Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 18. Dez. 2012 - 7 Sa 220/12

ECLI:ECLI:DE:LAGST:2012:1218.7SA220.12.0A
bei uns veröffentlicht am18.12.2012

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 15. März 2012 – 4 Ca 3070/10 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Verurteilung der Beklagten als Gesamtschuldnerin neben der X... GmbH in M... erfolgt.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die klagende Bundesagentur für Arbeit nimmt die Beklagte aus dem Gesichtspunkt der Firmenfortführung (§ 25 Abs. 1 HGB) bzw. der Betriebsübernahme (§ 613 a BGB) auf Zahlung von übergegangenem Arbeitsentgelt nach Gewährung von Insolvenzgeld in Anspruch.

2

Die beklagte GmbH befasst sich unter ihrer Anschrift A…, B..., im Wesentlichen mit der Verlegung von Fliesen, Platten, Natursteinen und Mosaiken. Mit diesem Gegenstand ist sie seit August 2006 im Handelsregister Amtsgericht Stendal eingetragen, zusätzlich auch mit Handelstätigkeiten, Unternehmensberatungen und Ausführungen als Generalunternehmung aller Bauleistungen mit Nebengeschäften. Ihr Geschäftsführer ist Herr P... R..., der in Person oder als Alleingesellschafter und -geschäftsführer der F... Beteiligungs-GmbH die Beklagte gesellschaftsrechtlich dominierte.

3

Mit Handelsregistereintrag vom 3. April 2008 benannte sich die Beklagte um in „X... Fliesen- und Natursteinausführungen GmbH“. Unternehmenssitz und Unternehmensgegenstand blieben unverändert. Unter dem 28. Mai 2008 wurde außerdem in das Handelsregister die Fa. „X... Fliesen- und Natursteinausführungen (N...) GmbH“ mit Sitz in B... eingetragen. Gesellschafter waren mit 75 % - Anteil die F... Beteiligungs-GmbH und mit 25 % Herr H..., der zuvor bei der Beklagten als Fliesenleger beschäftigt war. Unter dem 15. September 2008 wurde ferner die spätere Insolvenzschuldnerin als Firma „X... Fliesenspezial- und Schwimmbadbau GmbH“ in das Handelsregister eingetragen (im Folgenden: Schuldnerin). Mehrheitsgesellschafter mit ca. 75 % Anteilen war auch hier zunächst die F... Beteiligungs-GmbH, Minderheitsgesellschafter und Geschäftsführer Herr I..., der zuvor als Fliesenleger bei der Beklagten beschäftigt war. Die Gewerbeanmeldung der Schuldnerin vom 4. September 2008 ist inhaltlich identisch mit dem Unternehmensgegenstand der Beklagten (vgl. Bl. 133 d.A. wie auch - Gewerbeabmeldung - Bl. 126 d.A.). Betriebssitz, Telefon- und Faxnummer waren mit denjenigen der Beklagten identisch.

4

Von den zuvor bei der Beklagten beschäftigten 42 Arbeitnehmern wechselten zum 1. August 2008 16 zu der Fa. „X... Fliesen- und Natursteinausführungen (N...) GmbH“ und 16 zur Schuldnerin. Auf deren Arbeitsverhältnisse fand kraft Allgemeinverbindlichkeit der Tarifvertrag Mindestlohn Baugewerbe BRD idF. vom 4. Juli 2008 (TV Mindestlohn) sowie der Bundesrahmentarifvertrag Bau (BRTV-Bau) Anwendung (vgl. Bundesanzeiger Nr. 109 v. 23. Juli 2008). Bei der Beklagten verblieben acht Auszubildende (in außerbetrieblicher Ausbildung) und zwei oder drei Arbeitnehmer, die im Jahre 2009 entlassen wurden.

5

Die Schuldnerin nahm am 1. August 2008 ihre Geschäftstätigkeit auf. Im Zeitraum April – Juni 2009 geriet sie in Zahlungsschwierigkeiten. Den bei ihr zuletzt beschäftigten Arbeitnehmern blieb sie die Lohnzahlung für die Monate April und Mai 2009 (Arbeitnehmer S...), den Monat Mai 2009 (Arbeitnehmer H2) und den Monat Juni 2009 (Arbeitnehmer H3, L..., M1, M2, O... und U...) schuldig. Die Arbeitnehmer H2 und S... schieden zum 31. Mai 2009 aus, alle übrigen genannten Arbeitnehmer zum 30. Juni 2009.

6

Unter dem 17. Juni 2009 fassten Herr R... handelnd für die F... Beteiligungs-GmbH und Herr I... als die Gesellschafter der Schuldnerin den Beschluss, die Firma der Gesellschaft in „X... GmbH“ umzuändern und ihren Sitz an den Wohnort des Geschäftsführers I... in M... zu verlegen. Nachfolgend übertrug die F... Beteiligungs-GmbH ihre Gesellschaftsanteile an der Schuldnerin auf Herrn I..., der seitdem Alleingesellschafter ist. Die Schuldnerin kündigte die ihr am bisherigen Betriebssitz in B... zur Verfügung gestellten Räume nebst Ausstattung sowie die Fahrzeugleasingverträge zum 30. Juni 2009.

7

Zum 1. Juli 2009 stellte die Beklagte sechs oder sieben zuletzt von der Schuldnerin beschäftigten Arbeitnehmer ein (U..., H3, L..., M2, O..., M1 - eventuell auch Herrn W...). Am 3. Juli 2009 wurde die Umfirmierung der Schuldnerin in „X... GmbH“ ins Handelsregister eingetragen (Bekanntmachung am 13. Juli 2009, vgl. Bl. 131 d.A.). Ob sie in der Folgezeit weiter am Markt tätig war, ist zwischen den Parteien streitig.

8

Ende 2009/Anfang 2010 beantragten die o.g. Arbeitnehmer der Schuldnerin Insolvenzgeld bei der Klägerin (Bl. 11 ff. d.A.). Am 8. März 2010 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet (Bl. 51 d.A.). Auf das Gutachten im Insolvenzantragsverfahren (Bl. 102-120 d.A.) wird Bezug genommen. Am 10. März 2010 ließ die Beklagte die Rückfirmierung in ihren ursprünglichen Firmennamen in das Handelsregister eingetragen.

9

Nach Vorlage der Insolvenzgeldbescheinigung durch den Insolvenzverwalter (Bl. 68 ff. d. A.) bewilligte die Beklagte den o.g. Arbeitnehmern Insolvenzgeld für die o.g. Zeiträume in der unstreitigen Höhe von 13.387,88 €. Zu den Einzelheiten vgl. Bl. 52 ff. d.A.. In dieser Höhe verlangt die Klägerin von der Beklagten nach vergeblicher Zahlungsaufforderung mit Schreiben vom 26. August 2010 Zahlung des Arbeitsentgelts aus übergegangenem Recht (§ 187 SGB III aF.).

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Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte habe Unternehmen und Firma der Schuldnerin fortgeführt und hafte deshalb gemäß § 25 Abs. 1 HGB bzw. 613a Abs. 1 BGB. Die Beklagte habe das Unternehmen fortgeführt, indem sie es am selben Betriebssitz mit identischem Unternehmensgegenstand, identischen Betriebsräumlichkeiten und Telefon- und Faxanschlüssen und identischem „als Kopf und Seele der Unternehmung zu klassifizierenden Geschäftsführer“ (Herr P... R...) nahtlos mit allen zuletzt bei der Schuldnerin beschäftigten Arbeitnehmern fortgesetzt habe. Die Fortführung des Firmennamens folge daraus, dass beide Firmen den prägenden Bestandteil „X...“ verwendeten und im Übrigen sich mit Fliesenverlegungen und Ähnlichem befassten. Ihre Briefköpfe seien im Wesentlichen identisch und gleich strukturiert. Es sei unschädlich, dass beide Firmen zeitweilig nebeneinander bestanden hätten, da auch eine sukzessive Firmenfortführung möglich sei. Auf die Verfallfrist aus § 2 TV Mindestlohn könne sich die Beklagte nicht berufen, da die Ansprüche innerhalb der Verfallfrist durch Lohnabrechnungen Schuldnerin geklärt worden seien. Zudem greife die Verfallfrist allgemein nicht ein, wenn ein Betrieb aus wirtschaftlichen Gründen die Lohn- und Gehaltszahlungen an alle seine Arbeitnehmer einstelle.

11

Demgegenüber hat die Beklagte sowohl eine Firmenfortführung als auch einen Betriebsübergang in Abrede gestellt. Hierzu hat sie vorgetragen, nicht nur sie und die Schuldnerin seien gleichzeitig am Markt tätig gewesen, sondern darüber hinaus weitere drei mit dem Unternehmensgegenstand Fliesenverlegung befasste Unternehmungen, die unter dem Namen „X...“ firmierten (in Lb, Bg und N...). Zudem behauptet die Beklagte, dass die Firma X... GmbH nach dem 30. Juni 2009 ihre Tätigkeit am Markt fortgesetzt habe. Schließlich beruft sich die Beklagte auf den Verfall der Forderungen gemäß § 2 TV Mindestlohn und bestreitet, dass diese rechtzeitig vor Ablauf der Verfallfrist abgerechnet worden seien.

12

Mit Urteil vom 15. März 2012, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt,

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an die Klägerin 13.387,88 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2010 zu zahlen.

14

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass sich die Haftung der Beklagten für die auf die Klägerin übergegangenen Entgeltansprüche aus § 25 Abs. 1 S. 1 HGB herleite. Die Ausschlussfristen stünden nicht entgegen, da die Arbeitgeberin die Ansprüche durch Erteilung der Verdienstbescheinigungen anerkannt habe und im Übrigen bei Einstellung der Lohn- und Gehaltszahlungen für alle Arbeitnehmer aus wirtschaftlichen Gründen tarifliche Ausschlussfristen nicht anzuwenden seien.

15

Gegen das ihr am 16. Mai 2012 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 6. Juni 2012 Berufung eingelegt und diese am 12. Juli 2012 begründet. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 12. Juli 2012. Insbesondere behauptet sie, die Schuldnerin habe zuletzt vor dem 1. Juli 2009 über die von der Beklagten übernommenen Arbeitnehmer hinaus weitere Arbeitnehmer beschäftigt und sei zudem nach dem 30. Juni 2009 weiterhin unter der Firma X... GmbH am Markt tätig gewesen. Die Firma „X...“ habe die Beklagte zudem nicht übernommen. Der Firmenbestandteil „X...“ sei auch nicht prägend. Im Übrigen seien die Forderungen verfallen.

16

Die Beklagte beantragt,

17

das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 15. März 2012 – 4 Ca 3070/10 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

18

Die Klägerin beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

20

Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 24. September 2012.

21

Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung von sieben Arbeitnehmern und des Geschäftsführers der Schuldnerin. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 18. Dezember 2012 verwiesen. Wegen des weiteren Berufungsvorbringens der Parteien wird auf ihre in zweiter Instanz gewechselten Schriftsätze nebst beigefügten Anlagen sowie ihre Protokollerklärungen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

22

I. Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage im Wesentlichen zu Recht stattgegeben. Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung von 13.387,88 Euro (§ 187 SGB III idF bis zum 31. März 2012; jetzt § 169 SGB III iVm. § 611 Abs. 1, § 613a Abs. 2 Satz 1 BGB, 25 Abs. 1 HGB) nebst Zinsen. Die Beklagte haftet dabei – wie zweitinstanzlich nur noch beantragt – als Gesamtschuldnerin neben der Schuldnerin.

23

1. Die geltend gemachten Vergütungsansprüche der acht Arbeitnehmer der Schuldnerin aus dem Zeitraum vom 1. April bis zum 30. Juni 2009 sind in unstreitiger und durch Insolvenzgeldbescheinigung belegter Höhe entstanden.

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2. Die Ansprüche der acht Arbeitnehmer sind auf die Klägerin übergegangen. Ansprüche auf Arbeitsentgelt, die einen Anspruch auf Insolvenzgeld begründen, gehen mit dem Antrag auf Insolvenzgeld auf die Bundesagentur für Arbeit über (§ 187 SGB III idF bis zum 31. März 2012; jetzt § 169 SGB III). Das Insolvenzgeld wird für rückständige Ansprüche auf Arbeitsentgelt gezahlt, die im Insolvenzgeldzeitraum - die letzten drei dem Insolvenzereignis vorausgehenden Monate des Arbeitsverhältnisses - entstanden sind. Der Übergang erfasst die Bruttoforderung (BAG 11. Februar 1998 - 5 AZR 159/97, AP BGB § 611 Lohnanspruch Nr. 19; BSG 20. Juni 2001 - B 11 AL 97/00 R, SozR 3-4100 § 141m Nr. 3).

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3. Die Beklagte haftet als Betriebsübernehmerin (§ 613a BGB) sowie wegen Firmenfortführung (§ 25 Abs. 1 HGB) für die vor dem 1. Juli 2009 entstandenen Ansprüche.

26

a. Die Beklagte haftet als Betriebsübernehmerin für die rückständigen Ansprüche der vom Betriebsübergang erfassten Arbeitnehmer U..., H3, L..., M2, O... und M1 gemäß § 613a Abs. 2 BGB. Die Für die Vergütungsansprüche der Arbeitnehmer S... und H2 haftet sie nicht aus § 613a Abs. 2 BGB, da diese Arbeitnehmer bereits zum 31. Mai 2009 und damit vor dem Betriebsübergang bei der Schuldnerin als Betriebsvorgängerin ausgeschieden waren. Die Beklagte hat den Betrieb der Schuldnerin iSv. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB am 1. Juli 2009 übernommen. Das Insolvenzverfahren wurde am 8. März 2010 eröffnet. Die Haftung der Betriebserwerberin ist daher nicht insolvenzrechtlich beschränkt (vgl. BAG 20. Juni 2002 - 8 AZR 459/01, AP InsO § 113 Nr. 10). Die Beklagten ist gemäß § 613a Abs. 2 BGB in Bezug auf die Vergütungsansprüche der o.g. Arbeitnehmer Gesamtschuldnerin neben der Schuldnerin als der früheren Arbeitgeberin.

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aa. Die Betriebsnachfolge und damit die gesamtschuldnerische Haftung im oben genannten Umfang folgt aus dem rechtsgeschäftlichen Übergang des Betriebs der Schuldnerin auf die Beklagte zum 1. Juli 2009 gemäß § 613a BGB. Erforderlich hierfür ist nach der Rechtsprechung (vgl. etwa BAG 16. Februar 2006 – 8 AZR 204/05, AP Nr. 300 zu § 613a BGB) die Wahrung der Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit. Der Begriff wirtschaftliche Einheit bezieht sich auf eine organisatorische Gesamtheit von Personen und Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit übergegangen ist, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören als Teilaspekte der Gesamtwürdigung namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude oder bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit. Die Identität der Einheit kann sich auch aus anderen Merkmalen wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und gegebenenfalls den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln ergeben.

28

Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgeblichen Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- und Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu. In Branchen, in denen es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, kann auch eine Gesamtheit von Arbeitnehmern, die durch eine gemeinsame Tätigkeit dauerhaft verbunden ist, eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Die Wahrung ihrer Identität ist anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt, das sein Vorgänger gezielt bei dieser Tätigkeit eingesetzt hatte. Hingegen stellt die bloße Fortführung der Tätigkeit durch einen anderen Auftragnehmer (Funktionsnachfolge) keinen Betriebsübergang dar. In betriebsmittelgeprägten Betrieben kann ein Betriebsübergang auch ohne Übernahme von Personal vorliegen.

29

bb. Danach hat am 1. Juli 2009 ein Betriebsübergang von der Schuldnerin auf die Beklagte stattgefunden. Die Schuldnerin hatte im Wesentlichen Fliesen- und Steinverlegung betrieben. Für den Schwimmbadbau fehlte es bereits an der erforderlichen Gewerbeanmeldung. Bei der Fliesen- und Steinverlegung handelt es sich um ein betriebsmittelarmes Handwerk, in dem es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt. Dies bestätigt das Gutachten im Insolvenzantragsverfahren (Anlage 10, Bl. 102 ff <112> d.A.), wonach die Schuldnerin praktisch nicht über verwertbare materielle Betriebsmittel verfügte. Das zu verlegende Material wird jeweils individuell im Kundenauftrag bestellt und zählt nicht zu den Betriebsmitteln eines reinen Verlegebetriebs. Die zur Ausübung des Handwerks erforderlichen Gerätschaften wie Fliesenknacker, Fliesenschneider, Eimer und Quirl oder ein Fahrzeug, um zur jeweiligen Baustelle zu gelangen, treten im Verhältnis zu dem Anteil der menschlichen Arbeitskraft an der betrieblichen Wertschöpfung deutlich in den Hintergrund. In Anbetracht dessen bildet die zuletzt beschäftigte Belegschaft von mindestens sechs Fliesenlegern ein wesentliches Merkmal des Betriebes der Schuldnerin, das diese wirtschaftliche Einheit kennzeichnet. Diese Belegschaft hat die Beklagte durch Rechtsgeschäft, wie aufgrund der Beweisaufnahme (Aussage I...) und letztlich der eigenen Einlassung ihres Geschäftsführers in der letzten mündlichen Verhandlung feststeht, vollständig übernommen. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie abgesehen von der formellen Aufrechterhaltung einiger Ausbildungsverhältnisse in externer Ausbildung im Wesentlichen keine eigene betriebliche Tätigkeit mehr entfaltet. Sie hat ferner mit der im Wesentlichen vollständigen Belegschaft der Schuldnerin ohne zeitliche Unterbrechung am selben Standort, unter derselben Telefon- und Fax-Nummer die von der Schuldnerin betriebene Fliesen- und Steinverlegung fortgesetzt. Sie tat dies unter der Regie ihres Geschäftsführers R..., der nach unbestrittenem Vorbringen der Klägerin als vor Ort agierender Mehrheitsgesellschafter „Kopf und Seele“ der am Standort betriebenen Unternehmungen war.

30

Ferner verfügte die Beklagte über einen Firmennamen, der sich von dem der Schuldnerin nur geringfügig unterschied und insbesondere die gleichen prägenden Firmenbestandteile („X...“ und „Fliesen“) enthielt. Die nahezu identische Gestaltung der Briefköpfe mit dem stets unterhalb der Firmenbezeichnung in auffälliger Schrift platzierten Zusatz „Fliesen Stein Mosaik“ verstärkte die einheitliche Außenwahrnehmung. Nahezu zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die Beklagte die Belegschaft der Schuldnerin übernahm, legte diese sich einen anderen Firmennamen zu und verlegte ihren Sitz in die Privatwohnung ihres Geschäftsführers in einer anderen Ortschaft. Sie verschwand dadurch sozusagen von der Bildfläche. Beide Gesichtspunkte bewirkten so faktisch eine Übertragung des „good will“ der Schuldnerin als weiteres wesentliches immaterielles Betriebsmerkmal auf die Beklagte.

31

Dass die Schuldnerin in der Folgezeit unter anderem Firmennamen und von einem anderen Standort aus noch einen Auftrag akquirierte und teilweise abwickelte, wie der Zeuge I... bekundete, steht dem Übergang ihres vormaligen Betriebs nicht entgegen. Diese Aktivitäten erfolgten unter der neuen Firma und vom neuen Standort aus sowie im Wesentlichen durch den Geschäftsführer der Schuldnerin allein, dh. ohne Arbeitnehmer (vgl. auch Insolvenzgutachten Bl. 105 u. 110 d.A.). Es handelte sich dabei um einen anderen Betrieb als den, den die Schuldnerin bis zum 30. Juni 2009 an ihrem Sitz in B... betrieben hatte und den die Beklagte übernommen hat.

32

b. Ferner haftet die Beklagte – ebenfalls insolvenzrechtlich unbeschränkt und neben der Schuldnerin als Gesamtschuldnerin – aus § 25 Abs. 1 HGB. Sie hat ab dem 1. Juli 2009 das unter Lebenden erworbene Handelsgeschäft, das die Schuldnerin als Formkaufmann gemäß § 6 HGB bis zum 30. Juni 2009 führte, unter der bisherigen Firma fortgeführt. Diese Haftung erstreckt sich auf alle im Betrieb des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers und somit auch auf die (übergegangenen) Ansprüche der Arbeitnehmer S... und H2.

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aa. Unter Lebenden erfolgt der Erwerb eines Handelsgeschäfts, sofern er – wie hier – nicht von Todes wegen eintritt (§ 27 HGB).

34

bb. Die Haftung aus § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB greift nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein, wenn zwar der Unternehmensträger wechselt, das Unternehmen selbst aus der Sicht des maßgeblichen Verkehrs aber im Wesentlichen unverändert unter der alten Firmenbezeichnung fortgeführt wird (BGH 24. September 2008 - VIII ZR 192/06, WM 2008, 2273, Rn 12; BGH 28. November 2005 - II ZR 355/03, NJW 2006, 1002, Rn 7 m.w.N.). Das ist hier der Fall.

35

(1) Von einer Unternehmensfortführung geht der maßgebliche Verkehr aus, wenn ein Betrieb von einem neuen Inhaber in seinem wesentlichen Bestand unverändert weitergeführt wird, der Tätigkeitsbereich, die innere Organisation und die Räumlichkeiten ebenso wie Kunden- und Lieferantenbeziehungen jedenfalls im Kern beibehalten und/oder Teile des Personals übernommen werden. Es kommt für den Erwerb im Sinne von § 25 Abs. 1 HGB auch nicht darauf an, ob ein rechtsgeschäftlicher, derivativer Erwerb zugrunde liegt. Erforderlich ist nur die bloße Tatsache der Geschäftsfortführung (BGH 24. September 2008, a.a.O.).

36

Die Beklagte hat, wie bereits oben unter a) ausgeführt, am selben Ort, unter derselben Anschrift, Telefon- und Fax-Nummer nahtlos denselben Unternehmensgegenstand fortgeführt, den zuvor die Schuldnerin dort verfolgte. Sie hat dazu das vollständige qualifizierte Fachpersonal der Schuldnerin übernommen und hat in Person ihres Geschäftsführers überdies eine im Wesentlichen identische Unternehmensleitung, da dieser unbestritten auch bei der Schuldnerin faktisch als „Kopf und Seele“ der Unternehmung agierte. Der Umstand, dass die Beklagte und die Schuldnerin bereits seit etwa einem Jahr nebeneinander existierten, steht nicht entgegen. Zum einen war die Beklagte in dieser Zeit, wie oben unter a) ausgeführt, nicht werbend am Markt tätig. Zum anderen kann auch eine sukzessiv erfolgende Unternehmensübernahme eine Fortführung des Handelsgeschäfts im Sinne von § 25 Abs. 1 HGB sein. Maßgeblich dafür ist, ob sich für den Rechtsverkehr die Betätigung des übernehmenden Unternehmens als Weiterführung des ursprünglichen Unternehmens in seinem wesentlichen Bestand darstellt (vgl. BGH 4. November 1991 - II ZR 85/91, NJW 1992, 911; BGH 24. September 2008, a.a.O.). Dies war hier, wie oben unter a) ausgeführt, der Fall.

37

(2) Die Beklagte hat das Handelsgeschäft auch unter der bisherigen Firma fortgeführt. Beim Wechsel des Inhabers ist die Firmenfortführung deshalb eine Voraussetzung für die in § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB vorgesehene Haftung, weil in ihr die Kontinuität des Unternehmens nach außen in Erscheinung tritt, welche der tragende Grund für die Erstreckung der Haftung für früher im Betrieb des Unternehmens begründete Verbindlichkeiten des Vorgängers auf seinen Nachfolger ist. Dabei kommt es nicht auf eine wort- und buchstabengetreue Übereinstimmung zwischen alter und neuer Firma, sondern nur darauf an, ob aus der Sicht des Verkehrs trotz vorgenommener Änderungen noch eine Fortführung der Firma vorliegt. Dies ist dann der Fall, wenn der prägende Teil der alten Firma in der neuen beibehalten wird (BGH 24. September 2008, a.a.O., m.w.N.).

38

Aus der Sicht des Verkehrs ist im vorliegenden Fall von einer Fortführung der Firma ab dem 1. Juli 2009 auszugehen. Der für den Verkehr maßgebliche Firmenbestandteil sowohl der Schuldnerin (deren Firmenänderung in X... GmbH erst am 3. Juli 2009 in das Handelsregister eingetragen wurde) als auch der Beklagten ist das Wort „X...“ als – in Ermangelung eines Eigennamens – prägender Firmenbestandteil. In Kombination mit dem ebenfalls in der Firma aufgeführten Unternehmensgegenstand („Bau“ bzw. „Ausführung“ von Fliesen) sowie der einheitlichen und verwechselbaren Gestaltung der Briefköpfe rechtfertigt dies die Annahme einer Firmenfortführung. Dass darüber hinaus deutschlandweit weitere Firmen des Herrn R... oder seiner F... Beteiligungs-GmbH mit dem Namensbestandteil „X...“ existierten, ändert an der Fortführung gerade der Firma der Schuldnerin durch die Beklagte nichts.

39

4. Die Ansprüche sind nicht verfallen.

40

a) Nach dem auf die Arbeitsverhältnisse bei der Schuldnerin anzuwendenden § 2 Abs. 5 TV Mindestlohn iVm. § 15 BRTV Bau verfallen Ansprüche auf den Mindestlohn von Arbeitnehmern in den Lohngruppen 1 und 2, wenn sie nicht innerhalb von sechs Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden. Gemäß § 2 Abs. 4 TV Mindestlohn ist der Anspruch auf den Mindestlohn am 15. des Monats fällig, der auf den Monat folgt, für den er zu zahlen ist. Die Arbeitnehmer waren nicht auf eine Abrechnung des Arbeitgebers angewiesen, um ihre Ansprüche erkennen und erheben zu können (vgl. dazu etwa BAG 6. November 1985 – 4 AZR 233/84, AP Nr 93 zu § 4 TVG Ausschlussfristen); die Ausschlussfrist begann daher jeweils mit dem 15. des Folgemonats. Die hier allein in Streit stehenden Mindestlohnansprüche wurden gegenüber der Beklagten unstreitig nicht innerhalb der vorgenannten Frist geltend gemacht. Eine rechtzeitige Geltendmachung gegenüber der Schuldnerin ist ebenfalls nicht dargetan.

41

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts braucht die Forderung eines Arbeitnehmers zur Wahrung einer Ausschlussfrist aber nicht mehr geltend gemacht zu werden, wenn der Arbeitgeber sie durch Abrechnung vorbehaltlos ausgewiesen hat (BAG 21. April 1993 - 5 AZR 399/92, BAGE 73, 54). Denn durch die vorbehaltlose Ausweisung der Ansprüche hat sich der Zweck der Geltendmachung bereits erübrigt. Der Arbeitgeber als Schuldner der abgerechneten Ansprüche weiß, was auf ihn zukommt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände ist festzustellen, dass die Schuldnerin als vormalige Arbeitgeberin und Vertragspartnerin in den hier streitigen Fällen noch vor Ablauf der sechsmonatigen Ausschlussfrist die Ansprüche durch Abrechnung vorbehaltlos ausgewiesen hat.

42

Dafür spricht zunächst allgemein, dass die Ansprüche tatsächlich abgerechnet wurden. Die Abrechnungen liegen vor. Die vernommenen Zeugen haben zudem bestätigt, dass die Abrechnungen jedenfalls bei Stellung des Antrags auf Insolvenzgeld schon vorgelegen haben. Dies steht in Einklang damit, dass in den Anträgen die jeweiligen Brutto- und Nettobeträge so wie in den Abrechnungen ausgewiesen aufgeführt sind. Wurde demnach von der Schuldnerin abgerechnet, so spricht allein dieser Umstand deutlich dafür, dass die Ansprüche im Zeitpunkt der Abrechnung noch nicht verfallen waren. Denn ein Arbeitgeber des Baugewerbes wird im Zweifel verfallene Ansprüche nicht vorbehaltlos in Abrechnungen ausweisen.

43

Die Abrechnungen für April und Mai (S... und H2) sind zur Überzeugung der Berufungskammer schon deshalb zeitnah und noch vor der Betriebsnachfolge erteilt worden, weil zu diesem Zeitpunkt der Betrieb der Schuldnerin noch unverändert fortbestanden hatte. Dafür spricht auch, dass der Arbeitnehmer S... unstreitig innerhalb der Verfallfrist seinen Lohn (erfolgreich) gegenüber der Schuldnerin eingeklagt und auch innerhalb der Frist Insolvenzgeld bei der Klägerin beantragt hat (Bl. 44 d.A.). Es erscheint fernliegend, dass die Abrechnung für Mai 2009 für den Arbeitnehmer H2 zu einem gesonderten Zeitpunkt erstellt worden sein könnte. Der Zeugen I... gab zudem aus der Erinnerung an, dass die Abrechnungen jeweils zum regulären Zeitpunkt erteilt worden seien. Daraufhin gestand der Geschäftsführer der Beklagten erstmals ein, persönlich an der zeitnahen Erstellung der Abrechnungen beteiligt gewesen zu sein, indem er diese durch das Datev-Programm berechnen ließ. Da die Abrechnungen für April und Mai 2009 vor dem Betriebsübergang erfolgten, gingen die Ansprüche insoweit bereits ohne das Recht zur Berufung auf Ausschlussfristen auf die Beklagte über.

44

Auch die Abrechnungen für Juni 2009 wurden von der Schuldnerin jedenfalls innerhalb der Ausschlussfrist erteilt. Sie werden mit Wahrscheinlichkeit ebenfalls für alle betroffenen Arbeitnehmer zu einem einheitlichen Zeitpunkt erstellt und ihnen zugeleitet worden sein. Der Zeuge H3 gab an, dass ihm die Abrechnung für Juni 2009 im September 2009 zusammen mit einer Kündigung durch die Beklagte zugegangen sei. Dieser Zeitpunkt liegt innerhalb der Verfallfrist. Da die Abrechnung spätestens bei Beantragung des Insolvenzgeldes bereits erteilt sein musste, lag sie im Fall des Zeugen M1 jedenfalls am 27. Januar 2010 und damit wenige Tage nach Ablauf der Verfallfrist (15. Januar 2010) vor. Es ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass die Abrechnung dem Zeugen in den wenigen Tagen zwischen dem 15. Und dem 27. Januar 2010 zuging und damit erst über sechs Monate nach Ablauf des Lohnzahlungszeitraums. Auch wenn sich die Zeugen nach ca. drei Jahren überwiegend nicht mehr an den genauen Zeitpunkt der Erteilung der Abrechnung für Juni 2009 erinnert haben, spricht schon auf den ersten Blick viel dafür, dass die Abrechnungen im tariflich vorgegebenen Abstand zum Lohnzahlungszeitraum und damit innerhalb der Ausschlussfrist erfolgten. Denn ein anderer Abrechnungszeitpunkt ist nicht dargetan oder sonst ersichtlich. Es fehlt ein Anhaltspunkt dafür, dass sich die Schuldnerin zu einem späteren Zeitpunkt (über sechs Monate nach Ablauf des Lohnzahlungszeitraums) plötzlich zur Erteilung der Abrechnungen entschlossen haben könnte. Die Beklagte bestreitet demgemäß den Zeitpunkt auch nur mit Nichtwissen.

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Sprechen bereits danach alle Umstände für eine rechtzeitige Abrechnungserteilung durch die Schuldnerin innerhalb der Ausschlussfrist, so war die Kammer hiervon vollends überzeugt aufgrund der Aussage des Zeugen I..., der als Geschäftsführer der Schuldnerin und die Abrechnungserteilung persönlich Ausführender aus der Erinnerung und ohne Unterlagen angab, dass auch die Juni-Abrechnungen im gewöhnlichen Turnus erfolgt seien. An eine Erstellung erst Monate später könne er sich nicht entsinnen. Nachdem der Zeuge hinzufügte, dass die Datev-Berechnungen seinerzeit stets durch den Geschäftsführer der Beklagten selbst erfolgten, gab dieser erstmals zu, alle Abrechnungen grundsätzlich selber durch das Datev-Programm abgerechnet zu haben. Allein für den Monat Juni habe er insoweit keine Erinnerung mehr. Bei diesem Gesamtbild hatte die Kammer keinen Zweifel an der rechtzeitigen Erteilung aller streitigen Abrechnungen vor Ablauf der Ausschlussfristen.

46

b) Die Beklagte beruft sich nicht darauf, dass die Ansprüche der Arbeitnehmer U..., H3, L..., M2, O... und M1 für Juni 2009 nur von der Schuldnerin und damit wegen eines Übergangs der Arbeitsverhältnisse zum 1. Juli 2009 auf die Beklagte (§ 613a Abs. 1 BGB) nicht gemäß § 2 Abs. 5 TV Mindestlohn iVm. § 15 BRTV Bau von der „anderen Vertragspartei“ vorbehaltlos abgerechnet worden seien. Eine solche Berufung wäre auch als unzulässige Rechtsausübung gemäß § 242 BGB rechtlich unbeachtlich.

47

aa) Das Erlöschen von Forderungen infolge des Ablaufs von Ausschlussfristen gehört zu allerdings den Einwendungen, die der Schuldner nach § 404 BGB auch dem neuen Gläubiger entgegenhalten kann (st. Rspr., BAG 24. Mai 1973 - 5 AZR 21/73 - zu 1 der Gründe, AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 52; 23. September 2009 - 5 AZR 518/08 - Rn. 32, AP SGB X § 115 Nr. 15). Denn Ansprüche gehen so über, wie sie bestehen. Auf einen gesetzlichen Forderungsübergang findet § 404 BGB entsprechende Anwendung (§ 412 BGB).

48

bb) Bei der Gesamtschuld entwickeln sich die Entstehung und der Untergang von Einwendungen in den einzelnen Schuldverhältnissen grundsätzlich unterschiedlich. Allein Erfüllung, Erlass und Gläubigerverzug wirken gemäß § 425 Abs. 1 BGB für und gegen jeden Gesamtschuldner. Andere „Tatsachen“, die weder in den §§ 422 bis 424 BGB genannt sind noch bezüglich derer sich aus dem Schuldverhältnis „ein anderes“ ergibt, wirken damit nur für und gegen den Gesamtschuldner, in dessen Person sie eintreten. Dies gilt nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 22. August 2012 – 5 AZR 526/11, juris) auch für die Geltendmachung zur Wahrung von Ausschlussfristen. Im Fall des Betriebsübergangs sind danach über § 425 BGB hinausgehend nur die Tatsachen zu Lasten des Erwerbers zu berücksichtigen, die vor dem Betriebsübergang eingetreten sind.

49

cc) Die Beklagte könnte sich jedoch nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht unter Berufung auf den Arbeitgeberwechsel zum 1. Juli 2009 darauf berufen, dass die vorbehaltlose Abrechnung nicht von der „anderen Vertragspartei“, sondern nur vom früheren Arbeitgeber erteilt worden ist. Weder die Beklagte als Betriebserwerberin noch die Schuldnerin als vormalige Inhaberin sind der Unterrichtungspflicht nach § 613a Abs. 5 BGB nachgekommen, wobei ein innerer Zusammenhang zwischen dieser Pflichtverletzung und der Fristversäumung gegeben ist. In diesem Fall einer unzulässigen Rechtsausübung iSv. § 242 BGB ist dem neuen Arbeitgeber die Berufung auf die Einwendung des Verfalls verwehrt (BAG 22. August 2012 – 5 AZR 526/11, juris).

50

(1) Nach § 613a Abs. 5 Nr. 3 BGB hat der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber die von einem Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer über die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer in Textform zu unterrichten. Zu den rechtlichen Folgen gehören insbesondere die sich unmittelbar aus dem Betriebsübergang als solchem ergebenden Rechtsfolgen, wie der Eintritt des Übernehmers in die Rechte und Pflichten aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis und die Haftungssystematik des § 613a Abs. 2 BGB (BT-Drucks. 14/7760 S. 19; st. Rspr., vgl. nur BAG 26. Mai 2011 - 8 AZR 18/10 - AP BGB § 613a Nr. 407).

51

(2) Die Unterrichtungspflicht ist Rechtspflicht. Ihre Nichterfüllung kann zu Schadensersatzansprüchen des Arbeitnehmers führen (BAG 9. Dezember 2010 - 8 AZR 592/08, juris Rn. 30 m.w.N.). Zugleich stellt es eine unzulässige Rechtsausübung dar, wenn sich der Betriebserwerber auf Vorteile beruft, die ihm wegen der Verletzung der Unterrichtungspflicht entstanden sind. Steht der Erwerb der Rechtsposition in einem inneren Zusammenhang mit einem eigenen rechtsuntreuen Verhalten - sei es vertrags- oder gesetzeswidrig -, handelt rechtsmissbräuchlich, wer diese Rechtsposition geltend macht (vgl. BGH 7. März 2002 - IX ZR 293/00 - NJW 2002, 1788; 13. November 1998 - V ZR 386/97 - WM 1999, 551; Palandt/Grüneberg BGB 71. Aufl. § 242 Rn. 43). Überdies ist es widersprüchlich, wenn der Betriebsübernehmer, der einen Betriebsübergang leugnet, dem Arbeitnehmer (bzw. dessen Rechtsnachfolger) vorhält, ihn nicht (früher) als Betriebserwerber in Anspruch genommen zu haben. Das Verbot widersprüchlichen Verhaltens als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben bildet eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung. Das Vertrauen des anderen am Rechtsverhältnis beteiligten Teils, dass eine bestimmte Rechtslage gegeben sei, ist vor allem dann schutzwürdig, wenn er von dem anderen Teil in diesem Glauben bestärkt worden ist und im Hinblick darauf Dispositionen getroffen hat. In einem solchen Fall ist die Ausnutzung der durch das widersprüchliche Verhalten geschaffenen Rechtslage wegen der Rechtsüberschreitung unzulässig (BAG 16. Februar 2012 - 6 AZR 553/10 - Rn. 53 mwN, EzA AGG § 3 Nr. 7; BAG 22. August 2012 – 5 AZR 526/11, juris; entsprechende Überlegungen bereits in BAG 13. Februar 2003 - 8 AZR 236/02 - zu II 2 a der Gründe, AP BGB § 613a Nr. 244).

52

(3) Hiernach ist es der Beklagten verwehrt, sich auf die Versäumung der Ausschlussfrist zu berufen. Die Beklagte hat im Rechtsstreit jeden Betriebsübergang nachdrücklich in Abrede gestellt. Damit hat sie ihre aus § 613a Abs. 5 BGB folgende gesetzliche Verpflichtung missachtet. Der besondere, rechtlich relevante Zusammenhang zwischen der Verletzung der Unterrichtungspflicht und der Versäumung der Ausschlussfrist ist gegeben. Hätte die Beklagte noch vor dem Betriebsübergang oder zumindest in zeitlichem Zusammenhang mit dem Betriebsübergang die zuletzt beschäftigten Arbeitnehmer der Schuldnerin über den Eintritt ihrer Gesamtschuld unterrichtet, wäre sogar die Beantragung von Insolvenzgeld und die Leistung durch die Klägerin in Frage gestellt worden. In jedem Fall hätte eine Unterrichtung den Arbeitnehmern die Möglichkeit eröffnet, gegenüber der Beklagten die laufende Ausschlussfrist zu wahren. Dementsprechend hat die Beklagte auch nicht behauptet, die Ausschlussfrist wäre auch dann versäumt worden, wenn sie ihrer Unterrichtungspflicht nachgekommen wäre (vgl. zur Beweislastumkehr BGH 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10 - Rn. 28, NJW 2012, 2427). Deshalb könnte sich die Beklagte nicht auf den gerade aus dem Betriebsübergang folgenden Eintritt in die mit dem Betriebsveräußerer vereinbarten Vertragsbedingungen berufen.

53

5. Zinsen ab dem 1. Oktober 2010 kann die Klägerin gemäß §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 Satz 1 BGB verlangen, da sie die Beklagte mit Schreiben vom 26. August 2010 in Verzug gesetzt hat.

54

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Ein Grund für die Zulassung der Revision iSv. § 72 ArbGG bestand nicht.

55

Auf die Möglichkeit, gemäß § 72a ArbGG gegen die Nichtzulassung der Revision Beschwerde einzulegen, wird hingewiesen.


ra.de-Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 18. Dez. 2012 - 7 Sa 220/12

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(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

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Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 30. April 2008 - 7 Sa 586/07 - aufgehoben.

Referenzen

(1) Wer ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführt, haftet für alle im Betriebe des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers. Die in dem Betriebe begründeten Forderungen gelten den Schuldnern gegenüber als auf den Erwerber übergegangen, falls der bisherige Inhaber oder seine Erben in die Fortführung der Firma gewilligt haben.

(2) Eine abweichende Vereinbarung ist einem Dritten gegenüber nur wirksam, wenn sie in das Handelsregister eingetragen und bekanntgemacht oder von dem Erwerber oder dem Veräußerer dem Dritten mitgeteilt worden ist.

(3) Wird die Firma nicht fortgeführt, so haftet der Erwerber eines Handelsgeschäfts für die früheren Geschäftsverbindlichkeiten nur, wenn ein besonderer Verpflichtungsgrund vorliegt, insbesondere wenn die Übernahme der Verbindlichkeiten in handelsüblicher Weise von dem Erwerber bekanntgemacht worden ist.

Ansprüche auf Arbeitsentgelt, die einen Anspruch auf Insolvenzgeld begründen, gehen mit dem Antrag auf Insolvenzgeld auf die Bundesagentur über. § 165 Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend. Die gegen die Arbeitnehmerin oder den Arbeitnehmer begründete Anfechtung nach der Insolvenzordnung findet gegen die Bundesagentur statt.

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

(1) Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. Satz 2 gilt nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. Vor Ablauf der Frist nach Satz 2 können die Rechte und Pflichten geändert werden, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt oder bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer vereinbart wird.

(2) Der bisherige Arbeitgeber haftet neben dem neuen Inhaber für Verpflichtungen nach Absatz 1, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden, als Gesamtschuldner. Werden solche Verpflichtungen nach dem Zeitpunkt des Übergangs fällig, so haftet der bisherige Arbeitgeber für sie jedoch nur in dem Umfang, der dem im Zeitpunkt des Übergangs abgelaufenen Teil ihres Bemessungszeitraums entspricht.

(3) Absatz 2 gilt nicht, wenn eine juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft durch Umwandlung erlischt.

(4) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils ist unwirksam. Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt.

(5) Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber hat die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten über:

1.
den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,
2.
den Grund für den Übergang,
3.
die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und
4.
die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.

(6) Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden.

Ansprüche auf Arbeitsentgelt, die einen Anspruch auf Insolvenzgeld begründen, gehen mit dem Antrag auf Insolvenzgeld auf die Bundesagentur über. § 165 Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend. Die gegen die Arbeitnehmerin oder den Arbeitnehmer begründete Anfechtung nach der Insolvenzordnung findet gegen die Bundesagentur statt.

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

(1) Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. Satz 2 gilt nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. Vor Ablauf der Frist nach Satz 2 können die Rechte und Pflichten geändert werden, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt oder bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer vereinbart wird.

(2) Der bisherige Arbeitgeber haftet neben dem neuen Inhaber für Verpflichtungen nach Absatz 1, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden, als Gesamtschuldner. Werden solche Verpflichtungen nach dem Zeitpunkt des Übergangs fällig, so haftet der bisherige Arbeitgeber für sie jedoch nur in dem Umfang, der dem im Zeitpunkt des Übergangs abgelaufenen Teil ihres Bemessungszeitraums entspricht.

(3) Absatz 2 gilt nicht, wenn eine juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft durch Umwandlung erlischt.

(4) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils ist unwirksam. Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt.

(5) Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber hat die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten über:

1.
den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,
2.
den Grund für den Übergang,
3.
die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und
4.
die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.

(6) Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden.

(1) Wer ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführt, haftet für alle im Betriebe des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers. Die in dem Betriebe begründeten Forderungen gelten den Schuldnern gegenüber als auf den Erwerber übergegangen, falls der bisherige Inhaber oder seine Erben in die Fortführung der Firma gewilligt haben.

(2) Eine abweichende Vereinbarung ist einem Dritten gegenüber nur wirksam, wenn sie in das Handelsregister eingetragen und bekanntgemacht oder von dem Erwerber oder dem Veräußerer dem Dritten mitgeteilt worden ist.

(3) Wird die Firma nicht fortgeführt, so haftet der Erwerber eines Handelsgeschäfts für die früheren Geschäftsverbindlichkeiten nur, wenn ein besonderer Verpflichtungsgrund vorliegt, insbesondere wenn die Übernahme der Verbindlichkeiten in handelsüblicher Weise von dem Erwerber bekanntgemacht worden ist.

(1) Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. Satz 2 gilt nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. Vor Ablauf der Frist nach Satz 2 können die Rechte und Pflichten geändert werden, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt oder bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer vereinbart wird.

(2) Der bisherige Arbeitgeber haftet neben dem neuen Inhaber für Verpflichtungen nach Absatz 1, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden, als Gesamtschuldner. Werden solche Verpflichtungen nach dem Zeitpunkt des Übergangs fällig, so haftet der bisherige Arbeitgeber für sie jedoch nur in dem Umfang, der dem im Zeitpunkt des Übergangs abgelaufenen Teil ihres Bemessungszeitraums entspricht.

(3) Absatz 2 gilt nicht, wenn eine juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft durch Umwandlung erlischt.

(4) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils ist unwirksam. Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt.

(5) Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber hat die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten über:

1.
den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,
2.
den Grund für den Übergang,
3.
die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und
4.
die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.

(6) Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden.

Ein Dienstverhältnis, bei dem der Schuldner der Dienstberechtigte ist, kann vom Insolvenzverwalter und vom anderen Teil ohne Rücksicht auf eine vereinbarte Vertragsdauer oder einen vereinbarten Ausschluß des Rechts zur ordentlichen Kündigung gekündigt werden. Die Kündigungsfrist beträgt drei Monate zum Monatsende, wenn nicht eine kürzere Frist maßgeblich ist. Kündigt der Verwalter, so kann der andere Teil wegen der vorzeitigen Beendigung des Dienstverhältnisses als Insolvenzgläubiger Schadenersatz verlangen.

(1) Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. Satz 2 gilt nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. Vor Ablauf der Frist nach Satz 2 können die Rechte und Pflichten geändert werden, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt oder bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer vereinbart wird.

(2) Der bisherige Arbeitgeber haftet neben dem neuen Inhaber für Verpflichtungen nach Absatz 1, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden, als Gesamtschuldner. Werden solche Verpflichtungen nach dem Zeitpunkt des Übergangs fällig, so haftet der bisherige Arbeitgeber für sie jedoch nur in dem Umfang, der dem im Zeitpunkt des Übergangs abgelaufenen Teil ihres Bemessungszeitraums entspricht.

(3) Absatz 2 gilt nicht, wenn eine juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft durch Umwandlung erlischt.

(4) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils ist unwirksam. Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt.

(5) Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber hat die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten über:

1.
den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,
2.
den Grund für den Übergang,
3.
die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und
4.
die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.

(6) Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden.

(1) Wer ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführt, haftet für alle im Betriebe des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers. Die in dem Betriebe begründeten Forderungen gelten den Schuldnern gegenüber als auf den Erwerber übergegangen, falls der bisherige Inhaber oder seine Erben in die Fortführung der Firma gewilligt haben.

(2) Eine abweichende Vereinbarung ist einem Dritten gegenüber nur wirksam, wenn sie in das Handelsregister eingetragen und bekanntgemacht oder von dem Erwerber oder dem Veräußerer dem Dritten mitgeteilt worden ist.

(3) Wird die Firma nicht fortgeführt, so haftet der Erwerber eines Handelsgeschäfts für die früheren Geschäftsverbindlichkeiten nur, wenn ein besonderer Verpflichtungsgrund vorliegt, insbesondere wenn die Übernahme der Verbindlichkeiten in handelsüblicher Weise von dem Erwerber bekanntgemacht worden ist.

(1) Die in betreff der Kaufleute gegebenen Vorschriften finden auch auf die Handelsgesellschaften Anwendung.

(2) Die Rechte und Pflichten eines Vereins, dem das Gesetz ohne Rücksicht auf den Gegenstand des Unternehmens die Eigenschaft eines Kaufmanns beilegt, bleiben unberührt, auch wenn die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 nicht vorliegen.

(1) Wird ein zu einem Nachlasse gehörendes Handelsgeschäft von dem Erben fortgeführt, so finden auf die Haftung des Erben für die früheren Geschäftsverbindlichkeiten die Vorschriften des § 25 entsprechende Anwendung.

(2) Die unbeschränkte Haftung nach § 25 Abs. 1 tritt nicht ein, wenn die Fortführung des Geschäfts vor dem Ablaufe von drei Monaten nach dem Zeitpunkt, in welchem der Erbe von dem Anfalle der Erbschaft Kenntnis erlangt hat, eingestellt wird. Auf den Lauf der Frist finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften des § 210 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechende Anwendung. Ist bei dem Ablaufe der drei Monate das Recht zur Ausschlagung der Erbschaft noch nicht verloren, so endigt die Frist nicht vor dem Ablaufe der Ausschlagungsfrist.

(1) Wer ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführt, haftet für alle im Betriebe des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers. Die in dem Betriebe begründeten Forderungen gelten den Schuldnern gegenüber als auf den Erwerber übergegangen, falls der bisherige Inhaber oder seine Erben in die Fortführung der Firma gewilligt haben.

(2) Eine abweichende Vereinbarung ist einem Dritten gegenüber nur wirksam, wenn sie in das Handelsregister eingetragen und bekanntgemacht oder von dem Erwerber oder dem Veräußerer dem Dritten mitgeteilt worden ist.

(3) Wird die Firma nicht fortgeführt, so haftet der Erwerber eines Handelsgeschäfts für die früheren Geschäftsverbindlichkeiten nur, wenn ein besonderer Verpflichtungsgrund vorliegt, insbesondere wenn die Übernahme der Verbindlichkeiten in handelsüblicher Weise von dem Erwerber bekanntgemacht worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 192/06 Verkündet am:
24. September 2008
Vorusso,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Frage der Fortführung eines Handelsgeschäfts i.S. von § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB
durch eine sukzessiv erfolgende Übernahme des Unternehmens und Fortführung
desselben unter Beibehaltung der prägenden Firmenbestandteile.
BGH, Urteil vom 24. September 2008 - VIII ZR 192/06 - OLG Hamm
LG Münster
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 24. September 2008 durch den Vorsitzenden Richter Ball, die Richter Wiechers
und Dr. Frellesen, die Richterin Dr. Hessel sowie den Richter Dr. Achilles

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 9. Mai 2006 aufgehoben. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Münster vom 16. September 2005 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin nimmt die unter der Bezeichnung "Fussbodenbau Salur GmbH" firmierende Beklagte auf Bezahlung von Warenlieferungen nach den Grundsätzen der Haftung für eine Firmenfortführung in Anspruch.
2
Die Klägerin stand mehrere Jahre lang mit der Industrie-Böden Salur GmbH (im Folgenden: IB) in Geschäftsbeziehung. Nach Gründung der Beklagten im August 2003 unterhielt die Klägerin auch Geschäftsbeziehungen zu dieser. Sowohl die Beklagte als auch die IB stellen bzw. stellten Industrieböden her. Beide Unternehmen waren unter derselben Adresse ansässig und hatten dieselben Telefon- und Faxnummern sowie denselben Geschäftsführer und Gründungsgesellschafter, Herrn S. . Ferner waren mindestens drei Mitarbeiter der IB für die Beklagte tätig. Beide Unternehmen unterhielten jedoch eigene Bankverbindungen.
3
Die IB kaufte von der Klägerin in den Jahren 2003 und 2004 mehrere Tonnen Stahldrahtfaser im Gesamtwert von 20.995,63 €. Eine Bezahlung der Waren erfolgte nicht. Die IB stellte ihre Geschäfte zum 30. Juni 2004 ein. Über ihr Vermögen ist durch Beschluss vom 15. November 2004 das Insolvenzverfahren eröffnet worden.
4
Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte hafte für ihre Forderungen gegen die IB gemäß § 25 Abs. 1 HGB, da sie deren Handelsgeschäft fortführe. Die Beklagte habe die IB vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten "ausbluten" lassen und dann sukzessive übernommen. Die Beklagte ist der Ansicht , es fehle an einer Fortführung des Handelsgeschäfts. Beide Unternehmen seien - was unstrittig ist - fast eineinhalb Jahre parallel nebeneinander am Markt werbend tätig gewesen und hätten eigene Aufträge gehabt.
5
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von 20.995,63 € nebst Zinsen an die Klägerin verurteilt. Auf die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

6
Die Revision hat Erfolg.

I.

7
Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
8
Die Beklagte hafte nicht für die Forderung der Klägerin gegen die IB gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB, da die Beklagte weder das Handelsgeschäft noch die Firma der IB fortgeführt habe.
9
Der Erwerber eines Handelsgeschäfts hafte gemäß § 25 HGB, wenn es trotz des Erwerbs nach außen so wirke, als ob ein Unternehmen kontinuierlich am Markt bleibe. Dies sei hier nicht der Fall, da beide Unternehmen zeitweilig ihre Geschäftstätigkeit parallel ausgeübt hätten. Entscheidend sei, dass die IB seit Gründung der Beklagten im August 2003 auf demselben Geschäftsfeld werbend tätig geblieben sei und auch nicht unerhebliche Umsätze, wenn auch geringere als zuvor, erzielt habe. Der Rechtsverkehr habe von zwei konkurrierenden Unternehmen ausgehen müssen.
10
Auch fehle es an der Fortführung der Firma der IB. Der Rechtsverkehr habe über ein Jahr beide Firmen parallel am Markt gekannt, was der Fortführung einer einzigen Firma widerspreche. Im Übrigen seien die benutzten Worte zu unterschiedlich, als dass von einer einzigen Firma ausgegangen werden könne.

II.

11
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises von 20.995,63 € gemäß § 433 BGB i.V.m. § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB aus den Waren- lieferungen an die IB zu. Zu Unrecht verneint das Berufungsgericht die Haftung der Beklagten für die Forderung der Klägerin gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB. Die Beklagte hat das Handelsgeschäft der IB unter Lebenden erworben und es unter deren Firma fortgeführt.
12
Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs greift die Haftung gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB ein, wenn zwar der Unternehmensträger wechselt, das Unternehmen selbst aus der Sicht des maßgeblichen Verkehrs aber im Wesentlichen unverändert unter der alten Firmenbezeichnung fortgeführt wird (BGH, Urteil vom 28. November 2005 - II ZR 355/03, NJW 2006, 1002, Tz. 7 m.w.N.). So ist es hier.
13
1. Von einer Unternehmensfortführung geht der maßgebliche Verkehr aus, wenn ein Betrieb von einem neuen Inhaber in seinem wesentlichen Bestand unverändert weitergeführt wird, der Tätigkeitsbereich, die innere Organisation und die Räumlichkeiten ebenso wie Kunden- und Lieferantenbeziehungen jedenfalls im Kern beibehalten und/oder Teile des Personals übernommen werden (BGH, aaO, Tz. 9 m.w.N.). Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es für den Erwerb im Sinne von § 25 Abs. 1 HGB auch nicht darauf an, ob ein rechtsgeschäftlicher, derivativer Erwerb zugrunde liegt. Erforderlich ist nur die bloße Tatsache der Geschäftsfortführung (BGH, aaO, Tz. 9; BGH, Urteil vom 4. November 1991 - II ZR 85/91, NJW 1992, 911, unter III 2). Die Beklagte hat das Handelsgeschäft der IB im vorgenannten Sinne übernommen und fortgeführt.
14
a) Nach den insoweit unangegriffenen Tatsachenfeststellungen des Landgerichts, auf die sich das Berufungsgericht beruft, haben die Beklagte und die IB denselben Unternehmensgegenstand, nämlich die Herstellung von Industrieböden ; sie benutzten dieselben Betriebsräumlichkeiten (inklusive der Büroorganisation) und Fax- und Telefonanschlüsse, ferner hat die Beklagte zumindest drei Angestellte der IB übernommen. Darüber hinaus warb die Beklagte , obwohl sie selbst erst im August 2003 gegründet wurde, auch gegenüber Kunden der IB mit ihrer langjährigen Fachkompetenz und verwies auf Referenzobjekte , die die IB erstellt hatte.
15
b) Der Unternehmensfortführung der IB durch die Beklagte steht auch nicht - anders als das Berufungsgericht meint - entgegen, dass die IB und die Beklagte vom Zeitpunkt der Gründung der Beklagten im August 2003 bis zur Aufgabe des Geschäftsbetriebs durch die IB zum 30. Juni 2004 etwa ein Jahr lang parallel auf dem Markt werbend tätig blieben. Auch eine sukzessiv erfolgende Unternehmensübernahme kann eine Fortführung des Handelsgeschäfts im Sinne von § 25 Abs. 1 HGB sein.
16
Maßgeblich dafür ist, ob sich für den Rechtsverkehr die Betätigung des übernehmenden Unternehmens als Weiterführung des ursprünglichen Unternehmens in seinem wesentlichen Bestand darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 4. November 1991, aaO, unter III 1 m.w.N.). Dies war hier, wie ausgeführt, der Fall.
17
Da die Beklagte unter der gleichen Anschrift und Telefonnummer wie die IB und teils mit Mitarbeitern der IB gegenüber den Kunden der IB mit deren Referenzobjekten warb, musste der Rechtsverkehr - entgegen der Beurteilung des Berufungsgerichts - gerade nicht von zwei konkurrierenden Unternehmen, sondern von einem einheitlichen Unternehmen ausgehen. Hinzu kommt, dass die von der IB einerseits und der Beklagten andererseits verwendeten Briefbögen sich in ihrer optischen Aufmachung und inhaltlichen Gestaltung so ähneln, dass auch insoweit die Kontinuität eines einzigen Unternehmens aus der maßgeblichen Sicht des Rechtsverkehrs nach außen in Erscheinung tritt. Da es dazu keiner zusätzlichen tatrichterlichen Feststellungen bedarf, kann der Senat dies selbst entscheiden. Unter Berücksichtigung dieser konkreten Verhältnisse traten die IB und die Beklagte nicht wie zwei konkurrierende Unternehmen auf, sondern wie ein einheitliches.
18
2. Zu Unrecht verneint das Berufungsgericht auch die Fortführung der Firma der IB durch die Beklagte.
19
Beim Wechsel des Inhabers ist die Firmenfortführung deshalb eine Voraussetzung für die in § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB vorgesehene Haftung, weil in ihr die Kontinuität des Unternehmens nach außen in Erscheinung tritt, welche der tragende Grund für die Erstreckung der Haftung für früher im Betrieb des Unternehmens begründete Verbindlichkeiten des Vorgängers auf seinen Nachfolger ist (BGH, Urteil vom 28. November 2005, aaO, Tz. 7; BGH, Urteil vom 4. November 1991, aaO, unter IV 1). Dabei kommt es nicht auf eine wort- und buchstabengetreue Übereinstimmung zwischen alter und neuer Firma, sondern nur darauf an, ob aus der Sicht des Verkehrs trotz vorgenommener Änderungen noch eine Fortführung der Firma vorliegt (BGH, Urteil vom 4. November 1991, aaO). Dies ist dann der Fall, wenn der prägende Teil der alten Firma in der neuen beibehalten wird (BGH, Urteil vom 15. März 2004 - II ZR 324/01, NJWRR 2004, 1172, unter 2; BGH, Urteil vom 28. November 2005, aaO, Tz. 12).
20
Der prägende Teil der Firma der IB bestand in der Bezeichnung des Tätigkeitsbereichs "Industrieböden" in Verbindung mit dem Namen "Salur". In der Firma der Beklagten wird der annähernd gleiche Tätigkeitsbereich "Fussbodenbau" ebenfalls mit dem Namen "Salur" verknüpft. Dies reicht zur Annahme einer Firmenfortführung aus. Dadurch wird es dem Träger des Namens "Salur" - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - nicht verwehrt, sich auf dem Gebiet der Herstellung von Fußböden seines Namens zu bedienen. Insoweit weist die Revision zutreffend auf die Möglichkeit eines Haftungsausschlusses gemäß § 25 Abs. 2 HGB durch eine Eintragung in das Handelsregister hin.
21
3. Die Insolvenz der IB schließlich ist für die Haftung der Beklagten aus § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB unerheblich.
22
Zutreffend weist das Berufungsgericht (BU 4) zwar darauf hin, dass der Erwerb von Vermögenswerten der IB durch die Beklagte, soweit er vom Insolvenzverwalter der IB erfolgte, keine Haftung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB auslöst (BGH, Urteil vom 4. November 1991, aaO, unter II 2 m.w.N.; vgl. auch BGH, Urteil vom 28. November 2005, aaO, Tz. 14). Hier ist das Unternehmen der IB jedoch - wie oben dargelegt - schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der IB in seinem wesentlichen Bestand unverändert von der Beklagten fortgeführt worden. Dass die IB möglicherweise auch schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens insolvent war, ist für die Haftung aus § 25 Abs. 1 HGB demgegenüber irrelevant (BGH, Urteil vom 28. November 2005, aaO, Ls. 4).

III.

23
Das Berufungsurteil kann somit keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil es weiterer Feststellungen nicht bedarf (§ 563 Abs. 3 ZPO). Da die Klage begründet ist, ist die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen. Ball Wiechers Dr. Frellesen Dr. Hessel Dr. Achilles
Vorinstanzen:
LG Münster, Entscheidung vom 16.09.2005 - 10 O 560/04 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 09.05.2006 - 19 U 157/05 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
II ZR 355/03 Verkündet am:
28. November 2005
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Die Firmenfortführung beim Wechsel des Inhabers ist eine der Voraussetzungen für die
Haftung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB, weil in ihr die Kontinuität des Unternehmens nach
außen in Erscheinung tritt, die der Grund für die Erstreckung der Haftung für früher im
Betrieb des Unternehmens begründete Verbindlichkeiten des Vorgängers auf seinen
Nachfolger ist.

b) Eine für die Anwendbarkeit des § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB weiter erforderliche Unternehmensfortführung
ist nach der maßgeblichen Sicht der beteiligten Verkehrskreise gegeben,
wenn ein Unternehmen in seinem wesentlichen Bestand fortgeführt wird. Dabei kommt es
auf die bloße Tatsache der Geschäftsfortführung an, nicht darauf, ob ihr ein rechtsgeschäftlicher
, derivativer Erwerbsvorgang zugrunde liegt.

c) Eine Firmenfortführung ist nach der auch hier maßgebenden Sicht des betroffenen Verkehrs
anzunehmen, wenn die von dem bisherigen Inhaber tatsächlich geführte und von
dem Erwerber weitergeführte Firma eine derart prägende Kraft besitzt, dass der Verkehr
sie mit dem Unternehmen gleichsetzt und in dem Verhalten des Erwerbers eine Fortführung
der bisherigen Firma sieht. Dabei genügt es, dass der prägende Teil der alten Firma
in der neuen beibehalten wird.

d) Die Tatsache, dass ein zahlungsunfähiges und insolventes Unternehmen fortgeführt wird,
steht der Anwendung des § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB nicht entgegen.

e) Die Haftung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB tritt unabhängig davon ein, ob das übernommene
und fortgeführte Unternehmen noch einen zur Befriedigung seiner Gläubiger ausreichenden
Wert verkörpert.
BGH, Versäumnisurteil vom 28. November 2005 - II ZR 355/03 - OLG Hamm
LG Bielefeld
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche
Verhandlung vom 28. November 2005 durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly, Münke, Dr. Strohn und
Dr. Reichart

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 28. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 11. September 2003 wird auf Kosten des Streithelfers der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Kläger nimmt die Beklagte gemäß § 25 Abs. 1 HGB auf Bezahlung von - der Höhe nach unstreitigen - Vergütungsansprüchen aus anwaltlicher Vertretung der P. GmbH & Co. KG (im Folgenden: KG) in Anspruch.
2
Die KG betrieb seit September 1984 in einer gemieteten Halle eine Diskothek mit Gastronomie. Nachdem ihr wegen Mietrückstands gekündigt worden war, gab sie die Mieträume am 15. November 1999 an die Vermieterin heraus. Diese vermietete die Räumlichkeiten noch am selben Tag an die Getränkefirma , die die Diskothek beliefert hatte. Die Getränkefirma schloss ebenfalls noch am 15. November 1999 mit der beklagten eingetragenen Kauffrau, deren Ehemann Gesellschafter der - inzwischen im Handelsregister gelöschten - KG war und die seit 1985 leitende Angestellte dieser Gesellschaft gewesen war, einen Untermietvertrag. Seit diesem Tag hat die Beklagte die Diskothek in derselben Weise und in demselben Umfang betrieben, wie sie vorher von der KG geführt worden war. Die Beklagte hat das Inventar der Diskothek, das Sicherungseigentum einer Brauerei war, weiter benutzt und den Telefonanschluss, die Telefonanlage, das Faxgerät, die EDV-Anlage und den Warenbestand der KG sowie 90 der 220 Mitarbeiter übernommen und den Betrieb ohne Unterbrechung und im Einverständnis mit der KG unter deren Kurzbezeichnung "P." weitergeführt.
3
Das Landgericht hat die auf Zahlung von 21.121,69 € nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat ihr bis auf einen Teil der Zinsforderungen stattgegeben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision erstrebt der Streithelfer der Beklagten für diese die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


4
Über die Revision ist durch Versäumnisurteil zu entscheiden, weil der Kläger im Verhandlungstermin trotz dessen rechtzeitiger Bekanntgabe nicht vertreten war. Die Entscheidung beruht inhaltlich jedoch nicht auf der Säumnis, sondern auf einer Sachprüfung (BGHZ 37, 79, 82).
5
Die Revision des Streithelfers der Beklagten ist nicht begründet.
6
Das Berufungsgericht hat die Beklagte mit Recht für verpflichtet gehalten , die gegen die KG begründeten Vergütungsforderungen des Klägers zu bezahlen. Die Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB liegen vor. Die Beklagte hat das Handelsgeschäft der KG unter Lebenden erworben und unter der Firma der KG fortgeführt.
7
1. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats ist die Firmenfortführung beim Wechsel des Inhabers deswegen eine der Voraussetzungen für die Auslösung der Haftung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB, weil in ihr die Kontinuität des Unternehmens nach außen in Erscheinung tritt, welche der tragende Grund für die Erstreckung der Haftung für früher im Betrieb des Unternehmens begründete Verbindlichkeiten des Vorgängers auf seinen Nachfolger ist (vgl. Sen.Urt. v. 15. März 2004 - II ZR 324/01, ZIP 2004, 1103, 1104 m.w.Nachw.). Die Vorschrift greift danach ein, wenn zwar der Unternehmensträger wechselt, das Unternehmen selbst aus der Sicht des maßgeblichen Verkehrs aber im Wesentlichen unverändert unter der alten Firmenbezeichnung fortgeführt wird. Das ist hier der Fall.
8
a) Zu Recht nimmt das Berufungsgericht an, dass die Beklagte das Unternehmen der KG unter Lebenden erworben und fortgeführt hat.
9
Von Unternehmensfortführung geht der maßgebliche Verkehr aus, wenn ein Betrieb von einem neuen Inhaber in seinem wesentlichen Bestand unverändert weitergeführt wird, der Tätigkeitsbereich, die innere Organisation und die Räumlichkeiten ebenso wie Kunden- und Lieferantenbeziehungen jedenfalls im Kern beibehalten und/oder Teile des Personals übernommen werden (vgl. Sen.Urt. v. 16. Januar 1984 - II ZR 114/83, NJW 1984, 1186, 1187; v. 4. November 1991 - II ZR 85/91, ZIP 1992, 398, 399; BGH, Urt. v. 10. Oktober 1985 - IX ZR 153/84, NJW 1986, 581; OLG München, BB 1996, 1682, 1683; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1998, 965). Dabei kommt es nur auf die bloße Tatsache der Geschäftsfortführung an, nicht hingegen darauf, ob ihr ein rechtsge- schäftlicher, derivativer Erwerb zugrunde liegt (Sen.Urt. v. 4. November 1991 aaO 400 m.w.Nachw.; BGH, Urt. v. 10. Oktober 1985 aaO 581 f.).
10
Die Beklagte hat das Unternehmen der KG in diesem Sinne übernommen und fortgeführt. Sie hat unstreitig ohne zeitliche Unterbrechung den Betrieb der KG unter Übernahme der Räumlichkeiten samt Inventar und kommunikationstechnischen Einrichtungen sowie der Lieferantenbeziehungen und eines Teils der Mitarbeiter der KG fortgesetzt.
11
b) Ebenfalls zutreffend ist die Auffassung des Berufungsgerichts, dass die Beklagte den Diskothekbetrieb der KG unter deren Firma fortgeführt hat.
12
Aus der - maßgebenden - Sicht der beteiligten Verkehrskreise ist eine Firmenfortführung anzunehmen, wenn die von dem bisherigen Geschäftsinhaber tatsächlich geführte und von dem Erwerber weitergeführte Firma eine derart prägende Kraft besitzt, dass der Verkehr sie mit dem Unternehmen gleichsetzt und in dem Verhalten des Erwerbers eine Fortführung der bisherigen Firma sieht (Sen.Urt. v. 15. März 2004 - II ZR 324/01, ZIP 2004, 1103, 1104 m.w.Nachw.). Dabei kommt es nicht darauf an, dass die alte Firma unverändert fortgeführt wird; es genügt, dass der prägende Teil der alten Firma in der neuen beibehalten wird (Sen.Urt. v. 15. März 2004 aaO). Danach liegt hier Firmenfortführung vor. Der prägende Teil der Firma der KG bestand in der BuchstabenZahlenkombination "P. ", unter der die Diskothek so eingeführt und bekannt war, dass für die Beklagte nach ihrem Vortrag in einem anderen Rechtsstreit ein Erwerb des Unternehmens ohne diese Bezeichnung nicht in Frage gekommen wäre. Die Firma der Beklagten enthält genau diese, dem Verkehr als Kurzbezeichnung für den Diskothekbetrieb bekannte Buchstaben- und Zahlenfolge. Das reicht zur Annahme einer Firmenfortführung aus.
13
c) Demgegenüber beruft sich die Revision ohne Erfolg darauf, dass die Anwendbarkeit von § 25 HGB kraft teleologischer Reduktion hier ausscheiden müsse, jedenfalls aber der Kläger von der Anwendbarkeit dieser Vorschrift auszunehmen sei.
14
Dass die KG insolvent ist, rechtfertigt es nicht, den Kläger so zu behandeln , als habe die Beklagte das Unternehmen in der Insolvenz erworben (vgl. Sen.Urt. v. 4. November 1991 aaO 399 m.w.Nachw.). § 25 HGB findet hinsichtlich der Verbindlichkeiten der KG gegenüber dem Kläger Anwendung, obwohl diesem bei Begründung seiner Honorarforderungen bekannt war, dass die KG erhebliche Verbindlichkeiten hatte und weitgehend vermögenslos war. Die Revision verkennt, dass § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB eine typisierende Vorschrift ist, die die Haftung des Nachfolgers für Verbindlichkeiten des Vorinhabers allein an die durch Fortführung von Unternehmen und Firma nach außen zum Ausdruck kommende Unternehmenskontinuität knüpft. Die Haftung des Nachfolgers tritt deshalb unabhängig davon ein, ob das übernommene Unternehmen noch einen zur Befriedigung seiner Gläubiger ausreichenden Wert verkörpert (Sen.Urt. v. 4. November 1991 aaO).
15
2. Die Ansprüche des Klägers sind nicht verjährt.
16
Die Revision ist zu Unrecht der Auffassung, die unstreitig am 31. Dezember 2001 ablaufende Verjährungsfrist sei durch das am 3. Dezember 2001 eingegangene Mahngesuch des Klägers nicht unterbrochen worden. Der Mahnbescheid ist zwar erst am 7. März 2002 zugestellt worden. Das Berufungsgericht hat jedoch mit Recht angenommen, dass die Zustellung damit noch "demnächst" i.S. des § 693 ZPO a.F. vorgenommen wurde, weil ihre Verzögerung auf vom Kläger nicht zu vertretenden Umständen beruhte. Das Berufungsgericht hat in der Angabe der Geschäftsanschrift der Beklagten statt der Privatadresse ihrer Inhaberin mit Recht keine vom Kläger zu vertretende Nachlässigkeit gesehen. Der Kläger hat sich, wie das Berufungsgericht mit Tatbestandswirkung festgestellt hat, unwidersprochen darauf berufen, dass das Geschäftslokal der Beklagten nach der früheren Übung zu den üblichen Zustellzeiten der Post besetzt gewesen sei.
Goette Kurzwelly Münke
Strohn Reichart
Vorinstanzen:
LG Bielefeld, Entscheidung vom 11.03.2003 - 2 O 280/02 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 11.09.2003 - 28 U 72/03 -

(1) Wer ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführt, haftet für alle im Betriebe des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers. Die in dem Betriebe begründeten Forderungen gelten den Schuldnern gegenüber als auf den Erwerber übergegangen, falls der bisherige Inhaber oder seine Erben in die Fortführung der Firma gewilligt haben.

(2) Eine abweichende Vereinbarung ist einem Dritten gegenüber nur wirksam, wenn sie in das Handelsregister eingetragen und bekanntgemacht oder von dem Erwerber oder dem Veräußerer dem Dritten mitgeteilt worden ist.

(3) Wird die Firma nicht fortgeführt, so haftet der Erwerber eines Handelsgeschäfts für die früheren Geschäftsverbindlichkeiten nur, wenn ein besonderer Verpflichtungsgrund vorliegt, insbesondere wenn die Übernahme der Verbindlichkeiten in handelsüblicher Weise von dem Erwerber bekanntgemacht worden ist.

(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Diese Vorschrift gilt entsprechend für Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen.

(2) Sind im Tarifvertrag gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien vorgesehen und geregelt (Lohnausgleichskassen, Urlaubskassen usw.), so gelten diese Regelungen auch unmittelbar und zwingend für die Satzung dieser Einrichtung und das Verhältnis der Einrichtung zu den tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

(3) Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten.

(4) Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig. Die Verwirkung von tariflichen Rechten ist ausgeschlossen. Ausschlußfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nur im Tarifvertrag vereinbart werden.

(5) Nach Ablauf des Tarifvertrags gelten seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

(1) Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. Satz 2 gilt nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. Vor Ablauf der Frist nach Satz 2 können die Rechte und Pflichten geändert werden, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt oder bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer vereinbart wird.

(2) Der bisherige Arbeitgeber haftet neben dem neuen Inhaber für Verpflichtungen nach Absatz 1, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden, als Gesamtschuldner. Werden solche Verpflichtungen nach dem Zeitpunkt des Übergangs fällig, so haftet der bisherige Arbeitgeber für sie jedoch nur in dem Umfang, der dem im Zeitpunkt des Übergangs abgelaufenen Teil ihres Bemessungszeitraums entspricht.

(3) Absatz 2 gilt nicht, wenn eine juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft durch Umwandlung erlischt.

(4) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils ist unwirksam. Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt.

(5) Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber hat die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten über:

1.
den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,
2.
den Grund für den Übergang,
3.
die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und
4.
die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.

(6) Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Der Schuldner kann dem neuen Gläubiger die Einwendungen entgegensetzen, die zur Zeit der Abtretung der Forderung gegen den bisherigen Gläubiger begründet waren.

(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Diese Vorschrift gilt entsprechend für Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen.

(2) Sind im Tarifvertrag gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien vorgesehen und geregelt (Lohnausgleichskassen, Urlaubskassen usw.), so gelten diese Regelungen auch unmittelbar und zwingend für die Satzung dieser Einrichtung und das Verhältnis der Einrichtung zu den tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

(3) Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten.

(4) Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig. Die Verwirkung von tariflichen Rechten ist ausgeschlossen. Ausschlußfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nur im Tarifvertrag vereinbart werden.

(5) Nach Ablauf des Tarifvertrags gelten seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

(1) Soweit der Arbeitgeber den Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt nicht erfüllt und deshalb ein Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, geht der Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf den Leistungsträger bis zur Höhe der erbrachten Sozialleistungen über.

(2) Der Übergang wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Anspruch nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden kann.

(3) An Stelle der Ansprüche des Arbeitnehmers auf Sachbezüge tritt im Fall des Absatzes 1 der Anspruch auf Geld; die Höhe bestimmt sich nach den nach § 17 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 des Vierten Buches festgelegten Werten der Sachbezüge.

Der Schuldner kann dem neuen Gläubiger die Einwendungen entgegensetzen, die zur Zeit der Abtretung der Forderung gegen den bisherigen Gläubiger begründet waren.

Auf die Übertragung einer Forderung kraft Gesetzes finden die Vorschriften der §§ 399 bis 404, 406 bis 410 entsprechende Anwendung.

(1) Andere als die in den §§ 422 bis 424 bezeichneten Tatsachen wirken, soweit sich nicht aus dem Schuldverhältnis ein anderes ergibt, nur für und gegen den Gesamtschuldner, in dessen Person sie eintreten.

(2) Dies gilt insbesondere von der Kündigung, dem Verzug, dem Verschulden, von der Unmöglichkeit der Leistung in der Person eines Gesamtschuldners, von der Verjährung, deren Neubeginn, Hemmung und Ablaufhemmung, von der Vereinigung der Forderung mit der Schuld und von dem rechtskräftigen Urteil.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. Satz 2 gilt nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. Vor Ablauf der Frist nach Satz 2 können die Rechte und Pflichten geändert werden, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt oder bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer vereinbart wird.

(2) Der bisherige Arbeitgeber haftet neben dem neuen Inhaber für Verpflichtungen nach Absatz 1, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden, als Gesamtschuldner. Werden solche Verpflichtungen nach dem Zeitpunkt des Übergangs fällig, so haftet der bisherige Arbeitgeber für sie jedoch nur in dem Umfang, der dem im Zeitpunkt des Übergangs abgelaufenen Teil ihres Bemessungszeitraums entspricht.

(3) Absatz 2 gilt nicht, wenn eine juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft durch Umwandlung erlischt.

(4) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils ist unwirksam. Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt.

(5) Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber hat die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten über:

1.
den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,
2.
den Grund für den Übergang,
3.
die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und
4.
die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.

(6) Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 11. Januar 2011 - 4 Sa 62/10 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte als Gesamtschuldnerin neben dem Schuldner L verurteilt wird und Zinsen erst ab dem 12. Februar 2010 zu zahlen hat.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche.

2

Der Inhaber eines Pizza-Bringdienstes L blieb elf Arbeitnehmern für die Zeit vom 1. März bis zum 14. April 2009 die Vergütung schuldig. Die Arbeitnehmer beantragten bei der klagenden Bundesagentur für Arbeit am 20. April 2009 Insolvenzgeld. Am 18. Juni 2009 wurde über das Vermögen des L das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter erteilte der Klägerin am 31. August und 30. September 2009 Insolvenzgeldbescheinigungen, aus denen sich das nicht ausgezahlte Nettoentgelt ergab. Daraufhin zahlte die Klägerin für die Zeit vom 1. März bis zum 14. April 2009 an die elf Arbeitnehmer Insolvenzgeld in Höhe der Klageforderung. Die Beklagte führte den Betrieb des L vom 15. April bis zum 1. September 2009 weiter.

3

In den Arbeitsverträgen des L mit den elf Arbeitnehmern war ua. geregelt:

        

„§ 4 Vergütung

        

…       

        

(2)     

Die Zahlung der Vergütung wird jeweils am 15. des Folgemonats fällig ...

        

…       

        
        

§ 15 Ausschlussfristen

        

(1)     

Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit ihm in Verbindung stehen, sind innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen. Ansprüche, die nicht innerhalb dieser Frist schriftlich geltend gemacht werden, sind verwirkt.

        

(2)     

Bleibt die rechtzeitige Geltendmachung erfolglos, so muss der Anspruch innerhalb einer Frist von drei Monaten nach schriftlicher Ablehnung durch die Gegenpartei eingeklagt werden. Andernfalls ist er ebenfalls verwirkt.“

4

Mit einem an die „H GmbH“ zu Händen der Beklagten als deren Geschäftsführerin gerichteten Schreiben vom 9. September 2009 forderte die Klägerin die Adressatin auf, die von ihr an die elf Arbeitnehmer erbrachten Leistungen zu erstatten. Der spätere Prozessbevollmächtigte der Beklagten lehnte dies namens der „H GmbH“ mit Schreiben vom 20. Oktober 2009 unter Hinweis auf das Nichtvorliegen eines Betriebsübergangs und wegen Verfalls der Ansprüche ab.

5

Mit der am 5. Februar 2010 beim Arbeitsgericht eingereichten und der Beklagten am 11. Februar 2010 zugestellten Klage hat die Klägerin die Vergütung aus übergegangenem Recht beansprucht.

6

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 10.373,95 Euro zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.

7

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Die Ansprüche seien verfallen.

8

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

9

I. Die Revision der Beklagten ist im Wesentlichen unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil im Wesentlichen zu Recht zurückgewiesen. Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung von 10.373,95 Euro (§ 187 SGB III idF bis zum 31. März 2012; jetzt § 169 SGB III iVm. § 611 Abs. 1, § 613a Abs. 2 Satz 1 BGB ). Allerdings haftet die Beklagte nur als Gesamtschuldnerin neben dem früheren Betriebsinhaber L und schuldet Prozesszinsen erst ab dem 12. Februar 2010.

10

1. Die Vergütungsansprüche der elf Arbeitnehmer des L für die Zeit vom 1. März bis zum 14. April 2009 sind in unstreitiger Höhe entstanden.

11

2. Die Ansprüche der elf Arbeitnehmer sind auf die Klägerin übergegangen. Ansprüche auf Arbeitsentgelt, die einen Anspruch auf Insolvenzgeld begründen, gehen mit dem Antrag auf Insolvenzgeld auf die Bundesagentur für Arbeit über (§ 187 SGB III idF bis zum 31. März 2012; jetzt § 169 SGB III). Das Insolvenzgeld wird für rückständige Ansprüche auf Arbeitsentgelt gezahlt, die im Insolvenzgeldzeitraum - die letzten drei dem Insolvenzereignis vorausgehenden Monate des Arbeitsverhältnisses - entstanden sind. Der Übergang erfasst die Bruttoforderung (BAG 11. Februar 1998 - 5 AZR 159/97 - AP BGB § 611 Lohnanspruch Nr. 19 = EzA BGB § 611 Nettolohn, Lohnsteuer Nr. 10; BSG 20. Juni 2001 - B 11 AL 97/00 R - SozR 3-4100 § 141m Nr. 3).

12

3. Die Beklagte haftet als Betriebsübernehmerin für die vor dem Betriebsübergang entstandenen Ansprüche. Die Beklagte hat den Betrieb des L, wie in der Revision nicht mehr streitig ist, iSv. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB am 15. April 2009 und damit bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 18. Juni 2009 übernommen. Ihre Haftung als Betriebserwerberin ist nicht beschränkt (vgl. BAG 20. Juni 2002 - 8 AZR 459/01 - AP InsO § 113 Nr. 10 = EzA BGB § 613a Nr. 211). Sie ist Gesamtschuldnerin neben dem früheren Arbeitgeber L, § 613a Abs. 2 BGB.

13

4. Die Ansprüche sind nicht verfallen.

14

a) Nach den mit L vereinbarten Arbeitsverträgen waren alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis spätestens drei Monate nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen. Blieb die rechtzeitige Geltendmachung erfolglos, so musste der Anspruch innerhalb einer Frist von drei Monaten nach schriftlicher Ablehnung durch die Gegenpartei eingeklagt werden. Andernfalls waren sie verwirkt. Eine solche Regelung kann im Arbeitsvertrag, auch mittels Allgemeiner Geschäftsbedingung, wirksam vereinbart werden ( vgl. BAG 28. September 2005 -  5 AZR 52/05  - BAGE 116, 66 ; 23. September 2009 - 5 AZR 518/08 - AP SGB X § 115 Nr. 15 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 30). Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten weder die erste noch die zweite Stufe der Ausschlussfrist gewahrt. Es kann dahinstehen, ob die Klägerin mit dem an die „H GmbH“ gerichteten Schreiben, welches zu Händen der Beklagten gerichtet war, die Ansprüche überhaupt gegenüber dieser geltend gemacht hat, denn diese Geltendmachung erfolgte jedenfalls nicht binnen drei Monaten nach Fälligkeit. Die Klage ging zudem erst am 5. Februar 2010 beim Arbeitsgericht ein.

15

b) Der Anspruchsübergang steht der Geltung der Ausschlussfrist nicht entgegen, denn Ansprüche gehen so über, wie sie bestehen. Auf einen gesetzlichen Forderungsübergang ( § 412 BGB ) findet § 404 BGB entsprechende Anwendung. Das Erlöschen von Forderungen infolge des Ablaufs von Ausschlussfristen gehört zu den Einwendungen, die der Schuldner nach § 404 BGB auch dem neuen Gläubiger entgegenhalten kann(st. Rspr., BAG 24. Mai 1973 - 5 AZR 21/73 - zu 1 der Gründe, AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 52 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 15; 23. September 2009 - 5 AZR 518/08 - Rn. 32, AP SGB X § 115 Nr. 15 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 30 zu § 115 SGB X).

16

c) Bei der Gesamtschuld bleiben die einzelnen Schuldverhältnisse grundsätzlich selbständig und entwickeln sich unterschiedlich. Nach § 425 Abs. 1 BGB wirken allein Erfüllung, Erlass und Gläubigerverzug für und gegen jeden Gesamtschuldner. Andere „Tatsachen“, die weder in den §§ 422 bis 424 BGB genannt sind noch bezüglich derer sich aus dem Schuldverhältnis „ein anderes“ ergibt, wirken damit nur für und gegen den Gesamtschuldner, in dessen Person sie eintreten. Dies gilt auch für die Geltendmachung zur Wahrung von Ausschlussfristen. Im Fall des Betriebsübergangs sind deshalb über § 425 BGB hinausgehend nur die Tatsachen zu Lasten des Erwerbers zu berücksichtigen, die vor dem Betriebsübergang eingetreten sind. Bei einer zweistufigen Ausschlussfrist kann es deshalb ausreichen, wenn die erste Stufe gegenüber dem Veräußerer und die zweite Stufe gegenüber dem Erwerber gewahrt wird (vgl. BAG 21. März 1991 - 2 AZR 577/90 - zu II 3 c der Gründe, AP BGB § 615 Nr. 49 = EzA BGB § 615 Nr. 68; vgl. auch 23. September 2009 - 5 AZR 518/08 - Rn. 36, AP SGB X § 115 Nr. 15 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 30 ). Im Übrigen führt der Betriebsübergang allein noch nicht zu einer Gesamtwirkung der die Ausschlussfrist wahrenden Rechtshandlungen oder Umstände.

17

d) Doch kann sich der Betriebserwerber nicht auf den Ablauf einer Ausschlussfrist berufen, wenn weder der Betriebsveräußerer noch der Betriebserwerber der Unterrichtungspflicht nach § 613a Abs. 5 BGB nachgekommen und ein innerer Zusammenhang zwischen dieser Pflichtverletzung und der Fristversäumung gegeben ist. In diesem Fall einer unzulässigen Rechtsausübung iSv. § 242 BGB ist dem neuen Arbeitgeber die Berufung auf die Einwendung des Verfalls verwehrt.

18

aa) Nach § 613a Abs. 5 Nr. 3 BGB hat der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber die von einem Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer über die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer in Textform zu unterrichten. Zu den rechtlichen Folgen gehören insbesondere die sich unmittelbar aus dem Betriebsübergang als solchem ergebenden Rechtsfolgen, wie der Eintritt des Übernehmers in die Rechte und Pflichten aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis und die Haftungssystematik des § 613a Abs. 2 BGB( BT-Drucks. 14/7760 S. 19; st. Rspr., vgl. nur BAG 26. Mai 2011 - 8 AZR 18/10 - AP BGB § 613a Nr. 407).

19

bb) Die Unterrichtungspflicht ist Rechtspflicht. Ihre Nichterfüllung kann zu Schadensersatzansprüchen des Arbeitnehmers führen (BAG 9. Dezember 2010 - 8 AZR 592/08 - Rn. 30 mwN). Zugleich stellt es eine unzulässige Rechtsausübung dar, wenn sich der Betriebserwerber auf Vorteile beruft, die ihm wegen der Verletzung der Unterrichtungspflicht entstanden sind. Steht der Erwerb der Rechtsposition in einem inneren Zusammenhang mit einem eigenen rechtsuntreuen Verhalten - sei es vertrags- oder gesetzeswidrig -, handelt rechtsmissbräuchlich, wer diese Rechtsposition geltend macht ( vgl. BGH 7. März 2002 - IX ZR 293/00 - NJW 2002, 1788; 13. November 1998 - V ZR 386/97 - WM 1999, 551; Palandt/Grüneberg BGB 71. Aufl. § 242 Rn. 43). Überdies ist es widersprüchlich, wenn der Betriebsübernehmer, der einen Betriebsübergang leugnet, dem Arbeitnehmer (bzw. dessen Rechtsnachfolger) vorhält, ihn nicht (früher) als Betriebserwerber in Anspruch genommen zu haben. Das Verbot widersprüchlichen Verhaltens als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben bildet eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung. Das Vertrauen des anderen am Rechtsverhältnis beteiligten Teils, dass eine bestimmte Rechtslage gegeben sei, ist vor allem dann schutzwürdig, wenn er von dem anderen Teil in diesem Glauben bestärkt worden ist und im Hinblick darauf Dispositionen getroffen hat. In einem solchen Fall ist die Ausnutzung der durch das widersprüchliche Verhalten geschaffenen Rechtslage wegen der Rechtsüberschreitung unzulässig (BAG 16. Februar 2012 - 6 AZR 553/10 - Rn. 53 mwN, EzA AGG § 3 Nr. 7).

20

Die Anwendung von § 242 BGB ist auch vom Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 13. Februar 2003 (- 8 AZR 236/02 - zu II 2 a der Gründe, AP BGB § 613a Nr. 244 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 162) in Erwägung gezogen worden, obwohl im Zeitpunkt dieser Entscheidung die Unterrichtungspflicht gemäß § 613 Abs. 5 BGB noch nicht bestand.

21

cc) Hiernach ist es der Beklagten verwehrt, sich auf die Versäumung der Ausschlussfrist zu berufen. Die Beklagte hat in den Vorinstanzen jeden Betriebsübergang nachdrücklich in Abrede gestellt. Damit hat sie ihre aus § 613a Abs. 5 BGB folgende gesetzliche Verpflichtung missachtet. Der besondere, rechtlich relevante Zusammenhang zwischen der Verletzung der Unterrichtungspflicht und der Versäumung der Ausschlussfrist ist gegeben. Hätte die Beklagte noch vor dem Betriebsübergang oder zumindest in zeitlichem Zusammenhang mit dem Betriebsübergang die elf Arbeitnehmer des L über den Eintritt ihrer Gesamtschuld unterrichtet, wäre sogar die Beantragung von Insolvenzgeld und die Leistung durch die Klägerin in Frage gestellt worden. In jedem Fall hätte eine Unterrichtung den elf Arbeitnehmern und als deren Rechtsnachfolgerin der Klägerin die Möglichkeit eröffnet, gegenüber der Beklagten die laufende Ausschlussfrist zu wahren. Dementsprechend hat die Beklagte auch nicht behauptet, die Klägerin hätte die Ausschlussfrist auch dann versäumt, wenn sie ihrer Unterrichtungspflicht nachgekommen wäre (vgl. zur Beweislastumkehr BGH 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10 - Rn. 28, NJW 2012, 2427). Deshalb kann sich die Beklagte nicht auf den gerade aus dem Betriebsübergang folgenden Eintritt in die mit dem Betriebsveräußerer vereinbarten Vertragsbedingungen berufen.

22

5. Prozesszinsen kann die Klägerin gemäß §§ 291, 288 BGB erst ab dem der Zustellung folgenden Tag verlangen(vgl. BAG 15. November 2000 - 5 AZR 365/99 - BAGE 96, 228).

23

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    Kremser    

        

    Busch    

        

        

(1) Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. Satz 2 gilt nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. Vor Ablauf der Frist nach Satz 2 können die Rechte und Pflichten geändert werden, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt oder bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer vereinbart wird.

(2) Der bisherige Arbeitgeber haftet neben dem neuen Inhaber für Verpflichtungen nach Absatz 1, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden, als Gesamtschuldner. Werden solche Verpflichtungen nach dem Zeitpunkt des Übergangs fällig, so haftet der bisherige Arbeitgeber für sie jedoch nur in dem Umfang, der dem im Zeitpunkt des Übergangs abgelaufenen Teil ihres Bemessungszeitraums entspricht.

(3) Absatz 2 gilt nicht, wenn eine juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft durch Umwandlung erlischt.

(4) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils ist unwirksam. Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt.

(5) Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber hat die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten über:

1.
den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,
2.
den Grund für den Übergang,
3.
die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und
4.
die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.

(6) Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 20. August 2009 - 6 Sa 765/08 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über den Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses.

2

Die Klägerin war seit dem 1. November 1992 bei der Deutschen Bundespost, der Rechtsvorgängerin der Beklagten, beschäftigt.

3

Zuletzt war die Klägerin für die Beklagte in der K (K) am Standort C tätig.

4

Mit Schreiben vom 26. Juli 2007 informierte die V GmbH (im Folgenden: V) die Klägerin über die beabsichtigte Veräußerung der K an die V zum 1. September 2007 und den hierdurch ausgelösten Betriebsübergang von der Beklagten auf die V. Auszugsweise lautet das Unterrichtungsschreiben:

        

„- II - Unterrichtung über die Betriebsübergangsfolgen

        

Durch den Verkauf kommt es zu einem so genannten Betriebsübergang. Ihr Arbeitsverhältnis geht auf die V über, d.h. die V wird kraft Gesetz Ihr neuer Arbeitgeber. Die für Sie und Ihr Arbeitsverhältnis entscheidende Vorschrift in diesem Zusammenhang ist § 613a BGB, der als Anhang im Wortlaut abgedruckt ist.

        

Vereinfacht ausgedrückt lässt sich festhalten, dass der größte Teil der für Sie bis zum 29.02.04 (Zeitpunkt vor Inkrafttreten der Wochenarbeitszeitverkürzung in der D AG) in der D AG gültigen Arbeitsbedingungen bei dem Wechsel in die V unverändert bestehen bleibt.

        

Ihre Arbeitsbedingungen nach dem Wechsel richten sich nach den Regelungen des mit ver.di vereinbarten Umsetzungstarifvertrags der V. Danach gilt für Vollzeitbeschäftigte in der V eine Wochenarbeitszeit von 38 Stunden. Ihr Gehalt, das Sie am Tag vor der Überleitung zur V bei der DAG haben, wird entsprechend der Systematik der Tarifverträge NBBS mit Stand vom 29.02.2004 umgerechnet, d.h., Sie erhalten bei der V wieder Urlaubsgeld und Sonderzuwendung. Gleichzeitig wird Ihr Gehalt bei einer 38-Stunden-Woche auf 91,25 % abgesenkt.

        

Das Gleiche gilt natürlich für Sie entsprechend, wenn Sie derzeit teilzeitbeschäftigt sind.

        

Im Einzelnen gelten folgende Grundsätze:

        

1.    

Durch den Betriebsübergang tritt für Sie ein Arbeitgeberwechsel von der D AG zur V ein. Ihr Arbeitsverhältnis geht mit allen zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehenden Rechten und Pflichten auf die V über, deren Arbeitnehmer Sie werden. Ihr bisheriges Arbeitsverhältnis zur D AG erlischt.

        

2.    

Die V hat sich mit der Gewerkschaft ver.di über einen Tarifvertrag zur Überleitung von bestimmten Rechten auf das Arbeitsverhältnis bei der V geeinigt, dem so genannten UTV (Tarifvertrag zur Umsetzung des Beschäftigungsbündnisses). Das bedeutet für Sie, dass ein Großteil der tariflichen Regelungen bei der D AG auch bei der V weiter gelten.

        

…       

        
        

8.    

Die Dauer Ihrer Betriebszugehörigkeit bei der D AG bleibt Ihnen auch bei der V erhalten.

        

9.    

Die V haftet auch für Ansprüche aus Ihrem Arbeitsverhältnis, die Ihnen vor dem Betriebsübergang gegen die D AG zustanden.“

5

Mit Wirkung vom 1. September 2007 wurde der Betrieb der K auf die V übertragen. Die Klägerin arbeitete dort zunächst widerspruchslos weiter.

6

Zum 1. März 2008 fand ein weiterer Betriebsübergang der K statt. Es erfolgte eine Übertragung von der V auf die A GmbH (im Folgenden: A). Diesem Betriebsübergang hatte die Klägerin gegenüber der V mit Schreiben vom 13. Februar 2008 widersprochen.

7

Mit Anwaltsschreiben vom 28. April 2008 widersprach die Klägerin dann gegenüber der Beklagten dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses von dieser auf die V zum 1. September 2007.

8

Die Klägerin meint, ihr Arbeitsverhältnis sei nicht von der Beklagten auf die V übergegangen, weil sie dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses wirksam widersprochen habe. Im Zeitpunkt des Widerspruchs sei die Widerspruchsfrist nicht abgelaufen gewesen, da das Unterrichtungsschreiben vom 26. Juli 2007, welches den Betriebsübergang von der Beklagten auf die V zum 1. September 2007 betraf, nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprochen habe und inhaltlich unzureichend gewesen sei. Die Arbeitnehmer seien nicht vollständig über die Folgen des Betriebsübergangs, insbesondere nicht zutreffend über die geltenden Tarifverträge, Arbeitsbedingungen und die Haftungsverteilung informiert worden. Auch habe sie ihr Widerspruchsrecht nicht verwirkt, da sie keine Umstände gesetzt habe, die das Vertrauen der Beklagten hätten begründen können, das Widerspruchsrecht werde nicht mehr ausgeübt.

9

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien zu unveränderten Bedingungen über den 1. September 2007 hinaus fortbesteht.

10

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

11

Sie vertritt die Ansicht, der Widerspruch der Klägerin sei verspätet. Die Unterrichtung über den Betriebsübergang auf die V sei durch ihr Schreiben vom 26. Juli 2007 ordnungsgemäß erfolgt und habe die einmonatige Widerspruchsfrist in Lauf gesetzt. Jedenfalls habe die Klägerin ihr Recht zum Widerspruch aber verwirkt. Das Zeitmoment der Verwirkung sei erfüllt, da die Klägerin ihre Tätigkeit nach der Unterrichtung widerspruchslos über neun Monate für die V fortgesetzt habe. Auch das Umstandsmoment sei gegeben, da die Klägerin mit Schreiben vom 13. Februar 2008 zunächst dem zeitlich nachfolgenden zweiten Betriebsübergang von der V auf die A widersprochen habe und erst zweieinhalb Monate später dem zeitlich vorgelagerten ersten Betriebsübergang von der Beklagten auf die V. Wegen des zeitlich vorausgehenden Widerspruchs gegen den zeitlich nachfolgenden zweiten Betriebsübergang sei bei der Beklagten ein Vertrauen darauf begründet worden, dass die Klägerin dem ersten Betriebsübergang nicht mehr widersprechen werde.

12

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Klägerin das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter, während die Klägerin die Zurückweisung der Revision beantragt.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien besteht über den 1. September 2007 hinaus fort. Die Klägerin hat dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses wirksam widersprochen.

14

I. Das Landesarbeitsgericht hat seine klagestattgebende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Das Unterrichtungsschreiben der V vom 26. Juli 2007 habe nicht den Anforderungen des § 613a BGB entsprochen und mithin die Widerspruchsfrist für die Klägerin nicht in Lauf gesetzt. Daher sei der Widerspruch vom 28. April 2008 nicht verspätet und ihr Arbeitsverhältnis nicht auf die V übergegangen.

15

Es könne dahinstehen, ob die Informationen in dem Unterrichtungsschreiben hinsichtlich der anwendbaren kollektivrechtlichen Regelungen genügend seien. Jedenfalls sei die Klägerin nicht hinreichend über das Haftungssystem des § 613a Abs. 2 BGB unterrichtet worden. Durch die Formulierungen in Ziffer II.9. des Unterrichtungsschreibens werde der Eindruck erweckt, es bestehe fortan eine alleinige Haftung der Übernehmerin.

16

Eine Verwirkung des Widerspruchsrechts sei nicht gegeben. Ob das für die Verwirkung erforderliche Zeitmoment erfüllt sei, könne dahinstehen, da es am Umstandsmoment fehle. Die Klägerin habe keine Umstände gesetzt, die das Vertrauen der Beklagten in die Nichtausübung ihres Widerspruchsrechts hätten rechtfertigen können. Insbesondere habe die Klägerin nicht in einer bei der Beklagten im Hinblick auf den Betriebsübergang vom 1. September 2007 vertrauensbegründenden Form über ihr Arbeitsverhältnis disponiert. Zwar habe die Klägerin dem zeitlich nachfolgenden zweiten Betriebsübergang widersprochen und hierdurch einen erneuten Arbeitgeberwechsel verhindert. Hieraus habe aber die Beklagte nicht den Schluss ziehen dürfen, die Klägerin bestätige den Bestand des Arbeitsverhältnisses mit der V und verzichte endgültig auf die arbeitsvertragliche Bindung zu der Beklagten. Auch die widerspruchslose Weiterarbeit der Klägerin ab dem 1. September 2008 (richtig wohl: 1. September 2007) bei der V begründe keine Verwirkung des Widerspruchsrechts.

17

II. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

18

1. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass die Unterrichtung der Klägerin durch das Schreiben der V vom 26. Juli 2007 über den am 1. September 2007 erfolgenden Betriebsübergang von der Beklagten auf die V nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB entspricht, so dass der Widerspruch der Klägerin vom 28. April 2008 nicht verspätet war.

19

Hierbei durfte das Landesarbeitsgericht offenlassen, ob die Unterrichtung über die weitere Anwendbarkeit bestimmter kollektivrechtlicher Regelungen beim Betriebserwerber zutreffend ist. Das Landesarbeitsgericht hat nämlich zu Recht festgestellt, dass die Unterrichtung zumindest hinsichtlich des Haftungssystems des § 613a Abs. 2 BGB, insbesondere der gesamtschuldnerischen Nachhaftung rechtsfehlerhaft ist.

20

a) Nach § 613a Abs. 5 Nr. 3 BGB hat der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber die von einem Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer über die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer in Textform zu unterrichten. Die Unterrichtung muss präzise sein und darf keine juristischen Fehler enthalten (BAG 20. März 2008 - 8 AZR 1016/06 - NZA 2008, 1354).

21

Zu der erforderlichen Unterrichtung über die rechtlichen Folgen des Betriebsübergangs für den Arbeitnehmer nach § 613a Abs. 5 Nr. 3 BGB gehört ua. der Hinweis auf das Haftungssystem, welches sich aus dem Zusammenspiel der Regelungen in § 613a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BGB ergibt. Die gebotene Information beinhaltet auch die Darstellung der begrenzten gesamtschuldnerischen Nachhaftung gemäß § 613a Abs. 2 BGB. Hiernach haftet der bisherige Arbeitgeber gesamtschuldnerisch mit dem neuen Inhaber für Verpflichtungen nach § 613a Abs. 1 BGB, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach dem Übergang fällig werden. Werden solche entstandenen Verpflichtungen erst nach dem Zeitpunkt des Übergangs fällig, so haftet der bisherige Arbeitgeber für sie nur zeitanteilig.

22

Nur die vollständige Darstellung des Haftungssystems versetzt die Arbeitnehmer in die Lage, gegebenenfalls näheren Rechtsrat einzuholen, wer in welchem Umfang für welche Ansprüche haftet (BAG 23. Juli 2009 - 8 AZR 538/08 - BAGE 131, 258 = AP BGB § 613a Unterrichtung Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 114).

23

b) Dieses Haftungssystem wird im Unterrichtungsschreiben vom 26. Juli 2007 nicht zutreffend wiedergegeben. Während in Ziffer II.1. des Schreibens der Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die V als neue Arbeitgeberin zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs mit allen Rechten und Pflichten aufgezeigt wird, heißt es in Ziffer II.9.: „Die V haftet auch für Ansprüche aus Ihrem Arbeitsverhältnis, die Ihnen vor dem Betriebsübergang gegen die D AG zustanden“. Ziffer II.1. des Unterrichtungsschreibens bringt zum Ausdruck, dass Ansprüche der übergehenden Arbeitnehmer, die vor dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs entstanden sind, ab diesem Zeitpunkt gegenüber der V bestehen. Ob für solche Ansprüche neben der V auch die Beklagte haftet, ergibt sich aus Ziffer II.1. nicht. Diese Frage wird auch durch Ziffer II.9. des Unterrichtungsschreibens nicht ausdrücklich beantwortet. Aus der Formulierung wird nicht klar, ob die Beklagte aus der Haftung ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs ausscheidet, da die V „auch“ für Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis haftet, die vor dem Betriebsübergang entstanden sind. Entscheidende Bedeutung in der gewählten Formulierung besitzt das Wort „auch“. „Auch“ kann einerseits eine Haftung neben der Beklagten ausdrücken (nicht nur die Beklagte haftet, sondern auch die V). Andererseits kann „auch“ stattdessen zum Ausdruck bringen, dass die V nicht nur für Ansprüche ab dem Betriebsübergang, sondern auch für ältere Ansprüche (unbeschränkt) haftet.

24

Allein wegen dieser unklaren und missverständlichen Formulierung ist die Unterrichtung nicht vollständig. Hinzu kommt, dass daneben jeglicher Hinweis auf die Begrenzung der Haftung der Beklagten nach § 613a Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 BGB fehlt. Ebenso wenig wird auf die Tatsache einer gesamtschuldnerischen Haftung der Beklagten und der V hingewiesen.

25

c) Diese unzureichende Unterrichtung wird auch nicht dadurch vervollständigt und zutreffend, dass dem Unterrichtungsschreiben der Gesetzeswortlaut des § 613a BGB beigefügt ist. Die bloße Wiedergabe des Gesetzeswortlauts genügt den Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB nicht. Erforderlich ist eine konkrete betriebsbezogene Darstellung in einer auch für juristische Laien möglichst verständlichen Sprache (BAG 14. Dezember 2006 - 8 AZR 763/05 - AP BGB § 613a Nr. 318 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 63).

26

d) Mangels ordnungsgemäßer Unterrichtung ist die einmonatige Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB mit Zugang der Unterrichtung im Juli 2007 nicht in Lauf gesetzt worden(st. Rspr., BAG 20. Mai 2010 - 8 AZR 734/08 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 19 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 119).

27

2. Die Klägerin hatte im Zeitpunkt der Ausübung des Widerspruchs ihr Widerspruchsrecht nicht verwirkt.

28

a) Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB). Mit ihr wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Sie dient dem Vertrauensschutz und verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner stets dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn dessen Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment). Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckt haben, er wolle sein Recht nicht mehr geltend machen, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist.

29

Nach der Rechtsprechung des Senats kann das Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers (§ 613a Abs. 6 BGB) verwirken (vgl. BAG 12. November 2009 - 8 AZR 751/07 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 12).

30

b) Dem Landesarbeitsgericht ist dahin zu folgen, dass es vorliegend dahinstehen kann, ob das für das Vorliegen einer Verwirkung erforderliche Zeitmoment erfüllt ist. Die Klägerin hat jedenfalls kein Umstandsmoment verwirklicht.

31

c) Das Umstandsmoment ist erfüllt, wenn der Arbeitgeber aufgrund eines Verhaltens des Arbeitnehmers davon ausgehen durfte, der Widerspruch werde nicht mehr ausgeübt. Dies ist der Fall, wenn der Arbeitnehmer zu erkennen gegeben hat, er habe den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber und diesen damit als seinen neuen Arbeitgeber akzeptiert. Regelmäßig ist dies anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer über den Bestand seines Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Betriebserwerber disponiert hat (BAG 23. Juli 2009 - 8 AZR 357/08 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 113). Eine solche Disposition über ihr Arbeitsverhältnis hat die Klägerin nicht getroffen.

32

aa) Weder die widerspruchslose Weiterarbeit des Arbeitnehmers beim Betriebsübernehmer (BAG 2. April 2009 - 8 AZR 318/07 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 8) noch etwaige Vereinbarungen mit dem Betriebserwerber, durch die einzelne Arbeitsbedingungen, etwa die Art und der Umfang der zu erbringenden Arbeitsleistung oder die Höhe der Arbeitsvergütung, geändert werden, stellen Sachverhalte dar, durch die das Umstandsmoment der Verwirkung ausgelöst ist. Im Gegensatz hierzu begründen Dispositionen des Arbeitnehmers über den Bestand seines Arbeitsverhältnisses an sich das für die Annahme einer Verwirkung erforderliche Umstandsmoment. Als Dispositionen über den Bestand des Arbeitsverhältnisses sind nur solche Vereinbarungen oder Verhaltensweisen des Arbeitnehmers anzusehen, durch die es zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses kommt. Dies können insbesondere der Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung mit dem Betriebserwerber oder die widerspruchslose Hinnahme einer vom Betriebserwerber ausgesprochenen Kündigung sein. Auch eine Vereinbarung mit dem Betriebsübernehmer, durch die das Arbeitsverhältnis auf eine völlig neue rechtliche Grundlage gestellt wird, die nicht mehr als Fortführung des bisherigen Vertrags angesehen werden kann, stellt eine Disposition über das Arbeitsverhältnis dar (zB die Begründung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses; vgl. BAG 23. Juli 2009 - 8 AZR 357/08 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 113).

33

Kein Umstandsmoment begründet hingegen die Erhebung einer Kündigungsschutzklage gegen eine vom Erwerber ausgesprochene Kündigung (vgl. BAG 2. April 2009 - 8 AZR 178/07 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 9).

34

bb) Die Beurteilung der Frage, ob ein Recht verwirkt ist, unterliegt grundsätzlich den Tatsachengerichten, die den ihnen zur Begründung des Verwirkungseinwandes vorgetragenen Sachverhalt eigenverantwortlich zu würdigen haben. Allerdings unterliegt der revisionsrechtlichen Überprüfung, ob das Gericht der Tatsacheninstanz alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt hat und die Bewertung dieser Gesichtspunkte von den getroffenen tatsächlichen Feststellungen getragen wird (BAG 20. Mai 2010 - 8 AZR 734/08 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 19 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 119). Dies ist vorliegend der Fall.

35

Zu Recht ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, die Klägerin habe mit dem Widerspruch vom 13. Februar 2008 hinsichtlich des Betriebsübergangs von der V auf die A nicht über den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses disponiert und daher ihr Recht zum Widerspruch am 28. April 2008 nicht verwirkt gehabt. Zutreffend stellt das Landesarbeitsgericht darauf ab, dass die Beklagte aus dem Widerspruch vom 13. Februar 2008 nicht den Schluss ziehen durfte, die Klägerin bestätige mit diesem den Bestand eines Arbeitsverhältnisses mit der V und verzichte endgültig auf eine arbeitsvertragliche Bindung zu der Beklagten. Die Klägerin ist mit ihrem Widerspruch lediglich einer (weiteren) Änderung ihres Vertragspartners entgegengetreten, ohne hiermit eine Disposition oder Aussage über den Vertragspartner sowie den Inhalt und den Bestand ihres zu diesem Zeitpunkt bestehenden Arbeitsverhältnisses zu treffen. Sie hat nicht erklärt: „Ich will bei der V bleiben“, sondern: „Ich will nicht zur A wechseln“.

36

Widerspricht der Arbeitnehmer (zunächst) dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses infolge eines „Zweit-Betriebsübergangs“, ist dies dem Fall vergleichbar, in welchem der Arbeitnehmer zunächst, dh. vor Erklärung des Widerspruchs, gegen eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Betriebserwerber Kündigungsschutzklage erhebt. In beiden Fallgestaltungen erklärt der Arbeitnehmer lediglich gegenüber dem Betriebserwerber, dass er einer Beendigung der aktuell bestehenden Arbeitsvertragsbeziehung entgegentritt. Einen weitergehenden Erklärungswert enthält grundsätzlich weder die Erhebung einer Kündigungsschutzklage noch der Widerspruch hinsichtlich eines Zweit-Betriebsübergangs.

37

3. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist auch nicht deshalb revisionsrechtlich zu beanstanden, weil es sich - wie die Revision rügt - mit dem Wortlaut des Widerspruchsschreibens der Klägerin vom 13. Februar 2008 nicht im Einzelnen auseinandergesetzt hat. Das Berufungsgericht hat dieses Schreiben dahingehend ausgelegt, dass die Beklagte aus ihm nicht den Schluss ziehen durfte, die Klägerin bestätige durch das Schreiben den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses mit der V und verzichte endgültig auf die arbeitsvertragliche Bindung zu der Beklagten.

38

Die Auslegung einer nichttypischen Erklärung, als welche sich das Widerspruchsschreiben der Klägerin vom 13. Februar 2008 darstellt, ist regelmäßig den Tatsachengerichten vorbehalten. Revisionsrechtlich nachprüfbar ist lediglich, ob gesetzliche Auslegungsregeln, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Tatsachenstoff, der für die Auslegung von Bedeutung ist, außer Betracht gelassen worden ist (st. Rspr., vgl. BAG 20. Februar 2001 - 9 AZR 46/00 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Gaststätten Nr. 11 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 139). Dass dem Landesarbeitsgericht bei der Auslegung des Widerspruchsschreibens solche Rechtsfehler unterlaufen sind, ist nicht ersichtlich.

39

4. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Umfug    

        

    Brückmann    

                 

(1) Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. Satz 2 gilt nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. Vor Ablauf der Frist nach Satz 2 können die Rechte und Pflichten geändert werden, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt oder bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer vereinbart wird.

(2) Der bisherige Arbeitgeber haftet neben dem neuen Inhaber für Verpflichtungen nach Absatz 1, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden, als Gesamtschuldner. Werden solche Verpflichtungen nach dem Zeitpunkt des Übergangs fällig, so haftet der bisherige Arbeitgeber für sie jedoch nur in dem Umfang, der dem im Zeitpunkt des Übergangs abgelaufenen Teil ihres Bemessungszeitraums entspricht.

(3) Absatz 2 gilt nicht, wenn eine juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft durch Umwandlung erlischt.

(4) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils ist unwirksam. Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt.

(5) Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber hat die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten über:

1.
den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,
2.
den Grund für den Übergang,
3.
die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und
4.
die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.

(6) Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 30. April 2008 - 7 Sa 586/07 - aufgehoben.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 9. Januar 2007 - 5 Ca 1249/06 lev - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht, weil der Kläger dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses infolge eines Betriebsübergangs widersprochen hat.

2

Der Kläger war ursprünglich bei der Beklagten im Geschäftsbereich C I (CI) beschäftigt und verdiente zuletzt monatlich 3.478,00 Euro brutto.

3

Mit Schreiben vom 22. Oktober 2004 informierte die Beklagte den Kläger über die beabsichtigte Übertragung des Geschäftsbereichs CI auf die A GmbH. Sie teilte ua. mit:

        

„...   

        

die A-G AG plant, den Geschäftsbereich C I (CI) mit Wirkung zum 1. November 2004 auf die A GmbH zu übertragen.

        

Für die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter, die dem Geschäftsbereich CI zugeordnet sind, führt diese Übertragung zu einem automatischen Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse. Dies ist in § 613 a BGB geregelt, dessen Bestimmungen auf den Übergang zwingend anwendbar sind. § 613 a Absatz 5 BGB sieht eine schriftliche Information des von einem solchen Übergang betroffenen Arbeitnehmers vor, der nach § 613 a Absatz 6 BGB dem Übergang auch widersprechen kann.

        

Diese Bestimmungen lauten:

                 

‚Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber hat die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten über:

                 

1.    

den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,

                 

2.    

den Grund für den Übergang,

                 

3.    

die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und

                 

4.    

die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.

        

Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden.’

        

Ihr Arbeitsverhältnis ist dem Geschäftsbereich CI zugeordnet und würde deshalb mit dem 1. November 2004 auf A GmbH übergehen.

        

...     

        

1.    

Zum geplanten Zeitpunkt des Übergangs:            

                 

Das Datum des geplanten Übergangs ist der 1. November 2004.

                          
        

2.    

Zum Grund für den Übergang:            

                 

Grund des Übergangs ist die rechtliche Verselbständigung des Geschäftsbereichs CI in der A GmbH und deren anschließende Veräußerung an N GmbH.

                 

A GmbH mit Sitz in L umfasst das gesamte bisherige CI-Geschäft der A-G AG, also die Geschäftsfelder Film, Finishing und Laborgeräte. A GmbH übernimmt das Vermögen von CI. Hierzu gehören insbesondere Produktionsanlagen, Markenzeichen, Patente und technologisches Know-how, Vorräte und Forderungen.

                 

...     

                 

Das Unternehmen wird mit einem guten Eigenkapital ausgestattet und verfügt über hohe Liquidität, um unerwartet auftretende Risiken bewältigen, in neue Geschäfte investieren und Marktchancen besser nutzen zu können.

        

3.    

Zu den rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer:            

                 

Mit dem Übergang des Geschäftsbereichs CI tritt A GmbH in die bestehenden, unveränderten Arbeitsverhältnisse ein. Zur Klärung und Regelung der Einzelheiten haben A-G AG, A GmbH, Gesamtbetriebsrat der A-G AG sowie die örtlichen Betriebsräte am 24. September 2004 eine Überleitungsvereinbarung ‚zur Klärung der rechtlichen Auswirkungen auf die Arbeitsverhältnisse betroffener Arbeitnehmer, auf die kollektiv-rechtlichen Regelungen sowie auf die betriebsverfassungsrechtlichen Strukturen’ abgeschlossen, die davon geprägt ist, so weit wie möglich Kontinuität zu wahren:

                 

-       

Die bei der A-G AG verbrachten und/ oder von ihr anerkannten Dienstjahre werden als Dienstzeit bei A GmbH anerkannt.

                 

-       

Die Zugehörigkeit zu den Arbeitgeberverbänden der Chemischen Industrie wird auch bei A GmbH bestehen, d.h. es bleibt bei den Chemie-Tarifen.

                 

...     

        

…       

        
        

5.    

Zu Ihrer persönlichen Situation:            

                 

Ihr Arbeitsverhältnis wird von dem geplanten Personalabbau gemäß Ziffer 4 betroffen sein. Sie werden daher nach Abschluss des Verfahrens mit dem Betriebsrat eine entsprechende Kündigung des Arbeitsverhältnisses erhalten. Zur Milderung wirtschaftlicher Nachteile stehen Ihnen die in unserem Sozialplan vorgesehenen Leistungen zu.

                 

Die Kündigungsabsicht wirkt sich auf den Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses nicht aus. Ihr Arbeitsverhältnis geht trotzdem über und Sie sind verpflichtet, Ihre Tätigkeit bei A GmbH fortzuführen. Die nachfolgend dargestellten Konsequenzen eines eventuellen Widerspruchs treffen auch in Ihrem Falle zu.

        

6.    

Zum Widerspruchsrecht:            

                 

Sie haben das Recht, dem Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses auf die A GmbH binnen einer Frist von einem Monat ab Zugang dieses Schreibens schriftlich zu widersprechen. Die Erklärung kann nicht einseitig zurückgenommen oder widerrufen werden. Sie kann auch nicht an eventuelle Bedingungen geknüpft werden.

                 

Sollten Sie dem Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses widersprechen wollen, müsste das schriftlich mit einer von Ihnen unterschriebenen Erklärung innerhalb dieser Frist erfolgen. Eventuelle Widerspruchsschreiben richten Sie bitte ausschließlich an:

                 

...     

        

7.    

Zu den Folgen eines Widerspruchs:            

                 

Im Falle eines fristgerechten Widerspruchs bleibt Ihr Arbeitsverhältnis bei der A-G AG und geht nicht auf die A GmbH über.

                 

Da nach dem Übergang des vollständigen Geschäftsbereichs CI auf A GmbH Ihr bisheriger Arbeitsplatz bei A-G AG nicht mehr vorhanden sein wird und eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nicht besteht, müssen Sie daher im Falle der Ausübung Ihres Widerspruchsrechts mit der Kündigung Ihres Arbeitsverhältnisses durch A-G AG rechnen.

                 

Wir weisen Sie jedoch ausdrücklich darauf hin, dass nach der eindeutigen Regelung in der mit dem Gesamtbetriebsrat der A-G AG und den örtlichen Betriebsräten vereinbarten Überleitungsvereinbarung in diesem Fall kein Anspruch auf eine Abfindung besteht, weder gegenüber der A-G AG, noch gegenüber A GmbH. Im Falle eines Widerspruchs müssen Sie deshalb damit rechnen, Ihren Arbeitsplatz ohne jede finanzielle Leistung zu verlieren.

                 

Außerdem sind bei einer eventuellen Arbeitslosigkeit nach einem Widerspruch Ihre Ansprüche auf Leistungen der Agentur für Arbeit in Frage gestellt.

                 

Wir empfehlen Ihnen daher dringend, von einem Widerspruch abzusehen.

                 

...“   

4

Sodann wurde mit Wirkung zum 1. November 2004 der Geschäftsbereich CI bei der Beklagten ausgegliedert und auf die neu gegründete A GmbH übertragen. Zunächst widersprach der Kläger dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die A GmbH nicht. Mit Schreiben vom 7. Dezember 2004, dem Kläger am 13. Dezember 2004 zugegangen, kündigte die A GmbH das Arbeitsverhältnis aus dringenden betrieblichen Erfordernissen zum 30. Juni 2005. Mit einem weiteren Schreiben, ebenfalls vom 7. Dezember 2004, stellte sie darüber hinaus eine Abfindung iHv. 19.458,00 Euro in Aussicht, die im Austrittsmonat gezahlt werden sollte. Der Kläger erhob gegen die Kündigung keine Kündigungsschutzklage.

5

Die A GmbH stellte am 20. Mai 2005 Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, die am 1. August 2005 erfolgte. Der Kläger schied zum 30. Juni 2005 bei der A GmbH aus, die in Aussicht gestellte Abfindung erhielt er nicht. Der Kläger, der zwischenzeitlich ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen ist, ließ mit Anwaltsschreiben vom 20. Juni 2006 gegenüber der Beklagten dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die A GmbH widersprechen. Er hat dies für wirksam gehalten, weil infolge der nicht ausreichenden Unterrichtung durch die Beklagte im Schreiben vom 22. Oktober 2004 die einmonatige Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB nicht in Gang gesetzt worden sei.

6

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht;

hilfsweise hat er beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 20.224,94 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2005 zu zahlen.

Für den Fall des Obsiegens im Hauptantrag hat er weiter beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, ihm ein qualifiziertes Arbeitszwischenzeugnis zu erteilen.

7

Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt und dazu die Auffassung vertreten, die Unterrichtung des Klägers genüge den gesetzlichen Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB. Deshalb sei der Widerspruch verspätet, jedenfalls aber habe der Kläger sein Widerspruchsrecht verwirkt.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte vor dem Landesarbeitsgericht Erfolg. Mit der zugelassenen Revision will die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Weil das Arbeitsverhältnis des Klägers am 1. November 2004 auf die A GmbH nach § 613a Abs. 1 BGB übergegangen und sein Widerspruch dagegen vom Juni 2006 unwirksam ist, ist die Klage sowohl im Hauptantrag als auch im hilfsweise geltend gemachten Zahlungsantrag unbegründet.

10

A. Das Landesarbeitsgericht hat sein klagestattgebendes Urteil im Wesentlichen wie folgt begründet:

11

Da die Belehrung des Klägers über den Betriebsübergang gem. § 613a Abs. 5 BGB fehlerhaft gewesen sei, habe die einmonatige Frist zum Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses für den Kläger nicht mit Erhalt des Informationsschreibens vom 22. Oktober 2004 zu laufen begonnen. Das Recht des Klägers zum Widerspruch sei bei seiner Ausübung am 20. Juni 2006 auch nicht verwirkt gewesen. Bereits das Zeitmoment sei nicht erfüllt, sondern beginne frühestens ab dem Zeitpunkt zu wirken, von dem der Arbeitnehmer Kenntnis davon erlangt habe, dass die Unterrichtung fehlerhaft gewesen sei. Das könne vorliegend frühestens nach der Stellung des Insolvenzantrages durch die Erwerberin anzunehmen sein. Selbst wenn man dem nicht folge, fehle es jedenfalls am Umstandsmoment. Ein solches habe der Kläger durch die Nichterhebung einer Kündigungsschutzklage nicht verwirklicht, ebenso nicht durch den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages mit einer dritten Gesellschaft. Der Kläger habe auch nicht auf die Ausübung seines Widerspruchsrechts verzichtet, § 144 BGB analog.

12

B. Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

13

I. Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung bestehen nicht. Die Zulässigkeit der Berufung ist Prozessvoraussetzung für das gesamte weitere Verfahren nach Einlegung der Berufung. Sie ist deshalb vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen (BAG 17. Januar 2007 - 7 AZR 20/06 - BAGE 121, 18 = AP TzBfG § 14 Nr. 30 = EzA TzBfG § 14 Nr. 37; 27. Juli 2010 - 1 AZR 186/09 - NZA 2010, 1446). Vorliegend hat der Kläger zweimal Berufung eingelegt, nämlich am 20. März 2007 und - „vorsorglich“ - am 31. Oktober 2007. Jedoch können Rechtsmittel wiederholt eingelegt werden. Ein Rechtsmittelführer kann deshalb bestimmen, ob er eine oder mehrere Berufungen gegen ein arbeitsgerichtliches Urteil einlegen will. Fehlt es an einer ausdrücklichen Erklärung, kommt es auf das prozessuale Verhalten des Rechtsmittelführers an (BAG 17. Oktober 1995 - 3 AZR 863/94 - AP ZPO § 518 Nr. 66 = EzA ArbGG 1979 § 66 Nr. 21). Der Kläger hat klargestellt, dass er die zweite Berufung nur einlegt, weil er vorher das erstinstanzliche Urteil nochmals in korrekter Fassung zugestellt bekommen hatte. Er hat sich auf sein bisheriges Berufungsvorbringen bezogen und dadurch deutlich gemacht, dass er in Kenntnis der richtigen Fassung des Arbeitsgerichtsurteils keine neuen Berufungsgründe darlegen muss. Das prozessuale Verhalten des Klägers wirft daher keinerlei Unklarheiten auf, die Zweifel an der von ihm geführten Berufung begründet hätten.

14

II. Der Kläger konnte dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses grundsätzlich noch widersprechen.

15

Wie der Senat bereits in einer Vielzahl von gleich gelagerten Fällen entschieden hat, entspricht die Unterrichtung durch die Beklagte vom 22. Oktober 2004 über den beabsichtigten Betriebsteilübergang nicht den Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB. Sie setzt damit die einmonatige Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB für die betroffenen Arbeitnehmer nicht in Lauf(vgl. zB 20. März 2008 - 8 AZR 1016/06 - NZA 2008, 1354 oder 24. Juli 2008 - 8 AZR 175/07 - AP BGB § 613a Nr. 347).

16

III. Das Widerspruchsrecht des Klägers ist aber verwirkt.

17

Das Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses nach § 613a Abs. 6 BGB kann grundsätzlich verwirken(st. Rspr. des Senats, vgl. zB 24. Juli 2008 - 8 AZR 175/07 - AP BGB § 613a Nr. 347).

18

1. Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB). Mit der Verwirkung wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Sie dient dem Vertrauensschutz und verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner stets dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn dessen Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment). Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckt haben, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist.

19

Schon nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vor dem Inkrafttreten des § 613a Abs. 5 und 6 BGB konnte das Widerspruchsrecht wegen Verwirkung ausgeschlossen sein. An dieser Rechtsprechung hat der Senat im Einklang mit der herrschenden Auffassung im Schrifttum auch nach der neuen Rechtslage festgehalten. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber eine Widerspruchsfrist eingeführt hat, schließt eine Anwendung der allgemeinen Grundsätze nicht aus, weil jedes Recht nur unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben ausgeübt werden kann (Senat 15. Februar 2007 - 8 AZR 431/06 - mwN, BAGE 121, 289 = AP BGB § 613a Nr. 320 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 64).

20

2. Der Kläger wurde mit Schreiben vom 22. Oktober 2004 von der Beklagten über den bevorstehenden Betriebsteilübergang unterrichtet. Er hat knapp 20 Monate später am 20. Juni 2006 dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Betriebserwerberin widersprochen. Eine solche Zeitspanne erfüllt das für das Vorliegen der Verwirkung erforderliche Zeitmoment (Senat 24. Juli 2008 - 8 AZR 175/07 - AP BGB § 613a Nr. 347; 2. April 2009 - 8 AZR 473/07 -).

21

3. Die widerspruchslose Weiterarbeit des Klägers bei der A GmbH ab 1. November 2004 begründete keine Verwirkung des Widerspruchsrechts des nicht ordnungsgemäß nach § 613a Abs. 5 BGB unterrichteten Klägers(Senat 20. März 2008 - 8 AZR 1016/06 - NZA 2008, 1354). Auch eine akzeptierte Freistellung von der tatsächlichen Arbeitsleistung ist regelmäßig noch keine Disposition über den Vertragsbestand und verwirklicht daher für sich genommen das Umstandsmoment nicht. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Freistellung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter in Ausübung des insolvenzrechtlichen Rechts auf Freistellung erfolgte (ErfK/Müller-Glöge 11. Aufl. InsO Einführung Rn. 38 mwN).

22

4. Das für die Annahme einer Verwirkung erforderliche Umstandsmoment wird dagegen dadurch erfüllt, dass der Arbeitnehmer durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit dem Betriebserwerber über sein Arbeitsverhältnis disponiert (Senat 27. November 2008 - 8 AZR 174/07 - BAGE 128, 328 = AP BGB § 613a Nr. 363 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 106)oder dass er eine vom Betriebserwerber ausgesprochene Kündigung nicht angreift (Senat 24. Juli 2008 - 8 AZR 175/07 - AP BGB § 613a Nr. 347).

23

Vorliegend hat der Kläger die unter dem 7. Dezember 2004 von der A GmbH ausgesprochene betriebsbedingte Kündigung nicht mit einer Kündigungsschutzklage angegriffen. Er ist auf ein von der A GmbH vorgeschlagenes Auflösungsmodell eingegangen, demzufolge er zum 30. Juni 2005 ausscheiden, aber ebenfalls im Juni 2005 eine Abfindung iHv. 19.458,00 Euro erhalten sollte. Der Kläger hat jedenfalls am 30. Juni 2005 und somit etwa ein Jahr vor Erklärung des Widerspruchs das Umstandsmoment derart verwirklicht, dass die Beklagte nicht mehr damit rechnen musste, er werde sein Widerspruchsrecht noch ausüben.

24

5. Auf die Verwirkung darf sich die Beklagte berufen, unabhängig davon, ob ihr alle vom Kläger verwirklichten Umstandsmomente bekannt geworden sind. Bei der Verwirkung des Widerspruchsrechts im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang genügt es, dass einer der Verpflichteten von den vertrauensbildenden Umständen Kenntnis hat. Jedenfalls im unmittelbaren Verhältnis zwischen Betriebsveräußerer und Betriebserwerber sieht das Gesetz grundsätzlich eine gemeinsame Verpflichtung und Berechtigung beider aus dem Arbeitsverhältnis vor. Daraus folgt, dass immer dann, wenn sich der Betriebserwerber als neuer Arbeitgeber auf Verwirkungsumstände berufen könnte, diese auch der Betriebsveräußerer als früherer Arbeitgeber für sich in Anspruch nehmen kann.

25

Die Unterrichtungspflicht nach § 613a Abs. 5 BGB trifft als Gesamtschuldner sowohl den bisherigen Arbeitgeber als auch den neuen Inhaber. Der von einem Betriebsübergang betroffene Arbeitnehmer erlangt die Fortdauer seines Widerspruchsrechts sowohl durch Informationsfehler des einen wie des anderen. Wenn das Gesetz in der Frage der Informationspflicht zum Betriebsübergang den alten und neuen Arbeitgeber als Einheit sieht, liegt es nahe, Betriebsveräußerer und Betriebserwerber auch hinsichtlich des Informationsstands zum Arbeitnehmerverhalten einheitlich aufzufassen. Auch Art. 3 Abs. 2 der RL 2001/23/EG fingiert einen gleichen Informationsstand von Veräußerer und Erwerber über die Rechte und Pflichten der übergegangenen Arbeitsverhältnisse. Entscheidend kommt hinzu, dass nach § 613a Abs. 6 Satz 2 BGB der Arbeitnehmer den Widerspruch sowohl gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber(Betriebsveräußerer) als auch gegenüber dem neuen Inhaber (Betriebserwerber) erklären kann. Der Widerspruch kann aber nicht gegenüber dem neuen Arbeitgeber verwirkt sein, weil dieser die eingetretenen „Umstände“ subjektiv kennt, gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber wegen dessen Unkenntnis jedoch nicht. Für das Schuldverhältnis von Betriebsveräußerer und Betriebserwerber als Gesamtschuldner gegenüber dem Arbeitnehmer als Berechtigtem ist in § 613a BGB, insbesondere in dessen Abs. 6 „ein anderes“ normiert(§ 425 Abs. 1 BGB). Neuer und alter Arbeitgeber können sich wechselseitig auf die Kenntnis des anderen vom Arbeitnehmerverhalten berufen. Eine nachgewiesene subjektive Kenntnis des in Anspruch genommenen Verpflichteten von einem bestimmten Arbeitnehmerverhalten ist nicht erforderlich, wenn feststeht, dass dieses Verhalten wenigstens dem anderen Verpflichteten bekannt geworden ist (Senat 27. November 2008 - 8 AZR 174/07 - BAGE 128, 328 = AP BGB § 613a Nr. 363 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 106; so auch Gaul/Niklas DB 2009, 452).

26

IV. Der Kläger hat auch keinen hilfsweise geltend gemachten Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte auf Zahlung einer Abfindung iHv. 20.224,94 Euro brutto gemäß dem bei der Beklagten geltenden Transfer-Sozialplan in Verbindung mit der Gesamtbetriebsvereinbarung.

27

1. Der Senat hat bereits mehrfach entschieden, dass sich ein Anspruch der Arbeitnehmer gegen die Beklagte als Betriebsveräußerin auf Zahlung einer Abfindung im Zusammenhang mit einer von der Betriebserwerberin ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigung nicht aus den Bestimmungen der geschlossenen Kollektivvereinbarungen ergibt. Dies kann weder dem TransferSozialplan noch der Gesamtbetriebsvereinbarung Sozialplan von 1995, die bei der Beklagten abgeschlossen wurden, entnommen werden (Senat 27. November 2008 - 8 AZR 1023/06 - Rn. 22 bis 36).

28

2. Für Abfindungsforderungen des Klägers gegen die A GmbH haftet die Beklagte auch nicht deshalb, weil sie sich etwa mit ihrem Unterrichtungsschreiben vom 22. Oktober 2004 im Sinne eines Schuldbeitritts oder einer Garantieübernahme gegenüber dem Kläger für solche künftigen Abfindungsforderungen verpflichtet hätte. Auch dies hat der Senat schon mehrfach klargestellt (Senat 24. Juli 2008 - 8 AZR 109/07 -; 27. November 2008 - 8 AZR 1023/06 - Rn. 37 bis 42).

29

3. Schließlich ergibt sich auch nach § 613a Abs. 5 iVm. §§ 280 ff. BGB kein Schadensersatzanspruch des Klägers in Höhe der geltend gemachten Abfindung.

30

a) Nach der Rechtsprechung des Senats handelt es sich bei der Unterrichtungspflicht des § 613a Abs. 5 BGB um eine echte Rechtspflicht, deren Verletzung einen Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB auslösen kann(Senat 31. Januar 2008 - 8 AZR 1116/06 - AP BGB § 613a Unterrichtung Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 85). Bei der Verletzung der Unterrichtungspflicht wird ein Verschulden gem. § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermutet. Macht der Arbeitnehmer geltend, nicht oder nicht vollständig über den Betriebsübergang unterrichtet worden zu sein, ist er so zu stellen, wie er gestanden hätte, wenn er richtig und vollständig informiert worden wäre. Dies bedeutet, dass der Arbeitnehmer vortragen und beweisen muss, dass ihm infolge der unterbliebenen Unterrichtung der geltend gemachte Schaden entstanden ist. Bei rechtzeitiger und ordnungsgemäßer Unterrichtung müsste der Arbeitnehmer nach § 613a Abs. 6 BGB dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses rechtzeitig widersprochen haben und der geltend gemachte Schaden dürfte nicht eingetreten sein. Hierfür hat der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast. Bei Verletzungen von Aufklärungspflichten kann zwar eine Vermutung bestehen, dass sich der Geschädigte aufklärungsgerecht verhalten hätte (BGH 5. Juli 1973 - VII ZR 12/73 - BGHZ 61, 118). Dies setzt jedoch voraus, dass nur eine Handlungsmöglichkeit bestanden hat.

31

b) Der Kläger hat nicht schlüssig vorgetragen, dass ihm infolge einer fehlerhaften Unterrichtung der geltend gemachte Schaden entstanden ist. Er beruft sich letztlich nicht darauf, dass ihm der Abfindungsanspruch überhaupt verloren gegangen ist. Vielmehr sieht er seinen Schaden darin, dass ihm infolge einer fehlerhaften Unterrichtung und des dadurch unterbliebenen Widerspruchs gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses als Schuldnerin der Abfindung nunmehr statt der solventen Beklagten die insolvente Betriebserwerberin als Anspruchsgegnerin gegenübersteht. Dieser Schaden ist allerdings nicht durch die falsche Information der Beklagten entstanden. Nach der Rechtsprechung des Senats (13. Juli 2006 - 8 AZR 382/05 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 57) bleibt dem Arbeitnehmer bei einer falschen oder fehlerhaften Unterrichtung iSd. § 613a Abs. 5 BGB die Widerspruchsmöglichkeit dadurch erhalten, dass die einmonatige Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB nicht zu laufen beginnt. Der Kläger hätte durch Erklärung des Widerspruchs genau den Erfolg herbeiführen können, dessen Ausbleiben er jetzt zur Begründung seines Schadensersatzanspruchs heranzieht. Wenn der Kläger die Person seines Anspruchsschuldners als Ursache für seinen Schaden benennt, er jedoch durch Ausübung seines noch bestehenden Widerspruchsrechts gerade diesen Schaden in dem von ihm gewünschten Sinne hätte vermeiden können, fehlt es an der Kausalität zwischen der Falschinformation und der Nichtausübung des Widerspruchsrechts und deshalb auch an einer Kausalität zwischen dieser unzulänglichen Information und dem Eintritt des geltend gemachten Schadens (Senat 20. März 2008 - 8 AZR 1022/06 - EzA BGB 2002 § 613a Nr. 91; 24. Juli 2008 - 8 AZR 109/07 -).

32

C. Der Kläger hat nach § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Eimer    

        

    Pauli    

                 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 30. Juni 2010 - 2 Sa 49/10 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung.

2

Der mit einem GdB von 60 schwerbehinderte Kläger stand seit dem 1. November 2007 in einem bis zum 31. Oktober 2009 befristeten Arbeitsverhältnis mit der Schuldnerin. Am 8. Januar 2009 ordnete das Amtsgericht Arnsberg (- 21 IN 21/09 -) das vorläufige Insolvenzverfahren über deren Vermögen an und bestellte den Beklagten zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Zugleich übertrug es ihm das Recht zur Ausübung der Arbeitgeberbefugnisse einschließlich der Ermächtigung, Kündigungen auszusprechen. Am 1. März 2009 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt.

3

In seiner Eigenschaft als vorläufiger Insolvenzverwalter gab der Beklagte zur Vervollständigung bzw. Überprüfung der Sozialdaten an sämtliche Arbeitnehmer Fragebögen aus. Erfragt wurden das Geburtsdatum, der Familienstand, die Anzahl der unterhaltspflichtigen Kinder sowie das Vorliegen einer Schwerbehinderung bzw. die Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten. Der Kläger antwortete in den Feldern „Schwerbehinderung“ und „Gleichstellung“ jeweils mit „Nein“.

4

Auf der Grundlage eines am 20. Mai 2009 geschlossenen Interessenausgleichs mit Namensliste kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis am 26. Mai 2009 ordentlich zum 30. Juni 2009. Das Kündigungsschreiben ging dem Kläger am folgenden Tag zu.

5

Der Kläger, der in der Klageschrift vom 9. Juni 2009 seine Schwerbehinderung mitgeteilt hat, hat - soweit für die Revision noch von Bedeutung - die Ansicht vertreten, die ohne Beteiligung des Integrationsamtes erklärte Kündigung sei unwirksam. Die Frage nach der Schwerbehinderung stelle eine verbotene Benachteiligung iSd. §§ 1, 7 AGG dar. Ein Arbeitnehmer habe deshalb während des gesamten Arbeitsverhältnisses ein Recht zur wahrheitswidrigen Beantwortung der Frage nach seiner Schwerbehinderteneigenschaft. Vor Ablauf der Regelfrist für die Verwirkung des Sonderkündigungsschutzes drei Wochen nach Zugang der Kündigung sei der Arbeitnehmer auch nicht verpflichtet, seine Schwerbehinderung zu offenbaren.

6

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung des Beklagten vom 26. Mai 2009 aufgelöst wird, sondern über den 30. Juni 2009 hinaus ungekündigt fortbesteht.

7

Der Beklagte hat seinen Klageabweisungsantrag damit begründet, dass der Kläger sich widersprüchlich verhalten habe und sich deshalb nach der wahrheitswidrigen Beantwortung der Frage nach seiner Schwerbehinderteneigenschaft auf diese nicht mehr berufen könne.

8

Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Beklagten die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter. Er rügt, die Frage nach der Schwerbehinderung verstoße gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen. Er macht weiter geltend, das Landesarbeitsgericht habe nicht berücksichtigt, dass der Beklagte die Frage nach der Schwerbehinderung im Insolvenzeröffnungsverfahren ohne Angabe von Gründen gestellt habe. Für den Kläger sei deshalb die Intention der Frage nicht erkennbar gewesen, so dass er sich durch die wahrheitswidrige Beantwortung dieser Frage nicht treuwidrig verhalten habe.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Kündigung des Beklagten vom 26. Mai 2009 hat das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 2009 beendet. Das hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt.

10

A. Die Kündigung ist nicht nach § 134 BGB nichtig. Sie bedurfte zwar an sich der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes gemäß § 85 SGB IX, an der es hier fehlt. Der Kläger hat sich auch innerhalb von drei Wochen und damit innerhalb einer angemessenen Frist auf den im Zeitpunkt der Kündigungserklärung bereits bestehenden Schwerbehindertenschutz berufen, so dass dieser Schutz nicht verwirkt ist (st. Rspr. zuletzt BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 703/09 - Rn. 22, EzA SGB IX § 85 Nr. 7). Dem Kläger ist es dennoch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich auf den Sonderkündigungsschutz als Schwerbehinderter zu berufen. Das Berufen des Klägers auf diesen Schutz nach Erklärung der Kündigung trotz Verneinung der ihm im Vorfeld eben dieser Kündigung rechtmäßig gestellten Frage nach der Schwerbehinderung ist als widersprüchliches Verhalten unbeachtlich.

11

I. Die Frage des Arbeitgebers nach der Schwerbehinderung bzw. einem diesbezüglich gestellten Antrag ist im bestehenden Arbeitsverhältnis jedenfalls nach sechs Monaten, dh. ggf. nach Erwerb des Behindertenschutzes gemäß §§ 85 ff. SGB IX, zulässig. Das gilt insbesondere zur Vorbereitung von beabsichtigten Kündigungen. Der Arbeitnehmer hat die Frage aufgrund seiner Rücksichtnahmepflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB wahrheitsgemäß zu beantworten.

12

1. Aus einem Schuldverhältnis erwächst einer Vertragspartei auch die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Vertragsteils. Dies dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks. Die Vertragspartner sind verpflichtet, ihre Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis so zu erfüllen, ihre Rechte so auszuüben und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Vertragspartners so zu wahren, wie dies unter Berücksichtigung der wechselseitigen Belange verlangt werden kann. Welche konkreten Folgen sich aus der Rücksichtnahmepflicht ergeben, hängt von der Art des Schuldverhältnisses und den Umständen des Einzelfalls ab (BAG 13. August 2009 - 6 AZR 330/08 - Rn. 31, BAGE 131, 325; 19. Mai 2010 - 5 AZR 162/09 - Rn. 26, BAGE 134, 296).

13

2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze durfte der Beklagte den Kläger, der im bestehenden Arbeitsverhältnis den Sonderkündigungsschutz nach §§ 85 ff. SGB IX bereits erworben hatte, zur Vorbereitung von Kündigungen nach einer Schwerbehinderteneigenschaft fragen. Für diese Frage bestand ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse des Beklagten. Sie stand im Zusammenhang mit seiner Pflichtenbindung durch das Erfordernis, bei der Sozialauswahl gemäß § 1 Abs. 3 KSchG die Schwerbehinderung zu berücksichtigen sowie den Sonderkündigungsschutz nach §§ 85 ff. SGB IX zu beachten. Die verlangte Auskunft belastete den Kläger in dieser Situation nicht übermäßig. Sie benachteiligte ihn auch nicht iSv. §§ 1, 7 AGG wegen seiner Behinderung. Schließlich wurden auch datenschutzrechtliche Belange des Klägers dadurch nicht verletzt (vgl. zu diesen Anforderungen grundlegend bereits BAG 7. September 1995 - 8 AZR 828/93 - BAGE 81, 15, 22).

14

a) Die Frage nach der Schwerbehinderung ist im bestehenden Arbeitsverhältnis jedenfalls nach Ablauf der Frist des § 90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX zuzulassen, um dem Arbeitgeber ein rechtstreues Verhalten zu ermöglichen, etwa im Zusammenhang mit seinen Pflichten zur behinderungsgerechten Beschäftigung(§ 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX), Zahlung einer Ausgleichsabgabe (§ 77 SGB IX) und Gewährung von Zusatzurlaub (§ 125 SGB IX) (vgl. Schaub/Koch ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 179 Rn. 18c; Griebeling in Hauck/Noftz SGB IX K § 85 Rn. 27a; unklar MünchKommBGB/Thüsing 6. Aufl. § 11 AGG Rn. 24, der eine Offenbarungspflicht des Arbeitnehmers nach Einstellung bejaht). Insbesondere im Vorfeld einer beabsichtigten Kündigung zeigt der Arbeitgeber mit dieser Frage, dass er seine zum Schutz des Schwerbehinderten bei einer Kündigung bestehenden Pflichten nach § 1 Abs. 3 KSchG und §§ 85 ff. SGB IX erfüllen will (vgl. v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 1 Rn. 950; Schaub/Koch aaO; Müller-Wenner in Müller-Wenner/Winkler SGB IX Teil 2 2. Aufl. § 85 Rn. 63).

15

b) Andere, gleich geeignete und gleich zuverlässige Möglichkeiten des Arbeitgebers, sich die zur Erfüllung dieser Pflichten erforderliche Kenntnis von der Schwerbehinderteneigenschaft rechtssicher zu verschaffen, bestehen nicht.

16

aa) Insbesondere kann der Arbeitgeber entgegen der vom Kläger in der Verhandlung vor dem Senat vertretenen Ansicht nicht auf die Einholung eines sog. Negativattests verwiesen werden. Mit einem solchen Bescheid weist das Integrationsamt den form- und fristgerecht gestellten Antrag des Arbeitgebers auf Erteilung zur Zustimmung zu einer beabsichtigten Kündigung als unzulässig ab, weil eine Zustimmung zur Kündigung nicht erforderlich ist. Obwohl dieses Institut im SGB IX nicht vorgesehen ist und obwohl es nicht die Aufgabe des Integrationsamtes, sondern gemäß § 69 SGB IX iVm. §§ 1, 6 KOVVfG die des Versorgungsamtes ist, die Schwerbehinderteneigenschaft eines bestimmten Arbeitnehmers zu klären(BAG 7. März 2002 - 2 AZR 612/00 - BAGE 100, 355, 358 ; BVerwG 15. Dezember 1988 - 5 C 67.85 - BVerwGE 81, 84), wird es allgemein für zulässig gehalten (KR/Etzel 9. Aufl. §§ 85 - 90 SGB IX Rn. 54; Schaub/Koch ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 179 Rn. 28; Trenk-Hinterberger in HK-SGB IX 3. Aufl. § 88 Rn. 55; Düwell in LPG-SGB IX 3. Aufl. § 85 Rn. 37; Müller-Wenner in Müller-Wenner/Winkler SGB IX Teil 2 2. Aufl. § 85 Rn. 69). Liegt ein solcher bestandskräftiger Bescheid vor der Erklärung der Kündigung vor, entfaltet er Bindungswirkung auch gegenüber den Arbeitsgerichten und beseitigt ebenso wie die Zustimmung des Integrationsamtes die Kündigungssperre des § 85 SGB IX(BAG 6. September 2007 - 2 AZR 324/06 - Rn. 15, BAGE 124, 43; grundlegend 27. Mai 1983 - 7 AZR 482/81 - BAGE 42, 169, 174).

17

Folgte man der Ansicht des Klägers, müsste der Arbeitgeber vor jeder von ihm beabsichtigten Kündigung ein Negativattest einholen. Allein das würde, insbesondere bei Massenentlassungen, selbst dann zu erheblichen, dem Arbeitgeber unzumutbaren Verzögerungen bei der Umsetzung des Kündigungsentschlusses führen, wenn ein bestandskräftiger Bescheid des Integrationsamtes erginge (vgl. BAG 7. März 2002 - 2 AZR 612/00 - BAGE 100, 355, 358). Der Arbeitnehmer kann zudem als Beteiligter des Verwaltungsverfahrens, das zum Negativattest führt, gegen dieses Widerspruch und bei Nichtabhilfe Anfechtungsklage erheben (KR/Etzel 9. Aufl. §§ 85 - 90 SGB IX Rn. 56; Trenk-Hinterberger in HK-SGB IX 3. Aufl. § 88 Rn. 66 f.; Müller-Wenner in Müller-Wenner/Winkler SGB IX Teil 2 2. Aufl. § 85 Rn. 69). Der Arbeitnehmer kann also einerseits durch die bloße Erhebung von Rechtsbehelfen bzw. Rechtsmitteln die Möglichkeit des Arbeitgebers, rechtssicher eine Kündigung ohne Verletzung seiner ihm gegenüber Schwerbehinderten obliegenden Pflichten zu erklären, erheblich hinauszögern. Bis zur Unanfechtbarkeit der Entscheidung des Integrationsamtes trägt der Arbeitgeber andererseits das Risiko, dass sich im Laufe des gerichtlichen Verfahrens doch noch die Zustimmungsbedürftigkeit der Kündigung herausstellt (Müller-Wenner in Müller-Wenner/Winkler aaO Rn. 70). Die Einholung eines Negativattests ist daher für den Arbeitgeber keine gleich geeignete Alternative zur Frage nach der Schwerbehinderung, um ihm die Kenntnis zu verschaffen, die er zur Erfüllung der ihm gesetzlich gegenüber Schwerbehinderten obliegenden Pflichten benötigt.

18

bb) Die Verpflichtung des Arbeitnehmers, den Arbeitgeber nach Erklärung einer Kündigung zum Erhalt des Sonderkündigungsschutzes binnen angemessener Frist auf die Schwerbehinderung hinzuweisen, schützt entgegen der Auffassung von Deinert/Neumann (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen 2. Aufl. § 17 Rn. 29) den Arbeitgeber nicht hinreichend, weil dies die Einhaltung der dem Arbeitgeber bereits vor Erklärung der Kündigung obliegenden Pflichten nicht sicherstellen kann.

19

c) Die Frage nach der Schwerbehinderung im Vorfeld einer Kündigung diskriminiert den Arbeitnehmer nicht wegen seiner Behinderung unmittelbar iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG.

20

aa) Allerdings kann die Frage nach der Schwerbehinderung nur von Trägern dieses Merkmals wahrheitswidrig beantwortet werden. Weder die Frage selbst noch deren wahrheitsgemäße Beantwortung führen jedoch zu dem vom Kläger angenommenen Nachteil für den behinderten Menschen, also zu einer „weniger günstigen Behandlung“ iSd. § 3 Abs. 1 AGG. Ob ein solcher Nachteil vorliegt, ist objektiv aus der Sicht eines verständigen Dritten zu beurteilen (vgl. BAG 25. Februar 2010 - 6 AZR 911/08 - Rn. 33, BAGE 133, 265).

21

(1) Durch die Frage nach der Schwerbehinderung und deren wahrheitsgemäße Beantwortung werden behinderte Arbeitnehmer gegenüber Nichtbehinderten nicht zurückgesetzt (zu dieser Definition des Nachteils iSd. § 3 Abs. 1 AGG für das Merkmal „Alter“ siehe BAG 25. Februar 2010 - 6 AZR 911/08 - Rn. 25, BAGE 133, 265). Die Frage nach der Schwerbehinderung soll es bei objektiver Betrachtung dem Arbeitgeber ermöglichen, den besonderen Schutz des Schwerbehinderten zu verwirklichen, insbesondere den Sonderkündigungsschutz des Schwerbehindertengesetzes zu beachten. Dieser öffentlich-rechtliche Sonderkündigungsschutz ist präventiver Art. Er unterwirft die Ausübung des arbeitgeberseitigen Kündigungsrechts einer vorherigen Kontrolle durch das Integrationsamt, indem er die Kündigung einem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt unterstellt, um so bereits im Vorfeld der Kündigung die spezifischen Schutzinteressen schwerbehinderter Arbeitnehmer zur Geltung zu bringen und eine mit den Schutzzwecken des SGB IX unvereinbare Kündigung zu verhindern. Dem Integrationsamt obliegt im Rahmen des Sonderkündigungsschutzes die Inschutznahme des Schwerbehinderten mit dem Ziel, die aus seiner Behinderung resultierenden Benachteiligungen auf dem Arbeitsmarkt auszugleichen, dadurch seine Wettbewerbsfähigkeit mit Nichtbehinderten herzustellen und sicherzustellen, dass er gegenüber Letzteren nicht ins Hintertreffen gerät (vgl. BVerwG 2. Juli 1992 - 5 C 39.90 - BVerwGE 90, 275; 2. Juli 1992 - 5 C 51.90 - BVerwGE 90, 287; 31. Juli 2007 - 5 B 81.06 - Rn. 5). Die Frage dient also der Wahrung der Rechte und Interessen des Schwerbehinderten, nicht aber dazu, ihn gegenüber nicht behinderten Arbeitnehmern zurückzusetzen. Die Belange des schwerbehinderten Menschen sollen durch § 1 Abs. 3 KSchG sowie in dem nach §§ 85 ff. SGB IX einzuhaltenden Verfahren gerade gewahrt werden. Das setzt aber voraus, dass der Arbeitgeber von der Schwerbehinderteneigenschaft Kenntnis hat oder zumindest die Möglichkeit hat, sich diese durch Nachfrage zu verschaffen.

22

Dies steht auch im Einklang mit den Zielen der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (RL 2000/78/EG). Nach ihrem Erwägungsgrund Nr. 16 strebt diese durch das AGG umgesetzte Richtlinie Maßnahmen an, die darauf abstellen, den Bedürfnissen von Menschen mit Behinderung am Arbeitsplatz Rechnung zu tragen. Ausweislich des Erwägungsgrundes Nr. 27 will sie der Aufrechterhaltung des Beschäftigungsverhältnisses von Menschen mit Behinderung besondere Aufmerksamkeit widmen. Diesen Zwecken dienen ua. § 1 Abs. 3 KSchG und der in §§ 85 ff. SGB IX geregelte Sonderkündigungsschutz.

23

(2) Der Hinweis des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, er werde gegenüber einem Behinderten, der durch den Fragebogen „vorgewarnt“ den Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderter erst nach Ausfüllen des Fragenbogens gestellt und sich erst dann den gesetzlichen Sonderkündigungsschutz verschafft habe, zurückgesetzt, verfängt nicht. Deckt die Frage nach der Schwerbehinderung nicht alle denkbaren Konstellationen des noch zu erwerbenden Schutzes als Schwerbehinderter ab, folgt daraus nicht, dass die Frage nach einem bereits bestehenden Schutz unzulässig ist. Es ist Sache des Arbeitgebers, die Frage nach einem bestehenden Sonderkündigungsschutz zu formulieren und dadurch ihre Reichweite festzulegen. Fragt er, wie im vorliegenden Fall, nicht nach einem bereits gestellten Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderter, fordert er auch nicht dazu auf, erst später gestellte Anträge mitzuteilen und lässt einige Zeit zwischen der Beantwortung der Frage und Kündigungserklärung verstreichen, hat er die sich aus einer solch unzureichenden Fragestellung für ihn eventuell ergebenden nachteiligen Folgen zu tragen, setzt aber nicht den Arbeitnehmer, der iSd. § 2 Abs. 2 SGB IX als schwerbehindert anerkannt ist, gegenüber dem im Zeitpunkt der Fragebogenaktion lediglich iSd. § 2 Abs. 1 SGB IX behinderten Arbeitnehmer zurück.

24

bb) Schließlich überzeugt auch das Argument der Revision, ein wirksamer Diskriminierungsschutz sei nur gewährleistet, wenn bereits die Vorbereitung einer möglichen Diskriminierung ausgeschlossen werde, nicht. Im Unterschied zur Situation der Vertragsanbahnung (zum Streitstand hinsichtlich der Frage nach der Schwerbehinderteneigenschaft des Stellenbewerbers vgl. BAG 7. Juli 2011 - 2 AZR 396/10 - Rn. 17, NZA 2012, 34) befindet sich der behinderte Arbeitnehmer in der hier vorliegenden Situation bereits in einer gesetzlich besonders geschützten Rechtsstellung, die gerade zum Ziel hat, Diskriminierungen des Behinderten zu vermeiden. Meint der Arbeitnehmer, dass es nach Kenntniserlangung des Arbeitgebers von einer Schwerbehinderung zu einer solchen Diskriminierung gekommen ist, ist er auf den gesetzlichen Diskriminierungsschutz zu verweisen.

25

d) Auch datenschutzrechtliche Belange stehen der Zulässigkeit der Frage nicht entgegen.

26

aa) § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG lässt die Frage nach der Schwerbehinderung bei unionsrechtskonformer Auslegung unter Beachtung des dadurch umgesetzten Art. 8 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (RL 95/46/EG) zu, wenn wie im vorliegenden Fall nach der von den nationalen Gerichten vorzunehmenden, am Zweck der RL 95/46/EG orientierten Abwägung das Interesse des Arbeitnehmers an der Geheimhaltung seiner Behinderung das Interesse des Arbeitgebers an der Erhebung dieser Daten nicht überwiegt.

27

(1) Die vorliegende Fragebogenaktion wird vom Bundesdatenschutzgesetz erfasst. Auch Sammlungen ausgefüllter Formulare sind nicht automatisierte Dateien iSd. § 1 Abs. 2 Nr. 3 iVm. § 3 Abs. 2 Satz 2 BDSG(Dammann in Simitis BDSG 7. Aufl. § 3 Rn. 99; Thüsing/Lambrich BB 2002, 1146, 1150 mwN).

28

(2) Nach § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG ist das Erheben, Verarbeiten und Nutzen besonderer Arten personenbezogener Daten iSd. § 3 Abs. 9 BDSG für eigene Geschäftszwecke auch ohne Einwilligung des Betroffenen zulässig, wenn dies zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung rechtlicher Ansprüche erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung überwiegt. Diese Voraussetzungen sind bei der Frage nach der Schwerbehinderung im bestehenden Arbeitsverhältnis jedenfalls nach Erwerb des Behindertenschutzes und zur Vorbereitung konkret bevorstehender Kündigungen erfüllt.

29

(a) Die Frage nach der Behinderung verlangt Angaben zur Gesundheit und stellt damit eine Erhebung besonderer Arten personenbezogener Daten (sensitiver Daten) iSv. § 3 Abs. 9 BDSG dar(Gola/Schomerus BDSG 10. Aufl. § 3 Rn. 56a; Thüsing/Lambrich BB 2002, 1146, 1151).

30

(b) Allerdings ist die Erhebung der Schwerbehinderteneigenschaft nicht zur „Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung“ eines Anspruchs des Arbeitgebers iSd. Legaldefinition des § 194 Abs. 1 BGB, also eines Rechts, von einer anderen Person ein Tun oder Unterlassen zu verlangen, erforderlich. Sie ist, wie bereits ausgeführt, lediglich Voraussetzung für die Erfüllung der dem Arbeitgeber nach § 1 Abs. 3 KSchG und § 85 SGB IX obliegenden Pflichten. Die Datenerhebung findet also im Vorfeld der Erfüllung gesetzlicher Pflichten des Arbeitgebers statt und dient dazu, diesem die Kenntnis zu verschaffen, die erforderlich ist, um ihm anschließend ein gesetzeskonformes Handeln zu ermöglichen. Auch eine solche Datenerhebung zur Klärung von gegen den Arbeitgeber gerichteten Ansprüchen, die sich für diesen spiegelbildlich als Pflichten darstellen, ist jedoch unter Berücksichtigung der RL 95/46/EG von § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG gedeckt(Gola RDV 2001, 125, 127).

31

(aa) § 28 Abs. 6 bis Abs. 9 BDSG setzen nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers(BT-Drucks. 14/4329 S. 43) Art. 8 RL 95/46/EG, insbesondere Art. 8 Abs. 2 Buchst. b dieser Richtlinie, um. Nach dieser Bestimmung ist die Verarbeitung von Daten, worunter nach Art. 2 Buchst. b RL 95/46/EG auch deren Erhebung fällt, zulässig, um den Rechten und Pflichten des für die Verarbeitung Verantwortlichen auf dem Gebiet des Arbeitsrechts Rechnung zu tragen, sofern dies aufgrund von einzelstaatlichem Recht, das angemessene Garantien vorsieht, zulässig ist. Ein Wille des Gesetzgebers, durch die Formulierung der Voraussetzungen in § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung sensitiver Daten durch den Arbeitgeber im Bereich des Arbeitsrechts engere Grenzen als durch Art. 8 Abs. 2 Buchst. b RL 95/46/EG vorgesehen zu setzen, ist nicht ersichtlich (vgl. Gola RDV 2001, 125, 127). Es handelt sich vielmehr lediglich um eine missglückte Formulierung (vgl. Thüsing/Lambrich BB 2002, 1146, 1152). Deshalb kann dahinstehen, ob es dem deutschen Gesetzgeber verwehrt gewesen wäre, die in Art. 8 Abs. 2 Buchst. b RL 95/46/EG niedergelegten Grundsätze weiter einzuschränken (vgl. für Art. 7 Buchst. f RL 95/46/EG: EuGH 24. November 2011 - C-468/10 - [Asociación Nacional] Rn. 35 f., 48, NZA 2011, 1409).

32

(bb) Eine „Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung rechtlicher Ansprüche“ als Voraussetzung einer Datenerhebung nach § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG liegt deshalb in Übereinstimmung mit der Formulierung des Art. 8 Abs. 2 Buchst. b RL 95/46/EG auch vor, wenn die Datenerhebung erforderlich ist, um den Rechten und Pflichten des Arbeitgebers Rechnung zu tragen. Dazu gehören auch die Pflichten des Arbeitgebers zur Beachtung der Schwerbehinderung im Rahmen der Sozialauswahl und zur Wahrung des Schwerbehindertenschutzes nach §§ 85 ff. SGB IX (vgl. bejahend zur Zulässigkeit der Frage nach der Schwerbehinderung unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten auch Seifert in Simitis BDSG 7. Aufl. § 32 Rn. 68 für § 32 BDSG nF; zur Datenerhebung im bestehenden Arbeitsverhältnis allgemein Gola RDV 2001, 125, 127).

33

(c) Letztlich sind damit die Anforderungen an das rechtmäßige Interesse bei der Frage nach einer Schwerbehinderung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber und die Anforderungen des Datenschutzes deckungsgleich. Die RL 95/46/EG schränkt das Fragerecht nach der Schwerbehinderung, sofern diese unter arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten zulässig ist, nicht ein. Sie soll das Gleichgewicht zwischen dem freien Verkehr personenbezogener Daten und dem Schutz der Privatsphäre wahren. Dieses angemessene Gleichgewicht zwischen den betroffenen Rechten und Interessen ist vor allem bei der Anwendung des die RL 95/46/EG umsetzenden nationalen Rechts zu finden, wobei die durch das Unionsrecht geschützten Rechte der Betroffenen zu wahren sind (EuGH 6. November 2003 - C-101/01 - [Lindqvist] Rn. 97, 85, 87, Slg. 2003, I-12971). Ein überwiegendes Interesse des Arbeitnehmers an der Wahrung seiner Privatsphäre liegt nicht vor. Die Frage nach der Schwerbehinderung dient, wie wiederholt ausgeführt, letztlich der Wahrung der Rechte, die dem Arbeitnehmer gerade wegen der Schwerbehinderung zukommen. (Erst) in dem Verfahren nach § 85 SGB IX sind die behinderungsbedingten Nachteile auszugleichen und die durch das Unionsrecht, insbesondere die RL 2000/78/EG, gewährleisteten Rechte des Arbeitnehmers zu wahren.

34

bb) Wird dem Arbeitgeber das Recht zur Frage nach der Schwerbehinderung im Vorfeld von Kündigungen zugestanden, verletzt dies den schwerbehinderten Arbeitnehmer auch nicht in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

35

(1) Es kann dahinstehen, ob die Überprüfung des Fragerechts im Allgemeinen und des diese Frage nach Vorstehendem zulassenden § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG im Besonderen am Maßstab des Grundgesetzes im Hinblick auf den Anwendungsvorrang des Unionsrechts entbehrlich ist.

36

(a) Das Bundesverfassungsgericht übt - jenseits des Ultra-vires- und des Verfassungsidentitätsvorbehalts - über die Anwendbarkeit von Unionsrecht als Rechtsgrundlage für die nationalen Gerichte und Behörden seine Gerichtsbarkeit nicht mehr aus und überprüft dieses Recht nicht mehr am Maßstab der Grundrechte, solange die Europäische Union einen gleich wirksamen Grundrechtsschutz verbürgt. Dies gilt allerdings bei innerstaatlichen Rechtsvorschriften, die Richtlinien des Unionsrechts umsetzen, nur dann, wenn das Unionsrecht zwingende Vorgaben macht, also dem nationalen Gesetzgeber keinen Umsetzungsspielraum lässt (BVerfG 4. Oktober 2011 - 1 BvL 3/08 - Rn. 46, NJW 2012, 45). Lässt das Unionsrecht den Mitgliedstaaten dagegen einen Umsetzungsspielraum, ist dieser grundgesetzkonform auszufüllen. In diesem unionsrechtlich nicht oder jedenfalls nicht vollständig determinierten Normenbereich müssen die nationalen Fachgerichte den Einfluss der Grundrechte bei der Auslegung von Vorschriften des nationalen Rechts nach wie vor zur Geltung bringen. Ob ein solcher die Grundrechtsprüfung der Fachgerichte eröffnender Umsetzungsspielraum des nationalen Gesetzgebers besteht, hat das Fachgericht durch Auslegung des einschlägigen Unionsrechts zu ermitteln, wobei es gegebenenfalls die Voraussetzungen eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV - auch in Bezug auf den Schutz der durch das Unionsrecht verbürgten Grundrechte - in Betracht ziehen muss (BVerfG 19. Juli 2011 - 1 BvR 1916/09 - [Cassina] Rn. 88 f., NJW 2011, 3428).

37

(b) Die RL 95/46/EG eröffnet dem nationalen Gesetzgeber durch Art. 5 Handlungsspielräume, aufgrund derer er die in Art. 6 bis Art. 8 RL 95/46/EG festgelegten Grundsätze näher bestimmen kann. Es ist ihm lediglich verwehrt, zusätzliche Bedingungen vorzusehen, durch die die Tragweite eines der in der RL 95/46/EG festgelegten Grundsätze verändert wird (vgl. zu Art. 7 RL 95/46/EG: EuGH 24. November 2011 - C-468/10 - [Asociación Nacional] Rn. 35, NZA 2011, 1409; 6. November 2003 - C-101/01 - [Lindqvist] Rn. 82 f., Slg. 2003, I-12971). Insbesondere kann er gemäß Art. 8 Abs. 4 RL 95/46/EG, sofern „angemessene Garantien“ bestehen, aus Gründen eines wichtigen öffentlichen Interesses andere als die in Art. 8 Abs. 2 RL 95/46/EG genannten Ausnahmen vorsehen.

38

(c) Ob damit nach vorstehenden Grundsätzen die Grundrechtsprüfung eröffnet ist oder ob jedenfalls in Bezug auf das Fragerecht des Arbeitgebers nach der Schwerbehinderung Art. 8 Abs. 2 RL 95/46/EG dem deutschen Gesetzgeber keinen Umsetzungsspielraum ließ, kann dahinstehen. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wird durch die Frage nach der Schwerbehinderung unter den genannten Voraussetzungen nicht verletzt. Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV zur Klärung des Umsetzungsspielraums des nationalen Gesetzgebers im streitbefangenen Zusammenhang bedarf es deshalb nicht.

39

(2) Das von Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG umfasste Recht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden. Das Recht gewährt seinen Trägern insbesondere Schutz gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung oder Weitergabe der auf sie bezogenen, individualisierten oder individualisierbaren Daten. Vom Schutzbereich dieses Grundrechts sind persönliche oder personenbezogene Daten umfasst, worunter Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person zu verstehen sind (BVerfG 24. November 2010 - 1 BvF 2/05 - BVerfGE 128, 1, 42 f.). Darunter fällt auch die Schwerbehinderung.

40

(3) Der Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht ist jedoch durch § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG gerechtfertigt(zu den Anforderungen an die Schranken des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung BVerfG 24. November 2010 - 1 BvF 2/05 - BVerfGE 128, 1, 46). Aus dem Grundgesetz ergeben sich insoweit keine weitergehenden Anforderungen als aus dem Unionsrecht.

41

e) Entgegen der Auffassung der Revision wird durch das Bejahen eines Fragerechts des Arbeitgebers nach der Schwerbehinderung im Vorfeld von beabsichtigten Kündigungen die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach dem schwerbehinderten Arbeitnehmer der Sonderkündigungsschutz noch zukommt, sofern er seine Schwerbehinderung dem Arbeitgeber innerhalb der Frist des § 4 KSchG offenlegt(zuletzt 23. Februar 2010 - 2 AZR 659/08 - Rn. 16, BAGE 133, 249), nicht unterlaufen. Auch der von ihr gezogene Schluss, aus dieser Rechtsprechung folge, dass der Arbeitnehmer nicht verpflichtet sei, vor Ablauf der Frist des § 4 KSchG seine Schwerbehinderung zu offenbaren, trägt nicht. Diese Rechtsprechung dient dem Vertrauensschutz sowie der Rechtssicherheit und verwehrt es dem Arbeitnehmer, seine sich aus der Schwerbehinderung ergebenden Rechte gegenüber dem Arbeitgeber, der bei Erklärung der Kündigung von der Schwerbehinderung bzw. einem bereits gestellten Antrag auf Anerkennung der Schwerbehinderung keine Kenntnis hat, illoyal verspätet geltend zu machen. Sie verwehrt es aber nicht dem Arbeitgeber, diese Rechtsunsicherheit bereits im Vorfeld der Kündigung durch die Frage nach der Schwerbehinderung zu beseitigen.

42

II. Die Revision nimmt zu Unrecht an, die Frage nach der Schwerbehinderung des Klägers sei jedenfalls deshalb unzulässig gewesen, weil der Beklagte den Anlass dieser Frage nicht konkret dargelegt habe, so dass der Kläger schon deshalb die Frage habe wahrheitswidrig beantworten dürfen, zumal er dem Beklagten als vorläufigem Insolvenzverwalter ohnehin nicht zur Auskunft verpflichtet gewesen sei.

43

1. Wie bereits ausgeführt, ist die Frage nach einer Schwerbehinderung im bestehenden Arbeitsverhältnis jedenfalls nach Ablauf der Frist des § 90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX zuzulassen, um dem Arbeitgeber ein rechtstreues Verhalten zu ermöglichen. Der Arbeitgeber muss deshalb den konkreten Anlass seiner Frage dem Arbeitnehmer nicht mitteilen.

44

2. Darüber hinaus war die Frage für den Kläger erkennbar im Vorfeld einer beabsichtigten Kündigungswelle gestellt worden, damit der Beklagte die ihm bei der Umsetzung dieses Kündigungsentschlusses im Zusammenhang mit der Schwerbehinderung von Arbeitnehmern obliegenden Pflichten erfüllen konnte.

45

a) Die Revision macht insoweit geltend, das Landesarbeitsgericht habe zwar im Tatbestand ausgeführt, dass die Frage zur Vermeidung von Fehlern bei der Sozialauswahl erfolgt sei. Der Beklagte habe jedoch nicht vorgetragen, dass er dem Kläger die Intention seiner Frage erläutert habe. Richtig sei dagegen die Feststellung des Arbeitsgerichts, wonach für den Kläger bei der Frage nicht ersichtlich gewesen sei, welchen Zweck der Beklagte damit verfolgt habe.

46

b) Mit dieser Argumentation berücksichtigt der Kläger nicht, dass der Fragebogen im Insolvenzeröffnungsverfahren verteilt worden ist. Wenn in einem derartigen Verfahren vom vorläufigen Insolvenzverwalter eine Umfrage zur „Vervollständigung bzw. Überprüfung“ der Sozialdaten erfolgt, liegt auf der Hand, dass dies der Vorbereitung von Kündigungen, wie sie in einer Insolvenz im Regelfall erforderlich sind, dient. Ebenso liegt auf der Hand, dass der (vorläufige) Insolvenzverwalter mit einer solchen Fragebogenaktion zum Ausdruck bringt, dass er insbesondere den Schwerbehindertenschutz verwirklichen will. Im Allgemeinen ist davon auszugehen, dass der (vorläufige) Verwalter gesetzmäßig handelt (vgl. BGH 20. Juli 2010 - IX ZR 37/09 - Rn. 26, BGHZ 186, 242).

47

3. Der Kläger war auch gegenüber dem Beklagten, der im Zeitpunkt der Durchführung der Fragebogenaktion noch „schwacher“ vorläufiger Insolvenzverwalter war, zur Auskunft verpflichtet.

48

a) Das Insolvenzgericht hat dem Beklagten mit Beschluss vom 8. Januar 2009 das Recht zur Ausübung der Arbeitgeberbefugnisse einschließlich der Ermächtigung, Kündigungen auszusprechen, übertragen. Es hat ihn damit zum sog. „halbstarken“ vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt (zu diesem Begriff Graf-Schlicker InsO 2. Aufl. § 22 Rn. 13 ff.). Zwar ist eine pauschale gerichtliche Ermächtigung des vorläufigen Insolvenzverwalters, mit rechtlicher Wirkung für den Schuldner zu handeln, nach § 22 Abs. 2 Satz 1 InsO unzulässig. Das Insolvenzgericht darf jedoch nach § 22 Abs. 2 Satz 2 InsO den „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter zu einzelnen, bestimmt bezeichneten Maßnahmen berechtigen und verpflichten. Dazu gehört auch die Ermächtigung zur Kündigung bestimmbarer Arten von Dauerschuldverhältnissen (BGH 18. Juli 2002 - IX ZR 195/01 - BGHZ 151, 353, 365). Der Beklagte war demnach bereits im Insolvenzeröffnungsverfahren jedenfalls hinsichtlich der Kündigungsberechtigung in die Arbeitgeberstellung eingerückt und war berechtigt, alle damit verbundenen Entscheidungen vorzubereiten und zu treffen.

49

b) Darüber hinaus hat auch ein „schwacher“ vorläufiger Insolvenzverwalter, dem das Insolvenzgericht keine Arbeitgeberbefugnisse übertragen hat, einen gesetzlichen Auskunftsanspruch gegen die bei der Insolvenzschuldnerin beschäftigten Arbeitnehmer. Gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 InsO ist der Schuldner verpflichtet, dem Insolvenzverwalter über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse Auskunft zu geben. Diese Norm gilt gemäß § 101 Abs. 2 InsO entsprechend auch für die Angestellten des Schuldners und damit ohne Beschränkung auf den arbeitsrechtlichen Angestelltenbegriff für alle im Betrieb tätigen Personen des Schuldners(Graf-Schlicker InsO 2. Aufl. § 101 Rn. 5). Die Verpflichtung zur Auskunft besteht kraft der Verweisung in § 22 Abs. 3 Satz 3 InsO schon im Eröffnungsverfahren, wobei es unerheblich ist, ob der vorläufige Insolvenzverwalter „stark“ oder „schwach“ ist(Unterbusch Der vorläufige Insolvenzverwalter S. 131; Leithaus in Andres/Leithaus InsO 2. Aufl. § 97 Rn. 14).

50

Der Begriff der „Auskunft“ ist weit auszulegen, da er sich am Verfahrenszweck der Haftungsverwirklichung orientiert. Er umfasst alle rechtlichen und wirtschaftlichen Umstände, die für die Abwicklung des Insolvenzverfahrens oder von Gläubigerforderungen in irgendeiner Weise von Bedeutung sein können (BGH 11. Februar 2010 - IX ZB 126/08 - Rn. 5, NZI 2010, 264; Kayser in HK-InsO 6. Aufl. § 97 Rn. 11; HambKomm/Wendler 3. Aufl. § 97 Rn. 3; Unterbusch Der vorläufige Insolvenzverwalter S. 134). Hierunter fällt auch die Frage nach der Schwerbehinderteneigenschaft, die sich auf die Dauer eines Arbeitsverhältnisses mit entsprechender Entgeltzahlungspflicht auswirken kann.

51

III. Auch die Rüge der Revision, der Beklagte habe nichts zur Wahrung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aus § 94 BetrVG vorgetragen, was aber zur Darlegung der Rechtfertigung der Frage nach der Schwerbehinderung erforderlich gewesen sei, verhilft ihr nicht zum Erfolg. Damit macht die Revision einen rechtlichen Gesichtspunkt geltend, der neuen Tatsachenvortrag des Beklagten zur Beteiligung des Betriebsrats erforderlich macht. Neues tatsächliches Vorbringen im Revisionsverfahren kann aber nur unter Voraussetzungen erfolgen bzw. erzwungen werden, die hier nicht vorliegen. Ohnehin berechtigt eine solche Verletzung von Mitbestimmungsrechten den Arbeitnehmer zwar möglicherweise, die Antwort auf die gestellten Fragen zu verweigern, nicht jedoch, seinen Arbeitgeber zu täuschen (BAG 2. Dezember 1999 - 2 AZR 724/98 - BAGE 93, 41, 47).

52

IV. Infolge der wahrheitswidrigen Beantwortung der ihm rechtmäßig gestellten Frage nach seiner Schwerbehinderung ist es dem Kläger unter dem Gesichtspunkt widersprüchlichen Verhaltens verwehrt, sich auf seine Schwerbehinderteneigenschaft zu berufen.

53

1. Grundsätzlich steht es jedem Teilnehmer des Rechtsverkehrs frei, sein Verhalten oder seine Rechtsansicht zu ändern und sich damit in Widerspruch zu seinem früheren Verhalten zu setzen. Ein solches Verhalten ist aber rechtsmissbräuchlich, wenn der Erklärende durch seine Erklärung oder durch sein Verhalten unbewusst oder bewusst eine Sach- oder Rechtslage geschaffen hat, auf die sich der andere Teil verlassen durfte und verlassen hat. Das Verbot widersprüchlichen Verhaltens als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben bildet eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung. Das Vertrauen des anderen am Rechtsverhältnis beteiligten Teils, dass eine bestimmte Rechtslage gegeben sei, ist vor allem dann schutzwürdig, wenn er von dem anderen Teil in diesem Glauben bestärkt worden ist und im Hinblick darauf Dispositionen getroffen hat. In einem solchen Fall ist die Ausnutzung der durch das widersprüchliche Verhalten geschaffenen Rechtslage wegen der Rechtsüberschreitung unzulässig. Ob ein solcher Fall vorliegt, ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden (BAG 12. März 2009 - 2 AZR 894/07 - Rn. 17, BAGE 130, 14; 23. Februar 2005 - 4 AZR 139/04 - BAGE 114, 33, 42 f.).

54

2. Nach diesen Grundsätzen liegt hier ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung vor. Der Kläger hat durch das Leugnen seiner anerkannten Schwerbehinderung den Beklagten im Glauben bestärkt, er könne ohne die Beteiligung des Integrationsamtes wirksam kündigen, und ihn dadurch davon abgehalten, vor der Kündigung die Zustimmung des Integrationsamtes einzuholen. Erst bei der Folgekündigung vom 20. August 2009 konnten die Rechte des Klägers aus § 85 SGB IX gewahrt werden. Bliebe sein Verhalten folgenlos, würde das Arbeitsverhältnis des Klägers aufgrund seiner Schwerbehinderung länger fortbestehen als das eines nicht behinderten, ansonsten vergleichbaren Arbeitnehmers oder eines Schwerbehinderten, der seine Schwerbehinderung offengelegt hätte. Eine derartige Bevorzugung ist aber nicht Zweck des Sonderkündigungsschutzes, der, wie ausgeführt, nur dem Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile dient (BAG 26. Juni 2001 - 9 AZR 244/00 - BAGE 98, 114, 122; BVerwG 2. Juli 1992 - 5 C 39.90 - BVerwGE 90, 275).

55

B. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Kündigung vom 26. Mai 2009 aus betriebsbedingten Gründen sozial gerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG iVm. § 125 Abs. 1 Satz 1 InsO) und auch nicht gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam ist. Gegen die entsprechende Würdigung des Landesarbeitsgerichts und die dieser zugrunde liegenden Tatsachenfeststellungen erhebt die Revision auch keine Rügen.

56

C. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolgslosen Revision zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Brühler    

        

    Spelge    

        

        

        

    Schäferkord    

        

    B. Bender    

                 

(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.

(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(4) Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(5) Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus einem in § 1 genannten Grund gilt als Benachteiligung. Eine solche Anweisung liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu einem Verhalten bestimmt, das einen Beschäftigten oder eine Beschäftigte wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt oder benachteiligen kann.

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 11. Januar 2011 - 4 Sa 62/10 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte als Gesamtschuldnerin neben dem Schuldner L verurteilt wird und Zinsen erst ab dem 12. Februar 2010 zu zahlen hat.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche.

2

Der Inhaber eines Pizza-Bringdienstes L blieb elf Arbeitnehmern für die Zeit vom 1. März bis zum 14. April 2009 die Vergütung schuldig. Die Arbeitnehmer beantragten bei der klagenden Bundesagentur für Arbeit am 20. April 2009 Insolvenzgeld. Am 18. Juni 2009 wurde über das Vermögen des L das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter erteilte der Klägerin am 31. August und 30. September 2009 Insolvenzgeldbescheinigungen, aus denen sich das nicht ausgezahlte Nettoentgelt ergab. Daraufhin zahlte die Klägerin für die Zeit vom 1. März bis zum 14. April 2009 an die elf Arbeitnehmer Insolvenzgeld in Höhe der Klageforderung. Die Beklagte führte den Betrieb des L vom 15. April bis zum 1. September 2009 weiter.

3

In den Arbeitsverträgen des L mit den elf Arbeitnehmern war ua. geregelt:

        

„§ 4 Vergütung

        

…       

        

(2)     

Die Zahlung der Vergütung wird jeweils am 15. des Folgemonats fällig ...

        

…       

        
        

§ 15 Ausschlussfristen

        

(1)     

Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit ihm in Verbindung stehen, sind innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen. Ansprüche, die nicht innerhalb dieser Frist schriftlich geltend gemacht werden, sind verwirkt.

        

(2)     

Bleibt die rechtzeitige Geltendmachung erfolglos, so muss der Anspruch innerhalb einer Frist von drei Monaten nach schriftlicher Ablehnung durch die Gegenpartei eingeklagt werden. Andernfalls ist er ebenfalls verwirkt.“

4

Mit einem an die „H GmbH“ zu Händen der Beklagten als deren Geschäftsführerin gerichteten Schreiben vom 9. September 2009 forderte die Klägerin die Adressatin auf, die von ihr an die elf Arbeitnehmer erbrachten Leistungen zu erstatten. Der spätere Prozessbevollmächtigte der Beklagten lehnte dies namens der „H GmbH“ mit Schreiben vom 20. Oktober 2009 unter Hinweis auf das Nichtvorliegen eines Betriebsübergangs und wegen Verfalls der Ansprüche ab.

5

Mit der am 5. Februar 2010 beim Arbeitsgericht eingereichten und der Beklagten am 11. Februar 2010 zugestellten Klage hat die Klägerin die Vergütung aus übergegangenem Recht beansprucht.

6

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 10.373,95 Euro zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.

7

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Die Ansprüche seien verfallen.

8

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

9

I. Die Revision der Beklagten ist im Wesentlichen unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil im Wesentlichen zu Recht zurückgewiesen. Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung von 10.373,95 Euro (§ 187 SGB III idF bis zum 31. März 2012; jetzt § 169 SGB III iVm. § 611 Abs. 1, § 613a Abs. 2 Satz 1 BGB ). Allerdings haftet die Beklagte nur als Gesamtschuldnerin neben dem früheren Betriebsinhaber L und schuldet Prozesszinsen erst ab dem 12. Februar 2010.

10

1. Die Vergütungsansprüche der elf Arbeitnehmer des L für die Zeit vom 1. März bis zum 14. April 2009 sind in unstreitiger Höhe entstanden.

11

2. Die Ansprüche der elf Arbeitnehmer sind auf die Klägerin übergegangen. Ansprüche auf Arbeitsentgelt, die einen Anspruch auf Insolvenzgeld begründen, gehen mit dem Antrag auf Insolvenzgeld auf die Bundesagentur für Arbeit über (§ 187 SGB III idF bis zum 31. März 2012; jetzt § 169 SGB III). Das Insolvenzgeld wird für rückständige Ansprüche auf Arbeitsentgelt gezahlt, die im Insolvenzgeldzeitraum - die letzten drei dem Insolvenzereignis vorausgehenden Monate des Arbeitsverhältnisses - entstanden sind. Der Übergang erfasst die Bruttoforderung (BAG 11. Februar 1998 - 5 AZR 159/97 - AP BGB § 611 Lohnanspruch Nr. 19 = EzA BGB § 611 Nettolohn, Lohnsteuer Nr. 10; BSG 20. Juni 2001 - B 11 AL 97/00 R - SozR 3-4100 § 141m Nr. 3).

12

3. Die Beklagte haftet als Betriebsübernehmerin für die vor dem Betriebsübergang entstandenen Ansprüche. Die Beklagte hat den Betrieb des L, wie in der Revision nicht mehr streitig ist, iSv. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB am 15. April 2009 und damit bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 18. Juni 2009 übernommen. Ihre Haftung als Betriebserwerberin ist nicht beschränkt (vgl. BAG 20. Juni 2002 - 8 AZR 459/01 - AP InsO § 113 Nr. 10 = EzA BGB § 613a Nr. 211). Sie ist Gesamtschuldnerin neben dem früheren Arbeitgeber L, § 613a Abs. 2 BGB.

13

4. Die Ansprüche sind nicht verfallen.

14

a) Nach den mit L vereinbarten Arbeitsverträgen waren alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis spätestens drei Monate nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen. Blieb die rechtzeitige Geltendmachung erfolglos, so musste der Anspruch innerhalb einer Frist von drei Monaten nach schriftlicher Ablehnung durch die Gegenpartei eingeklagt werden. Andernfalls waren sie verwirkt. Eine solche Regelung kann im Arbeitsvertrag, auch mittels Allgemeiner Geschäftsbedingung, wirksam vereinbart werden ( vgl. BAG 28. September 2005 -  5 AZR 52/05  - BAGE 116, 66 ; 23. September 2009 - 5 AZR 518/08 - AP SGB X § 115 Nr. 15 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 30). Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten weder die erste noch die zweite Stufe der Ausschlussfrist gewahrt. Es kann dahinstehen, ob die Klägerin mit dem an die „H GmbH“ gerichteten Schreiben, welches zu Händen der Beklagten gerichtet war, die Ansprüche überhaupt gegenüber dieser geltend gemacht hat, denn diese Geltendmachung erfolgte jedenfalls nicht binnen drei Monaten nach Fälligkeit. Die Klage ging zudem erst am 5. Februar 2010 beim Arbeitsgericht ein.

15

b) Der Anspruchsübergang steht der Geltung der Ausschlussfrist nicht entgegen, denn Ansprüche gehen so über, wie sie bestehen. Auf einen gesetzlichen Forderungsübergang ( § 412 BGB ) findet § 404 BGB entsprechende Anwendung. Das Erlöschen von Forderungen infolge des Ablaufs von Ausschlussfristen gehört zu den Einwendungen, die der Schuldner nach § 404 BGB auch dem neuen Gläubiger entgegenhalten kann(st. Rspr., BAG 24. Mai 1973 - 5 AZR 21/73 - zu 1 der Gründe, AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 52 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 15; 23. September 2009 - 5 AZR 518/08 - Rn. 32, AP SGB X § 115 Nr. 15 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 30 zu § 115 SGB X).

16

c) Bei der Gesamtschuld bleiben die einzelnen Schuldverhältnisse grundsätzlich selbständig und entwickeln sich unterschiedlich. Nach § 425 Abs. 1 BGB wirken allein Erfüllung, Erlass und Gläubigerverzug für und gegen jeden Gesamtschuldner. Andere „Tatsachen“, die weder in den §§ 422 bis 424 BGB genannt sind noch bezüglich derer sich aus dem Schuldverhältnis „ein anderes“ ergibt, wirken damit nur für und gegen den Gesamtschuldner, in dessen Person sie eintreten. Dies gilt auch für die Geltendmachung zur Wahrung von Ausschlussfristen. Im Fall des Betriebsübergangs sind deshalb über § 425 BGB hinausgehend nur die Tatsachen zu Lasten des Erwerbers zu berücksichtigen, die vor dem Betriebsübergang eingetreten sind. Bei einer zweistufigen Ausschlussfrist kann es deshalb ausreichen, wenn die erste Stufe gegenüber dem Veräußerer und die zweite Stufe gegenüber dem Erwerber gewahrt wird (vgl. BAG 21. März 1991 - 2 AZR 577/90 - zu II 3 c der Gründe, AP BGB § 615 Nr. 49 = EzA BGB § 615 Nr. 68; vgl. auch 23. September 2009 - 5 AZR 518/08 - Rn. 36, AP SGB X § 115 Nr. 15 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 30 ). Im Übrigen führt der Betriebsübergang allein noch nicht zu einer Gesamtwirkung der die Ausschlussfrist wahrenden Rechtshandlungen oder Umstände.

17

d) Doch kann sich der Betriebserwerber nicht auf den Ablauf einer Ausschlussfrist berufen, wenn weder der Betriebsveräußerer noch der Betriebserwerber der Unterrichtungspflicht nach § 613a Abs. 5 BGB nachgekommen und ein innerer Zusammenhang zwischen dieser Pflichtverletzung und der Fristversäumung gegeben ist. In diesem Fall einer unzulässigen Rechtsausübung iSv. § 242 BGB ist dem neuen Arbeitgeber die Berufung auf die Einwendung des Verfalls verwehrt.

18

aa) Nach § 613a Abs. 5 Nr. 3 BGB hat der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber die von einem Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer über die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer in Textform zu unterrichten. Zu den rechtlichen Folgen gehören insbesondere die sich unmittelbar aus dem Betriebsübergang als solchem ergebenden Rechtsfolgen, wie der Eintritt des Übernehmers in die Rechte und Pflichten aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis und die Haftungssystematik des § 613a Abs. 2 BGB( BT-Drucks. 14/7760 S. 19; st. Rspr., vgl. nur BAG 26. Mai 2011 - 8 AZR 18/10 - AP BGB § 613a Nr. 407).

19

bb) Die Unterrichtungspflicht ist Rechtspflicht. Ihre Nichterfüllung kann zu Schadensersatzansprüchen des Arbeitnehmers führen (BAG 9. Dezember 2010 - 8 AZR 592/08 - Rn. 30 mwN). Zugleich stellt es eine unzulässige Rechtsausübung dar, wenn sich der Betriebserwerber auf Vorteile beruft, die ihm wegen der Verletzung der Unterrichtungspflicht entstanden sind. Steht der Erwerb der Rechtsposition in einem inneren Zusammenhang mit einem eigenen rechtsuntreuen Verhalten - sei es vertrags- oder gesetzeswidrig -, handelt rechtsmissbräuchlich, wer diese Rechtsposition geltend macht ( vgl. BGH 7. März 2002 - IX ZR 293/00 - NJW 2002, 1788; 13. November 1998 - V ZR 386/97 - WM 1999, 551; Palandt/Grüneberg BGB 71. Aufl. § 242 Rn. 43). Überdies ist es widersprüchlich, wenn der Betriebsübernehmer, der einen Betriebsübergang leugnet, dem Arbeitnehmer (bzw. dessen Rechtsnachfolger) vorhält, ihn nicht (früher) als Betriebserwerber in Anspruch genommen zu haben. Das Verbot widersprüchlichen Verhaltens als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben bildet eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung. Das Vertrauen des anderen am Rechtsverhältnis beteiligten Teils, dass eine bestimmte Rechtslage gegeben sei, ist vor allem dann schutzwürdig, wenn er von dem anderen Teil in diesem Glauben bestärkt worden ist und im Hinblick darauf Dispositionen getroffen hat. In einem solchen Fall ist die Ausnutzung der durch das widersprüchliche Verhalten geschaffenen Rechtslage wegen der Rechtsüberschreitung unzulässig (BAG 16. Februar 2012 - 6 AZR 553/10 - Rn. 53 mwN, EzA AGG § 3 Nr. 7).

20

Die Anwendung von § 242 BGB ist auch vom Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 13. Februar 2003 (- 8 AZR 236/02 - zu II 2 a der Gründe, AP BGB § 613a Nr. 244 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 162) in Erwägung gezogen worden, obwohl im Zeitpunkt dieser Entscheidung die Unterrichtungspflicht gemäß § 613 Abs. 5 BGB noch nicht bestand.

21

cc) Hiernach ist es der Beklagten verwehrt, sich auf die Versäumung der Ausschlussfrist zu berufen. Die Beklagte hat in den Vorinstanzen jeden Betriebsübergang nachdrücklich in Abrede gestellt. Damit hat sie ihre aus § 613a Abs. 5 BGB folgende gesetzliche Verpflichtung missachtet. Der besondere, rechtlich relevante Zusammenhang zwischen der Verletzung der Unterrichtungspflicht und der Versäumung der Ausschlussfrist ist gegeben. Hätte die Beklagte noch vor dem Betriebsübergang oder zumindest in zeitlichem Zusammenhang mit dem Betriebsübergang die elf Arbeitnehmer des L über den Eintritt ihrer Gesamtschuld unterrichtet, wäre sogar die Beantragung von Insolvenzgeld und die Leistung durch die Klägerin in Frage gestellt worden. In jedem Fall hätte eine Unterrichtung den elf Arbeitnehmern und als deren Rechtsnachfolgerin der Klägerin die Möglichkeit eröffnet, gegenüber der Beklagten die laufende Ausschlussfrist zu wahren. Dementsprechend hat die Beklagte auch nicht behauptet, die Klägerin hätte die Ausschlussfrist auch dann versäumt, wenn sie ihrer Unterrichtungspflicht nachgekommen wäre (vgl. zur Beweislastumkehr BGH 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10 - Rn. 28, NJW 2012, 2427). Deshalb kann sich die Beklagte nicht auf den gerade aus dem Betriebsübergang folgenden Eintritt in die mit dem Betriebsveräußerer vereinbarten Vertragsbedingungen berufen.

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5. Prozesszinsen kann die Klägerin gemäß §§ 291, 288 BGB erst ab dem der Zustellung folgenden Tag verlangen(vgl. BAG 15. November 2000 - 5 AZR 365/99 - BAGE 96, 228).

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II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    Kremser    

        

    Busch    

        

        

(1) Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. Satz 2 gilt nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. Vor Ablauf der Frist nach Satz 2 können die Rechte und Pflichten geändert werden, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt oder bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer vereinbart wird.

(2) Der bisherige Arbeitgeber haftet neben dem neuen Inhaber für Verpflichtungen nach Absatz 1, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden, als Gesamtschuldner. Werden solche Verpflichtungen nach dem Zeitpunkt des Übergangs fällig, so haftet der bisherige Arbeitgeber für sie jedoch nur in dem Umfang, der dem im Zeitpunkt des Übergangs abgelaufenen Teil ihres Bemessungszeitraums entspricht.

(3) Absatz 2 gilt nicht, wenn eine juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft durch Umwandlung erlischt.

(4) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils ist unwirksam. Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt.

(5) Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber hat die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten über:

1.
den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,
2.
den Grund für den Übergang,
3.
die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und
4.
die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.

(6) Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden.

*

(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden.

(2) Die Beschwerde ist bei dem Bundesarbeitsgericht innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils schriftlich einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils beigefügt werden, gegen das die Revision eingelegt werden soll.

(3) Die Beschwerde ist innerhalb einer Notfrist von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils zu begründen. Die Begründung muss enthalten:

1.
die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage und deren Entscheidungserheblichkeit,
2.
die Bezeichnung der Entscheidung, von der das Urteil des Landesarbeitsgerichts abweicht, oder
3.
die Darlegung eines absoluten Revisionsgrundes nach § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und der Entscheidungserheblichkeit der Verletzung.

(4) Die Einlegung der Beschwerde hat aufschiebende Wirkung. Die Vorschriften des § 719 Abs. 2 und 3 der Zivilprozeßordnung sind entsprechend anzuwenden.

(5) Das Landesarbeitsgericht ist zu einer Änderung seiner Entscheidung nicht befugt. Das Bundesarbeitsgericht entscheidet unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluß, der ohne mündliche Verhandlung ergehen kann. Die ehrenamtlichen Richter wirken nicht mit, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen wird, weil sie nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Dem Beschluss soll eine kurze Begründung beigefügt werden. Von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundesarbeitsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(6) Wird der Beschwerde stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(7) Hat das Landesarbeitsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Bundesarbeitsgericht abweichend von Absatz 6 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverweisen.