise zum Erwerb der Verfügungsgewalt bereitgestellt habe. Dies sei aber zur Verwirklichung eines patentrechtlich relevanten Anbietens erforderlich. Im Übrigen sei das Impressum auch nicht zutreffend, da die genannte Webseite nicht von ihr, sondern von der J betrieben werde. Aufgrund seiner rein deklaratorischen Natur sei das Impressum für die Entstehung von Sorgfaltspflichten und deren Verletzung nicht konstitutiv. Die tatsächliche und rechtliche Herrschaftsmacht über die Gestaltung der Website – einschließlich der deutschsprachigen Fassung – liege allein bei der I Corporation. Die Unrichtigkeit des auf der Webseite aufgeführten Impressums ergebe sich schon daraus, dass dort als Geschäftsführer Herr Q genannt werde. Dieser sei hingegen nicht der Geschäftsführer der Beklagten, sondern der CEO der I Corporation. Auch der Handelsregisterauszug könne den konkreten Nachweis einer Verletzungshandlung nicht ersetzen, da die Eintragung keine Angabe enthalte, welche Waren vertrieben würden. Sie – die Beklagte – nehme in Deutschland lediglich Repräsentationspflichten für die Jwahr. Eine konkrete Unterstützung im Rahmen der Vertriebstätigkeit erfolge nicht.
69Die Beklagte meint, der Verletzungsvorwurf der Klägerin sei nicht hinreichend substantiiert, weil diese lediglich auf eine angebliche Analyse des NFC-Chips „N“ verweise, ohne die Untersuchung selbst und ihre Ergebnisse im einzelnen zu erläutern und den zugehörigen Bericht vorzulegen. Abgesehen davon fehle es auch auf der Grundlage der von der Klägerin vorgelegten Schaltbilder an einer Verwirklichung der Lehre des Klagepatents. Zur Auslegung der Klagepatentansprüche vertritt die Klägerin die Ansicht, bei dem in den Klagepatentansprüchen verwendeten Terminus „binärer Anschluss“ handele es sich um einen üblichen Fachbegriff, mit dem allgemein ein Anschluss bezeichnet werde, der die beiden logischen Zustände „0“ und „1“ annehmen könne. Von diesem Begriffsverständnis gehe auch das Klagepatent aus. Darüber hinaus werde ein dritter Zustand definiert, nämlich der Zustand hoher Impedanz. Die Anordnung im Klagepatentanspruch, die Anschlüsse, welche die elektrische Versorgung des Antennen-Schaltkreises sicherstellten, auf „1“ zu setzen, sei weiterhin so zu verstehen, dass sie sich auf sämtliche Anschlüsse beziehe, die für eine Versorgung des Antennen-Schaltkreises mit elektrischer Energie genutzt werden könnten.
70Sofern die Klägerin die in der Klageschrift mit E1 bis E8 beschrifteten Knotenpunkte in dem dort wiedergegebenen Schaltbild des NFC-Chips N als binäre Anschlüsse ansehe, sei dem nicht zu folgen. Dagegen spreche bereits, dass ein Knotenpunkt kein Anschluss sei. Der Antennenschaltkreis der angegriffenen Ausführungsform sei lediglich mit den Anschlüssen TX1 und TX2 des NFC-Chips verbunden. Abgesehen davon seien die Knotenpunkte jeweils mit einem PMOS-Transistor verbunden, der entweder geöffnet oder geschlossen sei und damit nur zwei Zustände annehmen könne: Im offenen Zustand bestehe am Knotenpunkt ein Zustand hoher Impedanz, im geschlossenen Zustand werde der Antennenschaltkreis mit elektrischer Energie versorgt. Aber auch wenn man die weiteren vier NMOS-Transistoren des Sendertreibers des N-Chips in die Betrachtung einbeziehe, führe dies zu keinem anderen Ergebnis. Ausweislich des Schaltbildes sei der Sendertreiber der angegriffenen Ausführungsform völlig anders realisiert als etwa in den Ausführungsbeispielen des Klagepatents. Binäre Anschlüsse seien nicht erkennbar, weil den Knotenpunkten E1 bis E8 kein NMOS-Transistor zugeordnet sei. Weiterhin lasse sich der Schaltungstopologie nicht entnehmen, ob und unter welchen Umständen bestimmte Einstellungen der Transistoren verwendet würden, mithin Anschlüsse auf „1“ gesetzt oder zwecks Amplitudenmodulation modifiziert würden. Bei alledem müsse auch berücksichtigt werden, dass die Klägerin lediglich den Anschluss TX2 betrachte, obwohl für die Stromversorgung des Antennenschaltkreises und die Modulation der Amplitude des Antennensignals das Verhalten der Anschlüsse TX2 und TX1 entscheidend sei. Dass alle 16 Knotenpunkte der beiden Sendertreiber für TX1und TX2 auf „1“ gesetzt würden, behaupte auch die Klägerin nicht.
71Ungeachtet dessen seien die Klageanträge zu weit gefasst. Ein Schlechthinverbot im Falle einer mittelbaren Patentverletzung komme nicht in Betracht, weil die angegriffene Ausführungsform auch patentfrei genutzt werden könne. Auskunfts- und Schadensersatzansprüche beständen frühestens ab der Eintragung der Beklagten im Handelsregister am 06.09.2010.
72Jedenfalls aber sei das Verfahren im Hinblick auf das parallele Nichtigkeitsverfahren auszusetzen, weil die Lehre des Klagepatents durch verschiedene Druckschriften neuheitsschädlich vorweggenommen werde und die Nichtigkeitsklage offensichtlich Erfolg haben werde.
73Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätzen nebst Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.2.2015 verwiesen. Die Akten der Parallelverfahren 4b O 9/14 und 4b O 140/13 waren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
74Entscheidungsgründe
75Die Klage ist zulässig und begründet.
76A.
77Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die Klägerin prozessführungsbefugt. Sie macht zum einen aufgrund der von ihr behaupteten Eigenschaft als ausschließliche Lizenznehmerin im eigenen Namen eigene Ansprüche wegen Patentverletzung geltend. Zum anderen macht sie aufgrund der von ihr behaupteten Abtretung im eigenen Namen Ansprüche aus übergegangenem Recht geltend. Dies genügt zur Begründung der Prozessführungsbefugnis.
78B.
79Die Klage ist auch begründet.
80Die Klägerin hat gegen die Beklagte Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung sowie Schadensersatz dem Grunde nach aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, §§ 139 Abs. 1 und 2, 140b Abs. 1 und 3 PatG, §§ 242, 259 BGB.
81I.
82Die Klägerin ist aktivlegitimiert.
831.
84Soweit die Klägerin Unterlassungs-, Schadensersatz- und Auskunftsansprüche aus eigenem Recht geltend macht, ist sie dazu als ausschließliche Lizenznehmerin am Klagepatent sachlich berechtigt. Der ausschließliche Lizenznehmer hat eigene Unterlassungs-, Schadensersatz- und Auskunftsansprüche aus dem Klagepatent ab dem Zeitpunkt der Einräumung der ausschließlichen Lizenz, im vorliegenden Fall seit dem 19.12.2014.
85a)
86Zwischen der A. als Inhaberin am Klagepatent und der Klägerin ist ein Lizenzvertrag wirksam zustande gekommen. Die A. ist eingetragene Inhaberin des Klagepatents. Nach Vorlage des entsprechenden Handelsregisterauszuges (Anlage K 5d, dort S. 3 f.) steht fest und wird auch von der Beklagten zu Recht nicht mehr bestritten, dass es sich bei der C. beziehungsweise der D. lediglich um frühere Firmenbezeichnungen der A. handelte. Bei dem Vertrag, mit dem die A. der Klägerin wirksam eine Lizenz erteilte, handelt es sich um den am 19.12.2014 abgeschlossenen Lizenzvertrag II.
87aa)
88Auf den Vertrag vom 20.06.2012 (Lizenzvertrag I) kann für die wirksame Einräumung einer Lizenz nicht abgestellt werden, weil die Beklagte die Vertretungsbefugnis jedenfalls des Herrn E für die A. erheblich bestritten hat. Nach französischem Recht ist grundsätzlich nur der Directeur général zur Vertretung der S.A. nach außen berechtigt, sofern sich aus den Statuten der Gesellschaft oder Einzelvereinbarungen mit der Gesellschaft nichts anderes ergibt. Herr F war im Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 19.06.2014 nicht Directeur général der A. Dass er als Vorstandsvorsitzender aufgrund anderer Vereinbarungen zum Abschluss des Lizenzvertrages im Namen der A. berechtigt war, hat die Klägerin nicht dargelegt.
89bb)
90Anders verhält es sich hingegen mit dem Lizenzvertrag II vom 19.12.2014. Zwar ist auch Herr H nicht Directeur général der A. Aber die Klägerin hat mit der Anlage K20 die Kopie einer Vollmacht („Power of attorney“) vorgelegt, mit der der Directeur général der A., Herr R, Herrn H Vollmacht zur Unterzeichnung des Lizenzvertrages II („Restated Patent License Agreement“) erteilt. Da für die Klägerin Herr F in seiner Funktion als Directeur général handelte, ist ein Lizenzvertrag wirksam zustande gekommen.
91b)
92Mit dem Lizenzvertrag II hat die Patentinhaberin der Klägerin eine ausschließliche Lizenz am Klagepatent erteilt. Dass es sich bei der erteilten Lizenz um eine ausschließliche handeln soll, wird bereits in der Präambel des Lizenzvertrages klargestellt. Auch der die Gewährung der Rechte regelnde Art. 2 des Lizenzvertrages spricht in Abschnitt 2.1.1 ausdrücklich von der Gewährung einer ausschließlichen Lizenz. Dem steht das in Art. 2 Ziffer 2.1.1 enthaltene Verbot der „Sublizenzierung“ nicht entgegen. Der Vertrag ist an dieser Stelle dahingehend auszulegen, dass nur die Lizenznehmerin selbst und die mit ihr verbundenen Unternehmen („affiliates“) berechtigt sein sollen, einfache Lizenzen am Klagepatent zu erteilen. Es soll hingegen ausgeschlossen werden, dass die Klägerin dieses Recht zur Unterlizenzierung auf Dritte überträgt. In Abgrenzung zu dem ebenfalls in Art. 2 Ziff. 2.1.1 genannten Recht zur Einräumung einfacher Lizenzen („limited right to grant non-exclusive licenses“) ist mit der „Sublizenzierung“ die Weitergabe der exklusiven Lizenz und damit des Rechts zur Vergabe einfacher Lizenzen gemeint. Nach dem Wortlaut der Klausel ist die Klägerin lediglich berechtigt, mit ihr verbundenen Unternehmen eine solche „Sublizenz“ zu erteilen („except to its Affiliates“). Der weitere Halbsatz („limited right to grant non-exclusive licenses […]“) beschreibt dann im Einzelnen die ausschließliche Lizenz, die der Klägerin mit dem Vertrag gewährt wird („Licensor hereby grants to Licensing Entity and its Affiliates the […] limitited right […]“). Dieser Wille der Vertragsparteien ergibt sich im Übrigen aus einem Vergleich mit Art. 2 Ziff. 2.1.1 des Lizenzvertrages I, aus dem aufgrund seines etwas anderen Wortlauts unmittelbar ersichtlich ist, dass die Klägerin das Recht erhalten sollte, einfache Lizenzen an den „Licensed Patents“ für die jeweilige Jurisdiktion im Rahmen des NFC Patent Licensing Program zu gewähren. Der Ausschluss der „Sublizenzierung“ kann daher nur bedeuten, dass damit ausgeschlossen werden sollte, das Recht zur Einräumung einfacher Lizenzen an Dritte weiterzugeben. Mit dem Lizenzvertrag II wollten die Vertragsparteien nichts substanziell anderes regeln. Er enthält keinerlei Anhaltspunkte für die von der Beklagten vertretene Vertragsauslegung, nach der die Klägerin lediglich berechtigt sein sollte, im Namen der Patentinhaberin für diese Lizenzverträge zu schließen, ohne selbst eine Lizenz am Patent innezuhaben.
93c)
94Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche gehen in räumlicher, zeitlicher und sachlicher Hinsicht nicht über die mit der ausschließlichen Lizenz der Klägerin eingeräumten Befugnisse hinaus. Die Patentverletzung, die die Klägerin der Beklagten vorwirft, stellt in jeder Hinsicht eine Verletzung der Rechte der Klägerin aus der ausschließlichen Lizenz dar. Nach der Vorlage des ungekürzten Lizenzvertrages (Anlage K 5d) behauptet auch die Beklagte nicht mehr, dass die mit dem Lizenzvertrag II eingeräumte ausschließliche Lizenz Beschränkungen unterliege, aufgrund derer die Handlungen der Beklagten keine Beeinträchtigung der ausschließlichen Lizenz der Klägerin darstellen würden. Insbesondere umfasst das in Art. 2 Ziffer 2.1.1 erwähnte und in Exhibit 2 des Lizenzvertrages erläuterte NFC Patent Licensing Program, auf das die ausschließliche Lizenz beschränkt ist, den Vertrieb NFC-fähiger Smartphones, den die Klägerin in diesem Verfahren der Beklagten vorwirft.
952.
96Soweit die Klägerin Auskunfts- und Schadensersatzansprüche aus übergegangenem Recht geltend macht, hat die A. der Klägerin die entsprechenden Ansprüche wirksam abgetreten.
97Mit Erklärung vom 27./28.01.2014 trat die A. alle ihr entstandenen Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit den lizensierten Patenten, darunter dem Klagepatent, an die Klägerin ab. Dass dabei die Auskunftsansprüche nicht ausdrücklich benannt sind, begegnet keinen Bedenken. Die Erklärung ist dahingehend auszulegen, dass neben den Schadensersatzansprüchen auch solche Ansprüche übertragen werden sollten, die der Durchsetzung der Schadensersatzansprüche dienen, insbesondere also so genannte Annexansprüche.
98Die vorgenannte Abtretungserklärung wurde für die A von Herrn H in deren Namen abgegeben. Für die Klägerin erklärte Herr F die Annahme der Abtretung. Beide hatten auch die für das Rechtsgeschäft erforderliche Vertretungsmacht. Für Herrn F ergibt sie sich aus seiner Eigenschaft als Directeur général der Klägerin. Herrn H wurde ausweislich Anlage K 21a mit Erklärung von Herrn R, als Directeur général vertretungsbefugt für die Klägerin, am 27.01.2015 Vollmacht zum Abschluss des „Amendment no 1“ zum Lizenzvertrag II erteilt. Bei dem „Amendment no 1“ handelt es sich um die als Anlage K 23 vorgelegte Abtretungserklärung vom 27.01.2015.
99II.
100Die mit dem Klagepatent geschützte Erfindung betrifft ein Verfahren zum Modulieren der Amplitude des Antennensignals eines induktiven Antennen-Schaltkreises und eine Vorrichtung zur Übertragung von Daten durch induktive Kopplung.
101In der Beschreibung des Klagepatents wird ausgeführt, dass solche Vorrichtungen insbesondere vorgesehen sind für den Datenaustausch mit tragbaren elektronischen Geräten, die einen kontaktlosen integrierten Schaltkreis umfassen, wie kontaktlose Chipkartenleser, Leser von elektronischen Etiketten, Leser von elektronischen Ansteckmarken und dergleichen mehr.
102Gemäß den Vorgaben der Normprojekte ISO S und T (nachfolgend: ISO/A bzw. ISO/B) wird für die Datenübertragung die Antennenspule eines Lesers von kontaktlosen integrierten Schaltkreisen durch ein Antennensignal erregt, das mit einer Frequenz von 13,56 MHz schwingt. Die Datenübertragung zum integrierten Schaltkreis wird durch eine Amplitudenmodulation des Antennensignals mit einer Modulationstiefe von 100 % (ISO/A) bzw. 10 % (ISO/B) bewirkt.
103Das nachfolgend wiedergegebene elektrische Schaltbild stammt aus der Klagepatentschrift und zeigt eine Vorrichtung zur Datenübertragung aus dem Stand der Technik.
104 105Die in der Figur 1 dargestellte Vorrichtung 1 zur Datenübertragung umfasst einen Mikroprozessor 2, einen Oszillator 3, einen Modulationstransistor 4 und eine resonante Antennenschaltung 10. Die Antennenschaltung 10 umfasst eine Antennenspule 1, die parallel steht zu einem Kondensator 12, und empfängt eine Versorgungsgleichspannung VDD über eine Induktivität 13 und einen Isolierkondensator 14. Der Modulationstransistor 4 ist an die Anschlüsse der Spule 11 über den Isolierkondensator 14 angeschlossen. Zur Datenübertragung liefert sowohl der Oszillator 3 ein Signal S1, das mit 13,56 MHz schwingt, als auch der Mikroprozessor 2 an seinem Anschluss P1 ein binäres Signal S2 zur Amplitudenmodulation. Die Signale S1 und S2 liegen am Anschluss ET 5 an, dessen Ausgang ein Modulationssignal S3 liefert, das wiederum am Gate des Transistors 4 anliegt. Das Aussehen des Signal S3 ist in der Figur 1 wiedergegeben. Das Antennensignal Sa, das über die Spule 11 läuft, ist das Abbild des Signals S3.
106Die soeben dargestellte Vorrichtung zur Datenübertragung hat – so das Klagepatent – den Vorteil, dass sie eine relativ einfache Struktur hat. Sie gestattet jedoch nur eine Modulation von 100 % der Amplitude des Antennensignals gemäß ISO/A. Um eine Modulation von 10 % des Antennensignals Sa gemäß ISO/B zu erhalten, wird die Vorrichtung komplexer und es müssen mehrere Elemente hinzugefügt werden.
107Eine solche Vorrichtung wird noch komplexer, wenn sie sowohl für die Norm ISO/A, als auch die Norm ISO/B kompatibel sein soll, um Daten an zwei unterschiedliche Arten von integrierten Schaltkreisen übertragen zu können. Dieser Fall ist in der ebenfalls aus der Klagepatentschrift stammenden Figur 2 wiedergegeben. Dabei ist der Modulationsschalter 4 durch eine Modulationsschaltung 9 ersetzt. Diese empfängt Signale S1, S2 genauso wie ein Signal SAB, das durch einen Anschluss P2 des Mikroprozessors bereitgestellt wird, um die gewünschte Modulationsart auszuwählen. In der Klagepatentschrift wird an einer solchen Modulationsschaltung als nachteilig angesehen, dass für ihre Realisierung mehrere elektrische und/oder elektronische Bauteile erforderlich sind.
108 109Dem Klagepatent liegt vor diesem Hintergrund die Aufgabe (das technische Problem) zu Grunde, eine Vorrichtung zur Übertragung von Daten des soeben beschriebenen Typs bereitzustellen, die das Antennensignal mit einer kleineren Modulationstiefe als 100 % modulieren kann und gleichzeitig eine einfache Struktur hat und kostengünstig zu verwirklichen ist. Eine bestimmtere Aufgabe der Erfindung besteht nach der Klagepatentschrift darin, eine Vorrichtung zur Übertragung von Daten vorzusehen, die eine Mehrzweckfunktion hat und das Antennensignal mit mehreren Modulationstiefen modulieren kann, insbesondere mit den Modulationstiefen 10 % und 100 %.
110Dies soll durch das im Klagepatentanspruch 1 beschriebene Verfahren und eine Vorrichtung gemäß dem Klagepatentanspruch 5 erreicht werden, deren Merkmale wie folgt gegliedert werden können:
111Anspruch 1:
1121.1 Verfahren zum Modulieren der Amplitude des Antennen-Signals (Sa) eines induktiven Antennen-Schaltkreises (10) mittels eines Steuer-Schaltkreises (2).
1131.2 Der Antennen-Schaltkreis (10) enthält eine Spule (11).
1141.3 Der Steuer-Schaltkreis (2) enthält binäre Anschlüsse (P1 bis P7),
1151.3.1 die in einen Zustand hoher Impedanz (HZ) gebracht werden können und
1161.3.2 die einen Innen-Widerstand von nicht Null aufweisen.
1171.4 Der Antennen-Schaltkreis (10) wird von mindestens zwei Anschlüssen (P1 bis P4) des Steuer-Schaltkreises (2) elektrisch versorgt.
1181.5 Das Verfahren weist die Schritte auf:
1191.5.1 Setzen der Anschlüsse (P1 bis P4), welche die elektrische Versorgung des Antennen-Schaltkreises (10) sicherstellen, auf „1“, um den Antennen-Schaltkreises mit voller Energie zu versorgen, und
1201.5.2 Modifizieren des Zustands von mindestens einem der Anschlüsse (P1 bis P4), die die elektrische Versorgung des Antennen-Schaltkreises (10) sicherstellen, um die Amplitude des Antennen-Signals (Sa) zu modulieren.
121Anspruch 5:
1225.1 Vorrichtung (20, 30) zur Ausgabe von Daten durch induktive Kopplung.
1235.2 Die Vorrichtung (20, 30) umfasst
1245.2.1 einen Antennen-Schaltkreis (10),
1255.2.2 einen Steuer-Schaltkreis (2) des Antennen-Schaltkreises (10), der binäre Anschlüsse (P1 bis P7) enthält.
1265.3 Der Antennen-Schaltkreis (10)
1275.3.1 ist vom induktiven Typ,
1285.3.2 enthält eine Spule (11), durch die ein Antennensignal (Sa) läuft.
1295.4 Die binären Anschlüsse (P1 bis P7) des Steuer-Schaltkreises
1305.4.1 können auf hohe Impedanz (HZ) gebracht werden und
1315.4.2 weisen einen Innen-Widerstand von nicht Null auf.
1325.5 Der Antennen-Schaltkreis (10) wird elektrisch von mindestens zwei Anschlüssen (P1 bis P4) des Steuer-Schaltkreises (2) versorgt.
1335.6 Der Steuer-Schaltkreis (2) ist angeordnet, um die Amplitude des Antennen-Signals (Sa) mit dem Verfahren gemäß dem Anspruch 1 zu modulieren.
134III.
135Der Kern der durch das Klagepatent geschützten Erfindung besteht in Abgrenzung zum Stand der Technik darin, dass das geschützte Verfahren beziehungsweise die geschützte Vorrichtung für die Amplitudenmodulation eine Steuerschaltung mit binären Anschlüssen verwendet, über die sowohl die Antennenschaltung mit voller Leistung versorgt, als auch die Amplitude des Antennensignals Sa moduliert werden kann (Merkmalsgruppe 1.5 bzw. Merkmale 5.5 und 5.6). Die Modulation erfolgt dadurch, dass die Amplitude des Versorgungssignals selbst moduliert wird, indem der Zustand von allen oder einem Teil der binären Anschlüsse modifiziert wird (vgl. S. 7 Abs. 2 der Anlage K 4a).
1361.
137Die Funktion (von mindestens zwei) der binären Anschlüsse des Steuerschaltkreises besteht darin, die elektrische Versorgung des Antennen-Schaltkreises sicherzustellen (Merkmale 1.4 und 1.5.1 bzw. 5.5) und zugleich die Amplitude des Antennen-Signals (Sa) zu modulieren (Merkmal 1.5.2 bzw. 5.6). Dafür ist nach den Klagepatentansprüchen 1 und 5 vorgesehen, dass die binären Anschlüsse in einen Zustand hoher Impedanz gebracht werden können (Merkmal 1.3.1 bzw. 5.4.1) und einen Innen-Widerstand von nicht Null aufweisen (Merkmal 1.3.2 bzw. 5.4.2). Im Einzelnen soll das Verfahren zur Modulation der Amplitude des Antennen-Signals so ablaufen, dass die Anschlüsse, die die elektrische Versorgung des Antennen-Schaltkreises sicherstellen, auf „1“ gesetzt werden und der Zustand mindestens eines dieser Anschlüsse modifiziert wird, um die Amplitudenmodulation herbeizuführen (Merkmalsgruppe 1.5). Nichts anderes gilt für die erfindungsgemäße Vorrichtung, die zur Durchführung dieses Verfahrens jedenfalls geeignet sein soll (Merkmal 5.6).
138Demnach müssen die binären Anschlüsse entsprechend den Anordnungen der Klagepatentansprüche in mindestens zwei verschiedene Zustände geschaltet werden können: Sie können auf „1“ gesetzt werden, um den Antennen-Schaltkreis mit voller Energie zu versorgen (Merkmal 1.5.1). In diesem Zustand fließt ein Strom zur elektrischen Versorgung des Antennenschaltkreises. Da der Innenwiderstand der binären Anschlüsse nicht Null ist (Merkmal 1.3.2 bzw. 5.4.2), findet zudem ein geringfügiger Spannungsabfall am binären Anschluss statt. Dieser Zustand der binären Anschlüsse kann jedoch modifiziert werden, um die Amplitude des Antennen-Signals zu modulieren (Merkmal 1.5.2). In dieser Hinsicht geben die Klagepatentansprüche lediglich vor, dass die binären Anschlüsse in einen Zustand hoher Impedanz gebracht werden können (Merkmal 1.3.1 bzw. 5.4.1). In diesem Zustand fließt kein Strom durch den betroffenen binären Anschluss. Infolgedessen verändert sich die Amplitude des Versorgungssignals der binären Anschlüsse. Bei entsprechender Steuerung der binären Anschlüsse lässt sich so die Amplitude des Antennensignals modulieren.
1392.
140Nach der Lehre der Klagepatentansprüche 1 und 5 ist nicht zwingend erforderlich, dass die binären Anschlüsse auch auf „0“ gesetzt werden können in dem Sinne, dass sie in einem solchen Zustand auf Masse gezogen sind und im Unterschied zum Zustand „1“ ein Strom in entgegengesetzter Richtung fließen kann. Eine solche Auslegung ergibt sich weder aus dem Wortlaut der Klagepatentansprüche, noch aus der Beschreibung des Klagepatents.
141Es mag sein, dass der Begriff „binärer Anschluss“ in der Fachwelt für einen Anschluss geläufig ist, der die Zustände „0“ und „1“ annehmen kann und letztlich das leisten kann, was durch die in den Figuren 4 und 5 der Klagepatentschrift dargestellten Schaltbilder veranschaulicht ist. Abgesehen davon, dass die Beklagte für ein solches fachmännisches Begriffsverständnis nichts dargetan hat, darf die Auslegung des Begriffs „binärer Anschluss“ an dieser Stelle nicht stehen bleiben. Denn Patentschriften stellen im Hinblick auf die dort gebrauchten Begriffe gleichsam ihr eigenes Lexikon dar. Weichen diese vom allgemeinen (technischen) Sprachgebrauch ab, ist letztlich nur der aus der Patentschrift sich ergebende Begriffsinhalt maßgebend (BGH GRUR 1999, 909 – Spannschraube; GRUR 2001, 232 – Brieflocher; GRUR 2005, 754 - Knickschutz).
142a)
143Die Klagepatentansprüche 1 und 5 selbst verlangen nicht, dass die binären Anschlüsse neben dem Zustand hoher Impedanz und dem Zustand „1“ auch den Zustand „0“ annehmen können müssen. Allein der Umstand, dass die Anschlüsse auf „1“ gesetzt werden können (Merkmal 1.5.1), zwingt nicht zu der Annahme, sie zwingend auch auf „0“ setzen können zu müssen. Der Zustand „1“ gibt lediglich den Zustand an, in dem die Stromversorgung sichergestellt ist. Durch den Wechsel in den Zustand hoher Impedanz kann dann die Amplitudenmodulation durchgeführt werden. Insofern können die Anschlüsse zwei verschiedene Zustände annehmen. Begrifflich kann daher unter einem binären Anschluss zwanglos ein Anschluss verstanden werden, der jedenfalls zwei Zustände annehmen kann: Die Zustände „1“ und hoher Impedanz sind dafür ausreichend.
144Der im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 26.02.2015 von der Beklagten vorgebrachte Einwand, nach einer solchen Auslegung könne jedes Stück Leitung die beiden Zustände „1“ und „HZ“ annehmen, ohne dass es dadurch zu einem binären Anschluss werde, kann nicht ohne weiteres gefolgt werden. Denn der Gedanke der Erfindung liegt gerade darin, dass der Zustand der binären Anschlüsse veränderlich ist und durch die Kombination mehrerer binärer Anschlüsse sowie eine Zustandsänderung einzelner dieser Anschlüsse verschiedene Modulationstiefen erreicht werden können. Entsprechend setzt auch die Beklagte voraus, dass an die Leitung eine Spannung angelegt wird (Zustand „1“) oder nicht (Zustand „HZ“). Warum bei entsprechender Kombination und Beschaltung diese Leitungen nicht als binäre Anschüsse bezeichnet werden können, erschließt sich nicht. Der Begriff „binär“ wird dadurch nicht redundant, sondern weist auf genau die zwei Zustände hin, die der Anschluss mindestens annehmen können muss.
145b)
146Auch bei der gebotenen funktionalen Betrachtung ist es nicht erforderlich, dass die binären Anschlüsse auf „0“ gesetzt werden können. Für die Stromversorgung des Antennen-Schaltkreises und die Modulation der Amplitude des Antennen-Signals ist es ausreichend, wenn die binären Anschlüsse auf „1“ gesetzt und in den Zustand hoher Impedanz gebracht werden können, wie dies von den Klagepatentansprüchen verlangt wird. Es ist nicht erforderlich, dass sie auch auf „0“ gesetzt werden können.
147c)
148Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Beschreibung des Klagepatents. Soweit die Beklagte in dieser Hinsicht zur Begründung ihrer Auffassung auf die in den Figuren 4 und 5 dargestellten binären Anschlüsse verweist, handelt es sich um die Darstellung beispielhafter Ausführungsformen, die eine einschränkende Auslegung der Lehre des Klagepatents regelmäßig nicht zu begründen vermögen (GRUR 2004, 1023, 1024 – bodenseitige Vereinzelungsvorrichtung). Es ist richtig, dass in der Klagepatentschrift Ausführungsformen beschrieben werden, bei denen die binären Anschlüsse auch auf „0“ gesetzt werden können, um das Antennen-Signal zu modulieren. Dazu wird ausgeführt, dass in Abhängigkeit von der Modifikation der binären Anschlüsse unterschiedliche Modulationstiefen erreicht werden können: Werden sämtliche der Stromversorgung dienenden Anschlüsse auf „0“ gesetzt, beträgt die Modulationstiefe 100 %, weil das Versorgungssignal Sp gleich Null ist. Werden einzelne der der Stromversorgung dienenden Anschlüsse in den Zustand hoher Impedanz gebracht und die anderen auf „1“ gesetzt, fließt durch die auf „1“ gesetzten Anschlüsse ein Strom; die Spannung des Versorgungsignals Sp fällt aufgrund des geringen Innenwiderstands ab, das Signal wird aber nicht gelöscht, so dass eine Modulationstiefe von unter 100 % erreicht wird (S. 8 Abs. 2 der Anlage K 4a).
149Die Lehre der Klagepatentansprüche 1 und 5 ist jedoch nicht darauf gerichtet, ein Verfahren beziehungsweise eine Vorrichtung bereitzustellen, mit denen Modulationstiefen von sowohl 100 % als auch kleiner als 100 % erreicht werden können. Vom Wortlaut des Klagepatentanspruchs 1 und damit auch des Klagepatentanspruchs 5 sind auch solche Ausführungsformen umfasst, mit denen lediglich eine Modulationstiefe von unter 100 % erreicht werden kann. Dies ergibt sich bereits aus der in der Klagepatentschrift formulierten Aufgabenstellung. Demnach soll zuerst eine Vorrichtung bereitgestellt werden, die das Antennensignal mit einer kleineren Modulationstiefe als 100 % modulieren kann (S. 2 Abs. 4 der Anlage K 4a). Erst eine „bestimmtere Aufgabe“ ist darauf gerichtet, eine Vorrichtung vorzusehen, die das Antennensignal mit mehreren Modulationstiefen, insbesondere von 10 % und 100 %, modulieren kann (S. 3 Abs. 1 der Anlage K 4a). Dementsprechend differenziert das Klagepatent zwischen Ausführungen, bei denen die Anschlüsse für eine Modulation von 100 % auf „0“ gesetzt werden und solchen, bei denen die Anschlüsse für eine Modulation kleiner als 100 % in einen Zustand hoher Impedanz gebracht werden können. Diese Differenzierung findet sich auch in den Unteransprüchen 2 und 3. Aus der Anordnung im Unteranspruch 2, für eine Modulationstiefe von 100 % die binären Anschlüsse auf „0“ zu setzen, folgt nicht, dass die im Klagepatentanspruch 1 genannten binären Anschlüsse zwingend so gestaltet sein müssen. Der Klagepatentanspruch 1 umfasst daneben auch solche Verfahren, in denen die Anschlüsse lediglich in einen Zustand hoher Impedanz gebracht werden können, um eine Modulationstiefe von weniger als 100 % zu erreichen. Soweit in der Beschreibung des Klagepatents Ausführungsformen beschrieben werden, die Modulationstiefen von 100 % und weniger als 100 % zulassen (bspw. S. 8 Abs. 2 mit Figur 3 der Anlage K 4a), handelt es sich um bevorzugte Ausführungsbeispiele, auf die die Lehre der Klagepatentansprüche 1 und 5 nicht beschränkt ist.
150d)
151Dass es für den Begriff der „binären Anschlüsse“ nicht auf das herkömmliche Verständnis des Fachmanns von einem binären Anschluss ankommt, ergibt sich auch aus dem Hinweis in der Klagepatentschrift, dass jede Art von Steuerschaltung, welche die in der Patentschrift beschriebenen Eigenschaften bietet, die Verwirklichung der Erfindung gestatten (S. 11 Abs. 1 der Anlage K 4a). Die Klagepatentschrift stellt an dieser Stelle wiederum ihr eigenes Lexikon dar. Der Begriff des Anschlusses ist damit nicht im herkömmlichen Sinne als räumlich-körperliches Vorrichtungsbestandteil zu verstehen, das der elektrischen Verbindung mit einem anderen elektrischen Bauteil dient. Wird die in der Figur 3 der Klagepatentschrift dargestellte erfindungsgemäße Ausführungsform betrachtet und wird berücksichtigt, dass die binären Anschlüsse P1 bis P4 die in den Figuren 4 und 5 dargestellte Schaltungstopologie aufweisen können, wird jede parallele Schaltung von P- und NMOS-Transistoren als erfindungsgemäße Schaltung angesehen werden können, sofern sie schaltungstechnisch der parallelen Schaltung mehrerer der in Figur 5 dargestellten Anschlüsse entsprechen – auch wenn ein Anschluss P1, P2, P3 oder P4 im herkömmlichen engeren Sinne nicht mehr vorhanden ist, sondern nur über die Zuordnung einzelner Schaltungsbauteile identifizierbar wird.
152Dies geht auch aus den Ausführungen des Klagepatents zu spezifischen integrierten Schaltungen des „ASIC“-Typs hervor, die statt Mikroprozessoranschlüssen „Port“-artige Umschaltleitungen innerhalb einer programmierbaren Logikschaltung umfassen können. Bei diesen sind die Mikroprozessoranschlüsse oder die „Port“-artigen Umschaltleitungen im Inneren der spezifischen integrierten Schaltung angeschlossen, so dass die spezifische Schaltung nur ein Ausgangsfeld für die Steuerung der Antennenschaltung präsentiert (S. 11 Abs. 1 der Anlage K 4a). Auf die räumlich-körperliche Ausbildung eines Anschlusses im engeren Sinne kommt es demnach nicht an.
153Die zitierte Textstelle (S. 11 Abs. 1 der Anlage K 4a) stellt entgegen der Auffassung der Beklagten auch keine in Patentschriften übliche „Catch-all-Klausel“ dar, mit der der Anmelder versucht, den Erfindungsgegenstand über den technischen Wortsinn des jeweiligen Patentanspruchs hinaus auszudehnen. In der Klagepatentschrift wird konkret auf den in dem Ausführungsbeispiel verwendeten Mikroprozessor (vgl. S. 7, letzter Absatz der Anlage K 4a) Bezug genommen und jede Art von Steuerschaltung als erfindungsgemäß bezeichnet, die die Eigenschaften dieses Mikroprozessors aufweist. Das Klagepatent stellt damit in erster Linie auf die (Steuer-)Schaltung und ihre Funktion (Eigenschaften) ab. Die Funktion der binären Anschlüsse besteht aber eben nicht darin, jeweils weitere elektrische Bauteile anschließen zu können, sondern in der Energieversorgung des Antennen-Schaltkreises und der Modifikation des Zustands einzelner Anschlüsse, um die Amplitude des Antennen-Signals zu modulieren. Dies ist auch durch schaltungstechnische Anordnungen möglich, wie sie in den vorangehenden Ausführungen dargestellt worden sind und bei denen ein Anschluss im herkömmlichen engeren Sinne nicht mehr vorhanden ist. Genau dies wird in der zitierten Textstelle auch durch die Darstellung der integrierten Schaltung des ASIC-Typs als konkrete Alternative zu einem Mikroprozessor deutlich, welche das Klagepatent ebenfalls als patentgemäß ansieht und welche keine Anschlüsse im herkömmlichen engeren Sinne aufweist. Der technische Wortsinn der Klagepatentansprüche wird dadurch nicht überdehnt. Insbesondere handelt es sich nicht um eine Frage der patentrechtlichen Äquivalenz, bloß weil in der Klagepatentschrift in diesem Zusammenhang von einer „äquivalenten Struktur“ die Rede ist (S. 11 Abs. 1 der Anlage K 4a). Die Wendung ist sicherlich nicht im Rechtssinne zu verstehen.
1543.
155Soweit für das erfindungsgemäße Verfahren verlangt wird, dass die Anschlüsse, welche die elektrische Versorgung des Antennen-Schaltkreises sicherstellen, auf „1“ gesetzt werden, um den Antennen-Schaltkreis mit voller Energie zu versorgen (Merkmal 1.5.1 bzw. 5.6), ist nicht erforderlich, dass alle Anschlüsse, die für die Energieversorgung des Antennen-Schaltkreises nur irgendwie in Betracht kommen, auf „1“ gesetzt werden müssten. Vom Wortlaut des Klagepatentanspruchs 1 ist auch ein Verfahrensablauf umfasst, bei dem nur so viele Anschlüsse auf „1“ gesetzt werden, wie für die elektrische Versorgung des Antennen-Schaltkreis im konkreten Einzelfall notwendig sind. Ob es darüber hinaus weitere Anschlüsse gibt, mit denen der Antennen-Schaltkreis mit Strom versorgt werden könnte, ist unbeachtlich. Gemäß dem Merkmal 1.4 ist lediglich erforderlich, dass mindestens zwei Anschlüsse die Stromversorgung sicherstellen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Antennen-Schaltkreis mit „voller Energie“ versorgt werden soll. Gemeint ist damit die Energie, die für den konkreten Anwendungsfall zum Betrieb des Antennen-Schaltkreises erforderlich ist. Damit ist zugleich die Amplitude festgelegt, deren Modulation durch die Zustandsänderungen einzelner Anschlüsse erfolgt (Merkmal 1.5.2 bzw. 5.6).
156IV.
157Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform durch die Beklagte begründen eine mittelbare Verletzung von Anspruch 1 des Klagepatents im Sinne von § 10 Abs. 1 PatG.
1581.
159Die Beklagte bietet an und liefert die angegriffene Ausführungsform in der Bundesrepublik Deutschland.
160Für die Passivlegitimation im Falle einer mittelbaren Patentverletzung im Sinne von § 10 Abs. 1 PatG gelten sinngemäß die gleichen von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze wie im Fall von § 9 PatG. Demnach ist nicht nur derjenige passivlegitimiert, der die patentierte Erfindung in eigener Person i.S.d. § 9 PatG unmittelbar benutzt, sondern auch derjenige, der als Teilnehmer i.S.d. § 830 Abs.2 BGB eine fremde unmittelbare Benutzung i.S.d. § 9 PatG ermöglicht oder fördert, obwohl er sich mit zumutbarem Aufwand die Kenntnis verschaffen kann, dass die von ihm unterstützte Handlung das absolute Recht des Patentinhabers verletzt. Schuldner der Ansprüche auf Unterlassung, Schadensersatz und Auskunft kann schließlich auch sein, wer lediglich eine weitere Ursache für die Rechtsverletzung setzt, indem er eine von ihm ermöglichte Rechtsverletzung durch einen Dritten nicht unterbindet, obwohl dies von ihm zu erwarten wäre. Zu diesem objektiven Verursachungsbeitrag muss allerdings hinzukommen, dass eine Rechtspflicht verletzt wird, die zumindest auch dem Schutz des verletzten absoluten Rechts dient und deren Beachtung den Verursachungsbeitrag entfallen ließe. Das Bestehen und der Umfang einer Rechtspflicht richten sich im Einzelfall nach der Abwägung aller betroffenen Interessen und relevanten rechtlichen Wertungen. Entscheidend ist, ob und inwieweit dem in Anspruch Genommenen nach den Umständen des Einzelfalls ein Tätigwerden zuzumuten ist (vgl. zum Ganzen: BGH, GRUR 2009, 1142 – MP3-Player-Import).
161Legt man diese Grundsätze zu Grunde, ist die Beklagte Verletzer i.S.d. §§ 9 und 10 PatG i.V.m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ und damit hinsichtlich der geltend gemachten Ansprüche passiv legitimiert.
162Die Beklagte fördert das Anbieten der streitgegenständlichen Mobiltelefone im Internet. Sie wird als Verantwortliche im Impressum der Internetseite www.I.com genannt, auf die unter der Eingabe der ULR www.I.de automatisch weitergeleitet wird. Selbst unterstellt, der Vortrag der Beklagten träfe zu, es handele sich hierbei um ein – bislang immer noch nicht behobenes – Versehen, würde dies den Verantwortlichkeitsbeitrag nicht beseitigen. Unerheblich, da nicht entscheidungsrelevant, sind in diesem Zusammenhang etwaige Überlegungen zu § 5 TMG. Denn neben der Nennung im Impressum führen auch alle anderen Wege zur Beklagten, wenn der Nutzer mit „I“ über die Internetseite in Kontakt treten möchte. Über die Rubriken „Anrufen“ und „Support Center“ wird der Nutzer der Internetseite zur Telefonnummer der Beklagten in Frankfurt geführt. Auch wenn das Internetangebot als solches von der J herrührt, liegt in der Tätigkeit der Beklagten, als Ansprechpartnerin zur Verfügung zu stehen, jedenfalls ein Fördern dieser Angebotshandlung. Denn ein am Erwerb eines Smartphones interessierter Anrufer wendet sich mit seinem Anruf automatisch an die Beklagte. Darin liegt eine Organisations- und Unterstützungsleistung. Lediglich indizielle Bedeutung kommt daneben dem Umstand zu, dass in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zur Verwendung der Internetseite die Tochtergesellschaften (und damit auch die Beklagte) neben der Muttergesellschaft J als Vertragspartner genannt werden.
163Darüber hinaus fördert die Beklagte auch den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen. Nach dem bislang unwidersprochenen Vortrag der Klägerin sind bei der Beklagten mehrere Arbeitnehmer angestellt, deren Tätigkeitsbereich auch oder ausschließlich den Vertrieb und Verkauf in Deutschland betreffen (U, Head of Sales Deutschland/Österreich/Schweiz; V, Head of Channel and Distribution, Germany). Ferner sind Mitarbeiter als Regional Key Account Manager für in Deutschland ansässige Mobilfunkanbieter eingestellt (z.B. W und X,; Y, Key Account Manager (o2)). Auch wenn dem Unternehmensgegenstand der Beklagten im Handelsregisterauszug für sich alleine keine Bedeutung zukommt, bestätigt der Einsatz der vorgenannten Mitarbeiter der Beklagten, dass die Beklagte im Bereich des Vertriebs und der Verkaufs-und Marketingunterstützung tätig ist. Hinzu tritt, dass der Geschäftsführer der Beklagten Z im Konzern unter anderem für Europa zuständig ist. Letzteres ist ebenfalls ein – wenn auch schwächeres – Indiz, dass die Handlungen der Beklagten sich in Deutschland nicht nur in Repräsentation und Zubehörverkäufen für Smartphones erschöpfen.
164Vor diesem Hintergrund trifft die Beklagte eine Rechtspflicht zur Überprüfung von Patentverletzungen durch das Angebot und den Vertrieb der streitgegenständlichen Smartphones. Denn indem sie die Angebots- und Vertriebshandlungen der Jin Deutschland aktiv unterstützt, trägt sie zu einer Gefährdungssituation bei, mit der eine Rechtspflicht zur Vermeidung etwaiger Rechtsverstöße, insbesondere der Verletzung fremder Patente, korrespondiert (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 27.03.2014, Az. I-15 U 19/14; Leitsätze in GRUR 2015, 61).
165Es ist weder ersichtlich noch vorgetragen, dass der Beklagten eine Überprüfung der Patentsituation nicht möglich oder unzumutbar war. Im Rahmen ihrer Stellung als Tochtergesellschaft hätte sie ihre Muttergesellschaft kontaktieren und sicherstellen müssen, dass die angegriffenen Smartphones Rechte Dritter, insbesondere das Klagepatent, nicht verletzen. Durch die Konzernverflechtung fällt dies der Beklagten leichter als beispielsweise einem außenstehenden Dritten.
1662.
167Bei den Angebotsempfängern und den (End-)Abnehmern der angegriffenen Ausführungsform handelt es sich um Personen, die zur Benutzung der Erfindung nicht berechtigt sind. Das ist gemäß § 10 Abs. 3 PatG auch dann der Fall, wenn es sich dabei um Verbraucher handelt, die die angegriffene Ausführungsform gemäß § 11 Nr. 1 PatG lediglich im privaten Bereich zu nicht-gewerblichen Zwecken verwenden.
1683.
169Bei der angegriffenen Ausführungsform handelt es sich um ein Mittel, das sich auf ein wesentliches Element der Erfindung bezieht. Da der Patentanspruch maßgeblich dafür ist, welcher Gegenstand durch das Patent geschützt ist, sind regelmäßig alle im Patentanspruch benannten Merkmale wesentliche Elemente der Erfindung im Sinne von § 10 Abs. 1 PatG. Daher bezieht sich bei einem Verfahrenspatent eine im Patentanspruch genannte Vorrichtung, die zur Ausführung des Verfahrens verwendet wird, regelmäßig auf ein wesentliches Element der Erfindung (BGH, GRUR 2007, 773 Rn 14 – Rohrschweißverfahren; BGH Urt. v. 03.02.2015 – X ZR 69/13 – Audiosignalcodierung). Die angegriffene Ausführungsform enthält einen NFC-Chip des Typs N mit Steuer-Schaltkreisen, über die die Amplitude eines Antennensignals eines Antennen-Schaltkreises moduliert werden kann. Da insofern jedenfalls Teile des Mittels im Klagepatentanspruch 1 selbst genannt sind, bezieht es sich auch auf eine wesentliches Element der Erfindung.
1704.
171Die angegriffene Ausführungsform ist objektiv geeignet, für die Durchführung des mit dem Klagepatentanspruch 1 geschützten Verfahrens verwendet zu werden. Ob ein Mittel geeignet ist, zur Benutzung der Erfindung verwendet zu werden, ist nach der objektiven Beschaffenheit des angebotenen oder gelieferten Gegenstands zu beurteilen. Das Mittel muss grundsätzlich so ausgebildet sein, dass eine unmittelbare Benutzung der geschützten Lehre mit allen ihren Merkmalen durch die Abnehmer möglich ist (BGH GRUR 1992, 40, 42 -
172Beheizbarer Atemluftschlauch; GRUR 2005, 848, 850 - Antriebsscheibenaufzug; Urt. v. 03.02.2015 - X ZR 69/13 - Audiosignalcodierung).
173Die objektive Eignung der angegriffenen Ausführungsform zur Anwendung des geschützten Verfahrens hat die Klägerin hinreichend substantiiert vorgetragen. Auf den Einwand der Beklagten hat die Klägerin den gesamten Bericht des Unternehmens P über die Analyse des NFC-Chips vorgelegt, aus dem sich der gesamte Schaltungsaufbau des NFC-Chips ergibt. Diesen Aufbau hat die Beklagte nicht weiter bestritten und auch sonst – zu Recht – nicht mehr die Auffassung vertreten, dass der Verletzungsvorwurf der Klägerin in dieser Hinsicht unsubstantiiert sei.
174Der in der angegriffenen Ausführungsform installierte NFC-Chip N enthält unstreitig einen Steuer-Schaltkreis (Merkmal 1.1), mit dem die Amplitude des Antennen-Signals eines Antennen-Schaltkreises moduliert werden kann. Weiterhin weist die angegriffene Ausführungsform unstreitig einen Antennen-Schaltkreis mit einer Spule auf (Merkmal 1.2). Der Antennen-Schaltkreis ist an die Ausgänge TX1 und TX2 des NFC-Chips N angeschlossen, die jeweils mit einem Steuerschaltkreis verbunden sind. Dieser Steuerschaltkreis enthält einen Sendertreiber. Die Schaltung des dem jeweiligen Ausgang TX1 beziehungsweise TX2 vorgeschalteten Sendertreibers ergibt sich aus der folgenden Darstellung.
175X
176Der einzelne Sendertreiber kann als Steuer-Schaltkreis im Sinne der Lehre des Klagepatents angesehen werden, der binäre Anschlüsse enthält (Merkmal 1.3). Die Anschlüsse werden durch die Knotenpunkte zwischen den von den PMOS-Transistoren kommenden Leitungen und der zum Ausgang TX1 beziehungsweise TX2 führenden Verbindungsleitung gebildet, die von der Klägerin in der Klageschrift mit E1 bis E8 bezeichnet worden sind. Dass es sich dabei nicht um räumlich-körperliche Anschlüsse im engeren Sinne handelt, über die eine elektrische Verbindung mit anderen elektrischen Bauteilen hergestellt werden kann, ist nach zutreffender Auslegung (s.o.) unbeachtlich. Entscheidend ist, dass – was auch die Beklagte nicht bestritten hat – diese Anschlüsse in einen Zustand hoher Impedanz gebracht werden können und einen Innen-Widerstand von nicht Null aufweisen (Merkmale 1.3.1 und 1.3.2). Der Zustand hoher Impedanz tritt ein, wenn der jeweilige PMOS-Transistor gesperrt ist, so dass kein Strom fließen kann. Umgekehrt fließt ein Strom, wenn der jeweilige PMOS-Transistor durchgeschaltet ist. Bereits der geringe Widerstand der zugehörigen Leitung sorgt für einen Innen-Widerstand dieses Anschlusses von nicht Null.
177Nach den vorstehenden Ausführungen handelt es sich bei den Anschlüssen E1 bis E8 auch um binäre Anschlüsse im Sinne des Klagepatents, da sie zwei Zustände annehmen können: Sie können auf „1“ gesetzt werden, um den Antennen-Schaltkreis mit elektrischer Energie zu versorgen, und sie können in den Zustand hoher Impedanz gebracht werden. Dies genügt nach der hier vertretenen Auslegung für die Qualifikation als binärer Anschluss. Dass letztlich sämtliche Anschlüsse über eine Leitung mit dem Ausgang TX1 beziehungsweise TX2 verbunden sind, führt nicht aus der Lehre des Klagepatentanspruchs heraus. Denn auch die in der Klagepatentschrift dargestellten binären Anschlüsse des Mikroprozessors sind in gleicher Weise parallel geschaltet.
178Das Merkmal 1.3 wird aber auch dann verwirklicht, wenn über die PMOS-Transistoren hinaus die NMOS-Transistoren in die Betrachtung einbezogen werden. Die Gesamtanordnung von PMOS- und NMOS-Transistoren kann bei zutreffender Auslegung des Klagepatents durchaus als Anordnung mehrere binärer Anschlüsse im Sinne der Lehre des Klagepatents angesehen werden. Dabei entspricht ein binärer Anschluss jeweils einem Transistorpaar bestehend aus einem PMOS- und einem NMOS-Transistor. Auch wenn es sich dabei nicht um Anschlüsse im engeren Sinne zur jeweiligen elektrischen Verbindung mit anderen elektrischen Bauteilen handelt, entspricht die im NFC-Chip N enthaltene Schaltung des Sendertreibers schaltungstechnisch der in der Figur 3 des Klagepatents dargestellten Parallelschaltung von binären Anschlüssen P1 bis P4, wie sie jeweils in der Figur 5 des Klagepatents dargestellt sind, und weist damit binäre Anschlüsse im Sinne des Klagepatents auf. Ein solcher Anschluss kann nicht nur auf „1“, sondern auch auf „0“ gesetzt werden. Werden nämlich die NMOS-Transistoren durchgeschaltet, verbinden sie den Anschluss TX1 beziehungsweise TX2 mit der Masse, so dass ein Strom in umgekehrter Richtung fließen kann.
179Werden die PMOS-Transistoren des Sendertreibers des NFC-Chips N durchgeschaltet, wird der Antennen-Schaltkreis elektrisch versorgt (Merkmal 1.4). Mindestens zwei der binären Anschlüsse, welche die elektrische Versorgung des Antennen-Schaltkreises sicherstellen, können dabei auf „1“ gesetzt werden (Merkmal 1.5.1) und der Zustand mindestens eines dieser Anschlüsse kann modifiziert werden, um die Amplitude des Antennen-Signals zu modulieren (Merkmal 1.5.2). Werden nämlich die PMOS-Transistoren durchgeschaltet, wird der Antennen-Schaltkreis mit Energie versorgt. Es handelt sich insofern auch um die volle Energie, weil abgesehen von dem durch den Innenwiderstand der PMOS-Transistoren verursachten Spannungsabfall die volle Spannung, die an den PMOS-Transistoren anliegt, auch dem Antennen-Schaltkreis zur Verfügung steht. Werden einzelne dieser PMOS-Transistoren auf hohe Impedanz gebracht, fließt kein Strom und die Amplitude des Antennen-Signals kann dadurch moduliert werden. Werden hingegen die NMOS-Transistoren durchgeschaltet, fließt ein Strom in umgekehrter Richtung. Auch dadurch kann das Antennensignal moduliert werden.
180Dass die Transistoren im Sendertreiber des NFC-Chip N in der vorbeschriebenen Art und Weise geschaltet werden und durch die gesamte angegriffene Steuerschaltung das patentgemäße Verfahren angewendet wird, ergibt sich daraus, dass die angegriffene Ausführungsform mit dem ISO/A- und ISO/B-Standard kompatibel ist, mithin mit Modulationstiefen von 100 % und 10 % arbeitet. Dies setzt die entsprechende Schaltung der PMOS- und NMOS-Transistoren voraus.
181Im Übrigen führt es nicht aus der Lehre des Klagepatents heraus, dass die angegriffene Ausführungsform zwei Anschlüsse TX1 und TX2 mit zwei identischen, jeweils den beiden Anschlüssen zugeordneten Schaltungen aufweist. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung ist quasi jeder Anschluss für die Erzeugung einer Halbschwingung zuständig: Für die erste Halbschwingung werden die PMOS-Transistoren von TX1 durchgeschaltet, so dass der Strom von TX1 durch die Antennenschaltung über TX2 zu den diesem Anschluss zugeordneten NMOS-Transistoren fließen kann. Für die zweite Halbwelle sind dann die dem Anschluss TX2 zugeordneten PMOS-Transistoren durchgeschaltet, so dass der Strom von TX2 über die Antennenschaltung zu TX1 fließt, wo die NMOS-Transistoren durchgeschaltet sind. Durch die patentgemäße Zustandsveränderung der Transistoren während jeder Halbwelle können die entsprechenden Modulationstiefen erzielt werden. Es versteht sich von selbst, dass nicht sämtliche PMOS-Transistoren beider Anschlüsse durchgeschaltet sein können, weil die zu TX2 gehörige Schaltung quasi das Spiegelbild der zu TX1 gehörigen Schaltung darstellt und mit dem Wechsel jeder Halbwelle im Grunde ein „Rollentausch“ stattfindet. Für die Lehre des Klagepatents ist dies unbeachtlich. Insbesondere erfordert die Versorgung mit „voller Energie“ (Merkmal 1.5.1) nicht die Durchschaltung sämtlicher PMOS-Transistoren beider Anschlüsse TX1 und TX2.
1825.
183Für die Beklagte ist es jedenfalls offensichtlich, dass die angegriffene Ausführungsform dazu geeignet und seitens der Abnehmer dazu bestimmt ist, für die Durchführung des patentgemäßen Verfahrens verwendet zu werden.
184Für die Offensichtlichkeit ist maßgeblich, ob im Zeitpunkt des Angebots oder der Lieferung nach den gesamten Umständen des Falls die drohende Patentverletzung aus der Sicht des Anbieters oder Lieferanten so deutlich erkennbar war, dass ein Angebot oder eine Lieferung der wissentlichen Patentgefährdung gleichzustellen ist (BGH GRUR 2007, 679 – Haubenstretchautomat). Es genügt, wenn aus der Sicht des Dritten mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist, dass der Abnehmer die gelieferten Mittel in patentgemäßer Weise verwenden wird (BGH GRUR 2006, 839 – Deckenheizung). Regelmäßig liegt der notwendig hohe Grad der Erwartung einer Patentverletzung dann vor, wenn der Anbieter oder Lieferant selbst eine solche Benutzung vorgeschlagen hat (BGH GRUR 2007, 679 – Haubenstretchautomat). Das ist hier der Fall.
185In den Produktbeschreibungen der angegriffenen Ausführungsform wird ausdrücklich auf die NFC-Fähigkeit hingewiesen. Beim Start eines angegriffenen Smartphones erscheint im Menu-Programm der NFC-Modus. Die Benutzung der angegriffenen Ausführungsform ist damit auch darauf angelegt, die NFC-Funktion zu verwenden. Es mag zwar sein, dass einzelne Nutzer NFC nicht anwenden. Ist aber eine solche Anwendung auf einem Smartphone vorhanden, ist sicher zu erwarten, dass jedenfalls ein Teil der Nutzer die NFC-Anwendung auch benutzen wird. Da in einem solchen Fall das patentgemäße Verfahren zwangsläufig angewendet wird, nämlich zur Kommunikation mit dem Lesegerät eine Amplitudenmodulation im Sinne der Lehre des Klagepatents erfolgt, ist die Anwendung des patentgemäßen Verfahrens auch aus Sicht der Beklagten offensichtlich.
186V.
187Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht weiterhin sämtliche Merkmale des Klagepatentanspruchs 5. Zur näheren Begründung wird auf die Ausführungen zur objektiven Eignung der angegriffenen Ausführungsform zur Anwendung des mit dem Klagepatentanspruch 1 geschützten Verfahrens verwiesen (siehe Abschnitt III. 4.). Die Merkmale der Klagepatentansprüche sind weitgehend deckungsgleich. Zudem ist die angegriffene Ausführungsform mit dem NFC-Chip N und dem dort implementierten Sendertreiber geeignet, die Amplitude des Antennen-Signals mit dem Verfahren gemäß Klagepatentanspruch 1 zu modulieren (Merkmal 5.6).
188VI.
189Da die Beklagte die durch die Klagepatentansprüche 1 und 5 geschützte Erfindung im Sinne von § 9 S. 1 und 2 Nr. 1 PatG und § 10 Abs. 1 PatG benutzt, ergeben sich die nachstehenden Rechtsfolgen.
1901.
191Die Beklagte ist der Klägerin gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung verpflichtet, da die Benutzung der patentgemäßen Erfindung ohne Berechtigung erfolgt.
192Die Verhängung eines Schlechthinverbots ist dabei auch gerechtfertigt, soweit der Unterlassungsanspruch auf Benutzungshandlungen im Sinne von § 10 Abs. 1 PatG gestützt ist. Zwar kommt ein Schlechthinverbot im Rahmen einer nur mittelbaren Patentverletzung regelmäßig dann nicht in Betracht, wenn die angegriffene Ausführungsform auch patentfrei benutzt werden kann (vgl. Schulte/Rinken/Kühnen, PatG 9. Aufl.: § 10 Rn 34 ff). Etwas anderes gilt aber dann, wenn weder ein Warnhinweis, noch eine Vertragsstrafenvereinbarung Gewähr dafür bieten können, dass es unter Verwendung des Mittels nicht zu einer Patentverletzung kommt, eine etwaige Patentverletzung für den Schutzrechtsinhaber praktisch nicht feststellbar ist und dem Lieferant ohne weiteres zumutbar ist, das Mittel so umzugestalten, dass es nicht mehr patentgemäß verwendet werden kann (Schulte/Rinken/Kühnen, PatG 9. Aufl.: § 10 Rn 39). Das ist hier der Fall. Denn die Nutzung der patentverletzenden NFC-Anwendung erfolgt erst beim Endabnehmer der angegriffenen Smartphones, regelmäßig einem privaten Endverbraucher. Diesem gegenüber verbieten sich Vertragsstrafenvereinbarungen. Aber auch ein Warnhinweis kommt nicht in Betracht, weil dieser regelmäßig ins Leere liefe: Ein Hinweis, die NFC-Anwendung nicht nutzen zu dürfen, ist gegenüber einem Endverbraucher nicht nur unzutreffend, sondern dürfte auch ein ernsthaftes Kaufhindernis darstellen. Gleiches gilt für den Hinweis, dass die angegriffene Ausführungsform nicht NFC-fähig sei, zumal der NFC-Modus im Menu-Programm selbst angeboten wird. Darüber hinaus lässt sich seitens der Klägerin nicht feststellen, ob die Abnehmer der angegriffenen Ausführungsform entgegen einem Warnhinweis nicht doch die NFC-Anwendung benutzen. Der Beklagten ist es hingegen ohne weiteres zumutbar, die angegriffene Ausführungsform dergestalt abzuwandeln, dass den Nutzern die NFC-Anwendung nicht mehr zur Verfügung steht. Die NFC-Funktionalität wird in der angegriffenen Ausführungsform im Wesentlichen durch separate Schaltungen verwirklicht; im Wesentlichen basiert sie auf dem NFC-Chip N. Insofern kann es der Beklagten zugemutet werden, unmittelbar die Hardware der angegriffenen Ausführungsform dergestalt zu ändern, dass die NFC-Funktionalität tatsächlich nicht mehr ausgeübt werden kann, oder jedenfalls durch entsprechende Software-Änderungen dafür zu sorgen, dass dem Nutzer die NFC-Funktionalität nicht mehr zur Verfügung steht (auch wenn die Hardware-technischen Voraussetzungen noch gegeben sind).
193Vor diesem Hintergrund ist seitens der Klägerin der weitere Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform jedenfalls nicht hinzunehmen, da er regelmäßig dazu führen wird, dass die Abnehmer der angegriffenen Smartphones von der Lehre des Klagepatents Gebrauch machen. Auch wenn die angegriffene Ausführungsform patentfrei genutzt werden kann und eine Änderung der angegriffenen Ausführungsform mit einem gewissen Aufwand verbunden ist, ist dies der Beklagten im Hinblick darauf zumutbar, dass andernfalls der Patentschutz der Klägerin ins Leere liefe.
1942.
195Weiterhin hat die Klägerin gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 1 und 2 PatG.
196Das für die Zulässigkeit des Feststellungsantrags gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Klägerin derzeit nicht in der Lage ist, den konkreten Schaden zu beziffern und ohne eine rechtskräftige Feststellung der Schadensersatzpflicht die Verjährung von Schadensersatzansprüchen droht.
197Die Beklagte ist zum Schadensersatz verpflichtet, weil sie die Patentverletzung schuldhaft beging. Als Fachunternehmen hätte sie die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Es ist auch nicht unwahrscheinlich, dass der Klägerin als ausschließlicher Lizenznehmerin beziehungsweise der Inhaberin des Klagepatents durch die Patentverletzung ein Schaden entstanden ist.
198Das gilt auch, soweit der Schadensersatzanspruch auf Verletzungshandlungen im Sinne des § 10 Abs. 1 PatG gestützt wird. Zwar kann das bloße Anbieten von Mitteln, wie es der Beklagten vorliegend vorgeworfen wird, regelmäßig nicht zu einer unmittelbaren Patentverletzung unter Einsatz dieser Mittel führen, sofern dem Angebot keine Lieferung nachfolgt. Schon das Anbieten begründet jedoch eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass es auch zur Lieferung gekommen ist. Diese Wahrscheinlichkeit reicht zwar zum Nachweis einer solchen Lieferung und damit für die Begründetheit einer bezifferten Schadensersatzklage in aller Regel nicht aus. Sie lässt aber nach der Erfahrung des täglichen Lebens mit einiger Sicherheit erwarten, dass ein Schaden entstanden ist, und führt deshalb zur Begründetheit eines unbezifferten Antrags auf Feststellung der Schadensersatzpflicht (BGH GRUR 2013, 713, 715 – Fräsverfahren).
199Die Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz ist jedoch auf Handlungen beschränkt, die in der Zeit seit dem 06.09.2010 begangen wurden, weil die Beklagte erst ab diesem Zeitpunkt im Handelsregister eingetragen war.
200Für die Zeit seit dem 19.12.2014 stehen der Klägerin Schadensersatzansprüche aus eigenem Recht zu, weil zu diesem Zeitpunkt der Lizenzvertrag zwischen ihr und der A. als Inhaberin des Klagepatents in Kraft trat und sie seit diesem Zeitpunkt ausschließliche Lizenznehmerin am Klagepatent ist. Für den Zeitraum vor dem 19.12.2014 kann die Klägerin Ersatz für den der A. entstandenen Schaden verlangen.
2013.
202Der Klägerin steht gegen die Beklagte auch ein Anspruch auf Rechnungslegung und Auskunft aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 140b Abs. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB zu. Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus § 140b Abs. 1 PatG, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 140b Abs. 3 PatG. Die weitergehende Auskunftspflicht und die Verpflichtung zur Rechnungslegung folgen aus §§ 242, 259 BGB, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern. Die Klägerin ist auf die tenorierten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagten werden durch die von ihnen verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet. Auch dieser Anspruch ist auf die Zeit ab der Eintragung der Beklagten im Handelsregister am 06.09.2010 beschränkt.
203VII.
204Für eine Aussetzung der Verhandlung gemäß § 148 ZPO besteht keine Veranlassung. Es kann nicht mit der für eine Aussetzung erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen, dass die gegen das Klagepatent gerichtete Nichtigkeitsklage erfolgreich sein wird.
2051.
206Die durch die Patentansprüche 1 und 5 geschützte technische Lehre wird in der Entgegenhaltung US AA(= D1) nicht neuheitsschädlich offenbart.
207Die Beurteilung, ob der Gegenstand eines Patents durch eine Vorveröffentlichung neuheitsschädlich getroffen ist, erfordert die Ermittlung des Gesamtinhalts der Vorveröffentlichung. Maßgeblich ist, welche technische Information dem Fachmann offenbart wird. Zu ermitteln ist deshalb nicht, in welcher Form der Fachmann etwa mit Hilfe seines Fachwissens eine gegebene allgemeine Lehre ausführen kann oder wie er diese Lehre gegebenenfalls abwandeln kann, sondern ausschließlich, was der Fachmann der Vorveröffentlichung als den Inhalt der gegebenen (allgemeinen) Lehre entnimmt. Maßgeblich ist, was aus fachmännischer Sicht einer Schrift „unmittelbar und eindeutig” zu entnehmen ist (BGH GRUR 2009, 382, 384 – Olanzapin m.w.N.).
208Davon ausgehend wird jedenfalls nicht das Merkmal 1.3.1 beziehungsweise das Merkmal 5.4.1 offenbart. Auch wenn die in Figur 5 der Entgegenhaltung D1 dargestellte Schaltungsanordnung der I/O-Anschlüsse weitgehend mit der Schaltung der Figuren 3 und 5 der Klagepatentschrift übereinstimmt, wird an keiner Stelle offenbart, dass die Anschlüsse dieser Schaltung auch in einen Zustand hoher Impedanz gebracht werden können (Merkmal 1.3.1 bzw. 5.4.1). Die in der D1 offenbarte Schaltung mag zwar bei entsprechender Ansteuerung grundsätzlich dazu geeignet sein. Aber eine solche Ansteuerung, mit der die Anschlüsse in einen Zustand hoher Impedanz gebracht werden können, wird eben an keiner Stelle beschrieben. Ebenso wenig werden die einzelnen Verfahrensschritte des Klagepatentanspruchs 1 beschrieben, für die die Vorrichtung gemäß dem Klagepatentanspruch 5 geeignet sein muss. Dafür besteht aus Sicht der D1 auch kein Anlass, da sie sich mit der Art und Weise der Signalmodulation oder Modulationstiefe im Fall der Amplitudenmodulation in keiner Weise auseinandersetzt. Soweit in der Beschreibung der D1 die Amplitudenmodulation angesprochen wird (Sp. 7 Z. 9 ff, Sp. 10 Z. 3 ff und Z. 39 ff der D1), geschieht dies nur neben weiteren Modulationsverfahren und zudem anlässlich der Modulation des vom Transponder (!) zu versendenden Identifizierungssignals, nicht aber in Bezug auf die Modulation der vom Lesegerät mit der in Figur 5 der D1 dargestellten Schaltung gesendeten Signale. Dementsprechend enthält die Entgegenhaltung keinerlei Hinweise darauf, wie das vom Lesegerät gesendete Signal moduliert wird. Dass sich die Anschlüsse beim Umschalten von „1“ auf „0“ kurzzeitig im Zustand „HZ“ befinden, damit ein Kurzschluss vermieden wird, offenbart ebenfalls nicht das Merkmal 1.3.1 beziehungsweise 5.4.1. Von der Funktion dieses Merkmals ausgehend müssen die Anschlüsse patentgemäß jedenfalls so in den Zustand „HZ“ gebracht werden können, dass damit eine Amplitudenmodulation möglich ist. Dafür bestehen in D1 keine Anhaltspunkte.
209Soweit sich die Beklagte in dieser Hinsicht im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 26.02.2015 auf die Eigenschaften des in der D1 angesprochenen Mikrocontrollers PIC16C5x beruft, handelt es sich um neuen Tatsachenvortrag, der keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gibt, § 296a ZPO. Dabei ist ohnehin fraglich, ob das als Anlage D1b vorgelegte Datenblatt geeignet ist, die Eigenschaften des Microcontrollers im Prioritätszeitpunkt der D1, mithin am 05.02.1993, wiederzugeben, da das Datenblatt selbst einen Copyright-Vermerk für das Jahr 1998 trägt.
2102.
211Die patentgemäße Lehre wird weiterhin nicht durch die Entgegenhaltung US 5,418,353 (= D2) offenbart. Zumindest die Merkmale 1.4, 1.5.1 und 1.5.2 beziehungsweise 5.5 und 5.6 werden nicht beschrieben. Zur Funktionsweise der in der Figur 10 der D2 dargestellten Schaltung wird in der D2 ausgeführt, dass für die Ausgabe des Zeichens „1“ die Transistoren 40a und 41a abwechselnd durchgeschaltet werden, so dass ein hochfrequentes Signal mit einer Amplitude von 2V1 an die Spule abgegeben wird. Für die Ausgabe des Zeichens „0“ werden hingegen die Transistoren 40b und 41b abwechselnd durchgeschaltet, so dass ein hochfrequentes Signal mit einer Amplitude von 2V2 ausgegeben wird (Sp. 10 Z. 39 ff der D2). Damit ist immer nur einer der beiden Anschlüsse aktiv, um entweder das Signal „1“ oder das Signal „0“ auszugeben. Es wird hingegen nicht offenbart, dass mindestens zwei binäre Anschlüsse des Steuer-Schaltkreises den Antennen-Schaltkreis elektrisch versorgen (Merkmal 1.4 bzw. 5.5). Daher wird auch nicht das in der Merkmalsgruppe 1.5 beziehungsweise dem Merkmal 5.6 dargestellte Verfahren beschrieben. Denn es werden nie die beiden Anschlüsse auf „1“ gesetzt, also zur Stromversorgung des Antennen-Schaltkreises eingesetzt, und der Zustand von mindestens einem dieser beiden Anschlüsse zur Modulation der Amplitude modifiziert. Es wird vielmehr immer nur ein Anschluss so gesteuert, dass über ihn ein Signal mit einer bestimmten Amplitude ausgegeben wird.
2123.
213Schließlich offenbart auch die Entgegenhaltung EP BB(= D3) nicht die patentgemäße Lehre, weil die Merkmale 1.4, 1.5.1 und 1.5.2 beziehungsweise 5.5 und 5.6 nicht beschrieben werden. Die Klägerin hat zutreffend darauf hingewiesen, dass im Absatz [0098] der D3a (entspricht S. 10 Z. 26 ff der D3) lediglich beschrieben wird, wie immer nur einer der drei Transistoren 51a, 511b, 511c der in Figur 5 dargestellten Schaltung durchgeschaltet ist, um den Antennenschaltkreis mit Strom zu versorgen. Insofern greifen hier die gleichen Erwägungen wie zur D2.
214VIII.
215Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.
216Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 und 2 ZPO. Auf den entsprechenden Antrag der Klägerin waren Teilsicherheiten festzusetzen. Die Höhe der Sicherheitsleistung orientiert sich an der Streitwertangabe der Klägerin von 10.000.000,- EUR. Die Kammer ist der Auffassung, dass dieser Betrag angemessen ist, um etwaige Schäden der Beklagten, die durch eine Vollstreckung des Urteils eintreten, abzusichern. Hierbei ist die Kammer von einem Zeitraum von ca. einem Jahr ausgegangen, der bis zu einer Berufungsentscheidung durch das OLG Düsseldorf vergehen dürfte. Die Beklagte hat nicht substantiiert vorgetragen, dass ihr potentieller Schaden im Falle der Aufhebung des Urteils über den Betrag von 10.000.000,- EUR hinausgehen würde. Ein solcher Schaden könnte – neben Gerichts- und Anwaltskosten – in Gewinneinbußen oder erhöhten Herstellungskosten (etwa bei der Abwandlung der angegriffenen Ausführungsform) liegen, wobei zu berücksichtigen ist, dass es vorliegend allein um etwaige Schäden der Beklagten, nicht aber der Jgeht. Hierzu fehlt es an Vortrag der Beklagten. Der Verweis auf die Umsatzzahlen mit dem M führt an dieser Stelle nicht weiter. Diese betreffen allein die Umsätze der I Corporation. Inwieweit die Beklagte hieran partizipiert, trägt sie nicht vor. Darüber hinaus lassen die reinen Umsatzzahlen keinen Rückschluss auf die mit dem M erzielten Gewinne zu.
217Der Streitwert wird auf 10.000.000,- EUR festgesetzt.
218Dr. Voß Vorsitzender Richter am Landgericht |
Dr. Fehre Richterin am Landgericht |
Richterin am Landgericht Dr. Thom ist aufgrund urlaubsbedingter Abwesenheit an der Unterschriftsleistung gehindert. |
ra.de-Urteilsbesprechung zu Landgericht Düsseldorf Urteil, 26. März 2015 - 4b O 10/14
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Landgericht Düsseldorf Urteil, 26. März 2015 - 4b O 10/14
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenLandgericht Düsseldorf Urteil, 26. März 2015 - 4b O 10/14 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).
Tenor
I. Die Beklagte wird verurteilt,
1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Fall wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem Geschäftsführer der Beklagten zu vollstrecken ist, zu unterlassen,
a) Mobiltelefone anzubieten und/oder zu liefern, die zur Ausübung eines Datenroutingverfahrens in einem Chipsatz geeignet sind, umfassend wenigstens einen Hostprozessor, eine Steuereinheit und eine kontaktlose Datensende-/ Empfangsschnittstelle vom RFID-Typ, wobei das Verfahren folgende Schritte umfasst, die darin bestehen:
- einen Datenwegeröffnungsbefehl (CMD), der einen in der kontaktlosen Datensende-/ Empfangsschnittstelle (CLINT) lokalisierten Bestimmungspunkt (P3) benennt, mittels eines im Hostprozessor lokalisierten Ausgangspunktes (P1, P2) an die Steuereinheit zu senden,
- als Antwort auf den Dateneröffnungsbefehl (CMD) mittels der Steuereinheit (NFCC) einen Datenweg zu eröffnen, der den Ausgangspunkt mit dem Bestimmungspunkt verbindet, wobei dem Datenweg eine Routingkanalnummer (CHANi) zugewiesen wird und wobei die Routingkanalnummer sowie wenigstens einen Identifizierer (iDsp) des Ausgangspunktes und einen Identifizierer (iDsp) des Bestimmungspunktes umfassende Routingparameter in eine Routing-Tabelle (RT) eingetragen werden,
- für den Bestimmungspunkt bestimmte, in einem Datenübertragungsblock (DF), der ein die Routingkanalnummer umfassendes Header-Feld aufweist, verkapselte Daten mittels des Ausgangspunktes an die Steuereinheit (NFCC) zu senden und
- beim Empfang der in einem Datenübertragungsblock (DF), der ein die Routingkanalnummer umfassendes Header-Feld aufweist, verkapselten Daten mittels der Steuereinheit (NFCC), unter Verwendung der Routingkanalnummer als Index für die Auswahl des Bestimmungspunktes, einen Bestimmungspunkt der Daten in der Routing-Tabelle zu suchen und die Daten dann an den Bestimmungspunkt zu senden,
und/oder
b) Datensende-/ Empfangsvorrichtungen (NFCR2) umfassend eine kontaktlose Datensende-/Empfangsschnittstelle (CLINT) vom RFID-Typ, eine Steuereinheit (NFCC) und wenigstens einen Eingangs/Ausgangsport (INT1, INT2), um die kontaktlose Datensende-/Empfangsschnittstelle (CLINT) mit einem Hostprozessor (HP1, HP2) zu verbinden,
anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen, wobei die Steuereinheit (NFCC) konfiguriert ist, um
- als Antwort auf einen Dateneröffnungsbefehl (CMD), der von einem in einem Hostprozessor (HP1, HP2) lokalisierten Ausgangspunkt gesandt wurde und der einen in der kontaklosen Datensende-/Empfangsschnittstelle (CLINT) lokalisierten Bestimmungspunkt (P3) benennt, einen Datenweg zwischen dem Ausgangspunkt und einem Bestimmungspunkt zu eröffnen, wobei dem Datenweg eine Routingkanalnummer (CHANi) zugewiesen wird und wobei die Routingkanalnummer sowie wenigstens einen Identifizierer (iDsp) des Ausgangspunktes und einen Identifizierer (iDsp) des Bestimmungspunktes umfassende Routingparameter in eine Routing-Tabelle (RT) eingetragen werden, und
- beim Empfang von in einem Datenübertragungsblock (DF), der ein die Routingkanalnummer umfassendes Header-Feld aufweist, verkapselten Daten, unter Verwendung der Routingkanalnummer als Index für die Auswahl des Bestimmungspunktes einen Bestimmungspunkt der Daten in der Routing-Tabelle zu suchen;
2. der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses vollständig darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 11. September 2010 begangen hat, und zwar unter Angabe
a) der einzelnen Lieferungen und Bestellungen, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Liefer- und Bestellmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Herstellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei die Beklagte hinsichtlich der Angaben zu lit. a) Rechnungen vorzulegen hat,
und wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernimmt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist;
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen,
- der der T . durch die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen in dem Zeitraum vom 11. September 2010 bis zum 18.12.2014 entstanden ist und
- der der Klägerin in ihrer Eigenschaft als ausschließliche Lizenznehmerin durch die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 19.12.2014 entstanden ist.
III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10 Mio EUR vorläufig vollstreckbar, wobei die einzelnen titulierten Ansprüche gegen Teilsicherheiten wie folgt vollstreckt werden können:
Unterlassung (I.1.): 8 Mio €
Rechnungslegung (I.2.): 1,5 Mio €
Kosten: 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages
1
Tatbestand
3Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents A (Klagepatent, Anlage K4, in deutscher Übersetzung Anlage K4a) auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch. Das Klagepatent wurde am 23.03.2007 von der T ., damals firmierend unter Inside Technologies S.A., später unter Contactless S.A., unter Inanspruchnahme zweier französischer Prioritäten jeweils vom 10.05.2006 angemeldet. Die Offenlegung der Anmeldung erfolgte am 14.11.2007. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 11.08.2010 veröffentlicht. Das Patent steht in Kraft.
4Die B hat unter dem 02.06.2014 Nichtigkeitsklage beim Bundespatentgericht eingereicht mit dem Antrag, das Klagepatent im Umfang der Ansprüche 1 und 12 für nichtig zu erklären. Wegen des Inhalts der Nichtigkeitsklage wird auf die Anlage HL2 nebst Anlagen Bezug genommen. Über die Nichtigkeitsklage wurde bislang noch nicht entschieden.
5Das Klagepatent bezieht sich auf ein Verfahren zur Weiterleitung von aus- und eingehenden Daten in ein NFC-Chipset. Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche 1 und 12 des Klagepatents, dessen Verfahrenssprache französisch ist, lauten in ihrer eingetragenen deutschen Übersetzung wie folgt:
61.
7Datenrouting-Verfahren in einem Chipsatz, umfassend wenigstens einen Hostprozessor (HP1, HP2), eine Steuereinheit (NFCC) und eine kontaktlose Datensende-/ Empfangsschnittstelle (CLINT) vom RFID-Typ,
8dadurch gekennzeichnet, dass es die folgenden Schritte umfasst, die darin bestehen:
9- einen Datenwegeröffnungsbefehl (CMD), der einen in der kontaktlosen Datensende-/Empfangsschnittstelle (CLINT) lokalisierten Bestimmungspunkt (P3) benennt, mittels eines im Hostprozessor lokalisierten Ausgangspunktes (P1, P2) an die Steuereinheit zu senden,
10- als Antwort auf den Dateneröffnungsbefehl (CMD) mittels der Steuereinheit (NFCC) einen Datenweg zu eröffnen, der den Ausgangspunkt mit dem Bestimmungspunkt verbindet, wobei dem Datenweg eine Routingkanalnummer (CHANi) zugewiesen wird und wobei die Routingkanalnummer sowie wenigstens einen Identifizierer (iDsp) des Ausgangspunktes und einen Identifizierer (iDsp) des Bestimmungspunktes umfassende Routingparameter in eine Routing-Tabelle (RT) eingetragen werden,
11- für den Bestimmungspunkt bestimmte, in einem Datenübertragungsblock (DF), der ein die Routingkanalnummer umfassendes Header-Feld aufweist, verkapselte Daten mittels des Ausgangspunktes an die Steuereinheit (NFCC) zu senden und
12- beim Empfang der in einem Datenübertragungsblock (DF), der ein die Routingkanalnummer umfassendes Header-Feld aufweist, verkapselten Daten mittels der Steuereinheit (NFCC), unter Verwendung der Routingkanalnummer als Index für die Auswahl des Bestimmungspunktes, einen Bestimmungspunkt der Daten in der Routing-Tabelle zu suchen und die Daten dann an den Bestimmungspunkt zu senden.
1312.
14Datensende-/Empfangsvorrichtung (NFCR2), umfassend eine kontaktlose Datensende-/Empfangsschnittstelle (CLINT) vom RFID-Typ, eine Steuereinheit (NFCC) und wenigstens einen Eingangs/Ausgangsport (INT1, INT2), um die kontaktlose Datensende-/Empfangsschnittstelle (CLINT) mit einem Hostprozessor (HP1, HP2) zu verbinden,
15dadurch gekennzeichnet, dass die Steuereinheit (NFCC) konfiguriert ist, um:
16- als Antwort auf einen Dateneröffnungsbefehl (CMD), der von einem in einem Hostprozessor (HP1, HP2) lokalisierten Ausgangspunkt gesandt wurde und der einen in der kontaklosen Datensende-/Empfangsschnittstelle (CLINT) lokalisierten Bestimmungspunkt (P3) benennt, einen Datenweg zwischen dem Ausgangspunkt und einem Bestimmungspunkt zu eröffnen, wobei dem Datenweg eine Routingkanalnummer (CHANi) zugewiesen wird und wobei die Routingkanalnummer sowie wenigstens einen Identifizierer (iDsp) des Ausgangspunktes und einen Identifizierer (iDsp) des Bestimmungspunktes umfassende Routingparameter in eine Routing-Tabelle (RT) eingetragen werden, und
17- beim Empfang von in einem Datenübertragungsblock (DF), der ein die Routingkanalnummer umfassendes Header-Feld aufweist, verkapselten Daten, unter Verwendung der Routingkanalnummer als Index für die Auswahl des Bestimmungspunktes einen Bestimmungspunkt der Daten in der Routing-Tabelle zu suchen.
18Bei der Klägerin handelt es sich um eine Patentverwertungsgesellschaft, die 2011 auf Betreiben des französischen Staates zur Förderung des Patentwesens und der Verwertung insbesondere französischer Patente gegründet wurde.
19Am 20.06.2012 unterzeichneten die Herren C als Directeur général der Klägerin einen Patentlizenzvertrag (Lizenzvertrag I) betreffend D (NFC). Gemäß Art. 2 Ziff. 2.1.1 räumte die T . der Klägerin eine Lizenz an verschiedenen Schutzrechten, darunter auch dem Klagepatent, ein. Wegen der Einzelheiten der Vereinbarung wird auf die Anlage K 5c Bezug genommen.
20Am 19.12.2014 unterzeichneten die Herren E als Directeur général der Klägerin einen weiteren Patentlizenzvertrag (Lizenzvertrag II) für die NFC-Technologie, mit dem sie in der Zwischenzeit vereinbarte Vertragsergänzungen und -änderungen in einer konsolidierten Vertragsfassung zusammenfassten. Wiederum räumte die T . mit Art. 2 Ziff. 2.1.1 der Klägerin eine Lizenz an verschiedenen Schutzrechten, darunter auch dem Klagepatent, ein. Gemäß Ziffer 10 des Vertrages wurde der ursprüngliche Lizenzvertrag beendet und durch den neuen Vertrag ersetzt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Lizenzvertrages II wird auf die Anlage K 5d Bezug genommen.
21Am 27. und 28.01.2015 unterzeichneten die Herren F weiterhin eine Erklärung, mit der die Patentinhaberin gegenüber der Klägerin die Abtretung aller Schadensersatzansprüche erklärte, die der Patentinhaberin in Verbindung mit dem Klagepatent entstanden sind. Wegen der Einzelheiten dieser Vereinbarung wird auf die Anlage K 22 verwiesen.
22Die Beklagte ist die deutsche Tochtergesellschaft des G . Dieser hat in seiner Produktpalette unter anderem Smartphones, die mit dem NFC-Controller „PN544“ ausgestattet sind (angegriffene Ausführungsform), wie etwa das „H “. Eine Produktbeschreibung des NFC-Controllers „PNC544“ findet sich in Anlage K8. Der angegriffene NFC-Controller befolgt den Standard LL V11.0.0 (2011-09) (Anlage K9, in deutscher Übersetzung als Anlage K9a). Die Patentinhaberin, die T ., hat gegenüber der ETSI eine FRAND-Erklärung abgegeben.
23Mobilfunkgeräte, die mit dem NFC-Controller „PNC544“ ausgestattet sind, werden etwa auf den als Anlagen K3 und K7 auszugsweise wiedergegebenen Internetseiten präsentiert und dort zum Verkauf, auch in der Bundesrepublik Deutschland, angeboten. Urheberrechtlich gestaltet sind diese Seiten von der I . Auch die Domain-Adresse gehört der J . Im Impressum der Seiten wird die Beklagte, allerdings unter fehlerhafter Nennung des Geschäftsführers, aufgeführt (vgl. Anlage K7a). Dieses Impressum wird dem deutschen Nutzer bei einer Suche nach „K “ von der Suchmaschine „Google“ unmittelbar angezeigt. Wenn er auf den Internetseiten der J „Deutschland“ anklickt und sodann „Kontaktaufnahme“ oder „Support Center“ aufruft, erfolgt die Kontaktaufnahme unter der Frankfurter Telefonnummer der Beklagten (vgl. Anlage K25). Ausweislich des als Anlage K11 vorgelegten Handelsregisterauszugs HRB 88937 ist Gegenstand des Unternehmens der Beklagten der Vertrieb, Verkaufs- und Marketingunterstützung sowie der Kundendienst. Sie beschäftigt Mitarbeiter für die Bereiche „Sales“ und „Distribution“ sowie „Regional Key Account Manager“ für deutsche Mobilfunknetzanbieter.
24Im Hinblick auf ihre Aktivlegitimation behauptet die Klägerin, ihr sei durch den Lizenzvertrag I vom 20.12.2012 (Anlage K5c, dort Art. 2.1.1.) eine ausschließliche Lizenz am Klagepatent erteilt worden. Diese Lizenz sei durch den Abschluss des zweiten Lizenzvertrages vom 19.12.2014 (Anlage K5d) bestätigt und erneuert worden.
25Im Rahmen der Passivlegitimation behauptet die Klägerin, die Beklagte selbst biete die angegriffene Ausführungsform in Deutschland an und vertreibe sie. Jedenfalls aber fördere sie durch ihr Handeln die Vertriebstätigkeit der J in Deutschland. Für die als Anlagen K3 und K8 vorgelegten Internetseiten L werde als Verantwortliche ausweislich der Anlage K3 die Beklagte genannt. Dies stimme überein mit den Angaben im Handelsregister, wonach die Beklagte verantwortlich sei für den Vertrieb, den Kundendienst sowie die Verkaufs- und Marketingunterstützung. Die Beklagte zeige auf ihrer Internetseite Smartphones, die über die streitgegenständliche NFC-Technologie verfügten. Dies sei ausreichend, um die Beklagte in der geltend gemachten Weise in Anspruch nehmen zu können.
26Im Angebot und Vertrieb der mit dem NFC-Controller PN544 ausgestatteten Mobilfunkgeräte sieht die Klägerin eine wortsinngemäße Verletzung des Klagepatents, wobei sie im Hinblick auf Patentanspruch 1 eine mittelbare und im Hinblick auf Patentanspruch 12 eine unmittelbare Patentverletzung geltend macht. Insofern behauptet sie, eine Verwirklichung des LL V11.0.0 (2011-09) Standards begründe zwingend die Verletzung des Klagepatents, da dieses standardessentiell sei.
27Die „Eröffnung“ eines Datenweges nach der erfindungsgemäßen Lehre bedeute nichts anderes als die Erzeugung eines solchen. Das Öffnen und Schließen des Datenweges sei demgegenüber nicht Gegenstand der Erfindung. Dass nach dem Standard nach der Erzeugung des Datenweges dieser erst noch durch einen gesonderten Befehl geöffnet werden müsse, stehe der Verwirklichung der klagepatentgemäßen Lehre daher nicht entgegen.
28Weiterhin sei unerheblich, dass das Gate, von dem der Datenwegeröffnungsbefehl abgesandt werde, nach dem Standard nicht zugleich das Gate sei, das für den noch zu erzeugenden Datenweg genutzt werde. Dies erfordere die erfindungsgemäße Lehre nämlich nicht. Entscheidend sei vielmehr, dass der Ausgangspunkt des zu erzeugenden Datenweges in dem Hostprozessor lokalisiert sei, der den Datenwegeröffnungsbefehl absende.
29Schließlich sei offensichtlich, dass der Standard eine Routing-Tabelle entsprechend der erfindungsgemäßen Lehre verwende. Der Host-Controller quittiere dem anfragenden Host-Prozessor die Schaffung des Datenweges unter Mitteilung der in Tabelle 10 der Anlage K9 dargestellten Parameter. Dies könne nur geschehen, weil der Host-Controller diese Parameter zuvor abgespeichert habe. Der Host-Controller behalte auch den Zugriff auf diese Parameter, die er dazu benötige, eingehende Daten an den richtigen Bestimmungspunkt weiterzuleiten (Anlage 9 Kapitel 4.4 und 5.1).
30Nachdem die Klägerin ursprünglich noch die Feststellung beantragt hat, dass die Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der ihr seit dem 11.09.2010 entstanden ist, beantragt sie nunmehr,
31zu erkennen wie geschehen,
32hilfsweise
33- im Falle des Anbietens im Angebot ausdrücklich und unübersehbar darauf hinzuweisen, dass die Mobiltelefone nicht ohne Zustimmung der Klägerin als ausschließlicher Lizenznehmerin des EP M für den NFC-Modus verwendet werden dürfen;
34- im Falle der Lieferung den Abnehmern unter Auferlegung einer an die Klägerin als ausschließliche Lizenznehmerin zu zahlenden Vertragsstrafe von 10.000,00 € für jeden Fall der Zuwiderhandlung die schriftliche Verpflichtung aufzuerlegen, die Mobiltelefone nicht ohne Zustimmung der Klägerin als ausschließlicher Lizenznehmerin des EP M für den NFC-Modus zu verwenden.
35Die Beklagte beantragt,
36die Klage abzuweisen,
37hilfsweise den Rechtsstreit bis zu einer erstinstanzlichen Entscheidung des Bundespatentgerichts in dem Nichtigkeitsverfahren über den Rechtsbestand des deutschen Teils DE N des europäischen Patents EP A auszusetzen,
38weiter hilfsweise, den Rechtsstreit bis zur Entscheidung des EuGH in Sachen C-170/13 (Vorabentscheidungsverfahren LG Düsseldorf, 4b O 104/12 – O ) auszusetzen,
39weiter hilfsweise für den Fall einer Verurteilung eine Vollstreckungssicherheitsleistung in Höhe von mindestens 400 Mio EUR anzuordnen.
40Hinsichtlich der Aktivlegitimation der Klägerin bestreitet die Beklagte mit Nichtwissen, dass die Klägerin und die T . beim Abschluss der Lizenzverträge wirksam vertreten gewesen seien. Zudem ist sie der Auffassung, beide Verträge würden der Klägerin keine ausschließliche, sondern lediglich eine einfache Lizenz einräumen. Dies ergebe sich aus dem Verbot der Unterlizenzerteilung. Zudem sei das klägerische Vorgehen nicht von dem in der Lizenzvereinbarung genannten NFC Licensing Program gedeckt. Außerdem sei nicht ersichtlich, dass der Klägerin vor der Lizenzerteilung entstandene Ansprüche auf Schadensersatz wirksam abgetreten worden seien.
41Im Hinblick auf ihre Passivlegitimation behauptet die Beklagte, sie sei für die angegriffene Ausführungsform nicht in die Vertriebstätigkeit ihres Mutterkonzerns eingebunden. Allein aus ihrer Nennung im Impressum der Webseite L ergebe sich nicht, dass sie die angegriffene Ausführungsform in äußerlich wahrnehmbarer Weise zum Erwerb der Verfügungsgewalt bereitgestellt habe. Dies sei aber zur Verwirklichung eines patentrechtlich relevanten Anbietens erforderlich. Im Übrigen sei das Impressum auch nicht zutreffend, da die genannte Webseite nicht von ihr, sondern von der J betrieben werde. Die tatsächliche und rechtliche Herrschaftsmacht über die Gestaltung der Webseite – einschließlich der deutschsprachigen Fassung – liege allein bei der J . Die Unrichtigkeit des auf der Webseite aufgeführten Impressums ergebe sich schon daraus, dass dort als Geschäftsführer Herr P genannt werde. Dieser sei hingegen nicht der Geschäftsführer der Beklagten, sondern der CEO der J . Sie – die Beklagte – nehme in Deutschland lediglich Repräsentationspflichten für die J wahr. Eine konkrete Unterstützung im Rahmen der Vertriebstätigkeit erfolge nicht.
42Weiter ist die Beklagte der Auffassung, Anspruch 1 und 12 des Klagepatents würden schon deshalb nicht verletzt, weil die angegriffene Ausführungsform zwar den in Rede stehenden Standard verwirkliche, das Klagepatent aber nicht standardessentiell sei und daher die Verwirklichung des Standards noch nicht die Verletzung des Klagepatents begründe.
43So meine das Klagepatent mit der „Eröffnung“ des Datenweges dessen Erzeugung und Öffnung, so dass hiernach unmittelbar Daten gesendet werden könnten. Demgegenüber müsse im Standard – insoweit unstreitig – nach der Erzeugung des Datenweges dieser erst noch mittels eines gesonderten Befehls geöffnet werden, um Daten übermitteln zu können. Insofern stelle die Erzeugung des Datenweges nach dem Standard eben keine erfindungsgemäße „Eröffnung“ des Datenweges dar.
44Zudem werde – insoweit unstreitig - im Standard der Datenwegeröffnungsbefehl nicht von dem Gate aus abgesandt, das später Ausgangspunkt für den zu erzeugenden Datenweg sei. Gerade dies sei aber zwingende Voraussetzung für die Verwirklichung der erfindungsgemäßen Lehre. Diese gehe von einem einheitlichen Ausgangspunkt für die Absendung des Datenwegeröffnungsbefehls und den zu erzeugenden Datenweg aus.
45Schließlich werde im Standard keine erfindungsgemäße Routing-Tabelle verwendet. Ein konkreter Hinweis hierauf finde sich an keiner Stelle. Aus dem Umstand, dass einem Datenweg zwischen zwei Punkten innerhalb eines Chipsatzes eine Routingkanalnummer zugewiesen werde und nachfolgend Daten unter Angabe dieser Routingkanalnummer in einem Header eines Datenpakets versandt würden, könne noch nicht der Rückschluss auf das Vorliegen einer erfindungsgemäßen Routingtabelle gezogen werden. Insbesondere sei hierdurch nicht gezeigt, dass die Routingkanalnummer und die Identifizierer des Ausgangs- und Bestimmungspunktes des Datenweges zusammen in einer Tabelle gespeichert würden.
46Hilfsweise erhebt die Beklagte gegen die Klageansprüche den kartellrechtlichen Lizenzeinwand. Die Klägerin missbrauche durch die unbeschränkte Geltendmachung des Klagepatents ihre marktbeherrschende Stellung. Sie sei verpflichtet, der Beklagten eine Lizenz am Klagepatent zu FRAND-Bedingungen einzuräumen. Aus der Inhaberschaft an einem SEP resultiere stets die Vermutung für eine marktbeherrschende Stellung. Diese Vermutung könne die Klägerin nicht widerlegen. Die NFC-Technologie sei zwar keine Marktzutrittsvoraussetzung, habe sich am Markt aber so weit durchgesetzt, dass ein nicht NFC-fähiges Smartphone nicht markt- bzw. wettbewerbsfähig wäre. Dies werde durch Marktanalysen und -studien (Anlagen HL19-27) belegt. Im Januar 2015 seien hiernach bereits 74 % der am Markt angebotenen Smartphones NFC-fähig gewesen. Den Käufer eines Smartphones interessiere dabei vor allem der Anwendungsbereich des mobilen Bezahlens. Die stetig sinkende Lebensdauer eines Mobilfunkgerätes, die derzeit bei 18 bis 24 Monaten liege, belege, dass der Käufer eines Smartphones ein Gerät erwerben wolle, das sich technisch auf dem neuesten Stand befinde. Ein Ausweichen auf andere technische Möglichkeiten, die nicht vom Z -Standard Gebrauch machen, sei zwar technisch möglich, aus wirtschaftlichen Gründen aber ausgeschlossen. Die deutschen Netzbetreiber würden in ihren Konformitätsanforderungen zwingend die Verwirklichung des Z -Standards verlangen. Smartphones, die diesen Vorgaben nicht entsprechen, würden von den Netzbetreibern nicht in den Vertrieb genommen.
47Weiter hilfsweise beruft sich die Beklagte auf eine angeblich fehlende Schutzfähigkeit der in diesem Rechtsstreit geltend gemachten Ansprüche 1 und 12 des Klagepatents. Der Gegenstand der Patentansprüche sei nicht patentfähig, da er durch die D1 (Q ) und die D2 (R ) neuheitsschädlich vorweggenommen werde. Zudem mangele es der mit den Ansprüchen 1 und 12 beanspruchten technischen Lösung angesichts der D3 (Auszüge aus „Specification of the Bluetooth System“) an der erforderlichen erfinderischen Tätigkeit.
48Die Klägerin tritt den Aussetzungsanträgen entgegen.
49Im Hinblick auf den kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand ist sie der Auffassung, dass es bereits an einer marktbeherrschenden Stellung fehle. Die NFC-Technologie sei eine „Nischentechnologie“, die für den relevanten Markt lediglich von untergeordneter Bedeutung sei. Allein der Umstand, dass die erfindungsgemäße Lehre Eingang in einen von den Standardisierungsorganisationen festgelegten Standard gefunden habe, treffe noch keine Aussage über ihre Bedeutung für den relevanten Markt. Es sei vielmehr im Einzelfall zu prüfen, ob ein SEP für den relevanten Markt von solcher Bedeutung sei, dass es dem Inhaber eine marktbeherrschende Position vermitteln könne. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Kaum ein Verbraucher kenne überhaupt die NFC-Technologie, geschweige denn nutze sie und richte nach deren Vorhandensein seine Kaufentscheidung aus. Im Übrigen sei nicht die Verwendung der NFC-Technologie als solche Gegenstand des Klagepatents, sondern nur der Teilbereich der S , wie er im geltend gemachten Standard beschrieben werde. Dies setze die Implementierung der NFC-Technologie in einer SIM-Karte (auch UICC-Karte genannt) voraus. Alternativ könne die NFC-Technologie aber auch in andere Bauteile, etwa sog. „embedded security elements“ oder Smartcards, eingebettet werden. Lediglich 27 % der am Markt erhältlichen, NFC-fähigen Smartphones würden den Z -Standard befolgen. Bei 43 % werde die NFC-Fähigkeit über ein sog. „embedded Secure Element“ erreicht.
50Die Nichtigkeitsklage der Beklagten gegen die Klagepatentansprüche 1 und 12 werde keinen Erfolg haben. Die Schutzfähigkeit sei gegeben, die erfindungsgemäße Lehre sei sowohl neu als auch erfinderisch. Sowohl die D1 als auch die D2 würden jedenfalls keine Routingtabelle im Sinne der klagepatentgemäßen Lehre offenbaren. Die D3 werde vom Fachmann schon deshalb nicht herangezogen, weil das darin beschriebene Bluetooth-Verfahren die Datenübertragung innerhalb eines Netzwerks betreffe. Hier sei ein Datenrouting schon dem Grunde nach nicht erforderlich, weil keine Daten von einem Netzwerk in das andere übersetzt werden müssten.
51Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.02.2015 verwiesen. Die Akten der Parallelverfahren 4b O 10/14 und 4b O 09/14 waren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
52Entscheidungsgründe
53Die Klage ist zulässig und begründet.
54A.
55Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die Klägerin prozessführungsbefugt. Sie macht zum einen aufgrund der von ihr behaupteten Eigenschaft als ausschließliche Lizenznehmerin im eigenen Namen eigene Ansprüche wegen Patentverletzung geltend. Zum anderen macht sie aufgrund der von ihr behaupteten Abtretung im eigenen Namen Ansprüche aus übergegangenem Recht geltend. Dies genügt zur Begründung der Prozessführungsbefugnis.
56B.
57Die Klage ist auch begründet. Der Klägerin stehen gegen die Beklagte die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht gemäß Art. 64 EPÜ i.V.m. den §§ 9 S. 2 Nr. 1, 10, 139 Abs. 1 und 2, 140 b Abs. 1 und 3 PatG, §§ 242, 259 BGB zu.
58I.
59Die Klägerin ist aktivlegitimiert.
601.
61Soweit die Klägerin Unterlassungs-, Schadensersatz- und Auskunftsansprüche aus eigenem Recht geltend macht, ist sie dazu als ausschließliche Lizenznehmerin am Klagepatent sachlich berechtigt. Der ausschließliche Lizenznehmer hat eigene Unterlassungs-, Schadensersatz- und Auskunftsansprüche aus dem Klagepatent ab dem Zeitpunkt der Einräumung der ausschließlichen Lizenz, im vorliegenden Fall seit dem 19.12.2014.
62a)
63Zwischen der T . als Inhaberin am Klagepatent und der Klägerin ist ein Lizenzvertrag wirksam zustande gekommen. Die T . ist eingetragene Inhaberin des Klagepatents. Nach Vorlage des entsprechenden Handelsregisterauszuges (Anlage K 5d, dort S. 3 f.) steht fest und wird auch von der Beklagten zu Recht nicht mehr bestritten, dass es sich bei der Inside Technologies S.A. beziehungsweise der Contactless S.A. lediglich um frühere Firmenbezeichnungen der T . handelte. Bei dem Vertrag, mit dem die T . der Klägerin wirksam eine Lizenz erteilte, handelt es sich um den am 19.12.2014 abgeschlossenen Lizenzvertrag II.
64aa)
65Auf den Vertrag vom 20.06.2012 (Lizenzvertrag I) kann für die wirksame Einräumung einer Lizenz nicht abgestellt werden, weil die Beklagte die Vertretungsbefugnis jedenfalls des Herrn U für die T . erheblich bestritten hat. Nach französischem Recht ist grundsätzlich nur der Directeur général zur Vertretung der S.A. nach außen berechtigt, sofern sich aus den Statuten der Gesellschaft oder Einzelvereinbarungen mit der Gesellschaft nichts anderes ergibt. Herr V war im Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 19.06.2014 nicht Directeur général der T . Dass er als Vorstandsvorsitzender aufgrund anderer Vereinbarungen zum Abschluss des Lizenzvertrages im Namen der T . berechtigt war, hat die Klägerin nicht dargelegt.
66bb)
67Anders verhält es sich hingegen mit dem Lizenzvertrag II vom 19.12.2014. Zwar ist auch Herr W nicht Directeur général der T . Aber die Klägerin hat mit der Anlage K20 die Kopie einer Vollmacht („Power of attorney“) vorgelegt, mit der der Directeur général der T ., Herr X , Herrn W Vollmacht zur Unterzeichnung des Lizenzvertrages II („Restated Patent License Agreement“) erteilt. Da für die Klägerin Herr Y in seiner Funktion als Directeur général handelte, ist ein Lizenzvertrag wirksam zustande gekommen.
68b)
69Mit dem Lizenzvertrag II hat die Patentinhaberin der Klägerin eine ausschließliche Lizenz am Klagepatent erteilt. Dass es sich bei der erteilten Lizenz um eine ausschließliche handeln soll, wird bereits in der Präambel des Lizenzvertrages klargestellt. Auch der die Gewährung der Rechte regelnde Art. 2 des Lizenzvertrages spricht in Abschnitt 2.1.1 ausdrücklich von der Gewährung einer ausschließlichen Lizenz. Dem steht das in Art. 2 Ziffer 2.1.1 enthaltene Verbot der „Sublizenzierung“ nicht entgegen. Der Vertrag ist an dieser Stelle dahingehend auszulegen, dass nur die Lizenznehmerin selbst und die mit ihr verbundenen Unternehmen („affiliates“) berechtigt sein sollen, einfache Lizenzen am Klagepatent zu erteilen. Es soll hingegen ausgeschlossen werden, dass die Klägerin dieses Recht zur Unterlizenzierung auf Dritte überträgt. In Abgrenzung zu dem ebenfalls in Art. 2 Ziff. 2.1.1 genannten Recht zur Einräumung einfacher Lizenzen („limited right to grant non-exclusive licenses“) ist mit der „Sublizenzierung“ die Weitergabe der exklusiven Lizenz und damit des Rechts zur Vergabe einfacher Lizenzen gemeint. Nach dem Wortlaut der Klausel ist die Klägerin lediglich berechtigt, ihr verbundenen Unternehmen eine solche „Sublizenz“ zu erteilen („except to its Affiliates“). Der weitere Halbsatz („limited right to grant non-exclusive licenses […]“) beschreibt dann im Einzelnen die ausschließliche Lizenz, die der Klägerin mit dem Vertrag gewährt wird („Licensor hereby grants to Licensing Entity and its Affiliates the […] limitited right […]“). Dieser Wille der Vertragsparteien ergibt sich im Übrigen aus einem Vergleich mit dem Art. 2 Ziff. 2.1.1 des Lizenzvertrages I, aus dem aufgrund seines etwas anderen Wortlauts unmittelbar ersichtlich ist, dass die Klägerin das Recht erhalten sollte, einfache Lizenzen an den „Licensed Patents“ für die jeweilige Jurisdiktion im Rahmen des NFC Patent Licensing Program zu gewähren. Der Ausschluss der „Sublizenzierung“ kann daher nur bedeuten, dass damit ausgeschlossen werden sollte, das Recht zur Einräumung einfacher Lizenzen an Dritte weiterzugeben. Mit dem Lizenzvertrag II wollten die Vertragsparteien nichts substanziell anderes regeln. Er enthält keinerlei Anhaltspunkte für die von der Beklagten vertretene Vertragsauslegung, nach der die Klägerin lediglich berechtigt sein sollte, im Namen der Patentinhaberin für diese Lizenzverträge zu schließen, ohne selbst eine Lizenz am Patent innezuhaben.
70c)
71Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche gehen in räumlicher, zeitlicher und sachlicher Hinsicht nicht über die mit der ausschließlichen Lizenz der Klägerin eingeräumten Befugnisse hinaus. Die Patentverletzung, die die Klägerin der Beklagten vorwirft, stellt in jeder Hinsicht eine Verletzung der Rechte der Klägerin aus der ausschließlichen Lizenz dar. Nach der Vorlage des ungekürzten Lizenzvertrages (Anlage K 5d) behauptet auch die Beklagte nicht mehr, dass die mit dem Lizenzvertrag II eingeräumte ausschließliche Lizenz Beschränkungen unterliege, aufgrund derer die Handlungen der Beklagten keine Beeinträchtigung der ausschließlichen Lizenz der Klägerin darstellen würden. Insbesondere umfasst das in Art. 2 Ziffer 2.1.1 erwähnte und in Exhibit 2 des Lizenzvertrages erläuterte NFC Patent Licensing Program, auf das die ausschließliche Lizenz beschränkt ist, den Vertrieb NFC-fähiger Smartphones, den die Klägerin in diesem Verfahren der Beklagten vorwirft.
722.
73Soweit die Klägerin Auskunfts- und Schadensersatzansprüche aus übergegangenem Recht geltend macht, hat die T . der Klägerin die entsprechenden Ansprüche wirksam abgetreten.
74Mit Erklärung vom 27./28.01.2014 trat die T . alle ihr entstandenen Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit den lizensierten Patenten, darunter dem Klagepatent, an die Klägerin ab. Dass dabei die Auskunftsansprüche nicht ausdrücklich benannt sind, begegnet keinen Bedenken. Die Erklärung ist dahingehend auszulegen, dass neben den Schadensersatzansprüchen auch solche Ansprüche übertragen werden sollten, die der Durchsetzung der Schadensersatzansprüche dienen, insbesondere also so genannte Annexansprüche.
75Die vorgenannte Abtretungserklärung wurde für die T von Herrn W in deren Namen abgegeben. Für die Klägerin erklärte Herr Y die Annahme der Abtretung. Beide hatten auch die für das Rechtsgeschäft erforderliche Vertretungsmacht. Für Herrn Y ergibt sie sich aus seiner Eigenschaft als Directeur général der Klägerin. Herrn W wurde ausweislich Anlage K 20a mit Erklärung von Herrn X , als Directeur général vertretungsbefugt für die Klägerin, am 27.01.2015 Vollmacht zum Abschluss des „Amendment no 1“ zum Lizenzvertrag II erteilt. Bei dem „Amendment no 1“ handelt es sich um die als Anlage K 22 vorgelegte Abtretungserklärung vom 27.01.2015.
76II.
77Die dem Klagepatent zugrunde liegende Erfindung betrifft ein Datenrouting-Verfahren in einem Chipsatz (Anlage K4a Abs. [0001]) sowie einen Datensende-/ Empfangsschaltkreis (Anlage K4a Abs. [0002]), jeweils umfassend eine kontaktlose Sende-/Empfangsschnittstelle vom RFID Typ (Radio Frequency Identification). Das Klagepatent betrifft dabei insbesondere die Umsetzung eines NFC (Near Field Communication) -Chipsatzes (Anlage K4a Abs. [0003]).
78Bei RFID-Systemen („radio-frequency identification“) werden Daten auf einem elektronischen Datenträger – einem Transponder – gespeichert. Diese Daten können dann von einem Lesegerät unter Verwendung magnetischer oder elektromagnetischer Felder ausgelesen werden. Der Transponder besitzt dabei in der Regel keine eigene Spannungsversorgung. Er wird vielmehr erst aktiviert, wenn er sich in einem Lesebereich des Lesegeräts befindet. Die zum Betrieb des Transponders benötigte Energie wird über das magnetische oder elektromagnetische Feld des Lesegeräts an den Transponder übertragen. RFID-Systeme gestatten somit das automatisierte und berührungslose Identifizieren und Lokalisieren von mit einem Transponder versehenen Objekten bzw. das Erfassen von in einem Transponder enthaltenen Daten.
79NFC betrifft eine drahtlose Datenschnittstelle zwischen elektronischen Geräten. Die Besonderheit der NFC-Technologie besteht darin, dass der Datenaustausch nur über kurze Strecken von einigen Zentimetern funktioniert, die am Datenaustausch beteiligten Geräte dementsprechend nah aneinander gehalten werden müssen. Die über ihre jeweilige NFC-Schnittstelle miteinander verbundenen Geräte verhalten sich dabei entsprechend einem RFID-Leser bzw. -Transponder, wobei im Unterschied zu der RFID-Technologie, bei der die passive Einheit (der Transponder) stets passiv ist, bei der NFC-Technologie Einheiten eingesetzt werden können, die sowohl aktiv als auch passiv, auch in wechselnden Rollen, operieren. Die NFC-Technologie ist durch verschiedene technische Standards der ISO, ECMA und ETSI spezifiziert.
80Die Klagepatentschrift beschreibt NFC-Leser mit mehreren Betriebsmodi, nämlich einem „Leser“-Modus, einem „Kartenemulations“-Modus und einem „Device“-Modus. Im Leser-Modus funktioniert der NFC-Leser in aktiver Form durch Aussendung eines Magnetfeldes wie ein herkömmlicher RFID-Leser, um Lese- und Schreibzugriff auf einen RFID-Chip zu erhalten. Im Emulations-Modus funktioniert der NFC-Leser in passiver Form in der Art eines Transponders, um mit einem anderen, ein Magnetfeld aussendenden Leser zu kommunizieren und durch den anderen Leser wie ein RFID-Chip wahrgenommen zu werden. Im Device-Modus – der die NFC-Technologie auszeichnet – bringt sich der Leser alternierend in einen aktiven und in einen passiven Zustand der vorbeschriebenen Art (Leser- bzw. Kartenemulationsmodus), um mit einem anderen Leser Daten auszutauschen. (Anlage K4a Abs. [0004])
81Aufgrund seiner weitreichenden Kommunikationskapazitäten wird der NFC-Leser in tragbare Vorrichtungen wie Mobiltelefone oder PDAs integriert. Hierzu wird ein NFC-Chipsatz benötigt, der einen NFC-Leser und mindestens einen Hostprozessor umfasst. (Anlage K4a Abs. [0006])
82Die nachfolgend abgebildete Figur 1 der Klagepatentschrift zeigt den typischen Aufbau eines solchen NFC-Chipsatzes in Blockform und kontaktlose Schaltkreise, mit denen der Chipsatz kommunizieren kann:
83 84Der NFC-Chipsatz ist durch das gestrichelte Rechteck auf der linken Seite der Abbildung umgrenzt. Er umfasst einen NFC-Leser (NFCR1), dem eine kontaktlose Schnittstelle zugeordnet ist (angedeutet durch die zu erkennende Spule), sowie zwei Hostprozessoren (HP1 und HP2). Den Begriff des Hostprozessors definiert die Klagepatentschrift dahingehend, dass hierunter ein integrierter Schaltkreis zu verstehen ist, der einen Mikroprozessor oder eine Mikrosteuereinheit umfasst und der mit dem Port eines NFC-Lesers verbunden ist (Anlage K4a Abs. 0006]). In Figur 1 teilen sich die beiden Hostprozessoren (HP1 und HP2) die Ressourcen des NFC-Lesers (NFCR1). Sie sind mit ihm über Ports verbunden und können mit ihm jeweils bidirektional kommunizieren (angedeutet durch die Pfeile).
85Die Hostprozessoren verwalten über den NFC-Leser ihre jeweiligen kontaktlosen Anwendungen bzw. Dienste (sog. Apps). Über den NFC-Leser müssen deshalb ein- und ausgehende Datenflüsse von den in den Hostprozessoren ausgeführten Anwendungen oder Diensten abgewickelt werden. Das heißt, der NFC-Leser muss mit unterschiedlichen externen Schaltkreisen kommunizieren können. (Anlage K4a Abs. [0006]). Die Umsetzung eines geeigneten NFC-Chipsatzes erfordert daher jedenfalls das Vorsehen eines Routings von Datenflüssen, die über einen bidirektionalen, kontaktlosen Datenübertragungskanal übertragen werden, zwischen den jeweiligen Hostprozessoren (HP1, HP2) und dem NFC-Leser (NFCR1) innerhalb des Chipsatzes (Anlage K4a Abs. [0007]).
86Dieses Routing von Datenflüssen zwischen den jeweiligen Hostprozessoren und dem NFC-Leser beschreibt die Klagepatentschrift exemplarisch anhand der nachfolgend abgebildeten Figuren 3a und 3b:
87 88Der NFC-Chipsatz der Figur 3a besteht aus zwei Hostprozessoren (HP1, HP2) sowie dem NFC-Leser (NFCR1; kleineres gestricheltes Rechteck). Letzterer wiederum umfasst eine kontaktlose Datensende-/Empfangsschnittstelle (CLINT), ausgestattet mit einem Antennenschaltkreis (ACT), zwei drahtgebundenen Kommunikationsschnittstellen (INT1, INT2) und einer Steuereinheit (NFCC). Die Kommunikationsschnittstellen sind einerseits mit der Datensende-/Empfangsschnittstelle (CLINT), andererseits mit den zwei außerhalb des NFC-Lesers befindlichen Hostprozessoren (HP1, HP2) verbunden.
89Figur 3b stellt die den NFC-Chipsatz passierenden Datenflüsse von und zu von einem Hostprozessor (HP1, HP2) ausgeführten Anwendungen oder Diensten exemplarisch dar. Auf diese Weise können die Ressourcen der kontaktlosen Datensende-/ Empfangsschnittstelle (CLINT) durch die einzelnen Hostprozessoren verwendet werden. Dabei weisen die Datenflüsse jeweils einen Ausgangs- und einen Bestimmungspunkt auf. Je nachdem, in welche Richtung der Datenfluss erfolgt, ist der Ausgangs- oder Bestimmungspunkt entweder in einem Hostprozessor (HP1, HP2) oder in der kontaktlosen Datensende-/Empfangsschnittstelle (CLINT) lokalisiert (Anlage K4a Abs. [0009]).
90Um das Routing der ausgehenden Daten und die Konfiguration der Schnittstelle CLINT zu ermöglichen, werden Datenübertragungsblöcke gebildet, die jeweils Header-Felder und Datenfelder umfassen. Die Header-Felder enthalten die zur Steuerung der Schnittstelle CLINT erforderlichen Informationen, insbesondere Felder mit Angaben über Datenausgangs- und Bestimmungspunkte. (Anlage K4a Abs. [0011])
91Das aus dem Stand der Technik bekannte Z -Protokoll sah ausweislich der Klagepatentschrift (Anlage K4a Abs. [0012]) Datenübertragungsblöcke mit langen und komplexen Header-Feldern vor. Dies hatte den Nachteil, dass ein erheblicher Verarbeitungsaufwand erforderlich war, bevor die eigentliche Datenverarbeitung stattfinden konnte. Dieses Problem wird auch als „overheading“ bezeichnet. Ein weiteres Problem im Stand der Technik bestand darin, dass die kontaktlose Datensende-/ Empfangsschnittstelle CLINT und die Steuereinheit NFCC nicht unbedingt wussten, an welchen Hostprozessor die Daten gesendet werden sollen. Infolgedessen wurden die Daten an zwei Prozessoren übermittelt, wobei der Prozessor, den diese Daten nicht betrafen, nicht darauf antwortete (Anlage K4a Abs. [0014]).
92Vor diesem Hintergrund formuliert die Klagepatentschrift die Aufgabe (das technische Problem), zum einen ein Datenrouting-Verfahren in einem NFC-Chipsatz bereitzustellen, das einfach umzusetzen ist und keine überlangen Header-Felder erfordert (Anlage K4a Abs. [0013]), und zum anderen ein Verfahren bereitzustellen, mit dem in einem NFC-Chipsatz der Hostprozessor festgestellt werden kann, der der Empfänger der über einen kontaktlosen Datenübertragungskanal empfangenen Daten ist, ohne dabei notwendigerweise den Inhalt dieser Daten analysieren zu müssen (Anlage K4a Abs. [0017]).
93Dies sucht die Erfindung mit einem Datenroutingverfahren und einer Datensende-/ Empfangsvorrichtung nach den Ansprüchen 1 und 12 zu erreichen, die die folgenden Merkmale aufweisen:
94Anspruch 1:
95- 96
1. Datenrouting-Verfahren in einem Chipsatz
- 97
2. Der Chipsatz umfasst
a) eine Steuereinheit (NFCC),
99b) eine kontaktlose Datensende-/ Empfangsschnittstelle (CLINT) vom RFID-Typ und
100c) wenigstens einen Hostprozessor (HP1, HP2).
101- 102
3. Das Verfahren umfasst die folgenden Schritte:
a) Senden eines Datenwegeröffnungsbefehls (CMD) mittels eines im Hostprozessor lokalisierten Ausgangspunktes (P1, P2) an die Steuereinheit,
104a1) wobei der Datenwegeröffnungsbefehl einen in der kontaktlosen Datensende-/Empfangsschnittstelle (CLINT) lokalisierten Bestimmungspunkt (P3) benennt,
105b) Eröffnen eines Datenweges mittels der Steuereinheit (NFCC) als Antwort auf den Datenwegeröffnungsbefehl (CMD),
106b1) wobei der Datenweg den Ausgangspunkt mit dem Bestimmungspunkt verbindet,
107b2) wobei dem Datenweg eine Routingkanalnummer (CHANi) zugewiesen wird und
108b3) wobei die Routingkanalnummer sowie wenigstens einen Identifizierer (iDsp) des Ausgangspunktes und einen Identifizierer (iDsp) des Bestimmungspunktes umfassende Routingparameter in eine Routing-Tabelle (RT) eingetragen werden,
109c) Senden von in einem Datenübertragungsblock (DF) verkapselten und für den Bestimmungspunkt bestimmten Daten an die Steuereinheit (NFCC) mittels des Ausgangspunktes,
110c1) wobei der Datenübertragungsblock ein die Routingkanalnummer umfassendes Header-Feld aufweist,
111d) Suchen eines Bestimmungspunktes der Daten in der Routing-Tabelle beim Empfang der in dem Datenübertragungsblock (DF) verkapselten Daten mittels der Steuereinheit (NFCC),
112d1) wobei der Datenübertragungsblock ein die Routingkanalnummer umfassendes Header-Feld aufweist und
113d2) wobei bei der Suche die Routingkanalnummer als Index für die Auswahl des Bestimmungspunktes verwendet wird,
114e) Senden der Daten an den Bestimmungspunkt.
115Anspruch 12
116- 117
1. Datensende-/Empfangsvorrichtung (NFCR2)
- 118
2. Die Datensende-/Empfangsvorrichtung (NFCR2) umfasst:
a) eine Steuereinheit (NFCC),
120b) eine kontaktlose Datensende-/Empfangsschnittstelle (CLINT) vom RFID-Typ und
121c) wenigstens einen Eingangs/Ausgangsport (INT1, INT2), um die kontaktlose Datensende-/Empfangsschnittstelle (CLINT) mit einem Hostprozessor (HP1, HP2) zu verbinden.
122- 123
3. Die Steuereinheit (NFCC) ist konfiguriert, um
a) als Antwort auf einen Datenwegeröffnungsbefehl (CMD) einen Datenweg zwischen dem Ausgangspunkt und einem Bestimmungspunkt zu eröffnen,
125a1) wobei der Datenwegeröffnungsbefehl von einem in einem Hostprozessor (HP1, HP2) lokalisierten Ausgangspunkt gesandt wurde,
126a2) wobei der Datenwegeröffnungsbefehl einen in der kontaklosen Datensende-/Empfangsschnittstelle (CLINT) lokalisierten Bestimmungspunkt (P3) benennt,
127a3) wobei dem Datenweg eine Routingkanalnummer (CHANi) zugewiesen ist und
128a4) wobei die Routingkanalnummer sowie wenigstens einen Identifizierer (iDsp) des Ausgangspunktes und einen Identifizierer (iDsp) des Bestimmungspunktes umfassende Routingparameter in eine Routing-Tabelle (RT) eingetragen werden,
129b) beim Empfang von in einem Datenübertragungsblock (DF) verkapselten Daten einen Bestimmungspunkt der Daten in der Routing-Tabelle zu suchen,
130b1) wobei der Datenübertragungsblock ein die Routingkanalnummer umfassendes Header-Feld aufweist und
131b2) wobei bei der Suche die Routingkanalnummer als Index für die Auswahl des Bestimmungspunktes verwendet wird.
132III.
133Im Hinblick auf den Streit der Parteien bedarf die Merkmalsgruppe 3 der Ansprüche 1 und 12 näherer Erläuterung. Aus Gründen der Vereinfachung wird dabei auf die Merkmale des Anspruchs 1 abgestellt, die sich in Anspruch 12 in (weitgehend) gleicher Weise – jedoch teilweise mit etwas unterschiedlicher Bezifferung – wiederfinden.
134Die Merkmalsgruppe 3 beschreibt die Umsetzung des Routing-Verfahrens gemäß der Erfindung. Anschaulich wird dies anhand der nachstehend eingeblendeten Figur 4 der Klagepatentschrift:
135 136Gezeigt ist ein erfindungsgemäßer NFC-Chipsatz mit zwei Hostprozessoren (HP1, HP2) und einem NFC-Leser (NFCR2). Der NFC-Leser umfasst die Steuereinheit NFCC und eine kontaktlose Datensende-/Empfangsschnittstelle CLINT. Die Ausgangs- oder Bestimmungspunkte eines Datenflusses im Chipsatz werden als P1 (im Hostprozessor 1 lokalisierter Punkt), P2 (im Hostprozessor 2 lokalisierter Punkt) und P3 (in der Schnittstelle CLINT lokalisierter Punkt) bezeichnet.
137Gemäß Merkmal 3.a) wird zunächst mittels eines im Hostprozessor lokalisierten Ausgangspunktes (P1, P2) ein Datenwegeröffnungsbefehl an die Steuereinheit gesandt. Merkmal 3.a) führt dabei den Begriff des „Ausgangspunktes“ ein, der sodann in den Merkmalen 3.b1), 3.b3) und 3.c) wieder aufgegriffen wird. In der Klagepatentschrift findet sich keine allgemeine Definition des „Ausgangspunktes“. Allerdings ist in Unteranspruch 9 eine Ausführungsform der Erfindung geschützt, bei der die in der Routing-Tabelle eingetragenen Ausgangspunkte oder Bestimmungspunkte Dienste sind, die die Form von Programmen annehmen, die von einem Hostprozessor ausgeführt werden und denen die Steuereinheit Datenwege zuweist. Entsprechende Ausführungsformen der Erfindung sind auch in den Absätzen [0026], [0037] und [0065] der Klagepatentschrift beschrieben. Hieraus kann der Rückschluss gezogen werden, dass es sich bei den in Anspruch 1 und Anspruch 12 genannten Ausgangspunkten um Dienste handelt, die in dem jeweiligen Hostprozessor ausgeführt werden. Dies lässt auch Figur 1 erahnen, die aufzeigt, dass in den Hostprozessoren HP1 und HP2 verschiedene Anwendungen AP1, AP2 und AP3 lokalisiert sind. Der Datenaustausch erfolgt funktional zur Ausführung dieser Anwendungen, also zwischen den beteiligten Diensten. Der Datenwegeröffnungsbefehl erfolgt nach Merkmal 3.a) mittels des für den späteren Datenaustausch vorgesehenen Ausgangspunktes, d.h. bezogen auf einen speziellen, in dem jeweiligen Hostprozessor lokalisierten Dienst.
138Der Datenwegeröffnungsbefehl soll sodann nach Merkmal 3.a1) den Bestimmungspunkt des Datenweges benennen, der in der kontaktlosen Datensende-/Empfangsschnittstelle lokalisiert ist. Auf diese Weise erhält die Steuereinheit die für die Identifizierung des Datenweges erforderlichen Routingparameter.
139Als Antwort auf den Datenwegeröffnungsbefehl wird mittels der Steuereinheit der angefragte Datenweg eröffnet (Merkmal 3.b). Dabei meint der Begriff des „Eröffnens“ nicht etwas grundsätzlich anderes als die Erzeugung des Datenweges. Diese beiden Begriffe verwendet die Klagepatentschrift vielmehr nebeneinander, ohne sie explizit voneinander abzugrenzen. Soweit in den Absätzen [0047] und [0048] der Klagepatentschrift die Rede davon ist, dass der Befehl zur Eröffnung des Datenweges von einem der Hostprozessoren oder der Schnittstelle CLINT ausgesendet wird, während die eigentliche Erzeugung des Datenweges durch die Steuereinheit NFCC gewährleistet wird, liegt hierin schon deshalb keine klare Abgrenzung der Begrifflichkeiten, weil nach Merkmal 3.b) das Eröffnen des Datenweges mittels der Steuereinheit erfolgen soll. Das „Eröffnen“ und das „Erzeugen“ des Datenweges können sich daher jedenfalls überschneiden.
140Entsprechend stellt der in Unteranspruch 4 genannte Datenwegerzeugungsbefehl nicht etwa einen weiteren Befehl neben dem in den Patentansprüchen 1 und 2 genannten Datenwegeröffnungsbefehl dar. Dies wäre mit der Systematik der Ansprüche 1 bis 6 und 12 bis 17 nicht vereinbar. Vielmehr geht der Datenwegerzeugungsbefehl über den Datenwegeröffnungsbefehl hinaus, indem er neben dem Routingparameter „Bestimmungspunkt“ weitere Konfigurationsparameter wie Betriebsmodus oder Protokollparameter enthält. Bei diesem Verständnis umfasst der in Unteranspruch 4 genannte „Datenwegerzeugungsbefehl“ stets auch den in den Patentansprüchen 1 und 2 genannten „Datenwegeröffnungsbefehl“.
141Die Klagepatentansprüche 1 und 12 enthalten keinen Anhaltspunkt dafür, dass über die von der Steuereinheit vorzunehmenden Maßnahmen hinaus weitere Anforderungen an das erfindungsgemäße Eröffnen eines Datenweges gestellt werden. Die Steuereinheit muss dem Datenweg eine Routingkanalnummer zuweisen und diese zusammen mit verschiedenen Identifizierern des Datenweges in eine Routingtabelle eintragen. Sodann muss die Steuereinheit eingehende Datenübertragungsblöcke mit Hilfe der Routingkanalnummer und der in der Routingtabelle enthaltenen Parameter an den richtigen Bestimmungspunkt weiterleiten. Dies schließt weder aus, dass mit dem Datenwegeröffnungsbefehl weitere Konfigurationsparameter übersandt werden, noch dass weitere Befehle erforderlich sind, um Daten über den eröffneten Datenweg zu senden.
142Der solchermaßen „eröffnete“ Datenweg verbindet den Ausgangspunkt mit dem Bestimmungspunkt (Merkmal 3.b1). Wesentlich ist sodann, dass dem Datenweg eine Routingkanalnummer (CHANi) zugewiesen wird (Merkmal 3.b2), die in eine Routing-Tabelle eingetragen wird (Merkmal 3.b3). Der Routingkanalnummer werden in der Routing-Tabelle Routingparameter zugewiesen, die wenigstens den Ausgangspunkt und den Bestimmungspunkt des jeweiligen Datenweges (IDsp, IDdp) identifizieren (Merkmal 3.b3). Auf diese Weise kann allein mit Hilfe der Routingkanalnummer durch einen Rückgriff auf die Routing-Tabelle der jeweilige Datenweg identifiziert werden.
143Dies ermöglicht es, bei der Übermittlung von in einem Datenübertragungsblock verkapselten Daten ein Header-Feld zu verwenden, das lediglich die Routingkanalnummer ausweist und dementsprechend einfach und schnell verarbeitet werden kann (Merkmal 3.c). Die Steuereinheit muss zu diesem Zweck lediglich die zu der entsprechenden Routingkanalnummer in der Routing-Tabelle abgespeicherten Routingparameter abrufen und auswerten (Merkmal 3.d). Auf diese Weise kann der Bestimmungspunkt der Daten festgestellt werden (vgl. Merkmal 3.d2), an den die Steuereinheit die Daten sodann weiterleitet (Merkmal 3.e).
144In funktionaler Hinsicht muss die Routing-Tabelle solchermaßen ausgestaltet sein, dass die Steuereinheit auf sie zugreifen und durch Angabe der Routingkanalnummer die Parameter des zugehörigen Datenweges abfragen kann. Dabei lässt das Klagepatent offen, auf welche Weise dies gewährleistet wird, insbesondere, wie die Routing-Tabelle aufgebaut ist und wo sie gespeichert wird. Es genügt vielmehr jede Zuordnung von Identifizierern zu einer Routingkanalnummer, die so gespeichert ist, dass der Host-Controller für die Suche nach dem Bestimmungspunkt auf sie zugreifen kann.
145Entgegen der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung muss die Routingtabelle über die im Klagepatentanspruch genannten Eigenschaften hinaus keine weiteren Anforderungen erfüllen. Insbesondere muss die Routingtabelle nicht sämtliche Parametrisierungsdaten zur Konfiguration der kontaktlosen Datensende- und Empfangsschnittstelle (CLINT) enthalten. Ebenso wenig muss sie von vornherein so formatiert sein, dass sie zumindest zur Aufnahme solcher Daten geeignet ist. Durch die Lehre des Klagepatentanspruchs wird das technische Problem des Overheading gelöst, indem zuvor im Header enthaltenen Routingdaten in einer Routingtabelle gespeichert werden und mittels einer Routingkanalnummer aufgefunden werden können. Wie im Einzelnen die Schnittstelle CLINT konfiguriert wird und woher die dafür erforderlichen Parametrisierungsdaten stammen, lassen die Klagepatentansprüche 1 und 12 offen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Unteranspruch 2 des Klagepatents, der nicht lediglich Daten für die gemäß Klagepatentanspruch 1 einzurichtende Routingtabelle spezifiziert, sondern weitere, über den Klagepatentanspruch 1 hinausgehende Anforderungen an die Routingtabelle aufstellt. Die weiteren Verweise auf Absatz [0053] und Figur 4 der Klagepatentschrift beziehen sich lediglich auf Ausführungsbeispiele, die eine einschränkende Auslegung des Klagepatentanspruchs nicht zu begründen vermögen.
146IV.
147Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform begründen eine mittelbare Verletzung von Anspruch 1 des Klagepatents im Sinne von § 10 Abs. 1 PatG.
1481.
149Für die Passivlegitimation im Falle einer mittelbaren Patentverletzung im Sinne von § 10 Abs. 1 PatG gelten die gleichen von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze wie im Fall von § 9 PatG. Demnach ist nicht nur derjenige passivlegitimiert, der die patentierte Erfindung in eigener Person i.S.d. § 9 PatG unmittelbar benutzt, sondern auch derjenige, der als Teilnehmer i.S.d. § 830 Abs.2 BGB eine fremde unmittelbare Benutzung i.S.d. § 9 PatG ermöglicht oder fördert, obwohl er sich mit zumutbarem Aufwand die Kenntnis verschaffen kann, dass die von ihm unterstützte Handlung das absolute Recht des Patentinhabers verletzt. Schuldner der Ansprüche auf Unterlassung, Schadensersatz und Auskunft kann schließlich auch sein, wer lediglich eine weitere Ursache für die Rechtsverletzung setzt, indem er eine von ihm ermöglichte Rechtsverletzung durch einen Dritten nicht unterbindet, obwohl dies von ihm zu erwarten wäre. Zu diesem objektiven Verursachungsbeitrag muss allerdings hinzukommen, dass eine Rechtspflicht verletzt wird, die zumindest auch dem Schutz des verletzten absoluten Rechts dient und deren Beachtung den Verursachungsbeitrag entfallen ließe. Das Bestehen und der Umfang einer Rechtspflicht richten sich im Einzelfall nach der Abwägung aller betroffenen Interessen und relevanten rechtlichen Wertungen. Entscheidend ist, ob und inwieweit dem in Anspruch Genommenen nach den Umständen des Einzelfalls ein Tätigwerden zuzumuten ist (vgl. zum Ganzen: BGH, GRUR 2009, 1142 – MP3-Player-Import).
150Legt man diese Grundsätze zu Grunde, ist die Beklagte Verletzer i.S.d. §§ 9 und 10 PatG i.V.m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ und damit hinsichtlich der geltend gemachten Ansprüche passiv legitimiert.
151Die Beklagte fördert das Anbieten der streitgegenständlichen Mobiltelefone im Internet. Sie wird als Verantwortliche im Impressum der Internetseite L genannt, auf die unter der Eingabe der ULR AA automatisch weitergeleitet wird. Selbst unterstellt, der Vortrag der Beklagten träfe zu, es handele sich hierbei um ein – bislang immer noch nicht behobenes – Versehen, würde dies den Verantwortlichkeitsbeitrag nicht beseitigen. Unerheblich, da nicht entscheidungsrelevant, sind in diesem Zusammenhang etwaige Überlegungen zu § 5 TMG. Denn neben der Nennung im Impressum führen auch alle anderen Wege zur Beklagten, wenn der Nutzer mit „BB “ über die Internetseite in Kontakt treten möchte. Über die Rubriken „Anrufen“ und „Support Center“ wird der Nutzer der Internetseite zur Telefonnummer der Beklagten in Frankfurt geführt. Auch wenn das Internetangebot als solches von der J herrührt, liegt in der Tätigkeit der Beklagten, als Ansprechpartnerin zur Verfügung zu stehen, jedenfalls ein Fördern dieser Angebotshandlung. Denn ein am Erwerb eines Smartphones interessierter Anrufer wendet sich mit seinem Anruf automatisch an die Beklagte. Darin liegt eine Organisations- und Unterstützungsleistung. Lediglich indizielle Bedeutung kommt daneben dem Umstand zu, dass in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zur Verwendung der Internetseite die Tochtergesellschaften (und damit auch die Beklagte) neben der Muttergesellschaft J als Vertragspartner genannt werden.
152Darüber hinaus fördert die Beklagte auch den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen. Nach dem bislang unwidersprochenen Vortrag der Klägerin sind bei der Beklagten mehrere Arbeitnehmer angestellt, deren Tätigkeitsbereich auch oder ausschließlich den Vertrieb und Verkauf in Deutschland betreffen (CC , DD Deutschland/Österreich/Schweiz; EE , Germany). Ferner sind Mitarbeiter als Regional Key Account Manager für in Deutschland ansässige Mobilfunkanbieter eingestellt (z.B. FF , Regional Key Account Manager GG ; HH , Key Account Manager Telefónica Germany (II )). Auch wenn dem Unternehmensgegenstand der Beklagten im Handelsregisterauszug für sich alleine keine Bedeutung zukommt, bestätigt der Einsatz der vorgenannten Mitarbeiter der Beklagten, dass die Beklagte im Bereich des Vertriebs und der Verkaufs-und Marketingunterstützung tätig ist. Hinzu tritt, dass der Geschäftsführer der Beklagten JJ im Konzern unter anderem für Europa zuständig ist. Letzteres ist ebenfalls ein – wenn auch schwächeres – Indiz, dass die Handlungen der Beklagten sich in Deutschland nicht nur in Repräsentation und Zubehörverkäufen für Smartphones erschöpfen.
153Vor diesem Hintergrund trifft die Beklagte eine Rechtspflicht zur Überprüfung von Patentverletzungen durch das Angebot und den Vertrieb der streitgegenständlichen Smartphones. Denn indem sie die Angebots- und Vertriebshandlungen der J in Deutschland aktiv unterstützt, trägt sie zu einer Gefährdungssituation bei, mit der eine Rechtspflicht zur Vermeidung etwaiger Rechtsverstöße, insbesondere der Verletzung fremder Patente, korrespondiert (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 27.03.2014, Az. I-15 U 19/14; Leitsätze in GRUR 2015, 61).
154Es ist weder ersichtlich noch vorgetragen, dass der Beklagten eine Überprüfung der Patentsituation nicht möglich oder unzumutbar war. Im Rahmen ihrer Stellung als Tochtergesellschaft hätte sie ihre Muttergesellschaft kontaktieren und sicherstellen müssen, dass die angegriffenen Smartphones Rechte Dritter, insbesondere das Klagepatent, nicht verletzen. Durch die Konzernverflechtung fällt dies der Beklagten leichter als beispielsweise einem außenstehenden Dritten.
1552.
156Bei den Angebotsempfängern handelt es sich um Personen, die zur Benutzung der Erfindung nicht berechtigt sind. Das ist gemäß § 10 Abs. 3 PatG auch dann der Fall, wenn es sich bei den Angebotsempfängern um Verbraucher handelt, die die angegriffene Ausführungsform gemäß § 11 Nr. 1 PatG lediglich im privaten Bereich zu nicht-gewerblichen Zwecken verwenden.
1573.
158Bei der angegriffenen Ausführungsform handelt es sich um ein Mittel, das sich auf ein wesentliches Element der Erfindung bezieht. Denn die angegriffene Ausführungsform enthält einen NFC-Chip des Typs „PN544“, der unstreitig einen Hostprozessor (HP1, HP2), eine Steuereinheit (NFCC) und eine Datensende-/Empfangsschnittstelle (CLINT) vom RFID-Typ umfasst (Merkmalsgruppe 2). Da insofern jedenfalls Teile des Mittels im Klagepatentanspruch 1 selbst genannt sind, bezieht es sich auch auf eine wesentliches Element der Erfindung.
1594.
160Die angegriffene Ausführungsform ist objektiv geeignet, für die Durchführung des mit dem Klagepatentanspruch 1 geschützten Verfahrens verwendet zu werden.
161Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der angegriffene NFC-Controller des Typs „PN544“ nach den Vorgaben des Standards LL V11.0.0 (2011-09) arbeitet. Der vorgenannte Standard betrifft eine logische Schnittstelle, die kontaktlose Anwendungen, gehostet auf der Universal Integrated Circuit Card (UICC), ermöglicht. Im speziellen wird eine Konfiguration beschrieben, bei der ein Host in der UICC eingebettet ist, wobei die UICC mit dem Host-Controller verbunden ist, der wiederum im kontaktlosen Frontend (CLF) eingebettet ist. Unter Host wird dabei eine logische Entität verstanden, die mindestens einen Dienst betreibt. Der Host-Controller ist ein Host, der auch für die Verwaltung des Hostnetzwerks zuständig ist. Jeder in einem Host betriebene Dienst verfügt über einen Eingangspunkt, der als Gate bezeichnet wird. Zwischen den Gates unterschiedlicher Hosts werden Kommunikationskanäle gebildet, die als Pipe bezeichnet werden.
162Das im Standard beschriebene Datenrouting-Verfahren ist in Abbildung 2 der Anlage K9 schematisch dargestellt:
163164
Gezeigt ist das Datenrouting zwischen Host A und Host B mittels des als Steuereinheit fungierenden Host-Controllers. Sowohl der Host-Controller als auch die einzelnen Hosts weisen Administrations-Gates und Verwaltungsverknüpfungs-Gates auf. Bei beiden Gates handelt es sich um sogenannte statische Gates, die immer verfügbar sind und nicht gelöscht werden können. Sie stellen die Verbindung zwischen dem Host-Controller und dem einzelnen Host her. Daneben sieht der Standard dynamische Gates vor, die erstellt und gelöscht werden können. Durch sie kann eine Verbindung zwischen den einzelnen Hosts hergestellt werden. Hierzu verfügen die Hosts neben den Administrations-Gates und den Verwaltungsverknüpfungs-Gates über weitere Gates (vgl. hierzu Anlage K9 Kapitel 4.4). Soll nun ein Datenaustausch zwischen Host A und Host B erfolgen, muss eine dynamische Pipe zwischen den Gates dieser Hosts erstellt werden. Zu diesem Zweck sendet das Administrations-Gate von Host A über die bestehende statische Pipe einen Datenwegeröffnungsbefehl (ADM_CREATE_PIPE) an das Administrations-Gate des Host-Controllers. Dieser Datenwegeröffnungsbefehl identifiziert das Gate von Host B, an das die Daten gesendet werden sollen. Der Host-Controller verwendet die vom Zielhost definierte „Weisse Liste“, um zu überprüfen, ob der Quellhost zum Erstellen einer Pipe autorisiert ist. Ist dies der Fall, wird eine dynamische Pipe zwischen dem Quellhost (Host A) und dem Zielhost (Host B) erstellt (vgl. hierzu Anlage K9 Kapitel 6.1.3.1). Der Host-Controller meldet dem Zielhost anschließend die Erzeugung der Pipe, wobei er Identifizierer des Quellhosts, des Quellgates, des Zielhosts und des Zielgates übermittelt und der Pipe eine PID zuweist (vgl. Anlage K9 Kapitel 6.1.3.2). Unter Verwendung der PID im Header-Feld eines Datenpaketes können in diesem Datenpaket enthaltene Daten vom Quellhost an das Ziel-Gate des Ziel-Hosts übermittelt werden (Anlage K9 Kapitel 5.1).
165Die Umsetzung des vorbeschriebenen Standards durch die angegriffene Ausführungsform begründet – entgegen der Auffassung der Beklagten – zugleich die Verwirklichung der Merkmalsgruppe 3. Im Einzelnen:
166Der Befehl „ADM_CREATE_PIPE“ wird gemäß Merkmal 3.a) mittels eines im Hostprozessor (Host A) lokalisierten Ausgangspunktes an die Steuereinheit gesendet. Der im Host A lokalisierte Ausgangspunkt ist dabei durch die Anwendung charakterisiert, für deren Ausführung eine neue dynamische Pipe erzeugt werden soll. Dass diese Anwendung nach dem Standard ein Administrations-Gate nutzt, um den Datenwegeröffnungsbefehl an die Steuereinheit abzusenden, während die Daten später von einem Gate A einer dynamischen Pipe versendet werden, ist nach der klagepatentgemäßen Lehre unerheblich. Denn diese unterscheidet gerade nicht nach verschiedenen Gates, sondern stellt den funktionalen Aspekt einer bestimmten Anwendung in den Vordergrund. Der hierfür verantwortliche Dienst soll zugleich den Datenwegeröffnungsbefehl absenden und Ausgangspunkt für den späteren Datenweg sein. Dies ist nach dem Standard der Fall. Er spezifiziert eine logische Schnittstelle, die kontaktlose Anwendungen gehostet auf der UICC ermöglicht (Anlage K9 Abschnitt 1). Nach dem Standard ist ein Gate dementsprechend der Eingangspunkt zu einem Dienst, der in einem Host betrieben wird (vgl. Anlage K9 Abschnitt 3.1). Die Nutzung verschiedener Gates als Eingangspunkte zu einem Dienst stellt dabei lediglich eine besondere technische Umsetzung der im Klagepatentanspruch 1 unter Schutz gestellten Lehre dar.
167Die Ausführung des Befehls „ADM_CREATE_PIPE“ durch den Host-Controller ist als Eröffnen eines Datenweges im Sinne von Merkmal 3.b) zu qualifizieren. Der Host-Controller identifiziert einen Datenweg zwischen einem Ausgangspunkt und einem Bestimmungspunkt, indem er dem Datenweg eine Routingkanalnummer (PID) zuweist und unter anderem diese Pipe-ID und Gate-IDs von Quell- und Zielhost in eine Tabelle einträgt (Tabelle 10 des Z -Standards). Mehr verlangt das Klagepatent für das erfindungsgemäße Eröffnen des Datenweges nicht.
168Soweit nach dem Standard dynamische Pipes grundsätzlich zunächst geschlossen sind und erst durch einen weiteren Befehl geöffnet werden, führt dies nicht aus der Lehre des Klagepatents heraus. Diese schließt nicht aus, dass ein weiterer Steuerbefehl erfolgen muss, bevor die zu übertragenden Daten im Sinne von Merkmal 3.c) gesendet werden können. Der im Standard verwendete Begriff der „geöffneten pipe“ ist nicht gleichzusetzen mit dem „Eröffnen eines Datenweges“ nach dem Klagepatent.
169Die in Tabelle 10 des Z -Standards wiedergegebenen Daten bilden eine Routingtabelle im Sinne von Merkmal 3.b3). Die Tabelle weist die Routingkanalnummer, einen Identifizierer des Ausgangspunktes sowie einen Identifizierer des Bestimmungspunktes aus:
170 171Die vorgenannten Daten werden vom Host-Controller der angegriffenen Ausführungsform solchermaßen gespeichert, dass er sie bei Bedarf zur Weiterleitung eines Datenpaketes an den Ziel-Host verwenden kann (Abschnitt 5.1 des Standards). Ob eine Speicherung Voraussetzung dafür ist, dass der Host-Controller mit der im ersten Schritt erfolgenden Antwort „ANY-OK“ den Tabelleninhalt dem anfragenden Host mitteilen kann, kann dahinstehen. Es ist jedoch nicht nachvollziehbar, wie der Host-Controller ohne Speicherung dieser Daten in einem weiteren Schritt die Pipe-ID zur Weiterleitung des Datenpakets an den Ziel-Host verwenden kann. Ebenso wenig lässt sich erklären, wie der Host-Controller allein mit Hilfe der Pipe-ID einen Datenübertragungsblock an den Bestimmungspunkt senden kann, wenn er nicht über die Pipe-ID die für den Datenweg maßgeblichen Routinginformationen – nämlich Host- und Gate-ID suchen und zuordnen kann.
172Dass – wie die Beklagte vorgetragen hat – für jedes Card-RF-Gate genau ein Datenweg erzeugt und geöffnet sei, so dass es einer Suche nach dem Bestimmungspunkt in einer Routingtabelle mit Hilfe einer Routingkanalnummer nicht mehr bedürfe, hat die Klägerin dadurch widerlegt, dass in der angegriffenen Ausführungsform den dynamischen Pipes keine festen Pipe-IDs zugewiesen werden (vgl. Z -Standard Abschnitt 9.1 und 4.4), umgekehrt die Pipe-ID einzigartig („unique“) sein muss. Kann sich aber die Zuordnung zwischen Pipe-ID und spezifischer Pipe ändern und wird laut Z -Standard die Pipe-ID verwendet, um die Datenpakete an den richtigen Bestimmungspunkt (Destination Gate) zu senden, müssen die jeweiligen Gate-IDs für die Pipe unter einer bestimmten Pipe-ID gespeichert sein, die sich auch ändern kann. Die Pipe-ID kann daher nur als Index im Sinne des Klagepatents dienen, um den entsprechenden Bestimmungspunkt identifizieren zu können.
173Aus Abschnitt 5 des Z -Standards ergibt sich zugleich die Verwirklichung der Merkmalsgruppe 3.c). Nach dem Standard werden die zu übermittelnden Daten in einem Datenübertragungsblock verkapselt und mit einem Header Feld versehen. Dieses Header-Feld enthält die Routingkanalnummer, mittels der die Steuereinheit unter Rückgriff auf die Routing-Tabelle den Bestimmungspunkt ermitteln kann (Merkmalsgruppe 3.d).
174Die Verwirklichung von Merkmal 3.e) wird von der Beklagten zu Recht nicht bestritten. Selbstverständlich gelangen die Daten nach dem Standard an ihren Bestimmungspunkt.
1755.
176Für die Beklagte ist es jedenfalls offensichtlich, dass die angegriffene Ausführungsform dazu geeignet und seitens der Abnehmer dazu bestimmt ist, für die Durchführung des patentgemäßen Verfahrens verwendet zu werden.
177Für die Offensichtlichkeit ist maßgeblich, ob im Zeitpunkt des Angebots oder der Lieferung nach den gesamten Umständen des Falls die drohende Patentverletzung aus der Sicht des Anbieters oder Lieferanten so deutlich erkennbar war, dass ein Angebot oder eine Lieferung der wissentlichen Patentgefährdung gleichzustellen ist (BGH GRUR 2007, 679 – Haubenstretchautomat). Es genügt, wenn aus der Sicht des Dritten mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist, dass der Abnehmer die gelieferten Mittel in patentgemäßer Weise verwenden wird (BGH GRUR 2006, 839 – Deckenheizung). Regelmäßig liegt der notwendig hohe Grad der Erwartung einer Patentverletzung dann vor, wenn der Anbieter oder Lieferant selbst eine solche Benutzung vorgeschlagen hat (BGH GRUR 2007, 679 – Haubenstretchautomat). Das ist hier der Fall.
178In den Produktbeschreibungen der angegriffenen Ausführungsform wird ausdrücklich auf die NFC-Fähigkeit hingewiesen. Beim Start eines angegriffenen Smartphones erscheint im Menu-Programm der NFC-Modus. Die Benutzung der angegriffenen Ausführungsform ist damit darauf angelegt, die NFC-Funktion zu verwenden. Es mag zwar sein, dass einzelne Nutzer NFC nicht anwenden. Ist aber eine solche Anwendung auf einem Smartphone vorhanden, ist sicher zu erwarten, dass jedenfalls ein Teil der Nutzer die NFC-Anwendung auch benutzen wird. Da in einem solchen Fall das patentgemäße Verfahren zwangsläufig angewendet wird, nämlich ein Datenrouting im Sinne der Lehre des Klagepatents erfolgt, ist die Anwendung des patentgemäßen Verfahrens auch aus Sicht der Beklagten offensichtlich.
179V.
180Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht weiterhin sämtliche Merkmale des Klagepatentanspruchs 12. Zur näheren Begründung wird auf die Ausführungen zur objektiven Eignung der angegriffenen Ausführungsform zur Anwendung des mit dem Klagepatentanspruch 1 geschützten Verfahrens verwiesen (s. Abschnitt III.3.). Die Merkmale der Klagepatentansprüche sind weitgehend deckungsgleich. Zwischen den Parteien ist zu Recht unstreitig, dass der NFC-Controller „PN544“ eine Datensende-/Empfangsvorrichtung aufweist, die neben der Steuereinheit und einer kontaktlosen Datensende-/Empfangsschnittstelle vom RFID-Typ auch wenigstens einen Eingangs/Ausgangsport umfasst, um die kontaktlose Datensende-/Empfangsschnittstelle mit einem Hostprozessor zu verbinden (Merkmalsgruppe 2).
181VI.
182Da die Beklagte die durch die Klagepatentansprüche 1 und 12 geschützte Erfindung im Sinne von § 9 S. 1 und 2 Nr. 1 PatG und § 10 Abs. 1 PatG benutzt, ergeben sich die nachstehenden Rechtsfolgen.
1831.
184Die Beklagte ist der Klägerin gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung verpflichtet, da die Benutzung der patentgemäßen Erfindung ohne Berechtigung erfolgt.
185Die Verhängung eines Schlechthinverbots ist dabei auch gerechtfertigt, soweit der Unterlassungsanspruch auf Benutzungshandlungen im Sinne von § 10 Abs. 1 PatG gestützt ist. Zwar kommt ein Schlechthinverbot im Rahmen einer nur mittelbaren Patentverletzung regelmäßig dann nicht in Betracht, wenn die angegriffene Ausführungsform auch patentfrei benutzt werden kann (vgl. Schulte/Rinken/Kühnen, PatG 9. Aufl.: § 10 Rn 34 ff). Etwas anderes gilt aber dann, wenn weder ein Warnhinweis, noch eine Vertragsstrafenvereinbarung Gewähr dafür bieten können, dass es unter Verwendung des Mittels nicht zu einer Patentverletzung kommt, eine etwaige Patentverletzung für den Schutzrechtsinhaber praktisch nicht feststellbar ist und dem Lieferant ohne weiteres zumutbar ist, das Mittel so umzugestalten, dass es nicht mehr patentgemäß verwendet werden kann (Schulte/Rinken/Kühnen, PatG 9. Aufl.: § 10 Rn 39). Das ist hier der Fall. Denn die Nutzung der patentverletzenden NFC-Anwendung erfolgt erst beim Endabnehmer der angegriffenen Smartphones, regelmäßig einem privaten Endverbraucher. Diesem gegenüber verbieten sich Vertragsstrafenvereinbarungen. Aber auch ein Warnhinweis kommt nicht in Betracht, weil dieser regelmäßig ins Leere liefe: Ein Hinweis, die NFC-Anwendung nicht nutzen zu dürfen, ist gegenüber einem Endverbraucher nicht nur unzutreffend, sondern dürfte auch ein ernsthaftes Kaufhindernis darstellen. Gleiches gilt für den Hinweis, dass die angegriffene Ausführungsform nicht NFC-fähig sei, zumal der NFC-Modus im Menu-Programm selbst angeboten wird. Darüber hinaus lässt sich seitens der Klägerin nicht feststellen, ob die Abnehmer der angegriffenen Ausführungsform entgegen einem Warnhinweis nicht doch die NFC-Anwendung benutzen. Der Beklagten ist es hingegen ohne weiteres zumutbar, die angegriffene Ausführungsform dergestalt abzuwandeln, dass der Z -Standard nicht benutzt wird. Die NFC-Funktionalität basiert in der angegriffenen Ausführungsform im Wesentlichen auf dem NFC-Chip „PN544“. Insofern kann es der Beklagten zugemutet werden, unmittelbar die Hardware der angegriffenen Ausführungsform dergestalt zu ändern, dass die NFC-Funktionalität tatsächlich nicht mehr ausgeübt werden kann, oder jedenfalls durch entsprechende Software-Änderungen dafür zu sorgen, dass dem Nutzer die NFC-Funktionalität nicht mehr zur Verfügung steht (auch wenn die Hardware-technischen Voraussetzungen noch gegeben sind). Alternativ könnte die NFC-Funktionalität außerhalb der UICC untergebracht werden; auch dies würde aus der Verletzung des Klagepatents herausführen.
186Vor diesem Hintergrund ist seitens der Klägerin der weitere Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform jedenfalls nicht hinzunehmen, da er regelmäßig dazu führen wird, dass die Abnehmer der angegriffenen Smartphones von der Lehre des Klagepatents Gebrauch machen. Auch wenn die angegriffene Ausführungsform patentfrei genutzt werden kann und eine Änderung der angegriffenen Ausführungsform mit einem gewissen Aufwand verbunden ist, ist dies der Beklagten im Hinblick darauf zumutbar, dass andernfalls der Patentschutz der Klägerin ins Leere liefe.
1872.
188Weiterhin hat die Klägerin gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 1 und 2 PatG.
189Das für die Zulässigkeit des Feststellungsantrags gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Klägerin derzeit nicht in der Lage ist, den konkreten Schaden zu beziffern und ohne eine rechtskräftige Feststellung der Schadensersatzpflicht die Verjährung von Schadensersatzansprüchen droht.
190Die Beklagte ist zum Schadensersatz verpflichtet, weil sie die Patentverletzung schuldhaft beging. Als Fachunternehmen hätte sie die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Es ist auch nicht unwahrscheinlich, dass der Klägerin als ausschließlicher Lizenznehmerin beziehungsweise der Inhaberin des Klagepatents durch die Patentverletzung ein Schaden entstanden ist.
191Das gilt auch, soweit der Schadensersatzanspruch auf Verletzungshandlungen im Sinne des § 10 Abs. 1 PatG gestützt wird. Zwar kann das bloße Anbieten von Mitteln, wie es der Beklagten vorliegend vorgeworfen wird, regelmäßig nicht zu einer unmittelbaren Patentverletzung unter Einsatz dieser Mittel führen, sofern dem Angebot keine Lieferung nachfolgt. Schon das Anbieten begründet jedoch eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass es auch zur Lieferung gekommen ist. Diese Wahrscheinlichkeit reicht zwar zum Nachweis einer solchen Lieferung und damit für die Begründetheit einer bezifferten Schadensersatzklage in aller Regel nicht aus. Sie lässt aber nach der Erfahrung des täglichen Lebens mit einiger Sicherheit erwarten, dass ein Schaden entstanden ist, und führt deshalb zur Begründetheit eines unbezifferten Antrags auf Feststellung der Schadensersatzpflicht (BGH GRUR 2013, 713, 715 – Fräsverfahren).
192Für die Zeit seit dem 19.12.2014 stehen der Klägerin Schadensersatzansprüche aus eigenem Recht zu, weil zu diesem Zeitpunkt der Lizenzvertrag zwischen ihr und der T . als Inhaberin des Klagepatents in Kraft trat und sie seit diesem Zeitpunkt ausschließliche Lizenznehmerin am Klagepatent ist. Für den Zeitraum vor dem 19.12.2014 kann die Klägerin Ersatz für den der T . entstandenen Schaden verlangen.
1933.
194Der Klägerin steht gegen die Beklagte auch ein Anspruch auf Rechnungslegung und Auskunft aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 140b Abs. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB zu. Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus § 140b Abs. 1 PatG, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 140b Abs. 3 PatG. Die weitergehende Auskunftspflicht und die Verpflichtung zur Rechnungslegung folgen aus §§ 242, 259 BGB, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern. Die Klägerin ist auf die tenorierten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.
195VII.
196Art. 102 AEUV steht den vorgenannten Ansprüchen der Klägerin nicht entgegen. Es ist nicht hinreichend dargetan, dass das Klagepatent der Klägerin eine marktbeherrschende Stellung vermittelt.
197Dabei ist im Ausgangspunkt zu berücksichtigen, dass den Ansprüchen wegen unberechtigter Patentbenutzung ein hoher Stellenwert zukommt. Die Rechte des geistigen Eigentums werden in der Charta der Grundrechte der EU (Art. 17 Abs. 2) ausdrücklich unter Schutz gestellt. Um diesen Schutz in angemessener Weise zur Geltung zu bringen, müssen die gesetzlichen Ansprüche wegen widerrechtlicher Patentbenutzung in der Regel zur Anwendung gebracht werden. Dies gilt umso mehr, als auch der Zugang zu den Gerichten seinerseits Grundrechtsschutz genießt (Art. 47 der EU-Charta). Beschränkt wird der Schutz des geistigen Eigentums allerdings durch den Vorbehalt der Allgemeinverträglichkeit, was insbesondere eine Ausübung der Patentrechte nach den Regeln des Kartellrechts verlangt.
198Insoweit bestimmt Art. 102 AEUV: „Mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten ist die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Binnenmarkt … durch ein … Unternehmen, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.“ Voraussetzung für das Eingreifen von Art. 102 AEUV ist folglich zum einen eine marktbeherrschende Stellung des anspruchstellenden Unternehmens und zum anderen das Eingreifen außergewöhnlicher Umstände, die zu einer Beeinträchtigung des Handels führen.
199Die Klägerin ist Normadressatin von Art. 102 AEUV, weil sie durch ihre ausschließliche Rechtsposition am Klagepatent den Zugang zu der standardgerechten Anwendung der NFC-Technologie kontrollieren kann (s.o. die Ausführungen zur Standardessentialität des Klagepatents). Die für die Anwendung des Art. 102 AEUV erforderliche marktbeherrschende Position der Klägerin ergibt sich hingegen nicht schon allein aufgrund dieser Rechtsposition am Klagepatent. Denn nicht jedes standardessentielle Patent (SEP) vermittelt eine kartellrechtlich bedeutsame Marktmacht. Vielmehr ist im Einzelfall zu prüfen, ob der unter Schutz gestellten technischen Lehre tatsächlich eine solche kartellrechtlich relevante, marktbeherrschende Bedeutung zukommt.
200Insoweit folgt die Kammer der Rechtsauffassung des Generalanwalts KK , der in seinen Schlussanträgen in dem EUGH-Vorlageverfahren C-170/13 (Anlage HL9 Ziffer 57) wie folgt ausführt: „Ebenso wie die niederländische Regierung bin ich der Ansicht, dass der Umstand, dass ein Unternehmen ein SEP besitzt, nicht zwingend bedeutet, dass eine beherrschende Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV vorliegt und dass vom nationalen Gericht im Einzelfall geprüft werden muss, ob dies tatsächlich der Fall ist.“
201Im weiteren (Ziffer 58) heißt es: „Der Umstand, dass jeder, der einen von einer Standardisierungsorganisation normierten Standard benutzt, zwangsläufig die Lehre eines SEP verwirklicht und damit eine Lizenz des Inhabers dieses Patents benötigt, kann zwar die einfache Vermutung begründen, dass der Inhaber dieses Patents über eine beherrschende Stellung verfügt. Meines Erachtens muss es jedoch möglich sein, diese Vermutung durch konkrete und substantiierte Angaben zu widerlegen.“ Die Kammer hat bereits Zweifel, ob diese Passage dahingehend zu verstehen ist, dass die Inhaberschaft an einem SEP zwingend die Vermutung für eine marktbeherrschende Stellung begründet. Die Ausführungen des Generalanwalts könnten ebenso dahingehend verstanden werden, dass in dieser Frage keine Festlegung erfolgen soll, zumal dieser Aspekt nicht Gegenstand des Vorlagebeschlusses an den EuGH ist. Ungeachtet dessen ist die Kammer aber auch der Auffassung, dass eine solche Vermutung für jedes standardessentielle Patent fehlgeht. Die von den Standardisierungsorganisationen normierten Standards betreffen – jedenfalls im Bereich der Telekommunikation – keineswegs ausschließlich technische Funktionen, die für den relevanten Markt von grundlegender Bedeutung sind. Vielmehr gibt es durchaus Funktionen, die zwar in einen Standard aufgenommen wurden, für den Markt aber von nur untergeordneter Bedeutung sind. In Bezug auf diese letztgenannten Funktionen ist kein Grund ersichtlich, warum eine Vermutung für die marktbeherrschende Stellung des Patentinhabers bestehen sollte. Da es somit entscheidend auf den Inhalt des jeweiligen Patents und dessen tatsächliche Bedeutung am Markt ankommt, hat nach den allgemeinen Grundsätzen der Verteilung der Darlegungs- und Beweislasten zunächst einmal derjenige die die angebliche Marktbeherrschung begründenden Umstände vorzutragen, der sich auf den Umstand der Marktbeherrschung beruft.
202Der Begriff der Marktbeherrschung ist weder eine feststehende Eigenschaft eines Unternehmens noch ein absoluter rechtlicher Begriff. Die Marktbeherrschung besteht immer nur im Hinblick auf gewisse Funktionen, Märkte, Vorschriften, usw. So kann ein Unternehmen insbesondere nur im Hinblick auf einen bestimmten Teil seiner Aktivitäten marktbeherrschend sein (Langen/Bunte/Nothdurft/Ruppelt, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Band 1, 11. Auflage 2011, § 19 Rn 15).
203Speziell für den Bereich des geistigen Eigentums hat die Europäische Kommission in der Entscheidung „AstraZeneca“ (C-457/10P, EU:C:2012:770, Rn 175) festgestellt, dass eine beherrschende Stellung eine wirtschaftliche Machtstellung eines Unternehmens sei, „die es in die Lage versetzt, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt zu verhindern, indem sie ihm die Möglichkeit verschafft, sich seinen Konkurrenten, seinen Kunden und letztlich den Verbrauchern gegenüber in nennenswertem Umfang unabhängig zu verhalten“. Weiter heißt es in Rn 186, dass „zwar nicht angenommen werden könne, dass die bloße Inhaberschaft von Rechten des geistigen Eigentums eine beherrschende Stellung begründe, sie aber geeignet sei, unter bestimmten Umständen eine solche Stellung zu schaffen, insbesondere dadurch, dass das Unternehmen die Möglichkeit erhalte, einen wirksamen Wettbewerb auf dem Markt zu verhindern“.
204Dabei muss sich die Marktmacht nicht zwingend auf den beherrschten Markt selbst beschränken, sondern kann sich auch auf vor- oder nachgelagerte Märkte erstrecken (Langen/Bunte/Nothdurft/Ruppelt, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Band 1, 11. Auflage 2011, § 19 Rn 15). Im Hinblick auf Rechte am geistigen Eigentum ist kartellrechtlich relevant insofern nicht der Markt der Lizenzvergabe, sondern der nachgelagerte Produktmarkt (vgl.: EuGH, GRUR Int. 1995, 490, Rn 47 – Magill TVG Guide; BGH, NJW-RR 2010, 392 ff. – Reisestellenkarte).
205Dieser nachgelagerte Produktmarkt als sachlich relevanter Markt ist im Hinblick auf die vom Patent geschützte technische Lehre genauer zu qualifizieren. Bezogen auf ein standardessentielles Patent ist der relevante Markt im Grundsatz der Markt, auf dem diejenigen Produkte angeboten werden, die den Standard mit der SEP-geschützten Technik verwirklichen. Dabei erfolgt die Marktabgrenzung in ständiger Rechtsprechung nach dem sog. Bedarfsmarktkonzept. Hiernach werden alle Leistungen einem Markt zugeordnet, die aus Sicht der Marktgegenseite funktionell austauschbar sind (BGH, WuW/E DE-R 1355-1360 – Staubsaugerbeutelmarkt m.w.N.; OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.03.2008, Az.: VI-U (Kart) 29/06, zitiert nach juris). Ziel der Marktabgrenzung ist es stets, die den Wahlmöglichkeiten der Marktgegenseite entsprechende Realität des Wettbewerbs zu erfassen (Langen/Bunte/Nothdurft/Ruppelt, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Band 1, 11. Auflage 2011, § 19 Rn 20 m.w.N.).
206Für den relevanten Markt im vorliegenden Fall den gesamten Handyvertriebsmarkt heranzuziehen, ist sicher zu weit gegriffen. Die Nahfeldkommunikation ist praktisch auf den Einsatz in Smartphones beschränkt. Nur deren Absatzmarkt ist daher zu berücksichtigen. Nachfrager auf diesem Absatzmarkt sind neben den Endkunden vor allem auch die Mobilfunknetzbetreiber, die die Mobilfunkgeräte in Verbindung mit entsprechenden Mobilfunknetzverträgen dem Endkunden anbieten.
207Bei der in Rede stehenden Nahfeldkommunikation (NFC) handelt es sich nicht um eine Technologie, die eine der Grundfunktionen eines Smartphones betrifft. Unstreitig werden auf dem Markt für Smartphones diverse Geräte angeboten, die nicht mit NFC ausgestattet sind. Die Nutzung des Klagepatents bzw. des hier relevanten Standards ist dementsprechend keine Marktzutrittsvoraussetzung. Dies ist aber auch nicht zwingend für die Annahme einer marktbeherrschenden Position.
208Vielmehr kann eine marktbeherrschende Stellung auch dann angenommen werden, wenn auf dem relevanten Markt, hier dem Vertrieb von Smartphones, auch Produkte angeboten werden, die die Produktkonfiguration des standardessentiellen Patents nicht aufweisen. Voraussetzung für die Annahme einer marktbeherrschenden Position ist in diesem Fall, dass ohne den Zugang zur Nutzung des streitgegenständlichen Patents ein wettbewerbsfähiges Angebot nicht möglich ist, d.h. allein mit Produkten ohne die patentierte Funktion kein wirksamer Wettbewerb zu den übrigen Anbietern stattfindet. Demgegenüber wäre eine marktbeherrschende Stellung jedenfalls dann zu verneinen, wenn die durch das SEP geschützte technische Funktion für den Nachfrager von SEP-Produkten – hier Smartphones – gar keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielt.
209Ein Indiz kann in diesem Zusammenhang der Umstand sein, inwiefern sich die betreffende Technologie bereits am Markt durchgesetzt hat. Dabei verbietet sich allerdings ein Rückgriff auf starre Prozentgrenzen. Denn eine solche schematische Rechtsanwendung würde die Besonderheiten des jeweiligen Marktes außer Acht lassen. So ist der Smartphonemarkt in besonderem Maße durch einen rasanten technischen Fortschritt sowie eine ständig zunehmende Zahl neuer Anwendungen geprägt. Der Endkunde, der auf der Suche nach einem neuen Smartphone ist, hat dies vor Augen, wenn er sich für den Kauf eines neuen Gerätes entscheidet. Dies gilt neben dem Endverbraucher in noch stärkerem Maße für die Mobilfunknetzbetreiber. Geräte, die sich technisch nicht mehr auf dem neuesten Stand befinden, verlieren im Wettbewerb schnell ihre Bedeutung und ihren Marktwert. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass die durchschnittliche Nutzungsdauer eines Mobilfunkgerätes stetig abnimmt und derzeit nur noch bei 18 bis 24 Monaten liegt (vgl. Anlagenkonvolut HL 31). Der relevante Wettbewerb zwischen den einzelnen Anbietern von Smartphones findet vor allem zwischen den neuesten Produkten der Anbieter statt.
210Vor diesem Hintergrund ist der Kammer durchaus bewusst, dass die NFC-Technologie als solche geeignet ist, auf dem relevanten Markt eine marktbeherrschende Position zu vermitteln. Die Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, der Anteil der NFC-fähigen Smartphones habe im Jahr 2014 bei 59,5 % und im Januar 2015 sogar bei 74 % gelegen (vgl. hierzu die Anlagen HL28 und HL29), wobei der Anteil unter den neuesten Modellen sogar noch höher sei (vgl. die Anlagen HL19-HL25).
211Der von der Klägerin angeführte Auszug aus dem Internetdienst „www.heise.de“ zu Bedeutung und Verbreitung der NFC-Technologie (vgl. Anlage K16) ergibt – entgegen der Auffassung der Klägerin – kein anderes Bild. Es wird zwar darauf hingewiesen, dass die Nahfunktechnik einen zunächst schwierigen Start hinter sich hat, weiter heißt es dann aber: „Mit der Entscheidung von Apple im vergangenen Jahr, NFC in seinem iPhone-Bezahlsystem einzusetzen, ist das Verfahren jedoch wieder auf der Gewinnerstraße, zeigte die CES. Nachdem Apple als Betreiber der zweiten großen Smartphone-Plattform in die Nahbereichsfunktechnik NFC bei seinen iPhones eingestiegen ist, breiten sich die Anwendungen mit dem Verfahren aus.“ Soweit sich dieser Passus – wie die Klägerin vorträgt – nur auf den us-amerikanischen Markt beziehen sollte, ist er auf den deutschen Markt übertragbar, nachdem das aktuell auf dem deutschen Markt angebotene iPhone 6 nunmehr ebenfalls NFC-fähig ist.
212Allerdings ist zu beachten, dass die NFC-Technologie als solche weder Gegenstand des Klagepatents noch des streitgegenständlichen Standards LL ist. Der vorgenannte Standard betrifft vielmehr ausschließlich die Fälle, in denen NFC-Anwendungen über eine Schnittstelle (Interface) zwischen dem NFC Host Controller und der SIM-Karte („UICC“) ausgeführt werden. Entsprechend steht die Verletzung des Klagepatents nur für Smartphones in Rede, die NFC-Implementierungen auf der SIM-Karte (UICC) zulassen.
213Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass es daneben andere technische Alternativen zur Ausführung von NFC-Anwendungen gibt, beispielsweise die Implementierung entsprechender Anwendungen auf einer Smartcard (SD-Karte) oder einem sog. „embedded Secure Element (eSE)“.
214Insbesondere die Implementierung von NFC-Anwendungen auf einem eSE sieht die Kammer als eine gleichwertige technische Lösung neben der klagepatentgemäßen Lehre an. Insoweit hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 19.02.2015 vorgetragen, dass nur 27 % der NFC-fähigen Smartphones den Z -Standard nutzen würden, während demgegenüber 43 % die NFC-Fähigkeit über eSE gewährleisten würden. Die Beklagte ist dem weder durch Nennung abweichender Prozentzahlen substantiiert entgegengetreten, noch konnte sie nachvollziehbar erläutern, warum vor diesem Hintergrund im Bereich der NFC-Technologie die eSE keine konkurrenzfähige Alternative zur UICC darstellen sollte.
215Soweit die Beklagte ihre Argumentation vor allem darauf gestützt hat, die deutschen Mobilfunknetzbetreiber würden in ihren Anforderungskatalogen für NFC-fähige Smartphones zwingend die Implementierung der NFC-Anwendungen auf der UICC verlangen, genügt ihr diesbezüglicher Vortrag nicht, um eine marktbeherrschende Position der Klägerin zu begründen. Es mag zutreffen, dass die deutschen Mobilfunknetzbetreiber daran interessiert sind, die Einbettung gesicherter kontaktloser Anwendungen auf der UICC sicherzustellen, um als Herausgeber der UICC an ihre Vertragskunden den Zugang zu gesicherten Diensten kontrollieren und mit Benutzungsentgelten belegen zu können. Dies bedeutet im Umkehrschluss aber keineswegs, dass Smartphones, die solche gesicherten Anwendungen auf einem eSE einbetten, am Markt nicht wettbewerbsfähig wären. Um eine solche Feststellung treffen zu können, wären ergänzende Ausführungen der Beklagten zur Marktmacht der Mobilfunknetzbetreiber auf dem hier relevanten Vertriebsmarkt für Smartphones erforderlich gewesen. Der pauschale Verweis, die Mobilfunknetzbetreiber würden den Hauptvertriebskanal für Smartphones bilden, genügt insofern nicht. Vielmehr wären Ausführungen dazu erforderlich gewesen, wie viel Prozent der Smartphones über die Netzbetreiber veräußert werden und wie viel Prozent unmittelbar oder über den Einzelhandel (mit Ausnahme der Mobilfunkbetreiber) an den Endkunden. Hierzu hat sich die Beklagte trotz entsprechender Erörterung in der mündlichen Verhandlung nicht geäußert. Der Verweis der Beklagten auf die Anlagen HL30-30b genügt hingegen nicht. Zum einen treffen sie keine Aussage darüber, inwieweit die deutschen Mobilfunknetzbetreiber tatsächlich in der Lage sind, am Markt zwingende technische Vorgaben durchzusetzen, zum anderen sind die vorgelegten Anforderungskataloge der Netzbetreiber so weitgehend geschwärzt, das sie nicht geeignet sind, ein ganzheitliches Bild von den technischen Anforderungen der Netzbetreiber zu vermitteln. So ist weder der Verfasser noch der Adressat erkennbar. Die Kammer kann auch nicht beurteilen, ob in den Schwärzungen technische Alternativen zur Verwirklichung des Z -Standards zugelassen werden. Jedenfalls vermochte die Beklagte nicht nachvollziehbar zu erläutern, warum am Markt offenbar eine beträchtliche Anzahl von Smartphones vertrieben werden kann, die NFC-Anwendungen eben nicht auf der UICC, sondern auf einem eSE implementieren.
216Soweit die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 19.02.2015 erstmals behauptet, die Z -Protokollspezifikation habe sich nunmehr auch für die Nutzung solcher Secure Elements geöffnet, die nicht in der UICC eingebettet sind, vermag die Kammer dies der vorgelegten Anlage HL35 (Z -Standard 102 622 in der Version 12.1.0) nicht zu entnehmen. Vielmehr heißt es dort unter Ziffer 1 weiterhin, der Standard betreffe „a logical interface that enables contactless applications hosted on the UICC“ (vgl. auch Anlage K38). Damit befasst sich der Standard weiterhin nur mit der Schnittstelle zwischen dem NFC Host Controller und der UICC. Mit dem Interface zwischen dem Host Controller und sonstigen eSE befasst er sich nicht. Soweit die Beklagte auf die Tabelle 20 in Abschnitt 7.1.1.1 der Anlage HL35 verweist, ist dort lediglich vorgesehen, dass die verschiedenen „Host types“ mit einer eigenen Identität versehen werden, damit der Host Controller zwischen ihnen unterscheiden kann. Dies bedeutet hingegen nicht, dass das eSE an die Stelle der UICC tritt. Vielmehr greift der Standard (weiterhin) nur dann ein, wenn eine SIM-Karte mit NFC-Anwendung vorhanden ist.
217Die Kammer verkennt – wie bereits ausgeführt – nicht, dass der Smartphonemarkt in besonderem Maße durch einen rasanten technischen Fortschritt sowie eine ständig zunehmende Zahl neuer Anwendungen geprägt ist. Auf der Grundlage des Sach- und Streitstands am Schluss der mündlichen Verhandlung lässt sich jedoch nicht feststellen, dass die Verwendung des Z -Standards für auf der UICC implementierte Anwendungen zu diesem Zeitpunkt bereits eine Marktdurchdringung erlangt hat, die eine marktbeherrschende Stellung begründet. Aufgrund der vorgelegten Marktanalysen und Experteneinschätzungen zu den zukünftigen technischen Entwicklungen entsteht vielmehr der Eindruck, dass sich der Markt derzeit in Bewegung befindet und gerade noch nicht entschieden ist, welche Anwendungen sich letztlich am Markt durchsetzen werden und wie sie technisch umgesetzt werden. Dass der Endabnehmer an der neuesten technischen Entwicklung partizipieren möchte, ändert an diesem Befund und seiner rechtlichen Einordnung nichts. Denn für den potentiellen Käufer eines Smartphones mag sicherlich entscheidend sein, ob das Smartphone NFC-fähig ist. Dass die Kaufentscheidung darüber hinaus davon abhängig ist, dass es NFC-Anwendungen auf der UICC ermöglicht und insofern dem Z -Standard folgt, ist nicht ersichtlich und auch von den Parteien nicht vorgetragen.
218VIII.
219Vor diesem Hintergrund kommt eine Aussetzung des Rechtsstreits bis zur Entscheidung des EuGH in Sachen C-170/13 (Vorabentscheidungsverfahren LG Düsseldorf, 4b O 104/12 – O ) nicht in Betracht. Die Frage der Marktbeherrschung ist gerade nicht Gegenstand des Vorlageverfahrens, sondern vorab zu entscheiden. Nur wenn diese bejaht wird, kommt es auf die rechtlichen Fragestellungen an, die Gegenstand des vorgenannten Vorlageverfahrens sind.
220XI.
221Für eine Aussetzung der Verhandlung gemäß § 148 ZPO besteht keine Veranlassung. Es kann nicht mit der für eine Aussetzung erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen, dass die gegen das Klagepatent gerichtete Nichtigkeitsklage erfolgreich sein wird.
222Der Gegenstand der Patentansprüche ist patentfähig, insbesondere nehmen weder die D1 (Q ) noch die D2 (R ) die erfindungsgemäße Lehre neuheitsschädlich vorweg. Auch mangelt es der mit den Ansprüchen 1 und 12 beanspruchten technischen Lösung angesichts der D3 (Auszüge aus „Specification of the Bluetooth System“) nicht an der erforderlichen erfinderischen Tätigkeit.
2231.
224Die durch die Patentansprüche 1 und 12 geschützte technische Lehre wird in den Entgegenhaltungen D1 (Q ) und D2 (R ) nicht neuheitsschädlich offenbart.
225Die Beurteilung, ob der Gegenstand eines Patents durch eine Vorveröffentlichung neuheitsschädlich getroffen ist, erfordert die Ermittlung des Gesamtinhalts der Vorveröffentlichung. Maßgeblich ist, welche technische Information dem Fachmann offenbart wird. Zu ermitteln ist deshalb nicht, in welcher Form der Fachmann etwa mit Hilfe seines Fachwissens eine gegebene allgemeine Lehre ausführen kann oder wie er diese Lehre gegebenenfalls abwandeln kann, sondern ausschließlich, was der Fachmann der Vorveröffentlichung als den Inhalt der gegebenen (allgemeinen) Lehre entnimmt. Maßgeblich ist, was aus fachmännischer Sicht einer Schrift „unmittelbar und eindeutig” zu entnehmen ist (BGH GRUR 2009, 382, 384 – Olanzapin m.w.N.).
226a) D1 (Q )
227Bei der D1 handelt es sich um geprüften Stand der Technik. Sie wird in Absatz [0015] der Klagepatentschrift ausdrücklich genannt. Sie offenbart jedenfalls keine Routingtabelle wie in Merkmal 3.b3) des Klagepatentanspruchs 1 bzw. Merkmal 3.a4) des Klagepatentanspruchs 12 beschrieben. Die D1 sieht zwar die Verwendung einer Routingkanalnummer („logical channel identifier“) vor, verhält sich aber nicht zu der Speicherung eines Identifizierers des Ausgangspunktes und eines Identifizierers des Bestimmungspunktes. Vielmehr wird bei dem in der D1 beschriebenen Verfahren der Datenübertragungsblock seinem Bestimmungspunkt zugeführt, indem der APDU Header die Anwendung identifiziert. Damit ist das Datenrouting nach der D1 nicht anwendungsunabhängig wie das Datenrouting nach der klagepatentgemäßen Erfindung (und im Übrigen auch das Datenrouting nach dem streitgegenständlichen Standard).
228b) D2 (R )
229Auch die D2 offenbart keine erfindungsgemäße Routingtabelle. Das dort beschriebene Datenroutingverfahren basiert nicht auf der Identifikation eines Datenweges mit Hilfe einer Routingkanalnummer, sondern arbeitet vielmehr mit der Übermittlung von Knotenadressen, zwischen denen Daten übertragen werden sollen. Dass hierzu im Header-Feld eines Datenübertragungsblocks eine Routingkanalnummer verwendet wird, mit deren Hilfe man unter Rückgriff auf eine einen Identifizierer des Ausgangspunktes und einen Identifizierer des Bestimmungspunktes enthaltende Routingtabelle die Daten ihrem Bestimmungspunkt zuleiten kann, wird in der D2 in keiner Weise beschrieben.
2302.
231Weiter mangelt es der durch die Patentansprüche 1 und 12 geschützten technischen Lehre, insbesondere im Hinblick auf die D3 (Auszüge aus „Specification oft the Bluetooth System“), nicht an der erforderlichen erfinderischen Tätigkeit.
232Die D3 ist weiter von der erfindungsgemäßen Lehre entfernt als die vorgenannten Druckschriften D1 und D2. Die Datenübertragung mittels Bluetooth setzt ein einheitliches Netzwerk voraus. Ein Datenrouting im Sinne der erfindungsgemäßen Lehre ist hier nicht erforderlich. Dieses wird vielmehr erst dann benötigt, wenn – wie bei der NFC-Technologie – mehrere Netzwerke miteinander kommunizieren und mittels eines Routers die Informationen von dem einen in das andere Netzwerk übersetzt werden müssen. Es ist daher für den Fachmann kein Anlass ersichtlich, ausgehend von der D3 ein verbessertes Verfahren zum Datenrouting zu entwickeln. Ebenso besteht für den Fachmann kein Anlass, ausgehend von der Problemstellung des Klagepatents auf die D3 zurückzugreifen.
233V.
234Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.
235Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 und 2 ZPO. Auf den entsprechenden Antrag der Klägerin waren Teilsicherheiten festzusetzen. Die Höhe der Sicherheitsleistung orientiert sich an der Streitwertangabe der Klägerin von 10.000.000,- EUR. Die Kammer ist der Auffassung, dass dieser Betrag angemessen ist, um etwaige Schäden der Beklagten, die durch eine Vollstreckung des Urteils eintreten, abzusichern. Hierbei ist die Kammer von einem Zeitraum von ca. einem Jahr ausgegangen, der bis zu einer Berufungsentscheidung durch das OLG Düsseldorf vergehen dürfte. Die Beklagte hat nicht substantiiert vorgetragen, dass ihr potentieller Schaden im Falle der Aufhebung des Urteils über den Betrag von 10.000.000,- EUR hinausgehen würde. Ein solcher Schaden könnte – neben Gerichts- und Anwaltskosten – in Gewinneinbußen oder erhöhten Herstellungskosten (etwa bei der Verwendung eines eSE) liegen, wobei zu berücksichtigen ist, dass es vorliegend allein um etwaige Schäden der Beklagten, nicht aber der J geht. Hierzu fehlt es an Vortrag der Beklagten. Der Verweis auf die Umsatzzahlen mit dem H führt an dieser Stelle nicht weiter. Diese betreffen allein die Umsätze der J . Inwieweit die Beklagte hieran partizipiert, trägt sie nicht vor. Darüber hinaus lassen die reinen Umsatzzahlen keinen Rückschluss auf die mit dem H erzielten Gewinne zu.
236Der Streitwert wird auf 10.000.000,- EUR festgesetzt.
(1) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht. Der Anspruch ist ausgeschlossen, soweit die Inanspruchnahme aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls und der Gebote von Treu und Glauben für den Verletzer oder Dritte zu einer unverhältnismäßigen, durch das Ausschließlichkeitsrecht nicht gerechtfertigten Härte führen würde. In diesem Fall ist dem Verletzten ein angemessener Ausgleich in Geld zu gewähren. Der Schadensersatzanspruch nach Absatz 2 bleibt hiervon unberührt.
(2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Benutzung der Erfindung eingeholt hätte.
(3) Ist Gegenstand des Patents ein Verfahren zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses, so gilt bis zum Beweis des Gegenteils das gleiche Erzeugnis, das von einem anderen hergestellt worden ist, als nach dem patentierten Verfahren hergestellt. Bei der Erhebung des Beweises des Gegenteils sind die berechtigten Interessen des Beklagten an der Wahrung seiner Herstellungs- und Betriebsgeheimnisse zu berücksichtigen.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Wer verpflichtet ist, über eine mit Einnahmen oder Ausgaben verbundene Verwaltung Rechenschaft abzulegen, hat dem Berechtigten eine die geordnete Zusammenstellung der Einnahmen oder der Ausgaben enthaltende Rechnung mitzuteilen und, soweit Belege erteilt zu werden pflegen, Belege vorzulegen.
(2) Besteht Grund zu der Annahme, dass die in der Rechnung enthaltenen Angaben über die Einnahmen nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gemacht worden sind, so hat der Verpflichtete auf Verlangen zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass er nach bestem Wissen die Einnahmen so vollständig angegeben habe, als er dazu imstande sei.
(3) In Angelegenheiten von geringer Bedeutung besteht eine Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht.
(1) Das Patent hat ferner die Wirkung, daß es jedem Dritten verboten ist, ohne Zustimmung des Patentinhabers im Geltungsbereich dieses Gesetzes anderen als zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten oder zu liefern, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, daß diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden.
(2) Absatz 1 ist nicht anzuwenden, wenn es sich bei den Mitteln um allgemein im Handel erhältliche Erzeugnisse handelt, es sei denn, daß der Dritte den Belieferten bewußt veranlaßt, in einer nach § 9 Satz 2 verbotenen Weise zu handeln.
(3) Personen, die die in § 11 Nr. 1 bis 3 genannten Handlungen vornehmen, gelten im Sinne des Absatzes 1 nicht als Personen, die zur Benutzung der Erfindung berechtigt sind.
Das Patent hat die Wirkung, dass allein der Patentinhaber befugt ist, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu benutzen. Jedem Dritten ist es verboten, ohne seine Zustimmung
- 1.
ein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen; - 2.
ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, anzuwenden oder, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, daß die Anwendung des Verfahrens ohne Zustimmung des Patentinhabers verboten ist, zur Anwendung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten; - 3.
das durch ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, unmittelbar hergestellte Erzeugnis anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen.
(1) Haben mehrere durch eine gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung einen Schaden verursacht, so ist jeder für den Schaden verantwortlich. Das Gleiche gilt, wenn sich nicht ermitteln lässt, wer von mehreren Beteiligten den Schaden durch seine Handlung verursacht hat.
(2) Anstifter und Gehilfen stehen Mittätern gleich.
Das Patent hat die Wirkung, dass allein der Patentinhaber befugt ist, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu benutzen. Jedem Dritten ist es verboten, ohne seine Zustimmung
- 1.
ein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen; - 2.
ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, anzuwenden oder, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, daß die Anwendung des Verfahrens ohne Zustimmung des Patentinhabers verboten ist, zur Anwendung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten; - 3.
das durch ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, unmittelbar hergestellte Erzeugnis anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen.
(1) Das Patent hat ferner die Wirkung, daß es jedem Dritten verboten ist, ohne Zustimmung des Patentinhabers im Geltungsbereich dieses Gesetzes anderen als zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten oder zu liefern, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, daß diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden.
(2) Absatz 1 ist nicht anzuwenden, wenn es sich bei den Mitteln um allgemein im Handel erhältliche Erzeugnisse handelt, es sei denn, daß der Dritte den Belieferten bewußt veranlaßt, in einer nach § 9 Satz 2 verbotenen Weise zu handeln.
(3) Personen, die die in § 11 Nr. 1 bis 3 genannten Handlungen vornehmen, gelten im Sinne des Absatzes 1 nicht als Personen, die zur Benutzung der Erfindung berechtigt sind.
(1) Diensteanbieter haben für geschäftsmäßige, in der Regel gegen Entgelt angebotene Telemedien folgende Informationen leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar zu halten:
- 1.
den Namen und die Anschrift, unter der sie niedergelassen sind, bei juristischen Personen zusätzlich die Rechtsform, den Vertretungsberechtigten und, sofern Angaben über das Kapital der Gesellschaft gemacht werden, das Stamm- oder Grundkapital sowie, wenn nicht alle in Geld zu leistenden Einlagen eingezahlt sind, der Gesamtbetrag der ausstehenden Einlagen, - 2.
Angaben, die eine schnelle elektronische Kontaktaufnahme und unmittelbare Kommunikation mit ihnen ermöglichen, einschließlich der Adresse der elektronischen Post, - 3.
soweit der Dienst im Rahmen einer Tätigkeit angeboten oder erbracht wird, die der behördlichen Zulassung bedarf, Angaben zur zuständigen Aufsichtsbehörde, - 4.
das Handelsregister, Vereinsregister, Partnerschaftsregister oder Genossenschaftsregister, in das sie eingetragen sind, und die entsprechende Registernummer, - 5.
soweit der Dienst in Ausübung eines Berufs im Sinne von Artikel 1 Buchstabe d der Richtlinie 89/48/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen (ABl. EG Nr. L 19 S. 16), oder im Sinne von Artikel 1 Buchstabe f der Richtlinie 92/51/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über eine zweite allgemeine Regelung zur Anerkennung beruflicher Befähigungsnachweise in Ergänzung zur Richtlinie 89/48/EWG (ABl. EG Nr. L 209 S. 25, 1995 Nr. L 17 S. 20), zuletzt geändert durch die Richtlinie 97/38/EG der Kommission vom 20. Juni 1997 (ABl. EG Nr. L 184 S. 31), angeboten oder erbracht wird, Angaben über - a)
die Kammer, welcher die Diensteanbieter angehören, - b)
die gesetzliche Berufsbezeichnung und den Staat, in dem die Berufsbezeichnung verliehen worden ist, - c)
die Bezeichnung der berufsrechtlichen Regelungen und dazu, wie diese zugänglich sind,
- 6.
in Fällen, in denen sie eine Umsatzsteueridentifikationsnummer nach § 27a des Umsatzsteuergesetzes oder eine Wirtschafts-Identifikationsnummer nach § 139c der Abgabenordnung besitzen, die Angabe dieser Nummer, - 7.
bei Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien und Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die sich in Abwicklung oder Liquidation befinden, die Angabe hierüber, - 8.
bei audiovisuellen Mediendiensteanbietern die Angabe - a)
des Mitgliedstaats, der für sie Sitzland ist oder als Sitzland gilt sowie - b)
der zuständigen Regulierungs- und Aufsichtsbehörden.
(2) Weitergehende Informationspflichten nach anderen Rechtsvorschriften bleiben unberührt.
(1) Das Patent hat ferner die Wirkung, daß es jedem Dritten verboten ist, ohne Zustimmung des Patentinhabers im Geltungsbereich dieses Gesetzes anderen als zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten oder zu liefern, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, daß diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden.
(2) Absatz 1 ist nicht anzuwenden, wenn es sich bei den Mitteln um allgemein im Handel erhältliche Erzeugnisse handelt, es sei denn, daß der Dritte den Belieferten bewußt veranlaßt, in einer nach § 9 Satz 2 verbotenen Weise zu handeln.
(3) Personen, die die in § 11 Nr. 1 bis 3 genannten Handlungen vornehmen, gelten im Sinne des Absatzes 1 nicht als Personen, die zur Benutzung der Erfindung berechtigt sind.
Die Wirkung des Patents erstreckt sich nicht auf
- 1.
Handlungen, die im privaten Bereich zu nichtgewerblichen Zwecken vorgenommen werden; - 2.
Handlungen zu Versuchszwecken, die sich auf den Gegenstand der patentierten Erfindung beziehen; - 2a.
die Nutzung biologischen Materials zum Zweck der Züchtung, Entdeckung und Entwicklung einer neuen Pflanzensorte; - 2b.
Studien und Versuche und die sich daraus ergebenden praktischen Anforderungen, die für die Erlangung einer arzneimittelrechtlichen Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Europäischen Union oder einer arzneimittelrechtlichen Zulassung in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in Drittstaaten erforderlich sind; - 3.
die unmittelbare Einzelzubereitung von Arzneimitteln in Apotheken auf Grund ärztlicher Verordnung sowie auf Handlungen, welche die auf diese Weise zubereiteten Arzneimittel betreffen; - 4.
den an Bord von Schiffen eines anderen Mitgliedstaates der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums stattfindenden Gebrauch des Gegenstands der patentierten Erfindung im Schiffskörper, in den Maschinen, im Takelwerk, an den Geräten und sonstigem Zubehör, wenn die Schiffe vorübergehend oder zufällig in die Gewässer gelangen, auf die sich der Geltungsbereich dieses Gesetzes erstreckt, vorausgesetzt, daß dieser Gegenstand dort ausschließlich für die Bedürfnisse des Schiffes verwendet wird; - 5.
den Gebrauch des Gegenstands der patentierten Erfindung in der Bauausführung oder für den Betrieb der Luft- oder Landfahrzeuge eines anderen Mitgliedstaates der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums oder des Zubehörs solcher Fahrzeuge, wenn diese vorübergehend oder zufällig in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gelangen; - 6.
die in Artikel 27 des Abkommens vom 7. Dezember 1944 über die Internationale Zivilluftfahrt (BGBl. 1956 II S. 411) vorgesehenen Handlungen, wenn diese Handlungen ein Luftfahrzeug eines anderen Staates betreffen, auf den dieser Artikel anzuwenden ist.
(1) Das Patent hat ferner die Wirkung, daß es jedem Dritten verboten ist, ohne Zustimmung des Patentinhabers im Geltungsbereich dieses Gesetzes anderen als zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten oder zu liefern, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, daß diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden.
(2) Absatz 1 ist nicht anzuwenden, wenn es sich bei den Mitteln um allgemein im Handel erhältliche Erzeugnisse handelt, es sei denn, daß der Dritte den Belieferten bewußt veranlaßt, in einer nach § 9 Satz 2 verbotenen Weise zu handeln.
(3) Personen, die die in § 11 Nr. 1 bis 3 genannten Handlungen vornehmen, gelten im Sinne des Absatzes 1 nicht als Personen, die zur Benutzung der Erfindung berechtigt sind.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung gegen das am 9. März 2012 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Mannheim zurückgewiesen.
Die weitergehende Revision wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zwei Drittel und die Klägerin ein Drittel.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen mittelbarer Verletzung eines Verfahrenspatents in Anspruch.
- 2
- Die Klägerin ist Inhaberin eines ausschließlichen Nutzungsrechts an dem mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patent 568 532 (Klagepatent), das ein Verfahren zum Übertragen digitalisierter Tonsignale betrifft und mit Ablauf des 27. Juni 2011 wegen Zeitablaufs erloschen ist. Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut: Verfahren zum Übertragen digitalisierter, blockcodierter Tonsignale unter Verwendung von Skalenfaktoren, die bei der Blockcodierung der digitalisierten Tonsignale aus dem Betrag des Spitzenwertes einer Sequenz (Block) von Signalwerten gebildet und in quantisierter Form den abgetasteten Signalwerten der betreffenden Sequenz hinzugeführt werden, bei dem coderseitig
a) aus einer Anzahl von k zeitlich aufeinanderfolgenden Skalenfaktoren (scf , scf bis scf ; … scf , scf , … scf ) jeweils eines Frequenz-
- 11
- 12 1k n1 n2 nk Teilbandes oder einer Gruppe von Spektralwerten des in n Teilbändern oder Spektralwerten unterteilten Tonsignals (mit n ≥ 1) die Differenzen d = scf - scf 12-11 12 11 bis d = scf - scf ; 1k-1(k-1) 1k 1(k-1) · · · d = scf - scf n2-n1 n2 n1 bis d = scf - scf nk-n(k-1) nk n(k-1) nach Vorzeichen und Betrag gebildet werden;
b) die gemäß Schritt a) gebildeten (k-1) * n Differenzen in zumindest zwei Werteklassen eingestuft werden, von denen jede Werteklasse eine Menge von einer oder mehreren möglichen Differenzen umfasst,
c) aufgrund der gemäß Schritt b) gebildeten Folge von (k-1) * n Werteklassen - getrennt für jedes der n Teilbänder bzw. Spektralwertegruppen - Skalenfaktoren selektiert und mit einer Kenninformation versehen werden , wobei die Anzahl von aufeinanderfolgenden, unterschiedlichen selektierten Skalenfaktoren innerhalb der Folge kleiner oder gleich der Anzahl der aufeinanderfolgenden, unterschiedlichen Skalenfaktoren des betrachteten Teilbandes bzw. Spektralwertegruppe ist, und wobei die Kenninformation die Zuordnung der selektierten Skalenfaktoren zu jeweils einem oder mehreren der k Blöcke der abgetasteten Signalwerte des betreffenden Teilbandes bzw. Spektralwertegruppe identifiziert, und bei dem decoderseitig
d) anhand der Kenninformation den Blöcken der abgetasteten Signalwerte die zugehörigen selektierten Skalenfaktoren zugeordnet werden, und
e) aus den abgetasteten Signalwerten sowie den zugeordneten selektierten Skalenfaktoren wieder Tonsignale erzeugt werden, die mehr oder weniger den ursprünglichen Tonsignalen entsprechen, dadurch gekennzeichnet, dass bei der Blockcodierung innerhalb von irrelevanzund redundanzmindernden Tondaten-Reduktionsverfahren folgende Verfahrensschritte vorgesehen werden:
f) Die gemäß Schritt a) gebildeten (k-1) * n Differenzen werden in mehr als zwei Werteklassen eingestuft;
g) bei der Selektion der Skalenfaktoren gemäß Schritt c) wird getrennt für jedes der n Teilbänder bzw. Spektralwertegruppen ein Übertragungsmuster neuer Skalenfaktoren nach psychoakustischen Gesichtspunkten bezogen auf die Vor- und Nachverdeckungseffekte des menschlichen Gehörs bestimmt, wobei zwischen psychoakustisch relevanten Änderungen der Skalenfaktoren unterschieden wird, und
h) als Kenninformation eine Steuerinformation verwendet wird, welche angibt , an welchen Stellen sich die neuen Skalenfaktoren befinden.
- 3
- Die in China ansässige Beklagte stellt Geräte her, die Fernsehsignale nach dem DVB-Standard (Digital Video Broadcast) empfangen und verarbeiten können. Die zu solchen Fernsehsignalen gehörenden Audiosignale werden nach dem Standard MPEG-2 codiert. Das darin definierte Codierverfahren weist die in Patentanspruch 1 vorgesehenen Merkmale auf.
- 4
- Die Beklagte hat ihre Produkte in den Jahren 2010 und 2011 auf der CeBIT ausgestellt. Sie hat die Geräte außerdem unter Verwendung der Handelsklausel "free on board China" an ein in Deutschland ansässiges Unternehmen geliefert. Zu ihren Abnehmern gehört ferner ein anderes Unternehmen in China, das die Geräte an ein weiteres, ebenfalls in Deutschland ansässiges Unternehmen liefert.
- 5
- Einige dieser Geräte (insbesondere mobile TV-Geräte) enthalten eine Einrichtung, mit der das empfangene Signal decodiert wird. In anderen Geräten (insbesondere USB-Sticks, USB-TV-Boxen und Einsteckkarten) wird das Signal lediglich demoduliert, d.h. von der zur Übertragung eingesetzten Trägerfre- quenz abgelöst. Die anschließende Decodierung erfolgt softwaregesteuert durch einen Computer, mit dem diese Geräte mittels USB-Anschluss oder Steckkarte verbunden werden können. Einem Teil dieser Geräte ist eine Software beigefügt, mit der der Decodiervorgang ausgelöst werden kann.
- 6
- Die Klägerin macht geltend, Angebot und Lieferung aller angegriffenen Ausführungsformen stellten eine mittelbare Verletzung des Klagepatents dar. Ihre zunächst auch auf Unterlassung und nach Erlöschen des Klagepatents nur noch auf Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichtete Klage ist in erster Instanz erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat die Beklagte hingegen antragsgemäß verurteilt. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der vom Senat zugelassenen Revision, der die Klägerin entgegentritt.
Entscheidungsgründe:
- 7
- Die zulässige Revision ist nur hinsichtlich einer der drei angegriffenen Ausführungsformen begründet. Insoweit führt sie zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
- 8
- I. Das Klagepatent betrifft ein Verfahren zum Übertragen digitalisierter, blockcodierter Tonsignale.
- 9
- Nach den Ausführungen in der Klagepatentschrift war es im Stand der Technik bekannt, zur Verringerung der bei vergleichbarer Tonqualität zu übertragenden Datenmenge Skalenfaktoren zu bilden, mit denen der Größenbereich des übertragenen Werts angegeben wird. Dies macht die Übermittlung redundanter Daten in gewissem Umfang entbehrlich. Bekannt waren auch Verfahren, bei denen die Signale in Teilbänder aufgespaltet und um einzelne für das menschliche Gehör irrelevante Informationen bereinigt werden. Ferner war bekannt , dass die Menge der zu übertragenden Daten bei der Übermittlung von Skalenfaktoren weiter reduziert werden kann, indem die Differenz zwischen aufeinanderfolgenden Skalenfaktoren ermittelt und in eine Kenninformation umgewandelt wird. In der Klagepatentschrift wird weiter ausgeführt, die bekannten Verfahren zur Kompression der Skalenfaktoren führten nur zu einer Reduzierung von redundanter Information, nicht hingegen zur Entfernung von Information , die aufgrund psychoakustischer Gesichtspunkte irrelevant sei.
- 10
- Das Klagepatent betrifft vor diesem Hintergrund das Problem, ein Übertragungsverfahren zur Verfügung zu stellen, bei dem die benötigte Datenmenge noch weiter reduziert werden kann.
- 11
- Zur Lösung dieses Problems schlägt das Klagepatent ein Verfahren zum Übertragen digitalisierter, blockcodierter Tonsignale unter Verwendung von Skalenfaktoren mit den Verfahrensschritten a bis h aus Patentanspruch 1 vor.
- 12
- II. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
- 13
- Entgegen der von der Beklagten erhobenen Rüge sei die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte auch insoweit gegeben, als die Klage auf Lieferungen der Beklagten unmittelbar an eine deutsche Abnehmerin gestützt werde. Der Erfolgsort für die insoweit behaupteten Verletzungshandlungen liege im Inland.
- 14
- Die angegriffenen Ausführungsformen seien Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der geschützten Erfindung bezögen. Bei einem Verfahrensanspruch gehörten dazu regelmäßig alle im Patentanspruch genannten Vorrichtungen , die zur Ausführung des Verfahrens verwendet würden. Diese Voraussetzung sei bei allen angegriffenen Ausführungsformen erfüllt.
- 15
- Geräte mit eingebautem Decoder seien geeignet, MPEG-2-codierte Signale gemäß den Merkmalen d und e zu decodieren. Dass die Endabnehmer der Geräte nur den Decodiervorgang, nicht aber den Codiervorgang durchführten, sei nicht maßgeblich. Das geschützte Verfahren erfordere ein erfindungsfunktionales Zusammenwirken von Coder und Decoder. Jedenfalls in einem solchen Fall könne eine unmittelbare Patentverletzung auch in Mit- und Nebentäterschaft begangen werden.
- 16
- Entsprechendes gelte für Geräte ohne Decoder, zu deren Lieferumfang eine Software mit Decoderfunktion gehöre. Bei diesen erfolge die erfindungswesentliche Decodierung durch die mitgelieferte Software.
- 17
- Geräte ohne eingebauten Decoder und ohne mitgelieferte Software lieferten ebenfalls einen wesentlichen Beitrag zum Decodiervorgang. Dieser könne ohne vorherige Demodulation nicht erfolgen. Dies unterscheide die angegriffenen Geräte von einem bloßen Datenträger wie etwa einer DVD.
- 18
- Die Beklagte sei für das Inverkehrbringen solcher Geräte in Deutschland verantwortlich, weil sie gewusst habe, dass die von ihr gelieferten Geräte dorthin verbracht werden sollten. Aufgrund des internationalen DVB-Standards sei auch offensichtlich gewesen, dass die Geräte für das patentgemäße Verfahren eingesetzt würden. Die Beklagte habe solche Geräte ferner auf der CeBIT angeboten. Hierbei sei unerheblich, dass die dort angesprochenen Abnehmer nur Wiederverkäufer seien.
- 19
- Die beanstandeten Benutzungshandlungen seien nicht mit Zustimmung der Klägerin erfolgt. Für ihren bestrittenen Vortrag, die mit einigen Geräten mitgelieferte Software benutze zur Decodierung den zum Windows Media Player gehörenden Decoder der Lizenznehmerin Microsoft, habe die Beklagte keinen Beweis angeboten. Jedenfalls eines der von der Beklagten belieferten Unternehmen habe ebenfalls keine Nutzungsrechte am Gegenstand des Klagepatents.
- 20
- Dass die Abnehmer von Geräten ohne Decoder und ohne mitgelieferte Software zur Decodierung den Windows Media Player einsetzten, führe nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Hinsichtlich eines Verfahrenspatents könne keine Erschöpfung eintreten, wenn wie hier lediglich eine zur Ausübung des Verfahrens geeignete Vorrichtung veräußert werde. Die Erteilung einer Lizenz an Microsoft könne auch nicht als stillschweigende Zustimmung angesehen werden, weil der Windows Media Player nur eine von mehreren zur Ausführung des Verfahrens erforderlichen Komponenten sei und die Demodulatoren der Beklagten unstreitig nicht aus lizenzierter Quelle stammten.
- 21
- Ob die Klägerin den Sendeanstalten, die die Signale in patentgeschützter Weise codierten, eine Lizenz erteilt habe, sei unerheblich. Mangels anderer Anhaltspunkte sei davon auszugehen, dass sich die Zustimmung der Klägerin lediglich auf die coderseitig durchzuführenden Verfahrensschritte beziehe.
- 22
- III. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision nur insoweit nicht stand, als es um Geräte geht, die weder Komponenten zur Ausführung der patentgemäßen Decodierschritte aufweisen noch zusammen mit Software angeboten oder geliefert werden, mit der eine Decodierung ausgelöst werden kann.
- 23
- 1. Zu Recht und von der Revision unbeanstandet hat das Berufungsgericht die internationale Zuständigkeit auch für Lieferungen der Beklagten an eine in Deutschland ansässige Abnehmerin bejaht.
- 24
- Nach den im Streitfall anwendbaren allgemeinen Grundsätzen sind die deutschen Gerichte entsprechend § 32 ZPO international zuständig, wenn sich aus dem Vortrag der Klägerin eine Schutzrechtsverletzung in Deutschland ergibt (vgl. BGH, Urteil vom 21. August 2012 - X ZR 33/10, BGHZ 194, 272 = GRUR 2012, 1230 Rn. 9 - MPEG-2-Videosignalcodierung; Urteil vom 29. Juni 2010 - VI ZR 122/09, NJW-RR 2010, 1554 Rn. 8). Diese Voraussetzungen hat das Berufungsgericht zu Recht als erfüllt angesehen, weil der Erfolgsort der angegriffenen Handlungen nach dem insoweit maßgeblichen Vorbringen der Klägerin in Deutschland liegt. Dass der Handlungsort im Ausland liegt, ist unerheblich (vgl. BGH, NJW-RR 2010, 1554 Rn. 10).
- 25
- 2. Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die von der Beklagten von China aus getätigten Lieferungen relevante Benutzungshandlungen im Inland darstellen.
- 26
- a) Nach der Rechtsprechung des Senats ist ein im Ausland ansässiger Lieferant für eine in Deutschland begangene Patentverletzung verantwortlich, wenn er ein geschütztes Erzeugnis an einen in Deutschland ansässigen Abnehmer liefert. Dies gilt unabhängig davon, an welchem Ort Eigentum, Besitz und Gefahr an der gelieferten Ware auf den Abnehmer übergehen (BGH, GRUR 2002, 599 - Funkuhr I).
- 27
- b) Entgegen der Auffassung der Revision gelten diese Grundsätze auch für Handlungen, die als mittelbare Patentverletzung im Sinne von § 10 Abs. 1 PatG zu qualifizieren sind.
- 28
- Der Tatbestand der mittelbaren Patentverletzung nach § 10 PatG knüpft ebenso wie der Tatbestand der unmittelbaren Patentverletzung nach § 9 PatG daran an, dass ein bestimmter Gegenstand ins Inland geliefert worden ist. Die Tatbestände unterscheiden sich nur dadurch, dass der gelieferte Gegenstand im Falle des § 9 PatG schon für sich gesehen in den Schutzbereich des Patents fällt, während er im Falle des § 10 PatG nur ein Mittel darstellt, das sich auf ein wesentliches Element der Erfindung bezieht. Für die im vorliegenden Zusammenhang relevante Frage, ob eine Lieferung ins Inland erfolgt ist, begründet dies keinen Unterschied.
- 29
- c) Vor diesem Hintergrund hat das Berufungsgericht im Streitfall eine Lieferung ins Inland zu Recht bejaht.
- 30
- aa) Für die unmittelbare Lieferung von Geräten an eine in Deutschland ansässige Abnehmerin ergibt sich dies schon daraus, dass die Beklagte diese Lieferung selbst veranlasst hat. Dass die Ware entsprechend der vereinbarten Klausel "free on board China" bereits in China übergeben wurde, ist nach der aufgezeigten Rechtsprechung des Senats unerheblich.
- 31
- bb) Für die Lieferungen an ein anderes in China ansässiges Unternehmen , das die Ware an einen in Deutschland ansässigen Abnehmer veräußert hat, gilt im Streitfall nichts anderes.
- 32
- Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte gewusst , dass das von ihr belieferte Unternehmen möglicherweise auch Produkte nach Deutschland exportiert. Sie hat die in Deutschland ansässige Abnehmerin zudem auf ihren Internetseiten als Distributor für den europäischen Markt bezeichnet. Angesichts dessen ist die vom Berufungsgericht gezogene Schlussfolgerung , dass die Beklagte an der von ihrer unmittelbaren Abnehmerin veranlassten Lieferung nach Deutschland durch eigenes vorwerfbares Verhalten mitgewirkt hat, nicht zu beanstanden.
- 33
- 3. Zu Recht hat das Berufungsgericht ferner entschieden, dass die angegriffenen Geräte mit eingebautem Decoder oder beigefügter Software Mittel darstellen, die dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden.
- 34
- a) Ob ein Mittel geeignet ist, zur Benutzung der Erfindung verwendet zu werden, ist nach der objektiven Beschaffenheit des angebotenen oder gelieferten Gegenstands zu beurteilen. Das Mittel muss grundsätzlich so ausgebildet sein, dass eine unmittelbare Benutzung der geschützten Lehre mit allen ihren Merkmalen durch die Abnehmer möglich ist (BGH, Urteil vom 24. September 1991 - X ZR 37/90, BGHZ 115, 204, 208 = GRUR 1992, 40, 42 - Beheizbarer Atemluftschlauch; Urteil vom 7. Juni 2005 - X ZR 247/02, GRUR 2005, 848, 850 - Antriebsscheibenaufzug).
- 35
- Bei Patenten, die ein mehrstufiges Verfahren betreffen, kann ein Mittel auch dann zur Benutzung der Erfindung geeignet sein, wenn die Abnehmer dieses Mittels nicht alle Verfahrensschritte selbst ausführen. Jedenfalls in einem solchen Fall kann eine unmittelbare Patentverletzung nicht nur in Alleintäterschaft unter Verwirklichung aller Verfahrensschritte begangen werden, sondern auch in Mit- und Nebentäterschaft (BGH, Urteil vom 27. Februar 2007 - X ZR 113/04, GRUR 2007, 773 Rn. 19 - Rohrschweißverfahren).
- 36
- b) Hieraus hat das Berufungsgericht für den Streitfall zu Recht abgeleitet , dass die angegriffenen Ausführungsformen auch dann zur Benutzung der Erfindung geeignet sind, wenn die Abnehmer mit ihnen nur die im Patentanspruch vorgesehenen Decodierschritte vornehmen, die Codierung hingegen durch andere Personen erfolgt.
- 37
- c) Entgegen der Auffassung der Revision betrifft die oben aufgezeigte Rechtsprechung nicht nur einen nicht verallgemeinerungsfähigen Einzelfall.
- 38
- aa) Zwar hat der Senat in der zuletzt zitierten Entscheidung ausgeführt, es reiche "jedenfalls in einem solchen Fall" aus, wenn nicht alle Verfahrensmerkmale vom Abnehmer des angebotenen oder gelieferten Mittels verwirklicht würden (BGH, GRUR 2007, 773 Rn. 19 - Rohrschweißverfahren). Der dort formulierte Grundsatz bezieht sich aber nicht nur auf den jener Entscheidung zugrunde liegenden Einzelfall, sondern jedenfalls auf alle Konstellationen, in denen ein mehrstufiges Verfahren geschützt ist und einzelne Verfahrensschritte eine notwendige Voraussetzung für die Durchführung weiterer, für die Erfindung wesentlicher Verfahrensschritte bilden.
- 39
- bb) Die im Streitfall zu beurteilende Konstellation weist keine Besonderheiten auf, die zu einer abweichenden Beurteilung führen. Die in Rede stehenden Merkmale des Patentanspruchs sind auch hier in der oben genannten Weise verknüpft.
- 40
- Das im Patentanspruch vorgesehene Empfangen und Decodieren von Signalen setzt voraus, dass diese zuvor in der ebenfalls im Patentanspruch vorgesehenen Weise codiert und versendet worden sind. Umgekehrt erfolgt ein Versenden von codierten Signalen typischerweise zu dem Zweck, dass sie an anderer Stelle empfangen und decodiert werden. Bei der konkret in Rede stehenden Nutzung - Empfang von Fernsehsignalen - wird dieser Zusammenhang besonders deutlich.
- 41
- cc) Entgegen der Auffassung der Revision betrifft die aufgezeigte Rechtsprechung des Senats nicht nur den Fall der Mittäterschaft.
- 42
- Zu Recht geht die Revision allerdings davon aus, dass Mittäterschaft im Streitfall aufgrund der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht bejaht werden kann. Mittäterschaft setzt ebenso wie Anstiftung und Beihilfe ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken bei der Herbeiführung der Verletzung voraus (BGH, Urteil vom 23. Februar 1988 - VI ZR 151/87, NJW 1988, 1719, 1720). Im Streitfall kommt nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hingegen nur eine fahrlässige Verletzung des Klagepatents in Betracht.
- 43
- Der Bundesgerichtshof hat jedoch entschieden, dass bei der Verwirklichung einzelner Verfahrensschritte nicht nur Mittäterschaft, sondern auch Nebentäterschaft in Betracht kommt (BGH, Urteil vom 27. Februar 2007 - X ZR 113/04, GRUR 2007, 773 Rn. 19 - Rohrschweißverfahren). Dass die Voraussetzungen dafür im Streitfall vorliegen, hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt.
- 44
- d) Entgegen der Auffassung der Revision setzt Nebentäterschaft nicht voraus, dass bei jedem Täter alle Voraussetzungen der Patentverletzung in eigener Person erfüllt sind.
- 45
- aa) Nach allgemeinen deliktsrechtlichen Grundsätzen liegt Nebentäterschaft vor, wenn mehrere Deliktstäter durch selbständige Einzelhandlungen ohne bewusstes Zusammenwirken einen Schaden mitverursacht haben (BGH, NJW 1988, 1719, 1720). Daraus ergibt sich, wie auch die Revision im Ansatz zutreffend sieht, dass jeder Nebentäter grundsätzlich unabhängig vom Tatbeitrag des anderen zum vollständigen Ersatz des von ihm verursachten Schadens verpflichtet ist (vgl. nur BGH, Urteil vom 5. Oktober 2010 - VI ZR 286/09, NJW 2011, 292 Rn. 9).
- 46
- bb) Entgegen der Auffassung der Revision folgt daraus nicht, dass eine Patentverletzung bei Verfahrenspatenten durch Nebentäter nur in der Weise erfolgen kann, dass jeder Nebentäter alle patentgemäßen Verfahrensschritte selbst ausführt.
- 47
- Als Täter einer fahrlässigen Patentverletzung hat vielmehr auch derjenige einzustehen, der die Rechtsverletzung durch eigenes vorwerfbares Verhalten verursacht hat. Ein vorwerfbares Verhalten in diesem Sinne kann zum Beispiel darin liegen, dass auf die Benutzung des Patents gerichtete Handlungen eines Dritten pflichtwidrig nicht unterbunden werden (BGH, Urteil vom 17. September 2009 - Xa ZR 2/08, BGHZ 182, 245 = GRUR 2009, 1142 Rn. 34 - MP3-Player-Import; Urteil vom 30. Januar 2007 - X ZR 53/04, BGHZ 171, 13 = GRUR 2007, 313 Rn. 17 - Funkuhr II; Beschluss vom 26. Februar 2002 - X ZR 36/01, GRUR 2002, 599 - Funkuhr I).
- 48
- Ein vorwerfbares Verhalten in diesem Sinne kann auch dann vorliegen, wenn sich eine Person bei der Anwendung eines Verfahrens den Umstand zunutze macht, dass bestimmte Schritte des geschützten Verfahrens von einem Dritten ausgeführt werden und in die eigene Handlung einbezogen werden können. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.
- 49
- cc) Die von der Revision hervorgehobene Frage der Tatherrschaft ist, wie das Berufungsgericht zu Recht entschieden hat, in diesem Zusammenhang irrelevant.
- 50
- Es geht nicht darum, ob die Abnehmer der angegriffenen Geräte eine Sendeanstalt an der Ausstrahlung ihres Fernsehprogramms hindern können oder müssen. Ein Benutzer, der ein vom Sender nach dem Verfahren des Klagepatents codiertes und ausgestrahltes Signal in der patentgemäßen Weise decodiert, macht sich jedenfalls den Beitrag des Senders zunutze, um das patentgemäße Verfahren in seiner Gesamtheit anzuwenden. Dies genügt zur Bejahung von Nebentäterschaft. Ob eine Sendeanstalt, die patentgemäß codierte Signale ohne Lizenz ausstrahlt, sich als weiterer Nebentäter zu verantworten hat, ist unerheblich. Wie bereits dargelegt haftet jeder Nebentäter grundsätzlich uneingeschränkt und unabhängig von einer eventuellen Haftung weiterer Beteiligter.
- 51
e) Entgegen der Auffassung der Revision schützt das Klagepatent nicht nur Verfahren, bei denen alle Schritte von demselben Benutzer ausgeführt werden.
- 52
- Auf den von der Revision hierfür angeführten Wortlaut von Patentanspruch 1 lässt sich die von ihr postulierte Auslegung nicht stützen. Der Patentanspruch definiert nur die einzelnen Schritte des Verfahrens, legt aber nicht fest, welche Personen oder Einrichtungen diese ausführen sollen.
- 53
- Aus dem im Patentanspruch verwendeten Begriff "Übertragen" können keine abweichenden Schlussfolgerungen gezogen werden. Dabei kann dahingestellt bleiben, welcher Bedeutung diesem Begriff nach dem allgemeinen technischen Sprachgebrauch zukommt. Aus dem Zusammenhang von Patentanspruch 1 ergibt sich jedenfalls, dass ein Verfahren zum Übertragen von Tonsignalen im Sinne des Klagepatents stets dann vorliegt, wenn die Signale vom Sender in der im Patentanspruch definierten Weise codiert und nach der Übermittlung vom Empfänger in entsprechender Weise decodiert werden.
- 54
- Sonstige Umstände, aus denen sich eine engere Auslegung des Patentanspruchs ergeben könnte, zeigt die Revision nicht auf.
- 55
- f) Entgegen der Auffassung der Revision geht es in diesem Zusammenhang nicht um die Frage, ob eine Unter- oder Teilkombination in den Schutzbereich eines Patents fallen kann. Nach der oben aufgezeigten und vom Berufungsgericht zutreffend zugrunde gelegten Rechtsprechung müssen stets alle Merkmale des geschützten Verfahrens verwirklicht werden - nur eben nicht zwingend durch dieselbe Person.
- 56
- 4. Zutreffend ist das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass Geräte mit eingebautem Decoder oder beigefügter Software Mittel im Sinne von § 10 Abs. 1 PatG sind, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen.
- 57
- a) Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Frage, was zu den wesentlichen Elementen der Erfindung gehört, vom Gegenstand der Erfindung her zu beantworten.
- 58
- Da der Patentanspruch maßgeblich dafür ist, welcher Gegenstand durch das Patent geschützt ist, sind regelmäßig alle im Patentanspruch benannten Merkmale wesentliche Elemente der Erfindung im Sinne von § 10 Abs. 1 PatG. Daher bezieht sich bei einem Verfahrenspatent eine im Patentanspruch genannte Vorrichtung, die zur Ausführung des Verfahrens verwendet wird, regelmäßig auf ein wesentliches Element der Erfindung (BGH, GRUR 2007, 773 Rn. 14 - Rohrschweißverfahren). Etwas anderes gilt nur für Mittel, die zwar bei der Benutzung der Erfindung verwendet werden können, zur Verwirklichung der geschützten Lehre jedoch nichts beitragen. Leistet ein Mittel dagegen einen solchen Beitrag, kommt es grundsätzlich nicht darauf an, mit welchem Merkmal oder welchen Merkmalen des Patentanspruchs es zusammenwirkt (BGH, Urteil vom 21. August 2012 - X ZR 33/10, BGHZ 194, 272 = GRUR 2012, 1230 Rn. 32 - MPEG-2-Videosignalcodierung; Urteil vom 27. Februar 2007 - X ZR 38/06, BGHZ 171, 167 = GRUR 2007, 769 Rn. 18 - Pipettensystem; Urteil vom 4. Mai 2004 - X ZR 48/03, BGHZ 159, 76, 86 = GRUR 2004, 758, 761 - Flügelradzähler). Deshalb ist grundsätzlich unerheblich, ob das Merkmal, mit dem das Mittel zusammenwirkt, durch den Stand der Technik vorweggenommen oder nahegelegt ist oder ob es den "Kern" der Erfindung betrifft (BGHZ 171, 167 Rn. 20 - Pipettensystem; BGHZ 159, 76, 86 - Flügelradzähler).
- 59
- b) Die angegriffenen Geräte mit eingebautem Decoder hat das Berufungsgericht vor diesem Hintergrund rechtsfehlerfrei als Mittel angesehen, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen.
- 60
- Diese Geräte sind nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts geeignet, die in Patentanspruch 1 vorgesehenen Decodierschritte durchzuführen. Dies reicht aus, um das in Rede stehende Tatbestandsmerkmal des § 10 Abs. 1 PatG zu bejahen.
- 61
- c) Ebenfalls rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht entschieden, dass diese Voraussetzung auch bei denjenigen Geräten erfüllt ist, die ohne eingebauten Decoder, aber mit beigefügter Software angeboten oder geliefert werden.
- 62
- aa) Entgegen der Auffassung der Revision gehört das Anbieten oder Liefern solcher Geräte einschließlich Software zu den angegriffenen Ausführungsformen.
- 63
- Nach den tatbestandlichen Feststellungen des Berufungsgerichts gehört bei einigen angegriffenen Geräten eine Software mit Decoderfunktion zum Lieferumfang. Diese Feststellungen sind gemäß § 314 ZPO bindend und gemäß § 559 Abs. 1 ZPO der revisionsrechtlichen Prüfung zugrunde zu legen.
- 64
- bb) Auf dieser Grundlage ist das Berufungsgericht zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass diese Geräte sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, weil sie ebenfalls dazu geeignet sind, die in Patentanspruch 1 vorgesehenen Decodierschritte durchzuführen.
- 65
- cc) Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe der Beklagten zu Unrecht die Darlegungs- und Beweislast dafür zugewiesen, dass die mitgelieferte Software zum Decodieren der Signale eine vom Benutzer zu beschaffende Decoderkomponente von Microsoft verwende.
- 66
- Diese Rüge ist unbegründet.
- 67
- (1) In diesem Zusammenhang ist unerheblich, ob der diesbezügliche Vortrag der Beklagten hinreichend substantiiert war.
- 68
- Das Berufungsgericht hat das Vorbringen nicht wegen mangelnder Substantiierung unberücksichtigt gelassen, sondern deshalb, weil es die Beklagte insoweit als beweisfällig angesehen hat. Die Revision zeigt nicht auf, dass das Berufungsgericht hierbei Beweisangebote der Beklagten übergangen hat.
- 69
- (2) Zu Recht hat das Berufungsgericht die Darlegungs- und Beweislast bei der Beklagten gesehen.
- 70
- Mit ihrem Vorbringen, die mitgelieferte Software verwende eine Decoderkomponente von Microsoft, hat die Beklagte nicht bestritten, dass die von ihr angebotene und gelieferte Software zur Durchführung der erfindungsgemäßen Decodierschritte geeignet ist. Sie hat vielmehr geltend gemacht, aufgrund einer Lizenzerteilung an Microsoft sei die Durchführung dieser Verfahrensschritte nicht rechtswidrig. Die Voraussetzungen einer Lizenzerteilung oder einer sonstigen Berechtigung zur Nutzung des Klagepatents hat derjenige darzulegen und zu beweisen, der sich auf entsprechende Rechte beruft. Dies ist im Streitfall die Beklagte.
- 71
- 5. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht eine mittelbare Patentverletzung durch Angebot oder Lieferung von Geräten mit eingebautem Decoder oder beigefügter Software nicht schon deshalb verneint, weil die Beklagte nach ihrem Vortrag in den Betriebsanleitungen für alle angegriffenen Ausführungsformen das Betriebssystem Windows und den Windows Media Player als Systemvoraussetzungen angegeben hat.
- 72
- Ein solcher Hinweis kann eine mittelbare Patentverletzung jedenfalls deshalb nicht ausschließen, weil mit diesen Geräten nach den insoweit nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts das patentgemäße Verfahren unabhängig vom Einsatz zusätzlicher Software ausgeführt werden kann. Der Hinweis auf die Erforderlichkeit weiterer Softwarekomponenten, die ebenfalls zur Ausführung der patentgemäßen Decodierschritte geeignet sind, kann angesichts dessen nicht als Aufforderung verstanden werden, eine Decodierung nur damit durchzuführen.
- 73
- 6. Ohne Rechtsfehler ist das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt , mangels anderer Anhaltspunkte sei davon auszugehen, dass sich eine Zustimmung der Klägerin zur Tätigkeit der Sendeanstalten allenfalls auf die coderseitig durchzuführenden Verfahrensschritte bezieht.
- 74
- a) Die Revision macht geltend, angesichts des Umstandes, dass die Sendeanstalten den Standard des Klagepatents benutzten, sei davon auszugehen , dass sie sich entsprechende Rechte verschafft hätten.
- 75
- Damit zeigt sie keinen Rechtsfehler auf.
- 76
- Nach den tatbestandlichen Feststellungen im Berufungsurteil hat die Beklagte in erster Instanz unbestritten vorgetragen, den Sendeanstalten sei jedenfalls durch stillschweigende Duldung eine Lizenz eingeräumt worden. Daraus ergibt sich nicht, dass die Klägerin oder sonstige am Klagepatent Berechtigte mit einer oder mehreren Sendeanstalten einen ausdrücklichen Lizenzvertrag oder eine vergleichbare Vereinbarung abgeschlossen haben. Auch ohne abweichenden Vortrag der Klägerin durfte das Berufungsgericht mithin allenfalls von einer stillschweigenden Lizenzeinräumung durch Duldung ausgehen.
- 77
- Weitergehenden Vortrag der Beklagten, aus dem das Berufungsgericht den Abschluss eines Lizenzvertrages hätte herleiten müssen, zeigt die Revision nicht auf. Der von ihr zitierte Vortrag der Klägerin in der Berufungsverhandlung, wonach die Sendeanstalten gerade keine Lizenz am Klagepatent erhalten haben , vermag ihre Argumentation nicht zu stützen.
- 78
- b) Entgegen der Auffassung der Revision ist die vom Berufungsgericht angestellte Erwägung, eine stillschweigende Lizenzierung beziehe sich allenfalls auf den Codier-, nicht aber auf den Decodiervorgang, nicht deshalb rechtsfehlerhaft , weil eine auf einzelne Teile oder Teilmerkmale beschränkte Lizenz ungewöhnlich und juristisch abwegig wäre.
- 79
- Dabei kann dahingestellt bleiben, ob eine auf einzelne Teilschritte eines patentierten Verfahrens beschränkte Lizenz üblich ist. Im Streitfall ist die Würdigung des Berufungsgerichts aus Rechtsgründen schon deshalb nicht zu beanstanden , weil die Klägerin nach dem zugrunde zu legenden Vortrag gerade keinen Lizenzvertrag mit Sendeanstalten geschlossen hat, sondern deren Tätigkeit nur stillschweigend geduldet hat. Die Würdigung, dass in einer solchen Duldung nicht ohne weiteres eine Zustimmung zu Benutzungshandlungen anderer Personen liegt, ist möglich und lässt auch im Übrigen keinen Rechtsfehler erkennen. Insbesondere lässt sich entgegen der Auffassung der Revision weder aus der Erhebung des Rundfunkbeitrags noch aus sonstigen Umständen ein erkennbares Interesse oder gar eine Pflicht der Sendeanstalten herleiten, potentiellen Zuschauern patentrechtliche Nutzungsbefugnisse für den Betrieb von Empfangsgeräten zu verschaffen.
- 80
- c) Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur stillschweigenden Erteilung einer Erlaubnis zur Nutzung eines Verfahrenspatents ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision keine abweichende Beurteilung.
- 81
- Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf derjenige, der vom Inhaber eines Verfahrenspatents eine zur Ausübung des Verfahrens erforderliche Vorrichtung erworben hat, diese bestimmungsgemäß benutzen, wenn ausdrückliche entgegenstehende Abreden fehlen (BGH, Urteil vom 24. September 1979 - KZR 14/78, GRUR 1980, 38, 39 - Fullplast). Erteilt der Patentinhaber einem Dritten die Lizenz, solche Gegenstände in den Verkehr zu bringen, so hat der Dritte mangels abweichender Abreden die Befugnis, seinen Abnehmern die Ausübung des Verfahrens zu erlauben (BGH, GRUR 2007, 773 Rn. 29 - Rohrschweißverfahren).
- 82
- Diese Rechtsprechung - die das Berufungsgericht zu Recht nur im Zusammenhang mit einer möglicherweise an Microsoft erteilten Lizenz herangezogen hat - ist im vorliegenden Zusammenhang schon deshalb nicht einschlägig , weil die Sendeanstalten durch das Aussenden patentgemäß codierter Signale keine Vorrichtung veräußern, die zur Anwendung des Verfahrens geeignet ist. Die ausgesendeten Signale sind allenfalls ein Gegenstand, auf den die erfindungsgemäßen Decodierschritte angewendet werden können. Sie sind aber - anders als die angegriffenen Geräte mit Decodierfunktion - kein Mittel, um diese Schritte auszuführen.
- 83
- 7. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht hingegen auch diejenigen Geräte als Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, angesehen, die ohne eingebauten Decoder und ohne beigefügte Software angeboten oder geliefert werden.
- 84
- a) Solche Geräte sind, wie auch das Berufungsgericht nicht verkannt hat, nicht geeignet, die zum patentgemäßen Verfahren gehörenden Decodierschritte durchzuführen.
- 85
- Die Decodierung erfolgt bei diesen Geräten auf einem Rechner und mit Hilfe einer Software, die beide nicht Teil dieser angegriffenen Ausführungsform sind. Die auf den gelieferten Geräten durchgeführte Demodulation ist zwar erforderlich , um die Decodierung durchführen zu können. Sie gehört aber nicht zu den im Patentanspruch vorgesehenen Verfahrensschritten.
- 86
b) Zu Recht ist das Berufungsgericht ferner zu dem Ergebnis gelangt, dass die Demodulatoren nicht als bloßer Gegenstand oder Ausgangspunkt des geschützten Verfahrens anzusehen sind.
- 87
- Nach der oben aufgezeigten Rechtsprechung des Senats kann der erforderliche Bezug zu einem wesentlichen Element der Erfindung vorliegen, wenn ein geliefertes Mittel gleichsam als Element oder Baustein Verwendung findet, um wie ein "Rädchen im Getriebe" die geschützte Erfindung vollständig ins Werk zu setzen. Nicht von § 10 PatG erfasst sind aber Mittel, die lediglich den Gegenstand oder Ausgangspunkt eines geschützten Verfahrens betreffen. Für die mittelbare Verletzung eines Patents, das ein Verfahren zum Decodieren von Daten betrifft, reicht es deshalb nicht aus, einen Datenträger anzubieten oder zu liefern, der zur Decodierung geeignete Daten enthält. Ein Decodierverfahren ist ohne das Einlegen eines Datenträgers in ein hierzu vorgesehenes Abspielgerät weder unvollständig noch funktionsuntauglich; es fehlt dann lediglich an Bedarf und Anlass für den Ablauf des Verfahrens (BGHZ 194, 272 Rn. 34 - MPEG-2-Videosignalcodierung).
- 88
- Die im Streitfall zu beurteilenden Demodulatoren bilden, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, nicht lediglich den Gegenstand oder Ausgangspunkt des geschützten Verfahrens. Gegenstand der im Patentanspruch vorgesehenen Decodierschritte sind die codierten Signale, die bei der Übertragung von Fernsehsignalen nach dem DVB-Standard auf eine Trägerfrequenz moduliert worden sind. Die zur angegriffenen Ausführungsform gehörenden Demodulatoren dienen dazu, diese Signale aus dem übermittelten Signal zu extrahieren. Sie sind mithin nicht Gegenstand oder Ausgangspunkt des Übertragungsverfahrens , sondern ein Mittel, um die Übertragung durchzuführen.
- 89
- c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts reicht dies indes nicht aus, um den nach § 10 Abs. 1 PatG erforderlichen Bezug zu einem wesentlichen Element der Erfindung bejahen zu können.
- 90
- aa) Die nach dem Patentanspruch vorgesehenen Decodierschritte stellen zwar ein wesentliches Element der Erfindung dar. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts weisen die Demodulatoren aber nicht schon deshalb einen hinreichenden Bezug zu diesem Element auf, weil eine patentgemäße Decodierung von nach dem DVB-Standard übertragenen Fernsehsignalen ohne vorangegangene Demodulation nicht möglich ist.
- 91
- Nach der oben aufgezeigten Rechtsprechung des Senats kann ein Mittel allerdings als "Rädchen im Getriebe" anzusehen sein, wenn sein Einsatz für die Verwirklichung eines im Patentanspruch vorgesehenen Verfahrensschritts kausal ist. Hierfür ist in der Regel jedoch erforderlich, dass das Mittel bei der Ausführung eines solchen Schritts eingesetzt wird. Der Einsatz bei einem vorgelagerten Schritt reicht grundsätzlich nicht aus.
- 92
- Im Streitfall stellt die Demodulation einen zwar notwendigen, aber den im Patentanspruch vorgesehenen Decodierschritten lediglich vorgelagerten Verfahrensschritt dar. Damit fehlt es an dem erforderlichen Zusammenhang.
- 93
- Der für die revisionsrechtliche Prüfung als zutreffend zu unterstellende Vortrag der Beklagten, die angegriffenen Geräte seien ausschließlich zur Verarbeitung von DVB-Signalen geeignet, führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Diesem Vorbringen ist zwar zu entnehmen, dass es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, dass die Geräte dazu bestimmt sind, die empfangenen Signale zum Zwecke der anschließenden Decodierung zu demodulieren. Aus dem Umstand, dass ein Mittel dazu bestimmt ist, für Verfahrensschritte im Vorfeld eines geschützten Verfahrens eingesetzt zu werden, kann aber nicht abgeleitet werden, dass es sich auf ein wesentliches Element der Erfindung bezieht.
- 94
- bb) Ob die Demodulation des empfangenen Signals unter das im Patentanspruch vorgesehene Merkmal "Übertragen" subsumiert werden kann, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Dieses Merkmal ist jedenfalls kein wesentliches Element der Erfindung im Sinne von § 10 Abs. 1 PatG.
- 95
- Nach der Rechtsprechung des Senats bezieht sich ein Mittel nicht auf ein wesentliches Element der Erfindung, wenn es zwar bei der Benutzung eingesetzt werden kann, aber von völlig untergeordneter Bedeutung ist (BGHZ 171, 167 Rn. 20 - Pipettensystem) und zur Verwirklichung der geschützten Lehre nichts beiträgt (BGHZ 194, 272 Rn. 32 - MPEG-2-Videosignalcodierung; BGHZ 171, 167 Rn. 18 - Pipettensystem; BGHZ 159, 76, 86 - Flügelradzähler).
- 96
- Diese Voraussetzung ist im Streitfall hinsichtlich eines Geräts erfüllt, das nur zum Empfang und zur Demodulation eines ausgestrahlten Signals, nicht aber zu der im Patentanspruch vorgesehenen Decodierung geeignet ist.
- 97
- Die Übertragung des codierten Signals gehört zwar zu den Merkmalen des Patentanspruchs. Den Verfahrensschritten zwischen der erfindungsgemäßen Codierung und der erfindungsgemäßen Decodierung der Daten kommt nach dem Patentanspruch jedoch keine wesentliche Bedeutung zu. Insbesondere ist es nach der Lehre des Klagepatents grundsätzlich unerheblich, auf welchem Wege, in welcher Form und mit welchen Mitteln die Übertragung erfolgt. Mittel, die lediglich der näheren Ausgestaltung und Realisierung dieser Phase des Übertragungsvorgangs dienen, sind angesichts dessen von völlig untergeordneter Bedeutung. Sie beziehen sich deshalb nicht auf ein wesentliches Element der Erfindung.
- 98
- IV. Soweit das angefochtene Urteil danach der Aufhebung unterliegt, kann der Senat in der Sache entscheiden, weil diese zur Entscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).
- 99
- Aus den rechtsfehlerfreien Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich, wie bereits oben dargelegt wurde, dass Geräte, die ohne eingebauten Decoder und ohne beigefügte Software angeboten oder geliefert werden , sich nicht auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen. Damit fehlt es an einer mittelbaren Patentverletzung. Ob die Klageansprüche insoweit auch deshalb unbegründet sind, weil die Nutzer solcher Geräte zur Decodierung den Windows Media Player einsetzen und Microsoft eine Lizenz am Klagepatent hat, bedarf angesichts dessen keiner Entscheidung.
- 100
- V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
Vorinstanzen:
LG Mannheim, Entscheidung vom 09.03.2012 - 7 O 43/10 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 08.05.2013 - 6 U 34/12 -
Das Patent hat die Wirkung, dass allein der Patentinhaber befugt ist, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu benutzen. Jedem Dritten ist es verboten, ohne seine Zustimmung
- 1.
ein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen; - 2.
ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, anzuwenden oder, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, daß die Anwendung des Verfahrens ohne Zustimmung des Patentinhabers verboten ist, zur Anwendung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten; - 3.
das durch ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, unmittelbar hergestellte Erzeugnis anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen.
(1) Das Patent hat ferner die Wirkung, daß es jedem Dritten verboten ist, ohne Zustimmung des Patentinhabers im Geltungsbereich dieses Gesetzes anderen als zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten oder zu liefern, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, daß diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden.
(2) Absatz 1 ist nicht anzuwenden, wenn es sich bei den Mitteln um allgemein im Handel erhältliche Erzeugnisse handelt, es sei denn, daß der Dritte den Belieferten bewußt veranlaßt, in einer nach § 9 Satz 2 verbotenen Weise zu handeln.
(3) Personen, die die in § 11 Nr. 1 bis 3 genannten Handlungen vornehmen, gelten im Sinne des Absatzes 1 nicht als Personen, die zur Benutzung der Erfindung berechtigt sind.
(1) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht. Der Anspruch ist ausgeschlossen, soweit die Inanspruchnahme aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls und der Gebote von Treu und Glauben für den Verletzer oder Dritte zu einer unverhältnismäßigen, durch das Ausschließlichkeitsrecht nicht gerechtfertigten Härte führen würde. In diesem Fall ist dem Verletzten ein angemessener Ausgleich in Geld zu gewähren. Der Schadensersatzanspruch nach Absatz 2 bleibt hiervon unberührt.
(2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Benutzung der Erfindung eingeholt hätte.
(3) Ist Gegenstand des Patents ein Verfahren zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses, so gilt bis zum Beweis des Gegenteils das gleiche Erzeugnis, das von einem anderen hergestellt worden ist, als nach dem patentierten Verfahren hergestellt. Bei der Erhebung des Beweises des Gegenteils sind die berechtigten Interessen des Beklagten an der Wahrung seiner Herstellungs- und Betriebsgeheimnisse zu berücksichtigen.
(1) Das Patent hat ferner die Wirkung, daß es jedem Dritten verboten ist, ohne Zustimmung des Patentinhabers im Geltungsbereich dieses Gesetzes anderen als zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten oder zu liefern, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, daß diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden.
(2) Absatz 1 ist nicht anzuwenden, wenn es sich bei den Mitteln um allgemein im Handel erhältliche Erzeugnisse handelt, es sei denn, daß der Dritte den Belieferten bewußt veranlaßt, in einer nach § 9 Satz 2 verbotenen Weise zu handeln.
(3) Personen, die die in § 11 Nr. 1 bis 3 genannten Handlungen vornehmen, gelten im Sinne des Absatzes 1 nicht als Personen, die zur Benutzung der Erfindung berechtigt sind.
(1) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht. Der Anspruch ist ausgeschlossen, soweit die Inanspruchnahme aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls und der Gebote von Treu und Glauben für den Verletzer oder Dritte zu einer unverhältnismäßigen, durch das Ausschließlichkeitsrecht nicht gerechtfertigten Härte führen würde. In diesem Fall ist dem Verletzten ein angemessener Ausgleich in Geld zu gewähren. Der Schadensersatzanspruch nach Absatz 2 bleibt hiervon unberührt.
(2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Benutzung der Erfindung eingeholt hätte.
(3) Ist Gegenstand des Patents ein Verfahren zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses, so gilt bis zum Beweis des Gegenteils das gleiche Erzeugnis, das von einem anderen hergestellt worden ist, als nach dem patentierten Verfahren hergestellt. Bei der Erhebung des Beweises des Gegenteils sind die berechtigten Interessen des Beklagten an der Wahrung seiner Herstellungs- und Betriebsgeheimnisse zu berücksichtigen.
(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.
(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.
(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. Die Vorschriften der §§ 827 und 828 finden entsprechende Anwendung.
(2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.
(3) Die Haftung wegen Vorsatzes kann dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden.
(1) Das Patent hat ferner die Wirkung, daß es jedem Dritten verboten ist, ohne Zustimmung des Patentinhabers im Geltungsbereich dieses Gesetzes anderen als zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten oder zu liefern, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, daß diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden.
(2) Absatz 1 ist nicht anzuwenden, wenn es sich bei den Mitteln um allgemein im Handel erhältliche Erzeugnisse handelt, es sei denn, daß der Dritte den Belieferten bewußt veranlaßt, in einer nach § 9 Satz 2 verbotenen Weise zu handeln.
(3) Personen, die die in § 11 Nr. 1 bis 3 genannten Handlungen vornehmen, gelten im Sinne des Absatzes 1 nicht als Personen, die zur Benutzung der Erfindung berechtigt sind.
(1) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten auf unverzügliche Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der benutzten Erzeugnisse in Anspruch genommen werden.
(2) In Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung oder in Fällen, in denen der Verletzte gegen den Verletzer Klage erhoben hat, besteht der Anspruch unbeschadet von Absatz 1 auch gegen eine Person, die in gewerblichem Ausmaß
- 1.
rechtsverletzende Erzeugnisse in ihrem Besitz hatte, - 2.
rechtsverletzende Dienstleistungen in Anspruch nahm, - 3.
für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbrachte oder - 4.
nach den Angaben einer in Nummer 1, 2 oder Nummer 3 genannten Person an der Herstellung, Erzeugung oder am Vertrieb solcher Erzeugnisse oder an der Erbringung solcher Dienstleistungen beteiligt war,
(3) Der zur Auskunft Verpflichtete hat Angaben zu machen über
- 1.
Namen und Anschrift der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Erzeugnisse oder der Nutzer der Dienstleistungen sowie der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für die sie bestimmt waren, und - 2.
die Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie über die Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse oder Dienstleistungen bezahlt wurden.
(4) Die Ansprüche nach den Absätzen 1 und 2 sind ausgeschlossen, wenn die Inanspruchnahme im Einzelfall unverhältnismäßig ist.
(5) Erteilt der zur Auskunft Verpflichtete die Auskunft vorsätzlich oder grob fahrlässig falsch oder unvollständig, so ist er dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(6) Wer eine wahre Auskunft erteilt hat, ohne dazu nach Absatz 1 oder Absatz 2 verpflichtet gewesen zu sein, haftet Dritten gegenüber nur, wenn er wusste, dass er zur Auskunftserteilung nicht verpflichtet war.
(7) In Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung kann die Verpflichtung zur Erteilung der Auskunft im Wege der einstweiligen Verfügung nach den §§ 935 bis 945 der Zivilprozessordnung angeordnet werden.
(8) Die Erkenntnisse dürfen in einem Strafverfahren oder in einem Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten wegen einer vor der Erteilung der Auskunft begangenen Tat gegen den Verpflichteten oder gegen einen in § 52 Abs. 1 der Strafprozessordnung bezeichneten Angehörigen nur mit Zustimmung des Verpflichteten verwertet werden.
(9) Kann die Auskunft nur unter Verwendung von Verkehrsdaten (§ 3 Nummer 70 des Telekommunikationsgesetzes) erteilt werden, ist für ihre Erteilung eine vorherige richterliche Anordnung über die Zulässigkeit der Verwendung der Verkehrsdaten erforderlich, die von dem Verletzten zu beantragen ist. Für den Erlass dieser Anordnung ist das Landgericht, in dessen Bezirk der zur Auskunft Verpflichtete seinen Wohnsitz, seinen Sitz oder eine Niederlassung hat, ohne Rücksicht auf den Streitwert ausschließlich zuständig. Die Entscheidung trifft die Zivilkammer. Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend. Die Kosten der richterlichen Anordnung trägt der Verletzte. Gegen die Entscheidung des Landgerichts ist die Beschwerde statthaft. Die Beschwerde ist binnen einer Frist von zwei Wochen einzulegen. Die Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten bleiben im Übrigen unberührt.
(10) Durch Absatz 2 in Verbindung mit Absatz 9 wird das Grundrecht des Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) eingeschränkt.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Wer verpflichtet ist, über eine mit Einnahmen oder Ausgaben verbundene Verwaltung Rechenschaft abzulegen, hat dem Berechtigten eine die geordnete Zusammenstellung der Einnahmen oder der Ausgaben enthaltende Rechnung mitzuteilen und, soweit Belege erteilt zu werden pflegen, Belege vorzulegen.
(2) Besteht Grund zu der Annahme, dass die in der Rechnung enthaltenen Angaben über die Einnahmen nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gemacht worden sind, so hat der Verpflichtete auf Verlangen zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass er nach bestem Wissen die Einnahmen so vollständig angegeben habe, als er dazu imstande sei.
(3) In Angelegenheiten von geringer Bedeutung besteht eine Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht.
(1) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten auf unverzügliche Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der benutzten Erzeugnisse in Anspruch genommen werden.
(2) In Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung oder in Fällen, in denen der Verletzte gegen den Verletzer Klage erhoben hat, besteht der Anspruch unbeschadet von Absatz 1 auch gegen eine Person, die in gewerblichem Ausmaß
- 1.
rechtsverletzende Erzeugnisse in ihrem Besitz hatte, - 2.
rechtsverletzende Dienstleistungen in Anspruch nahm, - 3.
für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbrachte oder - 4.
nach den Angaben einer in Nummer 1, 2 oder Nummer 3 genannten Person an der Herstellung, Erzeugung oder am Vertrieb solcher Erzeugnisse oder an der Erbringung solcher Dienstleistungen beteiligt war,
(3) Der zur Auskunft Verpflichtete hat Angaben zu machen über
- 1.
Namen und Anschrift der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Erzeugnisse oder der Nutzer der Dienstleistungen sowie der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für die sie bestimmt waren, und - 2.
die Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie über die Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse oder Dienstleistungen bezahlt wurden.
(4) Die Ansprüche nach den Absätzen 1 und 2 sind ausgeschlossen, wenn die Inanspruchnahme im Einzelfall unverhältnismäßig ist.
(5) Erteilt der zur Auskunft Verpflichtete die Auskunft vorsätzlich oder grob fahrlässig falsch oder unvollständig, so ist er dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(6) Wer eine wahre Auskunft erteilt hat, ohne dazu nach Absatz 1 oder Absatz 2 verpflichtet gewesen zu sein, haftet Dritten gegenüber nur, wenn er wusste, dass er zur Auskunftserteilung nicht verpflichtet war.
(7) In Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung kann die Verpflichtung zur Erteilung der Auskunft im Wege der einstweiligen Verfügung nach den §§ 935 bis 945 der Zivilprozessordnung angeordnet werden.
(8) Die Erkenntnisse dürfen in einem Strafverfahren oder in einem Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten wegen einer vor der Erteilung der Auskunft begangenen Tat gegen den Verpflichteten oder gegen einen in § 52 Abs. 1 der Strafprozessordnung bezeichneten Angehörigen nur mit Zustimmung des Verpflichteten verwertet werden.
(9) Kann die Auskunft nur unter Verwendung von Verkehrsdaten (§ 3 Nummer 70 des Telekommunikationsgesetzes) erteilt werden, ist für ihre Erteilung eine vorherige richterliche Anordnung über die Zulässigkeit der Verwendung der Verkehrsdaten erforderlich, die von dem Verletzten zu beantragen ist. Für den Erlass dieser Anordnung ist das Landgericht, in dessen Bezirk der zur Auskunft Verpflichtete seinen Wohnsitz, seinen Sitz oder eine Niederlassung hat, ohne Rücksicht auf den Streitwert ausschließlich zuständig. Die Entscheidung trifft die Zivilkammer. Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend. Die Kosten der richterlichen Anordnung trägt der Verletzte. Gegen die Entscheidung des Landgerichts ist die Beschwerde statthaft. Die Beschwerde ist binnen einer Frist von zwei Wochen einzulegen. Die Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten bleiben im Übrigen unberührt.
(10) Durch Absatz 2 in Verbindung mit Absatz 9 wird das Grundrecht des Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) eingeschränkt.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Wer verpflichtet ist, über eine mit Einnahmen oder Ausgaben verbundene Verwaltung Rechenschaft abzulegen, hat dem Berechtigten eine die geordnete Zusammenstellung der Einnahmen oder der Ausgaben enthaltende Rechnung mitzuteilen und, soweit Belege erteilt zu werden pflegen, Belege vorzulegen.
(2) Besteht Grund zu der Annahme, dass die in der Rechnung enthaltenen Angaben über die Einnahmen nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gemacht worden sind, so hat der Verpflichtete auf Verlangen zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass er nach bestem Wissen die Einnahmen so vollständig angegeben habe, als er dazu imstande sei.
(3) In Angelegenheiten von geringer Bedeutung besteht eine Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht.
(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.
(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.
Nach Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, können Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht mehr vorgebracht werden. § 139 Abs. 5, §§ 156, 283 bleiben unberührt.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.