Landgericht Düsseldorf Urteil, 31. Mai 2016 - 4a O 40/15
Tenor
I. Die Beklagte wird verurteilt,
1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,
einen Lithiumsilicatrohling in Form eines Lithiumsilicatmaterials, das Lithiummetasilicat als Hauptkristallphase enthält, wobei der Rohling einen Halter aufweist, um ihn in einer Maschine zu befestigen, und wobei der Lithiumsilicatrohling nach einem Verfahren herstellbar ist, bei dem
(a) eine Schmelze eines Ausgangsglases gebildet wird, die die Anfangskomponenten SiO2, Li2O, K2O, Al2O3 und P2O5 als Hauptkomponenten, aber kein La2O3, enthält,
(b) die Schmelze des Ausgangsglases in eine Form gegossen wird, um einen Ausgangsglasrohling zu bilden, und der Glasrohling auf Raumtemperatur abgekühlt wird,
(c) der Ausgangsglasrohling einer ersten Wärmebehandlung bei einer ersten Temperatur unterworfen wird, um ein Glasprodukt zu ergeben, welches Keime enthält, die für die Bildung von Lithiummetasilicatkristallen geeignet sind, und
(d) das Glasprodukt aus Stufe (c) einer zweiten Wärmebehandlung bei einer zweiten Temperatur unterworfen wird, die höher als die erste Temperatur ist, um den Lithiumsilicatrohling mit Lithiummetasilicatkristallen als Hauptkristallphase zu erhalten,
in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen und/oder anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen;
2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die in Ziffer l.1. bezeichneten Handlungen seit dem 01.01.2013 begangen hat, und unter Vorlage eines chronologisch geordneten Verzeichnisses Rechnung zu legen – im Hinblick auf die Angaben nach lit. b) und lit. c) unter Vorlage von Belegen (in Kopie), nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheinen –, unter Angabe
a) der Herstellungsmengen und -zeiten,
b) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
c) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer, sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
d) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
e) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Herstellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Werbung im Internet der Domain, der Klickraten und der Dauer der jeweiligen Werbekampagnen,
f) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei
- die Angaben für lit. f) nur für die Zeit seit dem 09.02.2014 zu machen sind; und
- der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht-gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernimmt und ihn ermächtigt, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter nicht-gewerblicher Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist;
- der Beklagten vorbehalten bleibt, bei der Belegvorlage geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten zu schwärzen;
3. die vorstehend zu Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 09.01.2014 im Besitz Dritter befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen gewerblichen Abnehmer, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass das Gericht mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents DE 103 62 377 erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben und ihnen für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe verbindlich zugesagt wird;
4. die im unmittelbaren oder mittelbaren Besitz und/oder Eigentum der Beklagen befindlichen unter Ziffer I.1. bezeichneten Erzeugnisse zu vernichten oder nach Wahl der Beklagten an einen von der Klägerin zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben.
Il. Es wird festgestellt,
1. dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für die unter Ziffer I.1 bezeichneten, in der Zeit vom 01.01.2013 bis zum 08.02.2014 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;
2. dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer l.1. bezeichneten, seit dem 09.02.2014 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 1.000.000,00. Daneben ist das Urteil hinsichtlich der Auskunft und Rechnungslegung (Ziff. I.2. des Tenors) auch gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 100.000,00; weiterhin ist der Kostenpunkt gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
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T a t b e s t a n d
2Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des Deutschen Patents DE X (nachfolgend kurz: Klagepatent), dessen eingetragene Inhaberin sie ist, auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Rückruf, Vernichtung sowie auf Feststellung der Entschädigungs- und Schadenersatzpflicht dem Grunde nach in Anspruch. Das Klagepatent geht auf eine Teilanmeldung zurück, deren Stammanmeldung am 07.08.2003 angemeldet wurde. Die Offenlegung der Stammanmeldung des Klagepatents erfolgte am 17.03.2005. Die Hinterlegung der Teilanmeldung, die zum Klagepatent führte, erfolgte am 18.02.2013. Die Erteilung des Klagepatents wurde am 09.01.2014 veröffentlicht.
3Das Klagepatent trägt die Bezeichnung „Lithiumsilicatrohling und dessen Verwendung“. In seiner ursprünglich erteilten Fassung lautet Anspruch 1 des Klagepatents wie folgt:
4„Lithiumsilicatrohling in Form eines Lithiumsilicatmaterials, das Lithiummetasilicat als eine Hauptkristallphase enthält, wobei der Rohling einen Halter aufweist, um ihn in einer Maschine zu befestigen.“
5Das Klagepatent steht in Kraft. In einem von der Beklagten eingeleiteten Einspruchsverfahren hielt das Deutsche Patent- und Markenamt das Klagepatent mit Beschluss vom 04.11.2015 (Anlage rop B18) in einer beschränkten Fassung aufrecht. Die Einspruchsabteilung hielt unter dem Aspekt der unzulässigen Erweiterung die Aufnahme eines konkreten Keimbildungsmittels, nämlich P2O5, als Hauptkomponente des Ausgangsglases sowie die Aufnahme der Verfahrensschritte (a) bis (d) für erforderlich (Anlage rop B18, S. 8). Unter dem Aspekt der fehlenden Neuheit im Verhältnis zu der Entgegenhaltung DE X (Anlage D2 im Einspruchsverfahren, nachfolgend: DE‘X) erachtete die Einspruchsabteilung den Zusatz „aber kein La2O3“ in dem Verfahrensschritt (a) für notwendig (Anlage rop B18, S. 11). Gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung legten beide Parteien Beschwerde ein, über die noch nicht entschieden worden ist.
6Anspruch 1 des Klagepatents lautet in seiner beschränkten Fassung, die von der Einspruchsabteilung aufrecht erhalten wurde:
7„Lithiumsilicatrohling in Form eines Lithiumsilicatmaterials, das Lithiummetasilicat als Hauptkristallphase enthält, wobei der Rohling einen Halter aufweist, um ihn in einer Maschine zu befestigen, und wobei der Rohling nach einem Verfahren herstellbar ist, bei dem
8(a) eine Schmelze eines Ausgangsglases gebildet wird, die die Anfangskomponenten SiO2, Li2O, K2O, Al2O3 und P2O5 als Hauptkomponenten, aber kein La2O3, enthält,
9(b) die Schmelze des Ausgangsglases in eine Form gegossen wird, um einen Ausgangsglasrohling zu bilden, und der Glasrohling auf Raumtemperatur abgekühlt wird,
10(c) der Ausgangsglasrohling einer ersten Wärmebehandlung bei einer ersten Temperatur unterworfen wird, um ein Glasprodukt zu ergeben, welches Keime enthält, die für die Bildung von Lithiummetasilicatkristallen geeignet sind, und
11(d) das Glasprodukt aus Stufe (c) einer zweiten Wärmebehandlung bei einer zweiten Temperatur unterworfen wird, die höher als die erste Temperatur ist, um den Lithiumsilicatrohling mit Lithiummetasilicatkristallen als eine Hauptkristallphase zu erhalten.“
12Die nachfolgend verkleinert eingeblendete Fig. 1 zeigt beispielhaft ein Temperaturprofil im Rahmen der Herstellung des erfindungsgemäßen Rohlings.
13 14Die Beklagte erhob auch gegen die Erteilung des Stammpatents Einspruch (Az.: 103 36 913.9). Im Rahmen dieses Einspruchsverfahrens erklärte die Klägerin, dass die technische Lehre des Stammpatents Lanthanoxid (La2O3) nicht benötige, weshalb darauf verzichtet werden könnte und formulierte einen Hilfsantrag, der den Passus, „aber kein La2O3“ enthielt. Vor diesem Hintergrund gaben die Parteien in der Anhörung am 04.11.2015 zu Protokoll (Anlage B43):
15„Die Patentinhaberin führt aus, dass gemäß dem Anspruch 1 des Hilfsantrags 2c vom 04.11.2015 die Schmelze des Ausgangsglases kein La2O3 enthält und daraus folgt, dass der nach diesem Verfahren hergestellte Rohling kein La2O3 enthält.
16Dieser Formulierung wird von beiden Seiten zugestimmt.“
17Die Beklagte stellt her, bietet an und vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland Produkte für Zahnärzte und -techniker in Deutschland, unter anderem das Produkt „VITA SUPRINITY“, wobei es sich um einen Lithiumsilicat-Glaskeramik-Rohling zur Herstellung dentaler Restaurationen (insbesondere Inlays, Onlays, Teilkronen, Veneers, Konten im Front- und Seitenzahnbereich sowie Einzelzahnversorgungen im Front- und Seitenzahnbereich auf Implantat-Abutments) handelt (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform). Die angegriffene Ausführungsform ist in insgesamt acht verschiedenen Farben und jeweils zwei verschiedenen Transluzenzstufen (T = Translucent und HT= High Translucent) erhältlich. In Abhängigkeit zur Farb-Transluzenz-Kombination werden die Produkte wie aus der folgenden Tabelle ersichtlich bezeichnet:
18 19Die Bestellung der angegriffenen Ausführungsform kann über den Webshop der Beklagten unter der Adresse https://vitawebshop.com erfolgen, in dem auch die zur Bearbeitung der angegriffenen Ausführungsform hin zur dentalen Restauration erforderlichen computergesteuerten CAD/CAM-Materialien erworben werden können.
20Die chemische Zusammensetzung der angegriffenen Ausführungsform ist wie folgt:
21 22Daneben enthalten sowohl das Ausgangsmaterial der angegriffenen Ausführungsform als auch die angegriffene Ausführungsform selbst Lanthanoxid (La2O3). Dieses ist in Form von Verunreinigungen in dem Ausgangsmaterial CeO2 mit einem Anteil von < 0,05 Gew.-% enthalten, was zu einer Menge von Lanthanoxid in der angegriffenen Ausführungsform mit einem Anteil von < 0,001 Gew.-% führt.
23Die Herstellung der angegriffenen Ausführungsform vollzieht sich in zwei Stufen. Nach der ersten Stufe, der sog. Formgebung, wird der Block, der im Glaszustand vorliegt, thermisch behandelt (zweite Stufe), so dass eine Keimbildung ermöglicht wird. Nach der initialen Keimbildung entstehen erste Kristalle, die zunehmend wachsen, so dass das Glas keramische Eigenschaften erhält. Die dritte Stufe wird bei dem Anwender nach Herstellung der dentalen Restauration durch diesen vollzogen, indem der Block durch eine finale Kristallisation in einer dentalen Brenneinheit seine endgültigen ästhetischen und physikalischen Eigenschaften erhält. Diese letzte Wärmebehandlung erfolgt bei einer Temperatur von 700° bis 950° Grad über eine Dauer von etwa 5 bis 30 min. Die drei beschriebenen Stufen lassen sich in einem schematischen Temperatur-/ Zeitverlauf wie folgt darstellen:
24 25Aus dem nach Durchführung der zweiten Stufe vorliegenden Block wird mittels computergesteuerter maschineller Bearbeitung durch Schleifen in einer CAM-Einheit die Restauration herausgearbeitet. Die Blöcke sehen zur Herstellung einer dentalen Restauration durch maschinelle Bearbeitung eine Halterung vor, mittels derer sie in einer Bearbeitungsmaschine befestigt werden können. Wegen des genauen Bearbeitungsprozesses von dem Block hin zu der Restauration wird auf Verarbeitungsanleitung (Anlage rop B7) Bezug genommen, die die Beklagte auf ihrer Internetseite mit der Adresse http://www.A .com zum Download bereithält, sowie auf die Kurzanleitung, die der angegriffenen Ausführungsform beigefügt ist (Anlage rop B10), verwiesen.
26Im Juli 2008 kam es zwischen der Beklagten und dem Fraunhofer-Institut für Silicatforschung (im Folgenden: ISC) zu ersten Gesprächen zur Erforschung und Entwicklung einer neuen Dentalkeramik auf der Basis von Lithiumsilicat, ab Oktober 2008 war auch die B beteiligt. Auf der Grundlage eines Forschungsprogramms „zur Entwicklung einer hochfesten Lithiumdislicat-Glaskeramik“ (vgl. Untersuchungsbericht vom 30.07.2009, Anlage B9) wurde in der Folgezeit die Zusammensetzung des Grundglases mit den Bestandteilen SiO2, Li2O, K2O und Al2O3 für eine Glaskeramik erforscht. Auf von der Beklagten so bezeichnete „Lizenzvereinbarungen“ zwischen den Beteiligten im November 2009 kam es am 23.12.2009 zur Anmeldung eines Patents mit der Bezeichnung „Lithiumdisilicat-Glaskeramik, Verfahren zu deren Herstellung und deren Verwendung“ (vgl. Offenlegungsschrift, DE X, Anlage B12). Am 02.11.2010 kam es zu einer weiteren Patentanmeldung. Am 27.04.2010 wurde eine Produktionsanlage zur Herstellung von Glaskeramikproben am ISC in Würzburg in Augenschein genommen und einzelne Prozessschritte demonstriert. Am 15.10.2010 wurde für das Produkt der Beklagten mit der Bezeichnung „VITA ZLS“ – einem Vorgängerprodukt der angegriffenen Ausführungsform – eine CE-Konformitätserklärung abgegeben (Anlage B29a). Am 02.11.2010 meldeten die Beteiligten ein weiteres Patent, DE X, unter der Bezeichnung: „Lithiumsilicat-Gläser oder -Glaskeramiken, Verfahren zu deren Herstellung sowie deren Verwendung“ an (Offenlegungsschrift Anlage B27). Im Juli 2011 wurde schließlich eine Produktionsanlage mitsamt automatisiertem Förderband bei dem ISC zur Herstellung von Lithiumsilicatrohlingen aufgestellt. Im März 2013 wurde eine Glaskeramik unter der Bezeichnung „VITA Suprinity“ beworben und die Markteinführung für Herbst 2013 angekündigt.
27Die Klägerin ist der Auffassung, die angegriffene Ausführungsform mache von der Lehre des Klagepatents, sowohl in der ursprünglich erteilten Fassung als auch in der beschränkt aufrecht erhaltenen Fassung, wortsinngemäß Gebrauch.
28Die im Rahmen des Einspruchsverfahrens abgeänderte Fassung des Anspruchs 1, wonach kein Lanthanoxid enthalten sein dürfe, sei so zu verstehen, dass La2O3 nicht in einer Menge enthalten sein dürfe, die eine technische Wirkung hinsichtlich der visuell wahrnehmbaren Farbe erziele. Unschädlich sei hingegen, wenn Lanthanoxid als Folge der üblichen Unreinheit von Stoffen in einer gewissen Menge als Nebenbestandteil in dem Ausgangsmaterial enthalten sei. Spurenmengen von <0,001 Gew.-% seien ungeeignet, einen Effekt auf die visuell wahrnehmbare Farbe des dentalen Produkts auszuüben. Lanthanoxid dürfe patentgemäß nicht absichtlich zum Ausgangsglas hinzugefügt werden. Der bei der angegriffenen Ausführungsform gemessene Anteil von Lanthanoxid beruhe nur auf Verunreinigungen und sei ohne technischen Effekt.
29Die Klägerin behauptet unter Bezugnahme auf in ihrem Auftrag durchgeführte Untersuchungen unterschiedlicher Chargen der angegriffenen Ausführungsform, dass diese stets einen Gehalt von Lithiummetasilicat, der jedenfalls über 20 Vol.-% liege, aufweise.
30Die Klägerin hat zunächst diejenigen Anträge, die im Folgenden als hilfsweise geltend gemachte Anträge dargestellt sind, als Anträge in der Hauptsache gestellt.
31Nach der Einspruchsentscheidung des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 04.11.2015 hat die Klägerin ihre Klage geändert. Sie begehrt nun in der Hauptsache Unterlassung, Auskunfts- und Rechnungslegung, Vernichtung und Rückruf patentverletzender Erzeugnisse sowie Feststellung der Pflicht zum Leisten einer angemessenen Entschädigung und von Schadensersatz dem Grunde nach, orientiert an der einschränkend aufrechterhaltenen Fassung des Hauptanspruchs 1 des Klagepatents. Ihre ursprünglichen Hauptanträge, die an der Ursprungsfassung des Hauptanspruchs 1 orientiert sind, macht die Klägerin nunmehr noch hilfsweise für den Fall geltend, dass die Kammer eine Verletzung des Klagepatents in der Fassung des Einspruchsverfahrens ablehnt.
32Die Klägerin beantragt,
33wie zuerkannt;
34hilfsweise:
35I. die Beklagte zu verurteilen,
361.b es bei Meidung eines vorn Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, zu unterlassen,
37einen Lithiumsilicatrohling in Form eines Lithiumsilicatmaterials, das Lithiummetasilicat als Hauptkristallphase enthält, wobei der Rohling einen Halter aufweist, um ihn in einer Maschine zu befestigen,
38in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen und/oder anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen;
39sowie ferner die (zuerkannten) Anträge zu Ziffer I.2, I.3, I.4 und II.1 und II.2, im hilfsweisen Antrag allerdings zurückbezogen auf die in der vorstehenden Ziff. I.1.b bezeichneten Handlungen.
40Die Beklagte beantragt,
41die Klage abzuweisen;
42hilfsweise:
43den Rechtsstreit bis zur Entscheidung des Bundespatentgerichts über die gegen den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 04.11.2015 eingelegten Beschwerden (BPatG 14 W (pat) 3/16) auszusetzen;
44weiter hilfsweise:
45I. der Beklagten für den Fall ihrer Verurteilung zur Rechnungslegung nach ihrer Wahl vorzubehalten, die Namen und Anschriften ihrer nicht-gewerblichen Abnehmer und Empfänger von Angeboten statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, zur Verschwiegenheit gegenüber der Klägerin verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern sie dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt, der Klägerin darüber Auskunft zu geben, ob eine bestimmte Lieferung, ein bestimmter Abnehmer, ein bestimmtes Angebots oder ein bestimmter Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist;
46II. der Beklagten zu gestatten, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung, die auch in Form einer Bankbürgschaft erbracht werden kann, ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung der Klägerin abzuwenden.
47Die Beklagte, die der Klageänderung widerspricht, hält diese für unzulässig.
48Die Beklagte ist der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform verletzte die patentgemäße Lehre weder in der Ursprungsfassung noch in der Fassung, die sie durch das Einspruchsverfahren erhalten habe.
49Das Ausgangsglas, aus dem die Schmelze hergestellt wird, müsse – entsprechend der Patentbeschreibung – die Komponenten (SiO2, Li2O, K2O, Al2O3) und das Keimbildungsmittel P2O5 in einer konkreten, nämlich der im Folgenden dargestellten, Zusammensetzung aufweisen:
50 51Lithiummetasilicat sei bei der angegriffenen Ausführungsform lediglich in einer Menge von 8,35 Vol.-% enthalten. Dies führe aus dem beanspruchten Bereich heraus. Denn patentgemäß müsse Lithiummetasilicat als Hauptkristallphase vorliegen.
52Der Fachmann verstehe das Merkmal „kein Lanthanoxid“ so, dass Lanthanoxid allenfalls in einem technisch unvermeidbaren Umfang in einer patentgemäßen Ausführungsform enthalten sein dürfe. Bei Seltenen Erden (wie Ceroxid) sei eine Reinheit von 6N (entspricht einer Verunreinigung von 0,0001 %) ohne weiteres kommerziell erhältlich. Technisch erzielbar sei sogar eine Reinheit von 8N. Auf eine hieraus resultierende, unvermeidbare Verunreinigung mit Lanthanoxid sei das Klagepatent mit dem Merkmal „kein Lanthanoxid“ beschränkt. Bei der angegriffenen Ausführungsform liege bei Zugrundelegung der Werte der Klägerin der Lanthanoxidanteil um den Faktor 270 höher, als bei Verwendung von Ceroxid mit einer Reinheit von 6N.
53Weiterhin könne der Fachmann aus der Klagepatentschrift (in der geänderten Fassung) nicht erkennen, ab wann Lanthanoxid kein technischer Effekt zukomme, wobei er aufgrund des ihm bekannten Stands der Technik wisse, dass auch bereits geringe Mengen von Lanthanoxid eine technische Wirkung erzielen können.
54Die von der Klägerin durchgeführten Tests der angegriffenen Ausführungsform (Anlage rop B11) würden an Untersuchungsfehlern leiden. Insbesondere sei es bei der Probenpräparation zu Verunreinigungen gekommen, die die Informationen zum amorphen, das heißt dem nicht-kristallinen Anteil, verfälschen würden, was sich spiegelbildlich auf den daneben verbleibenden Anteil der Kristallphase auswirke. Auch sei die von dem privaten Gutachter der Beklagten angegebene Fehlerwahrscheinlichkeit nicht nachvollziehbar. Zudem habe jedes der sich nach der Farb-Transluzenz Kombination unterscheidenden Produkte eine unterschiedliche Zusammensetzung.
55Es verstoße weiter gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, dass die Klägerin geltend macht, der Passus des Patentanspruchs, wonach „kein Lanthanoxid“ eingesetzt werden dürfe, sei dahingehend zu verstehen, dass Lanthan/ Lanthanoxid nicht bewusst eingesetzt werden, wohl aber als Teil der Verunreinigung der Ausgangskomponenten vorhanden sein dürfe. Damit setze sie sich in Widerspruch zu ihrem Vortrag im Rahmen des Einspruchsverfahrens das Stammpatent betreffend, wonach die Schmelze des Ausgangsglases kein La2O3 enthalte und daraus gefolgt werden kann, dass auch der nach diesem Verfahren hergestellte Rohling kein La2O3 enthält (vgl. Protokoll zur mündlichen Anhörung v. 04.11.2015, Seite 3, Anlage B 45).
56Die Beklagte hält sich weiter für berechtigt, eine unter den Schutzbereich des Klagepatents fallende angegriffene Ausführungsform zu nutzen, weil ihr auf der Grundlage der dargestellten und zwischen den Parteien im Wesentlichen unstreitigen Forschungs- und Entwicklungshistorie der Beklagten, der B und dem ISC in den Jahren 2008 – 2013 ein Vorbenutzungsrecht zustehe. Dabei handele es sich auch um den für die Vorbenutzung maßgeblichen Zeitraum, weil das Klagepatent wegen einer unzulässigen Erweiterung nicht den Anmeldetag des Stammpatents in Anspruch nehmen könne, so dass auf den Tag der Hinterlegung der Teilanmeldung des Klagepatents abzustellen sei.
57Die von ihr, der Beklagten, im Rahmen des Einspruchsverfahrens eingelegte Beschwerde werde zudem zu einem vollständigen Widerruf des Klagepatents führen.
58An der Neuheit der technischen Lehre des Klagepatents fehle es bereits vor dem Hintergrund der Stammanmeldung, die als Stand der Technik zu berücksichtigen sei, weil es – wie auch bei der Beurteilung des privaten Vorbenutzungsrechts – auf den Stand der Technik im Zeitpunkt der Hinterlegung der Teilungsanmeldung (18.02.2013) ankomme.
59Weiter sei im Erteilungsverfahren berücksichtigter Stand der Technik fehlerhaft ausgelegt worden. Die Entgegenhaltung DE X (= D3 im Einspruchsverfahren; Anlage B34) sei neuheitsschädlich. Jedenfalls liege der Gegenstand des Anspruchs 1 des Klagepatents für den Fachmann aber bei einer Kombination der genannten Entgegenhaltungen mit dem Aufsatz von Höland/Beall „Classic-ceramic technology“ (= D11 im Einspruchsverfahren; Anlage B35), veröffentlicht im Jahr 2002, nahe. Bei dem von der Klägerin vertretenen weiten Verständnis des Merkmals „kein Lanthanoxid“ würden sich jedenfalls Abgrenzungsprobleme zur DE ‘X ergeben.
60Die Klägerin tritt der Entstehung eines privaten Vorbenutzungsrechts sowie der Aussetzung des Verfahrens entgegen.
61Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll zur Sitzung vom 31.03.2016 (Bl. 245 f. GA) verwiesen.
62E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
63Die Klage hat Erfolg.
64I.
65Die Klage ist zulässig.
66Sofern die Klägerin sich in der Hauptsache nunmehr auf die beschränkt aufrechterhaltene Fassung des Klagepatents stützt, ist dies jedenfalls sachdienlich im Sinne von § 263, 2. Alt. ZPO. Würde man die Einbeziehung der beschränkt aufrecht erhaltenen Fassung des Klagepatents nicht zulassen, wäre die Klägerin darauf verwiesen, einen weiteren, neuen Rechtsstreit anhängig zu machen, in dem dann ein Großteil des bisher eingeführten Prozessstoffes gegenständlich wäre.
67II.
68Die Klage ist auch begründet.
69Der Klägerin stehen die in der Hauptsache geltend gemachten gemäß §§ 139 Abs. 1, 2, 140a Abs. 1, 3, 140b Abs. 1, 3 PatG i.V.m. §§ 242, 259 BGB wegen der unmittelbaren Verletzung des Klagepatentanspruchs 1 in seiner aufrecht erhaltenen Fassung zu.
701.
71Das Klagepatent betrifft einen Lithiumsilicatrohling, der einfach durch maschinelle Verarbeitung geformt und anschließend zu geformten Produkten mit hoher Festigkeit umgewandelt werden kann.
72Das Klagepatent beschreibt einleitend einen gestiegenen Bedarf an Materialien, die mit Hilfe computergesteuerter Fräsmaschinen zu dentalen restaurativen Produkten, wie beispielsweise Kronen, Inlays und Brücken verarbeitet werden können (Abs. [0002] der Klagepatentschrift in der Fassung, die sie durch die Entscheidung im Einspruchsverfahren erhalten hat; im Folgenden: KPS-EV). Ein so verwendbares Material muss neben optischen Eigenschaften, die das Aussehen der natürlichen Zähne imitieren (Transluzenz, Färbung), weitere Eigenschaften aufweisen, die in einem gewissen Spannungsverhältnis zueinander stehen. Während es im Rahmen des Herstellungsprozesses eine relativ niedrige Festigkeit zeigen sollte, um eine einfache und schnelle Verarbeitung ohne übermäßige Abnutzung der Werkzeuge zu ermöglichen (Abs. [0005] KPS-EV), ist nach Abschluss der Herstellungsarbeiten eine möglichst hohe Festigkeit und chemische Beständigkeit wünschenswert. Die dentalen restaurativen Produkte können erst dadurch die Funktion des natürlichen Zahnmaterials übernehmen, wobei die genannten Eigenschaften über eine lange Zeitspanne aufrechterhalten werden sollen; und zwar auch dann, wenn sie permanent in Kontakt mit Flüssigkeiten in der Mundhöhle sind (Abs. [0004] KPS-EV).
73Aus dem in der Klagepatentschrift in Bezug genommenen Stand der Technik sind Materialien für eine CAD/CAM-Verarbeitung bekannt, die das Klagepatent jedoch als für eine leichte maschinelle Verarbeitung nachteilig beschreibt (Abs. [0005] KPS-EV).
74Hierzu gehören Lithiumdisilicat-Glaskeramiken wie sie in DE X offenbart werden. Sie weisen eine kristalline Lithiumdisilicatphase auf und erhalten dadurch eine hohe Festigkeit und Zähigkeit. Die maschinelle Verarbeitung des Materials nimmt jedoch eine sehr lange Dauer in Anspruch und führt zu einer sehr hohen Abnutzung des Werkzeugs (Abs. [0007] KPS-EV). Des Weiteren zeigen die maschinell verarbeiteten Restaurationen eine nur geringe Kantenfestigkeit, das heißt, es sind Teile der Restauration, die eine nur geringe Dicke im Bereich von wenigen 1/10 mm haben, instabil (Abs. [0007] KPS-EV).
75Das Klagepatent nimmt weitere Dokumente aus dem Stand der Technik in Bezug, die sich zu den Kristallphasen von Lithiummetasilicat und Lithiumdisilicat verhalten. So hätten Untersuchungen von Borom gezeigt, dass eine Lithiumdisilicat-Glaskeramik zunächst in unterschiedlichen Mengen als metastabile Lithiummetasilicatphase kristallisieren kann, und eine solche Glaskeramik mit Lithiummetasilicat als Hauptphase eine im Vergleich zu einer Glaskeramik, die lediglich eine Lithiumdisilicatphase enthält, verringerte Festigkeit zeige (Abs. [0010] KPS-EV). Es fehle jedoch bisher an einer systematischen Erforschung, weshalb bei einigen Zusammensetzungen die beschriebene metastabile Lithiummetasilicatphase entstehe und andere Zusammensetzungen lediglich in Form der Disilicatphase kristallisieren und eine Metasilicatphase nicht vorhanden sei.
76Das Klagepatent diskutiert neben Lithiumdisilicat-Glaskeramiken auch andere Materialien, aus denen mittels maschineller Verarbeitung Restaurationen hergestellt werden. So seien aus der EP-X und der EP-X keramische Materialien auf der Basis von Al2O3 oder ZrO2 bekannt. Diese werden zunächst in einem ungesinterten Zustand verarbeitet und anschließend gesintert, um die Festigkeit des Materials zu erhöhen (Abs. [0008] KPS-EV). Als im Zusammenhang mit diesem Material nachteilig beschreibt das Klagepatent die Tatsache, dass das keramische Material im Rahmen des Sinterprozesses eine Schrumpfung von bis zu 50 % bezogen auf das Volumen (bzw. bis zu 30 % linearer Schrumpfung) durchläuft. Die Materialien lassen deshalb die Herstellung einer Restauration mit einer exakten Dimension, wie sie beispielsweise bei mehrgliedrigen Brücken erforderlich ist, nicht zu (Abs. [0008] KPS-EV).
77Vor diesem Hintergrund nennt es das Klagepatent als seine Aufgabe (technisches Problem), ein Material bereitzustellen, das mit Hilfe computergestützter Fräs- und Schleifverfahren geformt und anschließend zu hochfesten Dentalprodukten umgewandelt werden kann, die eine hohe chemische Beständigkeit und ausgezeichnete optische Eigenschaften besitzen und eine drastisch reduzierte Schrumpfung während der abschließenden Umwandlung zeigen (Abs. [0011] KPS-EV).
78Diese Aufgabe soll durch einen Lithiumsilicat-Rohling, wie in Anspruch 1 offenbart, gelöst werden. Der Hauptanspruch 1 kann (in der Fassung, die er im Rahmen des Einspruchsverfahrens erhalten hat) in Form einer Merkmalsgliederung wie folgt dargestellt werden:
79BH1 Lithiumsilicatrohling
80BH2 in Form eines Lithiumsilicatmaterials, das Lithiummetasilicat als Hauptkristallphase enthält,
81BH3 wobei der Rohling einen Halter aufweist, um ihn in einer Maschine zu befestigen,
82BH4 und wobei der Rohling nach einem Verfahren herstellbar ist, bei dem
83BH4(a) eine Schmelze eines Ausgangsglases gebildet wird, die die Anfangskomponenten SiO2, Li2O, K2O, Al2O3 und P2O5 als Hauptkomponenten, aber kein La2O3, enthält,
84BH4(b) die Schmelze des Ausgangsglases in eine Form gegossen wird, um einen Ausgangsglasrohling zu bilden, und der Glasrohling auf Raumtemperatur abgekühlt wird,
85BH4(c) der Ausgangsglasrohling einer ersten Wärmebehandlung bei einer ersten Temperatur unterworfen wird, um ein Glasprodukt zu ergeben, welches Keime enthält, die für die Bildung von Lithiummetasilicatkristallen geeignet sind,
86BH4(d) und das Glasprodukt aus Stufe (c) einer zweiten Wärmebehandlung bei einer zweiten Temperatur unterworfen wird, die höher als die erste Temperatur ist, um den Lithiumsilicatrohling mit Lithiummetasilicatkristallen als eine Hauptkristallphase zu erhalten.
872.
88Davon ausgehend macht die angegriffene Ausführungsform unmittelbar und wortsinngemäß von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch.
89Im Hinblick auf den Streit der Parteien bedürfen die Merkmale BH2 und BH4(a) einer näheren Auslegung.
90Gem. § 14 Satz 1 PatG wird der Schutzbereich eines Patents durch die Patentansprüche bestimmt, wobei auch die Beschreibung und die Zeichnungen heranzuziehen sind (§ 14 Satz 2 PatG). Dabei ist bei der für die Bestimmung des Schutzbereichs gebotenen Auslegung des Patentanspruchs nicht die sprachliche oder logisch-wissenschaftliche Bedeutung der im Patentanspruch verwendeten Begriffe maßgeblich, sondern deren technischer Sinn, der unter Berücksichtigung von Aufgabe und Lösung, wie sie sich objektiv für den von dem Klagepatent angesprochenen Fachmann aus dem Patent ergeben (BGH, GRUR 1975, 422 (424) – Streckwalze) zu ermitteln ist. Zu berücksichtigen sind in diesem Zusammenhang der Sinngehalt des Patentanspruchs in seiner Gesamtheit und der Beitrag, den die einzelnen Merkmale zum Leistungsergebnis der patentierten Erfindung beitragen (BGH, GRUR 2007, 410 (413) – Kettenradanordnung). Bei der nach dieser Maßgabe vorzunehmenden Auslegung ist vorliegend – wovon auch die Einspruchsabteilung ausgegangen ist (vgl. Seite 7 d. Beschlusses vom 04.11.2015, Anlage rop B18) – die Sicht eines berufserfahrenen Diplomingenieurs der Fachrichtung Werkstofftechnik mit langjähriger Berufserfahrung in der Entwicklung und Optimierung von Dentalmaterial maßgeblich.
91a)
92Bei dem in der angegriffenen Ausführungsform enthaltenen Lithiummetasilicat handelt es sich um eine Hauptkristallphase im Sinne von Merkmal BH2, wonach der Rohling patentgemäß „in Form eines Lithiumsilicatmaterials, das Lithiummetasilicat als Hauptkristallphase enthält“ vorliegen muss. Die Beklagte scheint dieses Merkmal auch zuletzt nur im Rahmen des Bestreitens der Verletzung der Unteransprüche abzustreiten (vgl. Duplik, S. 16 ff. = Bl. 210 ff. GA).
93aa)
94Der Anspruchswortlaut selbst enthält keine mengenmäßige Angabe zur Quantifizierung der Lithiummetasilicatkristalle als Hauptkristallphase. Danach ist vielmehr ausreichend, wenn Lithiummetasilicatkristalle in einer Menge vorhanden sind, die geeignet ist, das Material mittels computerunterstützter Schleifverfahren möglichst einfach und ohne starken Verschleiß der eingesetzten Werkzeuge zu verarbeiten (Abs. [0024], [0041] KPS-EV). Dabei ist lediglich bevorzugt, dass die Lithiummetasilicatkristallphase 20 bis 50 Vol.-% und insbesondere 30 – 40 Vol.-% des Lithiumsilicatmaterials bildet (Abs. [0023] KPS-EV). Der Fachmann versteht unter der Angabe des Lithiummetasilicatkristalls als Hauptkristallphase unter Berücksichtigung der Patentbeschreibung und des erfindungswesentlichen Zwecks (Schaffung eines leicht zu verarbeitenden Materials) weiter, dass damit eine Abgrenzung zu unerwünschten, anderen Kristallphasen vorgenommen werden soll, deren Bildung vermieden oder zumindest beschränkt werden soll (Abs. [0039], [0042] KPS-EV). Als ein solches ist ihm nach dem dargestellten Stand der Technik insbesondere Lithiumdisilicat bekannt, dass zu einer wesentlich größeren Festigkeit des Materials führt.
95bb)
96Hiernach lässt sich die Verwirklichung von Merkmal BH(2) feststellen. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der angegriffene Rohling Lithiummetsilicat-Kristalle enthält. Der Anteil der Lithiumsilicat-Kristalle ist – was im Sinne der patentgemäßen Lehre ausreichend ist – auch hinreichend, um eine kosten- und zeitsparende Verarbeitungsmöglichkeit des Rohlings zu gewährleisten. Die Beklagte selbst trägt auch nicht vor, dass sich in der angegriffenen Ausführungsform weitere Kristallphasen (neben Lithiummetsilicat-Kristallen) befinden, so dass sich daraus automatisch ergibt, dass die Lithiummetsilicat-Kristalle die Hauptphase bilden. Darauf, mit welchem Volumenanteil die Lithiummetasilicat-Kristalle in der angegriffenen Ausführungsform enthalten sind, nach der Behauptung der Beklagten lediglich mit einem Anteil von 8,35 Vol.-%, kommt es nach alledem nicht an.
97b)
98Merkmal BH4(a) sieht hinsichtlich der Schmelze des Ausgangsglases vor, dass diese die „Anfangskomponenten SiO2, Li2O, K2O, Al2O3 und P2O5 als Hauptkomponenten, aber kein La2O3“, enthält.
99aa)
100(1)
101Nach dem Verständnis des Fachmannes trifft der Patentanspruch keine Aussage darüber, in welcher prozentualen chemischen Zusammensetzung und in welchem Verhältnis zueinander die Anfangskomponenten als Hauptkomponenten in dem Ausgangsglas enthalten sein müssen. Unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs, insbesondere mit den Merkmalen BH4(c) und BH4(d), entnimmt der Fachmann der Angabe der näher bezeichneten Anfangskomponenten lediglich, dass diese in einer Menge vorhanden sein müssen, die die Keimbildung für die spätere Ausbildung der Lithiummetasilicatkristalle zulässt.
102Auch bei Berücksichtigung der Patentbeschreibung ergibt sich das Erfordernis einer konkreten (im Sinne einer nach Gew.-% bezifferbaren) Menge der in dem Patentanspruch näher genannten Anfangskomponenten bei der gebotenen funktionsorientierten Auslegung nicht. Der Fachmann entnimmt der Patentbeschreibung aus Abs. [0012] KPS-EV den erfindungswesentlichen Gedanken, ein Material zu schaffen, das maschinell leicht verarbeitet werden kann und sich gleichzeitig für eine dentale Restauration eignet. Dies kann aus der Sicht des Fachmannes unter Berücksichtigung des weiteren Inhalts der Patentbeschreibung auch durch ein Ausgangsglas erfolgen, das die einzelnen Komponenten in Mengen enthält, die von den beschriebenen Ausführungsbeispielen abweichen. Die Patentbeschreibung gibt zwar eine bevorzugte, konkrete chemische Zusammensetzung der Anfangskomponenten an (Abs. [0016] KPS-EV, vgl. auch Abs. [0014]). Dabei handelt es sich jedoch um ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel, auf das die Erfindung nicht reduziert werden darf (BGH, GRUR 2008, 779 – Mehrgangnabe; BGH, GRUR 2012, 1242 – Steckverbindung). Wie sich aus der weiteren Beschreibung des Ausführungsbeispiels zudem ergibt, lässt das Klagepatent selbst zu, dass eine Abweichung der in Abs. [0016] KPS-EV genannten Mengen vorgenommen wird. In Abs. [0017] KPS-EV heißt es:
103„Die Passage „...unabhängig voneinander…“ bedeutet, dass zumindest eine der bevorzugten Mengen gewählt ist und dass es demzufolge nicht notwendig ist, dass alle Komponenten in den bevorzugten Mengen vorhanden sind.“
104Eine weitere (sich von der Zusammensetzung der Anfangskomponenten des bevorzugten Ausführungsbeispiels unterscheidende) Zusammensetzung der Anfangskomponenten ist in Abs. [0014] KPS-EV erwähnt, wobei es sich aber ebenfalls um ein Ausführungsbeispiel handelt.
105Schließlich veranlasst auch Abs. [0013] KPS-EV zu keiner einschränkenden Auslegung. Sofern dort ausgeführt ist, dass nur die Verwendung „eines Ausgangsglases mit sehr spezieller Zusammensetzung“ eine patentgemäße Glaskeramik liefert, so entnimmt der Fachmann dem Passus nicht, dass sich die Spezialität der Zusammensetzung neben den Hauptkomponenten als solchen weiter auch durch eine konkrete mengenmäßige Zusammensetzung kennzeichnet.
106Nach alledem lässt sich der Patentbeschreibung auch nicht entnehmen, dass weitere Komponenten als die in dem Patentanspruch angegebenen, nicht in einer Menge vorhanden sein dürfen, die mit derjenigen der näher bezeichneten Komponenten identisch ist oder sogar darüber hinaus geht. Insbesondere zeigen die Unteransprüche 13 und 14 KPS-EV, in denen unter anderem mit ZnO, Na2O, MEIIO und ZrO2 weitere Ausgangskomponenten in einer Menge genannt sind, die an diejenige der in dem Patentanspruch 1 bezeichneten Anfangskomponenten K2O, Al2O3 und P2O5 heranreicht, dem Fachmann, dass auch eine solche Zusammensetzung erfindungsgemäß ist.
107(2)
108Soweit Merkmal BH4(a) verlangt, dass die Schmelze des Ausgangsglases „kein Lanthanoxid“ enthält, erfordert dies weder die absolute Reinheit des Ausgangsglases von diesem Stoff noch die Reduzierung des Lanthanoxidanteils auf das technisch Unvermeidliche. Vielmehr darf Lanthanoxid nicht mit einem Anteil vorhanden sein, bei dem es einen technischen Effekt haben könnte. Verunreinigungen ohne erfindungsrelevanten technischen Effekt stehen der Merkmalsverwirklichung demgegenüber nicht entgegen.
109Im Hinblick auf das Teilmerkmal „kein Lanthanoxid“ ergibt sich aus dem grammatikalischen Aufbau des Merkmals BH4(a) zunächst kein zwingendes Verständnis dahingehend, dass lediglich im Zusammenhang mit den Komponenten SiO2, Li2O, K2O, Al2O3 und P2O5 von den Hauptkomponenten die Rede ist, wohingegen der Anschluss des Passus „aber kein La2O3“ sich auf einen Ausschluss von Lanthanoxid schlechthin, auch als Nebenbestandteil, bezieht. Die Grammatik des Anspruchs lässt vielmehr auch eine Deutung zu, anhand derer „aber kein La2O3“ als eine auf „als Hauptkomponenten“ zurückbezogene Ergänzung zu verstehen ist. Mit anderen Worten lässt sich der Anspruchswortlaut dahingehend verstehen, dass Lanthanoxid nur als Hauptkomponente ausgeschlossen wird.
110Der Zusatz „aber kein Lanthanoxid“ wurde im Zuge des Einspruchsverfahrens in den Anspruchswortlaut aufgenommen. Vor diesem Hintergrund sind vorliegend neben dem Anspruch selbst, der Beschreibung und der Zeichnungen (§ 14 S. 1 PatG) auch die Entscheidungsgründe des Beschränkungsbeschlusses des DPMA (Anlage rop B18) bei der Auslegung heranzuziehen. Wenn ein Patent im Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren abgeändert wurde, treten die die Abweichung von der ursprünglichen Anspruchsfassung behandelnden Entscheidungsgründe an die Stelle der ursprünglichen Beschreibung. Die Entscheidungsgründe des Rechtsbestandsverfahrens sind insoweit bei der Auslegung wie die Patentbeschreibung zu berücksichtigen (Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 8. Aufl. 2016, Kap. A., Rn. 68 m. w. N.).
111Aus Abschnitt [0013] KPS-EV, der offenbart, dass sich überraschenderweise gezeigt hat, dass es durch die Verwendung eines Ausgangsglases mit speziellen Komponenten und eines speziellen Verfahrens möglich ist, Rohlinge mit Lithiummetasilicatphasen herzustellen, die noch kein Lithiumdisilicat aufweisen, folgt für den Fachmann, dass die in dem nachfolgenden Abschnitt genannten speziellen Anfangskomponenten, die auch im Patentanspruch aufgeführt werden, zur Herstellung dieser Lithiummetasilicatphasen notwendig sind. Sämtliche genannten Materialien sind mithin für den Fachmann wesentlich, um den erfindungsgemäßen Zweck zu erreichen. Soweit der Anspruchswortlaut also ein Weglassen von Lanthanoxid als Anfangskomponente fordert, schließt der Fachmann unter technisch-funktionaler Betrachtungsweise, dass nach der Lehre des Klagepatents kein Lanthanoxid als erfindungswesentliche Komponente, also mit einer technischen Funktion, der Schmelze beigefügt wird.
112Den Umkehrschluss, dass damit überhaupt kein Lanthanoxid in der Schmelze enthalten sein darf, zieht der Fachmann allerdings nicht. Aus funktionaler Betrachtung ist es unschädlich, wenn Lanthanoxid in Spuren, z.B. durch Verunreinigungen, und ohne die Bewirkung einer Veränderung des Ausgangsglases enthalten ist. Das gilt umso mehr als nach den beschriebenen Ausführungsbeispielen, wie sie auch in die beschränkt aufrechterhaltenen Fassung Eingang gefunden haben (Abs. [0016], [0031] KPS-EV und Tabelle III, Bsp. 3 KPS-EV), CeO2 als Ausgangsmaterial eingesetzt werden kann und dieses nach dem unstreitigen Parteivortrag nicht völlig frei von Lanthanoxid erhältlich ist – was dem Fachmann auch bekannt ist. Auch nach dem Vortrag der Beklagten ist für die Lehre des Klagepatents ein äußerst geringer Lanthanoxidanteil als Folge der Verunreinigung von CeO² unschädlich. Zwar mag die Vorgabe „kein Lanthanoxid“ dazu führen, dass die Verwendung von CeO² mit einem hohen Anteil an Lanthanoxid aus der Lehre des Klagepatents herausführt. Dies kann aber nur dann der Fall sein, wenn der Anteil des Lanthanoxids einen Wert erreicht, bei dem ein für die Lehre des Klagepatents relevanter technischer Effekt eintritt. Es lässt sich nicht feststellen, dass das Klagepatent dem Fachmann aufgibt, bei der Wahl von CeO² als Ausgangsstoff diesen Stoff zwingend in der höchsten (ggf. nur kommerziell erhältlichen) Reinheitsklasse zu verwenden. Vielmehr finden sich im Klagepatent keine direkten Vorgaben für die Reinheit des CeO².
113Der Fachmann gewinnt auch daraus, dass das Klagepatent – wie die Beklagte unter Bezugnahme auf den Abschnitt [0021] KPS-EV vorträgt – „die Null kennt“ kein anderes Verständnis. Denn aus dem bloßen Umstand, dass – in anderem Zusammenhang – ein Konzentrationsintervall, beginnend mit 0 Gew-% genannt ist, zieht der Fachmann keine zwingenden Rückschlüsse auf die Bedeutung des Merkmals „kein Lanthanoxid“. Zudem könnte an dieser Stelle ein Anteil von 0,01 % gerundet ohne weiteres als Null zu verstehen sein.
114Soweit die Beklagte unter Bezugnahme auf die in der DE ‘X genannten Druckschriften (vorgelegt als Anlagen B 48 – B 52) vorträgt, der Fachmann deute die Angabe „kein“, „keinerlei“ und „frei von“ als (absolut) „Null“, so sind vorliegend schon keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Fachmann die Lehre des Klagepatents im Lichte dieser Druckschriften versteht. Das gilt insbesondere deshalb, weil ihm die DE ‘X gerade als Stand der Technik präsentiert wird, von dem sich das Klagepatent abzugrenzen sucht (Abs. [0007] KPS-EV). Vor diesem Hintergrund verbleibt es dabei, dass das fachmännische Verständnis anhand der Beschreibung des Schutzrechts selbst zu ermitteln ist (BGH, GRUR 1999, 909 (912) – Spannschraube; GRUR 2005, 754 – werkstoffeinstückig; OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.10.2015, Az. I-15 U 25/14, S. 15), wobei die Patentschrift im Hinblick auf die dort gebrauchten Begriffe gleichsam ihr eigenes Lexikon darstellt (BGH, GRUR 1999, 909 (912) – Spannschraube).
115Gleiches gilt im Hinblick auf die von der Beklagten vorgelegten, nach deren Vortrag das allgemeine Fachwissen des Fachmannes darstellende Druckschriften (vorgelegt als Anlagen B 53 – B 56). Danach sei der Fachmann, so die Beklagte, gewohnt, dass ihm auch kleinste Mengen bei Zusammensetzungen angegeben würden, so dass er dies auch hinsichtlich der vorliegend geschützten Lehre erwarten würde. Dass der Fachmann bei seinem Verständnis des Merkmals „kein Lanthanoxid“ im Rahmen des Klagepatents von den vorgelegten Druckschriften ausgeht, erscheint bereits deshalb fernliegend, weil die technische Wirkung, die dem Lanthanoxid darin jeweils zugeschrieben wird, sich von derjenigen unterscheidet, die ihm nach der Klagepatentschrift zukommt. Während Metalloxiden nach Abs. [0015] KPS-EV, die nach der Ursprungsfassung der Klagepatentschrift auch in Form von Lanthanoxid vorliegen konnten (Abs. [0016] KPS), die Funktion zukommt, die Farbe des endgültigen dentalen Produkts so zu gestalten, dass es zu der natürlichen Zahnfarbe des jeweiligen Patienten passt (Abs. [0019] KPS-EV), soll Lanthanoxid nach den vorgelegten Druckschriften entweder eine Wirkung im Hinblick auf die Entglasung (WO 03/022763 A2, S. 3, letzt. Abs., Anlage B53 und EP 0 742 578 A2, S. 4, Z. 8, Anlage B 54) oder auf den Brechungsindex, die Dispersion und die Oberflächenspannung (EP X, S. 3, Z. 58 – S. 4, Z. 2, Anlage B55) entfalten.
116Diese Auslegung steht auch nicht im Widerspruch zum Anspruchswortlaut. Zwar ist eine Auslegung unterhalb des Sinngehalts des Wortlauts der Patentansprüche nicht zulässig. Die Einbeziehung von Beschreibung und Zeichnungen des betreffenden Patents darf also nicht zu einer sachlichen Einengung oder inhaltlichen Erweiterung des durch seinen Wortlaut festgelegten Gegenstands führen (BGH GRUR 2007, 778 – Ziehmaschinenzugeinheit). Gerade Zahlen- und Maßangaben, zu denen auch die Verwendung des Begriffes „kein“ zu zählen ist, sind im Regelfall eng an ihrem wörtlichen Sinngehalt auszulegen. Im Regelfall bestimmt eine abschließende Zahlenangabe den Gegenstand des Patentanspruchs abschließend (Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 8. Auflage, Kap. A., Rn. 150). Allerdings geht der Fachmann bei einem funktionsorientierten Verständnis, wie es auch bei Zahlen- und Maßgaben geboten ist (OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.04.2007, Az.: I-2 U 4/06, Rn. 75, zitiert nach juris), – wie bereits ausgeführt – gerade nicht davon aus, dass er die Anwesenheit von Lanthanoxid vollständig vermeiden muss.
117Eine solche Auslegung deckt sich schließlich auch mit dem Inhalt der Entscheidungsgründe des Beschränkungsbeschlusses. Hier heißt es auf Seite 10, 5. Abs. (Anlage rop B18), dass die Entgegenhaltung DE ‘X im Gegensatz zum Klagepatent ausschließlich Rezepturen offenbare, die Lanthanoxid als eine Anfangskomponente enthalten und es daher als erfindungswesentliche Komponente verstehen. Mithin ist im Umkehrschluss das Vorhandensein von Lanthanoxid als nicht erfindungswesentliche Komponente unschädlich.
118Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin im Einspruchsverfahren zunächst versucht hatte, die Formulierung „im Wesentlichen frei von“ in den Anspruchswortlaut aufnehmen zu lassen, angesichts des drohenden Widerrufs wegen fehlender Neuheit gegenüber der Entgegenhaltung DE ‘X ihren Antrag aber weiter beschränken musste. Äußerungen des Anmelders/Inhabers dürfen grundsätzlich, da nicht explizit vom Gesetz als Auslegungsmaterial erwähnt, nicht zur Auslegung des Patents herangezogen werden. Sie können allerdings unter Umständen als Indiz für die Ansicht des Fachmanns herangezogen werden (Kühnen, Hb. der Patentverl., 8. Aufl. A 67). Allerdings spielt es für die Auslegung des Patentanspruchs grundsätzlich keine Rolle, was für ein Gegenstand patentfähig gewesen wäre (OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.11.2015, I-2 U 74/14 – S. 15 f.). Es ist mithin für die Frage der Verletzung unerheblich, ob eine Auslegung, bei welcher Spuren von Lanthanoxid in der Schmelze unter den Patentanspruch fielen, zu einer Neuheitsschädlichkeit der Entgegenhaltung DE ‘X führt oder nicht.
119bb)
120Hiernach lässt sich die Verwirklichung von Merkmal BH4(a) feststellen. Die angegriffene Ausführungsform wird aus einer patentgemäßen Ausgangsschmelze herstellt (hierzu unter (1)) und enthält kein Lanthanoxid im Sinne des Klagepatents (hierzu unter (2)).
121(1)
122Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die chemische Zusammensetzung der angegriffenen Ausführungsform die in dem Merkmal näher bezeichneten Stoffe enthält, mithin diese als Komponenten in dem Ausgangsglas vorhanden sind. Diese sind vor dem Hintergrund des dargelegten Verständnisses von der patentgemäßen Lehre auch als Hauptkomponenten zu qualifizieren. Denn dies erfordert lediglich, dass die Stoffe in einer für die Keimbildung von Lithiummetasilicatkristallen ausreichenden Menge vorhanden sind, was vorliegend anzunehmen ist. Die Beklagte selbst trägt vor, dass Lithiummetasilicatkristalle in der angegriffenen Ausführungsform als einzige Kristallphase enthalten seien. Die Beklagte stellt in der technisch-wissenschaftlichen Dokumentation der angegriffenen Ausführungsform den Herstellungsprozess derart dar, dass es zu einer Keimbildung kommt. Diese Keimbildung muss zwar nicht zwingend die Bildung von Keimen für Lithiummetasilicatkristalle meinen (denkbar ist insbesondere auch eine Keimbildung für Lithiumdisilicaktkristalle). Jedoch schreibt die Beklagte der angegriffenen Ausführungsform selbst Eigenschaften zu, die ausschließlich mit der Keimbildung für Lithiummetasilicatkristalle einhergehen. So heißt es in der technisch-wissenschaftlichen Dokumentation: „Das Glas erhält zunehmend keramische Eigenschaften und auch die Bearbeitung mittels geeigneter Werkzeuge ist in diesem Stadium zeit- und kostensparend möglich.“ (Anlage rop B9, Seite 6).
123Eine Verletzung scheidet auch nicht deshalb aus, weil in dem Ausgangsmaterial weiter auch Zirkonoxid (ZrO2) und in der angegriffenen Ausführungsform weiter CeO2 und Pigmente enthalten sind, und zwar jeweils mit einem Anteil, der entweder deutlich höher als der Anteil an K2O und Al2O3 oder aber zumindest in einem mit diesem vergleichbaren Anteil vorhanden ist. Denn – wie bereits im Zusammenhang mit dem Verständnis des Fachmannes von der patentgemäßen Lehre ausgeführt – misst dieser der Anweisung, die näher bezeichneten Stoffe müssten als Hauptkomponenten enthalten sein, keine mengenmäßige Angabe bei. Somit verlangt die technische Lehre ebenso wenig, dass die Komponente in einer größeren Menge als die übrigen Bestandteile des Ausgangsmaterials bzw. der der angegriffenen Ausführungsformen darin enthalten sind. Schon gar nicht nimmt der Fachmann an, dass jede einzelne (Haupt-) Komponente in einer größeren Menge als die übrigen vorhanden sein muss.
124(2)
125Auch die Tatsache, dass in dem Ausgangsmaterial und der angegriffenen Ausführungsform unstreitig La2O3 enthalten ist, führt nicht aus dem Schutzbereich des Klagepatents in seiner beschränkten Fassung heraus.
126In diesem Zusammenhang ist zunächst unerheblich, dass die Beklagte die Untersuchungen der Klägerin im Hinblick auf einzelne Chargen der angegriffenen Ausführungsformen mit Nichtwissen bestreitet. Denn auch die Beklagte trägt vor, dass Lanthanoxid in der angegriffenen Ausführungsform als Verunreinigungen der Ausgangskomponente CeO2 mit einem Gewichtsanteil von < 0,001 Gew.-% vorhanden ist. Dass einer solchen Menge von Lanthanoxid, die unter einem Hundertstel der in der Ursprungsfassung des Klagepatents genannten Menge von 0,1 Gew.-% Lanthanoxid zurückbleibt, im Rahmen der angegriffenen Ausführungsform eine technische, insbesondere eine den Rohling färbende, Wirkung zukommt, ist von den Beklagten, die in Kenntnis der Funktionsweise der von ihr angebotenen angegriffenen Ausführungsform ist, nicht dargetan. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich aus den in der angegriffenen Ausführungsform enthaltenen Spuren von Lanthanoxid ein für die technische Lehre in irgendeiner Weise relevanter technischer Effekt ergibt.
1273.
128Die Verwirklichung der weiteren Merkmale wird von der Beklagten zu Recht nicht in Abrede gestellt.
129II.
130Der Klägerin ist es auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht verwehrt, sich auf die Verletzung ihres Klagepatents zu berufen.
131Grundsätzlich sind Äußerungen des Patentinhabers für die Auslegung nicht zu berücksichtigen. Wenn aber der Patentinhaber schutzbereichsbeschränkende Erklärungen abgegeben hat und der spätere Verletzungsbeklagte bereits am Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren teilgenommen hat, kann dies unter Umständen einen Einwand aus § 242 BGB auslösen (BGH, NJW 1997, 3377 (3380) – Weichvorrichtung II). Der Einwand aus § 242 BGB unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung (venire contra factum proprium) kann erfolgreich erhoben werden, wenn der Patentinhaber im Einspruchsverfahren erklärt, für eine bestimmte Ausführungsform keinen Patentschutz zu begehren und diese dann im Verletzungsverfahren angreift, soweit seine Erklärung Grundlage für die Erteilung oder Aufrechterhaltung des Patents war und wenn der in Anspruch Genommene auf die Redlichkeit und Zuverlässigkeit des Patentanmelders vertrauen durfte (BGH, NJW 1997, 3377 – Weichvorrichtung II). Dabei reicht nicht jede, als bloße Meinungsäußerung mitgeteilte schutzbereichsbeschränkende Erklärung des Klägers. Erforderlich ist vielmehr eine Erklärung, die nach den gesamten Umständen für den Adressaten den hinreichenden Willen des Schutzrechtsinhabers erkennen lässt, die Reichweite seines Patents in Bezug auf eine bestimmte Ausführungsform abzugrenzen (BGH, a.a.O.; Hervorhebungen diesseits).
132Nach dieser Maßgabe sind die in dem Einspruchsverfahren das Stammpatent betreffende protokollierte oder von der Beklagten vorgetragenen Äußerungen der Klägerin nicht geeignet, einen solchen Vertrauenstatbestand zu schaffen.
133Die Klägerin gab die Erklärung in dem Einspruchsverfahren, wonach die Schmelze des Ausgangsglases kein La2O3 enthalte und daraus folge, dass auch der nach diesem Verfahren hergestellte Rohling kein La2O3 enthalte, bei Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont (BGH, NJW 1997, 3377 (3378)) zur Abgrenzung von dem neuheitsschädlichen Stand der Technik ab, wie er sich aus Sicht der Einspruchsabteilung insbesondere nach der DE ‘X darstellte. Eine Aussage, mit welcher gerade die angegriffene Ausführungsform aus dem Schutzbereich des Klagepatents bzw. des Stammpatents herausgenommen werden sollte, geht daraus nicht hervor. Die Klägerin leitete das Merkmal „kein Lanthanoxid“ nicht etwa aus der angegriffenen Ausführungsform her, sondern verknüpfte dieses mit der geschützten Lehre, indem sie ausführte, die Ausgangsschmelze gemäß des Anspruchs 1 komme ohne Lanthanoxid aus, benötige dies mithin nicht, um eine technische Wirkung zu entfalten. Dass die Beklagte die Erklärung vor dem Hintergrund des laufenden Verletzungsverfahrens auch auf die angegriffene Ausführungsform bezogen haben mag, reicht zur Begründung eines Vertrauenstatbestandes gerade nicht aus. Es ist vielmehr ohne konkrete, gegenteilige Anhaltspunkte damit zu rechnen, dass ein Patentinhaber versucht, trotz der Einschränkung des Patentanspruchs einen laufenden Verletzungsprozess erfolgreich fortzuführen.
134Gegen einen Vertrauenstatbestand auf Seiten der Beklagten spricht zudem, dass diese im Verletzungsverfahren – vor der mündlichen Verhandlung im Einspruchsverfahren – selbst vorgetragen hatte, die angegriffene Ausführungsform enthalte „kein Lanthanoxid“. Zwar erfolgte dies im Kontext der von der Beklagten in Frage gestellten Richtigkeit der klägerischen Messungen. Jedoch musste die Beklagte damit rechnen, dass die Klägerin die Auffassung vertreten würde, der gemessene Anteil von Lanthanoxid falle noch unter das Merkmal „kein Lanthanoxid“.
135III.
136Eine Verletzungshandlung der Beklagten ist auch nicht gem. § 12 Abs. 1 Satz 1 PatG aufgrund eines (privaten) Vorbenutzungsrechts ausgeschlossen.
137Gem. § 12 Abs. 1 Satz 1 PatG tritt die Ausschließlichkeitswirkung des Patents gegenüber demjenigen nicht ein, der zur Zeit der Anmeldung bereits im Inland die Erfindung in Benutzung genommen hat oder die dazu erforderlichen Veranstaltungen getroffen hat.
138Daran fehlt es vorliegend. Dabei kann dahinstehen, ob die von der Beklagten vorgetragenen Tatsachen ausreichend sind, um einen Erfindungsbesitz entsprechend der klagepatentgemäßen Lehre darzutun. Jedenfalls ergibt sich aus dem Vortrag der Beklagten nicht, dass diese in dem hier maßgeblichen Zeitpunkt, nämlich der Anmeldung des Stammpatents am 07.08.2003, den erforderlichen selbstständigen Erfindungsbesitz hatte.
139Sämtliche von der Beklagten zur Darlegung eines Vorbenutzungsrechts vorgetragenen Handlungen liegen nach dem 07.08.2003. Vorliegend ist auch keine Verschiebung des für die Beurteilung des Vorbenutzungsrechts maßgeblichen Zeitpunkts auf die (spätere) tatsächliche Hinterlegung der Teilanmeldung am 18.02.2013 angezeigt. Sie wäre insbesondere auch dann nicht vorzunehmen, wenn – was die Beklagten meinen – das abgezweigte Klagepatent gegenüber dem Stammpatent eine unzulässige Erweiterung darstellen würde. Dies gilt jedenfalls insoweit wie sich die Klägerin – wie vorliegend in der Hauptsache – lediglich auf die beschränkt aufrecht erhaltene Anspruchsfassung stützt, mit der die unzulässige Erweiterung gerade beseitigt werden sollte.
140Gem. § 39 Abs. 1 Satz 3 PatG bleibt in dem Fall einer formal wirksamen Teilungserklärung der Anmeldetag des Stammpatents auch für das abgetrennte Patent erhalten. Diese Regelung ist Ausfluss dessen, dass der bereits in der ursprünglichen Anmeldung geltend gemachte Anspruch auf Patenterteilung nach der Teilung für den abgetrennten Teil der Anmeldung in einem besonderen Verfahren weiterverfolgt wird, das rechtlich insoweit als Fortsetzung des bereits anhängig gewordenen Erteilungsverfahrens erscheint (BGH, GRUR 1971, 565 (567) – Funkpeiler). Voraussetzung dafür ist, dass der Inhalt der Teilanmeldung durch den Inhalt der ursprünglich aufgeteilten Anmeldung gedeckt wird (Schäfers, in: Benkard, PatG, Kommentar, 11. Auflage, 2015, § 39, Rn. 38). So ist es vorliegend. Der Anmeldetag wird – jedenfalls in der Hauptsache – nur für einen Teil des Patents beansprucht, der mit dem Teil der Stammanmeldung übereinstimmt. Der Anmeldetag wird gerade nicht für einen das Stammpatent überschießenden Teil geltend gemacht, weshalb auch ein Verstoß gegen die Vorschrift des § 38 Abs. 1 Satz 2 PatG nicht zu besorgen ist – den die Beklagte hier geltend macht. Sinn und Zweck der Vorschrift erfordern es nicht, einem abgetrennten Patentanspruch, der wegen einer unzulässigen Erweiterung lediglich beschränkt aufrechterhalten worden ist, nicht den Anmeldetag der Stammanmeldung zugutekommen zu lassen. Wird eine unzulässige Erweiterung festgestellt, so lässt die Rechtsordnung zwei Möglichkeiten zu verfahren zu: entweder das Patent wird auf Antrag nach § 22 Abs. 1, 21 Abs. 1 Nr. 4, 2. HS PatG für nichtig erklärt oder das Patent wird gem. § 21 Abs. 2 Satz 1 PatG in einer lediglich eingeschränkten Fassung aufrechterhalten, wenn nämlich nur ein Teil des Patents von der unzulässigen Erweiterung betroffen ist. In letzterem Fall aber ist es konsequent, für den Teil, der von dem Widerrufsgrund der unzulässigen Erweiterung nicht betroffen ist, auch die für eine wirksame Teilanmeldung vorgesehenen gesetzlichen Folgen eintreten zu lassen (so wohl auch BPatG, NJOZ 2010, 2662 (2664) – Winkelmesseinrichtung). Der Inhaber eines beschränkt aufrecht erhaltenen Patents stünde sonst schlechter als der Patentinhaber, der das abgetrennte Patent von Beginn an ohne die unzulässige Erweiterung angemeldet hätte. Dies will das Gesetz jedoch mit der Möglichkeit des teilweisen Widerrufs gerade verhindern.
141Aus der von der Beklagten angeführten Rechtsprechung folgt nichts anderes.
142In der Entscheidung Spritzgusswerkzeuge II sah der BGH in dem Umstand, dass der Anmelder des Stammpatents und des abgezweigten Schutzrechts (Gebrauchsmuster) nicht identisch waren, einen Unwirksamkeitsgrund für die Erklärung, dass der Anmeldetag des Stammpatents in Anspruch genommen werde (BGH, GRUR 2008, 692 – Spritzgusswerkzeuge II). Ein vergleichbarer, die gesamte Patentanmeldung betreffender Unwirksamkeitsgrund liegt hier nicht vor. Nach § 5 GebrMG bedarf es einer Erklärung des Schutzrechtsanmelders, dass der für die Patentanmeldung maßgebende Anmeldetag in Anspruch genommen wird. Nach dem Patentgesetz tritt die Folge des § 39 Abs. 1 Satz 3 PatG hingegen bereits nach dem Gesetz ein. Die Beklagte macht vorliegend nicht geltend, dass der Anmeldetag als solcher fehlerhaft in Anspruch genommen wird. Sie vertritt vielmehr die Auffassung, dass aus der unzulässigen Erweiterung eine fehlerhafte Inanspruchnahme des Anmeldetages zu folgern sei.
143Nach der Entscheidung Momentanpol steht es der Wirksamkeit eines abgezweigten Schutzrechts nicht entgegen, wenn dieses über die ursprüngliche Patentanmeldung hinausgeht (BGH, GRUR 2003, 876 – Momentanpol), wobei keine Rechte aus der unzulässigen Erweiterung hergeleitet werden dürfen (BGH, a.a.O.). Die Klägerin leitet vorliegend im Rahmen ihres Hauptsachbegehrens – wie ausgeführt – keine Rechte aus der unzulässigen Erweiterung her, wenn sie allein Ansprüche aus einer beschränkten Fassung des Klagepatents geltend macht.
144Es kann auch nicht festgestellt werden, dass das Klagepatent durch den Ausschluss von Lathanoxid unzulässig erweitert wurde. Hiergegen spricht bereits, dass die Einspruchsabteilung das Klagepatent in der hier geltend gemachten Fassung aufrecht erhalten hat und damit das neu eingefügte Merkmal als zulässig erachtet hat. Die von der Beklagten zum Beleg der Unzulässigkeit dieser Änderung angeführte Rechtsprechung betrifft auch insbesondere die insofern strengeren Maßstäbe des Europäischen Patentamts.
145IV.
146Die Beklagte hat die angegriffene Ausführungsform in der Bundesrepublik Deutschland hergestellt und angeboten und damit widerrechtlich von der Lehre des Klagepatents im Sinne von § 9 S. 2 Nr. 1 PatG Gebrauch gemacht.
1471.
148Die Beklagte ist der Klägerin gemäß § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung verpflichtet, da die Benutzung des Erfindungsgegenstands ohne Berechtigung erfolgt. Es besteht Wiederholungsgefahr hinsichtlich sämtlicher im Klageantrag genannter Benutzungsalternativen.
1492.
150Die Beklagte hat der Klägerin gemäß § 139 Abs. 2 PatG Schadensersatz zu leisten und für die Benutzung der geschützten Lehre vor der Erteilung des Klagepatents eine angemessene Entschädigung nach § 33 Abs. 1 PatG zu zahlen. Insoweit wurde die Lehre des Klagepatents durch die Offenlegung von dessen Stammanmeldung offengelegt.
151Als Fachunternehmen hätte die Beklagte die Patentverletzung bzw. die Benutzung der angemeldeten Lehre durch die angegriffene Ausführungsform bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 BGB) erkennen können.
152Die genaue Schadens- und Entschädigungshöhe stehen derzeit noch nicht fest. Es ist jedoch ausreichend wahrscheinlich, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist bzw. sie eine angemessene Entschädigung zahlen muss. Da diese Ansprüche von der Klägerin noch nicht beziffert werden können, weil sie ohne eigenes Verschulden in Unkenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen ist, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadenersatzverpflichtung bzw. Entschädigungsverpflichtung dem Grunde nach anzuerkennen, § 256 ZPO.
1533.
154Der Klägerin steht gegen die Beklagte auch ein Anspruch auf Rechnungslegung und Auskunft aus § 140b Abs. 1 und 3 PatG, §§ 242, 259 BGB zu. Die Klägerin ist auf die tenorierten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet. Soweit ihre nicht gewerblichen Abnehmer und bloßen Angebotsempfänger hiervon betroffen sind, ist der Beklagten im Hinblick auf ihre Rechnungslegungspflicht in Bezug auf ihre nicht gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger ein Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen (vgl. Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 14.10.2010, Az.: I-2 U 42/09).
1554.
156Gegenüber der Beklagten steht der Klägerin des Weiteren gemäß § 140a Abs. 1 PatG ein Anspruch auf Vernichtung zu. Es ist nicht ersichtlich, dass der Vernichtungsanspruch hier im Einzelfall unverhältnismäßig im Sinne von § 140a Abs. 4 PatG ist.
1575.
158Der Rückrufanspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten basiert auf § 140a Abs. 3 PatG. Eine Unverhältnismäßigkeit im Sinne von § 140a Abs. 4 PatG ist insoweit ebenfalls nicht ersichtlich.
159V.
160Die Entscheidung über den Rechtsbestand ist zwar vorgreiflich, indes sieht die Kammer im Rahmen der von ihr zu treffenden Ermessensentscheidung keine hinreichenden Gründe, das Verfahren gem. § 148 ZPO bis zur Entscheidung des Bundespatentgerichts über die gegen den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 04.11.2015 eingelegten Beschwerden (BPatG 14 W (pat) 3/16) auszusetzen.
161Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (Mitt. 1988, 91 – Nickel-Chrom-Legierung; BIPMZ 1995, 121 – Hepatitis-C-Virus), die auch vom Oberlandesgericht Düsseldorf (GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe) und vom Bundesgerichtshof (GRUR 1987, 2784 – Transportfahrzeug) gebilligt wird, stellen ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung einer Nichtigkeitsklage als solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtstreit auszusetzen, weil dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist. Die Aussetzung des Rechtsstreits ist daher grundsätzlich nur dann geboten, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Klagepatent vernichtet wird (BGH, GRUR 2014, 1237, Rn. 4 – Kurznachrichten). Wird der Klageantrag im Verletzungsverfahren auf eine gegenüber der erteilten Fassung beschränkte Anspruchsfassung gestützt, so ist diese Fassung für die Prüfung der Erfolgsaussichten eines parallelen Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahrens maßgeblich, wenn sich der Patentinhaber auch in einem Haupt- oder Hilfsantrag in dem Nichtigkeitsverfahren entsprechend verteidigt (Grabinski/ Zülch, in: Benkard, PatG, Kommentar 11. Auflage, 2015, § 139, Rn. 107).
162Orientiert an diesem Maßstab kam eine Aussetzung des Verfahrens vorliegend nicht in Betracht. Die Klägerin hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor der erkennenden Kammer am 31.03.2016 erklärt, die vorliegend in der Hauptsache geltend gemachten Patentanspruchsfassung (d.h. den vom DPMA aufrechterhaltenen Patentanspruch) auch in dem Einspruchsbeschwerdeverfahren zumindest hilfsweise zu verteidigen. Vor dem Hintergrund, dass die vorliegend geltend gemachte beschränkte Anspruchsfassung von der Einspruchsabteilung aufrechterhalten worden ist, kann es nicht als hinreichend wahrscheinlich erachtet werden, dass das Patent im hier geltend gemachten Umfang widerrufen wird.
163Es ist nicht erkennbar, dass diese Entscheidung der Einspruchsabteilung offensichtlich fehlerhaft ist. Auch die Kammer ist der Auffassung, dass das Stammpatent bei der Frage der Neuheitsschädlichkeit nicht als Stand der Technik zu berücksichtigen ist. Wie bereits im Zusammenhang mit dem Vorbenutzungsrecht ausgeführt (Ziff. III.) nimmt das Klagepatent die Priorität der Stammanmeldung zu Recht in Anspruch, mit der Folge, dass das Stammpatent keinen Stand der Technik im Sinne von § 3 Abs. 1, 2 PatG bildet. Eine unzulässige Erweiterung durch die Aufnahme der neu hinzugefügten Merkmale lässt sich nicht feststellen.
164Insbesondere erweist sich die Entgegenhaltung DE ‘X auch bei Zugrundelegen des Verständnisses der patentgemäßen Lehre im Rahmen der Verletzungsdiskussion (zu der erforderlichen Übereinstimmung vgl. BGH, GRUR 2010, 858, 859 [13] m. w. N. – Crimpwerkzeug III), nicht als neuheitsschädlich, § 21 Abs. 1 Nr. 1, § 3 PatG. Denn in der DE ‘X ist Lanthanoxid in einer Menge von 0,1 Gew-% vorhanden. Diesem Stoff kommt eine technische Wirkung zu, in dem er dort als für die Temperaturbeständigkeit erfindungswesentlicher Vorteil beschrieben wird (DE ‘X , S. 4, Z. 59 – 61). Ein solcher Anteil fällt aber – wie oben erörtert – nicht mehr unter das hinzugefügte Merkmal „kein Lanthanoxid“.
165VI.
166Die Kostenentscheidung ergeht nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
167Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 ZPO. Der Beklagten musste nicht gestattet werden, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung abzuwenden. Diese hat nicht hinreichend dargelegt, dass ihr durch die Vollstreckung des hiesigen Urteils ein nicht zu ersetzenden Nachteil im Sinne von § 712 Abs. 1 ZPO entstehen würde.
168VII.
169Die Kammer hat davon abgesehen, die mündliche Verhandlung gem. § 156 Abs. 1 ZPO auf den nachgelassenen Schriftsatz der Beklagten vom 28.04.2016 wiederzueröffnen.
170VIII.
171Der Streitwert wird gem. § 51 Abs. 1 GKG auf EUR 1.000.000,00 festgesetzt
ra.de-Urteilsbesprechung zu Landgericht Düsseldorf Urteil, 31. Mai 2016 - 4a O 40/15
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(1) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht. Der Anspruch ist ausgeschlossen, soweit die Inanspruchnahme aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls und der Gebote von Treu und Glauben für den Verletzer oder Dritte zu einer unverhältnismäßigen, durch das Ausschließlichkeitsrecht nicht gerechtfertigten Härte führen würde. In diesem Fall ist dem Verletzten ein angemessener Ausgleich in Geld zu gewähren. Der Schadensersatzanspruch nach Absatz 2 bleibt hiervon unberührt.
(2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Benutzung der Erfindung eingeholt hätte.
(3) Ist Gegenstand des Patents ein Verfahren zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses, so gilt bis zum Beweis des Gegenteils das gleiche Erzeugnis, das von einem anderen hergestellt worden ist, als nach dem patentierten Verfahren hergestellt. Bei der Erhebung des Beweises des Gegenteils sind die berechtigten Interessen des Beklagten an der Wahrung seiner Herstellungs- und Betriebsgeheimnisse zu berücksichtigen.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Wer verpflichtet ist, über eine mit Einnahmen oder Ausgaben verbundene Verwaltung Rechenschaft abzulegen, hat dem Berechtigten eine die geordnete Zusammenstellung der Einnahmen oder der Ausgaben enthaltende Rechnung mitzuteilen und, soweit Belege erteilt zu werden pflegen, Belege vorzulegen.
(2) Besteht Grund zu der Annahme, dass die in der Rechnung enthaltenen Angaben über die Einnahmen nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gemacht worden sind, so hat der Verpflichtete auf Verlangen zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass er nach bestem Wissen die Einnahmen so vollständig angegeben habe, als er dazu imstande sei.
(3) In Angelegenheiten von geringer Bedeutung besteht eine Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht.
Der Schutzbereich des Patents und der Patentanmeldung wird durch die Patentansprüche bestimmt. Die Beschreibung und die Zeichnungen sind jedoch zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Die Wirkung des Patents tritt gegen den nicht ein, der zur Zeit der Anmeldung bereits im Inland die Erfindung in Benutzung genommen oder die dazu erforderlichen Veranstaltungen getroffen hatte. Dieser ist befugt, die Erfindung für die Bedürfnisse seines eigenen Betriebs in eigenen oder fremden Werkstätten auszunutzen. Die Befugnis kann nur zusammen mit dem Betrieb vererbt oder veräußert werden. Hat der Anmelder oder sein Rechtsvorgänger die Erfindung vor der Anmeldung anderen mitgeteilt und sich dabei seine Rechte für den Fall der Patenterteilung vorbehalten, so kann sich der, welcher die Erfindung infolge der Mitteilung erfahren hat, nicht auf Maßnahmen nach Satz 1 berufen, die er innerhalb von sechs Monaten nach der Mitteilung getroffen hat.
(2) Steht dem Patentinhaber ein Prioritätsrecht zu, so ist an Stelle der in Absatz 1 bezeichneten Anmeldung die frühere Anmeldung maßgebend. Dies gilt jedoch nicht für Angehörige eines ausländischen Staates, der hierin keine Gegenseitigkeit verbürgt, soweit sie die Priorität einer ausländischen Anmeldung in Anspruch nehmen.
(1) Der Anmelder kann die Anmeldung jederzeit teilen. Die Teilung ist schriftlich zu erklären. Wird die Teilung nach Stellung des Prüfungsantrags (§ 44) erklärt, so gilt der abgetrennte Teil als Anmeldung, für die ein Prüfungsantrag gestellt worden ist. Für jede Teilanmeldung bleiben der Zeitpunkt der ursprünglichen Anmeldung und eine dafür in Anspruch genommene Priorität erhalten.
(2) Für die abgetrennte Anmeldung sind für die Zeit bis zur Teilung die gleichen Gebühren zu entrichten, die für die ursprüngliche Anmeldung zu entrichten waren. Dies gilt nicht für die Gebühr nach dem Patentkostengesetz für die Recherche nach § 43, wenn die Teilung vor der Stellung des Prüfungsantrags (§ 44) erklärt worden ist, es sei denn, daß auch für die abgetrennte Anmeldung ein Antrag nach § 43 gestellt wird.
(3) Werden für die abgetrennte Anmeldung die nach den §§ 34, 35, 35a und 36 erforderlichen Anmeldungsunterlagen nicht innerhalb von drei Monaten nach Eingang der Teilungserklärung eingereicht oder werden die Gebühren für die abgetrennte Anmeldung nicht innerhalb dieser Frist entrichtet, so gilt die Teilungserklärung als nicht abgegeben.
Bis zum Beschluß über die Erteilung des Patents sind Änderungen der in der Anmeldung enthaltenen Angaben, die den Gegenstand der Anmeldung nicht erweitern, zulässig, bis zum Eingang des Prüfungsantrags (§ 44) jedoch nur, soweit es sich um die Berichtigung offensichtlicher Unrichtigkeiten, um die Beseitigung der von der Prüfungsstelle bezeichneten Mängel oder um Änderungen des Patentanspruchs handelt. Aus Änderungen, die den Gegenstand der Anmeldung erweitern, können Rechte nicht hergeleitet werden.
(1) Das Patent wird widerrufen (§ 61), wenn sich ergibt, daß
- 1.
der Gegenstand des Patents nach den §§ 1 bis 5 nicht patentfähig ist, - 2.
das Patent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart, daß ein Fachmann sie ausführen kann, - 3.
der wesentliche Inhalt des Patents den Beschreibungen, Zeichnungen, Modellen, Gerätschaften oder Einrichtungen eines anderen oder einem von diesem angewendeten Verfahren ohne dessen Einwilligung entnommen worden ist (widerrechtliche Entnahme), - 4.
der Gegenstand des Patents über den Inhalt der Anmeldung in der Fassung hinausgeht, in der sie bei der für die Einreichung der Anmeldung zuständigen Behörde ursprünglich eingereicht worden ist; das gleiche gilt, wenn das Patent auf einer Teilanmeldung oder einer nach § 7 Abs. 2 eingereichten neuen Anmeldung beruht und der Gegenstand des Patents über den Inhalt der früheren Anmeldung in der Fassung hinausgeht, in der sie bei der für die Einreichung der früheren Anmeldung zuständigen Behörde ursprünglich eingereicht worden ist.
(2) Betreffen die Widerrufsgründe nur einen Teil des Patents, so wird es mit einer entsprechenden Beschränkung aufrechterhalten. Die Beschränkung kann in Form einer Änderung der Patentansprüche, der Beschreibung oder der Zeichnungen vorgenommen werden.
(3) Mit dem Widerruf gelten die Wirkungen des Patents und der Anmeldung als von Anfang an nicht eingetreten. Bei beschränkter Aufrechterhaltung ist diese Bestimmung entsprechend anzuwenden.
(1) Hat der Anmelder mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland für dieselbe Erfindung bereits früher ein Patent nachgesucht, so kann er mit der Gebrauchsmusteranmeldung die Erklärung abgeben, daß der für die Patentanmeldung maßgebende Anmeldetag in Anspruch genommen wird. Ein für die Patentanmeldung beanspruchtes Prioritätsrecht bleibt für die Gebrauchsmusteranmeldung erhalten. Das Recht nach Satz 1 kann bis zum Ablauf von zwei Monaten nach dem Ende des Monats, in dem die Patentanmeldung erledigt oder ein etwaiges Einspruchsverfahren abgeschlossen ist, jedoch längstens bis zum Ablauf des zehnten Jahres nach dem Anmeldetag der Patentanmeldung, ausgeübt werden.
(2) Hat der Anmelder eine Erklärung nach Absatz 1 Satz 1 abgegeben, so fordert ihn das Deutsche Patent- und Markenamt auf, innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Aufforderung das Aktenzeichen und den Anmeldetag anzugeben und eine Abschrift der Patentanmeldung einzureichen. Eine Abschrift wird nicht angefordert, wenn die Patentanmeldung beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht worden ist. Werden die nach diesem Absatz geforderten Angaben nicht rechtzeitig gemacht, so wird das Recht nach Absatz 1 Satz 1 verwirkt.
(1) Der Anmelder kann die Anmeldung jederzeit teilen. Die Teilung ist schriftlich zu erklären. Wird die Teilung nach Stellung des Prüfungsantrags (§ 44) erklärt, so gilt der abgetrennte Teil als Anmeldung, für die ein Prüfungsantrag gestellt worden ist. Für jede Teilanmeldung bleiben der Zeitpunkt der ursprünglichen Anmeldung und eine dafür in Anspruch genommene Priorität erhalten.
(2) Für die abgetrennte Anmeldung sind für die Zeit bis zur Teilung die gleichen Gebühren zu entrichten, die für die ursprüngliche Anmeldung zu entrichten waren. Dies gilt nicht für die Gebühr nach dem Patentkostengesetz für die Recherche nach § 43, wenn die Teilung vor der Stellung des Prüfungsantrags (§ 44) erklärt worden ist, es sei denn, daß auch für die abgetrennte Anmeldung ein Antrag nach § 43 gestellt wird.
(3) Werden für die abgetrennte Anmeldung die nach den §§ 34, 35, 35a und 36 erforderlichen Anmeldungsunterlagen nicht innerhalb von drei Monaten nach Eingang der Teilungserklärung eingereicht oder werden die Gebühren für die abgetrennte Anmeldung nicht innerhalb dieser Frist entrichtet, so gilt die Teilungserklärung als nicht abgegeben.
Das Patent hat die Wirkung, dass allein der Patentinhaber befugt ist, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu benutzen. Jedem Dritten ist es verboten, ohne seine Zustimmung
- 1.
ein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen; - 2.
ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, anzuwenden oder, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, daß die Anwendung des Verfahrens ohne Zustimmung des Patentinhabers verboten ist, zur Anwendung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten; - 3.
das durch ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, unmittelbar hergestellte Erzeugnis anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen.
(1) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht. Der Anspruch ist ausgeschlossen, soweit die Inanspruchnahme aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls und der Gebote von Treu und Glauben für den Verletzer oder Dritte zu einer unverhältnismäßigen, durch das Ausschließlichkeitsrecht nicht gerechtfertigten Härte führen würde. In diesem Fall ist dem Verletzten ein angemessener Ausgleich in Geld zu gewähren. Der Schadensersatzanspruch nach Absatz 2 bleibt hiervon unberührt.
(2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Benutzung der Erfindung eingeholt hätte.
(3) Ist Gegenstand des Patents ein Verfahren zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses, so gilt bis zum Beweis des Gegenteils das gleiche Erzeugnis, das von einem anderen hergestellt worden ist, als nach dem patentierten Verfahren hergestellt. Bei der Erhebung des Beweises des Gegenteils sind die berechtigten Interessen des Beklagten an der Wahrung seiner Herstellungs- und Betriebsgeheimnisse zu berücksichtigen.
(1) Von der Veröffentlichung des Hinweises gemäß § 32 Abs. 5 an kann der Anmelder von demjenigen, der den Gegenstand der Anmeldung benutzt hat, obwohl er wußte oder wissen mußte, daß die von ihm benutzte Erfindung Gegenstand der Anmeldung war, eine nach den Umständen angemessene Entschädigung verlangen; weitergehende Ansprüche sind ausgeschlossen.
(2) Der Anspruch besteht nicht, wenn der Gegenstand der Anmeldung offensichtlich nicht patentfähig ist.
(3) Auf die Verjährung finden die Vorschriften des Abschnitts 5 des Buches 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechende Anwendung mit der Maßgabe, dass die Verjährung frühestens ein Jahr nach Erteilung des Patents eintritt. Hat der Verpflichtete durch die Verletzung auf Kosten des Berechtigten etwas erlangt, findet § 852 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechende Anwendung.
(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. Die Vorschriften der §§ 827 und 828 finden entsprechende Anwendung.
(2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.
(3) Die Haftung wegen Vorsatzes kann dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden.
(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.
(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.
(1) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten auf unverzügliche Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der benutzten Erzeugnisse in Anspruch genommen werden.
(2) In Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung oder in Fällen, in denen der Verletzte gegen den Verletzer Klage erhoben hat, besteht der Anspruch unbeschadet von Absatz 1 auch gegen eine Person, die in gewerblichem Ausmaß
- 1.
rechtsverletzende Erzeugnisse in ihrem Besitz hatte, - 2.
rechtsverletzende Dienstleistungen in Anspruch nahm, - 3.
für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbrachte oder - 4.
nach den Angaben einer in Nummer 1, 2 oder Nummer 3 genannten Person an der Herstellung, Erzeugung oder am Vertrieb solcher Erzeugnisse oder an der Erbringung solcher Dienstleistungen beteiligt war,
(3) Der zur Auskunft Verpflichtete hat Angaben zu machen über
- 1.
Namen und Anschrift der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Erzeugnisse oder der Nutzer der Dienstleistungen sowie der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für die sie bestimmt waren, und - 2.
die Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie über die Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse oder Dienstleistungen bezahlt wurden.
(4) Die Ansprüche nach den Absätzen 1 und 2 sind ausgeschlossen, wenn die Inanspruchnahme im Einzelfall unverhältnismäßig ist.
(5) Erteilt der zur Auskunft Verpflichtete die Auskunft vorsätzlich oder grob fahrlässig falsch oder unvollständig, so ist er dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(6) Wer eine wahre Auskunft erteilt hat, ohne dazu nach Absatz 1 oder Absatz 2 verpflichtet gewesen zu sein, haftet Dritten gegenüber nur, wenn er wusste, dass er zur Auskunftserteilung nicht verpflichtet war.
(7) In Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung kann die Verpflichtung zur Erteilung der Auskunft im Wege der einstweiligen Verfügung nach den §§ 935 bis 945 der Zivilprozessordnung angeordnet werden.
(8) Die Erkenntnisse dürfen in einem Strafverfahren oder in einem Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten wegen einer vor der Erteilung der Auskunft begangenen Tat gegen den Verpflichteten oder gegen einen in § 52 Abs. 1 der Strafprozessordnung bezeichneten Angehörigen nur mit Zustimmung des Verpflichteten verwertet werden.
(9) Kann die Auskunft nur unter Verwendung von Verkehrsdaten (§ 3 Nummer 70 des Telekommunikationsgesetzes) erteilt werden, ist für ihre Erteilung eine vorherige richterliche Anordnung über die Zulässigkeit der Verwendung der Verkehrsdaten erforderlich, die von dem Verletzten zu beantragen ist. Für den Erlass dieser Anordnung ist das Landgericht, in dessen Bezirk der zur Auskunft Verpflichtete seinen Wohnsitz, seinen Sitz oder eine Niederlassung hat, ohne Rücksicht auf den Streitwert ausschließlich zuständig. Die Entscheidung trifft die Zivilkammer. Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend. Die Kosten der richterlichen Anordnung trägt der Verletzte. Gegen die Entscheidung des Landgerichts ist die Beschwerde statthaft. Die Beschwerde ist binnen einer Frist von zwei Wochen einzulegen. Die Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten bleiben im Übrigen unberührt.
(10) Durch Absatz 2 in Verbindung mit Absatz 9 wird das Grundrecht des Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) eingeschränkt.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Wer verpflichtet ist, über eine mit Einnahmen oder Ausgaben verbundene Verwaltung Rechenschaft abzulegen, hat dem Berechtigten eine die geordnete Zusammenstellung der Einnahmen oder der Ausgaben enthaltende Rechnung mitzuteilen und, soweit Belege erteilt zu werden pflegen, Belege vorzulegen.
(2) Besteht Grund zu der Annahme, dass die in der Rechnung enthaltenen Angaben über die Einnahmen nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gemacht worden sind, so hat der Verpflichtete auf Verlangen zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass er nach bestem Wissen die Einnahmen so vollständig angegeben habe, als er dazu imstande sei.
(3) In Angelegenheiten von geringer Bedeutung besteht eine Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht.
(1) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten auf Vernichtung der im Besitz oder Eigentum des Verletzers befindlichen Erzeugnisse, die Gegenstand des Patents sind, in Anspruch genommen werden. Satz 1 ist auch anzuwenden, wenn es sich um Erzeugnisse handelt, die durch ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, unmittelbar hergestellt worden sind.
(2) Absatz 1 ist entsprechend auf die im Eigentum des Verletzers stehenden Materialien und Geräte anzuwenden, die vorwiegend zur Herstellung dieser Erzeugnisse gedient haben.
(3) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten auf Rückruf der Erzeugnisse, die Gegenstand des Patents sind, oder auf deren endgültiges Entfernen aus den Vertriebswegen in Anspruch genommen werden. Satz 1 ist auch anzuwenden, wenn es sich um Erzeugnisse handelt, die durch ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, unmittelbar hergestellt worden sind.
(4) Die Ansprüche nach den Absätzen 1 bis 3 sind ausgeschlossen, wenn die Inanspruchnahme im Einzelfall unverhältnismäßig ist. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit sind auch die berechtigten Interessen Dritter zu berücksichtigen.
(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.
(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.
(1) Eine Erfindung gilt als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört. Der Stand der Technik umfaßt alle Kenntnisse, die vor dem für den Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Tag durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung oder in sonstiger Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind.
(2) Als Stand der Technik gilt auch der Inhalt folgender Patentanmeldungen mit älterem Zeitrang, die erst an oder nach dem für den Zeitrang der jüngeren Anmeldung maßgeblichen Tag der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind:
- 1.
der nationalen Anmeldungen in der beim Deutschen Patent- und Markenamt ursprünglich eingereichten Fassung; - 2.
der europäischen Anmeldungen in der bei der zuständigen Behörde ursprünglich eingereichten Fassung, wenn mit der Anmeldung für die Bundesrepublik Deutschland Schutz begehrt wird und die Benennungsgebühr für die Bundesrepublik Deutschland nach Artikel 79 Abs. 2 des Europäischen Patentübereinkommens gezahlt ist und, wenn es sich um eine Euro-PCT-Anmeldung (Artikel 153 Abs. 2 des Europäischen Patentübereinkommens) handelt, die in Artikel 153 Abs. 5 des Europäischen Patentübereinkommens genannten Voraussetzungen erfüllt sind; - 3.
der internationalen Anmeldungen nach dem Patentzusammenarbeitsvertrag in der beim Anmeldeamt ursprünglich eingereichten Fassung, wenn für die Anmeldung das Deutsche Patent- und Markenamt Bestimmungsamt ist.
(3) Gehören Stoffe oder Stoffgemische zum Stand der Technik, so wird ihre Patentfähigkeit durch die Absätze 1 und 2 nicht ausgeschlossen, sofern sie zur Anwendung in einem der in § 2a Abs. 1 Nr. 2 genannten Verfahren bestimmt sind und ihre Anwendung zu einem dieser Verfahren nicht zum Stand der Technik gehört.
(4) Ebenso wenig wird die Patentfähigkeit der in Absatz 3 genannten Stoffe oder Stoffgemische zur spezifischen Anwendung in einem der in § 2a Abs. 1 Nr. 2 genannten Verfahren durch die Absätze 1 und 2 ausgeschlossen, wenn diese Anwendung nicht zum Stand der Technik gehört.
(5) Für die Anwendung der Absätze 1 und 2 bleibt eine Offenbarung der Erfindung außer Betracht, wenn sie nicht früher als sechs Monate vor Einreichung der Anmeldung erfolgt ist und unmittelbar oder mittelbar zurückgeht
- 1.
auf einen offensichtlichen Mißbrauch zum Nachteil des Anmelders oder seines Rechtsvorgängers oder - 2.
auf die Tatsache, daß der Anmelder oder sein Rechtsvorgänger die Erfindung auf amtlichen oder amtlich anerkannten Ausstellungen im Sinne des am 22. November 1928 in Paris unterzeichneten Abkommens über internationale Ausstellungen zur Schau gestellt hat.
(1) Das Patent wird widerrufen (§ 61), wenn sich ergibt, daß
- 1.
der Gegenstand des Patents nach den §§ 1 bis 5 nicht patentfähig ist, - 2.
das Patent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart, daß ein Fachmann sie ausführen kann, - 3.
der wesentliche Inhalt des Patents den Beschreibungen, Zeichnungen, Modellen, Gerätschaften oder Einrichtungen eines anderen oder einem von diesem angewendeten Verfahren ohne dessen Einwilligung entnommen worden ist (widerrechtliche Entnahme), - 4.
der Gegenstand des Patents über den Inhalt der Anmeldung in der Fassung hinausgeht, in der sie bei der für die Einreichung der Anmeldung zuständigen Behörde ursprünglich eingereicht worden ist; das gleiche gilt, wenn das Patent auf einer Teilanmeldung oder einer nach § 7 Abs. 2 eingereichten neuen Anmeldung beruht und der Gegenstand des Patents über den Inhalt der früheren Anmeldung in der Fassung hinausgeht, in der sie bei der für die Einreichung der früheren Anmeldung zuständigen Behörde ursprünglich eingereicht worden ist.
(2) Betreffen die Widerrufsgründe nur einen Teil des Patents, so wird es mit einer entsprechenden Beschränkung aufrechterhalten. Die Beschränkung kann in Form einer Änderung der Patentansprüche, der Beschreibung oder der Zeichnungen vorgenommen werden.
(3) Mit dem Widerruf gelten die Wirkungen des Patents und der Anmeldung als von Anfang an nicht eingetreten. Bei beschränkter Aufrechterhaltung ist diese Bestimmung entsprechend anzuwenden.
(1) Eine Erfindung gilt als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört. Der Stand der Technik umfaßt alle Kenntnisse, die vor dem für den Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Tag durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung oder in sonstiger Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind.
(2) Als Stand der Technik gilt auch der Inhalt folgender Patentanmeldungen mit älterem Zeitrang, die erst an oder nach dem für den Zeitrang der jüngeren Anmeldung maßgeblichen Tag der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind:
- 1.
der nationalen Anmeldungen in der beim Deutschen Patent- und Markenamt ursprünglich eingereichten Fassung; - 2.
der europäischen Anmeldungen in der bei der zuständigen Behörde ursprünglich eingereichten Fassung, wenn mit der Anmeldung für die Bundesrepublik Deutschland Schutz begehrt wird und die Benennungsgebühr für die Bundesrepublik Deutschland nach Artikel 79 Abs. 2 des Europäischen Patentübereinkommens gezahlt ist und, wenn es sich um eine Euro-PCT-Anmeldung (Artikel 153 Abs. 2 des Europäischen Patentübereinkommens) handelt, die in Artikel 153 Abs. 5 des Europäischen Patentübereinkommens genannten Voraussetzungen erfüllt sind; - 3.
der internationalen Anmeldungen nach dem Patentzusammenarbeitsvertrag in der beim Anmeldeamt ursprünglich eingereichten Fassung, wenn für die Anmeldung das Deutsche Patent- und Markenamt Bestimmungsamt ist.
(3) Gehören Stoffe oder Stoffgemische zum Stand der Technik, so wird ihre Patentfähigkeit durch die Absätze 1 und 2 nicht ausgeschlossen, sofern sie zur Anwendung in einem der in § 2a Abs. 1 Nr. 2 genannten Verfahren bestimmt sind und ihre Anwendung zu einem dieser Verfahren nicht zum Stand der Technik gehört.
(4) Ebenso wenig wird die Patentfähigkeit der in Absatz 3 genannten Stoffe oder Stoffgemische zur spezifischen Anwendung in einem der in § 2a Abs. 1 Nr. 2 genannten Verfahren durch die Absätze 1 und 2 ausgeschlossen, wenn diese Anwendung nicht zum Stand der Technik gehört.
(5) Für die Anwendung der Absätze 1 und 2 bleibt eine Offenbarung der Erfindung außer Betracht, wenn sie nicht früher als sechs Monate vor Einreichung der Anmeldung erfolgt ist und unmittelbar oder mittelbar zurückgeht
- 1.
auf einen offensichtlichen Mißbrauch zum Nachteil des Anmelders oder seines Rechtsvorgängers oder - 2.
auf die Tatsache, daß der Anmelder oder sein Rechtsvorgänger die Erfindung auf amtlichen oder amtlich anerkannten Ausstellungen im Sinne des am 22. November 1928 in Paris unterzeichneten Abkommens über internationale Ausstellungen zur Schau gestellt hat.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.
(1) Würde die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen, so hat ihm das Gericht auf Antrag zu gestatten, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung des Gläubigers abzuwenden; § 709 Satz 2 gilt in den Fällen des § 709 Satz 1 entsprechend. Ist der Schuldner dazu nicht in der Lage, so ist das Urteil nicht für vorläufig vollstreckbar zu erklären oder die Vollstreckung auf die in § 720a Abs. 1, 2 bezeichneten Maßregeln zu beschränken.
(2) Dem Antrag des Schuldners ist nicht zu entsprechen, wenn ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. In den Fällen des § 708 kann das Gericht anordnen, dass das Urteil nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist.
(1) Das Gericht kann die Wiedereröffnung einer Verhandlung, die geschlossen war, anordnen.
(2) Das Gericht hat die Wiedereröffnung insbesondere anzuordnen, wenn
- 1.
das Gericht einen entscheidungserheblichen und rügbaren Verfahrensfehler (§ 295), insbesondere eine Verletzung der Hinweis- und Aufklärungspflicht (§ 139) oder eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, feststellt, - 2.
nachträglich Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht werden, die einen Wiederaufnahmegrund (§§ 579, 580) bilden, oder - 3.
zwischen dem Schluss der mündlichen Verhandlung und dem Schluss der Beratung und Abstimmung (§§ 192 bis 197 des Gerichtsverfassungsgesetzes) ein Richter ausgeschieden ist.
(1) In Rechtsmittelverfahren des gewerblichen Rechtsschutzes (§ 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 14) und in Verfahren über Ansprüche nach dem Patentgesetz, dem Gebrauchsmustergesetz, dem Markengesetz, dem Designgesetz, dem Halbleiterschutzgesetz und dem Sortenschutzgesetz ist der Wert nach billigem Ermessen zu bestimmen.
(2) In Verfahren über Ansprüche nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und nach dem Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(3) Ist die Bedeutung der Sache für den Beklagten erheblich geringer zu bewerten als der nach Absatz 2 ermittelte Streitwert, ist dieser angemessen zu mindern. Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts hinsichtlich des Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruchs keine genügenden Anhaltspunkte, ist insoweit ein Streitwert von 1 000 Euro anzunehmen. Dieser Wert ist auch anzunehmen, wenn die dem Rechtsstreit zugrunde liegende Zuwiderhandlung angesichts ihrer Art, ihres Ausmaßes und ihrer Folgen die Interessen von Verbrauchern, Mitbewerbern oder sonstigen Marktteilnehmern in nur unerheblichem Maße beeinträchtigt. Der nach Satz 2 oder Satz 3 anzunehmende Wert ist auch maßgebend, wenn in den dort genannten Fällen die Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung nebeneinander geltend gemacht werden.
(4) Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist der sich aus den Absätzen 2 und 3 ergebende Wert in der Regel unter Berücksichtigung der geringeren Bedeutung gegenüber der Hauptsache zu ermäßigen.
(5) Die Vorschriften über die Anordnung der Streitwertbegünstigung (§ 12 Absatz 3 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, § 144 des Patentgesetzes, § 26 des Gebrauchsmustergesetzes, § 142 des Markengesetzes, § 54 des Designgesetzes, § 22 des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen) sind anzuwenden.