Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 24. Nov. 2015 - 6 Sa 248/14

ECLI:ECLI:DE:LAGST:2015:1124.6SA248.14.0A
bei uns veröffentlicht am24.11.2015

Tenor

Die Berufung des Klägers vom 23.06.2014 gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 20.02.2014 – 2 Ca 1558/13 – wird als unzulässig verworfen.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 20.02.2014 – 2 Ca 1558/13 – wird zurückgewiesen.

Der Auflösungsantrag der Beklagten vom 18.11.2015 wird zurückgewiesen.

Die Anschlussberufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 20.02.2014 – 2 Ca 1558/13 – wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger 7/13, die Beklagte trägt 6/13.

Die Revision wird für die Beklagte, nicht jedoch für den Kläger zugelassen.

Tatbestand

1

Der am 30.07.1971 geborene Kläger war seit 01.08.2001 bei der Beklagten zunächst als Event-Berater, seit 2003 als Medien-Berater und seit 2005 als Team-Leiter beschäftigt. Die Rechtsbeziehungen der Parteien bestimmten sich nach dem Arbeitsvertrag vom 13.07.2001 (Bl. 9 ff d.A.) sowie diversen Ergänzungen.

2

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien erstmals fristgerecht, betriebsbedingt im März 2008 und im Anschluss daran außerordentlich, hilfsweise ordentlich aus verhaltensbedingten Gründen. Der Kläger hat sich gegen diese Kündigungen erfolgreich gerichtlich zur Wehr gesetzt. Eine weitere Änderungskündigung erfolgte seitens der Beklagten mit Schreiben vom 18.06.2010 zum 30.09.2010. Der Kläger hat das in dieser Kündigung enthaltene Änderungsangebot unter Vorbehalt angenommen, wobei zwischen den Parteien im anschließenden Kündigungsrechtsstreit streitig geworden ist, ob dem erklärten Vorbehalt Wirksamkeit zukommt. Mit Urteil vom 07.05.2013, wegen dessen Inhalts – auch hinsichtlich des weiteren Ablaufs des Arbeitsverhältnisses der Parteien – auf Bl. 47 ff d. A. Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht Halle (1 Ca 2036/10) festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch diese, als Beendigungskündigung wirkende Kündigung der Beklagten nicht aufgelöst worden ist. Die von der Beklagten hierauf eingelegte Berufung ist von der erkennenden Kammer mit Urteil vom 06.10.2014 (6 Sa 299/13) zurückgewiesen worden. Der Rechtsstreit ist nunmehr bei dem Bundesarbeitsgericht zum Geschäftszeichen 2 AZR 2/15 anhängig.

3

Der Kläger hat nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils im vorgenannten Rechtsstreit seine Tätigkeit bei der Beklagten nicht wieder aufgenommen. Diese kündigte darauf das Arbeitsverhältnis der Parteien erneut mit Schreiben vom 28.05.2013 (Bl. 14 d.A.) zum 30.09.2013 und forderte den Kläger zugleich auf, bis zum Ablauf der Kündigungsfrist seine Tätigkeit als Medien-Berater aufzunehmen.

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Dieser Aufforderung kam der Kläger nicht nach. Er lehnte vielmehr mit Schreiben vom 05.06.2013 (Bl. 88 f d.A.) den Abschluss eines Prozessarbeitsverhältnisses mit der Beklagten ab.

5

Die Beklagte sprach mit Schreiben vom 06.06.2013 (Bl. 57 f d.A.) sowie mit weiterem Schreiben vom 12.06.2013 (Bl. 59 f d.A.) dem Kläger jeweils eine Abmahnung wegen Verletzung seiner vertraglichen Pflichten aus, woraufhin der Kläger mit Schreiben vom 18.06.2013 (Bl. 69 f d.A.) ein Zurückbehaltungsrecht im Hinblick auf von der Beklagten noch nicht ausgeglichene, titulierte Verzugslohnansprüche geltend gemacht hat.

6

Durch den Prozessbevollmächtigten der Beklagten erfolgte darauf im Schriftsatz vom 19.08.2013 (Bl. 46 d.A.) eine weitere ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien zum 31.12.2013, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin.

7

Die Beklagte stützt beide Kündigungen neben den in den jeweiligen Schreiben benannten verhaltensbedingten Gründen auch auf betriebsbedingte Gründe.

8

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, den streitgegenständlichen Kündigungen komme keine Rechtswirksamkeit zu. In der Nichtaufnahme der Tätigkeit als Medien-Berater nach Verkündung des Urteils vom 07.05.2013 liege keine Pflichtverletzung. Die Beklagte verhalte sich widersprüchlich, wenn sie einerseits im vorgenannten Rechtsstreit die Auffassung vertrete, die ausgesprochene Kündigung wirke mangels wirksamen Vorbehalts als Beendigungskündigung, andererseits jedoch noch vor Eintritt der Rechtskraft des Urteils dem Kläger eine Tätigkeit als Medien-Berater abverlange und noch vor Ausspruch der zweiten hier streitigen Kündigung gegen das vorgenannte Urteil Berufung einlege.

9

Jedoch sei ihm eine weitere Tätigkeit bei der Beklagten aufgrund deren Vorgehensweise, insbesondere der wiederholten Kündigung des Arbeitsverhältnisses, nicht mehr zumutbar, sodass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch das Arbeitsgericht gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG zum Ablauf des 31.03.2014, nämlich der für die Kündigung vom 19.08.2013 geltenden Kündigungsfrist aufzulösen sei. Eine solche Kündigungsfrist folge aus § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BGB i.V.m. dem in § 12 des Arbeitsvertrages vereinbarten Kündigungstermin (Quartalsende). Unter Beachtung aller Umstände sei eine Abfindung in Höhe von 12 Monatseinkommen des Klägers, das – unstreitig – durchschnittlich 7.960,00 EUR brutto betragen habe, angemessen. Als Untergrenze – so hat der Kläger weiter gemeint – sei die Abfindungshöhe auf 6 Monatseinkommen festzusetzen.

10

Der Kläger hat beantragt,

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1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 28.05.2013 nicht aufgelöst wurde;
12
2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch durch die Kündigung der Beklagten vom 19.08.2013 nicht aufgelöst wurde;
13
3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern über den 31.12.2013 hinaus fortbesteht.
14
4. Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber 47.760,00 EUR nicht unterschreiten sollte, zum 31.03.2014 aufzulösen.
15

Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage, bestehend aus den Anträgen Ziffer 1 bis Ziffer 3, abzuweisen.

17

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe sehr wohl durch Nichtaufnahme einer Tätigkeit als Medien-Berater nach Verkündung des Urteils vom 07.05.2013 beharrlich seine Arbeitspflicht verletzt. Aufgrund des von ihm erklärten Vorbehaltes sei er jedenfalls verpflichtet gewesen, nach Verkündung des vorgenannten Urteils diese Tätigkeit wieder aufzunehmen.

18

Im Übrigen sei die Kündigung auch aus betriebsbedingten Gründen sozial gerechtfertigt. Hierzu hat die Beklagte behauptet, sie habe bereits im Jahr 2008 die wirtschaftliche Entscheidung getroffen, die Position eines Team-Leiters ersatzlos zu streichen. Nach Verkündung des Urteils vom 07.05.2013 habe ihr Geschäftsführer diese Entscheidung erneut getroffen. Die bei der Teamleitung anfallenden Arbeitsaufgaben des Klägers haben 15 % der von ihm insgesamt auszuübenden Tätigkeit ausgemacht. Dennoch sei die Beklagte nicht gehalten gewesen, erneut eine Änderungskündigung, gerichtet auf eine Weiterbeschäftigung als Medien-Berater auszusprechen, wie sich aus dem prozessualen Verhalten des Klägers im Vorrechtsstreit der Parteien ergebe.

19

Der Auflösungsantrag des Klägers werde "dem Grunde nach" anerkannt.

20

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 20.02.2014 den Kündigungsschutzklagen stattgegeben, das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31.01.2014 auf Antrag des Klägers aufgelöst und als Abfindung einen Betrag in Höhe von 47.760,00 EUR festgesetzt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, den streitgegenständlichen Kündigungen komme keine Rechtswirksamkeit zu. Der Kläger habe durch die Nichtaufnahme einer Tätigkeit als Medien-Berater seine Arbeitspflicht nicht schuldhaft verletzt. Eine Verpflichtung zur Aufnahme der Tätigkeit aufgrund des im Jahr 2001 begründeten Arbeitsverhältnisses habe zum Kündigungszeitpunkt nicht bestanden, weil der Bestand des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien weiterhin streitig gewesen sei. Die Kündigungen seien auch nicht als betriebsbedingte Kündigungen sozial gerechtfertigt. Die Beklagte habe die von ihr behaupteten Kündigungsgründe nicht hinreichend substantiiert darlegen können. Auf Antrag des Klägers sei das Arbeitsverhältnis zum 31.01.2014, dem aus der (zweiten) Kündigung der Beklagten vom 19.08.2013 resultierenden Kündigungstermin, aufzulösen. Insoweit stehe dem Kläger ein Wahlrecht zu. Unter Beachtung aller Umstände, insbesondere der Tatsache, dass der Kläger noch während des Laufs der aus der ersten Kündigung im Jahr 2008 resultierenden Kündigungsfrist eine eigene Werbeagentur (c GmbH) gegründet habe, sei es angemessen, die Abfindung in Höhe eines halben Monatseinkommens des Klägers pro Beschäftigungsjahr festzusetzen. Wegen der weiteren Einzelheiten der vorgenannten Entscheidung, die das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 16.07.2014 (Bl. 194 ff d.A.) hinsichtlich des Datums der Kündigung vom 28.05.2013 (ursprünglicher Tenor: 28.02.2013) und hinsichtlich des Auflösungstermins (ursprünglicher Tenor: 31.12.2013) berichtigt hat, wird auf Bl.127 – 148 d.A. verwiesen.

21

Gegen dieses, ihr am 22.05.2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 20.06.2014 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 01.09.2014 am 01.09.2014 begründet.

22

Der Kläger hatte am 23.06.2014 gegen das ihm am 21.05.2014 zugestellte Urteil ebenfalls Berufung eingelegt und diese sogleich begründet. Die Berufung zielte auf eine Abänderung des Urteils hinsichtlich des von dem Arbeitsgericht anschließend berichtigten Kündigungsdatums und des Auflösungstermins ab. Der Kläger hat, nachdem das Arbeitsgericht das Urteil mit Beschluss vom 16.07.2014 berichtigt hatte, die Berufung für erledigt erklärt. Dieser Erklärung hat sich die Beklagte nicht angeschlossen.

23

Weiter hat der Kläger am 13.10.2014 gegen die vorgenannte Entscheidung Anschlussberufung eingelegt und diese sogleich begründet.

24

Schlussendlich hat die Beklagte am 18.11.2015 ebenfalls einen Auflösungsantrag mit dem Ziel, das Arbeitsverhältnis zum 30.09.2013 gegen Zahlung einer Abfindung von maximal 8.000,00 EUR aufzulösen, schriftsätzlich angekündigt.

25

Mit ihrem Rechtsmittel verfolgt die Beklagte ihr erstinstanzliches Klageziel, Abweisung der Kündigungsschutzklagen, unter Aufrechterhaltung ihres Rechtsstandpunktes und Vertiefung ihres diesbezüglichen Sachvortrages weiter, während der Kläger mittels Anschlussberufung eine Festsetzung der Abfindung in Höhe von insgesamt 12 Monatseinkommen begehrt.

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Die Beklagte beantragt,

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1. das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 20.02.2014 abzuändern und die Klage abzuweisen.
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2. Die Berufung des Klägers vom 23.06.2014 als unzulässig zu verwerfen.
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3. Die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.
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Hilfsweise beantragt sie,

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das Arbeitsverhältnis der Parteien gegen Zahlung einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Abfindung, die den Betrag von 8.000,00 EUR nicht überschreiten sollte, zum Ablauf des 30.09.2013 aufzulösen.

32

Der Kläger beantragt,

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1. das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 20.02.2014 in der Fassung des Beschlusses vom 16.07.2014 teilweise abzuändern und
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2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 47.760,00 EUR Abfindung zu zahlen.
35
3. Die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
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4. Festzustellen, dass das Rechtsmittel der Berufung des Klägers vom 23.06.2014 erledigt ist.
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5. Den Auflösungsantrag der Beklagten zurückzuweisen.
38

Nach seiner Auffassung habe das Arbeitsgericht bei der Bemessung der Abfindung den Grad der Sozialwidrigkeit der Kündigung, einschließlich der vorangegangenen Kündigungen nicht ausreichend gewürdigt. Durch die Vorgehensweise der Beklagten sei es dem Kläger quasi unmöglich gemacht worden, seinen angestammten Beruf als Medien-Berater weiter auszuüben. Andererseits habe das Arbeitsgericht die Gründung einer eigenständigen Werbeagentur nicht als abfindungsmindernd heranziehen dürfen. Wie sich aus dem rechtskräftig abgeschlossenen, zu seinen Gunsten ausgegangenen diesbezüglichen Kündigungsschutzrechtsstreit ergebe, liege hierin keine Pflichtverletzung begründet.

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Die Beklagte hält hingegen eine Abfindung in Höhe von maximal 8.000,00 EUR für angemessen. Wie sich aus dem Ablauf der diversen Rechtsstreite folgern lasse, habe der Kläger der Sache nach kein Interesse an einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gezeigt. Er habe im gesamten Verlauf der Rechtsstreite – unstreitig – keinen Weiterbeschäftigungsantrag gestellt und sei auch der Aufforderung der Beklagten nach Verkündung des Urteils vom 07.05.2013, seine Tätigkeit als Medien-Berater wieder aufzunehmen, nicht nachgekommen.

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Aufzulösen sei das Arbeitsverhältnis auf jeden Fall unter Berücksichtigung der für die Kündigung vom 28.05.2013 geltenden Kündigungsfrist zum 30.09.2013. Ein Wahlrecht, welche Kündigung für den Auflösungstermin heranzuziehen ist, stehe dem Kläger nicht zu.

41

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

A.

42

Die Berufung des Klägers vom 23.06.2014 war als unzulässig zu verwerfen. Dem von ihm nach einseitiger Erledigungserklärung gestellten Feststellungsantrag konnte nicht entsprochen werden. Voraussetzung hierfür wäre, dass die Berufung bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses zulässig und begründet war. Vorliegend war die Berufung zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses jedoch nicht zulässig. Es fehlte von Anfang an an der Beschwer. Soweit der Kläger in dem vorgenannten Schriftsatz Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Halle einlegt, ist er nicht beschwert. Bei den von ihm gerügten Fehlern des Urteils handelt es sich um offenbare Unrichtigkeiten, die über § 319 ZPO zu beheben sind. Eine Abänderung des Urteils durch das Berufungsgericht insoweit scheidet daher aus. Eine Beschwer folgt auch nicht daraus, dass bis zum Ablauf der Berufungsfrist über den von dem Kläger ebenfalls gestellten Berichtigungsantrag noch nicht durch das Arbeitsgericht entschieden worden war. Im Fall einer negativen Entscheidung – Verneinung der Voraussetzungen des § 319 ZPO – wäre dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist gemäß § 233 ZPO zu gewähren gewesen. Bei der vorliegenden Konstellation konnte der Kläger unverschuldet die Auffassung vertreten, der fehlerhafte Tenor sei über § 319 ZPO richtigzustellen.

B.

43

Hingegen ist die Berufung der Beklagten zulässig. Es handelt sich um das gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 ArbGG statthafte Rechtsmittel. Die Beklagte hat die Fristen des § 66 Abs. 1 Satz 1, Satz 5 ArbGG eingehalten.

44

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die streitbefangenen Kündigungen der Beklagten nicht aufgelöst worden ist und auf Antrag des Klägers das Arbeitsverhältnis zum 31.01.2014 gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 47.760,00 EUR aufgelöst.

I.

45

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigungen vom 28.05. und 19.08.2013 nicht aufgelöst worden.

46

1. Zwischen den Parteien bestand zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigungen und bis zum Ablauf der jeweiligen Kündigungsfristen ein Arbeitsverhältnis, da nach dem Urteil der erkennenden Kammer vom 06.10.2014 im Vorrechtsstreit der Parteien 6 Sa 299/13 die den hier streitigen Kündigungen vorangegangene, als Beendigungskündigung anzusehende Kündigung der Beklagten vom 18.06.2010 das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst hat.

47

2. Den im vorliegenden Rechtsstreit streitbefangenen Kündigungen kommt keine Rechtswirksamkeit zu.

48

a. Die Kündigung der Beklagten vom 28.05.2013 ist sozial nicht gerechtfertigt i.S.d. § 1 Abs. 2 KSchG.

49

aa. Für diese Kündigung liegen keine verhaltensbedingten Gründe vor.

50

Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung u.a. dann sozial gerechtfertigt, wenn sie durch Gründe, die im Verhalten des Arbeitnehmers liegen, bedingt ist. Sie ist durch solche Gründe „bedingt“, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat und eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht. Dann kann dem Risiko künftiger Störungen nur durch die (fristgemäße) Beendigung des Arbeitsverhältnisses begegnet werden (BAG 11.07.2013 – 2 AZR 994/12 - Rn. 20).

51

Der Kläger hat durch die Nichtaufnahme einer Tätigkeit als Medien-Berater nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils im Vorrechtsstreit der Parteien am 07.05.2013 keine Pflichtverletzung begangen. Eine solche Pflicht bestand für ihn zum Zeitpunkt der Kündigung nicht. Die Hauptpflicht des Arbeitnehmers, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, besteht nur im unangefochtenen Arbeitsverhältnis, nicht jedoch im Fall einer arbeitgeberseitigen Kündigung nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzrechtsstreits (BAG 23.05.2013 – 2 AZR 54/12 – Rn. 39).

52

Zum Zeitpunkt der streitigen Kündigung war der Vorrechtsstreit der Parteien noch nicht rechtskräftig beendet. Die Parteien haben in diesem Rechtsstreit auch nicht ausschließlich über die Ausgestaltung ihres Arbeitsverhältnisses im Zusammenhang mit einer Änderungskündigung gestritten. Vielmehr hat sich die Beklagte auf den Rechtsstandpunkt gestellt, aufgrund einer unwirksamen Vorbehaltserklärung seitens des Klägers komme der Kündigung vom 18.06.2010 die Wirkung einer Beendigungskündigung zu. Dem ist das Arbeitsgericht in seinem Urteil gefolgt. Eine andere Beurteilung der Rechtslage ergibt sich nicht aus dem Umstand, dass der Kläger bezüglich der Kündigung vom 18.06.2010 ausdrücklich einen Vorbehalt erklärt hat. Dies führt nicht zu einer Verpflichtung des Klägers, aufgrund des "im Ganzen" angefochtenen Arbeitsverhältnisses eine Tätigkeit als Medien-Berater wieder aufzunehmen. Die Beklagte hat vielmehr durch ihr prozessuales Verhalten im Vorrechtsstreit der Parteien deutlich gemacht, dass ihr Hauptanliegen darin besteht, eine vollständige Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien aufgrund der vorgenannten Kündigung durchzusetzen. Damit hat sie zu erkennen gegeben, dass eine Arbeitspflicht des Klägers bis zum Abschluss des diesbezüglichen Rechtsstreits aus ihrer Sicht nicht mehr besteht.

53

bb. Es liegen auch keine betriebsbedingten Gründe für eine soziale Rechtfertigung der Kündigung vor.

54

Dringende betriebliche Erfordernisse, die zu einem Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit des Arbeitnehmers in dem Betrieb führen, können auf inner- oder außerbetrieblichen Ursachen beruhen. Eine innerbetriebliche Ursache liegt vor, wenn der Arbeitgeber eine wirtschaftliche Entscheidung, die als solche nur auf Willkür und ihre rechtliche Zulässigkeit überprüft werden kann, trifft, diese zu einem Wegfall eines oder mehrerer Arbeitsplatzes im vertraglichen Pflichtenkreis des Arbeitnehmers führt und deren Umsetzung zum Zeitpunkt der Kündigung bereits greifbare Formen angenommen hat. (BAG 17.06.1999 – 2 AZR 456/98). Dabei hat die Darlegung der Kündigungsgründe umso detaillierter zu erfolgen, je näher die fragliche Organisationsentscheidung an den Kündigungsentschluss heranrückt (BAG 18.06.2015 – 2 AZR 480/14 – Rn. 32).

55

aaa. Vorliegend hat die Beklagte ihre auf die Streichung des bisherigen Arbeitsplatzes des Klägers hinauslaufende Organisationsentscheidung nicht ausreichend substantiiert. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt. Der Sachvortrag der Beklagten in der Berufungsbegründung enthält keine inhaltlich ergänzenden Tatsachen.

56

bbb. Weiterhin ergibt sich aus der behaupteten wirtschaftlichen Entscheidung nicht der Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes des Klägers. Die Beklagte räumt im Schriftsatz vom 20.01.2014 (Seite 3) ein, dass die Aufgabe des Klägers als Teamleiter lediglich 15 % seiner Gesamttätigkeit ausgemacht habe. Damit hätte die Umsetzung der wirtschaftlichen Entscheidung allenfalls eine Änderungskündigung, gerichtet auf eine Tätigkeit als Medien-Berater mit einer Arbeitszeit im Umfang von 85 % bezogen auf eine Vollzeittätigkeit gerechtfertigt. Eine Obliegenheit, im Rahmen des ultima-ratio-Prinzips eine solche auszusprechen, entfällt für den Arbeitgeber nur dann, wenn das Änderungsangebot für den Arbeitnehmer unzumutbar ist oder der Arbeitnehmer eindeutig erklärt hat, er nehme ein solches Angebot nicht – auch nicht unter Vorbehalt – an (BAG 26.03.2009 – 2 AZR 879/07).

57

Danach hätte die Beklagte gegenüber dem Kläger erneut eine Änderungskündigung aussprechen müssen. Eine Beschäftigung als Medien-Berater ist für den Kläger nicht unzumutbar, wie sich aus seinen Erklärungen im Vorrechtsstreit der Parteien ergibt. Der Kläger hat dort die Änderungskündigung unter Vorbehalt angenommen. Die Unwirksamkeit desselben beruht darauf, dass der Kläger diesen mit weiteren Bedingungen betreffend damals noch streitige verhaltensbedingte Kündigungen verknüpft hat. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann aus dem Prozessverhalten des Klägers im Vorrechtsstreit auch nicht abgeleitet werden, der Kläger werde eine Änderungskündigung vorbehaltlos ablehnen. Er hat vielmehr in jenem Rechtsstreit die Position vertreten, er habe wirksam einen Vorbehalt erklärt und hauptsächlich einen Änderungsschutzantrag gestellt. Aus welchen Gründen der Kläger bei einer erneuten, inhaltlich auf dieselben Gründe gestützten Änderungskündigung eine solche nicht zumindest unter Vorbehalt akzeptiert hätte, hat die Beklagte nicht dargetan.

58

b. Ebenso wenig ist die weitere Kündigung der Beklagten vom 19.08.2013 sozial gerechtfertigt. Wie unter a. ausgeführt, liegen Gründe für eine Beendigungskündigung nicht vor. Auch das Verhalten des Klägers nach Zugang der Kündigung vom 28.05.2013 vermag die Folgekündigung nicht sozial zu rechtfertigen. Für den Kläger bestand bis zum Ausspruch dieser Kündigung weiterhin keine Verpflichtung, für die Beklagte als Medien-Berater tätig zu werden, weil der Vorrechtsstreit der Parteien – die Beklagte hatte zwischenzeitlich gegen das Urteil vom 07.05.2013 Berufung eingelegt – zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen war.

II.

59

Zutreffend hat das Arbeitsgericht das Arbeitsverhältnis der Parteien gemäß §§ 9, 10 KSchG zum 31.01.2014 aufgelöst und die Beklagte verurteilt, an den Kläger eine Abfindung von 47.760,00 EUR zu zahlen.

60

1. Gründe i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG für eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag des Klägers liegen vor. Dabei bedarf es bei beiderseitigen Auflösungsanträgen keiner weiteren Prüfung, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitnehmer zumutbar ist. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt. Die Berufungskammer nimmt auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung (Seite 16) gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug. Dahinstehen kann, wie die erstinstanzliche Erklärung der Beklagten, sie erkenne den Antrag "dem Grunde nach" an, rechtlich zu bewerten ist. Die Beklagte hat zweitinstanzlich ausdrücklich einen eigenständigen Auflösungsantrag gestellt.

61

2. Weiter zutreffend hat das Arbeitsgericht den Auflösungszeitpunkt auf den 31.01.2014 festgesetzt. Festzulegen ist gemäß § 9 Abs. 2 KSchG als Auflösungszeitpunkt der Zeitpunkt, zu dem das Arbeitsverhältnis bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte. Bei mehreren streitigen Kündigungen besteht für den Arbeitnehmer ein Wahlrecht, welche Kündigung er für den Auflösungsantrag heranzieht (KR/Spilger 10. Aufl. KSchG § 9 Rn. 31a; BAG 21.05.2008 – 8 AZR 623/07 – Rn. 30 betr. außerordentliche/ordentliche Kündigung).

62

Die von dem Kläger für den Auflösungsantrag herangezogene Kündigung vom 19.08.2013 beendet das Arbeitsverhältnis der Parteien gemäß § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BGB (Kündigungsfrist 5 Monate zum Monatsende) zum vorgenannten Termin. Auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts in den Entscheidungsgründen Seite 16 – 18 wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen. Im Übrigen hält der Kläger an seiner erstinstanzlich vertretenen Auffassung, die vorgenannte Kündigung könne das Arbeitsverhältnis der Parteien erst zum 31.03.2014 auflösen, nicht mehr fest und greift das erstinstanzliche Urteil insoweit mit seiner Anschlussberufung auch nicht an (Seite 9 Anschlussberufungsschriftsatz).

63

3. Die von dem Arbeitsgericht festgesetzte Abfindung in Höhe von 6 Monatseinkommen des Klägers stellt sich als angemessen i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 10 KSchG dar.

64

Bei der Bemessung sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, insbesondere die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, der Familienstand des Arbeitnehmers, das Maß der Sozialwidrigkeit der Kündigung aber auch die weitere berufliche Entwicklung des Arbeitnehmers (vgl. BAG 25.11.1982 – 2 AZR 21/81 – juris Rn. 80; 21.06.2012 – 2 AZR 694/11 – Rn. 40).

65

Danach hält auch die Berufungskammer eine Abfindung im Umfang der von dem Gesetzgeber in § 1a KSchG vorgesehenen Höhe – ein halbes Monatseinkommen pro Beschäftigungsjahr – für angemessen, um im vorliegenden Fall den Verlust des Arbeitsplatzes zu kompensieren. Die persönlichen Verhältnisse des Klägers erfordern keine höhere Bemessung. Aufgrund des Lebensalters sind seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt nicht unterdurchschnittlich. Unterhaltspflichten bestehen nicht. Der Grad der Sozialwidrigkeit der vorliegenden Kündigung erscheint ebenfalls nicht derart hoch, dass eine Abweichung von der sogenannten "Schaubschen-Formel" zu erfolgen hat. Einerseits ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte mehrfach unwirksame Kündigungen ausgesprochen hat, was auch bei der Bewertung des Grades der Sozialwidrigkeit der hier streitigen Kündigung vom 19.08.2013 seinen Niederschlag findet. Andererseits hat die Kammer aber auch in die Abwägung mit einzubeziehen, dass der Kläger durch die Gründung einer eigenen Medienagentur, die im Geschäftsbereich der Beklagten tätig geworden ist, nach Ausspruch der (ersten) betriebsbedingten Kündigung im Jahr 2008 zumindest ein Verhalten gezeigt hat, das die darauffolgenden verhaltensbedingten Kündigungen seitens der Beklagten nicht als willkürlich, sondern als durchaus nachvollziehbar – auch aus Sicht eines verständigen Arbeitnehmers – erscheinen lässt. Zwar ist dieses Vorgehen des Klägers nach Auffassung der Kammer nicht geeignet, die Höhe der Abfindung auf einen Betrag von maximal 8.000,00 EUR zu reduzieren. Es kann aber bei der Frage, ob eine Abfindung in Höhe von 6 Monatseinkommen sich als angemessen erweist, nicht unbeachtet bleiben. Das prozessuale Verhalten des Klägers, welches die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 18.11.2015 aufzeigt, hält sich im Rahmen der erlaubten Prozessführung und bietet keinen Ansatzpunkt, die Abfindung deutlich unterhalb des Regelsatzes festzusetzen. Schlussendlich erscheint eine Abfindung in dieser Höhe gerechtfertigt, weil der Kläger durch den Verlust des Arbeitsplatzes vor der Herausforderung stand, sich in seinem Berufsfeld neu zu orientieren. Seine in den Jahren 2001 bis 2008 ausgeübte Berufstätigkeit als Medien-Berater war stark "kundenbezogen". Dieser Aspekt erscheint andererseits jedoch nicht geeignet, die Abfindungssumme deutlich über dem Regelsatz festzusetzen. Aus Sicht eines verständigen Arbeitnehmers war es für den Kläger keineswegs unmöglich, nach der tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten, seinen Beruf als Medien-Berater weiter auszuüben. Die Beklagte verfügt in ihrem Sendebereich (Sachsen-Anhalt) und erst Recht nicht bundesweit über ein Monopol für die Ausstrahlung von Werbesendungen im Rundfunk. Für den berufserfahrenen Kläger, der nicht durch Unterhaltspflichten ortsgebunden ist, bestand damit durchaus die realistische Chance – ggf. nach einem Ortswechsel –, seine Tätigkeit bei einem anderen Anbieter von Radiowerbesendungen wirtschaftlich erfolgreich auszuüben.

C.

66

Der Auflösungsantrag der Beklagten bezogen auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.09.2013 gegen Zahlung einer Abfindung von maximal 8.000,00 EUR ist zulässig (§ 9 Abs. 1 Satz 2, Satz 3 KSchG) jedoch nicht begründet. Auf Antrag des Arbeitgebers ist das Arbeitsverhältnis aufzulösen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen.

67

Als Auflösungsgründe für den Arbeitgeber i.S.v. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG kommen solche Umstände in Betracht, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, eine Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die der Erwartung einer den Betriebszwecken dienlichen weiteren Zusammenarbeit entgegenstehen, müssen nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Entscheidend ist, ob die objektive Lage bei Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz die Besorgnis rechtfertigt, dass die weitere gedeihliche Zusammenarbeit gefährdet ist (BAG 11.07.2013 – 2 AZR 994/12 – Rn. 56).

68

Derartige Gründe sind vorliegend bezogen auf die von der Beklagten der Sache nach begehrte Vorverlagerung der Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht gegeben.

69

Die Beklagte hat eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag des Klägers bereits erstinstanzlich "dem Grunde nach" anerkannt und hat sich in der Berufungsbegründung auch nicht gegen die Auflösung des Arbeitsverhältnisses an sich gewandt (Berufungsbegründung Seite 4). Der von ihr nunmehr gestellte Antrag verfolgt mithin lediglich den Zweck, eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses bereits zum 30.09.2013 gegen Zahlung einer deutlich niedrigeren als von dem Kläger begehrten Abfindung zu erreichen. Aus der Begründung des Antrages (Schriftsatz vom 18.11.2015, Ziff. III. 2.) lässt sich ein allein auf die Vorverlagerung des Auflösungstermins bezogenes berechtigtes Interesse der Beklagten nicht ableiten. Die Auflösung eines aufgrund unwirksamer Kündigung fortbestehenden Arbeitsverhältnisses dient der Vermeidung von weiteren Spannungen zwischen den Vertragspartnern, die voraussichtlich bei einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach Abschluss des Kündigungsschutzrechtsstreits auftreten werden, nicht jedoch dem Interesse des Arbeitgebers, durch eine Vorverlagerung der von beiden Parteien begehrten Auflösung, den Umfang möglicher Verzugslohnansprüche zu verringern. Das Ziel, die Höhe der Abfindung auf maximal 8.000,00 EUR zu begrenzen, kann die Beklagte im Rahmen der Rechtsverteidigung gegenüber dem Auflösungsantrag des Klägers verfolgen.

D.

70

Auch die gem. § 524 ZPO zulässige Anschlussberufung des Klägers, mit der er die Zahlung einer Abfindung in Höhe weiterer 47.760,00 EUR begehrt – das von dem Arbeitsgericht festgesetzte Auflösungsdatum wird von ihm nicht mehr in Frage gestellt – ist ebenfalls unbegründet.

71

Auch die Berufungskammer hält eine Abfindung in Höhe von 6 Monatseinkommen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles für angemessen. Auf die Ausführungen unter B. II. 3. wird Bezug genommen.

E.

72

Schlussendlich war nach Auffassung der Kammer eine Aussetzung des Rechtsstreits bis zum rechtskräftigen Abschluss des Vorrechtsstreits der Parteien 6 Sa 299/14 = BAG 2 AZR 2/15 gemäß § 148 ZPO nicht geboten.

73

Zwar ist der vorgenannte Rechtsstreit vorgreiflich i.S.d. § 148 ZPO. Bei der sodann vorzunehmenden Ermessensausübung ergibt sich jedoch ein überwiegendes Interesse an einer Fortsetzung des Rechtsstreits. Jener unterliegt der besonderen Prozessförderung gemäß § 64 Abs. 8 ArbGG. Weiter konnte nicht außer Acht gelassen werden, dass die Parteien bereits seit dem Jahr 2008 über den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses streiten.

F.

74

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Kammer hat dabei die Berufung des Klägers vom 23.06.2014 mit einem Monatseinkommen, seine Anschlussberufung mit 6 Monatseinkommen und die Berufung der Beklagten ebenfalls mit 6 Monatseinkommen für die Ermittlung der Kostenquote bewertet.

G.

75

Gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG war für die Beklagte die Revision aufgrund der sich im Rahmen der gestellten Auflösungsanträge ergebenden Rechtsfragen zuzulassen. Gründe im Sinne der vorgenannten Bestimmung, auch für den Kläger die Revision zuzulassen, sind hingegen nicht gegeben. Der Kläger wird insoweit auf § 72a ArbGG hingewiesen.


ra.de-Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 24. Nov. 2015 - 6 Sa 248/14

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Tenor

Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 07.05.2013 – 1 Ca 2036/10 – werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Parteien zu je ½.

Die Revision wird für die Beklagte, jedoch nicht für den Kläger zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer Änderungskündigung, einschließlich der Frage, ob dieser Beendigungswirkung zukommt.

2

Der Kläger ist seit 01.08.2001 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin, der AG (zunächst) als Eventberater tätig. Zum Jahresende 2009 wurde diese Gesellschaft auf die GmbH & Co. KG – die alleinige Beklagte – verschmolzen, die nunmehr als GmbH & Co. KG firmiert.

3

Der Arbeitsvertrag der Parteien bestimmt (auszugsweise):

4

„§ 3. Art und Umfang der Tätigkeit

5

… Ein Anspruch auf Beibehaltung des Dienstortes besteht nicht.

6

7

§ 6. Vergütung

8

(1) Die Vergütung wird in einer gesonderten Anlage zu diesem Vertrag geregelt.“ …

9

Am 01.01.2003 übernahm der Kläger die Aufgabe eines Mediaberaters. In der „Anlage gemäß § 17 Allgemeines zum Anstellungsvertrag“ wurde in § 6 „Vergütung“ bestimmt:

10

„Der Mitarbeiter erhält ab dem 01. Januar 2003 ein monatliches Fixum von 1.124,85 €.

11

Damit entfällt die Provisionsvereinbarung vom 30. Juli 2001.

12

Alle anderen Punkte des Anstellungsvertrages vom 25. Juli 2001 bleiben unberührt.“

13

Der Mediaberater hat bei der Beklagten folgende Arbeitspflichten zu erfüllen:

14

• Verkauf von Werbezeiten, Veranstaltungen, Spotproduktionen;
• Kundenakquise;
• Betreuung und Beratung neuer sowie bestehender Kunden;
• Telefonmarketing;
• Erstellen von Präsentationen und Angeboten;
• Verkauf von Senderprodukten und
• Umsetzen von Marktstrategien

15

In den Jahren 2003 – 2007 unterzeichneten die Parteien jährlich Provisionsvereinbarungen „Auf der Grundlage der abgelaufenen Periode, der Umsätze des Jahres … und der Kundenzuordnung ...“. Ebenso unterzeichneten sie von 2004 bis 2007 jährlich eine „Anlage zur Provisionsvereinbarung (Jahreszahl) Bonusvereinbarung“. In den Jahren 2003 bis 2005 unterzeichneten sie weiter einen mehrseitigen „Zusatz zur Provisionsvereinbarung (Jahreszahl)“. Während in den Jahren 2003 und 2004 unter 1) geregelt war: „Provisionssatz, Forecast und Verkaufsbereich/-gebiet gelten bis zum 31.12.2003. Gleiches gilt für die Provisions- und Forecastregelungen.“, wurde in 2005 bestimmt: „Provisionssatz, Forecast und Verkaufsbereich/-gebiet gelten bis zum Inkrafttreten einer neuen Regelung. Gleiches gilt für die Provisions- und Forecastregelungen.“. Unter Punkt 1) e) wurde weiter bestimmt: „Provision auf Gegengeschäfte werden nicht gezahlt.“

16

Seit Aufnahme der Tätigkeit als Mediaberater war das vereinbarte Verkaufsgebiet des Klägers die Stadt M.

17

Am 18.01.2005 wurde eine weitere „Anlage zum Anstellungsvertrag“ unterzeichnet:

18

§ 3 Art und Umfang der Tätigkeit

19

Der Mitarbeiter übernimmt ab 01. Januar 2005 die Funktion des Teamleiters für die Mediaberater F und N.

20

Alle anderen Punkte aus dem Anstellungsvertrag vom 25. Juli 2001 und der Anlage zum Anstellungsvertrag vom 01. Januar 2003 bleiben unberührt.“

21

Am 31. Januar 2006 unterzeichneten die Parteien eine weitere „Anlage zum Anstellungsvertrag“:

22

§ 3 Art und Umfang der Tätigkeit

23

Der Mitarbeiter übernimmt ab 01. Januar 2006 in seine Teamleitung den Mediaberater J.

24

§ 6 Vergütung

25

Der Mitarbeiter erhält ab dem 01. Januar 2006 ein monatliches Fixum von € 1.800,00 (in Worten: eintausendachthundert Euro).

26

Alle anderen Punkte aus dem Anstellungsvertrag vom 25. Juli 2001, der Anlage zum Anstellungsvertrag vom 01. Januar 2003 und der Anlage zum Anstellungsvertrag vom 18. Januar 2005 bleiben unberührt.“

27

Das durchschnittliche monatliche Entgelt des Klägers belief sich zuletzt auf 6.810,93 EUR brutto. Ohne schriftliche Vereinbarung war dem Kläger zur Erfüllung seiner Arbeitsaufgaben außerdem ein Dienstwagen zur beruflichen und privaten Nutzung überlassen worden (Listenpreis 2008: 31.650,00 EUR). Die Aufwendungen für diese Nutzung trug die Beklagte. Außerdem war für den Kläger eine betriebliche Altersversorgung durch Gehaltsumwandlung abgeschlossen worden.

28

Im I. Quartal 2008 führten die Parteien mehrere Gespräche über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger als Mediaberater zu den für Mediaberater gültigen Arbeitsbedingungen. Eine Einigung wurde nicht erzielt. Mit Schreiben vom 02.04.2008 kündigte die Beklagte daraufhin das Arbeitsverhältnis zum 30.09.2008. Unter dem 23.09.2008 kündigte die Beklagte dem Kläger erneut, jetzt außerordentlich, hilfsweise ordentlich. Die Kündigungsschutzklagen endeten mit obsiegenden Urteilen zugunsten des Klägers.

29

Mit Schreiben vom 18.06.2010 sprach die GmbH & Co. KG dem Kläger eine Änderungskündigung mit folgendem Wortlaut aus:

30

„… unter Aufrechterhaltung der betriebsbedingten Kündigung vom 02.04.2008 sowie der außerordentlichen Kündigung vom 23.09.2008 kündigen wir hiermit vorsorglich das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aus betrieblichen Gründen mit Wirkung zum 30.09.2010, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin.

31

Zugleich bieten wir Ihnen an, Ihr Arbeitsverhältnis ab dem 01.10.2010 zu folgenden Bedingungen fortzusetzen:

32

1. Sie werden ab dem 01.10.2010 als Mediaberater in H tätig.

33

2. Für Ihre Tätigkeit erhalten Sie ein monatliches Fixum in Höhe von 1.125 € (in Worten: eintausendeinhundertfünfundzwanzig Euro) brutto, zahlbar jeweils am Ende des Monats durch Überweisung.

34

3. Im Übrigen gelten die Bedingungen des bisherigen Arbeitsverhältnisses, insbesondere Ihres Arbeitsvertrags vom 25.07.2001, mit Ausnahme der Regelungen

35

•in Ziffer § 3 der Anlage zum Anstellungsvertrag vom 18. Januar 2005;
•in § 3 und § 6 der Anlage zum Anstellungsvertrag vom 31. Januar 2006;
•zur Zahlung der Teamprovision;
•in Punkt e) aus dem Zusatz zur Provisionsvereinbarung 2005,

36

unverändert fort.“

37

Mit Schreiben vom 05.07.2010 antwortete der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten:

38

„Unser Mandant erklärt hiermit, dass er Ihr Angebot aus dem Schreiben vom 18.06.2010 unter den Bedingungen, dass zwischen der GmbH & Co. KG und unserem Mandanten am 18.06.2010 ein Arbeitsverhältnis bestand, die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen unwirksam ist und Sie uns gegenüber schriftlich erklären, dass Sie die Vorwürfe gegenüber unserem Mandanten aus der verhaltensbedingten außerordentlichen Kündigung vom 23.09.2008 nicht mehr aufrechterhalten, annimmt.“

39

Am 07.07.2010 ist die gegen diese Kündigung gerichtete Klage des Klägers bei dem Arbeitsgericht eingegangen. Der Kläger hat die 1. GmbH & Co. KG und 2. die GmbH mit folgenden Anträgen verklagt:

40

1. Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Kündigung der Beklagten zu 1) vom 18.06.2010 sozial ungerechtfertigt und rechtsunwirksam ist und das Arbeitsverhältnis fortbesteht.

41

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu 2) fortbesteht.

42

Nach Durchführung des Gütetermins bat der Kläger die Beklagte mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 10.08.2010 (Bl. 420 d.A.) um Erläuterung des Änderungsangebotes. In dem Schriftsatz heißt es:

43

44

In oben genannten Sachen kommen wir auf die gestrige Güteverhandlung und den schriftlich formulierten Vorschlag des Gerichts zurück.

45

Das Ergebnis der mündlichen Verhandlung haben wir mit unserem Mandanten besprochen und dabei verschiedene Optionen erwogen. Bevor sich unser Mandant mit hinreichender Sicherheit festlegen kann, bitten wir Ihre Mandanten das neue Arbeitsverhältnis näher auszugestalten. Wir bitten insoweit um Angaben darüber,

46

- wie hoch die an unseren Mandanten zu zahlende Provision ab 01.10.2010 wäre

47

- welches Verkaufsgebiet ihm zugewiesen werden soll,

48

- ob unserem Mandanten ein Dienstwagen zur Verfügung gestellt wird und

49

- ob die bereits bestandene und von unserem Mandanten nach dem Ausscheiden übertragene betriebliche Altersversorgung durch Ihre Mandanten wieder übernommen wird.

50

Erst nach Vorlage der benötigten Informationen kann sich unser Mandant zum Vorschlag des Gerichts über eine Neueinstellung und die übrigen Bedingungen zur Erledigung der zwischen unseren Mandanten bestehenden Rechtsstreitigkeiten erklären. Wir bitten darum, die gewünschten Informationen zeitnah herzureichen.

51

52

Die damaligen Prozessbevollmächtigten der Beklagten antworteten hierauf mit Schriftsatz vom 12.08.2010 (Bl. 422 d.A.) wie folgt:

53

54

1. Zu Punkt 1:

55

Die Media-Berater erhalten für Media-Umsätze eine Provision von 10 % des Nettoumsatzes (Bruttoumsatz ./. Rabatte ./. AE-Provision); für Produktionsumsätze 5 %, für verkaufte Veranstaltungen 5 %, für Kompensationsumsätze wird keine Provision gezahlt. Bei Erfüllung des Jahresforecast wird einmalig am Jahresende ein Bonus von 1.000,00 EUR in bar gezahlt. Weitere Boni gibt es seit dem 01.01.2009 nicht mehr.

56

Provisionen werden nur gezahlt, wenn der Auftrag durch den Media-Berater akquiriert wurde und ein Besuchsbericht vorliegt. Das betrifft Media, Events und Präsentationen. Produktionen werden nur verprovisioniert, die kostendeckend abgerechnet werden.

57

2. Zu Punkt 2:

58

Herr W würde im Verkaufsgebiet M eingesetzt.

59

3. Zu Punkt 3:

60

Eine Forecast für 2010 wird nicht mehr gestellt. Für 2011 wird wie üblich der Forecast gemeinsam zwischen dem Verkaufsleiter und dem Media-Berater erarbeitet.

61

4. Punkt 4:

62

Es wird ein Dienstwagen gestellt bis zu einem Bruttolistenpreis von 20.3000,00 EUR (gilt für alle Media-Berater gleichermaßen).

63

5. Zu Punkt 5:

64

Die betriebliche Altersversorgung durch Gehaltsumwandlung kann wieder übernommen werden.

65

66

Nach Hinweis des damaligen Beklagtenvertreters auf die Umfirmierung der Beklagten und entsprechender Änderung des Passivrubrums hat der Kläger folgende Anträge angekündigt (Schriftsatz vom 27.02.2013, S. 1 – Bl. 615 d.A.):

67

1. Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Kündigung vom 18.06.2010 sozial ungerechtfertigt und rechtsunwirksam ist.

68

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis über den 30.09.2010 zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

69

Auf einen gerichtlichen Hinweis vom 15.04.2013 hat der Kläger zusätzlich hilfsweise folgenden Antrag angekündigt:

70

„1a. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 18.06.2010 nicht aufgelöst ist.“

71

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die streitbefangene Kündigung sei rechtsunwirksam.

72

Dem Änderungsangebot fehle die erforderliche Bestimmtheit. Für ihn sei unklar, in welchem Verkaufsgebiet er tätig werden müsse. Er wisse zudem nicht, ob eine Provision und der Zielerreichungsbonus überhaupt und falls eine Zahlung erfolge, in welcher Höhe diese gezahlt werden sollten. Zugleich bleibe unklar, welche Umsatzziele maßgeblich seien. Unklar sei auch, ob und zu welchen Bedingungen ein Dienstwagen zur Verfügung gestellt werde.

73

Außerdem sei eine vorsorgliche fristgerechte Änderungskündigung unzulässig, solange – wie vorliegend – zwischen den Parteien ein Rechtsstreit über die Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen verhaltensbedingten Beendigungskündigung noch anhängig sei.

74

Der Änderungskündigung fehle es zudem an einem dringenden betrieblichen Erfordernis zur Änderung der Arbeitsbedingungen. Eine Sozialauswahl sei nicht durchgeführt worden. Schließlich seien die angebotenen neuen Arbeitsbedingungen unverhältnismäßig und damit unzumutbar.

75

Der Kläger hat beantragt,

76

1. festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Kündigung vom 18.06.2010 sozial ungerechtfertigt und rechtsunwirksam ist.

77

Hilfsweise festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 18.06.2010 nicht aufgelöst ist.

78

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis über den 30.09.2010 zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

79

Die Beklagte hat beantragt,

80

die Klage abzuweisen.

81

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dem Kläger sei eine gerichtliche Überprüfung der Änderungskündigung verwehrt, weil er keine rechtswirksame Annahme der angebotenen neuen Arbeitsbedingungen erklärt habe. Die Verknüpfung der Vorbehaltserklärung mit einer zusätzlichen Bedingung sei nach den allgemeinen Normen der §§ 145 ff. BGB nicht möglich. Darüber hinaus habe sie unstreitig die gewünschte Erklärung gerade nicht abgegeben.

82

Gegen eine Beendigungskündigung könne sich der Kläger wegen Versäumung der Klagefrist nicht mehr zur Wehr setzen. Eine analoge Anwendung von § 6 KSchG scheide aus, weil nach der zum 01.01.2004 erfolgten Novellierung des KSchG nicht mehr von einer systemwidrigen Regelungslücke ausgegangen werden könne.

83

Außerdem sei das Klagerecht insoweit nach Ablauf von nahezu 3 Jahren nach Klageerhebung bzw. Erhalt der Änderungskündigung verwirkt und rechtsmissbräuchlich.

84

Im Übrigen hat die Beklagte die Auffassung vertreten, das Änderungsangebot sei hinreichend bestimmt.

85

Im Ergebnis solle der ursprünglich abgeschlossene Arbeitsvertrag weiterhin aufrechterhalten bleiben. Sie habe lediglich die Ergänzungen zurückgenommen.

86

Das Verkaufsgebiet sei hinreichend konkret bezeichnet und könne im Übrigen auch im Hinblick auf die Bestimmung des Arbeitsvertrages kraft Direktionsrechtes zugewiesen werden.

87

Bezüglich der Provisionen und Provisionssätze sei der Zusatz zur Provisionsvereinbarung 2005 („Provisionssatz, Forecast und Verkaufsbereich/-gebiet bis zum Inkrafttreten einer neuen Regelung. Gleiches gilt für die Provisions- und Forecastregelungen.“) maßgebend. Hierauf habe sie in der Änderungskündigung ausdrücklich hingewiesen. Damit stehe fest, welche Provisionen und Provisionssätze der Kläger zu erwarten habe. Da die Bonusvereinbarung als Anlage zur Provisionsvereinbarung 2005 deklariert worden sei, gehöre sie als Teil der Provisionsvereinbarung ebenfalls zur ihrem Vertragsänderungsangebot.

88

Die Privatnutzung des zur Verfügung gestellten Dienstwagens gehöre zumindest kraft betrieblicher Übung zum Inhalt des bisherigen Vertrages und gelte in Ermangelung eines ausgesprochenen Entzuges fort. Bruttolistenpreis und Fahrzeugklasse richten sich nach dem bei ihr Üblichen und beeinflussen die Bestimmtheit des Änderungsangebotes nicht.

89

Im Übrigen lasse sich der Inhalt des Änderungsangebotes durch Auslegung hinreichend sicher ermitteln.

90

Die Änderungskündigung sei durch dringende betriebliche Erfordernisse sozial gerechtfertigt.

91

In diesem Zusammenhang hat die Beklagte behauptet, sie habe Ende 2007 die Entscheidung getroffen, das von dem Kläger geleitete Team aufzulösen und alle Mediaberater – wie bereits in der Vergangenheit – wieder unmittelbar der Verkaufs- und Marketingleiterin zu unterstellen. Weitere Teamleiter seien bei ihr nicht eingesetzt, deshalb gebe es auch keinen mit dem Kläger vergleichbaren Arbeitnehmer.

92

Schließlich habe sie dem Kläger auch nur solche Änderungen angeboten, die dieser billigerweise hätte hinnehmen müssen.

93

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 07.05.2013, nachdem es zuvor mit Beschluss vom 28.02.2013 die von dem Kläger weiter geltend gemachten Verzugslohnansprüche (ursprüngliche Klageanträge zu Ziffern 3. – 52.) abgetrennt hatte, die Klage hinsichtlich der Hauptanträge zu Ziff. 1 und Ziff. 2 abgewiesen, ihr jedoch hinsichtlich des Hilfsantrages stattgegeben und die Kosten des Rechtsstreits den Parteien je zur Hälfte auferlegt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, der von dem Kläger hauptsächlich gestellte Änderungsschutzantrag habe keinen Erfolg haben können, weil der Kläger einen Vorbehalt nach § 2 KSchG nicht rechtswirksam erklärt habe. Die von ihm abgegebene Vorbehaltserklärung vom 05.07.2010 entspreche im Hinblick auf dort weiter aufgestellte Bedingungen nicht den gesetzlichen Erfordernissen. Jedoch sei der hilfsweise gestellte Kündigungsschutzantrag begründet. Die streitgegenständliche Kündigung vom 18.06.2010 sei als Beendigungskündigung rechtsunwirksam. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei die Fiktion des § 7 KSchG nicht eingetreten, da der Kläger in analoger Anwendung des § 6 KSchG noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz im Hinblick auf die fristgerecht anhängig gemachte Änderungsschutzklage hilfsweise einen Beendigungsschutzantrag habe stellen können. Materiell stehe der Rechtswirksamkeit der Kündigung vom 18.06.2010 entgegen, dass das von der Beklagten unterbreitete Änderungsangebot nicht hinreichend bestimmt sei. Hieraus lasse sich nicht entnehmen, welcher Verkaufsbereich dem Kläger zukünftig zugewiesen werden solle. Ebenso sei unklar, auf welcher Basis die Provisionsansprüche des Klägers zu berechnen seien. Aus dem Änderungsangebot gehe auch nicht hervor, ob der Kläger zukünftig weiterhin einen Dienstwagen zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellt bekomme. Wegen der weiteren Einzelheiten der angefochtenen Entscheidung wird auf Bl. 728 – 750 d.A. verwiesen.

94

Gegen dieses, ihr am 10.06.2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 09.07.2013 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 10.09.2013 am 10.09.2013 begründet.

95

Der Kläger wiederum hat im Rahmen der hierzu gefertigten Berufungserwiderung am 16.10.2013 Anschlussberufung eingelegt und diese sogleich begründet.

96

Mit ihren wechselseitigen Rechtsmitteln verfolgen die Parteien ihre erstinstanzlichen Klageziele weiter.

97

Die Beklagte hält an ihrem bereits erstinstanzlich vertretenen Rechtsstandpunkt, der als Beendigungskündigung wirkenden Änderungskündigung vom 18.06.2010 komme bereits gemäß § 7 KSchG (fiktiv) Rechtswirksamkeit zu, fest. Nach der Neufassung des § 6 KSchG zum 01.01.2004 sei kein Raum mehr für eine analoge Anwendung dieser Bestimmung auf die vorliegende Fallkonstellation. Ungeachtet dessen sei die diesbezügliche bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil eine strukturelle Unterlegenheit des Klägers im Hinblick auf seine anwaltliche Vertretung nicht gegeben sei. Jedenfalls habe der Kläger das Recht, die streitige Kündigung auch als Beendigungskündigung anzugreifen, aufgrund seines prozessualen Verhaltens verwirkt, indem er nach Änderung des Passivrubrums ausdrücklich einen Änderungsschutzantrag gestellt habe.

98

Ungeachtet dessen komme der streitbefangenen Kündigung auch materiell Rechtswirksamkeit zu. Das Änderungsangebot sei hinreichend bestimmt. Soweit das Arbeitsgericht auf fehlende Angaben zur Provisionshöhe abstelle, handele es sich hierbei um Vertragsbestandteile, die nicht als Arbeitsbedingungen im Sinne der §§ 305 ff. BGB anzusehen seien.

99

Die Beklagte beantragt,

100

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Halle vom 07.05.2013 – 1 Ca 2036/10 – die Klage abzuweisen

101

sowie

102

die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.

103

Der Kläger beantragt:

104

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 07.05.2013 – 1 Ca 2036/10 – wird abgeändert.

105

2. Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Kündigung der Beklagten vom 18.06.2010 sozial ungerechtfertigt und unwirksam ist.

106

3. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

107

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung, soweit diese zu seinen Gunsten ausgegangen ist. Im Übrigen (Anschlussberufung) hält er an seinem erstinstanzlichen Rechtsstandpunkt, der von ihm erklärte Vorbehalt sei mit den Vorgaben des § 2 KSchG vereinbar, fest. Angesichts des zwischen den Parteien zum damaligen Zeitpunkt noch anhängigen Vorrechtsstreites betreffend die Rechtswirksamkeit einer zu einem früheren Zeitpunkt ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung sei es ihm wegen des den Bestand des Arbeitsverhältnisses betreffenden Schwebezustandes rechtlich gar nicht möglich gewesen, einen die konkrete Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses betreffenden Vorbehalt abzugeben.

108

Die Beklagte verteidigt insoweit die angefochtene Entscheidung.

109

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

A.

110

Die Berufung der Beklagten wie auch die Anschlussberufung des Klägers sind zulässig.

I.

111

Das Rechtsmittel der Beklagten ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 ArbGG statthaft. Die Beklagte hat die Fristen des § 66 Abs. 1 Satz 1, Satz 5 ArbGG gewahrt.

II.

112

Auch die Anschlussberufung des Klägers ist zulässig. Er hat diese innerhalb der Frist des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO eingelegt und begründet (§ 524 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Die Begründung entspricht den Vorgaben des § 520 Abs. 3 i.V.m. § 524 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Der Kläger setzt sich in rechtlicher Hinsicht mit dem angefochtenen Urteil auseinander und zeigt auf, dass aus seiner Sicht der von ihm abgegebene Vorbehalt keine unzulässige Bedingung aufweise. Ob diese Rechtsauffassung zutrifft, ist eine Frage der Begründetheit der Anschlussberufung.

B.

113

Die Anschlussberufung des Klägers, mit der er seinen hauptsächlich gestellten Änderungsschutzantrag weiter verfolgt, ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung die Änderungsschutzklage abgewiesen. Zutreffend ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger den für die Begründetheit der Änderungsschutzklage erforderlichen Vorbehalt gemäß § 2 KSchG nicht rechtswirksam erklärt hat. Die Berufungskammer schließt sich den Ausführungen des Arbeitsgerichts unter A. I. 3. der Entscheidungsgründe gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG an. Das Vorbringen des Klägers in der Berufungsinstanz vermag keine abweichende rechtliche Beurteilung zu begründen.

I.

114

Jedenfalls die von ihm in der Vorbehaltserklärung aufgestellte Bedingung, die Beklagte solle schriftlich erklären, sie halte die Vorwürfe im Zusammenhang mit der damals noch streitigen außerordentlichen Kündigung vom 23.09.2008 nicht mehr aufrecht, ist von der dem Arbeitnehmer gemäß § 2 KSchG eröffneten Wahlmöglichkeit nicht mehr gedeckt. Sie steht in keinem Zusammenhang mit der sozialen Rechtfertigung der mit der streitigen Änderungskündigung bezweckten Vertragsänderung. Im Übrigen wäre – wie das Arbeitsgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt hat – der erklärte Vorbehalt auch dann nicht wirksam, wenn die vorgenannte Bedingung als zulässig angesehen wird. Die Beklagte ist dem Verlangen des Klägers gerade nicht nachgekommen. Sie hat vielmehr durch ihr prozessuales Verhalten die Erfüllung dieser Vertragsbedingung konkludent abgelehnt.

II.

115

Entgegen der Auffassung des Klägers war, um eine Beschränkung der Rechtswirkungen der ausgesprochenen Kündigung auf die soziale Rechtfertigung der angebotenen Vertragsänderung herbeizuführen, eine Vorbehaltserklärung im vorliegenden Fall nicht gänzlich entbehrlich.

116

1. Die Änderungskündigung ist erkennbar als hilfsweise Kündigung für den Fall ausgesprochen worden, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht bereits durch vorangegangene Kündigungen vollständig beendet worden ist. Der Ausspruch einer Folgekündigung unter Aufrechterhaltung der vorangegangenen Kündigungen durch den Arbeitgeber ist nach allgemeiner Meinung zulässig.

117

2. Dies gilt auch für eine Änderungskündigung. Hieran ändert der Umstand, dass die Beklagte sich bei erweisender Unwirksamkeit der vorangegangenen Kündigungen zum Zeitpunkt der Änderungskündigung in Annahmeverzug befand, nichts. Dadurch ist sie nicht gehindert, das dann zu den bisherigen Bedingungen fortbestehende Arbeitsverhältnis der Parteien erneut mit dem Ziel zu kündigen, den Vertrag lediglich an die veränderten Umstände anzupassen. § 2 KSchG bietet dem Arbeitnehmer auch in dem Fall, in dem der Bestand des Arbeitsverhältnisses sich in einem Schwebezustand befindet, einen ausreichenden Rechtsschutz. Er kann die Änderungskündigung ohne Vorbehalt annehmen. Obsiegt er im Kündigungsschutzrechtsstreit betreffend die vorangegangene Kündigung, besteht das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der aus der Änderungskündigung folgenden Kündigungsfrist zu den dort genannten veränderten Bedingungen fort. Lehnt er das Angebot vorbehaltlos ab, streiten die Parteien in einem weiteren Kündigungsrechtsstreit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses insgesamt. Im Fall eines wirksam erklärten Vorbehalts „riskiert“ der Kläger bei Obsiegen im Vorrechtsstreit hingegen nur „noch“ den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zu den bisherigen Bedingungen. Mithin ist es für den Kläger gerade nicht unzumutbar oder sogar rechtlich unmöglich, angesichts des den Bestand des Arbeitsverhältnisses betreffenden Schwebezustandes eine rechtsgeschäftliche Erklärung zur Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses – für den Fall des Fortbestandes – abzugeben. Schutzwürdige Interessen des Klägers stehen dem nicht entgegen. Hingegen wäre, würde man der Auffassung des Klägers folgen, der Arbeitgeber bis zum Abschluss eines Vorrechtsstreites gehindert, von seinem Kündigungsrecht Gebrauch zu machen, sofern ihm hierfür nur Gründe zur Verfügung stehen, die eine Änderungskündigung sozial rechtfertigen können.

III.

118

Nach alledem konnte das Rechtsmittel des Klägers, das sich nach Antrag und Begründung der Anschlussberufung nicht auf die von dem Arbeitsgericht ebenfalls abgewiesene allgemeine Feststellungsklage bezog, keinen Erfolg haben.

C.

119

Auch die Berufung der Beklagten ist nicht begründet.

120

Zu Recht hat das Arbeitsgericht dem hilfsweise gestellten Kündigungsschutzantrag des Klägers, der aufgrund Zurückweisung der Anschlussberufung zur Entscheidung angefallen ist, entsprochen.

121

Die nach den vorstehenden Ausführungen als Beendigungskündigung wirkende Kündigung der Beklagten (firmierend unter „GmbH & Co. KG“) vom 18.06.2010 löst das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht auf. Ihr kommt keine Rechtswirksamkeit zu.

I.

122

Entgegen der Auffassung der Beklagten gilt die streitige Kündigung nicht gemäß § 7 KSchG als rechtswirksam, weil der Kläger diese nicht innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist des § 4 KSchG angegriffen hat.

123

1. Zwar hat der Kläger diese Frist nach dem sich bietenden Sachverhalt nicht eingehalten. Die innerhalb der Klagefrist bei dem Arbeitsgericht eingegangene (§ 167 ZPO) Klage enthält keinen ausdrücklichen Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG. Ein solcher Inhalt lässt sich auch nicht der Begründung der Klageschrift entnehmen.

124

2. Für den Kläger kommt aber zur Vermeidung des Fiktionseintritts die sich aus § 6 KSchG ergebende verlängerte Frist – Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz – zur Anwendung. Die Bestimmung lässt nach ihrem Wortlaut allerdings nur das „Nachschieben“ von Unwirksamkeitsgründen betreffend eine innerhalb der Klagefrist des § 4 KSchG angegriffene Kündigung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der ersten Instanz zu. Sie ist jedoch auch in der seit 01.01.2004 geltenden Neufassung analog auf den Fall anzuwenden, dass ein Arbeitnehmer fristgemäß eine Änderungsschutzklage erhebt und im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens die Kündigung (auch) als Beendigungskündigung angreift.

125

a. Diese Auffassung entspricht der zu der alten Fassung ergangenen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 17.05.2001 – 2 AZR 460/00 – juris Rn. 51).

126

b. Durch die sprachliche Neufassung des § 6 KSchG hat sich dessen (analoger) Anwendungsbereich nicht verändert. Die Kammer schließt sich der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in der Entscheidung vom 23.04.2008 – 2 AZR 699/06 – Rn. 22 an:

127

Nach der redaktionell missglückten Fassung des § 6 KSchG besteht grundsätzlich Einigkeit, dass die Rechtsfolge nicht nur auf einzelne Unwirksamkeitsgründe zu beziehen ist, sondern sich - wie schon vor der Gesetzesnovelle - generell auf die Verlängerung der Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage beziehen kann (vgl. HWK/Pods/Quecke 2. Aufl. § 6 KSchG Rn. 10; Raab RdA 2004, 321, 325) . Die Neufassung des § 6 KSchG sollte der bisherigen Regelung entsprechen und lediglich angepasst werden (BT-Drucks.15/1509; Raab RdA 2004, 321, 328; HaKo-Gallner . Aufl. § 6 KSchG Rn. 19) .

128

Diese Rechtsauffassung hat das Bundesarbeitsgericht in weiteren Entscheidungen (BAG 15.05.2012 – 7 AZR 6/11 – Rn. 23, 24 und 26.09.2013 – 2 AZR 682/12 – Rn. 35, 36) bestätigt.

129

c. Vorliegend sind die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 6 KSchG eröffnet.

130

Entgegen der Auffassung der Beklagten setzt diese nicht voraus, dass der Arbeitnehmer im konkreten Fall aufgrund fehlender Rechtskenntnisse sich in einer strukturell unterlegenen Position gegenüber dem Arbeitgeber befindet. Eine solche Einschränkung ist dem Wortlaut der Norm nicht zu entnehmen. Auch die diesbezügliche Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts stellt hierauf nicht als Voraussetzung ab.

131

d. Der Anwendbarkeit steht weiter nicht entgegen, dass der Kläger bei der Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen hervorgerufen hat, er werde im Fall eines unwirksamen Vorbehaltes sich gerichtlich nicht gegen die sodann als Beendigungskündigung wirkende streitige Kündigung zur Wehr setzen. Dem steht bereits entgegen, dass der Kläger schon in der Klageschrift den Änderungsschutzantrag mit dem Zusatz „…fortbesteht“ versehen hat. Auch wenn diesem mangels hierauf bezogener Begründung nicht die Wirkung einer allgemeinen Feststellungsklage (§ 256 Abs. 1 ZPO) zukommt, so wird für die Beklagte hierdurch deutlich, dass es dem Kläger im Zusammenhang mit der angegriffenen Kündigung um den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses insgesamt geht. Nichts anderes folgt aus der nach Änderung des Passivrubrums von dem Kläger im Schriftsatz vom 27.02.2013 vorgenommenen Neufassung seiner Klaganträge. Entgegen der Auffassung der Beklagten beschränkt der Kläger hierdurch sein Klageziel nicht auf die Geltendmachung von Änderungsschutz, wie sich aus dem im vorliegenden Schriftsatz unter Ziff. 2. angekündigten allgemeinen Feststellungsantrag ergibt.

132

Darüber hinaus steht der Begründung eines schutzwürdigen Vertrauens der Beklagten, der Kläger wolle lediglich „isoliert“ die Rechtswirksamkeit des Änderungsangebotes zur gerichtlichen Überprüfung stellen, entgegen, dass die Beklagte selbst bereits in ihrer Klageerwiderung vom 26.03.2012 (Seite 10) darauf hinweist, aufgrund des nach ihrer Auffassung nicht rechtswirksam erklärten Vorbehaltes stehe die Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Streit. Ein solches Klageziel des Klägers ergibt sich letztendlich auch aus dem Gesamtzusammenhang. Mit Erhebung einer Änderungsschutzklage erklärt der Arbeitnehmer, er sei nicht bereit, eine inhaltliche Veränderung seines Arbeitsverhältnisses klaglos hinzunehmen. Hieraus wird für den Arbeitgeber hinreichend deutlich, dass der Arbeitnehmer „erst Recht nicht“ die Beendigung des Arbeitsverhältnisses insgesamt aufgrund der von ihm angegriffenen Kündigung akzeptieren will.

133

e. Der Kündigungsschutzantrag ist vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz angekündigt und gestellt worden.

II.

134

Die streitbefangene Kündigung der Beklagten ist rechtsunwirksam, weil die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 KSchG (i.V.m. § 2 KSchG) nicht gegeben sind.

135

Danach bedarf eine ordentliche Kündigung zu ihrer sozialen Rechtfertigung – u.a. – dringender betrieblicher Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen. Im Fall der Änderungskündigung setzt dies – wie das Arbeitsgericht unter Verweis auf die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zutreffend ausgeführt hat (Entscheidungsgründe A. II. 3.) – voraus, dass der Arbeitgeber sich bei Vorliegen von betriebsbedingten Gründen bei Abfassung des Änderungsangebotes auf solche Vertragsänderungen beschränkt, die dem Arbeitnehmer zumutbar sind. Darüber muss dieses Änderungsangebot eindeutig bestimmt oder zumindest bestimmbar sein. Unklarheiten gegen zu Lasten des Arbeitgebers und führen zur Unwirksamkeit der Änderungskündigung. Dieser Prüfungsmaßstab findet auch dann Anwendung, wenn der Arbeitnehmer das Änderungsangebot nicht (wirksam) angenommen hat.

136

Vorliegend ermangelt es der Kündigung vom 18.06.2010 an einem hinreichend bestimmten Änderungsangebot. Die Kammer schließt sich auch insoweit den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts unter A. II. 3. c. der Entscheidungsgründe an. Das Vorbringen der Beklagten im Berufungsverfahren vermag keine abweichende rechtliche Beurteilung zu begründen.

137

1. Zutreffend ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass das dem Kläger zukünftig zu übertragende Verkaufsgebiet nicht hinreichend bestimmt ist. Aus der Verwendung der Ortsbezeichnung „H“ war aus Sicht eines verständigen Empfängers, der zuvor mehrere Jahre im Bereich M tätig war, gerade nicht zweifelsfrei zu erkennen, wo nunmehr sein Tätigkeitsbereich liegen soll. So hat die Beklagte auf Nachfrage des Klägers im Nachgang zu Gesprächen im Gütetermin gerade nicht bestätigt, dass der Kläger als Medien-Berater in H (so die Angaben in der Änderungskündigung) tätig werden soll, sondern ihm mit Schriftsatz vom 12.08.2010 zur Beantwortung seiner diesbezüglichen Anfrage mitgeteilt, er werde im Verkaufsgebiet M eingesetzt.

138

2. Weiter enthält das Änderungsangebot keine ausreichend präzisen Angaben über den Inhalt der zur Anwendung kommenden Provisionsregelungen, die einen nicht unerheblichen Teil der Vergütung des Klägers in der Vergangenheit begründet haben. Die sich aus dem Kündigungsschreiben ergebenden Verweise auf die bis zur Ernennung zum Team-Leiter Anfang 2005 geltenden Arbeitsbedingungen sind angesichts der von der Beklagten auf Jahresbasis erfolgenden Neubestimmung der Provisionsgrundsätze gerade nicht geeignet, um aus Sicht eines verständigen Empfängers in der Position des Klägers die Höhe der zu erwartenden Vergütung einschätzen zu können.

139

Entgegen der Auffassung der Beklagten waren präzise Angaben hierzu nicht deshalb entbehrlich, weil es sich bei den Provisionsregelungen nicht um Arbeitsbedingungen im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 2 KSchG handelt. Im Gegenteil ist die Höhe der Vergütung eine der wesentlichen Vertragsbedingungen. Die Gewährung der vereinbarten Vergütung bildet die im Synallagma stehende Hauptleistungspflicht des Arbeitgebers. Sie gehört – wie auch § 612 BGB zeigt – zum Kernbereich des Arbeitsverhältnisses. Zutreffend ist zwar, dass eine AGB-Kontrolle von Vergütungsabreden nach Maßgabe des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB (Angemessenheitskontrolle) nicht erfolgt. Die Kontrollfreiheit beruht jedoch nicht darauf, dass derartige Abreden nicht als Vertragsbedingungen anzusehen sind, sondern findet ihre Grundlage in § 307 Abs. 3 BGB, der Hauptleistungspflichten von einer Inhaltskontrolle ausnimmt.

140

3. Aus dem „Schweigen“ des Änderungsangebotes zur Frage der privaten Nutzung eines (dem Kläger bis 2008 überlassenen) Dienstwagens ergibt sich ebenfalls kein ausreichend bestimmter Erklärungsinhalt, der Kläger könne (wie bisher) über einen Dienstwagen auch zur privaten Nutzung verfügen. Zutreffend verweist das Arbeitsgericht darauf, dass der in Bezug genommene Arbeitsvertrag hierzu gerade keine Regelung enthält, sondern lediglich die Erstattung von Reisekosten vorsieht. Darüber hinaus bleibt unklar, welcher Typen-Klasse ein (erneut) bereitzustellender Dienstwagen angehören wird. Konkrete Angaben zu den im Jahr 2010 bei der Beklagten geltenden Regelungen enthält das Angebot nicht. Wie das Schreiben der Beklagten vom 12.08.2010 zeigt, sollte dem Kläger jedenfalls nicht ein Dienstwagen der bisher von ihm genutzten Klasse (Listenpreis 31.600,00 EUR), sondern ein Modell mit einem Listenpreis von 20.300,00 EUR zur Verfügung gestellt werden.

III.

141

Nach alledem konnte auch das Rechtsmittel der Beklagten keinen Erfolg haben.

D.

142

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 i.V.m. § 92 Abs. 1 ZPO. Die Kammer hat dabei das Obsiegen der Parteien mit je ½ bezogen auf den Gesamtstreitwert bemessen. Aus diesem Grund war es auch nicht angezeigt, die erstinstanzliche Kostenentscheidung abzuändern.

E.

143

Gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG war wegen grundsätzlicher Bedeutung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage die Revision für die Beklagte zuzulassen. Das Bundesarbeitsgericht hat bisher nicht explizit entschieden, ob eine analoge Anwendung des § 6 KSchG nach dessen Neufassung auch bei der vorliegenden Fallkonstellation – Übergang von der Änderungsschutzklage zur Beendigungsschutzklage – weiter möglich ist.

144

Hingegen liegen keine Gründe vor, für den Kläger die Revision zuzulassen. Dieser wird auf § 72a ArbGG hingewiesen.


(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.

(2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.

(1) Das Arbeitsverhältnis eines Arbeiters oder eines Angestellten (Arbeitnehmers) kann mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden.

(2) Für eine Kündigung durch den Arbeitgeber beträgt die Kündigungsfrist, wenn das Arbeitsverhältnis in dem Betrieb oder Unternehmen

1.
zwei Jahre bestanden hat, einen Monat zum Ende eines Kalendermonats,
2.
fünf Jahre bestanden hat, zwei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
3.
acht Jahre bestanden hat, drei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
4.
zehn Jahre bestanden hat, vier Monate zum Ende eines Kalendermonats,
5.
zwölf Jahre bestanden hat, fünf Monate zum Ende eines Kalendermonats,
6.
15 Jahre bestanden hat, sechs Monate zum Ende eines Kalendermonats,
7.
20 Jahre bestanden hat, sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats.

(3) Während einer vereinbarten Probezeit, längstens für die Dauer von sechs Monaten, kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden.

(4) Von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Regelungen können durch Tarifvertrag vereinbart werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags gelten die abweichenden tarifvertraglichen Bestimmungen zwischen nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, wenn ihre Anwendung zwischen ihnen vereinbart ist.

(5) Einzelvertraglich kann eine kürzere als die in Absatz 1 genannte Kündigungsfrist nur vereinbart werden,

1.
wenn ein Arbeitnehmer zur vorübergehenden Aushilfe eingestellt ist; dies gilt nicht, wenn das Arbeitsverhältnis über die Zeit von drei Monaten hinaus fortgesetzt wird;
2.
wenn der Arbeitgeber in der Regel nicht mehr als 20 Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt und die Kündigungsfrist vier Wochen nicht unterschreitet.
Bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen. Die einzelvertragliche Vereinbarung längerer als der in den Absätzen 1 bis 3 genannten Kündigungsfristen bleibt hiervon unberührt.

(6) Für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer darf keine längere Frist vereinbart werden als für die Kündigung durch den Arbeitgeber.

(1) Schreibfehler, Rechnungsfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die in dem Urteil vorkommen, sind jederzeit von dem Gericht auch von Amts wegen zu berichtigen.

(2) Der Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. Erfolgt der Berichtigungsbeschluss in der Form des § 130b, ist er in einem gesonderten elektronischen Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(3) Gegen den Beschluss, durch den der Antrag auf Berichtigung zurückgewiesen wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, findet sofortige Beschwerde statt.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Schreibfehler, Rechnungsfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die in dem Urteil vorkommen, sind jederzeit von dem Gericht auch von Amts wegen zu berichtigen.

(2) Der Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. Erfolgt der Berichtigungsbeschluss in der Form des § 130b, ist er in einem gesonderten elektronischen Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(3) Gegen den Beschluss, durch den der Antrag auf Berichtigung zurückgewiesen wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, findet sofortige Beschwerde statt.

(1) Im ersten Rechtszug sind die Arbeitsgerichte zuständig, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

(2) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet die Berufung an die Landesarbeitsgerichte nach Maßgabe des § 64 Abs. 1 statt.

(3) Gegen die Urteile der Landesarbeitsgerichte findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht nach Maßgabe des § 72 Abs. 1 statt.

(4) Gegen die Beschlüsse der Arbeitsgerichte und ihrer Vorsitzenden im Beschlußverfahren findet die Beschwerde an das Landesarbeitsgericht nach Maßgabe des § 87 statt.

(5) Gegen die Beschlüsse der Landesarbeitsgerichte im Beschlußverfahren findet die Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht nach Maßgabe des § 92 statt.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

Tenor

Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 07.05.2013 – 1 Ca 2036/10 – werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Parteien zu je ½.

Die Revision wird für die Beklagte, jedoch nicht für den Kläger zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer Änderungskündigung, einschließlich der Frage, ob dieser Beendigungswirkung zukommt.

2

Der Kläger ist seit 01.08.2001 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin, der AG (zunächst) als Eventberater tätig. Zum Jahresende 2009 wurde diese Gesellschaft auf die GmbH & Co. KG – die alleinige Beklagte – verschmolzen, die nunmehr als GmbH & Co. KG firmiert.

3

Der Arbeitsvertrag der Parteien bestimmt (auszugsweise):

4

„§ 3. Art und Umfang der Tätigkeit

5

… Ein Anspruch auf Beibehaltung des Dienstortes besteht nicht.

6

7

§ 6. Vergütung

8

(1) Die Vergütung wird in einer gesonderten Anlage zu diesem Vertrag geregelt.“ …

9

Am 01.01.2003 übernahm der Kläger die Aufgabe eines Mediaberaters. In der „Anlage gemäß § 17 Allgemeines zum Anstellungsvertrag“ wurde in § 6 „Vergütung“ bestimmt:

10

„Der Mitarbeiter erhält ab dem 01. Januar 2003 ein monatliches Fixum von 1.124,85 €.

11

Damit entfällt die Provisionsvereinbarung vom 30. Juli 2001.

12

Alle anderen Punkte des Anstellungsvertrages vom 25. Juli 2001 bleiben unberührt.“

13

Der Mediaberater hat bei der Beklagten folgende Arbeitspflichten zu erfüllen:

14

• Verkauf von Werbezeiten, Veranstaltungen, Spotproduktionen;
• Kundenakquise;
• Betreuung und Beratung neuer sowie bestehender Kunden;
• Telefonmarketing;
• Erstellen von Präsentationen und Angeboten;
• Verkauf von Senderprodukten und
• Umsetzen von Marktstrategien

15

In den Jahren 2003 – 2007 unterzeichneten die Parteien jährlich Provisionsvereinbarungen „Auf der Grundlage der abgelaufenen Periode, der Umsätze des Jahres … und der Kundenzuordnung ...“. Ebenso unterzeichneten sie von 2004 bis 2007 jährlich eine „Anlage zur Provisionsvereinbarung (Jahreszahl) Bonusvereinbarung“. In den Jahren 2003 bis 2005 unterzeichneten sie weiter einen mehrseitigen „Zusatz zur Provisionsvereinbarung (Jahreszahl)“. Während in den Jahren 2003 und 2004 unter 1) geregelt war: „Provisionssatz, Forecast und Verkaufsbereich/-gebiet gelten bis zum 31.12.2003. Gleiches gilt für die Provisions- und Forecastregelungen.“, wurde in 2005 bestimmt: „Provisionssatz, Forecast und Verkaufsbereich/-gebiet gelten bis zum Inkrafttreten einer neuen Regelung. Gleiches gilt für die Provisions- und Forecastregelungen.“. Unter Punkt 1) e) wurde weiter bestimmt: „Provision auf Gegengeschäfte werden nicht gezahlt.“

16

Seit Aufnahme der Tätigkeit als Mediaberater war das vereinbarte Verkaufsgebiet des Klägers die Stadt M.

17

Am 18.01.2005 wurde eine weitere „Anlage zum Anstellungsvertrag“ unterzeichnet:

18

§ 3 Art und Umfang der Tätigkeit

19

Der Mitarbeiter übernimmt ab 01. Januar 2005 die Funktion des Teamleiters für die Mediaberater F und N.

20

Alle anderen Punkte aus dem Anstellungsvertrag vom 25. Juli 2001 und der Anlage zum Anstellungsvertrag vom 01. Januar 2003 bleiben unberührt.“

21

Am 31. Januar 2006 unterzeichneten die Parteien eine weitere „Anlage zum Anstellungsvertrag“:

22

§ 3 Art und Umfang der Tätigkeit

23

Der Mitarbeiter übernimmt ab 01. Januar 2006 in seine Teamleitung den Mediaberater J.

24

§ 6 Vergütung

25

Der Mitarbeiter erhält ab dem 01. Januar 2006 ein monatliches Fixum von € 1.800,00 (in Worten: eintausendachthundert Euro).

26

Alle anderen Punkte aus dem Anstellungsvertrag vom 25. Juli 2001, der Anlage zum Anstellungsvertrag vom 01. Januar 2003 und der Anlage zum Anstellungsvertrag vom 18. Januar 2005 bleiben unberührt.“

27

Das durchschnittliche monatliche Entgelt des Klägers belief sich zuletzt auf 6.810,93 EUR brutto. Ohne schriftliche Vereinbarung war dem Kläger zur Erfüllung seiner Arbeitsaufgaben außerdem ein Dienstwagen zur beruflichen und privaten Nutzung überlassen worden (Listenpreis 2008: 31.650,00 EUR). Die Aufwendungen für diese Nutzung trug die Beklagte. Außerdem war für den Kläger eine betriebliche Altersversorgung durch Gehaltsumwandlung abgeschlossen worden.

28

Im I. Quartal 2008 führten die Parteien mehrere Gespräche über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger als Mediaberater zu den für Mediaberater gültigen Arbeitsbedingungen. Eine Einigung wurde nicht erzielt. Mit Schreiben vom 02.04.2008 kündigte die Beklagte daraufhin das Arbeitsverhältnis zum 30.09.2008. Unter dem 23.09.2008 kündigte die Beklagte dem Kläger erneut, jetzt außerordentlich, hilfsweise ordentlich. Die Kündigungsschutzklagen endeten mit obsiegenden Urteilen zugunsten des Klägers.

29

Mit Schreiben vom 18.06.2010 sprach die GmbH & Co. KG dem Kläger eine Änderungskündigung mit folgendem Wortlaut aus:

30

„… unter Aufrechterhaltung der betriebsbedingten Kündigung vom 02.04.2008 sowie der außerordentlichen Kündigung vom 23.09.2008 kündigen wir hiermit vorsorglich das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aus betrieblichen Gründen mit Wirkung zum 30.09.2010, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin.

31

Zugleich bieten wir Ihnen an, Ihr Arbeitsverhältnis ab dem 01.10.2010 zu folgenden Bedingungen fortzusetzen:

32

1. Sie werden ab dem 01.10.2010 als Mediaberater in H tätig.

33

2. Für Ihre Tätigkeit erhalten Sie ein monatliches Fixum in Höhe von 1.125 € (in Worten: eintausendeinhundertfünfundzwanzig Euro) brutto, zahlbar jeweils am Ende des Monats durch Überweisung.

34

3. Im Übrigen gelten die Bedingungen des bisherigen Arbeitsverhältnisses, insbesondere Ihres Arbeitsvertrags vom 25.07.2001, mit Ausnahme der Regelungen

35

•in Ziffer § 3 der Anlage zum Anstellungsvertrag vom 18. Januar 2005;
•in § 3 und § 6 der Anlage zum Anstellungsvertrag vom 31. Januar 2006;
•zur Zahlung der Teamprovision;
•in Punkt e) aus dem Zusatz zur Provisionsvereinbarung 2005,

36

unverändert fort.“

37

Mit Schreiben vom 05.07.2010 antwortete der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten:

38

„Unser Mandant erklärt hiermit, dass er Ihr Angebot aus dem Schreiben vom 18.06.2010 unter den Bedingungen, dass zwischen der GmbH & Co. KG und unserem Mandanten am 18.06.2010 ein Arbeitsverhältnis bestand, die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen unwirksam ist und Sie uns gegenüber schriftlich erklären, dass Sie die Vorwürfe gegenüber unserem Mandanten aus der verhaltensbedingten außerordentlichen Kündigung vom 23.09.2008 nicht mehr aufrechterhalten, annimmt.“

39

Am 07.07.2010 ist die gegen diese Kündigung gerichtete Klage des Klägers bei dem Arbeitsgericht eingegangen. Der Kläger hat die 1. GmbH & Co. KG und 2. die GmbH mit folgenden Anträgen verklagt:

40

1. Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Kündigung der Beklagten zu 1) vom 18.06.2010 sozial ungerechtfertigt und rechtsunwirksam ist und das Arbeitsverhältnis fortbesteht.

41

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu 2) fortbesteht.

42

Nach Durchführung des Gütetermins bat der Kläger die Beklagte mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 10.08.2010 (Bl. 420 d.A.) um Erläuterung des Änderungsangebotes. In dem Schriftsatz heißt es:

43

44

In oben genannten Sachen kommen wir auf die gestrige Güteverhandlung und den schriftlich formulierten Vorschlag des Gerichts zurück.

45

Das Ergebnis der mündlichen Verhandlung haben wir mit unserem Mandanten besprochen und dabei verschiedene Optionen erwogen. Bevor sich unser Mandant mit hinreichender Sicherheit festlegen kann, bitten wir Ihre Mandanten das neue Arbeitsverhältnis näher auszugestalten. Wir bitten insoweit um Angaben darüber,

46

- wie hoch die an unseren Mandanten zu zahlende Provision ab 01.10.2010 wäre

47

- welches Verkaufsgebiet ihm zugewiesen werden soll,

48

- ob unserem Mandanten ein Dienstwagen zur Verfügung gestellt wird und

49

- ob die bereits bestandene und von unserem Mandanten nach dem Ausscheiden übertragene betriebliche Altersversorgung durch Ihre Mandanten wieder übernommen wird.

50

Erst nach Vorlage der benötigten Informationen kann sich unser Mandant zum Vorschlag des Gerichts über eine Neueinstellung und die übrigen Bedingungen zur Erledigung der zwischen unseren Mandanten bestehenden Rechtsstreitigkeiten erklären. Wir bitten darum, die gewünschten Informationen zeitnah herzureichen.

51

52

Die damaligen Prozessbevollmächtigten der Beklagten antworteten hierauf mit Schriftsatz vom 12.08.2010 (Bl. 422 d.A.) wie folgt:

53

54

1. Zu Punkt 1:

55

Die Media-Berater erhalten für Media-Umsätze eine Provision von 10 % des Nettoumsatzes (Bruttoumsatz ./. Rabatte ./. AE-Provision); für Produktionsumsätze 5 %, für verkaufte Veranstaltungen 5 %, für Kompensationsumsätze wird keine Provision gezahlt. Bei Erfüllung des Jahresforecast wird einmalig am Jahresende ein Bonus von 1.000,00 EUR in bar gezahlt. Weitere Boni gibt es seit dem 01.01.2009 nicht mehr.

56

Provisionen werden nur gezahlt, wenn der Auftrag durch den Media-Berater akquiriert wurde und ein Besuchsbericht vorliegt. Das betrifft Media, Events und Präsentationen. Produktionen werden nur verprovisioniert, die kostendeckend abgerechnet werden.

57

2. Zu Punkt 2:

58

Herr W würde im Verkaufsgebiet M eingesetzt.

59

3. Zu Punkt 3:

60

Eine Forecast für 2010 wird nicht mehr gestellt. Für 2011 wird wie üblich der Forecast gemeinsam zwischen dem Verkaufsleiter und dem Media-Berater erarbeitet.

61

4. Punkt 4:

62

Es wird ein Dienstwagen gestellt bis zu einem Bruttolistenpreis von 20.3000,00 EUR (gilt für alle Media-Berater gleichermaßen).

63

5. Zu Punkt 5:

64

Die betriebliche Altersversorgung durch Gehaltsumwandlung kann wieder übernommen werden.

65

66

Nach Hinweis des damaligen Beklagtenvertreters auf die Umfirmierung der Beklagten und entsprechender Änderung des Passivrubrums hat der Kläger folgende Anträge angekündigt (Schriftsatz vom 27.02.2013, S. 1 – Bl. 615 d.A.):

67

1. Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Kündigung vom 18.06.2010 sozial ungerechtfertigt und rechtsunwirksam ist.

68

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis über den 30.09.2010 zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

69

Auf einen gerichtlichen Hinweis vom 15.04.2013 hat der Kläger zusätzlich hilfsweise folgenden Antrag angekündigt:

70

„1a. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 18.06.2010 nicht aufgelöst ist.“

71

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die streitbefangene Kündigung sei rechtsunwirksam.

72

Dem Änderungsangebot fehle die erforderliche Bestimmtheit. Für ihn sei unklar, in welchem Verkaufsgebiet er tätig werden müsse. Er wisse zudem nicht, ob eine Provision und der Zielerreichungsbonus überhaupt und falls eine Zahlung erfolge, in welcher Höhe diese gezahlt werden sollten. Zugleich bleibe unklar, welche Umsatzziele maßgeblich seien. Unklar sei auch, ob und zu welchen Bedingungen ein Dienstwagen zur Verfügung gestellt werde.

73

Außerdem sei eine vorsorgliche fristgerechte Änderungskündigung unzulässig, solange – wie vorliegend – zwischen den Parteien ein Rechtsstreit über die Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen verhaltensbedingten Beendigungskündigung noch anhängig sei.

74

Der Änderungskündigung fehle es zudem an einem dringenden betrieblichen Erfordernis zur Änderung der Arbeitsbedingungen. Eine Sozialauswahl sei nicht durchgeführt worden. Schließlich seien die angebotenen neuen Arbeitsbedingungen unverhältnismäßig und damit unzumutbar.

75

Der Kläger hat beantragt,

76

1. festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Kündigung vom 18.06.2010 sozial ungerechtfertigt und rechtsunwirksam ist.

77

Hilfsweise festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 18.06.2010 nicht aufgelöst ist.

78

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis über den 30.09.2010 zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

79

Die Beklagte hat beantragt,

80

die Klage abzuweisen.

81

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dem Kläger sei eine gerichtliche Überprüfung der Änderungskündigung verwehrt, weil er keine rechtswirksame Annahme der angebotenen neuen Arbeitsbedingungen erklärt habe. Die Verknüpfung der Vorbehaltserklärung mit einer zusätzlichen Bedingung sei nach den allgemeinen Normen der §§ 145 ff. BGB nicht möglich. Darüber hinaus habe sie unstreitig die gewünschte Erklärung gerade nicht abgegeben.

82

Gegen eine Beendigungskündigung könne sich der Kläger wegen Versäumung der Klagefrist nicht mehr zur Wehr setzen. Eine analoge Anwendung von § 6 KSchG scheide aus, weil nach der zum 01.01.2004 erfolgten Novellierung des KSchG nicht mehr von einer systemwidrigen Regelungslücke ausgegangen werden könne.

83

Außerdem sei das Klagerecht insoweit nach Ablauf von nahezu 3 Jahren nach Klageerhebung bzw. Erhalt der Änderungskündigung verwirkt und rechtsmissbräuchlich.

84

Im Übrigen hat die Beklagte die Auffassung vertreten, das Änderungsangebot sei hinreichend bestimmt.

85

Im Ergebnis solle der ursprünglich abgeschlossene Arbeitsvertrag weiterhin aufrechterhalten bleiben. Sie habe lediglich die Ergänzungen zurückgenommen.

86

Das Verkaufsgebiet sei hinreichend konkret bezeichnet und könne im Übrigen auch im Hinblick auf die Bestimmung des Arbeitsvertrages kraft Direktionsrechtes zugewiesen werden.

87

Bezüglich der Provisionen und Provisionssätze sei der Zusatz zur Provisionsvereinbarung 2005 („Provisionssatz, Forecast und Verkaufsbereich/-gebiet bis zum Inkrafttreten einer neuen Regelung. Gleiches gilt für die Provisions- und Forecastregelungen.“) maßgebend. Hierauf habe sie in der Änderungskündigung ausdrücklich hingewiesen. Damit stehe fest, welche Provisionen und Provisionssätze der Kläger zu erwarten habe. Da die Bonusvereinbarung als Anlage zur Provisionsvereinbarung 2005 deklariert worden sei, gehöre sie als Teil der Provisionsvereinbarung ebenfalls zur ihrem Vertragsänderungsangebot.

88

Die Privatnutzung des zur Verfügung gestellten Dienstwagens gehöre zumindest kraft betrieblicher Übung zum Inhalt des bisherigen Vertrages und gelte in Ermangelung eines ausgesprochenen Entzuges fort. Bruttolistenpreis und Fahrzeugklasse richten sich nach dem bei ihr Üblichen und beeinflussen die Bestimmtheit des Änderungsangebotes nicht.

89

Im Übrigen lasse sich der Inhalt des Änderungsangebotes durch Auslegung hinreichend sicher ermitteln.

90

Die Änderungskündigung sei durch dringende betriebliche Erfordernisse sozial gerechtfertigt.

91

In diesem Zusammenhang hat die Beklagte behauptet, sie habe Ende 2007 die Entscheidung getroffen, das von dem Kläger geleitete Team aufzulösen und alle Mediaberater – wie bereits in der Vergangenheit – wieder unmittelbar der Verkaufs- und Marketingleiterin zu unterstellen. Weitere Teamleiter seien bei ihr nicht eingesetzt, deshalb gebe es auch keinen mit dem Kläger vergleichbaren Arbeitnehmer.

92

Schließlich habe sie dem Kläger auch nur solche Änderungen angeboten, die dieser billigerweise hätte hinnehmen müssen.

93

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 07.05.2013, nachdem es zuvor mit Beschluss vom 28.02.2013 die von dem Kläger weiter geltend gemachten Verzugslohnansprüche (ursprüngliche Klageanträge zu Ziffern 3. – 52.) abgetrennt hatte, die Klage hinsichtlich der Hauptanträge zu Ziff. 1 und Ziff. 2 abgewiesen, ihr jedoch hinsichtlich des Hilfsantrages stattgegeben und die Kosten des Rechtsstreits den Parteien je zur Hälfte auferlegt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, der von dem Kläger hauptsächlich gestellte Änderungsschutzantrag habe keinen Erfolg haben können, weil der Kläger einen Vorbehalt nach § 2 KSchG nicht rechtswirksam erklärt habe. Die von ihm abgegebene Vorbehaltserklärung vom 05.07.2010 entspreche im Hinblick auf dort weiter aufgestellte Bedingungen nicht den gesetzlichen Erfordernissen. Jedoch sei der hilfsweise gestellte Kündigungsschutzantrag begründet. Die streitgegenständliche Kündigung vom 18.06.2010 sei als Beendigungskündigung rechtsunwirksam. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei die Fiktion des § 7 KSchG nicht eingetreten, da der Kläger in analoger Anwendung des § 6 KSchG noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz im Hinblick auf die fristgerecht anhängig gemachte Änderungsschutzklage hilfsweise einen Beendigungsschutzantrag habe stellen können. Materiell stehe der Rechtswirksamkeit der Kündigung vom 18.06.2010 entgegen, dass das von der Beklagten unterbreitete Änderungsangebot nicht hinreichend bestimmt sei. Hieraus lasse sich nicht entnehmen, welcher Verkaufsbereich dem Kläger zukünftig zugewiesen werden solle. Ebenso sei unklar, auf welcher Basis die Provisionsansprüche des Klägers zu berechnen seien. Aus dem Änderungsangebot gehe auch nicht hervor, ob der Kläger zukünftig weiterhin einen Dienstwagen zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellt bekomme. Wegen der weiteren Einzelheiten der angefochtenen Entscheidung wird auf Bl. 728 – 750 d.A. verwiesen.

94

Gegen dieses, ihr am 10.06.2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 09.07.2013 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 10.09.2013 am 10.09.2013 begründet.

95

Der Kläger wiederum hat im Rahmen der hierzu gefertigten Berufungserwiderung am 16.10.2013 Anschlussberufung eingelegt und diese sogleich begründet.

96

Mit ihren wechselseitigen Rechtsmitteln verfolgen die Parteien ihre erstinstanzlichen Klageziele weiter.

97

Die Beklagte hält an ihrem bereits erstinstanzlich vertretenen Rechtsstandpunkt, der als Beendigungskündigung wirkenden Änderungskündigung vom 18.06.2010 komme bereits gemäß § 7 KSchG (fiktiv) Rechtswirksamkeit zu, fest. Nach der Neufassung des § 6 KSchG zum 01.01.2004 sei kein Raum mehr für eine analoge Anwendung dieser Bestimmung auf die vorliegende Fallkonstellation. Ungeachtet dessen sei die diesbezügliche bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil eine strukturelle Unterlegenheit des Klägers im Hinblick auf seine anwaltliche Vertretung nicht gegeben sei. Jedenfalls habe der Kläger das Recht, die streitige Kündigung auch als Beendigungskündigung anzugreifen, aufgrund seines prozessualen Verhaltens verwirkt, indem er nach Änderung des Passivrubrums ausdrücklich einen Änderungsschutzantrag gestellt habe.

98

Ungeachtet dessen komme der streitbefangenen Kündigung auch materiell Rechtswirksamkeit zu. Das Änderungsangebot sei hinreichend bestimmt. Soweit das Arbeitsgericht auf fehlende Angaben zur Provisionshöhe abstelle, handele es sich hierbei um Vertragsbestandteile, die nicht als Arbeitsbedingungen im Sinne der §§ 305 ff. BGB anzusehen seien.

99

Die Beklagte beantragt,

100

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Halle vom 07.05.2013 – 1 Ca 2036/10 – die Klage abzuweisen

101

sowie

102

die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.

103

Der Kläger beantragt:

104

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 07.05.2013 – 1 Ca 2036/10 – wird abgeändert.

105

2. Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Kündigung der Beklagten vom 18.06.2010 sozial ungerechtfertigt und unwirksam ist.

106

3. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

107

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung, soweit diese zu seinen Gunsten ausgegangen ist. Im Übrigen (Anschlussberufung) hält er an seinem erstinstanzlichen Rechtsstandpunkt, der von ihm erklärte Vorbehalt sei mit den Vorgaben des § 2 KSchG vereinbar, fest. Angesichts des zwischen den Parteien zum damaligen Zeitpunkt noch anhängigen Vorrechtsstreites betreffend die Rechtswirksamkeit einer zu einem früheren Zeitpunkt ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung sei es ihm wegen des den Bestand des Arbeitsverhältnisses betreffenden Schwebezustandes rechtlich gar nicht möglich gewesen, einen die konkrete Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses betreffenden Vorbehalt abzugeben.

108

Die Beklagte verteidigt insoweit die angefochtene Entscheidung.

109

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

A.

110

Die Berufung der Beklagten wie auch die Anschlussberufung des Klägers sind zulässig.

I.

111

Das Rechtsmittel der Beklagten ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 ArbGG statthaft. Die Beklagte hat die Fristen des § 66 Abs. 1 Satz 1, Satz 5 ArbGG gewahrt.

II.

112

Auch die Anschlussberufung des Klägers ist zulässig. Er hat diese innerhalb der Frist des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO eingelegt und begründet (§ 524 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Die Begründung entspricht den Vorgaben des § 520 Abs. 3 i.V.m. § 524 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Der Kläger setzt sich in rechtlicher Hinsicht mit dem angefochtenen Urteil auseinander und zeigt auf, dass aus seiner Sicht der von ihm abgegebene Vorbehalt keine unzulässige Bedingung aufweise. Ob diese Rechtsauffassung zutrifft, ist eine Frage der Begründetheit der Anschlussberufung.

B.

113

Die Anschlussberufung des Klägers, mit der er seinen hauptsächlich gestellten Änderungsschutzantrag weiter verfolgt, ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung die Änderungsschutzklage abgewiesen. Zutreffend ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger den für die Begründetheit der Änderungsschutzklage erforderlichen Vorbehalt gemäß § 2 KSchG nicht rechtswirksam erklärt hat. Die Berufungskammer schließt sich den Ausführungen des Arbeitsgerichts unter A. I. 3. der Entscheidungsgründe gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG an. Das Vorbringen des Klägers in der Berufungsinstanz vermag keine abweichende rechtliche Beurteilung zu begründen.

I.

114

Jedenfalls die von ihm in der Vorbehaltserklärung aufgestellte Bedingung, die Beklagte solle schriftlich erklären, sie halte die Vorwürfe im Zusammenhang mit der damals noch streitigen außerordentlichen Kündigung vom 23.09.2008 nicht mehr aufrecht, ist von der dem Arbeitnehmer gemäß § 2 KSchG eröffneten Wahlmöglichkeit nicht mehr gedeckt. Sie steht in keinem Zusammenhang mit der sozialen Rechtfertigung der mit der streitigen Änderungskündigung bezweckten Vertragsänderung. Im Übrigen wäre – wie das Arbeitsgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt hat – der erklärte Vorbehalt auch dann nicht wirksam, wenn die vorgenannte Bedingung als zulässig angesehen wird. Die Beklagte ist dem Verlangen des Klägers gerade nicht nachgekommen. Sie hat vielmehr durch ihr prozessuales Verhalten die Erfüllung dieser Vertragsbedingung konkludent abgelehnt.

II.

115

Entgegen der Auffassung des Klägers war, um eine Beschränkung der Rechtswirkungen der ausgesprochenen Kündigung auf die soziale Rechtfertigung der angebotenen Vertragsänderung herbeizuführen, eine Vorbehaltserklärung im vorliegenden Fall nicht gänzlich entbehrlich.

116

1. Die Änderungskündigung ist erkennbar als hilfsweise Kündigung für den Fall ausgesprochen worden, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht bereits durch vorangegangene Kündigungen vollständig beendet worden ist. Der Ausspruch einer Folgekündigung unter Aufrechterhaltung der vorangegangenen Kündigungen durch den Arbeitgeber ist nach allgemeiner Meinung zulässig.

117

2. Dies gilt auch für eine Änderungskündigung. Hieran ändert der Umstand, dass die Beklagte sich bei erweisender Unwirksamkeit der vorangegangenen Kündigungen zum Zeitpunkt der Änderungskündigung in Annahmeverzug befand, nichts. Dadurch ist sie nicht gehindert, das dann zu den bisherigen Bedingungen fortbestehende Arbeitsverhältnis der Parteien erneut mit dem Ziel zu kündigen, den Vertrag lediglich an die veränderten Umstände anzupassen. § 2 KSchG bietet dem Arbeitnehmer auch in dem Fall, in dem der Bestand des Arbeitsverhältnisses sich in einem Schwebezustand befindet, einen ausreichenden Rechtsschutz. Er kann die Änderungskündigung ohne Vorbehalt annehmen. Obsiegt er im Kündigungsschutzrechtsstreit betreffend die vorangegangene Kündigung, besteht das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der aus der Änderungskündigung folgenden Kündigungsfrist zu den dort genannten veränderten Bedingungen fort. Lehnt er das Angebot vorbehaltlos ab, streiten die Parteien in einem weiteren Kündigungsrechtsstreit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses insgesamt. Im Fall eines wirksam erklärten Vorbehalts „riskiert“ der Kläger bei Obsiegen im Vorrechtsstreit hingegen nur „noch“ den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zu den bisherigen Bedingungen. Mithin ist es für den Kläger gerade nicht unzumutbar oder sogar rechtlich unmöglich, angesichts des den Bestand des Arbeitsverhältnisses betreffenden Schwebezustandes eine rechtsgeschäftliche Erklärung zur Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses – für den Fall des Fortbestandes – abzugeben. Schutzwürdige Interessen des Klägers stehen dem nicht entgegen. Hingegen wäre, würde man der Auffassung des Klägers folgen, der Arbeitgeber bis zum Abschluss eines Vorrechtsstreites gehindert, von seinem Kündigungsrecht Gebrauch zu machen, sofern ihm hierfür nur Gründe zur Verfügung stehen, die eine Änderungskündigung sozial rechtfertigen können.

III.

118

Nach alledem konnte das Rechtsmittel des Klägers, das sich nach Antrag und Begründung der Anschlussberufung nicht auf die von dem Arbeitsgericht ebenfalls abgewiesene allgemeine Feststellungsklage bezog, keinen Erfolg haben.

C.

119

Auch die Berufung der Beklagten ist nicht begründet.

120

Zu Recht hat das Arbeitsgericht dem hilfsweise gestellten Kündigungsschutzantrag des Klägers, der aufgrund Zurückweisung der Anschlussberufung zur Entscheidung angefallen ist, entsprochen.

121

Die nach den vorstehenden Ausführungen als Beendigungskündigung wirkende Kündigung der Beklagten (firmierend unter „GmbH & Co. KG“) vom 18.06.2010 löst das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht auf. Ihr kommt keine Rechtswirksamkeit zu.

I.

122

Entgegen der Auffassung der Beklagten gilt die streitige Kündigung nicht gemäß § 7 KSchG als rechtswirksam, weil der Kläger diese nicht innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist des § 4 KSchG angegriffen hat.

123

1. Zwar hat der Kläger diese Frist nach dem sich bietenden Sachverhalt nicht eingehalten. Die innerhalb der Klagefrist bei dem Arbeitsgericht eingegangene (§ 167 ZPO) Klage enthält keinen ausdrücklichen Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG. Ein solcher Inhalt lässt sich auch nicht der Begründung der Klageschrift entnehmen.

124

2. Für den Kläger kommt aber zur Vermeidung des Fiktionseintritts die sich aus § 6 KSchG ergebende verlängerte Frist – Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz – zur Anwendung. Die Bestimmung lässt nach ihrem Wortlaut allerdings nur das „Nachschieben“ von Unwirksamkeitsgründen betreffend eine innerhalb der Klagefrist des § 4 KSchG angegriffene Kündigung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der ersten Instanz zu. Sie ist jedoch auch in der seit 01.01.2004 geltenden Neufassung analog auf den Fall anzuwenden, dass ein Arbeitnehmer fristgemäß eine Änderungsschutzklage erhebt und im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens die Kündigung (auch) als Beendigungskündigung angreift.

125

a. Diese Auffassung entspricht der zu der alten Fassung ergangenen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 17.05.2001 – 2 AZR 460/00 – juris Rn. 51).

126

b. Durch die sprachliche Neufassung des § 6 KSchG hat sich dessen (analoger) Anwendungsbereich nicht verändert. Die Kammer schließt sich der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in der Entscheidung vom 23.04.2008 – 2 AZR 699/06 – Rn. 22 an:

127

Nach der redaktionell missglückten Fassung des § 6 KSchG besteht grundsätzlich Einigkeit, dass die Rechtsfolge nicht nur auf einzelne Unwirksamkeitsgründe zu beziehen ist, sondern sich - wie schon vor der Gesetzesnovelle - generell auf die Verlängerung der Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage beziehen kann (vgl. HWK/Pods/Quecke 2. Aufl. § 6 KSchG Rn. 10; Raab RdA 2004, 321, 325) . Die Neufassung des § 6 KSchG sollte der bisherigen Regelung entsprechen und lediglich angepasst werden (BT-Drucks.15/1509; Raab RdA 2004, 321, 328; HaKo-Gallner . Aufl. § 6 KSchG Rn. 19) .

128

Diese Rechtsauffassung hat das Bundesarbeitsgericht in weiteren Entscheidungen (BAG 15.05.2012 – 7 AZR 6/11 – Rn. 23, 24 und 26.09.2013 – 2 AZR 682/12 – Rn. 35, 36) bestätigt.

129

c. Vorliegend sind die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 6 KSchG eröffnet.

130

Entgegen der Auffassung der Beklagten setzt diese nicht voraus, dass der Arbeitnehmer im konkreten Fall aufgrund fehlender Rechtskenntnisse sich in einer strukturell unterlegenen Position gegenüber dem Arbeitgeber befindet. Eine solche Einschränkung ist dem Wortlaut der Norm nicht zu entnehmen. Auch die diesbezügliche Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts stellt hierauf nicht als Voraussetzung ab.

131

d. Der Anwendbarkeit steht weiter nicht entgegen, dass der Kläger bei der Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen hervorgerufen hat, er werde im Fall eines unwirksamen Vorbehaltes sich gerichtlich nicht gegen die sodann als Beendigungskündigung wirkende streitige Kündigung zur Wehr setzen. Dem steht bereits entgegen, dass der Kläger schon in der Klageschrift den Änderungsschutzantrag mit dem Zusatz „…fortbesteht“ versehen hat. Auch wenn diesem mangels hierauf bezogener Begründung nicht die Wirkung einer allgemeinen Feststellungsklage (§ 256 Abs. 1 ZPO) zukommt, so wird für die Beklagte hierdurch deutlich, dass es dem Kläger im Zusammenhang mit der angegriffenen Kündigung um den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses insgesamt geht. Nichts anderes folgt aus der nach Änderung des Passivrubrums von dem Kläger im Schriftsatz vom 27.02.2013 vorgenommenen Neufassung seiner Klaganträge. Entgegen der Auffassung der Beklagten beschränkt der Kläger hierdurch sein Klageziel nicht auf die Geltendmachung von Änderungsschutz, wie sich aus dem im vorliegenden Schriftsatz unter Ziff. 2. angekündigten allgemeinen Feststellungsantrag ergibt.

132

Darüber hinaus steht der Begründung eines schutzwürdigen Vertrauens der Beklagten, der Kläger wolle lediglich „isoliert“ die Rechtswirksamkeit des Änderungsangebotes zur gerichtlichen Überprüfung stellen, entgegen, dass die Beklagte selbst bereits in ihrer Klageerwiderung vom 26.03.2012 (Seite 10) darauf hinweist, aufgrund des nach ihrer Auffassung nicht rechtswirksam erklärten Vorbehaltes stehe die Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Streit. Ein solches Klageziel des Klägers ergibt sich letztendlich auch aus dem Gesamtzusammenhang. Mit Erhebung einer Änderungsschutzklage erklärt der Arbeitnehmer, er sei nicht bereit, eine inhaltliche Veränderung seines Arbeitsverhältnisses klaglos hinzunehmen. Hieraus wird für den Arbeitgeber hinreichend deutlich, dass der Arbeitnehmer „erst Recht nicht“ die Beendigung des Arbeitsverhältnisses insgesamt aufgrund der von ihm angegriffenen Kündigung akzeptieren will.

133

e. Der Kündigungsschutzantrag ist vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz angekündigt und gestellt worden.

II.

134

Die streitbefangene Kündigung der Beklagten ist rechtsunwirksam, weil die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 KSchG (i.V.m. § 2 KSchG) nicht gegeben sind.

135

Danach bedarf eine ordentliche Kündigung zu ihrer sozialen Rechtfertigung – u.a. – dringender betrieblicher Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen. Im Fall der Änderungskündigung setzt dies – wie das Arbeitsgericht unter Verweis auf die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zutreffend ausgeführt hat (Entscheidungsgründe A. II. 3.) – voraus, dass der Arbeitgeber sich bei Vorliegen von betriebsbedingten Gründen bei Abfassung des Änderungsangebotes auf solche Vertragsänderungen beschränkt, die dem Arbeitnehmer zumutbar sind. Darüber muss dieses Änderungsangebot eindeutig bestimmt oder zumindest bestimmbar sein. Unklarheiten gegen zu Lasten des Arbeitgebers und führen zur Unwirksamkeit der Änderungskündigung. Dieser Prüfungsmaßstab findet auch dann Anwendung, wenn der Arbeitnehmer das Änderungsangebot nicht (wirksam) angenommen hat.

136

Vorliegend ermangelt es der Kündigung vom 18.06.2010 an einem hinreichend bestimmten Änderungsangebot. Die Kammer schließt sich auch insoweit den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts unter A. II. 3. c. der Entscheidungsgründe an. Das Vorbringen der Beklagten im Berufungsverfahren vermag keine abweichende rechtliche Beurteilung zu begründen.

137

1. Zutreffend ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass das dem Kläger zukünftig zu übertragende Verkaufsgebiet nicht hinreichend bestimmt ist. Aus der Verwendung der Ortsbezeichnung „H“ war aus Sicht eines verständigen Empfängers, der zuvor mehrere Jahre im Bereich M tätig war, gerade nicht zweifelsfrei zu erkennen, wo nunmehr sein Tätigkeitsbereich liegen soll. So hat die Beklagte auf Nachfrage des Klägers im Nachgang zu Gesprächen im Gütetermin gerade nicht bestätigt, dass der Kläger als Medien-Berater in H (so die Angaben in der Änderungskündigung) tätig werden soll, sondern ihm mit Schriftsatz vom 12.08.2010 zur Beantwortung seiner diesbezüglichen Anfrage mitgeteilt, er werde im Verkaufsgebiet M eingesetzt.

138

2. Weiter enthält das Änderungsangebot keine ausreichend präzisen Angaben über den Inhalt der zur Anwendung kommenden Provisionsregelungen, die einen nicht unerheblichen Teil der Vergütung des Klägers in der Vergangenheit begründet haben. Die sich aus dem Kündigungsschreiben ergebenden Verweise auf die bis zur Ernennung zum Team-Leiter Anfang 2005 geltenden Arbeitsbedingungen sind angesichts der von der Beklagten auf Jahresbasis erfolgenden Neubestimmung der Provisionsgrundsätze gerade nicht geeignet, um aus Sicht eines verständigen Empfängers in der Position des Klägers die Höhe der zu erwartenden Vergütung einschätzen zu können.

139

Entgegen der Auffassung der Beklagten waren präzise Angaben hierzu nicht deshalb entbehrlich, weil es sich bei den Provisionsregelungen nicht um Arbeitsbedingungen im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 2 KSchG handelt. Im Gegenteil ist die Höhe der Vergütung eine der wesentlichen Vertragsbedingungen. Die Gewährung der vereinbarten Vergütung bildet die im Synallagma stehende Hauptleistungspflicht des Arbeitgebers. Sie gehört – wie auch § 612 BGB zeigt – zum Kernbereich des Arbeitsverhältnisses. Zutreffend ist zwar, dass eine AGB-Kontrolle von Vergütungsabreden nach Maßgabe des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB (Angemessenheitskontrolle) nicht erfolgt. Die Kontrollfreiheit beruht jedoch nicht darauf, dass derartige Abreden nicht als Vertragsbedingungen anzusehen sind, sondern findet ihre Grundlage in § 307 Abs. 3 BGB, der Hauptleistungspflichten von einer Inhaltskontrolle ausnimmt.

140

3. Aus dem „Schweigen“ des Änderungsangebotes zur Frage der privaten Nutzung eines (dem Kläger bis 2008 überlassenen) Dienstwagens ergibt sich ebenfalls kein ausreichend bestimmter Erklärungsinhalt, der Kläger könne (wie bisher) über einen Dienstwagen auch zur privaten Nutzung verfügen. Zutreffend verweist das Arbeitsgericht darauf, dass der in Bezug genommene Arbeitsvertrag hierzu gerade keine Regelung enthält, sondern lediglich die Erstattung von Reisekosten vorsieht. Darüber hinaus bleibt unklar, welcher Typen-Klasse ein (erneut) bereitzustellender Dienstwagen angehören wird. Konkrete Angaben zu den im Jahr 2010 bei der Beklagten geltenden Regelungen enthält das Angebot nicht. Wie das Schreiben der Beklagten vom 12.08.2010 zeigt, sollte dem Kläger jedenfalls nicht ein Dienstwagen der bisher von ihm genutzten Klasse (Listenpreis 31.600,00 EUR), sondern ein Modell mit einem Listenpreis von 20.300,00 EUR zur Verfügung gestellt werden.

III.

141

Nach alledem konnte auch das Rechtsmittel der Beklagten keinen Erfolg haben.

D.

142

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 i.V.m. § 92 Abs. 1 ZPO. Die Kammer hat dabei das Obsiegen der Parteien mit je ½ bezogen auf den Gesamtstreitwert bemessen. Aus diesem Grund war es auch nicht angezeigt, die erstinstanzliche Kostenentscheidung abzuändern.

E.

143

Gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG war wegen grundsätzlicher Bedeutung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage die Revision für die Beklagte zuzulassen. Das Bundesarbeitsgericht hat bisher nicht explizit entschieden, ob eine analoge Anwendung des § 6 KSchG nach dessen Neufassung auch bei der vorliegenden Fallkonstellation – Übergang von der Änderungsschutzklage zur Beendigungsschutzklage – weiter möglich ist.

144

Hingegen liegen keine Gründe vor, für den Kläger die Revision zuzulassen. Dieser wird auf § 72a ArbGG hingewiesen.


(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 18. November 2011 - 3 Sa 157/11 - im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, wie es der Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 26. Januar 2011 - 4 Ca 2050/10 - stattgegeben hat.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten - noch - über die Wirksamkeit einer ordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigung.

2

Die Klägerin ist ausgebildete kartographische Zeichnerin und Ingenieurin für Kartographie und Geodäsie. Sie war bei der Beklagten - unter Anrechnung von Vorbeschäftigungszeiten - seit dem 1. September 1966 als Gruppenleiterin, Stereoauswerterin und Fachexpertin für photogrammetrische Spezialauswertungen tätig. Geschäftsführer der Beklagten ist seit dem 1. Februar 1999 D (senior).

3

Am 30. Oktober 2000 schlossen die Parteien mit Wirkung zum 31. Oktober 2000 einen Aufhebungsvertrag. Zugleich unterzeichnete die Klägerin einen neuen Anstellungsvertrag, der als Arbeitsbeginn den 1. November 2000 und als Tätigkeit die einer „Fachexpertin für Photogrammetrie“ vorsah. Als Arbeitgeberin war die „Firma D“, eine dem Sohn des Geschäftsführers der Beklagten gehörende Einzelfirma, aufgeführt. Der neue Vertrag wurde auf Geschäftspapier der Beklagten ausgefertigt und von deren Geschäftsführer mit dem Zusatz „i. V.“ unterzeichnet. Laut Nr. 1 des Vertrags „gilt [als Einstellungsdatum] der 01.09.1966“. In der Folgezeit bearbeitete die Klägerin - in Zusammenarbeit mit ihren bisherigen Arbeitskollegen - am selben Arbeitsplatz und mit denselben Arbeitsmitteln wie zuvor Aufträge der Beklagten. Der Geschäftsführer der Beklagten war - anders als sein Sohn - in den Geschäftsräumen präsent und erteilte sowohl der Klägerin als auch den übrigen Mitarbeitern Anweisungen.

4

Am 31. März 2005 wurde das mit der „Firma D“ bestehende Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung aufgehoben. Zuvor hatte die Klägerin einen Arbeitsvertrag mit der g Geodatenservice, Informationssysteme und Neue Medien GmbH (im Folgenden: g GmbH) für eine Beschäftigung beginnend ab dem 1. April 2005 unterzeichnet. Einer der Gesellschafter der g GmbH war der Geschäftsführer der Beklagten; ihr Geschäftsführer war dessen Sohn. Die Tätigkeit der Klägerin und die tatsächlichen Umstände, unter denen sie ihre Arbeitsleistung zu erbringen hatte, blieben weiterhin unverändert. Im Zusammenhang mit der neuerlichen Vertragsänderung war der Klägerin eine Wiederanstellung bei der Beklagten in Aussicht gestellt worden. Im Vorgriff hierauf unterzeichneten die Parteien einen unbefristeten Arbeitsvertrag für die Zeit ab dem 1. August 2005. Im Juli 2005 erklärte der Geschäftsführer der Beklagten demgegenüber, ein Wechsel von Mitarbeitern sei „aktuell ungünstig“.

5

Ihre Vergütung bezog die Klägerin über den Monat August 2005 hinaus von der g GmbH. Diese kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 25. Oktober 2005 ordentlich zum 30. November 2005. Zuvor hatte der Geschäftsführer der Beklagten gegenüber der Klägerin erklärt, die Kündigung sei aus „firmeninternen Gründen“ geboten; er wolle sie als Arbeitskraft jedoch nicht verlieren. Entsprechende Erklärungen hatte er auch mit Blick auf die zwischen der Klägerin und seinem Sohn bzw. der g GmbH geschlossenen Arbeitsverträge und damit einhergehende Aufhebungsverträge abgegeben. Dementsprechend hatten die Parteien schon vor dem 25. Oktober 2005 einen auf den 1. Februar 2006 vordatierten Arbeitsvertrag über eine unbefristete Vollzeitbeschäftigung der Klägerin bei der Beklagten mit Beginn ab März 2006 geschlossen. Außerdem schlossen die Parteien zwei befristete Arbeitsverträge, die eine geringfügige Beschäftigung der Klägerin zum Gegenstand hatten, einmal für die Monate Dezember 2005 und Januar 2006, und das andere Mal für den Monat Februar 2006. Regelungen betreffend die Anerkennung von Vorbeschäftigungszeiten sind in diesen Verträgen - ebenso wenig wie im Arbeitsvertrag mit der g GmbH - nicht enthalten.

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Gegen die Kündigung vom 25. Oktober 2005 erhob die Klägerin keine Klage. Seit dem 1. Dezember 2005 arbeitete sie als „Fachexpertin für Photogrammetrie“ wieder für die Beklagte. Eine Ausnahme bildeten die Tage vom 1. bis 19. März 2006. In dieser Zeit nahm die Klägerin in Abstimmung mit der Beklagten an einer von der Agentur für Arbeit geförderten Weiterbildungsmaßnahme teil. Der schriftliche Arbeitsvertrag betreffend die Vollzeitbeschäftigung ab März 2006 wurde entsprechend angepasst.

7

Im August 2006 und im Januar 2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis jeweils ordentlich. Die Kündigung vom Januar 2007 verband sie mit dem Angebot einer Weiterbeschäftigung zu geänderten Bedingungen. Nachdem die Klägerin gegen beide Kündigungen erfolgreich Klage erhoben hatte, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis am 28. November 2008 erneut ordentlich. Am 11. März 2010 gab das Landesarbeitsgericht der hiergegen gerichteten Klage wegen Sozialwidrigkeit der Kündigung statt; das vollständig abgefasste - inzwischen rechtskräftige - Urteil wurde der Klägerin am 1. April 2010 zugestellt.

8

Die Klägerin war mittlerweile ein Arbeitsverhältnis mit einem anderen Arbeitgeber eingegangen. Mit Schreiben vom 16. März 2010 forderte die Beklagte sie auf, die Arbeit bei ihr am 22. März 2010 wieder aufzunehmen. Zugleich teilte sie mit, der Arbeitseinsatz werde im vermessungstechnischen Außendienst erfolgen. Am 6. April 2010 verlangte sie von der Klägerin, eine Erklärung gemäß § 12 KSchG abzugeben oder die für das andere Arbeitsverhältnis maßgebende Kündigungsfrist bekannt zu geben. Nachdem die Klägerin diese Schreiben und eine weitere Arbeitsaufforderung vom 12. Mai 2010 unbeantwortet gelassen hatte, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 17. Mai 2010 „fristlos, hilfsweise ordentlich zum nächst zulässigen Termin“. Zu dieser Zeit waren in ihrem Betrieb neben der Klägerin regelmäßig weitere acht Arbeitnehmer beschäftigt, darunter mindestens drei, deren Arbeitsverhältnis bereits vor dem 1. Januar 2004 begonnen hatte.

9

Die Klägerin hat mit ihrer rechtzeitig erhobenen Klage geltend gemacht, die Kündigungen vom 17. Mai 2010 seien unwirksam. Ein wichtiger Grund liege nicht vor. Die ordentliche Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Ihr stehe als „Alt-Arbeitnehmerin“ der allgemeine Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz zu. Die Arbeitsverhältnisse mit der Beklagten, der Einzelfirma „D“ und der g GmbH stellten eine Einheit dar. Den Arbeitgeberwechseln liege jeweils ein Betriebsübergang iSd. § 613a BGB zugrunde. Daraus folge, dass von einem Arbeitsbeginn bei der Beklagten schon vor dem 1. Januar 2004 auszugehen sei. Die Klägerin hat behauptet, im Betrieb der Beklagten seien im Kündigungszeitpunkt weitere fünf, insgesamt also neun „Alt-Arbeitnehmer“ beschäftigt gewesen. Im Übrigen hat sie gemeint, selbst bei Nichtgeltung des Kündigungsschutzgesetzes sei die ordentliche Kündigung unwirksam; sie sei treuwidrig.

10

Die Klägerin hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die fristlose Kündigung vom 17. Mai 2010, noch durch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung aufgelöst worden ist;

        

2.    

im Falle ihres Obsiegens die Beklagte zu verurteilen, sie bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Fachexpertin für Photogrammetrie weiterzubeschäftigen.

11

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigungen seien wirksam. Die Klägerin habe im Anschluss an die gerichtliche Entscheidung vom 11. März 2010 die ihr zugewiesene Arbeit im vermessungstechnischen Dienst grundlos und beharrlich verweigert. Das stütze zumindest die ordentliche Kündigung, die keiner Überprüfung auf ihre soziale Rechtfertigung unterliege. Bei ihrem Betrieb habe es sich im Kündigungszeitpunkt um einen „Kleinbetrieb“ iSd. § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG gehandelt. Die Voraussetzungen für die Maßgeblichkeit des Schwellenwerts in § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG lägen nicht vor. Die ordentliche Kündigung verstoße nicht gegen Treu und Glauben. Sie beruhe auf sachlichen Erwägungen.

12

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage hinsichtlich der ordentlichen Kündigung abgewiesen. Im Übrigen hat es die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin, die erstinstanzliche Entscheidung in vollem Umfang wiederherzustellen.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Klägerin ist begründet. Es lässt sich noch nicht abschließend beurteilen, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 17. Mai 2010 aufgelöst worden ist. Mit der von ihm gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht nicht annehmen, die Kündigung habe einer sozialen Rechtfertigung gemäß § 1 KSchG nicht bedurft. Es steht noch nicht fest, dass es sich bei dem Betrieb der Beklagten im Kündigungszeitpunkt um einen Kleinbetrieb iSd. § 23 Abs. 1 KSchG gehandelt hat(I). Dies führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (II). Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen kann nicht beurteilt werden, ob der Erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes Anwendung findet (1). Dessen Geltung kann nicht dahinstehen (2).

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I. Streitgegenstand im Revisionsverfahren ist nurmehr die Wirksamkeit der hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung vom 17. Mai 2010. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Kündigung habe einer sozialen Rechtfertigung nicht bedurft, weil die betrieblichen Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes nicht erfüllt seien, ist nicht frei von Rechtsfehlern.

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1. Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG gilt der Erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes bis auf wenige Regelungen nicht in Betrieben mit in der Regel fünf oder weniger beschäftigten Arbeitnehmern nach der Zählweise des § 23 Abs. 1 Satz 4 KSchG. Dies entspricht der Rechtslage vor dem 1. Januar 2004 (Inkrafttreten des Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003, BGBl. I, S. 3002). Mit Überschreiten des Schwellenwerts findet dagegen grundsätzlich ua. § 1 KSchG Anwendung.

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2. § 23 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 KSchG schränkt diese Rechtsfolge ein: Nur wenn der Schwellenwert des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG nach wie vor deshalb überschritten ist, weil die erforderliche Anzahl von Arbeitnehmern schon vor dem 1. Januar 2004 beschäftigt war („Alt-Arbeitnehmer”), ist der Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes - für diese - eröffnet. Arbeitnehmer, die ihre Beschäftigung erst nach dem 31. Dezember 2003 aufgenommen haben, können sich dagegen gemäß § 23 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 KSchG auf die Bestimmungen des Ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes nur und erst dann berufen, wenn im Betrieb in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt sind (BAG 23. Oktober 2008 - 2 AZR 131/07 - Rn. 21 ff.; 21. September 2006 - 2 AZR 840/05 - Rn. 14, 15, BAGE 119, 343).

17

3. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts waren im Betrieb der Beklagten zuletzt insgesamt nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt. Die Klägerin kann sich auf den allgemeinen Kündigungsschutz des Kündigungsschutzgesetzes folglich nur berufen, wenn im Kündigungszeitpunkt im Betrieb der Beklagten - einschließlich ihrer selbst - noch mehr als fünf „Alt-Arbeitnehmer“ iSv. § 23 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 KSchG beschäftigt waren.

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4. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, diese Voraussetzungen lägen schon deshalb nicht vor, weil das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 1. Dezember 2005 neu begründet worden sei. Die vorausgegangene Kündigung durch die g GmbH gelte, weil die Klägerin gegen sie nicht geklagt habe, gemäß § 7 KSchG als wirksam. Wegen der damit einhergehenden rechtlichen Unterbrechung scheide die Anrechnung von Vorbeschäftigungszeiten aus. Darauf, ob die erfolgten Arbeitgeberwechsel auf einem Betriebsübergang (§ 613a BGB) beruht hätten, komme es nicht an.

19

5. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Regelungen in § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG schließen es bei ununterbrochener Eingliederung des Arbeitnehmers in den Betrieb nicht aus, mehrere aufeinanderfolgende Arbeitsverhältnisse sowohl zum selben als auch zu verschiedenen Arbeitgebern als Einheit anzusehen und für den Beginn des Arbeitsverhältnisses iSd. § 23 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 KSchG auf ein vorangegangenes Vertragsverhältnis abzustellen.

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a) Mit Blick auf die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG ist von einem „ununterbrochenen“ Arbeitsverhältnis auch dann auszugehen, wenn innerhalb des Sechsmonatszeitraums zwar zwei oder mehr Arbeitsverhältnisse liegen, diese aber ohne zeitliche Unterbrechung unmittelbar aufeinanderfolgen. Selbst in Fällen, in denen es an einer nahtlosen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses fehlt, kann die rechtliche Unterbrechung unschädlich sein, wenn die Dauer der tatsächlichen Unterbrechung verhältnismäßig kurz ist und zwischen den aufeinanderfolgenden Arbeitsverhältnissen ein enger sachlicher Zusammenhang besteht (bspw. BAG 7. Juli 2011 - 2 AZR 476/10 - Rn. 19, 29; grundlegend: 23. September 1976 - 2 AZR 309/75 - zu I 2 der Gründe, BAGE 28, 176).

21

b) Im Schrifttum - soweit es sich mit der Frage befasst - wird angenommen, diese Grundsätze seien auf die Regelung des § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG zu übertragen(vgl. MünchKommBGB/Hergenröder 6. Aufl. § 23 KSchG Rn. 19; KDZ-KSchR/Deinert 8. Aufl. § 23 Rn. 40; Bender/Schmidt NZA 2004, 358, 359; Hanau ZIP 2004, 1169, 1179; Kock MDR 2007, 1109). Dies trifft zu. Der Beginn des aktuellen Arbeitsverhältnisses iSd. § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG liegt in Fällen einer rechtlichen Unterbrechung am Beginn eines vorangehenden Arbeitsverhältnisses, wenn die tatsächliche Beschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb ohne relevante Zäsur geblieben und dort sowohl vor als auch nach der Unterbrechung die erforderliche Anzahl von „Alt-Arbeitnehmern“ beschäftigt ist. Das gilt auch dann, wenn die Unterbrechung mit einem Wechsel des Arbeitgebers einhergeht, sofern die Identität des „virtuellen Altbetriebs“ (BT-Drucks. 15/1204 S. 14) und die Zugehörigkeit des Arbeitnehmers zu diesem Betrieb gewahrt geblieben sind. Dieses Verständnis ist vom Wortlaut der Vorschrift gedeckt und nach Sinn und Zweck des Gesetzes geboten. Das Gesetz will den zum „virtuellen Altbetrieb“ gehörenden Arbeitnehmern den Kündigungsschutz erhalten, solange der Personalbestand des „Altbetriebs“ dafür ausreichend groß bleibt.

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aa) § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG stellt auf das „Arbeitsverhältnis“ und dessen Beginn ab. Der Wortlaut des Gesetzes lässt es zwanglos zu, bei der Beurteilung, wann das Arbeitsverhältnis, das die Zugehörigkeit zum Betrieb vermittelt, „begonnen hat“, rechtliche Unterbrechungen außer Acht zu lassen und vorangegangene Vertragsbeziehungen mit in den Blick zu nehmen. Selbst das Erfordernis eines „ununterbrochenen“ Arbeitsverhältnisses in § 1 Abs. 1 KSchG steht einer solchen Annahme nicht entgegen(BAG 23. September 1976 - 2 AZR 309/75 - zu I 2 b der Gründe, BAGE 28, 176).

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bb) Die Regelungen in § 23 Abs. 1 Satz 2, Satz 3 KSchG sollen für die schon am 31. Dezember 2003 im Betrieb beschäftigten „Alt-Arbeitnehmer“ einen ggf. unbefristeten Bestandsschutz gewährleisten. Für sie soll der Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz so lange erhalten bleiben, wie ihre Anzahl nicht auf fünf oder weniger absinkt (BAG 21. September 2006 - 2 AZR 840/05 - Rn. 17 ff., BAGE 119, 343). Der vom Gesetz bezweckte Bestandsschutz wäre deutlich abgeschwächt, wenn rechtliche Unterbrechungen unabhängig von ihrem Anlass und ungeachtet einer durchgehenden Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb geeignet wären, dessen Zugehörigkeit zum „virtuellen Altbetrieb“ aufzuheben. Für einen entsprechenden Willen des Gesetzgebers gibt es keinen Anhaltspunkt. Eine solche Intention folgt insbesondere nicht aus dem beschäftigungsfördernden Zweck der Regelung des § 23 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 KSchG. Mit der Anhebung des Schwellenwerts für die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes sollten Arbeitgeber von möglichen Einstellungshemmnissen bis zur Grenze von zehn Arbeitnehmern befreit werden. Der Gesetzgeber ging davon aus, auf diese Weise die Entscheidung zur Schaffung neuer Arbeitsplätze zu erleichtern (vgl. schon BT-Drucks. 15/1204 S. 1, 2, 13). Um eine in diesem Sinne beschäftigungsfördernde Maßnahme handelt es sich aber nicht, wenn ein vor dem 1. Januar 2004 begründetes Arbeitsverhältnis später zwar rechtlich aufgelöst wird, sich ein neues Arbeitsverhältnis derselben Parteien aber ohne (relevante) Unterbrechungszeit anschließt. Dem steht nicht entgegen, dass Ersatzeinstellungen für ausgeschiedene „Alt-Arbeitnehmer“ eine Weitergeltung des Kündigungsschutzgesetzes nach § 23 Abs. 1 Satz 2, Satz 3 KSchG nicht bewirken können(vgl. dazu BAG 5. November 2009 - 2 AZR 383/08 - Rn. 16 mwN; grundlegend: BAG 21. September 2006 - 2 AZR 840/05 - Rn. 18 ff., BAGE 119, 343). Da nur „Alt-Arbeitnehmer“ einen am 31. Dezember 2003 bestehenden Kündigungsschutz behalten sollen, zählen für den Schwellenwert in § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG nur die Arbeitnehmer, die diesen ebenfalls genießen(BAG 21. September 2006 - 2 AZR 840/05 - Rn. 41, aaO). Bei der Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses mit einem Arbeitnehmer, der bereits am 31. Dezember 2003 dem Betrieb angehörte und in diesem sowohl vor als auch nach der rechtlichen Unterbrechung kontinuierlich weisungsabhängig tätig war, handelt es sich nicht um eine Ersatzeinstellung. Der Arbeitnehmer gehörte vielmehr durchweg zum Kreis der „Alt-Arbeitnehmer“ des Betriebs.

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cc) Für einen Rückbezug des Beginns des Arbeitsverhältnisses trotz rechtlicher Unterbrechung sprechen überdies systematische Erwägungen. Der durch § 23 Abs. 1 Satz 2, Satz 3 KSchG gewährleistete Bestandsschutz knüpft wie § 1 Abs. 1 KSchG an das individuelle Arbeitsverhältnis der dem „Altbetrieb“ angehörenden Arbeitnehmer an. Ist der Arbeitgeber durchweg derselbe geblieben, ist ein nachvollziehbarer Grund, weshalb ein Arbeitnehmer zwar die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG durch Zusammenrechnung sich aneinanderreihender Arbeitsverträge soll erfüllen können, bei einem formalen Neubeginn des Arbeitsverhältnisses aber die Zugehörigkeit zum „virtuellen Altbetrieb“ zwingend zu verneinen sein soll, nicht zu erkennen(so auch Bender/Schmidt NZA 2004, 358, 359).

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dd) Die Berücksichtigung einer Vorbeschäftigung im Rahmen von § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG ist nach Maßgabe der genannten Voraussetzungen auch dann möglich, wenn die rechtliche Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses im Zusammenhang mit einem Arbeitgeberwechsel steht.

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(1) Im Rahmen von § 1 Abs. 1 KSchG sind auch solche Beschäftigungszeiten zu berücksichtigen, die der Arbeitnehmer vor einem Betriebsübergang nach § 613a BGB beim Betriebsveräußerer zurückgelegt hat. Hat der Veräußerer das Arbeitsverhältnis gekündigt, hat der Arbeitnehmer dagegen nicht geklagt und wurde er gleichwohl vom Erwerber übernommen, hindert dies die Anrechnung der betreffenden Zeiten nicht, wenn sich die Beschäftigung beim Erwerber nahtlos anschließt oder die rechtliche Unterbrechung wegen eines engen sachlichen Zusammenhangs der Arbeitsverhältnisse unbeachtlich ist (BAG 27. Juni 2002 - 2 AZR 270/01 - zu B der Gründe, BAGE 102, 58).

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(2) Für die Beurteilung, wann ein Arbeitsverhältnis iSd. § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG „begonnen“ hat, kann nichts anderes gelten. Der durch § 23 Abs. 1 Satz 2, Satz 3 KSchG gewährleistete Bestandsschutz ist an „das Arbeitsverhältnis“ als solches und damit an die kontinuierliche Beschäftigung des Arbeitnehmers im „virtuellen Altbetrieb“ geknüpft. Die Person des Vertragsarbeitgebers ist unbeachtlich. In Fällen eines Betriebsübergangs entspricht die Berücksichtigung von Vorbeschäftigungszeiten im Rahmen von § 23 Abs. 1 Satz 2, Satz 3 KSchG überdies dem Schutzzweck von § 613a BGB und Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23/EG(ABl. EG L 82 vom 22. März 2001 S. 16). Der Entscheidung des Achten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 15. Februar 2007 (- 8 AZR 397/06 - Rn. 15 ff., BAGE 121, 273) ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Danach handelt es sich bei dem durch die Arbeitnehmerzahl gemäß § 23 Abs. 1 KSchG vermittelten Schutz nach dem Ersten Abschnitt des Gesetzes zwar nicht um ein „Recht“ iSd. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Dauer einer beim Betriebsveräußerer zurückgelegten Beschäftigungszeit zählt aber zu den „Rechten und Pflichten“ iSd. § 613a Abs. 1 BGB, in die der Betriebserwerber eintritt(BAG 15. Februar 2007 - 8 AZR 397/06 - Rn. 18 ff., aaO).

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(3) Der Rückbezug des Beginns des Arbeitsverhältnisses auf einen vor der rechtlichen Unterbrechung liegenden Zeitpunkt kommt im Fall eines Arbeitgeberwechsels auch dann in Betracht, wenn zwar kein Betriebsübergang vorliegt, der neue und der alte Vertragsarbeitgeber den fraglichen Betrieb aber gemeinsam führen oder zumindest vor der Unterbrechung gemeinsam geführt haben. Zwar ist der Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz nicht unternehmens-, dh. arbeitgeberübergreifend ausgestaltet. Eine Ausnahme hiervon bilden aber Fälle, in denen zwei oder mehrere Unternehmen die gemeinsame Führung eines Betriebs vereinbart haben, so dass der Kern der Arbeitgeberfunktionen im sozialen und personellen Bereich unternehmensübergreifend von derselben institutionellen Leitung ausgeübt wird (BAG 16. Januar 2003 - 2 AZR 609/01 - zu B I 2 a der Gründe). Liegt ein gemeinsamer Betrieb vor, sind die von den beteiligten Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer bei der Ermittlung der nach § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG maßgebenden Arbeitnehmerzahl zusammenzurechnen(vgl. BAG 9. Oktober 1997 - 2 AZR 64/97 - zu II 2 der Gründe, BAGE 86, 374). Dies kann auch im Rahmen von § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG Bedeutung gewinnen. Findet nach dem 31. Dezember 2003 zwar ein Wechsel des Vertragsarbeitgebers statt, bleibt die Beschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb aber unverändert bestehen, weil neuer und alter Arbeitgeber diesen gemeinsam führen, berührt der Arbeitgeberwechsel die Zugehörigkeit des Arbeitnehmers zum „virtuellen Altbetrieb“ nicht. Der am Gemeinschaftsbetrieb beteiligte neue Vertragsarbeitgeber muss sich so behandeln lassen, als habe das Arbeitsverhältnis schon während der Zeit der Vorbeschäftigung mit ihm selbst bestanden.

29

(4) Auch wenn kein Betriebsübergang vorliegt oder Gemeinschaftsbetrieb besteht, kann es dem alten oder neuen Arbeitgeber nach dem Rechtsgedanken des § 162 Abs. 2 BGB verwehrt sein, sich auf eine Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses zu berufen. Das ist etwa anzunehmen, wenn die Unterbrechung mit dem Ziel herbeigeführt wurde, den Bestandsschutz von „Alt-Arbeitnehmern“ nach § 23 Abs. 1 Satz 2, Satz 3 KSchG zu vereiteln(für die Ersatzeinstellung von Arbeitnehmern vgl. BAG 21. September 2006 - 2 AZR 840/05 - Rn. 22, BAGE 119, 343).

30

c) Danach durfte das Landesarbeitsgericht auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen nicht davon ausgehen, die Klägerin sei keine „Alt-Arbeitnehmerin“ im Sinne des Gesetzes. Es hätte prüfen müssen, ob Umstände vorliegen, die trotz der zum 30. November 2005 eingetretenen rechtlichen Unterbrechung dazu führen, dass der Beginn des Arbeitsverhältnisses der Parteien auf einen Zeitpunkt vor dem 1. Januar 2004 zurückzubeziehen ist.

31

aa) Das Landesarbeitsgericht ist von einem Beginn des Arbeitsverhältnisses am 1. Dezember 2005 ausgegangen. Die nach diesem Zeitpunkt aufgrund des Auslaufens von Befristungen eingetretenen rechtlichen Unterbrechungen hat es für unschädlich erachtet. Letzteres ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Modalitäten der Beschäftigung wurden von der Beklagten vorgegeben. Die Arbeitsaufgaben der Klägerin blieben - auch wenn sich ihr zeitlicher Umfang änderte - die einer „Fachexpertin für Photogrammetrie“. Soweit das Arbeitsverhältnis Anfang März 2006 nicht nur rechtlich, sondern für die Dauer von 19 Kalendertagen auch zeitlich unterbrochen wurde, ist dies unschädlich. Die Parteien hatten ursprünglich eine nahtlose Weiterbeschäftigung der Klägerin im Anschluss an die beiden vorangegangenen befristeten Arbeitsverhältnisse vereinbart. Sie sind hiervon lediglich für die Durchführung einer Weiterbildung der Klägerin - einvernehmlich - abgerückt. Auf den unbedingten Willen der Beklagten, die Klägerin im Betrieb zu halten, hatte die Unterbrechung keinen Einfluss. Die Annahme eines engen sachlichen Zusammenhangs zwischen den Vertragsverhältnissen ist unter diesen Umständen gerechtfertigt.

32

bb) Den Feststellungen im Berufungsurteil zufolge haben sich weder die äußeren Bedingungen, unter denen die Klägerin ihre Arbeitsleistung zu erbringen hatte, noch der Inhalt ihrer Tätigkeit durch die verschiedenen seit dem Jahr 2000 erfolgten Arbeitgeberwechsel geändert. Die Klägerin hat durchgängig am selben Ort, unter Nutzung derselben Geräte und in Zusammenarbeit mit denselben Kollegen Aufträge der Beklagten nach Weisung von deren Geschäftsführer erledigt. Damit liegen Umstände vor, die die Annahme rechtfertigen können, die Arbeitgeberwechsel stünden - wie von der Klägerin behauptet - im Zusammenhang mit Betriebsübergängen iSv. § 613a BGB. Sollte die Beklagte sogar Inhaberin der Betriebsmittel geblieben sein, können die vom Landesarbeitsgericht festgestellten Tatsachen auch ergeben, dass sie den Betrieb mit den jeweiligen Vertragsarbeitgebern der Klägerin gemeinsam geführt hat. Eine abschließende Bewertung ist dem Senat nicht möglich. Dazu fehlt es an den erforderlichen Feststellungen.

33

II. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache - einschließlich des Antrags auf vorläufige Weiterbeschäftigung - an das Landesarbeitsgericht. Weder stellt sich die angefochtene Entscheidung aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar (§ 561 ZPO), noch kommt eine abschließende Sachentscheidung nach § 563 Abs. 3 ZPO zugunsten der Klägerin in Betracht.

34

1. Die Voraussetzungen für die Geltung des Ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes liegen nicht aus anderen Gründen nicht vor. Die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG hatte die Klägerin im Kündigungszeitpunkt erfüllt. Mit der Frage, ob im Betrieb der Beklagten eine für § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG hinreichend große Zahl anderer „Alt-Arbeitnehmer“ beschäftigt war, hat sich das Landesarbeitsgericht - von seinem rechtlichen Standpunkt aus konsequent - nicht befasst und den insoweit umstrittenen Sachverhalt nicht aufgeklärt. Dies wird es ggf. nachzuholen haben. Der Klägerin kann nicht entgegengehalten werden, sie sei ihrer Darlegungslast aus § 23 Abs. 1 KSchG nicht nachgekommen(zu dieser vgl. BAG 23. Oktober 2008 - 2 AZR 131/07 - Rn. 29; 6. Juni 2008 - 2 AZR 264/07 - Rn. 20 ff., BAGE 127, 102).

35

a) Will sich der Arbeitnehmer auf die Maßgeblichkeit des abgesenkten Schwellenwerts des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG berufen, genügt er seiner Darlegungslast regelmäßig zunächst dadurch, dass er schlüssige Anhaltspunkte für die Beschäftigung der erforderlichen Anzahl von „Alt-Arbeitnehmern“ aufzeigt. Auf entsprechenden Vortrag muss sich der Arbeitgeber nach § 138 Abs. 2 ZPO im Einzelnen erklären und ggf. dartun, welche rechtserheblichen Tatsachen der Behauptung des Arbeitnehmers entgegenstehen sollen (vgl. BAG 6. Juni 2008 - 2 AZR 264/07 - BAGE 127, 102). Tut er dies, ist es erneut Sache des Arbeitnehmers darzulegen und ggf. zu beweisen, dass der abgesenkte Wert maßgeblich ist.

36

b) Danach hat die Klägerin ihrer Darlegungslast auf der ersten Stufe genügt. Sie hat neben den drei Personen, deren Arbeitsverhältnis unstreitig bereits vor dem 1. Januar 2004 begonnen hat, fünf weitere Arbeitnehmer namentlich benannt, von denen sie behauptet hat, sie seien bereits am 31. Dezember 2003 bei der Beklagten beschäftigt gewesen. Der Vortrag impliziert die konkludente Behauptung, die fraglichen Arbeitnehmer hätten nach dem Stichtag dem „virtuellen Altbetrieb“ kontinuierlich angehört. Die Beklagte hat dem entgegengehalten, die betreffenden Arbeitnehmer seien bei ihr erst seit dem 1. März oder 1. April 2006 beschäftigt gewesen. Ob sie damit geltend machen will, diese Personen erstmals zu dem fraglichen Zeitpunkt eingestellt zu haben, oder ob sie sich auf eine Wiedereinstellung nach vorhergehender Unterbrechung berufen will, ist nicht klar. Sollte Letzteres zutreffen, sind von der Beklagten - soweit ihr, nicht aber der Klägerin bekannt - die Gründe für die Unterbrechung aufzuzeigen, um der Klägerin ggf. weitere Darlegungen zur Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes nach § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG zu ermöglichen.

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2. Die Geltung des Ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes kann nicht dahinstehen. Dass die Kündigung auch bei - unterstellter - Anwendbarkeit von § 1 KSchG sozial gerechtfertigt wäre, steht nicht fest. Umgekehrt ist die Kündigung wirksam, sollte der allgemeine Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz nicht eingreifen. Weder ist sie in unzulässiger Weise bedingt, noch fehlt es ihr an der erforderlichen Bestimmtheit. Sie verstößt auch nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben.

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a) Der Senat kann nicht selbst beurteilen, ob die Klägerin ihre Arbeitsleistung - so die Beklagte - beharrlich verweigert hat und die ordentliche Kündigung dadurch iSd. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist.

39

aa) Eine beharrliche Arbeitsverweigerung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer die ihm übertragene Arbeit bewusst nicht erbringt und weiterhin nicht erbringen will, obwohl er zur Arbeitsleistung verpflichtet ist. Eine Arbeitspflicht besteht grundsätzlich nur im ungekündigten Arbeitsverhältnis. Der Arbeitnehmer verletzt deshalb regelmäßig keine arbeitsvertraglichen Pflichten, wenn er nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zur Rechtskraft einer Entscheidung in einem von ihm angestrengten Kündigungsschutzprozess davon absieht, dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft anzubieten.

40

bb) Überdies gibt § 12 KSchG einem Arbeitnehmer, der im Verlauf eines Kündigungsschutzprozesses ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen ist, die Möglichkeit, binnen einer Woche nach der Rechtskraft des Urteils durch Erklärung gegenüber dem alten Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bei diesem zu verweigern. Vor Ablauf der Wochenfrist des § 12 Satz 1 KSchG ist er zu einer solchen Erklärung nicht verpflichtet. Äußert sich der Arbeitnehmer - wie im Streitfall die Klägerin - binnen der Frist nicht, ist er, auch bei entgegenstehender innerer Willensrichtung, zur Fortsetzung des alten Arbeitsverhältnisses verpflichtet (vgl. APS/Biebl 4. Aufl. § 12 KSchG Rn. 18; ErfK/Kiel 13. Aufl. § 12 KSchG Rn. 12; KR/Rost 10. Aufl. § 12 KSchG Rn. 13).

41

cc) Im Streitfall hatte das Landesarbeitsgericht durch Urteil vom 11. März 2010 die Sozialwidrigkeit der ordentlichen Kündigung vom 28. November 2008 festgestellt. Das vollständig abgefasste Urteil wurde der Klägerin am 1. April 2010 zugestellt. Es ist damit - da Anhaltspunkte für einen Rechtsmittelverzicht nicht vorliegen - frühestens am 3. Mai 2010, einem Montag, formell rechtskräftig geworden. Da die Klägerin bei Zustellung des Urteils bereits in einem Arbeitsverhältnis mit einem anderen Arbeitgeber stand, war sie somit nicht vor Dienstag, dem 11. Mai 2010 gehalten, ihre Arbeit bei der Beklagten wieder aufzunehmen.

42

dd) Ob die Klägerin, weil sie auch anschließend noch der Arbeit ferngeblieben ist, ihre Arbeit verweigert hat, vermag der Senat nicht abschließend zu beurteilen. Zur Hartnäckigkeit im Willen der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht keine Feststellungen getroffen. Zudem muss berücksichtigt werden, dass die Beklagte der Klägerin eine Tätigkeit im vermessungstechnischen Außendienst angetragen hat. Ob dies vertragsgemäß war, ist ebenso wenig festgestellt. Ggf. wird zu prüfen sein, ob die Beklagte die Klägerin vor einer Kündigung hätte abmahnen müssen, um sie zu vertragsgerechtem Verhalten anzuhalten.

43

b) Eine abschließende Entscheidung ist auch zugunsten der Klägerin nicht möglich. Die ordentliche Kündigung vom 17. Mai 2010 hat Bestand, wenn das Kündigungsschutzgesetz nicht anzuwenden ist.

44

aa) Die Kündigung enthält keine Bedingung, die ihrer Wirksamkeit im Wege stünde. Auch eine „hilfsweise“ oder „vorsorglich“ erklärte Kündigung drückt den Willen des Arbeitgebers aus, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Der Zusatz „hilfweise“ oder „vorsorglich“ macht lediglich deutlich, dass der Arbeitgeber sich in erster Linie auf einen anderen Beendigungstatbestand beruft, auf dessen Rechtswirkungen also nicht etwa verzichten will (BAG 12. Oktober 1954 - 2 AZR 36/53 - zu III der Gründe, BAGE 1, 110). Die „hilfsweise“ oder „vorsorglich“ erklärte Kündigung steht unter einer - zulässigen (BAG 3. April 2008 - 2 AZR 500/06 - Rn. 22) - auflösenden Rechtsbedingung iSv. § 158 Abs. 2 BGB. Ihre Wirkung endigt, wenn feststeht, dass das Arbeitsverhältnis bereits zu einem früheren Zeitpunkt aufgelöst worden ist (ähnlich KR/Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 169).

45

bb) Die ordentliche Kündigung ist entgegen der Ansicht der Klägerin nicht deshalb unwirksam, weil im Kündigungsschreiben ein konkretes Beendigungsdatum nicht ausdrücklich genannt ist. Einer solchen Angabe bedurfte es nicht.

46

(1) Eine Kündigung muss als empfangsbedürftige Willenserklärung so bestimmt sein, dass der Empfänger Klarheit über die Absichten des Kündigenden erhält. Der Kündigungsadressat muss erkennen können, zu welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis aus Sicht des Kündigenden beendet sein soll. Deshalb muss sich aus der Erklärung oder den Umständen zumindest ergeben, ob eine fristgemäße oder eine fristlose Kündigung gewollt ist (BAG 15. Dezember 2005 - 2 AZR 148/05 - Rn. 20, BAGE 116, 336). Ob dies hinreichend deutlich wird, richtet sich nach den Verhältnissen bei Ausspruch der Kündigung (BAG 21. Oktober 1981 - 7 AZR 407/79 - zu I der Gründe).

47

(2) Die an eine ordentliche Kündigung zu stellenden Bestimmtheitsanforderungen verlangen vom Kündigenden nicht, den Kündigungstermin als konkretes kalendarisches Datum in der Kündigungserklärung ausdrücklich anzugeben. Es reicht aus, wenn der gewollte Beendigungstermin für den Kündigungsempfänger zweifelsfrei bestimmbar ist (vgl. APS/Preis 4. Aufl. Grundlagen D Rn. 20; APS/Linck 4. Aufl. § 622 BGB Rn. 66c; HaKo-KSchR/Fiebig/Mestwerdt 4. Aufl. Einl. Rn. 18; MünchKommBGB/Hesse 6. Aufl. § 620 Rn. 78; Palandt/Weidenkopf 72. Aufl. Vorb. § 620 BGB Rn. 32; Staudinger/Oetker (2012) Vorb. zu §§ 620 ff. Rn. 125; Eisemann NZA 2011, 601; Muthers RdA 2012, 172, 176; Fleddermann ArbRAktuell 2011, 347; Raab RdA 2004, 321, 326).

48

(3) Es kann dahinstehen, ob eine Kündigung, die vom Arbeitgeber isoliert als ordentliche Kündigung und als solche „zum nächstzulässigen Termin“ ausgesprochen wird, diesen Bestimmtheitsanforderungen in jedem Fall genügt. Zumindest eine nur „hilfsweise“ für den Fall der Unwirksamkeit einer fristlosen Kündigung ausgesprochene ordentliche Kündigung „zum nächstzulässigen Termin“ entspricht den gesetzlichen Anforderungen.

49

(a) Eine ordentliche Kündigung „zum nächstzulässigen Termin“ ist typischerweise so auszulegen, dass der Kündigende die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu dem Zeitpunkt erreichen will, der sich bei Anwendung der einschlägigen gesetzlichen, tarifvertraglichen und/oder vertraglichen Regelungen als rechtlich frühestmöglicher Beendigungstermin ergibt (BAG 9. September 2010 - 2 AZR 714/08 - Rn. 12, BAGE 135, 278). Der gewollte Beendigungstermin ist damit jedenfalls objektiv eindeutig bestimmbar. Dies ist jedenfalls dann ausreichend, wenn die rechtlich zutreffende Frist für den Kündigungsadressaten leicht feststellbar ist und nicht umfassende tatsächliche Ermittlungen oder die Beantwortung schwieriger Rechtsfragen erfordert.

50

(b) Ob dies auch im anderen Falle ausreichend ist oder dem das berechtigte Interesse des Arbeitnehmers entgegensteht, mit Blick auf die im ungekündigten Arbeitsverhältnis bestehende Verpflichtung zur Arbeitsleistung und zur Unterlassung von Wettbewerb Auskunft darüber zu erhalten, zu welchem konkreten Zeitpunkt der Arbeitgeber subjektiv das Arbeitsverhältnis als beendet ansieht, braucht nicht entschieden zu werden. Es kann deshalb gleichermaßen offenbleiben, ob sich dieses Interesse des Arbeitnehmers auf die Bestimmtheit der Kündigungserklärung auswirkt oder etwa bestimmte Pflichten des Arbeitgebers aus § 241 Abs. 2 BGB begründet. Die Beklagte hat die ordentliche Kündigung nicht isoliert als solche erklärt. Sie hat vielmehr zuvörderst „fristlos“ und nur hilfsweise ordentlich zum „nächst zulässigen Termin“ gekündigt. Die Klägerin als Kündigungsempfängerin war damit nicht im Unklaren darüber, wann das Arbeitsverhältnis nach der Vorstellung der Beklagten tatsächlich beendet sein sollte - nämlich mit Zugang des Schreibens vom 17. Mai 2010. Darauf musste und konnte sie sich in ihrem praktischen Handeln einstellen. Darauf, ob es ihr ohne Schwierigkeiten möglich war, auch den Ablauf der Frist der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung zuverlässig zu ermitteln, kommt es unter diesen Umständen nicht an.

51

cc) Die ordentliche Kündigung vom 17. Mai 2010 verstößt nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Beklagte habe den Umständen nach im Kündigungszeitpunkt zumindest subjektiv davon ausgehen dürfen, die Klägerin habe an einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bei ihr kein wirkliches Interesse mehr, und hat mit dieser Begründung eine Unwirksamkeit der Kündigung gemäß § 242 BGB verneint. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Eine Verpflichtung der Beklagten, die Klägerin zuvor abzumahnen, bestand außerhalb einer Geltung des Kündigungsschutzgesetzes nicht.

52

III. Sollte das Landesarbeitsgericht erneut zu dem Ergebnis gelangen, das Arbeitsverhältnis sei durch die ordentliche Kündigung aufgelöst worden, wird es zu ermitteln haben, welche Kündigungsfrist einzuhalten war. Seine bisherige Auffassung, objektiv maßgebend sei eine Frist von zwei Monaten, berücksichtigt nicht das Vorbringen der Klägerin zum Vorliegen von Betriebsübergängen iSd. § 613a Abs. 1 BGB. Daraus kann sich - je nach den Umständen - das Erfordernis ergeben, Beschäftigungszeiten aus einem vorangegangenen Arbeitsverhältnis anzurechnen (vgl. dazu BAG 23. Oktober 2008 - 2 AZR 131/07 - Rn. 48; 18. September 2003 - 2 AZR 330/02 - zu B I der Gründe).

        

    Kreft    

        

    Rinck    

        

    Berger    

        

        

        

    Beckerle    

        

    Torsten Falke    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 8. Januar 2014 - 4 Sa 1509/13, 4 Sa 2050/13 - im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, wie es ihre Berufung gegen die Entscheidung über die Kündigungsschutzanträge in dem Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt (Oder) vom 8. August 2013 - 2 Ca 441/13 - zurückgewiesen hat.

2. Im Übrigen wird die Revision als unzulässig verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier außerordentlicher Kündigungen und Zahlungsansprüche der Klägerin.

2

Die 1959 geborene Klägerin ist seit 1983 als EDV-Organisatorin in dem von der Beklagten geführten Betrieb beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft beiderseitiger Bindung an einen Anerkennungstarifvertrag der Manteltarifvertrag für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden der Eisen- und Stahlindustrie Ost (MTV Stahl Ost) vom 25. März 1991 Anwendung. Dieser bestimmt in seinem § 17:

       

„…    

        

6.2 Einem Arbeitnehmer, der das 50. Lebensjahr vollendet hat und dem Betrieb oder Unternehmen mindestens 15 Jahre angehört, kann nur noch aus in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers liegendem wichtigen Grund oder bei Vorliegen eines Sozialplans oder bei Zustimmung der Tarifvertragsparteien gekündigt werden.

        

...     

        

8. Im Übrigen gelten für ordentliche Kündigungen die gesetzlichen Bestimmungen. Die gesetzlichen Bestimmungen über fristlose Kündigungen bleiben unberührt.“

3

Die Beklagte erklärte in den Jahren 2011 und 2012 zunächst zwei auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützte ordentliche Kündigungen und sodann eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung aus Gründen im Verhalten der Klägerin. Sämtliche Kündigungen wurden gerichtlich für unwirksam befunden. Seit dem 1. Januar 2012 wird die Klägerin tatsächlich nicht mehr beschäftigt.

4

In der Folgezeit forderte die Beklagte vergeblich den bei ihr gebildeten Betriebsrat zu Sozialplanverhandlungen und die zuständige Gewerkschaft zur Zustimmung zu einer weiteren ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses auf. Im Anschluss daran sprach sie - jeweils nach Anhörung des Betriebsrats - mit Schreiben vom 27. Februar 2013 und 27. März 2013 eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist zum 30. September 2013 bzw. eine solche zum 31. Oktober 2013 aus; hilfsweise erklärte sie jeweils ordentliche Kündigungen zu diesen Terminen.

5

Mit der vorliegenden Klage hat die Klägerin sich rechtzeitig gegen die Kündigungen vom 27. Februar 2013 und 27. März 2013 gewandt. Angebote zur Beschäftigung bei anderen Konzerngesellschaften in S (ab Dezember 2012) und E (ab April 2013) bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über ihre Anträge lehnte sie ab. Die Klägerin hat gemeint, der MTV Stahl Ost schließe außerordentliche betriebsbedingte Kündigungen komplett aus und lasse ordentliche Kündigungen aus dringenden betrieblichen Erfordernissen nur bei Vorliegen eines Sozialplans oder mit Zustimmung beider Tarifvertragsparteien zu. Für die außerordentlichen Kündigungen fehle im Übrigen ein wichtiger Grund iSv. § 626 BGB. Die von der Beklagten behaupteten, allein ihren Arbeitsplatz betreffenden Organisationsentscheidungen könnten schon deshalb nicht anerkannt werden, weil sie in Reaktion auf das Unterliegen in den vorangegangenen Kündigungsschutzprozessen getroffen worden seien. Sollte eine der streitgegenständlichen Kündigungen für wirksam erachtet werden, könne sie ihre Wiedereinstellung verlangen. Für die Monate August 2012 bis einschließlich Mai 2013 stehe ihr Annahmeverzugsvergütung zu. Es sei ihr nicht zuzumuten gewesen, vorübergehend in S oder E tätig zu werden. Nach Erreichen einer Beschäftigungsdauer von 30 Jahren am 28. Februar 2013 habe sie aus einer entsprechenden Betriebsvereinbarung Anspruch auf eine Jubiläumszuwendung.

6

Die Klägerin hat zuletzt sinngemäß beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigungen der Beklagten vom 27. Februar und 27. März 2013 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie 41.798,40 Euro brutto abzüglich 15.834,00 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach im Einzelnen bezeichneter Staffelung zu zahlen;

        

3.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie 255,65 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. März 2013 zu zahlen;

        

4.    

hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, ein Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrags als EDV-Organisatorin zu den Konditionen des zwischen den Parteien bis zum 30. September 2013 bestehenden Arbeitsverhältnisses mit Wirkung ab dem 1. Oktober 2013 anzunehmen.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, der MTV Stahl Ost schränke das Recht zur außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung nicht ein. Ein wichtiger Grund liege vor. Das Arbeitsverhältnis der Parteien sei sinnentleert. Die Klägerin könne nicht mehr beschäftigt werden. Hierzu hat die Beklagte behauptet, sie habe im Vorfeld der Kündigung vom 27. Februar 2013 beschlossen, etwa 10 % der Aufgaben der Klägerin auf einen anderen Arbeitnehmer, den EDV-Beauftragten, zu übertragen und die restlichen Tätigkeiten nach außen zu vergeben. Vor Ausspruch der Kündigung vom 27. März 2013 habe sie entschieden, die Arbeiten der Klägerin gänzlich auf ein externes Unternehmen zu verlagern. Anderweitige Möglichkeiten, die Klägerin einzusetzen, bestünden nicht. Eine dauerhafte Beschäftigung bei einer anderen Konzerngesellschaft könne sie - die Beklagte - nicht durchsetzen. Die Klägerin könne auch keine Wiedereinstellung verlangen. Der EDV-Beauftragte habe erst zum 31. Dezember 2013 gekündigt. Zudem seien seine Tätigkeiten daraufhin ebenfalls an ein Drittunternehmen vergeben worden. Annahmeverzugsvergütung stehe der Klägerin aufgrund der Beschäftigungsangebote für die Zwischenzeit jedenfalls ab Dezember 2012 nicht mehr zu. Eine Jubiläumszuwendung sei nicht geschuldet, weil das Arbeitsverhältnis am Stichtag bereits gekündigt gewesen sei.

8

Die Vorinstanzen haben den Hauptanträgen - soweit noch von Interesse - stattgegeben. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte das Ziel weiter, die Klage insgesamt abzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist bezüglich der Zahlungsanträge unzulässig. Hinsichtlich der Kündigungsschutzanträge ist sie zulässig und begründet. Insoweit führt sie zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Mit der von ihm gegebenen Begründung durfte dieses den Kündigungsschutzanträgen nicht stattgeben. Ob eine der außerordentlichen Kündigungen das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgelöst hat, steht noch nicht fest.

10

A. Soweit die Beklagte sich gegen ihre Verurteilung zur Zahlung von Vergütung und Jubiläumsgeld wendet, ist ihre Revision unzulässig. Sie ist insoweit nicht in der gesetzlich gebotenen Form begründet worden.

11

I. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge muss die Revisionsbegründung den vermeintlichen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Sie muss dazu eine Auseinandersetzung mit den tragenden Argumenten des angefochtenen Urteils enthalten. Dies erfordert die konkrete Darlegung der Gründe, aus denen das Urteil rechtsfehlerhaft sein soll. Bei mehreren Streitgegenständen muss grundsätzlich für jeden eine solche Begründung gegeben werden. Fehlt sie zu einem Streitgegenstand, ist das Rechtsmittel insoweit unzulässig. Eine eigenständige Begründung ist nur dann nicht erforderlich, wenn die Entscheidung über den einen Streitgegenstand notwendig von der Entscheidung über den anderen abhängt. Mit der Begründung der Revision über den einen Streitgegenstand ist dann zugleich dargelegt, dass die Entscheidung über den anderen unrichtig ist (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 598/12 - Rn. 15 mwN, BAGE 146, 353).

12

II. Das Landesarbeitsgericht hat der Klägerin Annahmeverzugsvergütung für die Monate August 2012 bis einschließlich Mai 2013 zuerkannt. Es hat gemeint, sie habe keinen Zwischenerwerb böswillig iSv. § 11 Satz 1 KSchG unterlassen. Eine vorübergehende Tätigkeit in S oder E sei ihr nicht zumutbar gewesen, weil sie dafür ihren Lebensmittelpunkt hätte verlegen müssen. Diese Argumentationslinie hat die Beklagte offensichtlich nicht einmal zur Kenntnis genommen, wenn sie ihre Revision einzig damit begründet, dass die Klägerin gemäß § 106 GewO ohnehin bundesweit habe eingesetzt werden können. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung nicht darauf gestützt, der Klägerin seien „vertragsfremde“ Einsätze angeboten worden. Eine eigenständige Begründung war nicht deshalb entbehrlich, weil die Zahlungsansprüche der Klägerin von dem Schicksal der Kündigungsschutzanträge abhingen. Die streitgegenständlichen Kündigungen sollten frühestens zum 30. September 2013 greifen. Sie konnten den Bestand des Arbeitsverhältnisses der Parteien bis einschließlich Mai 2013 nicht in Frage stellen.

13

III. Mit dem Anspruch der Klägerin auf eine Jubiläumszuwendung befasst sich die Revision überhaupt nicht. Das wäre indes erforderlich gewesen. Der Anspruch bestand nach der Begründungslinie des Landesarbeitsgerichts ebenfalls unabhängig vom Schicksal der Kündigungsschutzanträge. Das Berufungsgericht hat gemeint, nach der maßgeblichen Betriebsvereinbarung bestehe ein Anspruch auf die Jubiläumszuwendung auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis an dem Stichtag bereits - wirksam - gekündigt sei. Es hat sich der Auffassung des Arbeitsgerichts angeschlossen, dass es allein auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses am Stichtag ankomme. Vor dem 1. März 2013 konnte dieses durch die frühestens zum 30. September 2013 wirkenden Kündigungen nicht aufgelöst worden sein. Wenn das Arbeitsgericht von „Kündigungen“ gesprochen hat, die das Arbeitsverhältnis - mit der Folge seines Bestands am 1. März 2013 - „nicht aufgelöst“ hätten, meinte es die vorangegangenen Kündigungen aus den Jahren 2011 und 2012.

14

B. Soweit die Klägerin mit ihren Kündigungsschutzanträgen obsiegt hat, ist die Revision der Beklagten zulässig und begründet.

15

I. Was die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über die Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigungen vom 27. Februar und 27. März 2013 betrifft, ist es unschädlich, dass die Revision insoweit nicht eigens begründet wurde. Würde die gegen die außerordentliche Kündigung vom 27. Februar 2013 gerichtete Klage abgewiesen, wäre zugleich die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über die anderen Kündigungsschutzanträge hinfällig. Sollte diese Kündigung das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30. September 2013 aufgelöst haben, fielen - materiell-rechtlich - die weiteren Kündigungserklärungen und - prozessrechtlich - die entsprechenden Kündigungsschutzanträge samt der zu ihnen ergangenen gerichtlichen Entscheidungen fort. Die Beklagte hat alle weiteren Kündigungen nur hilfsweise für den Fall erklärt, dass das Arbeitsverhältnis nicht bereits aufgrund einer „vorangegangenen“ Kündigung aufgelöst worden ist. Die Klägerin will sich gegen die weiteren Kündigungen lediglich zur Wehr setzen, wenn das Arbeitsverhältnis nicht schon durch eine „vorherige“ Kündigung geendet hat (zu den materiell- und prozessrechtlichen Abhängigkeiten bei im Haupt- und Hilfsverhältnis ausgesprochenen Kündigungen vgl. BAG 21. November 2013 - 2 AZR 598/12 - Rn. 16 ff. mwN, BAGE 146, 353; zu den materiell-rechtlichen Verknüpfungen und deren Folgen für die Revisionsbegründung siehe schon BAG 5. Oktober 1995 - 2 AZR 909/94 - zu II 1 der Gründe, BAGE 81, 111).

16

II. Die Revision ist bezüglich aller Kündigungsschutzanträge begründet. Mit der von ihm gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht die außerordentliche Kündigung vom 27. Februar 2013 nicht für unwirksam erachten. Ob das Arbeitsverhältnis der Parteien durch diese Kündigung aufgelöst worden ist, steht noch nicht fest. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Dieses wird den Parteien Gelegenheit zu weiterem Vortrag zu eröffnen und ggf. weitere Feststellungen zu treffen haben.

17

1. Die Begründung, mit der das Landesarbeitsgericht die außerordentliche Kündigung vom 27. Februar 2013 für unwirksam befunden hat, trägt nicht.

18

a) Das Landesarbeitsgericht hat gemeint, die außerordentliche Kündigung vom 27. Februar 2013 sei unwirksam, weil es an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB fehle. Durch die Vergabe allein der Tätigkeiten der Klägerin habe die Beklagte deren Weiterbeschäftigung gezielt unmöglich gemacht. Nach dem Rechtsgedanken des § 162 BGB dürfe sie sich nicht auf eine selbst herbeigeführte Sinnentleerung des Arbeitsverhältnisses berufen.

19

b) Gegen diese Begründung wendet die Revision sich zu Recht.

20

aa) Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung eines ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers iSv. § 626 Abs. 1 BGB kann sich - ebenso wie ein dringendes betriebliches Erfordernis iSv. § 1 Abs. 2 KSchG - aus dem dauerhaften Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit aufgrund innerbetrieblicher, von äußeren Faktoren nicht „erzwungener“ Maßnahmen ergeben(vgl. BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 379/12 - Rn. 18 ff. mwN, BAGE 145, 265). Der Arbeitgeber muss regelmäßig auch dann nicht von einer Fremdvergabe von Tätigkeiten absehen, wenn dadurch einem ordentlich nicht mehr kündbaren Arbeitsverhältnis die Grundlage entzogen wird. Dabei kann es unter Geltung von Art. 12 Abs. 1 GG ohnehin nicht darum gehen, ihm die fragliche organisatorische Maßnahme als solche gerichtlich zu untersagen, sondern nur darum, ob ihre tatsächliche Umsetzung eine Kündigung rechtfertigt. In keinem Fall ist schon die unternehmerische Maßnahme als solche (tariflich) ausgeschlossen. Der tarifvertragliche Sonderkündigungsschutz schränkt nicht die Freiheit des Arbeitgebers ein, Umstrukturierungen vorzunehmen, mit denen der Verlust von Arbeitsplätzen verbunden ist. Er erhöht allerdings erheblich die Anforderungen an die Bemühungen, gleichwohl die - anderweitige - Beschäftigung des Arbeitnehmers zu ermöglichen (zur ausführlichen Begründung siehe BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 379/12 - Rn. 18 ff., aaO ; 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 15 ff. jeweils mwN).

21

bb) Diese Grundsätze hat das Landesarbeitsgericht verkannt. Weder stellt der Verzicht auf eine vom Arbeitgeber beschlossene Organisationsentscheidung eine „geeignete andere Maßnahme“ zur Vermeidung einer außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung dar, noch ist die Vergabe der Aufgaben (nur) eines Arbeitnehmers an ein Drittunternehmen per se rechtsmissbräuchlich iSv. § 242 BGB(vgl. BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 380/12 - Rn. 25; 26. September 2002 - 2 AZR 636/01 - zu II 1 e aa der Gründe, BAGE 103, 31). Um einen darin liegenden Missbrauch darzutun, bedarf es vielmehr weiterer einschlägiger Umstände.

22

2. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif. Die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 27. Februar 2013 kann nicht abschließend beurteilt werden. Ob es auf die ordentliche Kündigung gleichen Datums oder die beiden Kündigungen vom 27. März 2013 ankommen und insbesondere die zweite außerordentliche Kündigung sich ggf. als wirksam erweisen wird, steht damit ebenfalls noch nicht fest.

23

a) Der Senat kann die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 27. Februar 2013 nicht abschließend beurteilen.

24

aa) Zwar ist sie mit der notwendigen, der - fiktiven - ordentlichen Kündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist erklärt (vgl. dazu BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 379/12 - Rn. 17 mwN, BAGE 145, 265; 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - Rn. 17), ist der Betriebsrat vor ihrem Ausspruch korrekt nach den für ordentliche Kündigungen gemäß § 102 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1, 2 BetrVG geltenden Grundsätzen angehört und ist die bei einem „Dauertatbestand“ stets von Neuem beginnende(vgl. BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 379/12 - Rn. 32, aaO; 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 28) Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt worden.

25

bb) Auch schließt § 17 MTV Stahl Ost das Recht zur außerordentlichen Kündigung aus betriebsbedingten Gründen mit notwendiger Auslauffrist weder gänzlich aus, noch schränkt er es ein.

26

(1) Beides folgt aus § 17 Nr. 8 MTV Stahl Ost. Gemäß Satz 1 der Vorschrift gelten „im Übrigen“ für ordentliche Kündigungen die gesetzlichen Bestimmungen. Nach ihrem Satz 2 bleiben die gesetzlichen Bestimmungen über „fristlose“ Kündigungen „unberührt“. Die Gegenüberstellung beider Sätze zeigt, dass die Tarifvertragsparteien den Ausdruck „fristlos“ nicht als Pendant zu „fristgerecht“, sondern als Pendant zu „ordentlich“ und damit als „außerordentlich“ iSv. § 626 Abs. 1 BGB verstanden haben. Der Ausdruck erfasst auch eine außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist. Das folgt daraus, dass auch eine nach § 17 Nr. 6.2 MTV Stahl Ost ausdrücklich mögliche personenbedingte außerordentliche Kündigung kaum jemals als fristlose in Betracht kommen dürfte (vgl. BAG 20. März 2014 - 2 AZR 288/13 - Rn. 26). Da die gesetzlichen Bestimmungen über außerordentliche Kündigungen - anders als die für ordentliche Kündigungen - nicht nur „im Übrigen“ gelten, sondern „unberührt“ bleiben, ist zugleich klargestellt, dass außerordentliche betriebsbedingte Kündigungen nicht an einschränkende Voraussetzungen - etwa das Vorliegen eines Sozialplans oder die Zustimmung beider Tarifvertragsparteien - gebunden sein sollen. § 17 Nr. 6.2 MTV Stahl Ost erwähnt die Kündigung aus betriebsbedingtem wichtigen Grund ersichtlich allein deshalb nicht, weil eine ordentliche Kündigung aus dringenden betrieblichen Erfordernissen - anders als verhaltens- und personenbedingte ordentliche Kündigungen - nicht komplett ausgeschlossen, sondern „lediglich“ an die benannten Voraussetzungen gebunden ist.

27

(2) In Anbetracht der Regelungen des § 17 Nr. 8 MTV Stahl Ost kann dahinstehen, ob der vollständige Ausschluss des Rechts zur außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung verfassungsrechtlich bedenklich wäre(vgl. insofern schon BAG 5. Februar 1998 - 2 AZR 227/97 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 88, 10). Ebenso kann offenbleiben, ob im Lichte des Art. 12 Abs. 1 GG nicht besondere Anhaltspunkte für den Willen der Tarifvertragsparteien zu einer auch nur erheblichen Einschränkung dieses Rechts erforderlich wären. Diese fehlen regelmäßig, wenn eine solche Einschränkung - wie hier - „lediglich“ an die Dauer der Betriebszugehörigkeit und das Lebensalter des Arbeitnehmers anknüpft, und es sich nicht um eine - zeitlich begrenzte - Gegenleistung des Arbeitgebers für einen Verzicht der Arbeitnehmer auf bestimmte Rechtsansprüche handelt (vgl. BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 379/12 - Rn. 21, BAGE 145, 265 für den Ausschluss des Rechts zur außerordentlichen Kündigung und den Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit aufgrund innerbetrieblicher Maßnahmen des Arbeitgebers).

28

cc) Schließlich muss der Arbeitgeber unter Geltung des § 17 Nr. 6.2 MTV Stahl Ost auch nicht einer ordentlichen Kündigung aus dringenden betrieblichen Erfordernissen den Vorzug vor einer außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung mit Auslauffrist geben. Er muss deshalb nicht zunächst versuchen, einen Sozialplan abzuschließen oder die Zustimmung der Tarifvertragsparteien einzuholen. Beide Kündigungsformen stehen nach ihrer Ausgestaltung im MTV Stahl Ost vielmehr alternativ nebeneinander. Die beiden nicht ausgeschlossenen Möglichkeiten der ordentlichen Kündigung aus dringenden betrieblichen Erfordernissen stellen nach den tariflichen Vorgaben nicht gleich wirksame Gestaltungsmittel dar. Für die Erteilung der Zustimmung der Tarifvertragsparteien sind keine abstrakten Maßstäbe festgelegt. Es ist auch kein zeitlicher Rahmen vorgesehen, innerhalb dessen diese über ein an sie herangetragenes Gesuch zu befinden hätten (vgl. BAG 20. März 2014 - 2 AZR 288/13 - Rn. 32). Einen Sozialplan kann der Arbeitgeber nach §§ 111 ff. BetrVG nur unter bestimmten - hier nicht erfüllten - Voraussetzungen und dann auch lediglich über den langwierigen Weg eines Einigungsstellenverfahrens (§ 112 Abs. 4 BetrVG) erzwingen. Es kommt deshalb nicht darauf an, dass die Beklagte bereits vor Ausspruch der Kündigungen vom 27. Februar 2013 ohnehin erfolglos versucht hatte, sowohl mit dem Betriebsrat einen Sozialplan auszuhandeln als auch die Zustimmung der zuständigen Gewerkschaft zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin einzuholen.

29

dd) Jedoch ist offen, ob ein betriebsbedingter wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB besteht.

30

(1) Eine auf betriebliche Gründe gestützte außerordentliche Kündigung kommt in Betracht, wenn die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung ausgeschlossen oder - wie hier - tariflich in einer Weise eingeschränkt ist, die ihren Vorrang aufhebt, und dies dazu führt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer andernfalls trotz Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit noch für Jahre vergüten müsste, ohne dass dem eine entsprechende Arbeitsleistung gegenüberstünde. Allerdings ist der Arbeitgeber in diesem Fall in besonderem Maß verpflichtet zu versuchen, die Kündigung durch geeignete andere Maßnahmen zu vermeiden. Besteht irgendeine Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis sinnvoll fortzuführen, wird er den Arbeitnehmer in der Regel entsprechend einzusetzen haben. Erst wenn sämtliche denkbaren Alternativen ausscheiden, kann ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung vorliegen (vgl. BAG 23. Januar 2014 - 2 AZR 372/13 - Rn. 17; 20. Juni 2013 - 2 AZR 379/12 - Rn. 15, BAGE 145, 265 jeweils mwN).

31

(2) Den hohen materiell-rechtlichen Anforderungen an das Vorliegen eines wichtigen Grundes iSv. § 626 Abs. 1 BGB entsprechen die prozessualen Anforderungen an den Umfang der Darlegungen des Arbeitgebers. Dieser hat von sich aus darzutun, dass keinerlei Möglichkeit besteht, das Arbeitsverhältnis - ggf. zu geänderten Bedingungen und nach entsprechender Umschulung - sinnvoll fortzusetzen. Das Fehlen jeglicher Beschäftigungsmöglichkeit zählt bei der außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung zum „wichtigen Grund“ (BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 379/12 - Rn. 36, BAGE 145, 265; 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 41).

32

(3) Das Landesarbeitsgericht hat - aus seiner Sicht konsequent - nicht festgestellt, ob die Beklagte die behaupteten Organisationsentscheidungen tatsächlich getroffen und - mit der Folge des Wegfalls von Bedarf an abhängiger Beschäftigung (vgl. BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 379/12 - Rn. 28, BAGE 145, 265) - umgesetzt hat. Das hat es nachzuholen. Dabei ist zu beachten, dass die Darlegung der Kündigungsgründe umso detaillierter sein muss, je näher die fragliche Organisationsentscheidung an den Kündigungsentschluss heranrückt (BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 379/12 - Rn. 23, aaO; 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 18). Auf die Frage nach dem Wegfall des Beschäftigungsbedarfs käme es nur dann nicht an, wenn das Landesarbeitsgericht annehmen sollte, dass in jedem Fall eine Möglichkeit bestand, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin - und sei es zu geänderten Bedingungen und nach entsprechender Umschulung - sinnvoll fortzuführen. Eine Weiterbeschäftigung bei einer anderen Konzerngesellschaft könnte die Klägerin freilich nur nach den insofern geltenden allgemeinen Grundsätzen beanspruchen (vgl. dazu BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 39).

33

(4) Ggf. wird das Landesarbeitsgericht die Frage nach einer Missbräuchlichkeit der unternehmerischen Entscheidung der Beklagten unter Berücksichtigung nachstehender Hinweise zu beantworten haben.

34

(a) Die gerichtliche Kontrolle einer unternehmerischen Entscheidung zielt nicht darauf ab, dem Arbeitgeber organisatorische Vorgaben zu machen. Sie dient nicht dazu, die Stichhaltigkeit der Erwägungen zu prüfen, die ihn gerade zu dem von ihm gewählten Konzept bewogen haben. Es geht allein um die Verhinderung von Missbrauch (vgl. BAG 21. September 2006 - 2 AZR 607/05 - Rn. 31 mwN). Ein solcher kann vorliegen, wenn das Konzept des Arbeitgebers alleine darauf abzielt, den Arbeitnehmer „loszuwerden“ und dies mit einer unternehmerischen Entscheidung zu begründen (vgl. BAG 6. Oktober 2005 - 2 AZR 362/04 - zu B V 3 a der Gründe).

35

(b) Für eine beschlossene und durchgeführte unternehmerische Organisationsentscheidung spricht die Vermutung, dass sie aus sachlichen - nicht zuletzt wirtschaftlichen - Gründen getroffen wurde und nicht auf Rechtsmissbrauch beruht (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 512/13 - Rn. 15; 31. Juli 2014 - 2 AZR 422/13 - Rn. 31 jeweils mwN). Im Prozess hat der Arbeitnehmer die Umstände darzulegen und ggf. zu beweisen, aus denen sich ergeben soll, dass die getroffene Organisationsmaßnahme offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG 13. März 2008 - 2 AZR 1037/06 - Rn. 29). Trägt er entsprechende Indizien vor, ist in den Tatsacheninstanzen zunächst zu prüfen, ob diese in ihrer Gesamtschau, ggf. im Zusammenhang mit dem übrigen Prozessstoff, auf das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs schließen lassen. Ist dem so, sind die vom Arbeitnehmer angetretenen Beweise zu erheben, soweit der Arbeitgeber die Indiztatsachen ausreichend bestritten hat (§ 138 ZPO), und sind die Ergebnisse der Beweisaufnahme unter Beachtung der den Arbeitnehmer treffenden objektiven Beweislast zu würdigen (§ 286 Abs. 1 ZPO). Bei alledem ist das Gericht grundsätzlich frei darin, welche Beweiskraft es den - unstreitigen oder bewiesenen - Indizien im Einzelnen und in der Gesamtschau für seine Überzeugungsbildung beimisst (vgl. allgemein zum Indizienbeweis BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 43; 19. April 2005 - 9 AZR 184/04 - zu II 3 der Gründe).

36

(c) Die bisher getroffenen Feststellungen gestatten nicht die Annahme von Rechtsmissbrauch, schließen dessen Vorliegen aber auch nicht aus. Aus der bloßen Tatsache, dass von der Fremdvergabe - zunächst - nur der Arbeitsplatz der Klägerin betroffen war, kann - wie ausgeführt - ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht auf eine Umgehung des besonderen Kündigungsschutzes geschlossen werden. Die genauen Gründe, die die Kündigungen aus den Jahren 2011 und 2012 rechtfertigen sollten, sind im hiesigen Rechtsstreit nicht vorgetragen. Es lässt sich deshalb nicht beurteilen, ob die Beklagte „alte“ Organisationsentscheidungen lediglich „fortgeschrieben“ hat. Dass die nunmehr behaupteten unternehmerischen Entscheidungen - auch - durch Gründe im Verhalten der Klägerin motiviert gewesen sein mögen, führt ebenfalls nicht ohne Weiteres zur Annahme von Rechtsmissbrauch (vgl. BAG 21. September 2006 - 2 AZR 607/05 - Rn. 32). Die Beschlüsse der Beklagten können selbst dann sachbezogen und objektiv nachvollziehbar gewesen sein, wenn sie ihre Unzufriedenheit mit dem Verhalten der Klägerin zum Anlass genommen haben sollte, die Arbeiten der EDV-Organisatorin an ein externes Unternehmen zu vergeben (vgl. BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 422/13 - Rn. 47). Warum diese Entscheidungen erst Anfang 2013 getroffen wurden, obgleich die Klägerin bereits seit Januar 2012 nicht mehr beschäftigt wurde, ist derzeit nicht erkennbar. Ebenso wenig ist ersichtlich, warum der behauptete Beschluss, nun auch die Tätigkeiten des EDV-Beauftragten nach außen zu vergeben, erst nach dessen Eigenkündigung gefasst wurde. Er muss nicht - nur - dazu gedient haben, die Chancen der Klägerin zu verschlechtern, mit ihrem Wiedereinstellungsbegehren durchzudringen, sondern könnte sogar gegen das Vorliegen von Rechtsmissbrauch sprechen. Den Parteien wird gemäß § 139 Abs. 2 ZPO zunächst Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben sein.

37

(5) Sollte sich herausstellen, dass die von der Beklagten behauptete Organisationsentscheidung tatsächlich getroffen und umgesetzt wurde, sie nicht rechtsmissbräuchlich war und keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin bestand, schiede eine außerordentliche Kündigung nicht deshalb aus, weil die Beklagte nur noch für eine nicht erhebliche Zeit an ein ggf. sinnentleertes Arbeitsverhältnis gebunden gewesen wäre. Die Klägerin war bei Ablauf der Auslauffristen 53 bzw. 54 Jahre alt und damit weit entfernt von einer - tariflichen - Altersgrenze (vgl. BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 379/12 - Rn. 31, BAGE 145, 265).

38

b) Angesichts der aufgezeigten Stufenverhältnisse ist offen, ob die gegen die ordentliche Kündigung vom 27. Februar 2013 und die gegen die Kündigungen vom 27. März 2013 gerichteten Klageanträge zur Entscheidung anfallen werden. Falls es auf sie ankommen sollte, dürften die beiden ordentlichen Kündigungen - wie vom Landesarbeitsgericht angenommen - gemäß § 17 Nr. 6.2 MTV Stahl Ost unwirksam sein, weil vor ihrem Ausspruch weder ein Sozialplan noch die Zustimmung der Tarifvertragsparteien vorlag. Für eine Altersdiskriminierung, die dazu führen könnte, dass diese Kündigungsbeschränkungen nicht eingreifen (vgl. BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 295/12 - Rn. 51, BAGE 145, 296), bestehen keine Anhaltspunkte.

39

C. Falls sich eine der - außerordentlichen - Kündigungen als wirksam erweisen sollte, wird das Landesarbeitsgericht über den im Wege der Anschlussberufung iSv. § 524 ZPO in den Rechtsstreit eingeführten Antrag auf Wiedereinstellung zu entscheiden haben, wenn es die damit verbundene Klageerweiterung in der Berufungsinstanz gemäß §§ 533, 529 ZPO iVm. § 67 ArbGG für zulässig erachten sollte. Dem Erfolg des Wiedereinstellungsantrags könnte in der Sache entgegenstehen, dass der Arbeitsplatz des EDV-Beauftragten erst nach dem 31. Oktober 2013 frei geworden sein soll und seine Tätigkeiten nach dem - bestrittenen - Vortrag der Beklagten ebenfalls nach außen vergeben wurden. Zudem könnte mit der Übertragung dieser Aufgaben die einem Wiedereinstellungsanspruch entgegenstehende Beförderung der Klägerin verbunden sein.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Niemann    

        

        

        

    Beckerle    

        

    Grimberg    

                 

(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.

(2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.

(1) Als Abfindung ist ein Betrag bis zu zwölf Monatsverdiensten festzusetzen.

(2) Hat der Arbeitnehmer das fünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens fünfzehn Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu fünfzehn Monatsverdiensten, hat der Arbeitnehmer das fünfundfünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens zwanzig Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu achtzehn Monatsverdiensten festzusetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer in dem Zeitpunkt, den das Gericht nach § 9 Abs. 2 für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses festsetzt, das in der Vorschrift des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch über die Regelaltersrente bezeichnete Lebensalter erreicht hat.

(3) Als Monatsverdienst gilt, was dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit in dem Monat, in dem das Arbeitsverhältnis endet (§ 9 Abs. 2), an Geld und Sachbezügen zusteht.

(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.

(2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.

(2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.

(1) Das Arbeitsverhältnis eines Arbeiters oder eines Angestellten (Arbeitnehmers) kann mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden.

(2) Für eine Kündigung durch den Arbeitgeber beträgt die Kündigungsfrist, wenn das Arbeitsverhältnis in dem Betrieb oder Unternehmen

1.
zwei Jahre bestanden hat, einen Monat zum Ende eines Kalendermonats,
2.
fünf Jahre bestanden hat, zwei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
3.
acht Jahre bestanden hat, drei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
4.
zehn Jahre bestanden hat, vier Monate zum Ende eines Kalendermonats,
5.
zwölf Jahre bestanden hat, fünf Monate zum Ende eines Kalendermonats,
6.
15 Jahre bestanden hat, sechs Monate zum Ende eines Kalendermonats,
7.
20 Jahre bestanden hat, sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats.

(3) Während einer vereinbarten Probezeit, längstens für die Dauer von sechs Monaten, kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden.

(4) Von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Regelungen können durch Tarifvertrag vereinbart werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags gelten die abweichenden tarifvertraglichen Bestimmungen zwischen nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, wenn ihre Anwendung zwischen ihnen vereinbart ist.

(5) Einzelvertraglich kann eine kürzere als die in Absatz 1 genannte Kündigungsfrist nur vereinbart werden,

1.
wenn ein Arbeitnehmer zur vorübergehenden Aushilfe eingestellt ist; dies gilt nicht, wenn das Arbeitsverhältnis über die Zeit von drei Monaten hinaus fortgesetzt wird;
2.
wenn der Arbeitgeber in der Regel nicht mehr als 20 Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt und die Kündigungsfrist vier Wochen nicht unterschreitet.
Bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen. Die einzelvertragliche Vereinbarung längerer als der in den Absätzen 1 bis 3 genannten Kündigungsfristen bleibt hiervon unberührt.

(6) Für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer darf keine längere Frist vereinbart werden als für die Kündigung durch den Arbeitgeber.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Als Abfindung ist ein Betrag bis zu zwölf Monatsverdiensten festzusetzen.

(2) Hat der Arbeitnehmer das fünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens fünfzehn Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu fünfzehn Monatsverdiensten, hat der Arbeitnehmer das fünfundfünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens zwanzig Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu achtzehn Monatsverdiensten festzusetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer in dem Zeitpunkt, den das Gericht nach § 9 Abs. 2 für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses festsetzt, das in der Vorschrift des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch über die Regelaltersrente bezeichnete Lebensalter erreicht hat.

(3) Als Monatsverdienst gilt, was dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit in dem Monat, in dem das Arbeitsverhältnis endet (§ 9 Abs. 2), an Geld und Sachbezügen zusteht.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 12. April 2011 - 1 Sa 36/09 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Hauptsache über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte erbringt mit mehreren hundert Arbeitnehmern bundesweit industrielle Dienstleistungen. Der 1962 geborene Kläger war seit Juni 1990 bei ihr beschäftigt, seit April 2004 als Leiter der Außenstelle B. Diese war zuständig für die Auftragsabwicklung im Werk B der D. Die Beklagte führte dort Reinigungsarbeiten aus. Dem Kläger oblag ua. die Pflege der Kundenkontakte. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand der Rahmentarifvertrag für Angestellte im Gebäudereiniger-Handwerk in der jeweiligen Fassung Anwendung.

3

Nach der Gehaltsvereinbarung für das Geschäftsjahr 2005/2006 erhielt der Kläger zuletzt ein Grundgehalt in Höhe von 3.666,67 Euro. Darüber hinaus war eine variable Vergütung vereinbart, die zu 80 vH ergebnisabhängig war und zu 20 vH vom Wachstumszuwachs zum 30. September 2006 im Verhältnis zum Umsatz per 30. September 2005 abhing. Der Kläger erhielt auf die variable Vergütung monatliche Vorauszahlungen.

4

Vorgesetzter des Klägers war der Leiter der Niederlassung B. Dies war seit Februar 2005 Herr W. Leiter des verantwortlichen Geschäftsbereichs N war zuletzt Herr S.

5

In der Niederlassung B führte die Beklagte in der Zeit vom 11. bis 15. Juli 2005 eine sog. Standard-Innenrevision durch. Deren Ergebnisse waren Gegenstand eines Gesprächs am 2. August 2005 zwischen dem Leiter der Revision - Herrn M -, den Herren S und W sowie dem Kläger.

6

Am 17. November 2005 erhielt der Kläger vom Leiter der Revision eine E-Mail, in der auf eine Richtlinie der Beklagten mit dem Titel „Zuwendungen an Kundenmitarbeiter“ hingewiesen wurde. Außerdem wurde auf die Konzernrichtlinie Nr. 03/05 - Antikorruption - vom 7. Juli 2002 Bezug genommen.

7

Im Jahre 2006 veranlasste D wegen des Verdachts auf Unregelmäßigkeiten bei der Vertragsabwicklung durch die Beklagte ein sog. Joint Audit. In dessen Rahmen fand in der Außenstelle B in der Zeit vom 19. bis 23. Juni 2006 eine Revision statt. Dabei fielen vom Kläger erstellte Eigenbelege für Auszahlungen mit dem Vermerk „Auftragsunterstützung“ auf. Sie reichten bis zum 28. Februar 2005 zurück. Der Kläger hatte gegen sie von der dafür zuständigen Mitarbeiterin Bargeld in Höhe von insgesamt 23.700,00 Euro erhalten. Als Empfänger waren auf den Belegen einzelne - insgesamt 29 - D-Mitarbeiter genannt. Die Belege waren in die Kasse gelegt und im Kassenbuch als „Auftragsunterstützung“ eingetragen worden. Der Leiter der Niederlassung B hatte die Kassenbücher monatlich geprüft.

8

Unter dem 27. Juni 2006 fertigte der Leiter der Revision eine Aktennotiz über die vorläufigen Erkenntnisse zu den Eigenbelegen. Er brachte sie am 29. Juni 2006 dem damaligen Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der Beklagten zur Kenntnis. Den Kläger befragte er am 7. Juli 2006. Am 12. Juli 2006 führte er Telefonate mit den Herren W und S und dem Kläger. Dieser gab an, die Eigenbelege zur „Auftragsunterstützung“ hätten Barauszahlungen betroffen, welche er in Wirklichkeit nur an vier verschiedene, namentlich benannte Mitarbeiter von D weitergegeben habe. Am 14. Juli 2006 konfrontierte der Geschäftsführer den Kläger mit dem Verdacht, dieser habe sich Bestechung im geschäftlichen Verkehr, Veruntreuung, Unterschlagung, jedenfalls aber eine grobe Verletzung seiner arbeitsvertraglicher Pflichten zuschulden kommen lassen.

9

Mit Schreiben vom 20. Juli 2006 hörte die Beklagte den bei ihr gebildeten Betriebsrat zu einer fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger an. Nach abschließender Stellungnahme des Betriebsrats kündigte sie das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 27. Juli 2006 fristlos, hilfsweise ordentlich zum 30. November 2006.

10

Der Kläger hat rechtzeitig die vorliegende Kündigungsschutzklage erhoben. Er hat gemeint, es liege kein Kündigungsgrund vor. Er habe nicht gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen. Er hat behauptet, die Zuwendungen an die Mitarbeiter von D seien mit Wissen und Wollen der Beklagten erfolgt. Seit dem 28. Februar 2005 habe er auf Anweisung des Leiters seines Geschäftsbereichs die bereits vorher geübte Praxis der „Auftragsunterstützung“ übernommen und fortgeführt. Er habe das Geld aus der Kasse entnehmen und dazu Eigenbelege erstellen sollen, wobei die Beträge in einzelne Belege aufgesplittet und einzelnen Namen hätten zugeordnet werden sollen. Der Geschäftsbereichsleiter habe ausdrücklich erklärt, St „wisse Bescheid“, er könne das Geld verwenden, wie er wolle. Das Geld sei dafür bestimmt gewesen, Mitarbeitern von D, welche für die Vergabe von Aufträgen und deren Abnahme zuständig seien, kleinere Aufmerksamkeiten zukommen zu lassen. Er habe Geschenke verteilt, Beiträge für Jubiläen, Kaffeekassen, Verabschiedungen von Kollegen und Frühstücke geleistet, Eintrittskarten für Fußballspiele und Tennisturniere vergeben, Alkoholika verteilt und eine Geburtstagskasse aufgefüllt. In einzelnen Fällen sei auch Geld gezahlt worden, allerdings nicht zur persönlichen Verwendung an einzelne Mitarbeiter, sondern als Spende, etwa an Gemeinschaftskassen. An Wochenenden habe er gelegentlich die eigenen Gabelstapler zu kleineren Reparaturen in die Werkstatt gefahren und für die Benutzung der Bühne 10,00 bis 20,00 Euro gezahlt. Seine beiden Mitarbeiter hätten die Kunden ebenfalls betreut und dafür Geld von ihm erhalten. Die Richtlinien zu Zuwendungen seien ihm nicht bekannt gewesen. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, eine Bestechung im geschäftlichen Verkehr liege nicht vor, weil die Gewährung von kleinen Vorteilen nicht strafbar und sozialadäquat sei. Da die Beklagte auf die Benennung der Empfänger verzichtet habe, sei es ihm nicht anzulasten, wenn er sich nicht mehr im Einzelnen erinnern könne, an wen welche Geschenke erfolgt seien. Der Kläger hat behauptet, er habe nichts für sich verwendet. Er hat ferner gemeint, die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei nicht eingehalten, auch sei der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß beteiligt worden.

11

Der Kläger hat - soweit für die Revision noch von Interesse - beantragt

        

festzustellen, dass die außerordentliche fristlose, hilfsweise fristgerechte Kündigung vom 27. Juli 2006 unwirksam ist und hierdurch das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst wird.

12

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, aufzulösen. Widerklagend hat sie beantragt,

        

1.    

den Kläger zu verurteilen, an sie 2.483,93 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1. August 2006 zu zahlen;

        

2.    

den Kläger zu verurteilen, an sie 23.700,00 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1. August 2006 zu zahlen.

13

Die Beklagte hat gemeint, es bestehe der dringende Verdacht, dass sich der Kläger entweder selbst bereichert oder Mitarbeitern von D unerlaubte Vorteile verschafft habe. Dies berechtige sie zur außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Die Vorgesetzten des Klägers hätten nicht gewusst, dass dieser Mitarbeitern von D Geld oder Sachleistungen habe zukommen lassen. Sie hätten ihn nicht angewiesen, für die Vergabe und Kontrolle von Reinigungsaufgaben verantwortliche Mitarbeiter und deren Abteilungen durch Geschenke oder Bewirtungen „bei Laune zu halten“. Es sei auch keine Anweisung erfolgt, fiktive Namen und Verwendungszwecke anzugeben. Der Kläger sei wie alle Arbeitnehmer verpflichtet gewesen, jede Ausgabe, die er für sie tätige, durch Rechnungsbelege nachzuweisen, auf denen erkennbar sei, wieviel Geld für welche Ausgaben und für welchen Zweck wer aus der Kasse erhalten habe. Das Verhalten des Klägers sei auch nicht aufgrund der Gegenzeichnung der Kasse durch Niederlassungs- und Geschäftsbereichsleiter gerechtfertigt. Sie könne zudem nicht ausschließen, dass der Kläger die Barauszahlungen für sich selbst vereinnahmt habe. Sie habe nicht aufklären können, ob er das in den Eigenbelegen aufgeführte Geld für sich verwendet oder Dritten übergeben habe.

14

Das Verhalten des Klägers sei von der Revision im Jahr 2005 nicht etwa gebilligt worden. Die Revision könne Kassenfälschungen nicht immer feststellen. Sie habe keine Anhaltspunkte oder Veranlassung gehabt, Zweifel im Hinblick auf die inhaltliche Richtigkeit der Eigenbelege zu hegen und diese zu überprüfen. Mangels Angaben auf den Belegen von März bis Juli 2005 hätten die Revisoren nicht erkennen können, dass die entsprechenden Beträge nicht ordnungsgemäß verwendet worden seien. Der Fokus der Prüfung im Jahre 2005 habe nicht auf einem möglichen Fehlverhalten des Klägers gelegen. Trotz der Beanstandungen in dem Revisionsbericht sei dieser mit der Erstellung von Eigenbelegen fortgefahren. Erst durch die Revision im Juni 2006 seien die Belege mit Pflichtverletzungen des Klägers in Verbindung gebracht worden. Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Zwei-Wochen-Frist für den Ausspruch der fristlosen Kündigung habe erst am 14. Juli 2006 zu laufen begonnen. Hilfsweise sei das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen.

15

Was ihr Zahlungsbegehren betreffe, sei der Kläger im Hinblick auf den variablen Teil seiner Vergütung um die mit der Widerklage verlangten 2.483,93 Euro überzahlt, die er ihr zurückzuerstatten habe. Der Kläger schulde auch den weiteren Betrag von 23.700,00 Euro, der sich aus den Kassenentnahmen zusammensetze. Es sei nicht aufgeklärt, wie er das entnommene Geld verwendet habe. Wenn er in kollusivem Tun mit seinen Vorgesetzten gehandelt habe, könne dies sein Verhalten nicht rechtfertigen. Falls er das Geld für Zuwendungen an Mitarbeiter von D ausgegeben habe, so habe dies jedenfalls nicht in ihrem Interesse gelegen.

16

Der Kläger hat beantragt, die Widerklage abzuweisen. Ein Anspruch auf Rückzahlung der variablen Vergütung bestehe nicht. Die angebliche Überzahlung sei nicht nachvollziehbar. Zudem benachteilige ihn die vertragliche Rückzahlungsklausel unangemessen. Ein Schadensersatzanspruch über 23.700,00 Euro stehe der Beklagten nicht zu. Er habe die Gelder weder gestohlen noch veruntreut oder unterschlagen. Durch die Zahlungen an die Mitarbeiter von D sei kein Schaden entstanden. Er habe die Gelder bestimmungsgemäß und im Interesse der Beklagten für Geschenke und andere Vorteile zu Zwecken der Verkaufsförderung verwendet.

17

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf des 31. Januar 2007 gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 50.462,53 Euro aufgelöst. Im Übrigen hat es die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte weiterhin, die Klage in vollem Umfang abzuweisen und der Widerklage stattzugeben.

Entscheidungsgründe

18

Die Revision ist unbegründet. Sowohl die außerordentliche als auch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten sind unwirksam (I.). Der Zeitpunkt, zu dem das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgelöst worden ist, und die Höhe der Abfindung halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand (II.). Die Widerklage hat keinen Erfolg (III.).

19

I. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei weder durch die außerordentliche, noch durch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 27. Juli 2006 aufgelöst worden, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat die Bestimmungen des § 626 Abs. 1 BGB und des § 1 KSchG ohne Rechtsfehler auf den Streitfall angewandt.

20

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 14, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 16, BAGE 134, 349).

21

2. Auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund bilden. Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - Rn. 16, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 48 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; 23. Juni 2009 -  2 AZR 474/07  - Rn. 51, BAGE 131, 155). Der Verdacht muss auf konkrete Tatsachen gestützt sein. Der Verdacht muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft ( vgl. BAG 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - aaO; 12. Mai 2010 -  2 AZR 587/08  - Rn. 27, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 67 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 67). Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Dabei ist für die arbeitsrechtliche Beurteilung nicht entscheidend, ob das Verhalten, dessen der Arbeitnehmer verdächtigt wird, Straftatbestände erfüllt. Entscheidend sind der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch. Auch eine nicht strafbare, gleichwohl erhebliche Verletzung der sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Pflichten kann deshalb ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB sein(BAG 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - Rn. 17, aaO; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 30, BAGE 134, 349).

22

3. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung sozial gerechtfertigt, wenn sie durch Gründe, die im Verhalten des Arbeitnehmers liegen, bedingt ist. Sie ist durch solche Gründe „bedingt“, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat und eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 34, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 64 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 37; 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - Rn. 12, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 62 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 78).

23

4. Danach hält die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, es fehle sowohl an einem wichtigen Grund nach § 626 Abs. 1 BGB als auch an einem im Verhalten liegenden Grund iSv. § 1 Abs. 2 KSchG, einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei entschieden, weder bestehe ein hinreichender Verdacht, der Kläger habe sich unerlaubt selbst bereichert oder doch mit dem aus der Kasse erhaltenen Geld Mitarbeitern von D unerlaubte Vorteile verschafft, noch habe der Kläger dadurch, dass er die Empfänger der Leistungen nicht zutreffend auf den Eigenbelegen angegeben habe, in erheblicher Weise gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen. Darauf, ob die Frist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten und der Betriebsrat ordnungsgemäß beteiligt worden ist, kommt es nicht mehr an.

24

a) Vereinnahmt ein Arbeitnehmer Geld des Arbeitgebers unerlaubt für sich oder wendet er Kundenmitarbeitern unerlaubt Vorteile zu, besteht insoweit zumindest ein dringender Verdacht, ist dies „an sich“ geeignet, eine (fristlose) Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen. Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung an (etwa nach §§ 246, 266, 299 Abs. 2 StGB). Der Arbeitnehmer verletzt mit solchen Handlungen in jedem Falle in erheblichem Maße seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen seines Arbeitgebers gem. § 241 Abs. 2 BGB.

25

b) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht aber angenommen, die Beklagte habe keine hinreichenden Umstände vorgetragen, aufgrund derer der dringende Verdacht berechtigt wäre, der Kläger habe die auf den fraglichen Eigenbelegen ausgewiesenen Gelder entweder für sich behalten oder pflichtwidrig Mitarbeitern von D zugewendet.

26

aa) Unstreitig hat der Kläger die entsprechenden Gelder aus der Kasse erhalten. Hingegen ist nicht aufgeklärt, ob er sie (teilweise) für sich vereinnahmt bzw. sonst pflichtwidrig verwendet hat. Der Kläger hat behauptet, er habe die Beträge zum Zwecke der ihm obliegenden Pflege von Kundenkontakten in zulässiger Weise ausgegeben. Die Beklagte bestreitet dies zwar, hat aber nicht etwa geltend gemacht, die vom Kläger benannten Mitarbeiter hätten in Wirklichkeit keine Zuwendungen erhalten.

27

bb) Ein hinreichender Verdacht der Selbstbereicherung oder pflichtwidrigen Verwendung der Gelder ergibt sich nicht schon daraus, dass der Kläger nicht im Einzelnen vorgetragen hat, welche Beträge er welchen Mitarbeitern von DC in welcher Weise zugewendet hat. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, es könne dem Kläger nicht zum Nachteil gereichen, wenn er im Einzelnen weder darlegen noch nachweisen könne, wo die von ihm vereinnahmten Beträge geblieben seien. Nach der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist die Behauptung des Klägers nicht widerlegt, die Beklagte habe ihn davon befreit, die Verwendung der auf die Eigenbelege ausgezahlten Beträge im Einzelnen nachweisen zu müssen.

28

(1) Eine vom Berufungsgericht nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO vorgenommene Beweiswürdigung kann durch das Revisionsgericht nur begrenzt überprüft werden. Dieses kann lediglich prüfen, ob das Berufungsgericht die Voraussetzungen und Grenzen des § 286 ZPO gewahrt und eingehalten hat. Revisionsrechtlich von Bedeutung ist nur, ob es den gesamten Inhalt der Verhandlung berücksichtigt und alle erhobenen Beweise gewürdigt hat, ob diese Würdigung in sich widerspruchsfrei und ohne Verletzung von Denkgesetzen sowie allgemeinen Erfahrungssätzen erfolgt ist und ob sie rechtlich möglich ist (BAG 27. Juli 2011 - 7 AZR 402/10 - Rn. 51, EzA TzBfG § 17 Nr. 14; 18. Januar 2007 - 2 AZR 759/05 - Rn. 28, PatR 2008, 34; BGH 14. Januar 1993 - IX ZR 238/91 - zu B II 3 a der Gründe, NJW 1993, 935).

29

(2) Die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts hält der revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Es hat umfassend, widerspruchsfrei und ohne Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze begründet, warum nach seiner Überzeugung die Behauptung des Klägers nicht widerlegt sei, die Beklagte habe ihn davon befreit, die Verwendung der ausgezahlten Beträge im Einzelnen nachweisen zu müssen. Der Kläger habe die Beträge, wie sie sich aus den Eigenbelegen ergäben, so zur Kundenbetreuung verwenden dürfen, wie er es für richtig gehalten habe. Aufgrund der Äußerungen des Leiters des Geschäftsbereichs habe bei ihm der Eindruck entstehen können, dass es nicht so genau darauf ankomme, welchen Empfänger und welchen Grund für die Ausgaben er angäbe. Entscheidend sei gewesen, dass überhaupt etwas angegeben werde. Der Kläger habe den Geschäftsbereichsleiter so verstehen können, dass er freie Hand bei der Ausgabe der Beträge habe und es nicht auf den Wahrheitsgehalt der Angaben auf den Belegen ankomme. Dies lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

30

(a) Das Landesarbeitsgericht hat nicht unberücksichtigt gelassen, dass der Kläger später - im November 2005 - auf die Richtlinie „Zuwendungen an Kundenmitarbeiter“ und die Konzernrichtlinie Nr. 03/05 - Antikorruption - vom Juli 2002 hingewiesen wurde. Es hat angenommen, dass es darauf nicht ankomme, da der Geschäftsbereichsleiter das den Richtlinien widersprechende Verhalten des Klägers abgesegnet und der Niederlassungsleiter die Praxis der Eigenbelege geduldet habe. Darin liegt kein Rechtsfehler. Es ist nicht etwa nach allgemeinen Erfahrungssätzen ausgeschlossen, dass einem Arbeitnehmer von seinen Vorgesetzten ein den eigenen Antikorruptions-Richtlinien möglicherweise widersprechendes Verhalten gestattet wird.

31

(b) Das Landesarbeitsgericht hat auch die Ergebnisse der im Jahr 2005 durchgeführten Innenrevision nicht unberücksichtigt gelassen. Es hat angenommen, die Beklagte habe den Belegen für „Auftragsunterstützung“ mehr Augenmerk schenken müssen. Das schließt die Annahme ein, dass dies anlässlich der fraglichen Revision unterblieben sei. Das wiederum entspricht dem eigenen Vortrag der Beklagten. Danach hatten sich bei der Revision im Juli 2005 noch keine Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit der Angaben in den Eigenbelegen ergeben. Soweit der Kläger, wie die Beklagte mit der Revision geltend macht, in dem Gespräch am 2. August 2005 angewiesen worden sein sollte, „die Verwendungsempfänger“ zu benennen, musste sich dies folglich nicht notwendig auf die Eigenbelege für Barentnahmen beziehen.

32

c) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dem Kläger falle eine kündigungsrelevante Pflichtverletzung auch nicht deshalb zur Last, weil ihm ein kollusives Handeln mit seinen Vorgesetzten vorzuwerfen wäre. Auch diese Würdigung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Es fehlt an einer schuldhaften Pflichtverletzung, wenn der Arbeitnehmer aus vertretbaren Gründen annehmen durfte, er handele nicht pflichtwidrig (vgl. BAG 28. August 2008 - 2 AZR 15/07 - Rn. 22, AP BGB § 626 Nr. 214 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 22). So war es nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hier.

33

aa) Das Landesarbeitsgericht ist aufgrund der Aussage des von ihm als Zeuge vernommenen Geschäftsbereichsleiters davon ausgegangen, die Vorgehensweise bei den Eigenbelegen sei auch in anderen Niederlassungen üblich gewesen. Die Beklagte treffe angesichts dieses Umstands ein Organisationsverschulden. Sie habe durch effektive Kontrollen dafür sorgen müssen, dass diese Praxis nicht jahrelang habe fortgeführt werden können, dass sie ihr zumindest zeitnah gemeldet werde.

34

bb) Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Es bedarf keiner Entscheidung, ob die Beklagte ein Organisationsverschulden traf. Jedenfalls hatte der Kläger unter den vom Landesarbeitsgericht festgestellten Umständen keine Veranlassung anzunehmen, die Praxis bei der Erstellung der Eigenbelege werde lediglich von seinen Vorgesetzten gebilligt, ohne dass die Beklagte selbst, dh. ihre gesetzlichen Vertreter davon Kenntnis hätten und dies akzeptierten. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass sich beim Kläger entsprechende Zweifel weder nach dem Ergebnis der Innenrevision 2005 noch aufgrund des Hinweises auf die Antikorruptions-Richtlinien in der E-Mail vom November 2005 aufdrängen mussten. Eine eindeutige Anweisung, die bisherige Praxis bei den Eigenbelegen einzustellen, ist ihm auch nach dem Vorbringen der Beklagten selbst zu keiner Zeit erteilt worden.

35

II. Das Landesarbeitsgericht hat das Arbeitsverhältnis der Parteien auf Antrag der Beklagten zum 31. Januar 2007 gegen Zahlung einer Abfindung von 50.462,53 Euro aufgelöst. Da der Kläger dagegen kein Rechtsmittel eingelegt hat, steht die Auflösung als solche rechtskräftig fest. Die Beklagte wendet sich gegen den Zeitpunkt der Auflösung und die Höhe der Abfindung. Sie hält den 30. November 2006 für den rechtlich gebotenen Termin und die Abfindung für zu hoch. Beides trifft nicht zu. Richtig ist der vom Landesarbeitsgericht festgesetzte Auflösungszeitpunkt; die Abfindungshöhe ist rechtlich unbedenklich.

36

1. Gem. § 9 Abs. 2 KSchG ist für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses der Zeitpunkt festzusetzen, an dem dieses bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte. Dies ist der Zeitpunkt, zu dem die maßgebliche Kündigungsfrist abgelaufen wäre (Schwarze in Schwarze/Eylert/Schrader KSchG § 9 Rn. 73). Zugrunde zu legen ist die objektiv zutreffende Kündigungsfrist. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber sie nicht eingehalten hat (Bauer DB 1985, 1180, 1181; APS/Biebl 4. Aufl. KSchG § 9 Rn. 84; Linck in v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 9 Rn. 82; KR/Spilger 9. Aufl. KSchG § 9 Rn. 31, Löwisch/Spinner KSchG 9. Aufl. § 9 Rn. 72). Es kommt nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist im Rechtsstreit gerügt hat. Ist eine Kündigung sozial ungerechtfertigt, ist sie in jeder Hinsicht unwirksam. Es gibt deshalb iSv. § 9 Abs. 2 KSchG keinen anderen als den sich unter Berücksichtigung der rechtlich zutreffenden Frist ergebenden Zeitpunkt, zu dem das Arbeitsverhältnis bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte. Dazu muss nicht neben der Sozialwidrigkeit der Kündigung ein Verstoß gegen die ordnungsgemäße Kündigungsfrist geltend gemacht worden sein.

37

2. Danach hat das Landesarbeitsgericht mit dem 31. Januar 2007 den zutreffenden Auflösungszeitpunkt festgesetzt. Die Kündigung vom 27. Juli 2006 ist dem Kläger am 28. Juli 2006 zugegangen. Zu diesem Zeitpunkt war er mehr als 16 Jahre bei der Beklagten beschäftigt. Die Kündigungsfrist betrug damit sowohl nach § 622 Abs. 2 Nr. 6 BGB als auch nach § 14 Nr. 2 des regional einschlägigen Rahmentarifvertrags sechs Monate zum Ende des Kalendermonats.

38

3. Die Festsetzung der Höhe der Abfindung durch das Landesarbeitsgericht lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

39

a) Die Festsetzung der Abfindungssumme liegt im Ermessen des Tatsachengerichts. Das Revisionsgericht ist nicht befugt, dessen Ermessen durch eigenes zu ersetzen. Es kann lediglich prüfen, ob das Berufungsgericht die Voraussetzungen und Grenzen seines Ermessens beachtet oder stattdessen den Rechtsbegriff der angemessenen Entschädigung verkannt, wesentliche Umstände nicht berücksichtigt oder gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungsgrundsätze verstoßen hat (BAG 28. Mai 2009 - 2 AZR 282/08 - Rn. 22, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 60 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 56).

40

b) Danach ist die vom Landesarbeitsgericht festgesetzte Abfindungshöhe nicht zu beanstanden. Es hat alle wesentlichen Umstände des Streitfalls widerspruchsfrei berücksichtigt. Unter Berücksichtigung der beruflichen Situation des Klägers, der ab 15. Februar 2008 eine neue Arbeit mit etwa vergleichbarem Verdienst gefunden habe, einerseits und dem als nicht übermäßig schwerwiegend eingeschätzten Grad der Sozialwidrigkeit der Kündigung andererseits hat es als Abfindung gem. § 10 KSchG ein halbes Bruttomonatsentgelt pro Beschäftigungsjahr für angemessen gehalten. Dies ist frei von Ermessensfehlern.

41

aa) Die Rüge der Beklagten, das Landesarbeitsgericht habe nicht berücksichtigt, dass sie das Arbeitsverhältnis am 24. September 2009 wegen Verstoßes gegen das arbeitsvertragliche Wettbewerbsverbot vorsorglich erneut gekündigt habe, ist unzulässig. Die Beklagte hat nicht dargelegt, an welcher Stelle welchen Schriftsatzes sie im vorliegenden Rechtsstreit auf diese Kündigung hingewiesen und zu deren Rechtfertigung näher vorgetragen hat. Die Rüge wäre zudem unbegründet. Zwar kann auch die voraussichtliche weitere Dauer des Arbeitsverhältnisses für die Höhe der Abfindung von Bedeutung sein (BAG 28. Mai 2009 - 2 AZR 282/08 - Rn. 22, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 60 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 56). Das Landesarbeitsgericht hat aber der Bemessung der Abfindung schon für die Zeit nach dem 15. Februar 2008 keinen Verdienstausfall mehr zugrunde gelegt.

42

bb) Das Landesarbeitsgericht hat auch gewürdigt, dass die Beklagte nach seiner Beurteilung keine grob sozialwidrige Kündigung ausgesprochen hat. Es hat aus diesem Grund nur die von ihm so genannte „Regelabfindung“ festgesetzt. Es kann dahinstehen, ob es die Regelung des § 10 KSchG erlaubt, eine Abfindung in Höhe von einem halben Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr als die „in der Regel“ festzusetzende Abfindung anzusehen. Die Begründung des Landesarbeitsgerichts lässt erkennen, dass es diesen Wert auch unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des vorliegenden Streitfalls als angemessen erachtet hat.

43

III. Die Widerklage ist unbegründet.

44

1. Die Beklagte hat keinen Anspruch auf Rückzahlung von 2.483,93 Euro. Ein solcher Anspruch folgt weder aus den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien noch aus § 812 Abs. 1 BGB. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe nicht hinreichend dargelegt, dass der Kläger durch die Vorauszahlungen auf seine variablen Bezüge in Höhe von 2.483,93 Euro brutto überzahlt sei, ist frei von Rechtsfehlern.

45

a) Das Landesarbeitsgericht hat dahinstehen lassen, ob im Falle der Überzahlung ein Rückzahlungsanspruch bestünde. Die Beklagte habe ihrem Anspruch lediglich die Geschäftsergebnisse bis zum tatsächlichen Ausscheiden des Klägers Ende Juli 2006 zugrunde gelegt. Zum Geschäftsverlauf im verbleibenden Rest des Geschäftsjahrs, insbesondere zu dem von ihr behaupteten negativen Ergebnis im August und September 2006 fehle es an näheren Darlegungen. Der Anspruch sei damit nicht schlüssig.

46

b) Dies ist rechtlich zutreffend. Das Arbeitsverhältnis des Klägers hat bis zum 31. Januar 2007 und damit auch während der restlichen Monate des Geschäftsjahrs 2005/2006 fortbestanden. Für die schlüssige Darlegung einer Überzahlung hätte es vollständiger Angaben für das gesamte Geschäftsjahr bedurft (vgl. BAG 3. Juni 1958 - 2 AZR 406/55 - zu I der Gründe, BAGE 5, 317). Daran fehlte es nach der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts. Die Beklagte hat insoweit keine beachtlichen Verfahrensrügen erhoben. Sie hat insbesondere nicht geltend gemacht, das Landesarbeitsgericht habe in einem bestimmten Schriftsatz gehaltenen konkreten Sachvortrag übergangen.

47

2. Die Beklagte hat keinen Anspruch auf Zahlung von 23.700,00 Euro.

48

a) Ein solcher Anspruch folgt nicht als Schadensersatz aus § 280 Abs. 1 BGB. Die Beklagte hat weder im Einzelnen dargelegt noch gar bewiesen, dass der Kläger die aus der Kasse erhaltenen Beträge oder doch einen Teil davon für sich selbst vereinnahmt oder nicht bestimmungsgemäß verwendet hat.

49

aa) Die Beklagte als Gläubigerin des Anspruchs aus § 280 Abs. 1 BGB trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Kläger das Geld aus den Barentnahmen nicht pflichtgemäß verwendet und damit seine Pflicht aus § 241 Abs. 2 BGB verletzt hat(vgl. BGH 23. Oktober 2007 - XI ZR 423/06 - Rn. 18 mwN, ZIP 2008, 168). Dies gilt für sie als Arbeitgeberin gem. § 619a BGB auch für die weitere Voraussetzung, dass der Kläger als Arbeitnehmer die Pflichtverletzung zu vertreten hat(vgl. nur ErfK/Preis 12. Aufl. § 619a BGB Rn. 2).

50

bb) Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass der Kläger das Geld aus den Barentnahmen pflichtwidrig verwendet und es für sich behalten oder in unzulässiger Weise Kundenmitarbeitern zugewendet hätte. Der Kläger hat zwar eingeräumt, die entnommenen Gelder für Zahlungen oder Geschenke an Mitarbeiter von D verwendet zu haben, hat aber nicht etwa eingeräumt, dies pflichtwidrig getan zu haben.

51

cc) Obwohl der Kläger seinerseits die pflichtgemäße Verwendung der Gelder ebenso wenig im Einzelnen dargelegt hat, ist ihre pflichtwidrige Verwendung nicht als zugestanden iSv. § 138 Abs. 3 ZPO anzusehen. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass den Kläger keine (sekundäre) Darlegungslast mit Blick auf den Verbleib des Geldes trifft.

52

(1) Eine sekundäre Darlegungslast der nicht darlegungsbelasteten Partei kommt dann in Betracht, wenn es dieser zuzumuten ist, ihrem Prozessgegner die Darlegung durch nähere Angaben über die zu ihrem Wahrnehmungsbereich gehörenden Verhältnisse zu ermöglichen, weil sie, anders als der außerhalb des maßgeblichen Geschehensablaufs stehende Darlegungsbelastete, die wesentlichen Tatsachen kennt (BGH 23. Oktober 2007 - XI ZR 423/06 - Rn. 19 mwN, ZIP 2008, 168).

53

(2) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger sei gleichwohl nicht zu einer näheren Darlegung des Verbleibs der Gelder verpflichtet, ist rechtlich unbedenklich. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme war zur Überzeugung des Landesarbeitsgerichts nicht widerlegt, dass die Beklagte den Kläger davon befreit habe, die Verwendung der Beträge im Einzelnen nachweisen zu müssen. Unter diesen Umständen kann eine solche Darlegung vom Kläger auch prozessual nicht verlangt werden.

54

dd) Zur Annahme einer Pflichtverletzung reicht es nicht aus, dass der Kläger überhaupt Bargeld zur Zuwendung an Kundenmitarbeiter gegen Eigenbelege entnommen hat. Die Beklagte behauptet nicht, dass dies schlechthin pflichtwidrig gewesen sei. Soweit sie stattdessen geltend macht, der Kläger sei gehalten gewesen, zutreffende Angaben zu Empfängern und Grund der Zuwendungen zu machen, ist diese Vorgabe nach der Würdigung des Landesarbeitsgerichts gerade nicht erwiesen.

55

b) Ein Schadensersatzanspruch folgt nicht aus § 823 Abs. 2 BGB iVm. §§ 246, 266 oder 299 Abs. 2 StGB bzw. aus § 826 BGB. Die Beklagte hat auch insoweit die Voraussetzungen nicht dargelegt. Eine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich eines pflichtgemäßen Verhaltens trifft den Kläger aus den dargestellten Gründen auch in diesem Rahmen nicht.

56

c) Ein Bereicherungsanspruch aus §§ 812 ff. BGB ist nicht gegeben. Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass der Kläger die erhaltenen Gelder für sich behalten hat. Auch insoweit trifft diesen keine sekundäre Darlegungslast. Soweit er die entnommenen Gelder nach seinem eigenen Vorbringen Kundenmitarbeitern zugewendet hat, hat er die Leistungen für die Beklagte erbracht. Einen Bereicherungsanspruch könnte die Beklagte daher allenfalls gegen die Leistungsempfänger geltend machen. Sie hat weder vorgetragen noch ist sonst ersichtlich, dass der Kläger in Wirklichkeit im eigenen Namen gehandelt und dadurch etwa eigene Aufwendungen erspart habe.

57

IV. Die Kosten ihres erfolglos gebliebenen Rechtsmittels hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Beklagte zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Rachor    

        

        

        

    Krichel    

        

    Pitsch    

                 

(1) Kündigt der Arbeitgeber wegen dringender betrieblicher Erfordernisse nach § 1 Abs. 2 Satz 1 und erhebt der Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Frist des § 4 Satz 1 keine Klage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, hat der Arbeitnehmer mit dem Ablauf der Kündigungsfrist Anspruch auf eine Abfindung. Der Anspruch setzt den Hinweis des Arbeitgebers in der Kündigungserklärung voraus, dass die Kündigung auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützt ist und der Arbeitnehmer bei Verstreichenlassen der Klagefrist die Abfindung beanspruchen kann.

(2) Die Höhe der Abfindung beträgt 0,5 Monatsverdienste für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses. § 10 Abs. 3 gilt entsprechend. Bei der Ermittlung der Dauer des Arbeitsverhältnisses ist ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten auf ein volles Jahr aufzurunden.

(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.

(2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.

(1) Der Berufungsbeklagte kann sich der Berufung anschließen. Die Anschließung erfolgt durch Einreichung der Berufungsanschlussschrift bei dem Berufungsgericht.

(2) Die Anschließung ist auch statthaft, wenn der Berufungsbeklagte auf die Berufung verzichtet hat oder die Berufungsfrist verstrichen ist. Sie ist zulässig bis zum Ablauf der dem Berufungsbeklagten gesetzten Frist zur Berufungserwiderung. Diese Frist gilt nicht, wenn die Anschließung eine Verurteilung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen (§ 323) zum Gegenstand hat.

(3) Die Anschlussberufung muss in der Anschlussschrift begründet werden. Die Vorschriften des § 519 Abs. 2, 4 und des § 520 Abs. 3 sowie des § 521 gelten entsprechend.

(4) Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Berufung zurückgenommen, verworfen oder durch Beschluss zurückgewiesen wird.

(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.

(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden.

(2) Die Beschwerde ist bei dem Bundesarbeitsgericht innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils schriftlich einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils beigefügt werden, gegen das die Revision eingelegt werden soll.

(3) Die Beschwerde ist innerhalb einer Notfrist von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils zu begründen. Die Begründung muss enthalten:

1.
die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage und deren Entscheidungserheblichkeit,
2.
die Bezeichnung der Entscheidung, von der das Urteil des Landesarbeitsgerichts abweicht, oder
3.
die Darlegung eines absoluten Revisionsgrundes nach § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und der Entscheidungserheblichkeit der Verletzung.

(4) Die Einlegung der Beschwerde hat aufschiebende Wirkung. Die Vorschriften des § 719 Abs. 2 und 3 der Zivilprozeßordnung sind entsprechend anzuwenden.

(5) Das Landesarbeitsgericht ist zu einer Änderung seiner Entscheidung nicht befugt. Das Bundesarbeitsgericht entscheidet unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluß, der ohne mündliche Verhandlung ergehen kann. Die ehrenamtlichen Richter wirken nicht mit, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen wird, weil sie nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Dem Beschluss soll eine kurze Begründung beigefügt werden. Von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundesarbeitsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(6) Wird der Beschwerde stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(7) Hat das Landesarbeitsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Bundesarbeitsgericht abweichend von Absatz 6 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverweisen.