Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 11. Feb. 2015 - 5 Sa 80/14

ECLI:ECLI:DE:LAGST:2015:0211.5SA80.14.0A
bei uns veröffentlicht am11.02.2015

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 12. Dezember 2013 - 2 Ca 1627/13 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass der Klägerin ein kalenderjährlicher Urlaubsanspruch in Höhe von 27 Arbeitstagen zusteht.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtstreits hat die Klägerin 60 % und die Beklagte 40 % zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe des jährlichen Urlaubsanspruchs.

2

Die am ... 1980 geborene Klägerin ist bei der Beklagten, die in H ein Hotel betreibt, seit dem 2. September 1999 als Bankett- und Reservierungsassistentin zu einem Bruttomonatsentgelt von 1.712,- € beschäftigt (Arbeitsvertrag vom 16. April 2003, Bl. 5 f. d. A. sowie Änderungsvertrag vom 26. April 2012, Bl. 13 d. A.).

3

Kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit findet der Manteltarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe Sachsen-Anhalt (im Folgenden: MTV), abgeschlossen zwischen der D. Sachsen-Anhalt e. V. und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten, Landesbezirk Ost, vom 18. Mai 2002 - wieder in Kraft gesetzt mit Wirkung vom 01. April 2007 durch Protokollnotiz der Tarifvertragsparteien vom 30. März 2007 - Anwendung. Dieser bestimmt zum Erholungsurlaub u.a.:

4

㤠7 Urlaub

5

(1) Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr.

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(2) Der Urlaubsanspruch der Arbeitnehmer staffelt sich nach dem Lebensalter It. Nachstehender Tabelle:

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 Lebensalter

 Anzahl d. Urlaubstage

 bis 25 Jahre

 23 Arbeitstage

 ab 26 Jahre

 24 Arbeitstage

 ab 31 Jahre

 25 Arbeitstage

 ab 40 Jahre

 27 Arbeitstage

 ab 50 Jahre

 30 Arbeitstage

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Als Urlaubstage - Arbeitstage gelten die Tage Montag bis Freitag, soweit sie nicht gesetzliche Feiertage sind. Für die Feststellung des Urlaubsanspruchs gilt das Lebensjahr bei Beginn des Kalenderjahres (Stichtag 01.01.) ...

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(5) Der Urlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Die Übertragung ist nur statthaft, wenn

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- dringende betriebliche Gründe,

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- Gründe in der Person des Arbeitnehmers liegen,

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die dies rechtfertigen. ...“

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Die Klägerin machte gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 19. April 2013 (Bl. 14 d. A.) unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20. März 2012 (9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803) die Gewährung eines jährlichen Urlaubsanspruchs von 30 Tagen ab dem Jahre 2012 geltend. Die Beklagte errechnete für die Klägerin demgegenüber entsprechend § 7 MTV einen jährlichen Urlaubsanspruch von 25 Tagen und lehnte eine weitergehende Urlaubsgewährung ab. Für das Jahr 2012 berief sie sich zudem auf den Verfall des erst nach dem 31. März 2013 geltend gemachten weitergehenden Urlaubsanspruchs (Schreiben vom 3. Mai 2013, Bl. 15 d. A.)

14

Mit der am 07. Juni 2013 bei dem Arbeitsgericht Halle eingegangenen und der Beklagten am 26. Juni 2013 zugestellten Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

15

Sie ist der Ansicht, sie habe auch schon vor Vollendung des 50. Lebensjahres einen Anspruch auf jährlich 30 Urlaubstage. Die an das Lebensalter anknüpfende Staffelung des tariflichen Urlaubsanspruchs sei eine Diskriminierung wegen des Alters und diese Ungleichbehandlung jüngerer Arbeitnehmer sei nicht im Sinne von § 10 AGG sachlich gerechtfertigt.

16

Die Klägerin hat beantragt,

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festzustellen, dass ihr ein kalenderjährlicher Urlaubsanspruch in Höhe von 30 Arbeitstagen zusteht.

18

Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie ist der Ansicht, die tarifliche Urlaubsstaffelung beinhalte keine Diskriminierung. Die Differenzierung nach dem Lebensalter sei sachlich gerechtfertigt. Der überwiegende Teil der vom Manteltarifvertrag erfassten Arbeitnehmer übe körperlich ermüdende, in Teilen schwere und im Stehen auszuführenden Arbeiten aus. Nach der Lebenserfahrung hätten die Arbeitnehmer in vielen Berufen des Hotel- und Gaststättengewerbes, deren Berufseinstieg regelmäßig mit 16 bis 21 Jahren erfolge, mit zunehmendem Lebensalter ein erhöhtes Erholungsbedürfnis. Dem trage die tarifliche Regelung Rechnung.

21

Das Arbeitsgericht hat der Klage unter Zulassung der Berufung mit dem Urteil vom 12. Dezember 2013 in vollem Umfang stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Urlaubsstaffelung nach dem Lebensalter vorliegend gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters verstoße. Die Ungleichbehandlung sei weder durch berufliche Anforderungen sachlich gerechtfertigt noch diene sie dem Schutz älterer Beschäftigter. Aufgrund der Unwirksamkeit der Urlaubsstaffelung habe die Klägerin einen kalenderjährlichen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen. Wegen des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe im Übrigen wird auf Bl. 80 bis 88 d. A. Bezug genommen.

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Gegen dieses ihr am 05. Februar 2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 28. Februar 2014 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 05. Mai 2014 am 24. April 2014 begründet.

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Sie ist weiterhin der Ansicht, dass die Ungleichbehandlung aufgrund des Alters in § 7 Abs. 2 MTV gemäß § 10 AGG sachlich gerechtfertigt sei. Mit der Altersstaffelung verfolgten die Tarifvertragsparteien ein legitimes Ziel. Die Regelung trage dem mit zunehmendem Alter aufgrund der körperlichen Beanspruchung gesteigerten Erholungsbedürfnis der Beschäftigten Rechnung und diene damit dem Gesundheitsschutz. Die Berufe in diesem Gewerbe seien von Tätigkeiten geprägt, die überwiegend im Stehen oder Gehen ausgeübt würden. Mit diesen Tätigkeiten gingen Verschleißerscheinungen einher, die bei zunehmendem Alter ein erhöhtes Erholungsbedürfnis zur Folge hätten. Die Beklagte beruft sich hierzu auf eine Information des österreichischen Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, nach der die Arbeit im Hotel- und Gaststättengewerbe hohe körperliche und psychische Anforderungen stelle und häufig zu Fehlbelastungen und daraus resultierenden gesundheitlichen Beschwerden und Erkrankungen führe. Dementsprechend seien beispielsweise Kellner - diese legten arbeitstäglich ca. 10 km zurück - ausdrücklich als gefährdete Berufsgruppe für die Berufskrankheit „Druckschädigung der Nerven“ genannt. Diese Belastungssituation treffe jedoch nicht nur für die Berufsgruppe der Kellner, sondern vielmehr auch für die anderen klassischen Berufe im Gaststätten- und Hotelgewerbe, wie beispielsweise Köche, Zimmerreinigungspersonal, Metzger und Konditoren, zu. Das bedeute, dass die überwiegend auszuübenden Tätigkeiten hohe körperliche Anforderungen an die Beschäftigten stellten und die sich daraus ergebenden gesundheitlichen Beschwerden und Erkrankungen, die in jungen Jahren zwar noch aufgefangen werden könnten, aber sich danach in Fünfjahresstufen zunehmend negativ in der Gesundheit niederschlügen.

24

Das bedeute, dass der zusätzliche Urlaub je nach den angeführten besonderen gesteigerten Bedürfnissen in den genannten Lebensaltersstufen in erster Linie aus Fürsorgegesichtspunkten gewährt werde.

25

Die einzelnen Staffeln in § 7 Abs. 2 MTV seien im Hinblick auf Gesundheitsschutz der Beschäftigten geeignet, erforderlich und angemessen:

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Sie trügen dem Umstand Rechnung, dass der Berufseinstieg im Hotel- und Gaststättengewerbe üblicherweise mit 16 bis 21 Jahren erfolge. Eine Tätigkeit in der Gastronomie erfolge nur selten mit dem Bildungshintergrund der allgemeinen Hochschulreife. Vielmehr begännen die Auszubildenden ihre Ausbildung bereits nach dem Hauptschulabschluss und damit in der Regel bereits mit dem 16. Lebensjahr. Aufgrund dieses relativ jungen Einstiegsalters werde bereits ab dem 26. Lebensjahr, also nach fünf bis zehn Jahren Arbeitstätigkeit ein zusätzlicher Urlaubstag gewährt, um ihre Berufsfähigkeit und ihr für das Gewerbe entscheidendes positives Aussehen zu ermöglichen. Bereits zu diesem Zeitpunkt sei mit Verschleißerscheinungen zu rechnen. Regelmäßig trete bereits nach dem 25. Lebensjahr ein biologisch bedingter stetiger Verlust der Körperkraft ein. Dazu beruft die Beklagte sich auf den Auszug aus der Studie von Hauer (Seite 4, Anlage B 5, Bl. 140 d. A.). Dieser Bewertung stehe auch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20. März 2012 (9 AZR 529/10) nicht entgegen, wonach Beschäftigte, die das 31. Lebensjahr erreicht hätten, noch nicht als ältere Beschäftigte gelten. Die Staffelung in § 7 Abs. 2 MTV stelle nicht auf ein bloßes erhöhtes Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter ab. Vielmehr trage sie den Besonderheiten der Branche Rechnung, indem mit zunehmendem Alter zusätzliche Urlaubstage gewährt werden, weil die physische Belastbarkeit der Beschäftigten bei gleichbleibend anstrengender körperlicher Arbeit sinke.

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Ebenfalls gerechtfertigt sei die zweite Steigerung mit dem 31. Lebensjahr, da in diesem Alter davon auszugehen sei, dass die Beschäftigten bereits seit zehn bis 15 Jahren anstrengende körperliche Arbeiten ausgeübt hätten. Hinzu komme, dass ab dem 30. Lebensjahr von einem stetigen Abbau der Muskulatur ausgegangen werden könne, der ca. 5 % in einem Zeitraum von 10 Jahren ausmache.

28

Die dritte Steigerung ab dem 40. Lebensjahr diene dazu, die langjährig körperlich belastenden Tätigkeiten sowie die damit einhergehenden körperlichen Verschleißerscheinungen auszugleichen. Die letzte Steigerung ab dem 50. Lebensjahr sei darin begründet, dass zu diesem Zeitpunkt neben der bereits langjährigen körperlichen Beanspruchung und einem regelmäßigen körperlichen Verfall eine gesteigerte Erholungsbedürftigkeit aufgrund des Alters eintrete.

29

Außerdem sei davon auszugehen, dass die in dem Hotel- und Gaststättengewerbe tätigen Beschäftigten besonders auf ein repräsentatives Äußeres zu achten hätten, da der wirtschaftliche Erfolg in dieser mit Erholung und Freizeit, aber auch geschäftlichen sowie gesellschaftlichen Anlässen eng verwobenen Dienstleistungsbranche besonders durch das Personal und dessen entspanntes und erholtes Auftreten bestimmt werde. Unter der Annahme, dass die Pflege dieses Erscheinungsbildes durch eigene Erholung positiv unterstützt und erreicht werde und mit zunehmendem Alter mehr Zeit in Anspruch nehme, werde der Urlaubsanspruch der Beschäftigten mit zunehmendem Alter entsprechend erhöht. Ständiger Stress sei dagegen einem entspannten Äußeren abträglich.

30

Im Übrigen macht die Beklagte geltend, dass das Arbeitsgericht rechtsfehlerhaft nicht die einzelnen Steigerungsstufen geprüft habe, sondern pauschal eine sachliche Rechtfertigung der Staffelung des Urlaubsanspruchs abgelehnt habe.

31

Die Beklagte beantragt,

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das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 12. Dezember 2012 - 2 Ca 1627/13 abzuändern und die Klage abzuweisen.

33

Die Klägerin beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

35

Sie ist weiterhin der Ansicht, dass die Urlaubsregelung in § 7 Abs. 2 MTV altersdiskriminierend sei. Die Altersstaffelung sei weder nach § 8 AGG noch nach § 10 AGG sachlich gerechtfertigt. Es möge zwar sein, dass bestimmte Tätigkeiten mit Gehen und Stehen verbunden seien, jedoch unterscheide die tarifliche Regelung nicht zwischen einzelnen Tätigkeiten und Beschäftigtengruppen. Insbesondere könne sich die Beklagte nicht auf die Berufskrankheit „Druckschädigung“ der Nerven“ berufen. Dabei handele es sich um die Berufskrankheit Nr. 2106 nach der Berufskrankheitenverordnung. Im Merkblatt (Bekanntmachung des MBA vom 01.10.2002, BArbBl. 11/2002, Bl. 165 bis 173 d. A.) seien insbesondere Kellner nicht genannt. Zudem sei die Urlaubsstaffelung in § 7 MTV nicht zur Vermeidung von Berufskrankheiten ergangen. Auch komme es nicht darauf an, ob gesundheitliche Beschwerden und Krankheiten in Fünfjahresstufen zunähmen, da die tarifliche Regelung andere Staffelungen enthalte. Die Beklagte zitiere die Studie von Hauer unvollständig. Auf deren Seite drei (Bl. 174 d. A.) sei ausgewiesen, dass der Rückgang der körperlichen Leistungsfähigkeit ca. 1 % bis 1,5 % pro Jahr ab dem 35. Lebensjahr betrage. Im Übrigen komme es bei einem 30jährigen Beschäftigten, der anstrengende körperliche Arbeiten verrichte, wohl eher zu einem Muskelaufbau bzw. einer Stabilisierung der Muskulatur. Aus alledem ergebe sich, dass die tarifliche Urlaubsstaffelung nach dem Alter willkürlich sei.

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Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf die Sitzungsniederschriften sowie die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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A. Die an sich statthafte (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 ArbGG) und aufgrund der Berufungszulassung zulässige (auch § 64 Abs. 2 lit. a) ArbGG) Berufung der Beklagten ist von ihr form- und fristgerecht eingelegt und auch begründet worden (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 519, 590 ZPO).

38

B. Die Berufung ist teilweise begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen kalenderjährlichen Urlaubsanspruch in Höhe von 27 Arbeitstagen, nicht jedoch von 30 Arbeitstagen.

39

I. Die Feststellungsklage ist mit der gebotene Auslegung zulässig. Insbesondere besteht das erforderliche Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO).

40

1. Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer den Umfang des ihm zustehenden Urlaubs gerichtlich festgestellt haben will, nicht entgegen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, Rn. 9 mwN).

41

2. Die ... 1980 geborene Klägerin hat ein rechtlich anerkanntes Interesse daran, alsbald zu erfahren, ob ihr bereits vor Vollendung des 50. Lebensjahres fünf weitere Urlaubstage pro Jahr zustehen. Ihr Antrag bezieht sich dem Wortlaut nach zwar auf den gesamten Jahresurlaub. Er kann jedoch so ausgelegt werden, dass er sich nur auf fünf weitere Urlaubstage im Kalenderjahr bezieht. Zwischen den Parteien besteht kein Streit, dass der Klägerin die sich aus der Staffelung nach § 7 Abs. 2 MTV ergebenden 25 Urlaubstage pro Jahr zustehen. In der Klagebegründung hat die Klägerin deutlich gemacht, dass ihr Antrag auf die Feststellung des Bestehens fünf zusätzlicher Urlaubstage gerichtet sei (vgl. zu einer solchen Auslegung: BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 10).

42

3. Soweit die Beklagte geltend gemacht hat, dass klarzustellen sei, dass sich der Anspruch der Klägerin lediglich auf den Tariftext in der Fassung aus dem Jahre 2002 beziehe, so bedurfte es dieser Klarstellung nicht. Bei dem Klageantrag handelt es sich um einen gegenwartsbezogenen Feststellungsantrag, für dessen Entscheidung es grundsätzlich auf die Sachlage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht ankommt (vgl. BAG 15. Mai 2013 - 7 AZR 494/11 - NZA 2013; 1267, Rn. 15 ff; BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 10). Spätere Änderungen des Tarifvertrages werden demnach von der Rechtskraft der vorliegenden Entscheidung nicht erfasst.

43

II. Die Klage ist teilweise begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen kalenderjährlichen Urlaubsanspruch von 27 Arbeitstagen. Die Urlaubsstaffelung in § 7 MTV verstößt gegen §§ 1, 3 Abs. 1 AGG, soweit sie Arbeitnehmern, die noch nicht das 40. Lebensjahr vollendet haben, einen kürzeren Urlaub gewährt. Sie ist deshalb insoweit nach § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG i. V. m. § 134 BGB unwirksam, sodass die Klägerin auch schon vor Vollendung des 40. Lebensjahres einen jährlichen Erholungsurlaubsanspruch in Höhe von 27 Urlaubstagen hat. In diesem Umfang ist der Urlaubsanspruch der Klägerin nach oben anzupassen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 27 ff; BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 11). Demgegenüber ist die Differenzierung in der Urlaubsstaffelung zwischen Arbeitnehmern, die das 50. Lebensjahr vollendet haben und den jüngeren Arbeitnehmern nach § 10 AGG sachlich gerechtfertigt und damit wirksam.

44

1. Die Regelung in § 7 MTV ist an den Bestimmungen des AGG zu messen, auch wenn der Tarifvertrag vor Inkrafttreten des AGG abgeschlossen worden ist, da es maßgeblich auf den Zeitpunkt der Benachteiligungshandlung ankommt(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, Rn. 12 mwN). Im Übrigen ist der Tarifvertrag auch 2007 durch eine Protokollnotiz der Tarifvertragsparteien wieder in Kraft gesetzt worden, also zu einem Zeitpunkt, zu dem das 2006 in Kraft getretene AGG bereits galt.

45

2. Die Urlaubsstaffelung in § 7 MTV enthält eine auf dem Merkmal des Alters - dabei ist unter Alter im Sinne von § 1 AGG das Lebensalter zu verstehen(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - AP AGG § 7 Nr. 1 = NZA 2010, 327, Rn. 49) - beruhende Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer, die das 26., 31., 40. oder 50. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Die Gewährung von weiteren Urlaubstagen knüpft an die Vollendung eines bestimmten Lebensalters und damit unmittelbar an das Lebensalter der Beschäftigten an. Arbeitnehmer, die diese Altersgrenze nicht erreicht haben, werden wegen des Alters ungünstiger behandelt. Das ist eine unmittelbare Benachteiligung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, = Rn. 14 f; BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 12 f.).

46

3. Diese Ungleichbehandlung ist nur wegen der Steigerung ab dem 50. Lebensjahr gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt.

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a) Bei ihr handelt es sich in allen Altersgrenzen nicht um eine nach § 8 AGG zulässige unterschiedliche Behandlung wegen der beruflichen Anforderungen.

48

(1) Die Urlaubsstaffelungen knüpfen nicht an die Art der auszuübenden Tätigkeit oder die Bedingungen ihrer Ausübung an und stellen auch nicht darauf ab (vgl. dazu ebenfalls: BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, Rn. 17).

49

(2) Soweit die Beklagte ohne nähere Begründung auf eine allgemeine Lebenserfahrung verweist wonach die Tätigkeiten im Hotel- und Gaststättengewerbe belastender als im Anwendungsbereich des TVöD seien, der der Entscheidung des BAG vom 20. März 2012 (9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803) zugrunde gelegen hat, so genügt dies nicht zur Begründung der sachlichen Rechtfertigung wegen der beruflichen Anforderungen. Aus dem allgemeinen und pauschal vorgenommenen Vergleich mit den Belastungen im öffentlichen Dienst lässt sich eine gesteigerte berufliche Anforderung wegen der Art der auszuübenden Tätigkeiten oder der Bedingungen der Ausübung nicht entnehmen. Dem TVöD unterfallen sehr unterschiedliche Tätigkeiten mit sehr unterschiedlichen Belastungen. Das zeigt sich allein darin, dass die frühere Unterscheidung nach Tarifverträgen zwischen Angestellten und Arbeitern durch Zusammenführung der verschiedenen Regelungswerke aufgegeben worden ist. Letztlich kommt es hierauf aber nicht an. Dem MTV unterfallen ebenfalls sehr unterschiedliche Arbeitnehmergruppen, ohne dass hier eine Differenzierung nach der Art der Belastungen vorgenommen worden wäre. Die Beklagte kann sich insoweit auch nicht auf die von ihr vorgelegte Stellungnahme des für die Arbeitgeberseite tarifschließenden D. Sachsen-Anhalt e. V. vom 08. Mai 2013 (Bl. 38 f. d. A.) berufen. Die Auskunft enthält nur allgemeine Ausführungen zur Kompensation altersbedingter Belastungen. Auf konkrete Verhandlungsinhalte wird darin nicht verwiesen.

50

b) Die Ungleichbehandlung ist lediglich in der letzten Lebensaltersstufe von 50 Jahren im Sinne von § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt. Nur dieser Teil der Regelung bezweckt bei Berücksichtigung eines Gestaltungs- und Ermessensspielraums der Tarifvertragsparteien (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, Rn. 19; BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 18) den Schutz älterer Beschäftigter und ist geeignet, erforderlich und angemessen im Sinne von § 10 Satz 2 AGG.

51

aa) Die Gewährung zusätzlicher Urlaubstage unterfällt dem Anwendungsbereich des § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG, also der Sicherstellung des Schutzes älterer Arbeitnehmer(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, Rn. 20; BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 20).

52

bb) § 10 Satz 1 AGG lässt eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters ungeachtet der Regelung des § 8 AGG zu, wenn sie objektiv angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Zudem müssen die Mittel zur Erreichung des Ziels nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG konkretisiert u.a. das legitime Ziel der Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter, wobei dieser Schütz auch die Festlegung besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließen kann (BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 16; BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, Rn. 20 mwN). Aufgrund der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303 vom 2. Dezember 2000, S. 16) in nationales Recht durch § 10 AGG sind diese Bestimmungen unionsrechtskonform auszulegen(BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 17).

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cc) Bei freiwilligen zusätzlichen Leistungen - zu denen auch die Gewährung von übergesetzlichem Mehrurlaub gehört - steht dem Arbeitgeber - und damit auch den Tarifvertragsparteien - ein von den Gerichten zu respektierender Gestaltungs- und Ermessensspielraum zu (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, Rn. 19; BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12-NZA 2015, 297, Rn. 18).

54

dd) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist nur die Differenzierung in der letzten Stufe sachlich gerechtfertigt.

55

(1) Aufgrund der feststehenden unstreitigen Ungleichbehandlung ist die Klägerin der ihr gemäß § 22 AGG obliegenden Darlegungs- und Beweislast nachgekommen(vgl. zu den Anforderungen nur: BAG 16. Oktober 2014 - 6 AZR 661/12 - zitiert nach Juris, Rn. 45). Demgegenüber hat die Beklagte als diejenige, die sich auf den Rechtfertigungsgrund nach § 10 AGG beruft und deshalb insoweit darlegungs- und beweispflichtig ist(vgl. BAG 24. Januar 2013 - 8 AZR 429/11 - AP AGG § 10 Nr. 2 = NZA 2013, 498, Rn. 47), ausreichende sachliche Gründe nur für die letzte Altersgrenze vorgetragen.

56

(2) Die Tarifvertragsparteien haben das mit der Urlaubsstaffelung verfolgte Ziel nicht ausdrücklich genannt. Das ist jedoch unschädlich.

57

(2.1) Erforderlich, aber auch ausreichend ist, wenn aus dem Kontext abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter der Regelung oder der Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, um die Legitimität des Ziels sowie die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich prüfen zu können (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, Rn. 19; BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 30). Diese Voraussetzung erfüllt die vorliegende Regelung. Wenn eine Tarifregelung die Urlaubsdauer nach dem Lebensalter staffelt, liegt die Annahme nahe, die Tarifvertragsparteien hätten damit einem mit dem zunehmendem Alter gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer Rechnung tragen wollen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 303, Rn. 23; BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 30). Diese Annahme darf jedoch nicht durch die konkrete Wahl der Altersgrenze(n) widerlegt werden (BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 31).

58

(2.2) Im Streitfall ergibt sich die Anknüpfung an das gesteigerte Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer bereits daraus, dass eine sehr differenzierte Staffelung nach dem Lebensalter vorgenommen worden ist, die insbesondere auch die Gruppe der über 50- jährigen Arbeitnehmer erfasst (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, Rn. 25).

59

(2.3) Diese Annahme ist auch nicht deshalb widerlegt, weil die Tarifvertragsparteien mit den übrigen Altersstaffelungen Altersgrenzen gewählt haben, die keine ausreichende Grundlage für eine sachliche Rechtfertigung darstellen. Anders als in der Entscheidung des BAG vom 20. März 2012 (9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, Rn. 23 ff.) haben sich die Tarifvertragsparteien nicht darauf beschränkt, nur solche Altersgrenzen festzulegen, die offensichtlich nicht dem Schutz älterer Arbeitnehmer im Sinne von § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG dienen können. Jede Altersgrenze ist deshalb gesondert auf ihre Wirksamkeit zu prüfen. Aus der Unwirksamkeit einzelner Altersgrenzen kann daher nicht auf die Unwirksamkeit der übrigen Altersgrenzen geschlossen werden. Zudem findet eine Inhaltskontrolle gemäß §§ 305 ff BGB nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht statt. Auf das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion (§ 306 BGB) kommt es danach nicht an.

60

(3) Arbeitnehmer des Hotel- und Gaststättengewerbes, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, sind ältere Arbeitnehmer in diesem Sinne, nicht jedoch Arbeitnehmer, die erst das 26., 31. oder 40. Lebensjahr vollendet haben.

61

(3.1) Weder § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG noch Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. A der Richtlinie 2000/78/EG - definieren, wann ein Beschäftigter „älter“ im Sinne der Norm ist. Nach dem Sinn und Zweck des Benachteiligungsverbotes reicht es ohne das Vorliegen anderer Differenzierungsgründe nicht aus, dass das Alter der begünstigten Arbeitnehmer höher ist als das Alter der nicht begünstigten. Aus dem Regelungszweck folgt, dass die begünstigten Arbeitnehmer aufgrund ihres Alters der Förderung bei der beruflichen Eingliederung oder des Schutzes bedürfen müssen (BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 21).

62

(3.2) Die Altersgrenzen von 26 und 31 Jahren sind nicht sachlich gerechtfertigt im Sinne von § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. Solche Arbeitnehmer sind offensichtlich noch keine älteren Beschäftigten in diesem Sinne (vgl. nur BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - AP AGG § 7 Nr. 1 = NZA 2010, 327, Rn. 55). Nichts anderes gilt auch für das 40. Lebensjahr, selbst dann, wenn die Erholungsbedürftigkeit mit steigendem Lebensalter zunehmen sollte (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, Rn. 24).

63

Die Beklagte kann sich in Abgrenzung zu diesen Entscheidungen auch mit ihren Ausführungen zu den frühen körperlichen Belastungen im Hotel- und Gaststättengewerbe nicht erfolgreich darauf berufen, dass es der Gesundheitsschutz gebiete, schon ab dem 26. Lebensjahr Differenzierungen vorzunehmen. Die allgemeinen Ausführungen rechtfertigen eine solche Annahme schon offensichtlich nicht. Der behauptete frühe Berufseinstieg steht in keinem nachvollziehbaren Zusammenhang mit dem Alter und der Leistungsfähigkeit. Die Beklagte beruft sich selbst auf die Studie von Hauer, nach der Körperkraft ab dem 25. Lebensjahr stetig sinke (Seite 4 des auszugsweise vorgelegten Dokuments). An anderer Stelle (Seite 3 des auszugsweise vorgelegten Dokuments) stellt Hauer aber klar, dass die körperliche Leistungsfähigkeit ab dem 35. Lebensjahr jährlich um 1 bis 1,5 % sinke. Selbst wenn diese Zahlen als zutreffend unterstellt werden, so fehlt es doch an dem Zusammenhang dieser Studie zur „Kraft und funktionellen Leistung im Alter“ mit den auszuübenden Tätigkeiten. Es ist schon nicht feststellbar, dass für die auszuübenden Tätigkeiten für eine einhundertprozentige Leistung auch einhundert Prozent der Körperkraft des Menschen erforderlich sind. Auch die festgelegten Altersgrenzen entsprechen nicht dieser Studie, bei der es sich, soweit erkennbar, nicht um eine arbeitsmedizinische Untersuchung handelt. Konsequenterweise hätten die Tarifvertragsparteien dann Beschäftigten vor dem 25. Lebensjahr unabhängig von § 19 Abs. 2 JArbSchG entsprechend wie den 26- und 30-Jährigen entsprechend höhere Urlaubsansprüche gewähren müssen. Auch die gewählten Zeiträume widersprechen der Argumentation der Beklagten, die selbst von Fünfjahreszeiträumen ausgeht. Auch die allgemeinen Hinweise auf mögliche Erkrankungen von Kellnern und sonstigen Beschäftigten sowie deren überwiegenden Tätigkeiten im Gehen und Stehen rechtfertigen die Differenzierung ohne konkrete Anknüpfungspunkte an bestimmte Lebensalter nicht. Erst Recht ist der von der Beklagten hergestellte Zusammenhang zwischen den Mehrurlaubstagen und dem äußeren Erscheinungsbild nicht nachvollziehbar.

64

(3.3) Demgegenüber ist für das Hotel- und Gaststättengewerbe anzunehmen, dass es sich bei den Arbeitnehmern, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, um ältere Beschäftigte in diesem Sinne handelt.

65

(3.3.1) Allerdings kann dies noch nicht unmittelbar auf die Entscheidung des BAG vom 20. März 2012 (9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, Rn. 24) gestützt werden. In dieser Entscheidung ist das BAG nicht davon ausgegangen, dass mit zunehmendem Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steige. Vielmehr hat es bei über 50- oder 60-jährigen Beschäftigten ein altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis für „eher nachvollziehbar“ gehalten (BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 22).

66

(3.3.2) Im Streitfall kann offen bleiben, ob es einen tätigkeitsunabhängigen generellen Zusammenhang zwischen dem Erholungsbedarf und dem Alter gibt.

67

(3.3.2.1) Generell gilt ein gerichtlicher Erfahrungssatz, dass die physische Belastbarkeit eines Menschen mit zunehmendem Alter abnimmt (BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - AP AGG § 7 Nr. 1 = NZA 2010, 327, Rn. 67). Dieser Erfahrungssatz betrifft auch den Wirkungszusammenhang von erreichtem Lebensalter und Krankheitsanfälligkeit (BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 182 = NZA 2009, 361, Rn. 54).

68

(3.3.2.2) Auch für die vorliegende Altersgrenze des 50. Lebensjahres für den Bereich des Hotel- und Gaststättengewerbes gilt ein Erfahrungssatz, dass ein größerer Erholungsbedarf im erhöhten Alter besteht. Nach der auch vom BAG (21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12- NZA 2015, 297, Rn. 26) in Bezug genommenen Untersuchung „Fortschrittsreport Altersgerechte Arbeitswelt“ (Ausgabe 3 des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, Stand 2013) hat sich zwar die körperliche Konstitution der 45- bis 64-Jährigen verbessert, jedoch verschlechtert sich auch bei einfachen Dienstleistungen und einfachen manuellen Berufen der „selbstberichtete Gesundheitszustand in der Altersgruppe 55 bis 64 Jahre im Vergleich zum Durchschnitt“ immer noch deutlich.

69

(3.3.2.3) Dieser Bewertung entspricht auch, dass die Europäische Union in Leitlinie 17 der Entscheidung des Rates vom 12. Juli 2005 über Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten 2005/600/EG (Abl. L 205 S. 24) als ältere Arbeitnehmer in diesem Sinne Arbeitskräfte über 55 Jahre angesehen und die WHO-Studiengruppe Altern und Arbeit 1991 aus arbeitsmedizinischer Sicht wegen auftretender Schwierigkeiten in Arbeit und Beruf eine Grenze ab dem 45. Lebensjahr angenommen hat (WHO Technical Report Series 835 Aging and Working Capacity - dt. Übersetzung Altern und Arbeit 1994 S. 9 f., zitiert nach LAG Rheinland-Pfalz 7. September 2012 - 6 Sa 709/11 - zitiert nach Juris, Rn. 198). Die Diskussionen um die arbeitspsychologische und - medizinische Beurteilung alternsgerechten Arbeitens bezeichnen Grenzwerte in gleicher Altersspanne (vgl. Lehr NZA-Beilage 1 2008 S. 3, 4; Dunkel-Benz ebd. S. 25).

70

(3.3.2.4) Hinter einem solchen Erfahrungssatz steht die arbeitsmedizinische Erkenntnis eines um ca. 30% jenseits des 50. Lebensjahres verminderten Belastbarkeits- und Gesundheitszustands, namentlich aufgrund Skelett-, Muskel-, Lungen-, Herz- und Sinnesfunktionseinbußen (WHO Technical Report Series 835 Aging and Working Capacity - Altern und Arbeit 1994 S. 20 ff.; Dunkel-Benz NZA-Beilage 1 2008 S. 25 ff.; Lehr ebd. S. 3, 7; Winkels Demographischer Wandel: Herausforderungen und Chancen für Personalentwicklung und betriebliche Weiterbildung S. 63 ff.; Lange Verhaltensdispositionen älterer Arbeitnehmer im Zeichen des demographischen Wandels S. 35 f.; u.a.: zitiert nach LAG Rheinland-Pfalz 7. September 2012 - 6 Sa 709/11 - zitiert nach Juris, Rn. 202). Trotz individueller Unterschiede handelt es sich um einen für jede Person lebensbegleitenden Prozess, der die Fähigkeit zu körperlicher Höchstleistung verringert, Hör- und Sehfähigkeit schmälert und Reaktionsfähigkeiten, Bewegungskoordination und Geschicklichkeiten mindert (LAG Rheinland-Pfalz 7. September 2012 - 6 Sa 709/11 - zitiert nach Juris, Rn. 202).

71

(3.3.2.5) Die Tarifvertragsparteien durften deshalb aufgrund dieser Spannbreite und der Tätigkeiten im Dienstleistungssektor annehmen, dass im Bereich des Hotel- und Gaststättengewerbes ab dem 50. Lebensjahr ein größerer Erholungsbedarf besteht. Eine empirische Untersuchung liegt zwar nicht vor, aus der sich diese konkrete Altersgrenze entnehmen ließe. Aufgrund vorgenannten Untersuchung und des Ermessenspielraums der Tarifvertragsparteien erscheint deren Annahme jedenfalls vertretbar. Wenn in der Altersgruppe der 55 bis 64 Jahre alten Beschäftigten schon ein deutlicher Unterschied besteht, dann ist, weil die Grenzen hier fließend sind, jedenfalls die Altersgrenze von 50 Jahren nachvollziehbar. Dies steht auch im Einklang mit der gesetzgeberischen Wertung (vgl. nur § 417 SGB III und § 89 Satz 3 SGB III in der seit dem 01. Januar 2015 geltenden Fassung). Somit widerlegt die Altersgrenze von 50 Jahre auch nicht den Zweck, mit drei weiteren Urlaubstagen im Kalenderjahr dem gesteigerten Erholungsbedürfnis Rechnung zu tragen.

72

(3.3.2.6) Damit handelt es sich auch um eine objektive Regelung im Sinne von § 10 Satz 1 AGG. Dies ist immer dann der Fall, wenn das verfolgte Interesse auf tatsächlichen und nachvollziehbaren Erwägungen und die Ungleichbehandlung nicht nur aufgrund von bloßen Vermutungen oder subjektiven Einschätzungen vorgenommen wird (BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - AP AGG § 7 Nr. 1 = NZA 2010, 327, Rn. 64).

73

(4) Der Mehrurlaub von drei Tagen im Kalenderjahr - maßgeblich ist im Streitfall nur der Vergleich zwischen der letzten beiden Altersgrenzen - ist auch geeignet, den Zweck nach § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG zu fördern. Unerheblich ist dabei, ob der gestiegene Erholungsbedarf ganz oder nur partiell ausgeglichen wird (BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 34).

74

(5) Die Regelung ist auch erforderlich und angemessen im Sinne von § 10 Satz 2 AGG.

75

(5.1) Die Altersgrenze von 50 Jahren erscheint nach dem gegenwärtigen Stand der arbeitsmedizinischen Diskussion einer Spannbreite von 45 bis 55 Jahren angemessen.

76

(5.2) Die Mehrurlaubsdauer von drei Tagen ist auch nicht unverhältnismäßig, um dem erstrebten Zweck zu dienen. Sie liegt unterhalb des Zusatzurlaubs von fünf Tagen für Schwerbehinderte (§ 125 SGB IX) und entspricht beispielsweise der Regelung in BZTV Nr. 2 zum BMT-G 2(vgl. dazu: BAG 24. Februar 2010 - 4 AZR 708/08 - AP TVÜ § 2 Nr 2) und entsprach § 5 HessUrlaubsVO 2007(vgl. hierzu: ArbG Gießen 22. März 2013 - 10 Ca 358/12 - zitiert nach Juris, Rn. 73 ff, das eine Regelung des Mehrurlaubs für Arbeitnehmer, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, für wirksam erachtet).

77

(5.3) Dem steht auch nicht entgegen, dass nicht alle Beschäftigten im Hotel- und Gaststättengewerbe denselben Erschwernissen von Dienstleistungstätigkeiten unterliegen. Es genügt, dass es sich um die Mehrheit der Beschäftigten handelt, worüber die Parteien letztlich auch nicht streiten. Von den Tarifvertragsparteien war - auch im Hinblick auf die praktische Handhabbarkeit und den Betriebsfrieden - nicht zu verlangen, nach konkreten Tätigkeiten zu differenzieren und einzelne Beschäftigtengruppen von dem Mehrurlaub auszuschließen. Auf den individuellen Bedarf musste deshalb nicht abgestellt werden (BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 34).

78

4. Die Beseitigung der Diskriminierung wegen der Staffelung vor Vollendung des 50. Lebensjahres kann nur durch eine Anpassung nach oben erfolgen, ohne dass die Beklagte Vertrauensschutz in Anspruch nehmen könnte (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, zu A.II.5 der Gründe = Rn. 27-32; BAG 10. November 2011 -6 AZR 148/09 - NZA 2012, 161, Rn. 20 ff).

79

5. Die Klägerin kann den geltend gemachten Anspruch auf die weiteren drei Mehrurlaubstage der Rechtfertigung der Ungleichbehandlung gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG nicht auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz stützen(BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 39).

80

C. Die Kostentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Aufgrund des teilweisen Obsiegens und Unterliegens der Parteien waren die Kosten des Rechtsstreits verhältnismäßig zu teilen. Die Parteien streiten über eine Differenz von fünf Urlaubstagen, von denen der Klägerin zwei - entsprechend 40 % - zugesprochen worden sind.

81

D. Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG liegen vor.


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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen


(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 256 Feststellungsklage


(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverh

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen


(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt is

Zivilprozessordnung - ZPO | § 519 Berufungsschrift


(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung


(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Mona

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 134 Gesetzliches Verbot


Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 305 Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen in den Vertrag


(1) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Gleichgültig ist, ob die Bestimmung

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 310 Anwendungsbereich


(1) § 305 Absatz 2 und 3, § 308 Nummer 1, 2 bis 9 und § 309 finden keine Anwendung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermöge

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 3 Begriffsbestimmungen


(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 7 Benachteiligungsverbot


(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt. (2) Bestim

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 306 Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung und Unwirksamkeit


(1) Sind Allgemeine Geschäftsbedingungen ganz oder teilweise nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam, so bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam. (2) Soweit die Bestimmungen nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam sind, richtet

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 1 Ziel des Gesetzes


Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 10 Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters


Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein.

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 8 Gang des Verfahrens


(1) Im ersten Rechtszug sind die Arbeitsgerichte zuständig, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist. (2) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet die Berufung an die Landesarbeitsgerichte nach Maßgabe des § 64 Abs. 1 statt. (3) Gegen di

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 22 Beweislast


Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 8 Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen


(1) Eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 genannten Grundes ist zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 125 Inhalt der schriftlichen Vereinbarung


(1) In der schriftlichen Vereinbarung zwischen dem Träger der Eingliederungshilfe und dem Leistungserbringer sind zu regeln:1.Inhalt, Umfang und Qualität einschließlich der Wirksamkeit der Leistungen der Eingliederungshilfe (Leistungsvereinbarung) un

Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594) - SGB 3 | § 417 Sonderregelung zum Bundesprogramm „Ausbildungsplätze sichern“


Soweit die Bundesregierung die Umsetzung des Bundesprogramms „Ausbildungsplätze sichern“ der Bundesagentur überträgt, erstattet der Bund der Bundesagentur abweichend von § 363 Absatz 1 Satz 2 die durch die Umsetzung entstehenden Verwaltungskosten.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 590 Neue Verhandlung


(1) Die Hauptsache wird, insoweit sie von dem Anfechtungsgrunde betroffen ist, von neuem verhandelt. (2) Das Gericht kann anordnen, dass die Verhandlung und Entscheidung über Grund und Zulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens vor der Verhan

Jugendarbeitsschutzgesetz - JArbSchG | § 19 Urlaub


(1) Der Arbeitgeber hat Jugendlichen für jedes Kalenderjahr einen bezahlten Erholungsurlaub zu gewähren. (2) Der Urlaub beträgt jährlich 1. mindestens 30 Werktage, wenn der Jugendliche zu Beginn des Kalenderjahrs noch nicht 16 Jahre alt ist,2. mi

Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594) - SGB 3 | § 89 Höhe und Dauer der Förderung


Die Förderhöhe und die Förderdauer richten sich nach dem Umfang der Einschränkung der Arbeitsleistung der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers und nach den Anforderungen des jeweiligen Arbeitsplatzes (Minderleistung). Der Eingliederungszuschuss kann

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Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 11. Feb. 2015 - 5 Sa 80/14 zitiert oder wird zitiert von 9 Urteil(en).

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Bundesarbeitsgericht Urteil, 24. Feb. 2010 - 4 AZR 708/08

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Tenor 1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 29. Mai 2008 - 19 Sa 69/07 - aufgehoben.
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Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 08. Dez. 2015 - 2 Sa 106/15

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Tenor 1. Auf die Berufung der Beklagten und Berufungsklägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 03. 12. 2014 - 5 Ca 3363/13 - abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Kosten des Rechtsstreites hat der Kl

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Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein. Derartige unterschiedliche Behandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:

1.
die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlohnung und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Beschäftigten und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen,
2.
die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile,
3.
die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung auf Grund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder auf Grund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand,
4.
die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen,
5.
eine Vereinbarung, die die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der oder die Beschäftigte eine Rente wegen Alters beantragen kann; § 41 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch bleibt unberührt,
6.
Differenzierungen von Leistungen in Sozialplänen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes, wenn die Parteien eine nach Alter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung geschaffen haben, in der die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigt worden sind, oder Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplans ausgeschlossen haben, die wirtschaftlich abgesichert sind, weil sie, gegebenenfalls nach Bezug von Arbeitslosengeld, rentenberechtigt sind.

(1) Eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 genannten Grundes ist zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist.

(2) Die Vereinbarung einer geringeren Vergütung für gleiche oder gleichwertige Arbeit wegen eines in § 1 genannten Grundes wird nicht dadurch gerechtfertigt, dass wegen eines in § 1 genannten Grundes besondere Schutzvorschriften gelten.

Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein. Derartige unterschiedliche Behandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:

1.
die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlohnung und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Beschäftigten und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen,
2.
die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile,
3.
die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung auf Grund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder auf Grund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand,
4.
die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen,
5.
eine Vereinbarung, die die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der oder die Beschäftigte eine Rente wegen Alters beantragen kann; § 41 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch bleibt unberührt,
6.
Differenzierungen von Leistungen in Sozialplänen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes, wenn die Parteien eine nach Alter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung geschaffen haben, in der die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigt worden sind, oder Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplans ausgeschlossen haben, die wirtschaftlich abgesichert sind, weil sie, gegebenenfalls nach Bezug von Arbeitslosengeld, rentenberechtigt sind.

(1) Im ersten Rechtszug sind die Arbeitsgerichte zuständig, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

(2) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet die Berufung an die Landesarbeitsgerichte nach Maßgabe des § 64 Abs. 1 statt.

(3) Gegen die Urteile der Landesarbeitsgerichte findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht nach Maßgabe des § 72 Abs. 1 statt.

(4) Gegen die Beschlüsse der Arbeitsgerichte und ihrer Vorsitzenden im Beschlußverfahren findet die Beschwerde an das Landesarbeitsgericht nach Maßgabe des § 87 statt.

(5) Gegen die Beschlüsse der Landesarbeitsgerichte im Beschlußverfahren findet die Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht nach Maßgabe des § 92 statt.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Die Hauptsache wird, insoweit sie von dem Anfechtungsgrunde betroffen ist, von neuem verhandelt.

(2) Das Gericht kann anordnen, dass die Verhandlung und Entscheidung über Grund und Zulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens vor der Verhandlung über die Hauptsache erfolge. In diesem Fall ist die Verhandlung über die Hauptsache als Fortsetzung der Verhandlung über Grund und Zulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens anzusehen.

(3) Das für die Klagen zuständige Revisionsgericht hat die Verhandlung über Grund und Zulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens zu erledigen, auch wenn diese Erledigung von der Feststellung und Würdigung bestrittener Tatsachen abhängig ist.

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. März 2010 - 20 Sa 2058/09 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Eberswalde vom 8. Juli 2009 - 3 Ca 140/09 - wird zurückgewiesen und der Tenor dieses Urteils zur Klarstellung neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass der Klägerin für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein weiterer Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht.

3. Der Beklagte hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin in den Jahren 2008 und 2009 Anspruch auf jeweils 29 oder 30 Urlaubstage hatte.

2

Die am 27. Oktober 1971 geborene Klägerin ist seit dem 1. September 1988 bei dem beklagten Landkreis als Angestellte mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden in der Fünftagewoche beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13. September 2005 in der Fassung des Änderungstarifvertrags Nr. 2 vom 31. März 2008 (TVöD) Anwendung. Dieser bestimmt ua.:

        

§ 26 

        

Erholungsurlaub

        

(1)     

Beschäftigte haben in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts (§ 21). Bei Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf fünf Tage in der Kalenderwoche beträgt der Urlaubsanspruch in jedem Kalenderjahr

                 

bis zum vollendeten 30. Lebensjahr

26 Arbeitstage,

                 

bis zum vollendeten 40. Lebensjahr

29 Arbeitstage und

                 

nach dem vollendeten 40. Lebensjahr

30 Arbeitstage.

                 

Maßgebend für die Berechnung der Urlaubsdauer ist das Lebensjahr, das im Laufe des Kalenderjahres vollendet wird. Bei einer anderen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit als auf fünf Tage in der Woche erhöht oder vermindert sich der Urlaubsanspruch entsprechend. Verbleibt bei der Berechnung des Urlaubs ein Bruchteil, der mindestens einen halben Urlaubstag ergibt, wird er auf einen vollen Urlaubstag aufgerundet; Bruchteile von weniger als einem halben Urlaubstag bleiben unberücksichtigt. Der Erholungsurlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und kann auch in Teilen genommen werden.

        

…       

        
        

§ 27   

        

Zusatzurlaub

        

(1)     

Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit nach § 7 Abs. 1 oder ständig Schichtarbeit nach § 7 Abs. 2 leisten und denen die Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 1 oder Abs. 6 Satz 1 zusteht, erhalten

                 

a)    

bei Wechselschichtarbeit für je zwei zusammenhängende Monate und

                 

b)    

bei Schichtarbeit für je vier zusammenhängende Monate

                 

einen Arbeitstag Zusatzurlaub.

        

(2)     

Im Falle nicht ständiger Wechselschicht- oder Schichtarbeit (z. B. ständige Vertreter) erhalten Beschäftigte des Bundes, denen die Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 2 oder Abs. 6 Satz 2 zusteht, einen Arbeitstag Zusatzurlaub für

                 

a)    

je drei Monate im Jahr, in denen sie überwiegend Wechselschichtarbeit geleistet haben, und

                 

b)    

je fünf Monate im Jahr, in denen sie überwiegend Schichtarbeit geleistet haben.

        

…       

                 
        

(4)     

Zusatzurlaub nach diesem Tarifvertrag und sonstigen Bestimmungen mit Ausnahme von § 125 SGB IX wird nur bis zu insgesamt sechs Arbeitstagen im Kalenderjahr gewährt. Erholungsurlaub und Zusatzurlaub (Gesamturlaub) dürfen im Kalenderjahr zusammen 35 Arbeitstage nicht überschreiten. Satz 2 ist für Zusatzurlaub nach den Absätzen 1 und 2 hierzu nicht anzuwenden. Bei Beschäftigten, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, gilt abweichend von Satz 2 eine Höchstgrenze von 36 Arbeitstagen; § 26 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

        

…“    

        
3

Mit Schreiben vom 5. November 2008 machte die Klägerin gegenüber dem Beklagten einen jährlichen Gesamturlaub in Höhe von 30 Tagen für das Jahr 2008 und die Zukunft nach dem TVöD geltend. Der Beklagte lehnte die Gewährung von 30 Urlaubstagen vor der Vollendung des 40. Lebensjahres der Klägerin unter Hinweis auf die Verbindlichkeit der Regelung des § 26 Abs. 1 TVöD mit Schreiben vom 28. November 2008 ab. Die Klägerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 11. Februar 2009 die vorliegende Klage erhoben.

4

Sie hat die Ansicht vertreten, sie habe auch vor der Vollendung ihres 40. Lebensjahres Anspruch auf jährlich 30 und nicht nur 29 Urlaubstage. Die an das Lebensalter anknüpfende Staffelung des tariflichen Urlaubsanspruchs sei eine Diskriminierung wegen des Alters. Die in der Tarifregelung enthaltene Ungleichbehandlung jüngerer Arbeitnehmer sei nicht durch § 10 AGG gerechtfertigt. Im Übrigen würden die gesundheitlichen Wirkungen zusätzlichen Urlaubs zur Vermeidung beispielsweise von Stresserscheinungen am Arbeitsplatz auch in der medizinischen Literatur kontrovers diskutiert.

5

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass ihr für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht.

6

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Diese sei bereits unzulässig, da das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO nötige Feststellungsinteresse fehle. Schließlich sei die Klage auch unbegründet. Die Altersstufenregelung des § 26 Abs. 1 TVöD sei durch einen sachlichen Grund nach § 10 AGG gerechtfertigt. Die Festlegung eines Mindestalters für die Gewährung von 30 Urlaubstagen pro Kalenderjahr stelle eine besondere Beschäftigungsbedingung zum Schutz älterer Beschäftigter bzw. eine Mindestanforderung an das Alter für einen mit der Beschäftigung verbundenen Vorteil dar, der zur Erreichung eines legitimen Ziels angemessen und erforderlich sei. Ältere Arbeitnehmer seien mit zunehmendem Alter aufgrund beruflicher Belastungen länger krank. Um diesen Umstand Rechnung zu tragen, hätten die Tarifvertragsparteien mit der Regelung in § 26 Abs. 1 TVöD auf das verstärkte Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer reagiert und deren Leistungsfähigkeit stärken wollen. Der Aspekt des Gesundheitsschutzes älterer Arbeitnehmer sei daher geeignet, die Ungleichbehandlung jüngerer Beschäftigter zu rechtfertigen. Schließlich würde auch eine Diskriminierung keine Angleichung „nach oben“ zur Folge haben.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die Wiederherstellung der stattgebenden Entscheidung des Arbeitsgerichts. Der Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

A. Die zulässige Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf die geltend gemachten Ersatzurlaubstage.

9

I. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Feststellungsklage zulässig ist. Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse daran, durch das Gericht feststellen zu lassen, ob ihr für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht ( § 256 Abs. 1 ZPO ). Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer den Umfang des ihm zustehenden Urlaubs gerichtlich festgestellt haben will, nicht entgegen (vgl. BAG 12. April 2011 - 9 AZR 80/10  - Rn. 13 bis 15, EzA BUrlG § 7 Nr. 123).

10

II. Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten für den ihr in den Jahren 2008 und 2009 jeweils verweigerten 30. Urlaubstag gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB Anspruch auf jeweils einen Tag Ersatzurlaub. Die Urlaubsstaffelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD verstößt gegen die §§ 1, 3 Abs. 1 AGG. Denn sie gewährt Beschäftigten, die das 30., aber noch nicht das 40. Lebensjahr vollendet haben, einen um einen Tag kürzeren Urlaub. Sie ist deshalb nach § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG iVm. § 134 BGB unwirksam. Dies hat zur Folge, dass die Klägerin auch vor der Vollendung ihres 40. Lebensjahres in jedem Kalenderjahr Anspruch auf 30 Urlaubstage hatte. Ihr steht für die Jahre 2008 und 2009 jeweils noch ein Tag Ersatzurlaub zu, weil der Beklagte ihr in diesen Jahren nur jeweils 29 Urlaubstage gewährte.

11

1. Nach § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD standen der am 27. Oktober 1971 geborenen Klägerin in den Jahren 2008 und 2009 jeweils 29 Urlaubstage zu. Erst nach dem vollendeten 40. Lebensjahr gewährt ihr diese Tarifregelung einen jährlichen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen. Diese an das Lebensalter anknüpfende Staffelung der Urlaubsdauer verstößt gegen das Verbot der Altersdiskriminierung in § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG. Sie ist als sachlich nicht nach den §§ 8, 10 AGG gerechtfertigte unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters gemäß § 7 Abs. 2 AGG iVm. § 134 BGB unwirksam. Zur Beseitigung dieser Diskriminierung ist eine Anpassung auf 30 Urlaubstage erforderlich.

12

2. Zutreffend haben die Vorinstanzen die Regelung in § 26 Abs. 1 TVöD am AGG gemessen. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG gelten die Diskriminierungsverbote der §§ 1, 7 AGG auch für die in kollektivrechtlichen Vereinbarungen geregelten Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen. Unter solchen Bedingungen sind alle Umstände zu verstehen, aufgrund derer und unter denen die Arbeitsleistung zu erbringen ist (vgl. BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 54, BAGE 132, 210). Zu den Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen gehört damit auch der Urlaub. Der Umstand, dass die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b TVöD bereits am 1. Januar 2006 und somit schon vor dem AGG vom 14. August 2006 in Kraft getreten ist, steht dem nicht entgegen. Die für die Jahre 2008 und 2009 geltend gemachte Benachteiligung durch § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD ist erst nach Inkrafttreten des AGG am 18. August 2006 eingetreten. Da § 33 Abs. 1 AGG insoweit keine Übergangsregelung enthält, findet dieses Gesetz auch dann Anwendung, wenn die Benachteiligung auf einem vor Inkrafttreten des AGG abgeschlossenen Tarifvertrag beruht. Es kommt allein auf den Zeitpunkt der Benachteiligungshandlung an (BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 33, BAGE 129, 72).

13

3. Die Urlaubsstaffelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD enthält eine auf dem Merkmal des Alters beruhende Ungleichbehandlung der Beschäftigten, die das 30. bzw. das 40. Lebensjahr nicht vollendet haben. Das ist eine unmittelbare Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer wegen des Alters iSv. § 3 Abs. 1 AGG.

14

a) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Beim Alter handelt es sich um einen in § 1 AGG genannten Grund, wobei unter Alter das Lebensalter zu verstehen ist. Dies folgt aus dem gesetzlichen Wortlaut und auch aus der Gesetzesbegründung ( BT-Drucks. 16/1780 S. 31; BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 49, BAGE 132, 210; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07  - Rn. 36, BAGE 129, 181). Der für eine unmittelbare Benachteiligung erforderliche Kausalzusammenhang ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere in § 1 AGG genannte Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 32; BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 50, aaO).

15

b) Diese Voraussetzung ist erfüllt. § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD sieht für Beschäftigte bei einer Fünftagewoche in jedem Kalenderjahr einen Urlaubsanspruch bis zum vollendeten 30. Lebensjahr in Höhe von 26 Arbeitstagen, bis zum vollendeten 40. Lebensjahr in Höhe von 29 Arbeitstagen und erst nach dem vollendeten 40. Lebensjahr in Höhe von 30 Arbeitstagen vor. Die Höhe des Urlaubsanspruchs nach § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD knüpft damit in allen Stufen unmittelbar an das Lebensalter der Beschäftigten an. Danach haben Beschäftigte wie die Klägerin, die zwar das 30. Lebensjahr, aber noch nicht das 40. Lebensjahr vollendet haben, in jedem Jahr nur Anspruch auf 29 statt auf 30 Urlaubstage. Sie werden ebenso wie die unter 30-Jährigen im Vergleich zu den Beschäftigten, die das 40. Lebensjahr vollendet haben, hinsichtlich der Höhe des Urlaubsanspruchs wegen ihres geringeren Alters ungünstiger behandelt.

16

4. Diese Ungleichbehandlung ist nicht gerechtfertigt.

17

a) Bei ihr handelt es sich nicht um eine nach § 8 AGG zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen. Die Urlaubsstaffel des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD knüpft nicht an die Art der auszuübenden Tätigkeit oder die Bedingungen ihrer Ausübung an. Sie stellt nicht auf die Art der auszuübenden Tätigkeit ab und beansprucht damit Geltung für alle dem TVöD unterfallenden Beschäftigten.

18

b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Ungleichbehandlung auch nicht nach § 10 AGG sachlich gerechtfertigt(so ebenfalls die herrschende Meinung in der Literatur, vgl. Linck/Schütz FS Leinemann, S. 181 f.; Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV Stand Januar 2012 E § 26 TVöD Rn. 22; AGG/Voigt 3. Aufl. § 10 Rn. 33; Meinel/Heyn/Herms AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 42b; Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 105; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdtle ZTR 2006, 622, 623 mwN; Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 478; vgl. ferner bereits zu § 48 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). § 10 Satz 1 AGG lässt eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters ungeachtet der Regelung des § 8 AGG zu, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Zudem müssen die Mittel zur Erreichung dieses Ziels nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist die an das Lebensalter anknüpfende Differenzierung in § 26 Abs. 1 TVöD nicht sachlich gerechtfertigt, weil sie einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung trägt und deren Gesundheit schützen will. Dabei kann dahinstehen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen das Ziel des Gesundheitsschutzes eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen würde. Die Tarifvorschrift verfolgt dieses Ziel schon nicht.

19

aa) Die Tarifvertragsparteien haben das mit der in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD geregelten Urlaubsstaffelung verfolgte Ziel nicht ausdrücklich genannt. Nennt eine Regelung oder Maßnahme kein Ziel, müssen zumindest aus dem Kontext abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter der Regelung oder der Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, um die Legitimität des Ziels sowie die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüfen zu können. Dabei können nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die sozialpolitischen Ziele als legitim angesehen werden, die im allgemeinen Interesse stehen. Derjenige, der eine Ungleichbehandlung vornimmt, muss den nationalen Gerichten in geeigneter Weise die Möglichkeit zur Prüfung einräumen, ob mit der Ungleichbehandlung ein Ziel angestrebt wird, das die Ungleichbehandlung unter Beachtung der Ziele der Richtlinie 2000/78/EG rechtfertigt (vgl. EuGH 5. März 2009 - C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 45 ff., Slg. 2009, I-1569; BAG 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08  - Rn. 36 ff., BAGE 131, 61). Denn das nationale Gericht hat zu prüfen, ob die Regelung oder Maßnahme ein rechtmäßiges Ziel iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgt. Gleiches gilt für die Frage, ob die Tarifvertragsparteien als Normgeber angesichts des vorhandenen Wertungsspielraums davon ausgehen durften, dass die gewählten Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich waren (vgl. EuGH 5. März 2009 -  C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 49 ff., aaO; vgl. auch BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 57, BAGE 132, 210).

20

bb) Die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD dient nicht dem Schutz älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. Diese gesetzliche Regelung konkretisiert das legitime Ziel, nämlich ua. die Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter, wobei dieser Schutz auch die Festlegung besonderer Arbeitsbedingungen einschließen kann. Aus einer tariflichen Urlaubsstaffelung, die - wie die in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD - den Beschäftigten bereits nach Vollendung des 30. Lebensjahres drei weitere Urlaubstage und dann nach Vollendung des 40. Lebensjahres letztmals einen zusätzlichen Urlaubstag gewährt, lässt sich nicht ableiten, dass die Tarifvertragsparteien einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollten und das Ziel verfolgten, den Schutz älterer Beschäftigter iSd. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG sicherzustellen. Wenn sich auch eine genaue Schwelle für die Zuordnung zu den älteren Arbeitnehmern weder dieser Regelung selbst noch Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG entnehmen lässt, so ist diese freilich an der Zielsetzung (vgl. zu dieser Däubler/Bertzbach/Brors 2. Aufl. § 10 Rn. 42) auszurichten. Einen arbeitsmarktpolitischen Zweck verfolgt zB § 417 Abs. 1 SGB III, wonach Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die das 50. Lebensjahr vollendet haben und ihre Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung beenden oder vermeiden, unter den in der Vorschrift genannten Voraussetzungen Anspruch auf Leistungen der Entgeltsicherung haben. Diese Regelung der Entgeltsicherung bezweckt, die Arbeitslosigkeit älterer Arbeitnehmer abzubauen und ihren Anteil an der erwerbstätigen Bevölkerung zu erhöhen (vgl. BT-Drucks. 17/1945 S. 17). Im Vergleich zu der in § 417 Abs. 1 SGB III genannten Altersgruppe setzt sich die durch die Urlaubsstaffel in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD begünstigte Beschäftigtengruppe, der ein Urlaubsanspruch von jährlich 30 Arbeitstagen eingeräumt wird, nicht ausnahmslos aus älteren Beschäftigten zusammen. Vielmehr gehören ihr alle Beschäftigten ab Vollendung des 40. Lebensjahres an. Der Senat hat bereits entschieden, dass ein Arbeitnehmer jedenfalls ab Vollendung des 31. Lebensjahres offensichtlich kein älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG ist(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 55, BAGE 132, 210).

21

cc) Ein legitimes Ziel iSd. § 10 AGG ergibt sich entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts auch nicht aus § 10 Satz 3 Nr. 2 AGG. Danach kann eine zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile einschließen. Diese Regelung bestimmt selbst kein legitimes Ziel, sondern beschreibt nur ein mögliches Mittel, mit der ein auf andere Weise zu legitimierendes Ziel gerechtfertigt werden kann (vgl. ErfK/Schlachter 12. Aufl. § 10 AGG Rn. 6), sofern es erforderlich und angemessen iSd. § 10 Satz 2 AGG ist.

22

dd) Die Tarifvertragsparteien verfolgen entgegen der Auffassung des Beklagten nicht das Ziel des Gesundheitsschutzes älterer Arbeitnehmer.

23

(1) Das mit der Urlaubsstaffelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD verfolgte Ziel lässt sich nicht mit ausreichender Deutlichkeit aus dem Wortlaut des § 26 TVöD entnehmen. § 26 TVöD normiert ausweislich seiner Überschrift den Erholungsurlaub. Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 TVöD haben Beschäftigte in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts. § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD legt die Dauer dieses Erholungsurlaubs fest. Der Begriff des Erholungsurlaubs wird dabei nicht näher definiert und ist dem BUrlG entlehnt, auf das § 26 Abs. 2 TVöD im Übrigen verweist. Der Erholungsurlaub nach dem BUrlG soll nach der Gesetzesbegründung dem sozialpolitischen Anliegen der Erhaltung und Wiederauffrischung der Arbeitskraft der Arbeitnehmer dienen (vgl. den schriftlichen Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit, BT-Drucks. IV/785; Begründung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Bundesurlaubsgesetzes, BT-Drucks. IV/207). Durch den Erholungsurlaub wird dem Arbeitnehmer die Möglichkeit gesichert, für eine bestimmte Dauer im Jahr, die ihm eingeräumte Freizeit zur selbstbestimmten Erholung zu nutzen (st. Rspr., vgl. BAG 20. Juni 2000 - 9 AZR 405/99 - zu II 2 b bb 1 der Gründe, BAGE 95, 104; 8. März 1984 - 6 AZR 600/82 - zu II 5 b der Gründe, BAGE 45, 184; ebenso st. Rspr. des EuGH zum Jahresurlaub nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG , EuGH 22. No-vember 2011 - C-214/10 - [KHS] Rn. 31, AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 6 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 7; 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06  - [Schultz-Hoff] Rn. 25, Slg. 2009, I-179). Wenn eine Tarifregelung die Urlaubsdauer nach dem Lebensalter staffelt, liegt die Annahme nahe, die Tarifvertragsparteien hätten einem mit zunehmendem Alter gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollen. Die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD rechtfertigt eine solche Annahme freilich nicht, sondern schließt sie aus.

24

(2) Das folgt bereits aus dem Inhalt der Regelung. Die Tarifvorschrift räumt den Beschäftigten schon ab dem 30. Lebensjahr drei weitere Urlaubstage ein. Dafür, dass die Tarifvertragsparteien von einem so deutlich gesteigertem Erholungsbedürfnis bereits nach der Vollendung des 30. Lebensjahres ausgegangen sind, fehlt jeder Anhaltspunkt. Gegen eine solche Annahme spricht auch, dass die Tarifvertragsparteien den Beschäftigten nach der Vollendung des 40. Lebensjahres letztmals nur einen weiteren Urlaubstag gewährt und davon abgesehen haben, ein gesteigertes Erholungsbedürfnis des Beschäftigten in der Zeit bis zum Erreichen des gesetzlich festgelegten Alters für den Bezug der Regelaltersrente (§ 33 Abs. 1 Buchst. a TVöD) zu berücksichtigen. Hätten die Tarifvertragsparteien ein gesteigertes Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter vor Augen gehabt, hätten sie nicht einem 30-Jährigen einen gegenüber einem 29-jährigen Beschäftigten um drei Tage längeren Urlaub gewährt, nach der Vollendung des 40. Lebensjahres des Beschäftigten eine wesentlich geringere Steigerung des Erholungsbedürfnisses angenommen und für die Zeit danach bis zum Erreichen des gesetzlich festgelegten Alters für den Bezug der Regelaltersrente ein zunehmendes Erholungsbedürfnis des Beschäftigten überhaupt nicht mehr berücksichtigt (vgl. Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 478). Auch das Schrifttum nimmt ganz überwiegend an, dass eine tarifliche Urlaubsstaffelung nicht schon auf die Vollendung des 30. bzw. des 40. Lebensjahres abstellen darf, wenn sie einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen will (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22; Tempelmann/Stenslik DStR 2011, 1183, 1186; Richter Benachteiligung wegen des Alters im Erwerbsleben S. 170; Meinel/Heyn/Herms § 10 Rn. 42b; AGG/Voigt § 10 Rn. 33; Hey AGG § 10 Rn. 28; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdle ZTR 2006, 622, 623; Linck/Schütz FS Leinemann S. 181 f.; Senne Auswirkungen des europäischen Verbots der Altersdiskriminierung auf das deutsche Arbeitsrecht S. 269; Bertelsmann ZESAR 2005, 242, 246). Selbst wenn die Erholungsbedürftigkeit von Arbeitnehmern mit zunehmendem Lebensalter steigen sollte (zweifelnd Däubler/Bertzbach/Brors § 10 Rn. 50; aA Waltermann NZA 2005, 1265, 1269), hätte es mit dem Schutz älterer Arbeitnehmer nichts zu tun, bereits mit dem 30. Lebensjahr eine erste Verlängerung des Urlaubsanspruchs um drei Tage und die zweite und zugleich letzte Verlängerung um einen weiteren Urlaubstag bereits mit Vollendung des 40. Lebensjahres vorzusehen (so auch Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22; Adomeit/Mohr § 10 Rn. 105; so bereits zu § 48 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). Es fehlt in beiden Stufen an dem erkennbaren Schutz Älterer. Die Verlängerung des Urlaubsanspruchs bereits mit dem vollendeten 30. Lebensjahr lässt sich kaum mit der Erhaltung der Leistungsfähigkeit Älterer begründen. Auch mit der Vollendung des 40. Lebensjahres hat ein Beschäftigter regelmäßig allenfalls die Mitte seines Erwerbsalters erreicht (vgl. auch Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). Hätten die Tarifvertragsparteien gemäß der Ansicht des Beklagten ein gesteigertes Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter berücksichtigen wollen, hätten sich die gewählten Altersgrenzen nicht an dem mit dem Alter zunehmenden Erholungsbedürfnis orientiert und wären willkürlich.

25

(3) Gerade dieser Umstand bestätigt, dass die Tarifvertragsparteien mit der Regelung in § 26 TVöD weder den Schutz der Gesundheit bezweckten noch einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollten. Hätten sie diese Ziele verfolgt, hätte es nahe gelegen, gerade für die älteren Beschäftigten, zB die Gruppe der über 50- oder über 60-jährigen Beschäftigten, die Dauer des Erholungsurlaubs zu verlängern. Bei dieser Personengruppe ist ein altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis eher nachvollziehbar. Ein solches Schutzbedürfnis für die über 50-Jährigen haben die Tarifvertragsparteien aber nur hinsichtlich der Beschränkung der Höchstdauer des Gesamturlaubs bei besonders belastenden Arbeiten (Schicht- und Wechselschicht) gesehen. Das folgt aus § 27 Abs. 4 Satz 4 TVöD. Danach erhöht sich ab diesem Lebensalter die maximal erreichbare Gesamturlaubsdauer von jährlich 35 auf 36 Arbeitstage.

26

(4) Die Tarifgeschichte bestätigt, dass die Tarifvertragsparteien mit der Urlaubsstaffel nicht einem mit dem Lebensalter steigenden Erholungsbedürfnis Rechnung tragen wollten. Bereits seit dem Inkrafttreten des BAT wurde die Urlaubsdauer an das Lebensalter geknüpft (§ 48 Abs. 1 BAT). Sie steigerte sich auch nach dem vollendeten 30. Lebensjahr und nach dem vollendeten 40. Lebensjahr. Innerhalb der Lebensaltersstufen verlängerte sich die Urlaubsdauer teilweise nach Vergütungsgruppen. Je höher der Angestellte eingruppiert war, je länger war sein Urlaubsanspruch. Dies zeigt, dass nicht der Erholungszweck maßgebend für die Urlaubsdauer sein sollte. Der Urlaub wurde vielmehr als Quasi-Gegenleistung für die Arbeitsleistung geregelt. Nur so lässt sich die normierte Abhängigkeit der Urlaubsdauer von der Vergütungsgruppe erklären. Es kann deshalb nicht angenommen werden, die Tarifvertragsparteien hätten bei Angestellten in höheren Vergütungsgruppen ein gesteigertes Erholungsbedürfnis ausgleichen wollen. Die Differenzierung resultiert vielmehr aus der überkommenen Auffassung, der Urlaub werde „verdient“.

27

5. Die Diskriminierung der Klägerin kann nur durch die Verpflichtung des Beklagten beseitigt werden, der Klägerin für die Jahre 2008 und 2009 jeweils einen Ersatzurlaubstag zu gewähren. Zwar folgt aus § 7 Abs. 2 AGG nur, dass die diskriminierende Regelung unwirksam ist. Auch wird vom Senat nicht verkannt, dass es sich bei § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD um ein Stufensystem handelt, sodass grundsätzlich keine Stufe als die von den Tarifvertragsparteien als „übliche“ Urlaubsdauer gewollte angesehen werden kann. Jedoch kann die Beseitigung der Diskriminierung vorliegend nur durch eine Anpassung „nach oben“ erfolgen.

28

a) Grundsätzlich ist es Aufgabe der Tarifvertragsparteien, eine benachteiligungsfreie Regelung zu treffen, wofür ihnen verschiedene Möglichkeiten zu Verfügung stehen. Doch scheidet eine Aussetzung des Rechtsstreits unter Fristsetzung zur Lückenschließung durch die Tarifvertragsparteien selbst von vornherein aus (aM Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 23). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind für den Fall, dass gesetzliche oder tarifvertragliche Regelungen eine mit der Richtlinie unvereinbare Diskriminierung vorsehen, die nationalen Gerichte gehalten, die Diskriminierung auf jede denkbare Weise und insbesondere dadurch auszuschließen, dass sie die Regelung für die nicht benachteiligte Gruppe auch auf die benachteiligte Gruppe anwenden, ohne die Beseitigung der Diskriminierung durch den Gesetzgeber, die Tarifvertragsparteien oder in anderer Weise abzuwarten (vgl. so bereits zur Richtlinie 76/207/EWG: EuGH 20. März 2003 - C-187/00 - [Kutz-Bauer] Rn. 75, Slg. 2003, I-2741). Auch nach Art. 9 Abs. 3 GG in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wäre eine Aussetzung grundsätzlich allenfalls zur Beseitigung einer Diskriminierung für die Zukunft geboten(vgl. BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 28, NZA 2012, 161). Vorliegend geht es jedoch um die Beseitigung einer Diskriminierung in der Vergangenheit.

29

b) Die Benachteiligung der Klägerin kann nicht auf andere Weise für die Jahre 2008 und 2009 ausgeschlossen werden. Ein Rückgriff auf den noch unterhalb der Eingangstufe des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD liegenden gesetzlichen Mindesturlaub gemäß den §§ 1, 3 BUrlG in Höhe von 20 Arbeitstagen bei einer Fünftagewoche ist hierzu nicht geeignet(aM Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 483; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand Februar 2012, § 26 Rn. 163.5). Der von den §§ 1, 7 AGG bzw. Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgte Zweck, Benachteiligungen zu verhindern oder zu beseitigen, würde nicht erreicht. Da diskriminierende Maßnahmen oder Vereinbarungen nicht hingenommen und ihre Fortwirkung nicht akzeptiert werden darf (vgl. ErfK/Schlachter § 7 AGG Rn. 5), ist auch nicht auf die Eingangsstufe des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD mit 26 Urlaubstagen abzustellen. Hätte die Klägerin nur Anspruch auf die erste Stufe der Urlaubsstaffel, fehlte es an einer Sanktion, die einen tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutz gewährt und abschreckende Wirkung hat (vgl. zu diesem Aspekt: BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 18 ff., NZA 2012, 161).

30

c) Hingegen ist eine Anpassung „nach oben“ zur Beseitigung einer Altersdiskriminierung im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gerechtfertigt, wenn auf andere Weise die Diskriminierung nicht behoben werden kann, weil der Arbeitgeber den Begünstigten für die Vergangenheit die Leistung nicht mehr entziehen kann (vgl. ausführlich: BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 20 ff., NZA 2012, 161). Dies ist vorliegend der Fall. Der den begünstigten Beschäftigten in den Jahren 2008 und 2009 gewährte Urlaub von jährlich 30 Arbeitstagen kann nicht rückwirkend auf 29 oder 26 Arbeitstage begrenzt werden. Die als Urlaub bereits gewährte Freizeit ist nicht kondizierbar.

31

d) Schließlich steht der Anpassung „nach oben“ auch nicht § 15 Abs. 3 AGG entgegen. Danach ist der Arbeitgeber bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fährlässig handelt. Diese Bestimmung bezieht sich allein auf die immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG(vgl. BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 38, NZA 2012, 161; ErfK/Schlachter § 15 AGG Rn. 13) und verhält sich nicht zur Beseitigung einer Diskriminierung durch eine den Diskriminierungsverboten genügende Regelung.

32

e) Der Beklagte kann auch keinen Vertrauensschutz in Anspruch nehmen. In den Jahren 2008 und 2009 galt bereits das am 18. August 2006 in Kraft getretene AGG. Dieses nimmt Dauerschuldverhältnisse und damit auch Arbeitsverhältnisse ebenso wenig wie Tarifverträge aus, die vor dem Inkrafttreten des AGG bereits abgeschlossen waren. Übergangsvorschriften oder Vertrauensschutzregelungen sind insoweit in § 33 AGG nicht vorgesehen. Gemäß § 1 AGG ist ua. Ziel dieses Gesetzes, Benachteiligungen aus Gründen des Alters nicht nur zu verhindern, sondern auch zu beseitigen. Die damit einhergehende unechte Rückwirkung ist zulässig. Der zeitliche Geltungsbereich wird je nach Lage der Verhältnisse im Einzelfall nur durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes beschränkt (vgl. so bereits zu § 81 Abs. 2 SGB IX aF: BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 38, BAGE 129, 72). Dies setzt jedoch in jedem Fall das Vorliegen eines schutzwürdigen Vertrauens voraus, das vorliegend nicht gegeben ist, selbst wenn man die Grundsätze zum Vertrauensschutz bei unechter Rückwirkung von Gesetzen anwendet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Grundsatz des Vertrauensschutzes nur dann verletzt, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (vgl. BVerfG 10. August 2006 - 2 BvR 563/05  - Rn. 14, BVerfGK 9, 28). Zum einen dient das AGG der Umsetzung von EU-Richtlinien zum Schutz vor Diskriminierung im Bereich Beschäftigung und Beruf und enthält insoweit insbesondere im Bereich der Altersdiskriminierung unionsrechtlich verankerte notwendige und bedeutende Regelungen. Zum anderen wäre ein Vertrauen in den Fortbestand der angewandten tarifvertraglichen Regelungen nicht schutzwürdig. Denn die Richtlinie 2000/78/EG wurde schon im Jahr 2000 erlassen und stellt in Art. 16 Buchst. b ausdrücklich klar, dass die Diskriminierungsverbote auch auf tarifvertragliche Bestimmungen Anwendung finden. Nach Art. 18 der Richtlinie 2000/78/EG war diese zudem spätestens zum 2. Dezember 2006 in nationales Recht umzusetzen. Der Beklagte musste ebenso wie die Tarifvertragsparteien damit rechnen, dass tarifvertragliche Regelungen auch am Verbot der Altersdiskriminierung gemessen werden. Deshalb konnte der Beklagte nicht darauf vertrauen, dass auch nach Inkrafttreten des AGG die Urlaubsstaffelregelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD zulässig war, zumal in der Gesetzesbegründung zum AGG die Anknüpfung an das bloße Lebensalter als Mindestgrenze für mit der Beschäftigung verbundener Vorteile nicht unkritisch gesehen wurde(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 36) und im Schrifttum nicht nur vereinzelt die Unwirksamkeit des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD wegen Verstoßes gegen das Verbot der Altersdiskriminierung angenommen wurde (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22 mwN; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdtle ZTR 2006, 622, 623 mwN; so bereits zu § 48 Abs. 1 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156).

33

6. Die Klägerin hat Anspruch auf Ersatzurlaub gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB. Die Resturlaubsansprüche für die Jahre 2008 und 2009 waren mangels Vorliegens eines Übertragungsgrundes nach § 26 Abs. 1 Satz 6 TVöD iVm. § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG zum 31. Dezember des jeweiligen Jahres verfallen. Diesen Untergang hat der Beklagte zu vertreten, weil er sich mit der Gewährung des Urlaubs in Verzug befand.

34

a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus Verzug gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB liegen vor. Die Klägerin hatte in den Jahren 2008 und 2009 Anspruch auf jeweils 30 Urlaubstage. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wandelt sich der Urlaubsanspruch in einen Schadensersatzanspruch um, der auf Gewährung von Ersatzurlaub als Naturalrestitution gerichtet ist, wenn der Arbeitgeber den rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt und der Urlaub aufgrund seiner Befristung verfällt ( BAG 11. April 2006 - 9 AZR 523/05  - Rn. 24, AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116).

35

b) Die Klägerin machte mit Schreiben vom 5. November 2008 unter der Überschrift „Geltendmachung von Urlaubsansprüchen“ Urlaub in Höhe von 30 Tagen nach dem TVöD geltend und bat zudem, den Urlaubsanspruch auch für die Zukunft entsprechend anzupassen. Dahingestellt bleiben kann, ob dies schon ein konkretes Verlangen beinhaltet hat, den Urlaub in den Jahren 2008 und 2009 zu gewähren. Nach der Rechtsprechung des Senats ist hierfür zumindest erforderlich, dass der Arbeitgeber nach den Grundsätzen des § 133 BGB davon ausgehen muss, der Arbeitnehmer wünsche ab einem bestimmten Zeitpunkt Erholungsurlaub(vgl. BAG 17. November 2009 - 9 AZR 745/08 - Rn. 45; 11. April 2006 -  9 AZR 523/05  - Rn. 28, AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116). Maßgebend ist, dass der Beklagte mit Schreiben vom 28. November 2008 erklärt hat, er lehne den Antrag auf Verlängerung des Urlaubs „auf 30 Tage vor Erreichen des 41. Lebensjahres“ ab, weil der Klägerin nach dem für ihn verbindlichen § 26 Abs. 1 TVöD derzeit nur 29 Urlaubstage zustünden. Aus objektiver Empfängersicht lag darin eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung des Beklagten als Schuldner des Urlaubsanspruchs, die gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine Mahnung der Klägerin entbehrlich machte(vgl. BAG 31. Januar 1991 - 8 AZR 462/89  - zu II der Gründe). Denn der Beklagte gab mit diesem Schreiben vor Ablauf des Urlaubsjahres 2008 klar zu erkennen, dass er nicht bereit sei, im laufenden Jahr mehr als 29 Tage Urlaub zu gewähren. Hinsichtlich des weiteren Urlaubstags für das Jahr 2009 folgt der Verzug des Beklagten zudem daraus, dass er jedenfalls mit dem Antrag auf Klageabweisung vom 24. April 2009 und somit vor Ablauf des Urlaubsjahres 2009 zu erkennen gegeben hat, den weiteren Urlaubstag auch im Jahr 2009 nicht gewähren zu wollen. Darin lag ebenso seine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung als Schuldner des Urlaubsanspruchs, die gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine Mahnung der Klägerin ebenfalls entbehrlich machte(vgl. BAG 17. Mai 2011 - 9 AZR 197/10 - Rn. 14, EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 138; 31. Januar 1991 - 8 AZR 462/89  - zu II der Gründe).

36

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

        

        

    Preuß    

        

    Neumann-Redlin    

        

        

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 7. September 2012 - 6 Sa 709/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe des jährlichen Urlaubsanspruchs.

2

Die Beklagte stellt Schuhe her. Die am 10. April 1960 geborene Klägerin ist bei ihr seit dem 1. Juli 1994 als Produktionsmitarbeiterin beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 13. November 2000 ist ua. vereinbart, dass der jährliche Urlaubsanspruch 34 Arbeitstage beträgt. Die Beklagte gewährt allen Arbeitnehmern, die das 58. Lebensjahr vollendet haben, 36 Arbeitstage Jahresurlaub, ohne dass individuelle Vereinbarungen über einen höheren Jahresurlaub vorliegen. Die übrigen Beschäftigten erhalten jährlich 34 Urlaubstage.

3

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Urlaubsregelung sei altersdiskriminierend. Die Behauptung, ältere Mitarbeiter benötigten im Produktionsbetrieb längere Erholungsphasen, sei durch die darlegungsbelastete Beklagte nicht dargetan. Das Bundesurlaubsgesetz stelle bezüglich der Dauer des Urlaubs weder auf die physische Belastung noch auf das Alter der Arbeitnehmer ab. Die Beklagte habe keinen Grund genannt, warum ein gesteigertes Erholungsbedürfnis ausgerechnet mit 58 Jahren eintrete. Zudem könne mit lediglich zwei zusätzlichen Urlaubstagen ein etwaiger höherer Erholungsbedarf nicht ausgeglichen werden. Bei einem stetig steigenden Erholungsbedarf müsste jedenfalls auch die Urlaubsdauer gestaffelt werden. Bei anderen Arbeitnehmergruppen sei ein erhöhter Erholungsbedarf nachvollziehbar. Diese würden jedoch nicht begünstigt. So seien jüngere Arbeitnehmer durch Familie und Beruf oftmals stärker beansprucht als ältere. Die Beklagte habe ihr zur Beseitigung der Diskriminierung jährlich zwei weitere Urlaubstage zu gewähren.

4

Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr 36 Arbeitstage Erholungsurlaub zu gewähren.

5

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, ihre Urlaubsregelung beinhalte keine Diskriminierung. Nach der Lebenserfahrung benötigten ältere Arbeitnehmer, die körperlich ermüdende und schwere Arbeiten verrichten, längere Erholungszeiten als jüngere. Zwei zusätzliche Urlaubstage seien angemessen.

6

Das Arbeitsgericht hat die Klage - soweit für die Revision von Bedeutung - abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Feststellungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, der Klägerin auch schon vor der Vollendung der 58. Lebensjahres insgesamt 36 Arbeitstage Erholungsurlaub pro Jahr zu gewähren.

8

I. Die Klage ist in der gebotenen Auslegung zulässig, insbesondere besteht das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.

9

1. Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer den Umfang des ihm zustehenden Urlaubs gerichtlich festgestellt wissen will, nicht entgegen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 9, BAGE 141, 73; 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - Rn. 13 ff., BAGE 137, 328).

10

2. Die am 10. April 1960 geborene Klägerin hat ein rechtlich anerkennenswertes Interesse daran, alsbald zu erfahren, ob ihr bereits vor der Vollendung ihres 58. Lebensjahres zwei weitere Urlaubstage pro Jahr zustehen. Ihr Antrag bezieht sich dem Wortlaut nach zwar auf den gesamten Jahresurlaub. Er kann jedoch so ausgelegt werden, dass er sich nur auf zwei weitere Urlaubstage im Kalenderjahr bezieht. Zwischen den Parteien besteht kein Streit, dass der Klägerin die vertraglich vereinbarten 34 Urlaubstage pro Jahr zustehen. Die Klägerin hat im Laufe des Verfahrens deutlich gemacht, dass der Antrag auf die Feststellung des Bestehens zweier zusätzlicher Urlaubstage gerichtet ist. Darüber hinaus hat das Landesarbeitsgericht den Klageantrag zutreffend so verstanden, dass er vergangene Urlaubsjahre nicht erfasst. Es handelt sich um einen gegenwartsbezogenen Feststellungsantrag, für dessen Entscheidung grundsätzlich auf die Sachlage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht abzustellen ist (vgl. BAG 15. Mai 2013 - 7 AZR 494/11 - Rn. 15 ff.).

11

II. Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen vor Vollendung ihres 58. Lebensjahres nicht gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 iVm. § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG zwei weitere Urlaubstage zu. Die Urlaubsregelung ist nicht gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam und führt somit bezüglich der Dauer des Urlaubs der Klägerin nicht zu einer „Anpassung nach oben“(siehe dazu BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 27 ff., BAGE 141, 73; vgl. aber auch BAG 14. Mai 2013 - 1 AZR 44/12 - Rn. 25, BAGE 145, 113).

12

1. Es liegt zwar eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor. Diese ist jedoch gemäß § 10 Satz 1, 2 und Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt.

13

a) Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Unter Alter iSd. § 1 AGG ist das Lebensalter zu verstehen. Dies folgt aus dem Wortlaut des Gesetzes und aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/1780 S. 31; BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 14, BAGE 141, 73; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 36, BAGE 129, 181). Eine unmittelbare Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 1 AGG gegeben, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Der für eine unmittelbare Benachteiligung erforderliche Kausalzusammenhang ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere in § 1 AGG genannte Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - aaO mwN).

14

b) Daran gemessen liegt eine unmittelbare Ungleichbehandlung wegen des Alters vor. Die Urlaubsregelung knüpft die Gewährung von zwei weiteren Urlaubstagen an die Vollendung des 58. Lebensjahres und damit unmittelbar an das Lebensalter der Beschäftigten. Arbeitnehmer, die diese Altersgrenze nicht erreicht haben, werden wegen ihres Alters ungünstiger behandelt.

15

c) Die Ungleichbehandlung ist jedoch gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt. Die Regelung bezweckt bei Berücksichtigung eines Gestaltungs- und Ermessensspielraums der Beklagten den in dieser Bestimmung genannten Schutz älterer Beschäftigter und ist geeignet, erforderlich und angemessen im Sinne von § 10 Satz 2 AGG.

16

aa) Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG konkretisiert ua. das legitime Ziel der Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter, wobei dieser Schutz auch die Festlegung besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließen kann (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73).

17

bb) § 10 AGG dient der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16) in das nationale Recht (BAG 18. März 2014 - 3 AZR 69/12 - Rn. 21). Der Gesetzgeber hat bei der Umsetzung den Text der Richtlinie nahezu wörtlich in das nationale Recht übernommen. Dessen Regelungen sind unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszulegen (vgl. BAG 14. März 2012 - 7 AZR 480/08 - Rn. 30).

18

cc) Dem Arbeitgeber steht bei freiwilligen zusätzlichen Leistungen - wozu auch die Gewährung von übergesetzlichem Mehrurlaub gehört - ein von den Gerichten zu respektierender Gestaltungs- und Ermessensspielraum zu (vgl. zu Leistungen der betrieblichen Altersversorgung: BAG 12. November 2013 - 3 AZR 356/12 - Rn. 28; 12. Februar 2013 - 3 AZR 100/11 - Rn. 31 mwN, BAGE 144, 231). Auch in der Rechtsprechung des EuGH ist anerkannt, dass die Mitgliedstaaten und gegebenenfalls die Sozialpartner auf nationaler Ebene beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts nicht nur bei der Entscheidung, welches konkrete Ziel von mehreren im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik sie verfolgen wollen, sondern auch bei der Festlegung der Maßnahmen zu seiner Erreichung über einen weiten Gestaltungsspielraum verfügen (EuGH 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Rn. 68, Slg. 2007, I-8531). Diese Erwägungen gelten nach dem EuGH auch für Ziele, die der Arbeitgeber mit einer vertraglichen Regelung verfolgt (vgl. EuGH 26. September 2013 - C-476/11 - [HK Danmark] Rn. 61).

19

dd) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Benachteiligung der Arbeitnehmer der Beklagten, die das 58. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, gerechtfertigt.

20

(1) Die Beklagte gewährt den Arbeitnehmern in ihrem Produktionsbetrieb nach der Vollendung des 58. Lebensjahres aufgrund ihres gesteigerten Erholungsbedürfnisses zwei weitere Urlaubstage im Kalenderjahr und bezweckt damit die Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. Da dieser Schutz die Festlegung besonderer Arbeitsbedingungen einschließt (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73), unterfallen ihm auch zusätzliche Urlaubstage.

21

(a) Das AGG definiert in § 10 Satz 3 Nr. 1 - ebenso wie Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG - nicht, wann ein Beschäftigter „älter“ im Sinne der Norm ist (vgl. zum herkömmlichen Verständnis: BAG 18. September 2014 - 6 AZR 636/13 - Rn. 44). Nach dem Sinn und Zweck des Benachteiligungsverbots reicht es ohne das Vorliegen anderer Differenzierungsgründe nicht aus, dass das Alter der begünstigten Arbeitnehmer höher ist als das Alter der nicht begünstigten. Dementsprechend hat der Senat angenommen, ein Arbeitnehmer sei nach der Vollendung seines 31. Lebensjahres offensichtlich noch kein älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 55, BAGE 132, 210). Aus dem systematischen Zusammenhang mit § 10 Satz 1 AGG und aus dem Regelungszweck folgt, dass die begünstigten Arbeitnehmer aufgrund ihres Alters der Förderung bei der beruflichen Eingliederung oder des Schutzes bedürfen müssen.

22

(aa) Der Senat ist in seiner Entscheidung vom 20. März 2012 nicht davon ausgegangen, dass mit zunehmenden Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steige. Er hat allerdings ab einem bestimmten Alter - konkret: bei über 50- oder über 60-jährigen Beschäftigten - ein altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis für „eher nachvollziehbar“ gehalten (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 24 f., BAGE 141, 73).

23

(bb) Das Landesarbeitsgericht hat in Übereinstimmung mit der überwiegenden Auffassung im Schrifttum als Erfahrungssatz angenommen, dass mit zunehmenden Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steigt (so auch Tempelmann/Stenslik DStR 2011, 1183, 1185 f.; Lingemann/Gotham NZA 2007, 663, 666; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 143 f.; Waltermann NZA 2005, 1265, 1269; Over Das Verbot der Altersdiskriminierung im Arbeitsrecht nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz S. 231; Küttner/Kania Personalbuch 2014 Diskriminierung Rn. 90; vgl. auch Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 - zu II 2 b cc (3) (a) der Gründe mwN). Diese Ansicht ist allerdings nicht unumstritten. So wird auf die Individualität der Alterungsprozesse und den fehlenden Nachweis von Altersklassen mit spezifischem Erholungsbedarf hingewiesen (Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 1 Rn. 822). Die Aufstellung eines generellen Erfahrungssatzes soll dem traditionellen Bild vom „alten Arbeitnehmer“ entsprechen (Däubler/Bertzbach/Brors 3. Aufl. § 10 Rn. 43). Auch wird hervorgehoben, dass der Gesetzgeber in § 3 BUrlG bezüglich der Dauer des Urlaubs nicht nach dem Lebensalter der Arbeitnehmer unterscheide und demnach nicht von einem unterschiedlichen Erholungsbedürfnis ausgehe(Bertelsmann in Rust/Falke AGG § 10 Rn. 93). Auch auf europäischer Ebene sehe Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG vier Wochen Urlaub einheitlich für alle Berufsgruppen altersunabhängig vor(v. Roetteken AGG Stand September 2014 § 10 Rn. 262). Verlangt wird zumindest die Darlegung eines empirischen Befunds zum steigenden Erholungsbedarf unter Beachtung der Tätigkeit bevorzugter Arbeitnehmer (Däubler/Bertzbach/Brors aaO; aA Kasprzyk Altersdiskriminierung im deutschen Arbeitsrecht S. 185).

24

(b) Erfahrungssätze sind Hilfsmittel. Die Feststellung von allgemein anerkannten Erfahrungssätzen ist als Tatfrage den Tatsachengerichten vorbehalten. Dabei ist es diesen nicht verwehrt, das Bestehen oder Nichtbestehen eines Erfahrungssatzes zu beurteilen, wenn sie dazu über ausreichende Sachkunde und Lebenserfahrung verfügen. Andernfalls haben sie sich der Hilfe eines Sachverständigen zu bedienen. Die Zuziehung eines Sachverständigen zur Unterstützung des Gerichts ist gemäß § 144 Abs. 1 ZPO durch die Tatsachengerichte stets nach pflichtgemäßen Ermessen zu prüfen(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 65 mwN, BAGE 132, 210; vgl. allg. zu Erfahrungssätzen: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 73. Aufl. Einf. § 284 Rn. 22).

25

(c) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Landesarbeitsgericht von der Zuziehung eines Sachverständigen abgesehen hat. Dieses durfte aufgrund der von ihm festgestellten körperlich anstrengenden Tätigkeiten im Produktionsbetrieb der Beklagten auch ohne Sachverständigengutachten annehmen, dass das Erholungsbedürfnis der dort beschäftigten Arbeitnehmer mit zunehmenden Alter steigt. Ob es einen tätigkeitsunabhängigen generellen Zusammenhang zwischen dem Erholungsbedarf und dem Alter gibt (so etwa Kamanabrou aaO), kann dahinstehen.

26

(aa) Die Annahme eines Erfahrungssatzes dahin gehend, dass bei körperlich belastenden Berufen das Erholungsbedürfnis im höheren Alter steigt, begegnet keinen Bedenken. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die physische Belastbarkeit mit zunehmendem Alter abnimmt (etwa BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 67 mwN, BAGE 132, 210; Bayerischer VGH 24. Oktober 2011 - 3 ZB 08.721 - zu II 1 b der Gründe). Dieser Erfahrungssatz betrifft auch den Wirkungszusammenhang von erreichtem Lebensalter und Krankheitsanfälligkeit (Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 - zu II 2 b cc (3) (a) der Gründe mwN). Alle bekannten privaten und öffentlichen Systeme der Kranken-, Renten- und Lebensversicherung beruhen auf dieser Erwartung (BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 54, BAGE 128, 238). Entgegen der Ansicht der Klägerin kommen auch nicht lediglich Studien älteren Datums - wie etwa die ILO-Empfehlung Nr. 162 vom 23. Juni 1980 oder der WHO Technical Report Series 835 „Aging and Working Capacity” (dt. Übersetzung: „Altern und Arbeit“ 1994) - zu diesem Ergebnis. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden bestätigt zB durch den „Fortschrittsreport ‚Altersgerechte Arbeitswelt“, Ausgabe 3 des Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Stand September 2013). Nach diesem hat sich zwar die körperliche Konstitution besonders für die Altersgruppe der 45- bis 64-Jährigen verbessert (Ziff. 3.1). Dennoch zeigt die Studie weiterhin ein Ansteigen der Anzahl der krankheitsbedingten Fehltage sowie eine Verschlechterung des Gesundheitszustands mit fortschreitendem Lebensalter (Ziff. 4.2, Tabelle 2). Insbesondere bei belastenden Berufen nimmt die Anzahl krankheitsbedingter Fehltage im Alter überproportional zu und der Gesundheitszustand verschlechtert sich überproportional (vgl. Ziff. 4.2). Auch bei einfachen Dienstleistungen und einfachen manuellen Berufen verschlechtert sich der „selbstberichtete Gesundheitszustand in der Altersgruppe 55 bis 64 Jahre im Vergleich zum Durchschnitt“ immer noch deutlich (Ziff. 3.4). Zumindest hinsichtlich dieser Berufe erscheint die Annahme eines größeren Erholungsbedarfs im erhöhten Alter als nicht fehlerhaft (ebenso Reinhard ArbRB 2012, 342, 343). Auch Gegner eines allgemeinen Erfahrungssatzes gestehen zu, dass bei gesundheitlich besonders belastenden Tätigkeiten ein gesteigerter Erholungsbedarf mit zunehmendem Alter angenommen werden kann (v. Roetteken aaO; Däubler/Bertzbach/Brors aaO; Löwisch/Rieble § 1 Rn. 823).

27

Soweit das Landesarbeitsgericht auf die teilweise geforderte Darlegung spezifischer empirischer Untersuchungen bezogen auf die Tätigkeiten im Produktionsbetrieb der Beklagten verzichtet hat, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Durchführung derartiger Untersuchungen wäre praktisch aufwändig und schwierig (weiter gehend Kasprzyk aaO: „unmöglich“). Eine übersteigerte Darlegungslast würde die Einführung freiwilliger Leistungen unzumutbar erschweren. Die Feststellungen durch das Landesarbeitsgericht, dass die Beschäftigten der Beklagten bei der Schuhfertigung körperlich ermüdende und teils schwere Arbeiten leisten, verstärkt durch einen besonderen, prämienbezogenen Zeit- und Qualitätsdruck im Sinne eines Teamakkords, genügt danach als Tatsachenbasis für die Bejahung des dargestellten Erfahrungssatzes.

28

(bb) Der Hinweis auf die fehlende Altersstaffelung in § 3 BUrlG und Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG hilft der Klägerin für die Frage der Legitimität des Zwecks nicht weiter. Die Vorschriften regeln nur die Dauer des Mindesturlaubs und damit das unterste Maß dessen, was nach deutschem und europäischem Urlaubsrecht unabhängig von individuellen Besonderheiten zur Erholung erforderlich ist. Spezifische Charakteristika - wie das Alter oder der physische oder psychische Gesundheitszustand - bleiben bei der Setzung eines einheitlichen Minimalstandards naturgemäß außer Betracht. Auf nationaler Ebene kommt hinzu, dass der Gesetzgeber durchaus gesehen hat, dass es altersabhängig einen unterschiedlichen Erholungsbedarf geben kann, wie etwa § 57 Abs. 2 SeeArbG und § 19 Abs. 2 JArbSchG zeigen(siehe dazu v. Roetteken § 10 Rn. 263).

29

(d) Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Sicherstellung des Schutzes ihrer Arbeitnehmer nach Vollendung des 58. Lebensjahres als Zweck der zwei weiteren Urlaubstage vorgeschoben hat.

30

(aa) Allerdings ist dieser Zweck nicht unmittelbar der - nicht schriftlich fixierten - Regelung zu entnehmen. Nennt eine Regelung oder Maßnahme kein Ziel, müssen zumindest aus dem Kontext abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter der Regelung oder der Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, um die Legitimität des Ziels sowie die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüfen zu können (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 19 mwN, BAGE 141, 73; vgl. zur Richtlinie 2000/78/EG: EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 39 mwN, Slg. 2011, I-6919).

31

(bb) Wenn eine Tarifregelung die Urlaubsdauer nach dem Lebensalter staffelt, liegt die Annahme nahe, die Tarifvertragsparteien hätten einem mit zunehmendem Alter gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 23, BAGE 141, 73). Diese Annahme darf freilich nicht durch die konkrete Wahl der Altersgrenze(n) widerlegt werden, wie dies bei § 26 TVöD aF, der zusätzliche Urlaubstage bereits ab dem 30. Lebensjahr vorsah, der Fall war (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 24 ff., aaO).

32

(cc) Es ist kein Grund ersichtlich, bei einer individualrechtlichen Regelung nicht ebenfalls grundsätzlich davon auszugehen, dass mit einer Altersgrenze für die Gewährung zusätzlichen Urlaubs einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer Rechnung getragen werden soll. Diese Annahme erscheint umso mehr gerechtfertigt, wenn sie wie hier mit der Anerkennung eines Erfahrungssatzes bezüglich des gesteigerten Erholungsbedarfs bei körperlich belastenden Berufen korreliert. Hinzu kommt, dass die ständige Übung der Beklagten inhaltlich einer einschlägigen tarifvertraglichen Regelung entspricht. So sah der persönlich, fachlich und räumlich einschlägige Manteltarifvertrag vom 23. April 1997, abgeschlossen zwischen dem Hauptverband der Deutschen Schuhindustrie e. V. und der Gewerkschaft Leder sowie der IG BCE, für gewerbliche Arbeitnehmer in § 17 Ziff. 4 Buchst. a ab dem 58. Lebensjahr ebenfalls zwei zusätzliche Urlaubstage vor. Diese Regelung war im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht nicht durch eine neue Bestimmung abgeändert.

33

(dd) Schließlich widerlegt die Altersgrenze von 58 Lebensjahren nicht den Zweck, mit zwei weiteren Urlaubstagen im Kalenderjahr dem gesteigerten Erholungsbedürfnis Rechnung zu tragen. Dabei kann dahinstehen, ab welchem Alter die Annahme, der zusätzliche Urlaub diene dem höheren Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG, nicht mehr ohne Weiteres aufrechterhalten bzw. als widerlegt erachtet werden kann. Der Senat hat in der Entscheidung vom 20. März 2012 gemäß dem Rechtsgedanken aus § 417 Abs. 1 SGB III eine Altersgrenze von 50 Lebensjahren für die Einordnung als älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG in Betracht gezogen(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73; vgl. zu einer solchen Altersgrenze für die Gewährung zusätzlicher Urlaubstage: Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 -). Das Landesarbeitsgericht hat ergänzend darauf verwiesen, dass Leitlinie 17 der Entscheidung des Rates vom 12. Juli 2005 über Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten (2005/600/EG) Arbeitskräfte ab Vollendung des 55. Lebensjahres als ältere Arbeitnehmer erachtet und die WHO-Studiengruppe „Altern und Arbeit“ aus arbeitsmedizinischer Sicht wegen auftretender Schwierigkeiten in Arbeit und Beruf eine Grenze ab dem 45. Lebensjahr angenommen hat (zu A II 15 b bb (3) (b) der Gründe). Das Berufungsgericht hat damit nachvollziehbar begründet, warum es davon ausgeht, dass die Urlaubsregelung einem legitimen Zweck iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG dient und es diesen Zweck nicht lediglich als von der Beklagten vorgeschoben erachtet.

34

(2) Die Regelung ist geeignet, den in § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG beschriebenen Zweck zu fördern. Insbesondere kann die Klägerin nicht mit dem Argument gehört werden, dass die Gewährung von lediglich zwei Urlaubstagen ungeeignet sei, einen altersbedingt erhöhten Erholungsbedarf auszugleichen. Die Geeignetheit ist nicht deshalb zu verneinen, weil ein gestiegener Erholungsbedarf unter Umständen nicht vollständig, sondern nur partiell ausgeglichen wird. Gerade angesichts des vom Arbeitgeber bei einer freiwilligen Leistung selbst gesetzten Dotierungsrahmens wäre die Beschränkung auf einen Teilausgleich nachvollziehbar und zulässig. Zudem haben auch die Tarifvertragsparteien angesichts der Tätigkeit eines Produktionsmitarbeiters in der Schuhbranche zwei Tage Urlaub für geeignet und ausreichend erachtet. Dass die Beklagte sich die von den Sozialpartnern ausgehandelte Regelung zu eigen macht und im Rahmen ihres Ermessensspielraums eine entsprechende Regelung trifft, ist unter dem Aspekt der Geeignetheit der Regelung nicht zu beanstanden.

35

(3) Die Regelung ist auch erforderlich und angemessen (§ 10 Satz 2 AGG). Mildere Mittel, die in gleicher Weise den Schutz älterer Arbeitnehmer verwirklichen könnten, sind nicht ersichtlich.

36

(a) Die Wahl einer anderen, niedrigeren Altersgrenze stellte kein gleich wirksames, milderes Mittel mit geringerem altersspezifischen Effekt dar. Es handelte sich vielmehr um eine andere Maßnahme mit einem erhöhtem Dotierungsrahmen.

37

(b) Eine niedrigere Altersgrenze verbunden mit nur einem weiteren Urlaubstag im Kalenderjahr müsste zwar nicht zwingend zu einer Erhöhung des Dotierungsrahmens führen. Allerdings hätten dann Arbeitnehmer nach Vollendung des 58. Lebensjahres nicht mehr Anspruch auf den zweiten weiteren Urlaubstag, den die Beklagte im Einklang mit dem einschlägigen Tarifvertrag angesichts des gesteigerten Erholungsbedarfs im höheren Alter in der Schuhproduktion für notwendig erachtet. Der Gestaltungs- und Ermessensspielraum der Beklagten lässt auch im Rahmen der Erforderlichkeit und Angemessenheit die von ihr angewandte Regelung zu. Die Interessen der Beteiligten werden hinreichend berücksichtigt. Es werden lediglich in Übereinstimmung mit dem Abwägungsergebnis der Tarifvertragsparteien die Interessen der über 58-Jährigen an einem zusätzlichen Urlaubstag höher gewichtet als die Interessen der übrigen Beschäftigten, schon im jüngeren Alter einen zusätzlichen Urlaubstag zu erhalten.

38

(c) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Beklagte nicht verpflichtet, zusätzliche Urlaubstage nur nach dem individuell ermittelten Erholungsbedarf unter Einbeziehung altersunabhängiger Belastungsfaktoren, wie der Pflege und Betreuung von Kindern, sowie unter Berücksichtigung des individuellen Alterungsprozesses zu gewähren. Zwar mag es zutreffen, dass es weitere Belastungsfaktoren gibt, die zu einem gesteigerten Erholungsbedarf führen können. Jedoch wäre eine solche individuelle Regelung in vielerlei Hinsicht praktisch nicht oder nur mit großen Schwierigkeiten handhabbar. Dies gilt nicht nur bezüglich der Gewichtung der einzelnen (persönlichen) Belastungsfaktoren untereinander, sondern vor allem auch für deren Ermittlung durch die Beklagte. Auch der Gerichtshof der Europäischen Union hat anerkannt, dass bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Regelung im Hinblick auf das Verbot der Altersdiskriminierung zu beachten ist, dass die fragliche Regelung in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht handhabbar bleiben müsse, und deshalb nicht generell verlangt werden könne, dass immer jeder Einzelfall individuell geprüft werde (EuGH 19. Juni 2014 - C-501/12 ua. - [Specht ua.] Rn. 78). Unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten darf der Arbeitgeber daher im Sinne einer typisierenden Betrachtung in Ausübung seines Gestaltungsspielraums auch einen Grund für ein gesteigertes Erholungsbedürfnis - wie etwa das Alter in belastenden Berufen - als Differenzierungskriterium heranziehen. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG enthält kein Gebot, die dort genannten typischerweise besonders schutzbedürftigen Personengruppen (Jugendliche, ältere Beschäftigte und Personen mit Fürsorgepflichten) hinsichtlich besonderer Arbeitsbedingungen gleich zu behandeln.

39

2. Aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz folgt ebenfalls kein Anspruch der Klägerin auf die begehrten zwei zusätzlichen Urlaubstage. Ist - wie hier - die unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmergruppen aus einem in § 1 AGG genannten Grund unter den im AGG normierten Voraussetzungen zulässig, ist auch der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt(ebenso bezüglich des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes: BAG 17. September 2013 - 3 AZR 686/11 - Rn. 25 mwN). Eine sachwidrige Ungleichbehandlung kommt angesichts der Rechtfertigung gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG nicht in Betracht.

40

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

        

        

    M. Lücke    

        

    Kranzusch    

                 

Tenor

Die Revisionen der Revisionsklägerinnen zu 2. bis 7. gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 3. Mai 2011 - 3 Sa 1432/10 - werden zurückgewiesen.

Die bis zur Rücknahme der Revision des Revisionsklägers zu 1. entstandenen Kosten des Revisionsverfahrens haben die Revisionskläger zu 1. bis 7. zu je einem Siebtel zu tragen, die danach entstandenen Kosten haben die Revisionsklägerinnen zu 2. bis 7. zu je einem Sechstel zu tragen.

Tatbestand

1

Nachdem der Revisionskläger zu 1. seine Revision zurückgenommen hat, machen im Revisionsverfahren nur die Revisionsklägerinnen zu 2. bis 7. (künftig: Klägerinnen) das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zum Beklagten geltend.

2

Der Beklagte ist Mitglied des Caritasverbandes. Auf seine Vertragsarbeitnehmer wendet er die Allgemeinen Arbeitsbedingungen der Caritas (künftig: AVR Caritas) an. Er beschäftigt über 400 Arbeitnehmer.

3

Zum 1. Februar 2005 gründete der Beklagte die C GmbH (künftig: C) in F. Er ist ihr einziger Gesellschafter. Einen wesentlichen Teil der Geschäftstätigkeit der C macht die Arbeitnehmerüberlassung aus. Sie erfolgt - nach dem Vortrag des Beklagten „bislang“ - nur an den Beklagten. Es werden keine Arbeitnehmer überlassen, die vorher für den Beklagten tätig waren. Neben der Arbeitnehmerüberlassung ist die C noch an zwei Standorten in N und M tätig. Dort betreibt sie mit eigenen Arbeitnehmern Anlagenpflege, Dienstleistungs- und Montagearbeiten sowie eine Gaststätte. Zum 10. März 2010 beschäftigte die C 235 Mitarbeiter auf insgesamt umgerechnet 143,5 Vollzeitstellen. Bei ihr besteht ein Betriebsrat. Sie ist im Besitz einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis. Die C wendet die tarifvertraglichen Bestimmungen an, die zwischen dem Bundesverband Zeitarbeit und der DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit abgeschlossen wurden. Sie sind in der Regel für die Arbeitnehmer ungünstiger als die AVR Caritas.

4

Zu den von der C an den Beklagten überlassenen Arbeitnehmern gehören auch die Klägerinnen. Ihre Arbeitsverhältnisse wurden zunächst befristet abgeschlossen, jedoch später entfristet. Das Arbeitsverhältnis der Revisionsklägerin zu 2. begann am 2. Januar 2006, das der Revisionsklägerin zu 3. am 1. August 2006, das der Revisionsklägerin zu 4. am 1. Juli 2006, das der Revisionsklägerin zu 5. am 1. Juli 2005, das der Revisionsklägerin zu 6. am 1. September 2006 und das der Revisionsklägerin zu 7. am 1. August 2007.

5

Die Klägerinnen haben die Ansicht vertreten, zwischen ihnen und dem Beklagten sei ein Arbeitsverhältnis entstanden. Der Beklagte habe die C letztlich nur als „Strohmann“ eingesetzt. Deshalb sei unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs bzw. unter entsprechender Anwendung von § 10 AÜG ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zustande gekommen.

6

Vor dem Arbeitsgericht haben die Klägerinnen in ihren Klageschriften als Antrag zu 1. den Antrag angekündigt, festzustellen, dass zwischen ihnen und dem Beklagten seit dem jeweils genannten Zeitpunkt des mit der C geschlossenen Arbeitsvertrags ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht. Nach dem Sitzungsprotokoll haben die klagenden Parteien vor dem Arbeitsgericht im Kammertermin jeweils den Antrag zu 1. aus den Klageschriften gestellt. Im Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils sind die Anträge ohne die Daten des Beginns des Arbeitsverhältnisses wiedergegeben. Das Arbeitsgericht hat die Klagen abgewiesen.

7

Im Berufungsverfahren haben die Klägerinnen - in der Sache - zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass zwischen den Klägerinnen einerseits und dem Beklagten andererseits ein Arbeitsverhältnis besteht.

8

Der Beklagte hat beantragt, die Klagen abzuweisen.

9

Er hat behauptet, die C sei nicht nur Zahlstelle, sondern verwalte die Arbeitsverhältnisse tatsächlich. Sie verfüge auch über eine entsprechende betriebliche Organisation. Ein Fall des Rechtsmissbrauchs liege nicht vor.

10

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufungen der Klägerinnen nach mündlicher Verhandlung am 3. Mai 2011 zurückgewiesen.

11

Mit ihrer Revision verfolgen die Klägerinnen den vor dem Landesarbeitsgericht gestellten Antrag weiter.

12

Während des Revisionsverfahrens hat der Beklagte mit den Klägerinnen zu verschiedenen Zeitpunkten, jedoch jeweils zu Ende Oktober 2011 einen Arbeitsvertrag geschlossen. Die Klägerinnen machen geltend, dass sich hierdurch ihre Anträge nicht erledigt haben. Diese seien dahin zu verstehen, dass das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses bereits ab Abschluss des Arbeitsvertrags festgestellt werden solle. Daran bestehe schon deshalb ein rechtliches Interesse, da ihnen in diesem Fall Vergütungsdifferenzen für die Vergangenheit zustünden. Der Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufungen der Klägerinnen zu Recht zurückgewiesen. Streitgegenstand des Urteils des Landesarbeitsgerichts und Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Frage, ob zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht, also am 3. Mai 2011, zwischen den Klägerinnen und dem Beklagten ein Arbeitsverhältnis bestand. Für diesen Antrag besteht weiterhin ein rechtliches Interesse. Er ist unbegründet.

14

A. Gegenstand des Berufungs- und des Revisionsverfahrens ist nicht, ob schon mit dem Abschluss der Arbeitsverträge zwischen den Klägerinnen und der C ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien entstanden ist, sondern lediglich, ob ein solches zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 3. Mai 2011 bestand. Für den so ausgelegten Antrag besteht weiterhin ein Feststellungsinteresse.

15

I. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Streitgegenstand, wie er der Entscheidung des Berufungsgerichts zugrunde lag. Streitgegenstand im Berufungsverfahren war allein der Antrag auf Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses, den das Landesarbeitsgericht bezogen auf die letzte mündliche Verhandlung im Berufungsverfahren zu entscheiden hatte und entschied. Dass die Klägerinnen im Berufungsverfahren keinen auf die Vergangenheit bezogenen Antrag gestellt haben, ergibt die Auslegung ihres Antrages.

16

1. Für die Auslegung von Prozesserklärungen - und damit auch der Antragstellung - sind die für Willenserklärungen des bürgerlichen Rechts entwickelten Grundsätze heranzuziehen. Daher ist analog § 133 BGB nicht am buchstäblichen Sinn des in der Prozesserklärung gewählten Ausdrucks zu haften, sondern der in der Erklärung verkörperte Wille anhand der erkennbaren Umstände - gegebenenfalls in einer Gesamtbetrachtung mehrerer gleichzeitiger Erklärungen - zu ermitteln. Die Prozesspartei darf nicht am buchstäblichen Sinn ihrer Wortwahl festgehalten werden. Vielmehr sind Prozesserklärungen im Zweifel so auszulegen, dass dasjenige gewollt ist, was aus der Sicht der Prozessparteien nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht. Daneben sind aber auch die schutzwürdigen Belange des Erklärungsadressaten zu berücksichtigen. Das verbietet es, eindeutigen Erklärungen nachträglich einen Sinn zu geben, der dem Interesse des Erklärenden am Besten dient (vgl. zum Ganzen: BAG 22. Dezember 2009 - 3 AZN 753/09 - Rn. 12, BAGE 133, 28). Daher kann es geboten sein, rechtskundige Prozessvertreter auch am Wortlaut ihrer Erklärungen festzuhalten (vgl. BAG 21. Februar 2013 - 6 AZR 524/11 - Rn. 36 mwN). Das Revisionsgericht ist befugt, prozessuale Willenserklärungen selbständig auszulegen (vgl. BAG 22. Dezember 2009 - 3 AZN 753/09 - Rn. 11 f., aaO).

17

2. Dass die Klägerinnen im Berufungsverfahren - entsprechend dem Wortlaut des gestellten Antrages - keinen auf den Zeitpunkt des Abschlusses ihrer Arbeitsverträge mit der C abstellenden, vergangenheitsbezogenen, sondern ausschließlich einen gegenwartsbezogenen Feststellungsantrag gestellt - und damit der Sache nach nur beschränkt Berufung eingelegt - haben, ergibt schon ein Vergleich zu ihrem erstinstanzlich gestellten Antrag. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht wurde der jeweilige Antrag zu 1. der Klageschrift gestellt. Dort sind die entsprechenden Daten der Arbeitsverträge mit der C ausdrücklich genannt. Dass der Antrag im Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils abweichend wiedergegeben ist, ist unschädlich. Bei Widersprüchen zwischen Tatbestand und Protokoll geht das Protokoll vor (§ 314 ZPO). Diesen ausdrücklich gestellten Klageantrag haben die Klägerinnen aber nicht mehr zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gemacht. Zwar mag es im Interesse der Klägerinnen gelegen haben, auch den genauen Beginn ihres Arbeitsverhältnisses feststellen zu lassen. Das führt aber vorliegend nicht zwingend zu einem entsprechenden Verständnis des Antrages. Vielmehr ging dieser ersichtlich in erster Linie dahin, das gegenwärtige Bestehen eines Arbeitsverhältnisses mit dem Beklagten feststellen zu lassen. Das gebietet es - auch vor dem Hintergrund des berechtigten Interesses des Beklagten -, den in der Berufungsinstanz von rechtskundigen Prozessvertretern gestellten Antrag entsprechend seinem Wortlaut zu verstehen. Dementsprechend hat auch das Landesarbeitsgericht den Antrag ersichtlich, ohne dies allerdings näher auszuführen, zu Recht ausschließlich als gegenwartsbezogenen Antrag erachtet.

18

II. Der Antrag ist zulässig. Insbesondere haben die Klägerinnen weiterhin ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung. Dem steht nicht entgegen, dass sie sämtlich während des Revisionsverfahrens einen Arbeitsvertrag mit dem Beklagten geschlossen haben.

19

1. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn die klagende Partei ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Das besondere Feststellungsinteresse ist eine in jedem Stadium des Rechtsstreits von Amts wegen zu prüfende Sachurteilsvoraussetzung. Es muss noch in der Revisionsinstanz gegeben sein (BAG 22. Februar 2012 - 4 AZR 579/10 - Rn. 16 mwN). Ein derartiges Interesse besteht grundsätzlich, wenn im Zusammenhang mit Arbeitnehmerüberlassung der Leiharbeitnehmer - wie hier - geltend machen will, es sei zum Entleiher ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen. Diese Feststellungsklage muss grundsätzlich den gegenwärtigen Stand des Rechtsverhältnisses betreffen. Es kann ausnahmsweise auch auf eine Feststellung für die Vergangenheit angetragen werden, wenn sich aus der begehrten Feststellung noch Rechtsfolgen für die Gegenwart oder Zukunft ergeben können (vgl. BAG 10. Oktober 2007 - 7 AZR 448/06 - Rn. 21 mwN).

20

2. Durch die Revision der Klägerinnen ist dem Senat der vom Landesarbeitsgericht beschiedene Streitgegenstand angefallen. Dieser besteht in der - zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht, also am 3. Mai 2011, gegenwartsbezogenen - Frage, ob zu diesem Zeitpunkt ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestand. Im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats lag damit ein auf die Vergangenheit, nämlich den 3. Mai 2011 bezogener Klageantrag vor. Trotz des Vergangenheitsbezugs haben die Klägerinnen an der begehrten Feststellung weiterhin ein berechtigtes Interesse, da sich aus ihr noch Rechtsfolgen für die Gegenwart und Zukunft, insbesondere auch für mögliche Ansprüche der Klägerinnen auf Vergütungsdifferenzen ergeben können. Das Feststellungsinteresse ist auch nicht deshalb entfallen, weil die Parteien während des Revisionsverfahrens einen Arbeitsvertrag geschlossen haben. Zum einen ist damit das Bestehen von Ansprüchen der Klägerinnen für die Zeit vor dem Abschluss der Arbeitsverträge mit dem Beklagten nicht geklärt. Zum anderen können auch Ansprüche aus den nunmehr vertraglich zwischen den Parteien begründeten Arbeitsverhältnissen von der Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses und damit von dessen vorhergehendem Bestehen abhängen (vgl. dazu BAG 18. Februar 2003 - 3 AZR 160/02 - zu A II der Gründe, BAGE 105, 59).

21

B. Die Klage ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass zwischen den Parteien bis zum 3. Mai 2011 kein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist. Die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien folgt weder aus § 1 Abs. 2 AÜG noch aus der unmittelbaren oder entsprechenden Anwendung von § 10 Abs. 1 AÜG. Auch unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) gilt nichts anderes.

22

I. Zwischen den Parteien ist kein Arbeitsverhältnis aufgrund § 1 Abs. 2 AÜG(idF der Bekanntmachung vom 3. Februar 1995, BGBl. I S. 158, seinerzeit zuletzt geändert durch die am 30. April 2011 in Kraft getretenen Regelungen des Ersten Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes - Verhinderung von Missbrauch der Arbeitnehmerüberlassung vom 28. April 2011, BGBl. I S. 642, im Folgenden: Missbrauchsverhinderungsgesetz) zustande gekommen. Nach dieser Regelung, die zum hier maßgeblichen Zeitpunkt, also am 3. Mai 2011, anwendbar war, wird vermutet, dass der Überlassende Arbeitsvermittlung betreibt, wenn er Arbeitnehmer Dritten zur Arbeitsleistung überlässt und nicht die üblichen Arbeitgeberpflichten oder das Arbeitgeberrisiko, einschließlich der Anwendung des „equal-pay“-Grundsatzes (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 AÜG) übernimmt. Selbst dann, wenn nach dieser Vorschrift Arbeitsvermittlung vermutet wird, ist sie nicht geeignet, ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher zu begründen. Zwar enthielt § 13 AÜG früher eine Regelung, nach der in Fällen unzulässiger Arbeitsvermittlung „die arbeitsrechtlichen Ansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber dieses Arbeitsverhältnisses“ nicht durch Vereinbarung ausgeschlossen werden konnten. Dieser Vorschrift entnahm das Bundesarbeitsgericht, dass in einem solchen Falle ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher zustande komme. § 13 AÜG in dieser Fassung wurde jedoch durch Art. 63 Nr. 9 des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes vom 24. März 1997 (BGBl. I S. 594) mit Wirkung vom 1. April 1997 ersatzlos aufgehoben. Das hat zur Folge, dass eine nach dem AÜG vermutete Arbeitsvermittlung für sich genommen nicht mehr zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher führt (ausführlich BAG 28. Juni 2000 - 7 AZR 100/99 - BAGE 95, 165; ebenso 2. Juni 2010 - 7 AZR 946/08 - Rn. 31; aA Ulber AÜG 4. Aufl. Einl. D Rn. 45, 56 ff.).

23

II. Ein Arbeitsverhältnis ist auch weder in unmittelbarer noch in entsprechender Anwendung von § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG zustande gekommen. Das scheitert schon daran, dass ein gegen das AÜG verstoßendes Verhalten nicht vorliegt.

24

1. In dem im Streitfall maßgeblichen Zeitraum, also in der Zeit vor dem 3. Mai 2011, hatte der Gesetzgeber bewusst darauf verzichtet, im AÜG eine zeitliche Begrenzung für die Höchstdauer der Arbeitnehmerüberlassung vorzusehen. Das ergibt sich aus der Neukonzeption des Rechts der Arbeitnehmerüberlassung, die der Gesetzgeber mit dem Ersten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (vom 23. Dezember 2002, verkündet am 30. Dezember 2002, BGBl. I S. 4607, nach seinem Art. 14 im Wesentlichen in Kraft getreten am 1. Januar 2003 - im Folgenden: Erstes Dienstleistungsgesetz) vorgenommen hatte. Während das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz in der bis dahin geltenden Fassung (seinerzeit zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Juli 2002, BGBl. I S. 2787, berichtigt S. 3760) in § 3 Abs. 1 Nr. 6 noch eine Höchstüberlassungsdauer von 24 aufeinander folgenden Monaten vorsah, wurde diese Bestimmung durch Art. 6 Nr. 3 Buchst. b des Ersten Dienstleistungsgesetzes aufgehoben. Das war Teil eines Gesamtkonzeptes, mit dem der Gesetzgeber einerseits durch die Einführung eines - tarifdispositiven - grundsätzlichen Gebots der Gleichbehandlung von entliehenen Arbeitnehmern mit der Stammbelegschaft den Schutz der Leiharbeitnehmer erhöhte, andererseits aber die Arbeitnehmerüberlassung „folgerichtig von all denjenigen Regelungen“ befreite, „die bisher als Schutzmaßnahmen notwendig waren, weil Leiharbeit aufgrund des Zusammentreffens hoher Flexibilitätsanforderungen mit relativ geringen Entgelten vielfach als prekär angesehen werden musste“ (BT-Drucks. 15/25 S. 24). Zu diesen Regelungen rechnete er auch die Beschränkung der Überlassungsdauer (aaO S. 39). Damit war klar, dass künftig eine unbeschränkte Überlassung von Arbeitnehmern zulässig sein sollte. Zwar hat der Gesetzgeber durch Art. 1 Nr. 2 Buchst. a bb) des Missbrauchsverhinderungsgesetzes als § 1 Abs. 1 Satz 2 in das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz eine Regelung eingefügt, wonach die Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher „vorübergehend“ erfolgt. Diese Bestimmung trat nach Art. 2 des Missbrauchsverhinderungsgesetzes jedoch erst am 1. Dezember 2011 und damit nach dem hier maßgeblichen Zeitraum in Kraft.

25

2. Die Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit (ABl. EU L 327 vom 5. Dezember 2008 S. 9 ff. - künftig: Leiharbeitsrichtlinie) gebietet kein anderes Ergebnis. Allerdings geht diese Richtlinie in Art. 1 Abs. 1 sowie Art. 3 Abs. 1 Buchst. b, c, d und e davon aus, dass Leiharbeitnehmer dem entleihenden Unternehmen überlassen werden, um dort „vorübergehend“ zu arbeiten. Den Mitgliedstaaten wurde in Art. 11 Abs. 1 Satz 1 der Leiharbeitsrichtlinie jedoch eine Umsetzungsfrist bis zum 5. Dezember 2011 gelassen. Diese Frist war bis zum Ende des hier maßgeblichen Zeitraums noch nicht abgelaufen. Die gesetzlichen Regeln, wonach eine unbefristete Überlassung möglich war, waren daher bis dahin ohne Weiteres unionsrechtskonform.

26

III. Entgegen der Auffassung der Klägerinnen ist auch unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs zwischen den Parteien bis zum 3. Mai 2011 kein Arbeitsverhältnis zustande gekommen.

27

1. Der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) als Gebot der Redlichkeit und allgemeine Schranke der Rechtsausübung beschränkt sowohl subjektive Rechte als auch Rechtsinstitute und Normen. Rechtsmissbrauch setzt voraus, dass ein Vertragspartner eine an sich rechtlich mögliche Gestaltung in einer mit Treu und Glauben unvereinbaren Weise nur dazu verwendet, sich zum Nachteil des anderen Vertragspartners Vorteile zu verschaffen, die nach dem Zweck der Norm und des Rechtsinstituts nicht vorgesehen sind. Beim institutionellen Missbrauch ergibt sich der Vorwurf bereits aus dem Sinn und Zweck des Rechtsinstituts. Die institutionelle Rechtsmissbrauchskontrolle verlangt daher weder ein subjektives Element noch eine Umgehungsabsicht (vgl. BAG 18. Juli 2012 - 7 AZR 443/09 - Rn. 38). Die Annahme eines institutionellen Rechtsmissbrauchs bedarf jedoch des Rückbezugs auf die Gestaltungsmöglichkeiten, die das Recht den Vertragsparteien einräumt. Vertragsgestaltungen können nur dann als rechtsmissbräuchlich angesehen werden, wenn sie gravierend von den Gestaltungsmöglichkeiten abweichen, die nach der Konzeption des Gesetzes noch gebilligt sind (vgl. hierzu auch BAG 18. Juli 2012 - 7 AZR 443/09 - Rn. 41).

28

2. Hiernach liegt im Streitfall selbst dann kein Fall des institutionellen Rechtsmissbrauchs vor, wenn der Einsatz der Klägerinnen beim Beklagten in einer mehr als vorübergehenden Überlassung bestanden haben sollte.

29

a) Ein Missbrauch der Gestaltungsmöglichkeiten des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes liegt nicht vor.

30

aa) Nach der im hier maßgeblichen Zeitraum vor dem 3. Mai 2011 noch geltenden Rechtslage war auch eine zeitlich unbegrenzte Arbeitnehmerüberlassung kraft gesetzlicher Konzeption zulässig (oben Rn. 24 f.).

31

bb) Jedenfalls vor Ablauf der Umsetzungsfrist der Leiharbeitsrichtlinie besteht auch keine Pflicht der nationalen Gerichte, die gesetzgeberische Entscheidung über die Zulässigkeit einer zeitlich nicht begrenzten Arbeitnehmerüberlassung unter dem Gesichtspunkt des institutionellen Rechtsmissbrauchs zu korrigieren. Auf eine „Vorwirkung“ der Leiharbeitsrichtlinie können sich die Klägerinnen nicht stützen. Zwar sind auch die nationalen Gerichte im Rahmen ihrer Zuständigkeit an die in Art. 288 Abs. 3 AEUV enthaltene Umsetzungspflicht gebunden, nach der Richtlinien hinsichtlich des Ziels für die Mitgliedstaaten verbindlich sind, ihnen jedoch die Wahl der dazu erforderlichen Mittel überlassen wird(vgl. EuGH 17. September 1997 - C-54/96 - [Dorsch Consult] Rn. 43, Slg. 1997, I-4961). Eine Verpflichtung zur Umsetzung einer Richtlinie besteht jedoch lediglich im Rahmen der Richtlinie und damit auch der dort vorgesehenen Umsetzungsfrist (vgl. BAG 2. April 1996 - 1 ABR 47/95 - zu B II 2 b bb (2) der Gründe, BAGE 82, 349). Die Mitgliedstaaten und ihre Gerichte sind lediglich gehindert, Maßnahmen zu treffen, die geeignet sind, das in der Richtlinie vorgegebene Ziel ernsthaft in Frage zu stellen (vgl. EuGH 18. Dezember 1997 - C-129/96 - [Inter-Environnement Wallonie] Rn. 45, Slg. 1997, I-7411).

32

b) Auch unter dem Gesichtspunkt der Umgehung sonstiger Schutzvorschriften liegt hier kein Fall des institutionellen Rechtsmissbrauchs vor, der das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Klägerinnen und dem Beklagten gebieten würde.

33

aa) Sollen durch eine vertragliche Gestaltung zwingende soziale Schutzrechte umgangen werden, bleiben die daraus bestehenden Ansprüche bestehen. Die Gestaltung ist insoweit nichtig, als sie diese Ansprüche vereitelt (vgl. BGH 23. Juni 1971 - VIII ZR 166/70 - zu III der Gründe, BGHZ 56, 285). Ein Rechtsmissbrauch kann sich auch aus dem bewussten und gewollten Zusammenwirken mehrerer Personen bei den Vertragsgestaltungen ergeben (vgl. BAG 9. März 2011 - 7 AZR 657/09 - Rn. 21; 18. Juli 2012 - 7 AZR 443/09 - Rn. 39). Das kann auch dazu führen, dass sich Rechte, die durch Zwischenschaltung eines „Strohmanns“ umgangen werden sollen, gegen einen Dritten richten können (vgl. BGH 22. November 2006 - VIII ZR 72/06 - Rn. 15 ff., BGHZ 170, 67). Sollen im bewussten und gewollten Zusammenwirken arbeitsrechtliche Schutzvorschriften umgangen werden, kann dies zur Folge haben, dass sich eine hieran beteiligte Person so behandeln lassen muss, wie sie bei Anwendung der umgangenen Vorschrift zu behandeln wäre (vgl. dazu BAG 20. Juli 1982 - 3 AZR 446/80 - zu 3 b und d der Gründe, BAGE 39, 200). Hieraus folgt freilich nicht zwingend, dass das Vertragsverhältnis zu dem dazwischen geschalteten Dritten nichtig wäre (vgl. BGH 12. Dezember 2012 - VIII ZR 89/12 - Rn. 15). Die Rechtsfolge kann vielmehr auch darin bestehen, dass sich bei Aufrechterhaltung des Vertragsverhältnisses zum Dritten nur einzelne Ansprüche gegen denjenigen richten, der rechtsmissbräuchlich vertragliche Beziehungen zu sich verhindert hat. Entscheidend sind der Schutzzweck der umgangenen Norm und die Frage, ob die Umgehung gerade in der Verhinderung der gesetzlich an sich vorgesehenen Begründung eines Rechtsverhältnisses zu einem Dritten insgesamt oder lediglich in der Vermeidung oder Verkürzung einzelner Ansprüche liegt.

34

bb) Danach kann hier auch unter dem Gesichtspunkt der Umgehung der beim Beklagten anzuwendenden Arbeitsbedingungen kein zur Entstehung eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien führender Rechtsmissbrauch durch ein Ausweichen auf Arbeitnehmerüberlassung angenommen werden (für die grundsätzliche Zulässigkeit einer derartigen Gestaltung: Melms/Lipinski BB 2004, 2409, 2415; Willemsen/Annuß BB 2005, 437; dagegen insbesondere Brors/Schüren BB 2004, 2745; Düwell/Dahl DB 2009, 1070, 1074). Denn selbst wenn davon auszugehen wäre, dass vorliegend in rechtsmissbräuchlicher Weise eine Anwendung der beim Beklagten geltenden Arbeitsbedingungen umgangen werden sollte, könnte dies allenfalls zu Leistungspflichten des Entleihers, jedoch nicht zum Entstehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen ihm und dem Leiharbeitnehmer führen.

35

Auch unter dem Gesichtspunkt der Umgehung von Kündigungsschutzvorschriften ist zwischen den Klägerinnen und dem Beklagten kein Arbeitsverhältnis entstanden. Dies gilt auch dann, wenn die C - wovon im Streitfall auszugehen sein dürfte - Arbeitnehmer ausschließlich an den Beklagten verlieh. Dabei mag zugunsten der Klägerinnen angenommen werden, dass sich die kündigungsrechtliche Absicherung von Leiharbeitnehmern - zumindest tatsächlich - dann als geringer darstellt, wenn der Verleiher seine Leiharbeitnehmer sämtlich ausschließlich an einen Entleiher überlässt und demzufolge die Gefahr besteht, dass im Falle der Beendigung des Überlassungsvertrags zwischen Verleiher und Entleiher die Beschäftigungsmöglichkeit für sämtliche Leiharbeitnehmer entfällt (vgl. zu diesem Gedanken ausführlich: Däubler AiB 2008, 524, 525; ebenso: Schüren BB 2007, 2346, 2349). Dieser Umstand rechtfertigt es allein jedoch nicht, unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs das Vertragsverhältnis zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer als nichtig zu erachten und ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher anzunehmen. Zum einen ist die Gefährdung ihrer Arbeitsplätze für Arbeitnehmer auch sonst - also unabhängig von der Arbeitnehmerüberlassung - immer dann erhöht, wenn ihr Arbeitgeber ausschließlich Aufträge nur eines Auftraggebers ausführt. Zum anderen bleibt den Leiharbeitnehmern jedenfalls der aus § 1 Abs. 3 KSchG folgende Schutz in all den Fällen erhalten, in denen der Entleiher den Überlassungsvertrag nicht insgesamt beendet, sondern lediglich in seinem Umfang reduziert.

36

IV. Soweit der Senat vorgehend Unionsrecht angewandt hat, ist dessen Inhalt aufgrund des Wortlauts der Leiharbeitsrichtlinie und der zitierten Entscheidungen hinreichend klar. Eine Pflicht, nach Art. 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen, besteht nicht(vgl. EuGH 6. Oktober 1982 - Rs. 283/81 - [C.I.L.F.I.T.] Slg. 1982, 3415).

37

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, § 100 Abs. 1, §§ 565, 516 Abs. 3 ZPO.

        

    Linsenmaier    

        

    Schmidt    

        

    Zwanziger    

        

        

        

    Linsenmaier    

        

    M. Zwisler    

                 

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 7. September 2012 - 6 Sa 709/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe des jährlichen Urlaubsanspruchs.

2

Die Beklagte stellt Schuhe her. Die am 10. April 1960 geborene Klägerin ist bei ihr seit dem 1. Juli 1994 als Produktionsmitarbeiterin beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 13. November 2000 ist ua. vereinbart, dass der jährliche Urlaubsanspruch 34 Arbeitstage beträgt. Die Beklagte gewährt allen Arbeitnehmern, die das 58. Lebensjahr vollendet haben, 36 Arbeitstage Jahresurlaub, ohne dass individuelle Vereinbarungen über einen höheren Jahresurlaub vorliegen. Die übrigen Beschäftigten erhalten jährlich 34 Urlaubstage.

3

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Urlaubsregelung sei altersdiskriminierend. Die Behauptung, ältere Mitarbeiter benötigten im Produktionsbetrieb längere Erholungsphasen, sei durch die darlegungsbelastete Beklagte nicht dargetan. Das Bundesurlaubsgesetz stelle bezüglich der Dauer des Urlaubs weder auf die physische Belastung noch auf das Alter der Arbeitnehmer ab. Die Beklagte habe keinen Grund genannt, warum ein gesteigertes Erholungsbedürfnis ausgerechnet mit 58 Jahren eintrete. Zudem könne mit lediglich zwei zusätzlichen Urlaubstagen ein etwaiger höherer Erholungsbedarf nicht ausgeglichen werden. Bei einem stetig steigenden Erholungsbedarf müsste jedenfalls auch die Urlaubsdauer gestaffelt werden. Bei anderen Arbeitnehmergruppen sei ein erhöhter Erholungsbedarf nachvollziehbar. Diese würden jedoch nicht begünstigt. So seien jüngere Arbeitnehmer durch Familie und Beruf oftmals stärker beansprucht als ältere. Die Beklagte habe ihr zur Beseitigung der Diskriminierung jährlich zwei weitere Urlaubstage zu gewähren.

4

Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr 36 Arbeitstage Erholungsurlaub zu gewähren.

5

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, ihre Urlaubsregelung beinhalte keine Diskriminierung. Nach der Lebenserfahrung benötigten ältere Arbeitnehmer, die körperlich ermüdende und schwere Arbeiten verrichten, längere Erholungszeiten als jüngere. Zwei zusätzliche Urlaubstage seien angemessen.

6

Das Arbeitsgericht hat die Klage - soweit für die Revision von Bedeutung - abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Feststellungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, der Klägerin auch schon vor der Vollendung der 58. Lebensjahres insgesamt 36 Arbeitstage Erholungsurlaub pro Jahr zu gewähren.

8

I. Die Klage ist in der gebotenen Auslegung zulässig, insbesondere besteht das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.

9

1. Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer den Umfang des ihm zustehenden Urlaubs gerichtlich festgestellt wissen will, nicht entgegen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 9, BAGE 141, 73; 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - Rn. 13 ff., BAGE 137, 328).

10

2. Die am 10. April 1960 geborene Klägerin hat ein rechtlich anerkennenswertes Interesse daran, alsbald zu erfahren, ob ihr bereits vor der Vollendung ihres 58. Lebensjahres zwei weitere Urlaubstage pro Jahr zustehen. Ihr Antrag bezieht sich dem Wortlaut nach zwar auf den gesamten Jahresurlaub. Er kann jedoch so ausgelegt werden, dass er sich nur auf zwei weitere Urlaubstage im Kalenderjahr bezieht. Zwischen den Parteien besteht kein Streit, dass der Klägerin die vertraglich vereinbarten 34 Urlaubstage pro Jahr zustehen. Die Klägerin hat im Laufe des Verfahrens deutlich gemacht, dass der Antrag auf die Feststellung des Bestehens zweier zusätzlicher Urlaubstage gerichtet ist. Darüber hinaus hat das Landesarbeitsgericht den Klageantrag zutreffend so verstanden, dass er vergangene Urlaubsjahre nicht erfasst. Es handelt sich um einen gegenwartsbezogenen Feststellungsantrag, für dessen Entscheidung grundsätzlich auf die Sachlage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht abzustellen ist (vgl. BAG 15. Mai 2013 - 7 AZR 494/11 - Rn. 15 ff.).

11

II. Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen vor Vollendung ihres 58. Lebensjahres nicht gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 iVm. § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG zwei weitere Urlaubstage zu. Die Urlaubsregelung ist nicht gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam und führt somit bezüglich der Dauer des Urlaubs der Klägerin nicht zu einer „Anpassung nach oben“(siehe dazu BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 27 ff., BAGE 141, 73; vgl. aber auch BAG 14. Mai 2013 - 1 AZR 44/12 - Rn. 25, BAGE 145, 113).

12

1. Es liegt zwar eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor. Diese ist jedoch gemäß § 10 Satz 1, 2 und Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt.

13

a) Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Unter Alter iSd. § 1 AGG ist das Lebensalter zu verstehen. Dies folgt aus dem Wortlaut des Gesetzes und aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/1780 S. 31; BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 14, BAGE 141, 73; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 36, BAGE 129, 181). Eine unmittelbare Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 1 AGG gegeben, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Der für eine unmittelbare Benachteiligung erforderliche Kausalzusammenhang ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere in § 1 AGG genannte Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - aaO mwN).

14

b) Daran gemessen liegt eine unmittelbare Ungleichbehandlung wegen des Alters vor. Die Urlaubsregelung knüpft die Gewährung von zwei weiteren Urlaubstagen an die Vollendung des 58. Lebensjahres und damit unmittelbar an das Lebensalter der Beschäftigten. Arbeitnehmer, die diese Altersgrenze nicht erreicht haben, werden wegen ihres Alters ungünstiger behandelt.

15

c) Die Ungleichbehandlung ist jedoch gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt. Die Regelung bezweckt bei Berücksichtigung eines Gestaltungs- und Ermessensspielraums der Beklagten den in dieser Bestimmung genannten Schutz älterer Beschäftigter und ist geeignet, erforderlich und angemessen im Sinne von § 10 Satz 2 AGG.

16

aa) Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG konkretisiert ua. das legitime Ziel der Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter, wobei dieser Schutz auch die Festlegung besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließen kann (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73).

17

bb) § 10 AGG dient der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16) in das nationale Recht (BAG 18. März 2014 - 3 AZR 69/12 - Rn. 21). Der Gesetzgeber hat bei der Umsetzung den Text der Richtlinie nahezu wörtlich in das nationale Recht übernommen. Dessen Regelungen sind unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszulegen (vgl. BAG 14. März 2012 - 7 AZR 480/08 - Rn. 30).

18

cc) Dem Arbeitgeber steht bei freiwilligen zusätzlichen Leistungen - wozu auch die Gewährung von übergesetzlichem Mehrurlaub gehört - ein von den Gerichten zu respektierender Gestaltungs- und Ermessensspielraum zu (vgl. zu Leistungen der betrieblichen Altersversorgung: BAG 12. November 2013 - 3 AZR 356/12 - Rn. 28; 12. Februar 2013 - 3 AZR 100/11 - Rn. 31 mwN, BAGE 144, 231). Auch in der Rechtsprechung des EuGH ist anerkannt, dass die Mitgliedstaaten und gegebenenfalls die Sozialpartner auf nationaler Ebene beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts nicht nur bei der Entscheidung, welches konkrete Ziel von mehreren im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik sie verfolgen wollen, sondern auch bei der Festlegung der Maßnahmen zu seiner Erreichung über einen weiten Gestaltungsspielraum verfügen (EuGH 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Rn. 68, Slg. 2007, I-8531). Diese Erwägungen gelten nach dem EuGH auch für Ziele, die der Arbeitgeber mit einer vertraglichen Regelung verfolgt (vgl. EuGH 26. September 2013 - C-476/11 - [HK Danmark] Rn. 61).

19

dd) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Benachteiligung der Arbeitnehmer der Beklagten, die das 58. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, gerechtfertigt.

20

(1) Die Beklagte gewährt den Arbeitnehmern in ihrem Produktionsbetrieb nach der Vollendung des 58. Lebensjahres aufgrund ihres gesteigerten Erholungsbedürfnisses zwei weitere Urlaubstage im Kalenderjahr und bezweckt damit die Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. Da dieser Schutz die Festlegung besonderer Arbeitsbedingungen einschließt (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73), unterfallen ihm auch zusätzliche Urlaubstage.

21

(a) Das AGG definiert in § 10 Satz 3 Nr. 1 - ebenso wie Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG - nicht, wann ein Beschäftigter „älter“ im Sinne der Norm ist (vgl. zum herkömmlichen Verständnis: BAG 18. September 2014 - 6 AZR 636/13 - Rn. 44). Nach dem Sinn und Zweck des Benachteiligungsverbots reicht es ohne das Vorliegen anderer Differenzierungsgründe nicht aus, dass das Alter der begünstigten Arbeitnehmer höher ist als das Alter der nicht begünstigten. Dementsprechend hat der Senat angenommen, ein Arbeitnehmer sei nach der Vollendung seines 31. Lebensjahres offensichtlich noch kein älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 55, BAGE 132, 210). Aus dem systematischen Zusammenhang mit § 10 Satz 1 AGG und aus dem Regelungszweck folgt, dass die begünstigten Arbeitnehmer aufgrund ihres Alters der Förderung bei der beruflichen Eingliederung oder des Schutzes bedürfen müssen.

22

(aa) Der Senat ist in seiner Entscheidung vom 20. März 2012 nicht davon ausgegangen, dass mit zunehmenden Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steige. Er hat allerdings ab einem bestimmten Alter - konkret: bei über 50- oder über 60-jährigen Beschäftigten - ein altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis für „eher nachvollziehbar“ gehalten (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 24 f., BAGE 141, 73).

23

(bb) Das Landesarbeitsgericht hat in Übereinstimmung mit der überwiegenden Auffassung im Schrifttum als Erfahrungssatz angenommen, dass mit zunehmenden Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steigt (so auch Tempelmann/Stenslik DStR 2011, 1183, 1185 f.; Lingemann/Gotham NZA 2007, 663, 666; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 143 f.; Waltermann NZA 2005, 1265, 1269; Over Das Verbot der Altersdiskriminierung im Arbeitsrecht nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz S. 231; Küttner/Kania Personalbuch 2014 Diskriminierung Rn. 90; vgl. auch Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 - zu II 2 b cc (3) (a) der Gründe mwN). Diese Ansicht ist allerdings nicht unumstritten. So wird auf die Individualität der Alterungsprozesse und den fehlenden Nachweis von Altersklassen mit spezifischem Erholungsbedarf hingewiesen (Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 1 Rn. 822). Die Aufstellung eines generellen Erfahrungssatzes soll dem traditionellen Bild vom „alten Arbeitnehmer“ entsprechen (Däubler/Bertzbach/Brors 3. Aufl. § 10 Rn. 43). Auch wird hervorgehoben, dass der Gesetzgeber in § 3 BUrlG bezüglich der Dauer des Urlaubs nicht nach dem Lebensalter der Arbeitnehmer unterscheide und demnach nicht von einem unterschiedlichen Erholungsbedürfnis ausgehe(Bertelsmann in Rust/Falke AGG § 10 Rn. 93). Auch auf europäischer Ebene sehe Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG vier Wochen Urlaub einheitlich für alle Berufsgruppen altersunabhängig vor(v. Roetteken AGG Stand September 2014 § 10 Rn. 262). Verlangt wird zumindest die Darlegung eines empirischen Befunds zum steigenden Erholungsbedarf unter Beachtung der Tätigkeit bevorzugter Arbeitnehmer (Däubler/Bertzbach/Brors aaO; aA Kasprzyk Altersdiskriminierung im deutschen Arbeitsrecht S. 185).

24

(b) Erfahrungssätze sind Hilfsmittel. Die Feststellung von allgemein anerkannten Erfahrungssätzen ist als Tatfrage den Tatsachengerichten vorbehalten. Dabei ist es diesen nicht verwehrt, das Bestehen oder Nichtbestehen eines Erfahrungssatzes zu beurteilen, wenn sie dazu über ausreichende Sachkunde und Lebenserfahrung verfügen. Andernfalls haben sie sich der Hilfe eines Sachverständigen zu bedienen. Die Zuziehung eines Sachverständigen zur Unterstützung des Gerichts ist gemäß § 144 Abs. 1 ZPO durch die Tatsachengerichte stets nach pflichtgemäßen Ermessen zu prüfen(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 65 mwN, BAGE 132, 210; vgl. allg. zu Erfahrungssätzen: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 73. Aufl. Einf. § 284 Rn. 22).

25

(c) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Landesarbeitsgericht von der Zuziehung eines Sachverständigen abgesehen hat. Dieses durfte aufgrund der von ihm festgestellten körperlich anstrengenden Tätigkeiten im Produktionsbetrieb der Beklagten auch ohne Sachverständigengutachten annehmen, dass das Erholungsbedürfnis der dort beschäftigten Arbeitnehmer mit zunehmenden Alter steigt. Ob es einen tätigkeitsunabhängigen generellen Zusammenhang zwischen dem Erholungsbedarf und dem Alter gibt (so etwa Kamanabrou aaO), kann dahinstehen.

26

(aa) Die Annahme eines Erfahrungssatzes dahin gehend, dass bei körperlich belastenden Berufen das Erholungsbedürfnis im höheren Alter steigt, begegnet keinen Bedenken. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die physische Belastbarkeit mit zunehmendem Alter abnimmt (etwa BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 67 mwN, BAGE 132, 210; Bayerischer VGH 24. Oktober 2011 - 3 ZB 08.721 - zu II 1 b der Gründe). Dieser Erfahrungssatz betrifft auch den Wirkungszusammenhang von erreichtem Lebensalter und Krankheitsanfälligkeit (Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 - zu II 2 b cc (3) (a) der Gründe mwN). Alle bekannten privaten und öffentlichen Systeme der Kranken-, Renten- und Lebensversicherung beruhen auf dieser Erwartung (BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 54, BAGE 128, 238). Entgegen der Ansicht der Klägerin kommen auch nicht lediglich Studien älteren Datums - wie etwa die ILO-Empfehlung Nr. 162 vom 23. Juni 1980 oder der WHO Technical Report Series 835 „Aging and Working Capacity” (dt. Übersetzung: „Altern und Arbeit“ 1994) - zu diesem Ergebnis. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden bestätigt zB durch den „Fortschrittsreport ‚Altersgerechte Arbeitswelt“, Ausgabe 3 des Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Stand September 2013). Nach diesem hat sich zwar die körperliche Konstitution besonders für die Altersgruppe der 45- bis 64-Jährigen verbessert (Ziff. 3.1). Dennoch zeigt die Studie weiterhin ein Ansteigen der Anzahl der krankheitsbedingten Fehltage sowie eine Verschlechterung des Gesundheitszustands mit fortschreitendem Lebensalter (Ziff. 4.2, Tabelle 2). Insbesondere bei belastenden Berufen nimmt die Anzahl krankheitsbedingter Fehltage im Alter überproportional zu und der Gesundheitszustand verschlechtert sich überproportional (vgl. Ziff. 4.2). Auch bei einfachen Dienstleistungen und einfachen manuellen Berufen verschlechtert sich der „selbstberichtete Gesundheitszustand in der Altersgruppe 55 bis 64 Jahre im Vergleich zum Durchschnitt“ immer noch deutlich (Ziff. 3.4). Zumindest hinsichtlich dieser Berufe erscheint die Annahme eines größeren Erholungsbedarfs im erhöhten Alter als nicht fehlerhaft (ebenso Reinhard ArbRB 2012, 342, 343). Auch Gegner eines allgemeinen Erfahrungssatzes gestehen zu, dass bei gesundheitlich besonders belastenden Tätigkeiten ein gesteigerter Erholungsbedarf mit zunehmendem Alter angenommen werden kann (v. Roetteken aaO; Däubler/Bertzbach/Brors aaO; Löwisch/Rieble § 1 Rn. 823).

27

Soweit das Landesarbeitsgericht auf die teilweise geforderte Darlegung spezifischer empirischer Untersuchungen bezogen auf die Tätigkeiten im Produktionsbetrieb der Beklagten verzichtet hat, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Durchführung derartiger Untersuchungen wäre praktisch aufwändig und schwierig (weiter gehend Kasprzyk aaO: „unmöglich“). Eine übersteigerte Darlegungslast würde die Einführung freiwilliger Leistungen unzumutbar erschweren. Die Feststellungen durch das Landesarbeitsgericht, dass die Beschäftigten der Beklagten bei der Schuhfertigung körperlich ermüdende und teils schwere Arbeiten leisten, verstärkt durch einen besonderen, prämienbezogenen Zeit- und Qualitätsdruck im Sinne eines Teamakkords, genügt danach als Tatsachenbasis für die Bejahung des dargestellten Erfahrungssatzes.

28

(bb) Der Hinweis auf die fehlende Altersstaffelung in § 3 BUrlG und Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG hilft der Klägerin für die Frage der Legitimität des Zwecks nicht weiter. Die Vorschriften regeln nur die Dauer des Mindesturlaubs und damit das unterste Maß dessen, was nach deutschem und europäischem Urlaubsrecht unabhängig von individuellen Besonderheiten zur Erholung erforderlich ist. Spezifische Charakteristika - wie das Alter oder der physische oder psychische Gesundheitszustand - bleiben bei der Setzung eines einheitlichen Minimalstandards naturgemäß außer Betracht. Auf nationaler Ebene kommt hinzu, dass der Gesetzgeber durchaus gesehen hat, dass es altersabhängig einen unterschiedlichen Erholungsbedarf geben kann, wie etwa § 57 Abs. 2 SeeArbG und § 19 Abs. 2 JArbSchG zeigen(siehe dazu v. Roetteken § 10 Rn. 263).

29

(d) Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Sicherstellung des Schutzes ihrer Arbeitnehmer nach Vollendung des 58. Lebensjahres als Zweck der zwei weiteren Urlaubstage vorgeschoben hat.

30

(aa) Allerdings ist dieser Zweck nicht unmittelbar der - nicht schriftlich fixierten - Regelung zu entnehmen. Nennt eine Regelung oder Maßnahme kein Ziel, müssen zumindest aus dem Kontext abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter der Regelung oder der Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, um die Legitimität des Ziels sowie die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüfen zu können (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 19 mwN, BAGE 141, 73; vgl. zur Richtlinie 2000/78/EG: EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 39 mwN, Slg. 2011, I-6919).

31

(bb) Wenn eine Tarifregelung die Urlaubsdauer nach dem Lebensalter staffelt, liegt die Annahme nahe, die Tarifvertragsparteien hätten einem mit zunehmendem Alter gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 23, BAGE 141, 73). Diese Annahme darf freilich nicht durch die konkrete Wahl der Altersgrenze(n) widerlegt werden, wie dies bei § 26 TVöD aF, der zusätzliche Urlaubstage bereits ab dem 30. Lebensjahr vorsah, der Fall war (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 24 ff., aaO).

32

(cc) Es ist kein Grund ersichtlich, bei einer individualrechtlichen Regelung nicht ebenfalls grundsätzlich davon auszugehen, dass mit einer Altersgrenze für die Gewährung zusätzlichen Urlaubs einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer Rechnung getragen werden soll. Diese Annahme erscheint umso mehr gerechtfertigt, wenn sie wie hier mit der Anerkennung eines Erfahrungssatzes bezüglich des gesteigerten Erholungsbedarfs bei körperlich belastenden Berufen korreliert. Hinzu kommt, dass die ständige Übung der Beklagten inhaltlich einer einschlägigen tarifvertraglichen Regelung entspricht. So sah der persönlich, fachlich und räumlich einschlägige Manteltarifvertrag vom 23. April 1997, abgeschlossen zwischen dem Hauptverband der Deutschen Schuhindustrie e. V. und der Gewerkschaft Leder sowie der IG BCE, für gewerbliche Arbeitnehmer in § 17 Ziff. 4 Buchst. a ab dem 58. Lebensjahr ebenfalls zwei zusätzliche Urlaubstage vor. Diese Regelung war im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht nicht durch eine neue Bestimmung abgeändert.

33

(dd) Schließlich widerlegt die Altersgrenze von 58 Lebensjahren nicht den Zweck, mit zwei weiteren Urlaubstagen im Kalenderjahr dem gesteigerten Erholungsbedürfnis Rechnung zu tragen. Dabei kann dahinstehen, ab welchem Alter die Annahme, der zusätzliche Urlaub diene dem höheren Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG, nicht mehr ohne Weiteres aufrechterhalten bzw. als widerlegt erachtet werden kann. Der Senat hat in der Entscheidung vom 20. März 2012 gemäß dem Rechtsgedanken aus § 417 Abs. 1 SGB III eine Altersgrenze von 50 Lebensjahren für die Einordnung als älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG in Betracht gezogen(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73; vgl. zu einer solchen Altersgrenze für die Gewährung zusätzlicher Urlaubstage: Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 -). Das Landesarbeitsgericht hat ergänzend darauf verwiesen, dass Leitlinie 17 der Entscheidung des Rates vom 12. Juli 2005 über Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten (2005/600/EG) Arbeitskräfte ab Vollendung des 55. Lebensjahres als ältere Arbeitnehmer erachtet und die WHO-Studiengruppe „Altern und Arbeit“ aus arbeitsmedizinischer Sicht wegen auftretender Schwierigkeiten in Arbeit und Beruf eine Grenze ab dem 45. Lebensjahr angenommen hat (zu A II 15 b bb (3) (b) der Gründe). Das Berufungsgericht hat damit nachvollziehbar begründet, warum es davon ausgeht, dass die Urlaubsregelung einem legitimen Zweck iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG dient und es diesen Zweck nicht lediglich als von der Beklagten vorgeschoben erachtet.

34

(2) Die Regelung ist geeignet, den in § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG beschriebenen Zweck zu fördern. Insbesondere kann die Klägerin nicht mit dem Argument gehört werden, dass die Gewährung von lediglich zwei Urlaubstagen ungeeignet sei, einen altersbedingt erhöhten Erholungsbedarf auszugleichen. Die Geeignetheit ist nicht deshalb zu verneinen, weil ein gestiegener Erholungsbedarf unter Umständen nicht vollständig, sondern nur partiell ausgeglichen wird. Gerade angesichts des vom Arbeitgeber bei einer freiwilligen Leistung selbst gesetzten Dotierungsrahmens wäre die Beschränkung auf einen Teilausgleich nachvollziehbar und zulässig. Zudem haben auch die Tarifvertragsparteien angesichts der Tätigkeit eines Produktionsmitarbeiters in der Schuhbranche zwei Tage Urlaub für geeignet und ausreichend erachtet. Dass die Beklagte sich die von den Sozialpartnern ausgehandelte Regelung zu eigen macht und im Rahmen ihres Ermessensspielraums eine entsprechende Regelung trifft, ist unter dem Aspekt der Geeignetheit der Regelung nicht zu beanstanden.

35

(3) Die Regelung ist auch erforderlich und angemessen (§ 10 Satz 2 AGG). Mildere Mittel, die in gleicher Weise den Schutz älterer Arbeitnehmer verwirklichen könnten, sind nicht ersichtlich.

36

(a) Die Wahl einer anderen, niedrigeren Altersgrenze stellte kein gleich wirksames, milderes Mittel mit geringerem altersspezifischen Effekt dar. Es handelte sich vielmehr um eine andere Maßnahme mit einem erhöhtem Dotierungsrahmen.

37

(b) Eine niedrigere Altersgrenze verbunden mit nur einem weiteren Urlaubstag im Kalenderjahr müsste zwar nicht zwingend zu einer Erhöhung des Dotierungsrahmens führen. Allerdings hätten dann Arbeitnehmer nach Vollendung des 58. Lebensjahres nicht mehr Anspruch auf den zweiten weiteren Urlaubstag, den die Beklagte im Einklang mit dem einschlägigen Tarifvertrag angesichts des gesteigerten Erholungsbedarfs im höheren Alter in der Schuhproduktion für notwendig erachtet. Der Gestaltungs- und Ermessensspielraum der Beklagten lässt auch im Rahmen der Erforderlichkeit und Angemessenheit die von ihr angewandte Regelung zu. Die Interessen der Beteiligten werden hinreichend berücksichtigt. Es werden lediglich in Übereinstimmung mit dem Abwägungsergebnis der Tarifvertragsparteien die Interessen der über 58-Jährigen an einem zusätzlichen Urlaubstag höher gewichtet als die Interessen der übrigen Beschäftigten, schon im jüngeren Alter einen zusätzlichen Urlaubstag zu erhalten.

38

(c) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Beklagte nicht verpflichtet, zusätzliche Urlaubstage nur nach dem individuell ermittelten Erholungsbedarf unter Einbeziehung altersunabhängiger Belastungsfaktoren, wie der Pflege und Betreuung von Kindern, sowie unter Berücksichtigung des individuellen Alterungsprozesses zu gewähren. Zwar mag es zutreffen, dass es weitere Belastungsfaktoren gibt, die zu einem gesteigerten Erholungsbedarf führen können. Jedoch wäre eine solche individuelle Regelung in vielerlei Hinsicht praktisch nicht oder nur mit großen Schwierigkeiten handhabbar. Dies gilt nicht nur bezüglich der Gewichtung der einzelnen (persönlichen) Belastungsfaktoren untereinander, sondern vor allem auch für deren Ermittlung durch die Beklagte. Auch der Gerichtshof der Europäischen Union hat anerkannt, dass bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Regelung im Hinblick auf das Verbot der Altersdiskriminierung zu beachten ist, dass die fragliche Regelung in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht handhabbar bleiben müsse, und deshalb nicht generell verlangt werden könne, dass immer jeder Einzelfall individuell geprüft werde (EuGH 19. Juni 2014 - C-501/12 ua. - [Specht ua.] Rn. 78). Unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten darf der Arbeitgeber daher im Sinne einer typisierenden Betrachtung in Ausübung seines Gestaltungsspielraums auch einen Grund für ein gesteigertes Erholungsbedürfnis - wie etwa das Alter in belastenden Berufen - als Differenzierungskriterium heranziehen. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG enthält kein Gebot, die dort genannten typischerweise besonders schutzbedürftigen Personengruppen (Jugendliche, ältere Beschäftigte und Personen mit Fürsorgepflichten) hinsichtlich besonderer Arbeitsbedingungen gleich zu behandeln.

39

2. Aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz folgt ebenfalls kein Anspruch der Klägerin auf die begehrten zwei zusätzlichen Urlaubstage. Ist - wie hier - die unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmergruppen aus einem in § 1 AGG genannten Grund unter den im AGG normierten Voraussetzungen zulässig, ist auch der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt(ebenso bezüglich des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes: BAG 17. September 2013 - 3 AZR 686/11 - Rn. 25 mwN). Eine sachwidrige Ungleichbehandlung kommt angesichts der Rechtfertigung gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG nicht in Betracht.

40

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

        

        

    M. Lücke    

        

    Kranzusch    

                 

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.

(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(4) Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(5) Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus einem in § 1 genannten Grund gilt als Benachteiligung. Eine solche Anweisung liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu einem Verhalten bestimmt, das einen Beschäftigten oder eine Beschäftigte wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt oder benachteiligen kann.

(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.

(2) Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, sind unwirksam.

(3) Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten.

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. März 2010 - 20 Sa 2058/09 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Eberswalde vom 8. Juli 2009 - 3 Ca 140/09 - wird zurückgewiesen und der Tenor dieses Urteils zur Klarstellung neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass der Klägerin für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein weiterer Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht.

3. Der Beklagte hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin in den Jahren 2008 und 2009 Anspruch auf jeweils 29 oder 30 Urlaubstage hatte.

2

Die am 27. Oktober 1971 geborene Klägerin ist seit dem 1. September 1988 bei dem beklagten Landkreis als Angestellte mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden in der Fünftagewoche beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13. September 2005 in der Fassung des Änderungstarifvertrags Nr. 2 vom 31. März 2008 (TVöD) Anwendung. Dieser bestimmt ua.:

        

§ 26 

        

Erholungsurlaub

        

(1)     

Beschäftigte haben in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts (§ 21). Bei Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf fünf Tage in der Kalenderwoche beträgt der Urlaubsanspruch in jedem Kalenderjahr

                 

bis zum vollendeten 30. Lebensjahr

26 Arbeitstage,

                 

bis zum vollendeten 40. Lebensjahr

29 Arbeitstage und

                 

nach dem vollendeten 40. Lebensjahr

30 Arbeitstage.

                 

Maßgebend für die Berechnung der Urlaubsdauer ist das Lebensjahr, das im Laufe des Kalenderjahres vollendet wird. Bei einer anderen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit als auf fünf Tage in der Woche erhöht oder vermindert sich der Urlaubsanspruch entsprechend. Verbleibt bei der Berechnung des Urlaubs ein Bruchteil, der mindestens einen halben Urlaubstag ergibt, wird er auf einen vollen Urlaubstag aufgerundet; Bruchteile von weniger als einem halben Urlaubstag bleiben unberücksichtigt. Der Erholungsurlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und kann auch in Teilen genommen werden.

        

…       

        
        

§ 27   

        

Zusatzurlaub

        

(1)     

Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit nach § 7 Abs. 1 oder ständig Schichtarbeit nach § 7 Abs. 2 leisten und denen die Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 1 oder Abs. 6 Satz 1 zusteht, erhalten

                 

a)    

bei Wechselschichtarbeit für je zwei zusammenhängende Monate und

                 

b)    

bei Schichtarbeit für je vier zusammenhängende Monate

                 

einen Arbeitstag Zusatzurlaub.

        

(2)     

Im Falle nicht ständiger Wechselschicht- oder Schichtarbeit (z. B. ständige Vertreter) erhalten Beschäftigte des Bundes, denen die Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 2 oder Abs. 6 Satz 2 zusteht, einen Arbeitstag Zusatzurlaub für

                 

a)    

je drei Monate im Jahr, in denen sie überwiegend Wechselschichtarbeit geleistet haben, und

                 

b)    

je fünf Monate im Jahr, in denen sie überwiegend Schichtarbeit geleistet haben.

        

…       

                 
        

(4)     

Zusatzurlaub nach diesem Tarifvertrag und sonstigen Bestimmungen mit Ausnahme von § 125 SGB IX wird nur bis zu insgesamt sechs Arbeitstagen im Kalenderjahr gewährt. Erholungsurlaub und Zusatzurlaub (Gesamturlaub) dürfen im Kalenderjahr zusammen 35 Arbeitstage nicht überschreiten. Satz 2 ist für Zusatzurlaub nach den Absätzen 1 und 2 hierzu nicht anzuwenden. Bei Beschäftigten, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, gilt abweichend von Satz 2 eine Höchstgrenze von 36 Arbeitstagen; § 26 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

        

…“    

        
3

Mit Schreiben vom 5. November 2008 machte die Klägerin gegenüber dem Beklagten einen jährlichen Gesamturlaub in Höhe von 30 Tagen für das Jahr 2008 und die Zukunft nach dem TVöD geltend. Der Beklagte lehnte die Gewährung von 30 Urlaubstagen vor der Vollendung des 40. Lebensjahres der Klägerin unter Hinweis auf die Verbindlichkeit der Regelung des § 26 Abs. 1 TVöD mit Schreiben vom 28. November 2008 ab. Die Klägerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 11. Februar 2009 die vorliegende Klage erhoben.

4

Sie hat die Ansicht vertreten, sie habe auch vor der Vollendung ihres 40. Lebensjahres Anspruch auf jährlich 30 und nicht nur 29 Urlaubstage. Die an das Lebensalter anknüpfende Staffelung des tariflichen Urlaubsanspruchs sei eine Diskriminierung wegen des Alters. Die in der Tarifregelung enthaltene Ungleichbehandlung jüngerer Arbeitnehmer sei nicht durch § 10 AGG gerechtfertigt. Im Übrigen würden die gesundheitlichen Wirkungen zusätzlichen Urlaubs zur Vermeidung beispielsweise von Stresserscheinungen am Arbeitsplatz auch in der medizinischen Literatur kontrovers diskutiert.

5

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass ihr für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht.

6

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Diese sei bereits unzulässig, da das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO nötige Feststellungsinteresse fehle. Schließlich sei die Klage auch unbegründet. Die Altersstufenregelung des § 26 Abs. 1 TVöD sei durch einen sachlichen Grund nach § 10 AGG gerechtfertigt. Die Festlegung eines Mindestalters für die Gewährung von 30 Urlaubstagen pro Kalenderjahr stelle eine besondere Beschäftigungsbedingung zum Schutz älterer Beschäftigter bzw. eine Mindestanforderung an das Alter für einen mit der Beschäftigung verbundenen Vorteil dar, der zur Erreichung eines legitimen Ziels angemessen und erforderlich sei. Ältere Arbeitnehmer seien mit zunehmendem Alter aufgrund beruflicher Belastungen länger krank. Um diesen Umstand Rechnung zu tragen, hätten die Tarifvertragsparteien mit der Regelung in § 26 Abs. 1 TVöD auf das verstärkte Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer reagiert und deren Leistungsfähigkeit stärken wollen. Der Aspekt des Gesundheitsschutzes älterer Arbeitnehmer sei daher geeignet, die Ungleichbehandlung jüngerer Beschäftigter zu rechtfertigen. Schließlich würde auch eine Diskriminierung keine Angleichung „nach oben“ zur Folge haben.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die Wiederherstellung der stattgebenden Entscheidung des Arbeitsgerichts. Der Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

A. Die zulässige Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf die geltend gemachten Ersatzurlaubstage.

9

I. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Feststellungsklage zulässig ist. Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse daran, durch das Gericht feststellen zu lassen, ob ihr für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht ( § 256 Abs. 1 ZPO ). Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer den Umfang des ihm zustehenden Urlaubs gerichtlich festgestellt haben will, nicht entgegen (vgl. BAG 12. April 2011 - 9 AZR 80/10  - Rn. 13 bis 15, EzA BUrlG § 7 Nr. 123).

10

II. Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten für den ihr in den Jahren 2008 und 2009 jeweils verweigerten 30. Urlaubstag gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB Anspruch auf jeweils einen Tag Ersatzurlaub. Die Urlaubsstaffelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD verstößt gegen die §§ 1, 3 Abs. 1 AGG. Denn sie gewährt Beschäftigten, die das 30., aber noch nicht das 40. Lebensjahr vollendet haben, einen um einen Tag kürzeren Urlaub. Sie ist deshalb nach § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG iVm. § 134 BGB unwirksam. Dies hat zur Folge, dass die Klägerin auch vor der Vollendung ihres 40. Lebensjahres in jedem Kalenderjahr Anspruch auf 30 Urlaubstage hatte. Ihr steht für die Jahre 2008 und 2009 jeweils noch ein Tag Ersatzurlaub zu, weil der Beklagte ihr in diesen Jahren nur jeweils 29 Urlaubstage gewährte.

11

1. Nach § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD standen der am 27. Oktober 1971 geborenen Klägerin in den Jahren 2008 und 2009 jeweils 29 Urlaubstage zu. Erst nach dem vollendeten 40. Lebensjahr gewährt ihr diese Tarifregelung einen jährlichen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen. Diese an das Lebensalter anknüpfende Staffelung der Urlaubsdauer verstößt gegen das Verbot der Altersdiskriminierung in § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG. Sie ist als sachlich nicht nach den §§ 8, 10 AGG gerechtfertigte unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters gemäß § 7 Abs. 2 AGG iVm. § 134 BGB unwirksam. Zur Beseitigung dieser Diskriminierung ist eine Anpassung auf 30 Urlaubstage erforderlich.

12

2. Zutreffend haben die Vorinstanzen die Regelung in § 26 Abs. 1 TVöD am AGG gemessen. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG gelten die Diskriminierungsverbote der §§ 1, 7 AGG auch für die in kollektivrechtlichen Vereinbarungen geregelten Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen. Unter solchen Bedingungen sind alle Umstände zu verstehen, aufgrund derer und unter denen die Arbeitsleistung zu erbringen ist (vgl. BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 54, BAGE 132, 210). Zu den Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen gehört damit auch der Urlaub. Der Umstand, dass die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b TVöD bereits am 1. Januar 2006 und somit schon vor dem AGG vom 14. August 2006 in Kraft getreten ist, steht dem nicht entgegen. Die für die Jahre 2008 und 2009 geltend gemachte Benachteiligung durch § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD ist erst nach Inkrafttreten des AGG am 18. August 2006 eingetreten. Da § 33 Abs. 1 AGG insoweit keine Übergangsregelung enthält, findet dieses Gesetz auch dann Anwendung, wenn die Benachteiligung auf einem vor Inkrafttreten des AGG abgeschlossenen Tarifvertrag beruht. Es kommt allein auf den Zeitpunkt der Benachteiligungshandlung an (BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 33, BAGE 129, 72).

13

3. Die Urlaubsstaffelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD enthält eine auf dem Merkmal des Alters beruhende Ungleichbehandlung der Beschäftigten, die das 30. bzw. das 40. Lebensjahr nicht vollendet haben. Das ist eine unmittelbare Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer wegen des Alters iSv. § 3 Abs. 1 AGG.

14

a) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Beim Alter handelt es sich um einen in § 1 AGG genannten Grund, wobei unter Alter das Lebensalter zu verstehen ist. Dies folgt aus dem gesetzlichen Wortlaut und auch aus der Gesetzesbegründung ( BT-Drucks. 16/1780 S. 31; BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 49, BAGE 132, 210; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07  - Rn. 36, BAGE 129, 181). Der für eine unmittelbare Benachteiligung erforderliche Kausalzusammenhang ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere in § 1 AGG genannte Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 32; BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 50, aaO).

15

b) Diese Voraussetzung ist erfüllt. § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD sieht für Beschäftigte bei einer Fünftagewoche in jedem Kalenderjahr einen Urlaubsanspruch bis zum vollendeten 30. Lebensjahr in Höhe von 26 Arbeitstagen, bis zum vollendeten 40. Lebensjahr in Höhe von 29 Arbeitstagen und erst nach dem vollendeten 40. Lebensjahr in Höhe von 30 Arbeitstagen vor. Die Höhe des Urlaubsanspruchs nach § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD knüpft damit in allen Stufen unmittelbar an das Lebensalter der Beschäftigten an. Danach haben Beschäftigte wie die Klägerin, die zwar das 30. Lebensjahr, aber noch nicht das 40. Lebensjahr vollendet haben, in jedem Jahr nur Anspruch auf 29 statt auf 30 Urlaubstage. Sie werden ebenso wie die unter 30-Jährigen im Vergleich zu den Beschäftigten, die das 40. Lebensjahr vollendet haben, hinsichtlich der Höhe des Urlaubsanspruchs wegen ihres geringeren Alters ungünstiger behandelt.

16

4. Diese Ungleichbehandlung ist nicht gerechtfertigt.

17

a) Bei ihr handelt es sich nicht um eine nach § 8 AGG zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen. Die Urlaubsstaffel des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD knüpft nicht an die Art der auszuübenden Tätigkeit oder die Bedingungen ihrer Ausübung an. Sie stellt nicht auf die Art der auszuübenden Tätigkeit ab und beansprucht damit Geltung für alle dem TVöD unterfallenden Beschäftigten.

18

b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Ungleichbehandlung auch nicht nach § 10 AGG sachlich gerechtfertigt(so ebenfalls die herrschende Meinung in der Literatur, vgl. Linck/Schütz FS Leinemann, S. 181 f.; Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV Stand Januar 2012 E § 26 TVöD Rn. 22; AGG/Voigt 3. Aufl. § 10 Rn. 33; Meinel/Heyn/Herms AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 42b; Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 105; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdtle ZTR 2006, 622, 623 mwN; Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 478; vgl. ferner bereits zu § 48 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). § 10 Satz 1 AGG lässt eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters ungeachtet der Regelung des § 8 AGG zu, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Zudem müssen die Mittel zur Erreichung dieses Ziels nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist die an das Lebensalter anknüpfende Differenzierung in § 26 Abs. 1 TVöD nicht sachlich gerechtfertigt, weil sie einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung trägt und deren Gesundheit schützen will. Dabei kann dahinstehen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen das Ziel des Gesundheitsschutzes eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen würde. Die Tarifvorschrift verfolgt dieses Ziel schon nicht.

19

aa) Die Tarifvertragsparteien haben das mit der in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD geregelten Urlaubsstaffelung verfolgte Ziel nicht ausdrücklich genannt. Nennt eine Regelung oder Maßnahme kein Ziel, müssen zumindest aus dem Kontext abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter der Regelung oder der Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, um die Legitimität des Ziels sowie die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüfen zu können. Dabei können nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die sozialpolitischen Ziele als legitim angesehen werden, die im allgemeinen Interesse stehen. Derjenige, der eine Ungleichbehandlung vornimmt, muss den nationalen Gerichten in geeigneter Weise die Möglichkeit zur Prüfung einräumen, ob mit der Ungleichbehandlung ein Ziel angestrebt wird, das die Ungleichbehandlung unter Beachtung der Ziele der Richtlinie 2000/78/EG rechtfertigt (vgl. EuGH 5. März 2009 - C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 45 ff., Slg. 2009, I-1569; BAG 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08  - Rn. 36 ff., BAGE 131, 61). Denn das nationale Gericht hat zu prüfen, ob die Regelung oder Maßnahme ein rechtmäßiges Ziel iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgt. Gleiches gilt für die Frage, ob die Tarifvertragsparteien als Normgeber angesichts des vorhandenen Wertungsspielraums davon ausgehen durften, dass die gewählten Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich waren (vgl. EuGH 5. März 2009 -  C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 49 ff., aaO; vgl. auch BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 57, BAGE 132, 210).

20

bb) Die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD dient nicht dem Schutz älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. Diese gesetzliche Regelung konkretisiert das legitime Ziel, nämlich ua. die Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter, wobei dieser Schutz auch die Festlegung besonderer Arbeitsbedingungen einschließen kann. Aus einer tariflichen Urlaubsstaffelung, die - wie die in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD - den Beschäftigten bereits nach Vollendung des 30. Lebensjahres drei weitere Urlaubstage und dann nach Vollendung des 40. Lebensjahres letztmals einen zusätzlichen Urlaubstag gewährt, lässt sich nicht ableiten, dass die Tarifvertragsparteien einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollten und das Ziel verfolgten, den Schutz älterer Beschäftigter iSd. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG sicherzustellen. Wenn sich auch eine genaue Schwelle für die Zuordnung zu den älteren Arbeitnehmern weder dieser Regelung selbst noch Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG entnehmen lässt, so ist diese freilich an der Zielsetzung (vgl. zu dieser Däubler/Bertzbach/Brors 2. Aufl. § 10 Rn. 42) auszurichten. Einen arbeitsmarktpolitischen Zweck verfolgt zB § 417 Abs. 1 SGB III, wonach Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die das 50. Lebensjahr vollendet haben und ihre Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung beenden oder vermeiden, unter den in der Vorschrift genannten Voraussetzungen Anspruch auf Leistungen der Entgeltsicherung haben. Diese Regelung der Entgeltsicherung bezweckt, die Arbeitslosigkeit älterer Arbeitnehmer abzubauen und ihren Anteil an der erwerbstätigen Bevölkerung zu erhöhen (vgl. BT-Drucks. 17/1945 S. 17). Im Vergleich zu der in § 417 Abs. 1 SGB III genannten Altersgruppe setzt sich die durch die Urlaubsstaffel in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD begünstigte Beschäftigtengruppe, der ein Urlaubsanspruch von jährlich 30 Arbeitstagen eingeräumt wird, nicht ausnahmslos aus älteren Beschäftigten zusammen. Vielmehr gehören ihr alle Beschäftigten ab Vollendung des 40. Lebensjahres an. Der Senat hat bereits entschieden, dass ein Arbeitnehmer jedenfalls ab Vollendung des 31. Lebensjahres offensichtlich kein älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG ist(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 55, BAGE 132, 210).

21

cc) Ein legitimes Ziel iSd. § 10 AGG ergibt sich entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts auch nicht aus § 10 Satz 3 Nr. 2 AGG. Danach kann eine zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile einschließen. Diese Regelung bestimmt selbst kein legitimes Ziel, sondern beschreibt nur ein mögliches Mittel, mit der ein auf andere Weise zu legitimierendes Ziel gerechtfertigt werden kann (vgl. ErfK/Schlachter 12. Aufl. § 10 AGG Rn. 6), sofern es erforderlich und angemessen iSd. § 10 Satz 2 AGG ist.

22

dd) Die Tarifvertragsparteien verfolgen entgegen der Auffassung des Beklagten nicht das Ziel des Gesundheitsschutzes älterer Arbeitnehmer.

23

(1) Das mit der Urlaubsstaffelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD verfolgte Ziel lässt sich nicht mit ausreichender Deutlichkeit aus dem Wortlaut des § 26 TVöD entnehmen. § 26 TVöD normiert ausweislich seiner Überschrift den Erholungsurlaub. Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 TVöD haben Beschäftigte in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts. § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD legt die Dauer dieses Erholungsurlaubs fest. Der Begriff des Erholungsurlaubs wird dabei nicht näher definiert und ist dem BUrlG entlehnt, auf das § 26 Abs. 2 TVöD im Übrigen verweist. Der Erholungsurlaub nach dem BUrlG soll nach der Gesetzesbegründung dem sozialpolitischen Anliegen der Erhaltung und Wiederauffrischung der Arbeitskraft der Arbeitnehmer dienen (vgl. den schriftlichen Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit, BT-Drucks. IV/785; Begründung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Bundesurlaubsgesetzes, BT-Drucks. IV/207). Durch den Erholungsurlaub wird dem Arbeitnehmer die Möglichkeit gesichert, für eine bestimmte Dauer im Jahr, die ihm eingeräumte Freizeit zur selbstbestimmten Erholung zu nutzen (st. Rspr., vgl. BAG 20. Juni 2000 - 9 AZR 405/99 - zu II 2 b bb 1 der Gründe, BAGE 95, 104; 8. März 1984 - 6 AZR 600/82 - zu II 5 b der Gründe, BAGE 45, 184; ebenso st. Rspr. des EuGH zum Jahresurlaub nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG , EuGH 22. No-vember 2011 - C-214/10 - [KHS] Rn. 31, AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 6 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 7; 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06  - [Schultz-Hoff] Rn. 25, Slg. 2009, I-179). Wenn eine Tarifregelung die Urlaubsdauer nach dem Lebensalter staffelt, liegt die Annahme nahe, die Tarifvertragsparteien hätten einem mit zunehmendem Alter gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollen. Die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD rechtfertigt eine solche Annahme freilich nicht, sondern schließt sie aus.

24

(2) Das folgt bereits aus dem Inhalt der Regelung. Die Tarifvorschrift räumt den Beschäftigten schon ab dem 30. Lebensjahr drei weitere Urlaubstage ein. Dafür, dass die Tarifvertragsparteien von einem so deutlich gesteigertem Erholungsbedürfnis bereits nach der Vollendung des 30. Lebensjahres ausgegangen sind, fehlt jeder Anhaltspunkt. Gegen eine solche Annahme spricht auch, dass die Tarifvertragsparteien den Beschäftigten nach der Vollendung des 40. Lebensjahres letztmals nur einen weiteren Urlaubstag gewährt und davon abgesehen haben, ein gesteigertes Erholungsbedürfnis des Beschäftigten in der Zeit bis zum Erreichen des gesetzlich festgelegten Alters für den Bezug der Regelaltersrente (§ 33 Abs. 1 Buchst. a TVöD) zu berücksichtigen. Hätten die Tarifvertragsparteien ein gesteigertes Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter vor Augen gehabt, hätten sie nicht einem 30-Jährigen einen gegenüber einem 29-jährigen Beschäftigten um drei Tage längeren Urlaub gewährt, nach der Vollendung des 40. Lebensjahres des Beschäftigten eine wesentlich geringere Steigerung des Erholungsbedürfnisses angenommen und für die Zeit danach bis zum Erreichen des gesetzlich festgelegten Alters für den Bezug der Regelaltersrente ein zunehmendes Erholungsbedürfnis des Beschäftigten überhaupt nicht mehr berücksichtigt (vgl. Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 478). Auch das Schrifttum nimmt ganz überwiegend an, dass eine tarifliche Urlaubsstaffelung nicht schon auf die Vollendung des 30. bzw. des 40. Lebensjahres abstellen darf, wenn sie einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen will (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22; Tempelmann/Stenslik DStR 2011, 1183, 1186; Richter Benachteiligung wegen des Alters im Erwerbsleben S. 170; Meinel/Heyn/Herms § 10 Rn. 42b; AGG/Voigt § 10 Rn. 33; Hey AGG § 10 Rn. 28; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdle ZTR 2006, 622, 623; Linck/Schütz FS Leinemann S. 181 f.; Senne Auswirkungen des europäischen Verbots der Altersdiskriminierung auf das deutsche Arbeitsrecht S. 269; Bertelsmann ZESAR 2005, 242, 246). Selbst wenn die Erholungsbedürftigkeit von Arbeitnehmern mit zunehmendem Lebensalter steigen sollte (zweifelnd Däubler/Bertzbach/Brors § 10 Rn. 50; aA Waltermann NZA 2005, 1265, 1269), hätte es mit dem Schutz älterer Arbeitnehmer nichts zu tun, bereits mit dem 30. Lebensjahr eine erste Verlängerung des Urlaubsanspruchs um drei Tage und die zweite und zugleich letzte Verlängerung um einen weiteren Urlaubstag bereits mit Vollendung des 40. Lebensjahres vorzusehen (so auch Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22; Adomeit/Mohr § 10 Rn. 105; so bereits zu § 48 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). Es fehlt in beiden Stufen an dem erkennbaren Schutz Älterer. Die Verlängerung des Urlaubsanspruchs bereits mit dem vollendeten 30. Lebensjahr lässt sich kaum mit der Erhaltung der Leistungsfähigkeit Älterer begründen. Auch mit der Vollendung des 40. Lebensjahres hat ein Beschäftigter regelmäßig allenfalls die Mitte seines Erwerbsalters erreicht (vgl. auch Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). Hätten die Tarifvertragsparteien gemäß der Ansicht des Beklagten ein gesteigertes Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter berücksichtigen wollen, hätten sich die gewählten Altersgrenzen nicht an dem mit dem Alter zunehmenden Erholungsbedürfnis orientiert und wären willkürlich.

25

(3) Gerade dieser Umstand bestätigt, dass die Tarifvertragsparteien mit der Regelung in § 26 TVöD weder den Schutz der Gesundheit bezweckten noch einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollten. Hätten sie diese Ziele verfolgt, hätte es nahe gelegen, gerade für die älteren Beschäftigten, zB die Gruppe der über 50- oder über 60-jährigen Beschäftigten, die Dauer des Erholungsurlaubs zu verlängern. Bei dieser Personengruppe ist ein altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis eher nachvollziehbar. Ein solches Schutzbedürfnis für die über 50-Jährigen haben die Tarifvertragsparteien aber nur hinsichtlich der Beschränkung der Höchstdauer des Gesamturlaubs bei besonders belastenden Arbeiten (Schicht- und Wechselschicht) gesehen. Das folgt aus § 27 Abs. 4 Satz 4 TVöD. Danach erhöht sich ab diesem Lebensalter die maximal erreichbare Gesamturlaubsdauer von jährlich 35 auf 36 Arbeitstage.

26

(4) Die Tarifgeschichte bestätigt, dass die Tarifvertragsparteien mit der Urlaubsstaffel nicht einem mit dem Lebensalter steigenden Erholungsbedürfnis Rechnung tragen wollten. Bereits seit dem Inkrafttreten des BAT wurde die Urlaubsdauer an das Lebensalter geknüpft (§ 48 Abs. 1 BAT). Sie steigerte sich auch nach dem vollendeten 30. Lebensjahr und nach dem vollendeten 40. Lebensjahr. Innerhalb der Lebensaltersstufen verlängerte sich die Urlaubsdauer teilweise nach Vergütungsgruppen. Je höher der Angestellte eingruppiert war, je länger war sein Urlaubsanspruch. Dies zeigt, dass nicht der Erholungszweck maßgebend für die Urlaubsdauer sein sollte. Der Urlaub wurde vielmehr als Quasi-Gegenleistung für die Arbeitsleistung geregelt. Nur so lässt sich die normierte Abhängigkeit der Urlaubsdauer von der Vergütungsgruppe erklären. Es kann deshalb nicht angenommen werden, die Tarifvertragsparteien hätten bei Angestellten in höheren Vergütungsgruppen ein gesteigertes Erholungsbedürfnis ausgleichen wollen. Die Differenzierung resultiert vielmehr aus der überkommenen Auffassung, der Urlaub werde „verdient“.

27

5. Die Diskriminierung der Klägerin kann nur durch die Verpflichtung des Beklagten beseitigt werden, der Klägerin für die Jahre 2008 und 2009 jeweils einen Ersatzurlaubstag zu gewähren. Zwar folgt aus § 7 Abs. 2 AGG nur, dass die diskriminierende Regelung unwirksam ist. Auch wird vom Senat nicht verkannt, dass es sich bei § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD um ein Stufensystem handelt, sodass grundsätzlich keine Stufe als die von den Tarifvertragsparteien als „übliche“ Urlaubsdauer gewollte angesehen werden kann. Jedoch kann die Beseitigung der Diskriminierung vorliegend nur durch eine Anpassung „nach oben“ erfolgen.

28

a) Grundsätzlich ist es Aufgabe der Tarifvertragsparteien, eine benachteiligungsfreie Regelung zu treffen, wofür ihnen verschiedene Möglichkeiten zu Verfügung stehen. Doch scheidet eine Aussetzung des Rechtsstreits unter Fristsetzung zur Lückenschließung durch die Tarifvertragsparteien selbst von vornherein aus (aM Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 23). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind für den Fall, dass gesetzliche oder tarifvertragliche Regelungen eine mit der Richtlinie unvereinbare Diskriminierung vorsehen, die nationalen Gerichte gehalten, die Diskriminierung auf jede denkbare Weise und insbesondere dadurch auszuschließen, dass sie die Regelung für die nicht benachteiligte Gruppe auch auf die benachteiligte Gruppe anwenden, ohne die Beseitigung der Diskriminierung durch den Gesetzgeber, die Tarifvertragsparteien oder in anderer Weise abzuwarten (vgl. so bereits zur Richtlinie 76/207/EWG: EuGH 20. März 2003 - C-187/00 - [Kutz-Bauer] Rn. 75, Slg. 2003, I-2741). Auch nach Art. 9 Abs. 3 GG in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wäre eine Aussetzung grundsätzlich allenfalls zur Beseitigung einer Diskriminierung für die Zukunft geboten(vgl. BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 28, NZA 2012, 161). Vorliegend geht es jedoch um die Beseitigung einer Diskriminierung in der Vergangenheit.

29

b) Die Benachteiligung der Klägerin kann nicht auf andere Weise für die Jahre 2008 und 2009 ausgeschlossen werden. Ein Rückgriff auf den noch unterhalb der Eingangstufe des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD liegenden gesetzlichen Mindesturlaub gemäß den §§ 1, 3 BUrlG in Höhe von 20 Arbeitstagen bei einer Fünftagewoche ist hierzu nicht geeignet(aM Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 483; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand Februar 2012, § 26 Rn. 163.5). Der von den §§ 1, 7 AGG bzw. Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgte Zweck, Benachteiligungen zu verhindern oder zu beseitigen, würde nicht erreicht. Da diskriminierende Maßnahmen oder Vereinbarungen nicht hingenommen und ihre Fortwirkung nicht akzeptiert werden darf (vgl. ErfK/Schlachter § 7 AGG Rn. 5), ist auch nicht auf die Eingangsstufe des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD mit 26 Urlaubstagen abzustellen. Hätte die Klägerin nur Anspruch auf die erste Stufe der Urlaubsstaffel, fehlte es an einer Sanktion, die einen tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutz gewährt und abschreckende Wirkung hat (vgl. zu diesem Aspekt: BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 18 ff., NZA 2012, 161).

30

c) Hingegen ist eine Anpassung „nach oben“ zur Beseitigung einer Altersdiskriminierung im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gerechtfertigt, wenn auf andere Weise die Diskriminierung nicht behoben werden kann, weil der Arbeitgeber den Begünstigten für die Vergangenheit die Leistung nicht mehr entziehen kann (vgl. ausführlich: BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 20 ff., NZA 2012, 161). Dies ist vorliegend der Fall. Der den begünstigten Beschäftigten in den Jahren 2008 und 2009 gewährte Urlaub von jährlich 30 Arbeitstagen kann nicht rückwirkend auf 29 oder 26 Arbeitstage begrenzt werden. Die als Urlaub bereits gewährte Freizeit ist nicht kondizierbar.

31

d) Schließlich steht der Anpassung „nach oben“ auch nicht § 15 Abs. 3 AGG entgegen. Danach ist der Arbeitgeber bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fährlässig handelt. Diese Bestimmung bezieht sich allein auf die immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG(vgl. BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 38, NZA 2012, 161; ErfK/Schlachter § 15 AGG Rn. 13) und verhält sich nicht zur Beseitigung einer Diskriminierung durch eine den Diskriminierungsverboten genügende Regelung.

32

e) Der Beklagte kann auch keinen Vertrauensschutz in Anspruch nehmen. In den Jahren 2008 und 2009 galt bereits das am 18. August 2006 in Kraft getretene AGG. Dieses nimmt Dauerschuldverhältnisse und damit auch Arbeitsverhältnisse ebenso wenig wie Tarifverträge aus, die vor dem Inkrafttreten des AGG bereits abgeschlossen waren. Übergangsvorschriften oder Vertrauensschutzregelungen sind insoweit in § 33 AGG nicht vorgesehen. Gemäß § 1 AGG ist ua. Ziel dieses Gesetzes, Benachteiligungen aus Gründen des Alters nicht nur zu verhindern, sondern auch zu beseitigen. Die damit einhergehende unechte Rückwirkung ist zulässig. Der zeitliche Geltungsbereich wird je nach Lage der Verhältnisse im Einzelfall nur durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes beschränkt (vgl. so bereits zu § 81 Abs. 2 SGB IX aF: BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 38, BAGE 129, 72). Dies setzt jedoch in jedem Fall das Vorliegen eines schutzwürdigen Vertrauens voraus, das vorliegend nicht gegeben ist, selbst wenn man die Grundsätze zum Vertrauensschutz bei unechter Rückwirkung von Gesetzen anwendet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Grundsatz des Vertrauensschutzes nur dann verletzt, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (vgl. BVerfG 10. August 2006 - 2 BvR 563/05  - Rn. 14, BVerfGK 9, 28). Zum einen dient das AGG der Umsetzung von EU-Richtlinien zum Schutz vor Diskriminierung im Bereich Beschäftigung und Beruf und enthält insoweit insbesondere im Bereich der Altersdiskriminierung unionsrechtlich verankerte notwendige und bedeutende Regelungen. Zum anderen wäre ein Vertrauen in den Fortbestand der angewandten tarifvertraglichen Regelungen nicht schutzwürdig. Denn die Richtlinie 2000/78/EG wurde schon im Jahr 2000 erlassen und stellt in Art. 16 Buchst. b ausdrücklich klar, dass die Diskriminierungsverbote auch auf tarifvertragliche Bestimmungen Anwendung finden. Nach Art. 18 der Richtlinie 2000/78/EG war diese zudem spätestens zum 2. Dezember 2006 in nationales Recht umzusetzen. Der Beklagte musste ebenso wie die Tarifvertragsparteien damit rechnen, dass tarifvertragliche Regelungen auch am Verbot der Altersdiskriminierung gemessen werden. Deshalb konnte der Beklagte nicht darauf vertrauen, dass auch nach Inkrafttreten des AGG die Urlaubsstaffelregelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD zulässig war, zumal in der Gesetzesbegründung zum AGG die Anknüpfung an das bloße Lebensalter als Mindestgrenze für mit der Beschäftigung verbundener Vorteile nicht unkritisch gesehen wurde(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 36) und im Schrifttum nicht nur vereinzelt die Unwirksamkeit des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD wegen Verstoßes gegen das Verbot der Altersdiskriminierung angenommen wurde (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22 mwN; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdtle ZTR 2006, 622, 623 mwN; so bereits zu § 48 Abs. 1 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156).

33

6. Die Klägerin hat Anspruch auf Ersatzurlaub gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB. Die Resturlaubsansprüche für die Jahre 2008 und 2009 waren mangels Vorliegens eines Übertragungsgrundes nach § 26 Abs. 1 Satz 6 TVöD iVm. § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG zum 31. Dezember des jeweiligen Jahres verfallen. Diesen Untergang hat der Beklagte zu vertreten, weil er sich mit der Gewährung des Urlaubs in Verzug befand.

34

a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus Verzug gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB liegen vor. Die Klägerin hatte in den Jahren 2008 und 2009 Anspruch auf jeweils 30 Urlaubstage. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wandelt sich der Urlaubsanspruch in einen Schadensersatzanspruch um, der auf Gewährung von Ersatzurlaub als Naturalrestitution gerichtet ist, wenn der Arbeitgeber den rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt und der Urlaub aufgrund seiner Befristung verfällt ( BAG 11. April 2006 - 9 AZR 523/05  - Rn. 24, AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116).

35

b) Die Klägerin machte mit Schreiben vom 5. November 2008 unter der Überschrift „Geltendmachung von Urlaubsansprüchen“ Urlaub in Höhe von 30 Tagen nach dem TVöD geltend und bat zudem, den Urlaubsanspruch auch für die Zukunft entsprechend anzupassen. Dahingestellt bleiben kann, ob dies schon ein konkretes Verlangen beinhaltet hat, den Urlaub in den Jahren 2008 und 2009 zu gewähren. Nach der Rechtsprechung des Senats ist hierfür zumindest erforderlich, dass der Arbeitgeber nach den Grundsätzen des § 133 BGB davon ausgehen muss, der Arbeitnehmer wünsche ab einem bestimmten Zeitpunkt Erholungsurlaub(vgl. BAG 17. November 2009 - 9 AZR 745/08 - Rn. 45; 11. April 2006 -  9 AZR 523/05  - Rn. 28, AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116). Maßgebend ist, dass der Beklagte mit Schreiben vom 28. November 2008 erklärt hat, er lehne den Antrag auf Verlängerung des Urlaubs „auf 30 Tage vor Erreichen des 41. Lebensjahres“ ab, weil der Klägerin nach dem für ihn verbindlichen § 26 Abs. 1 TVöD derzeit nur 29 Urlaubstage zustünden. Aus objektiver Empfängersicht lag darin eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung des Beklagten als Schuldner des Urlaubsanspruchs, die gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine Mahnung der Klägerin entbehrlich machte(vgl. BAG 31. Januar 1991 - 8 AZR 462/89  - zu II der Gründe). Denn der Beklagte gab mit diesem Schreiben vor Ablauf des Urlaubsjahres 2008 klar zu erkennen, dass er nicht bereit sei, im laufenden Jahr mehr als 29 Tage Urlaub zu gewähren. Hinsichtlich des weiteren Urlaubstags für das Jahr 2009 folgt der Verzug des Beklagten zudem daraus, dass er jedenfalls mit dem Antrag auf Klageabweisung vom 24. April 2009 und somit vor Ablauf des Urlaubsjahres 2009 zu erkennen gegeben hat, den weiteren Urlaubstag auch im Jahr 2009 nicht gewähren zu wollen. Darin lag ebenso seine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung als Schuldner des Urlaubsanspruchs, die gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine Mahnung der Klägerin ebenfalls entbehrlich machte(vgl. BAG 17. Mai 2011 - 9 AZR 197/10 - Rn. 14, EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 138; 31. Januar 1991 - 8 AZR 462/89  - zu II der Gründe).

36

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

        

        

    Preuß    

        

    Neumann-Redlin    

        

        

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 7. September 2012 - 6 Sa 709/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe des jährlichen Urlaubsanspruchs.

2

Die Beklagte stellt Schuhe her. Die am 10. April 1960 geborene Klägerin ist bei ihr seit dem 1. Juli 1994 als Produktionsmitarbeiterin beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 13. November 2000 ist ua. vereinbart, dass der jährliche Urlaubsanspruch 34 Arbeitstage beträgt. Die Beklagte gewährt allen Arbeitnehmern, die das 58. Lebensjahr vollendet haben, 36 Arbeitstage Jahresurlaub, ohne dass individuelle Vereinbarungen über einen höheren Jahresurlaub vorliegen. Die übrigen Beschäftigten erhalten jährlich 34 Urlaubstage.

3

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Urlaubsregelung sei altersdiskriminierend. Die Behauptung, ältere Mitarbeiter benötigten im Produktionsbetrieb längere Erholungsphasen, sei durch die darlegungsbelastete Beklagte nicht dargetan. Das Bundesurlaubsgesetz stelle bezüglich der Dauer des Urlaubs weder auf die physische Belastung noch auf das Alter der Arbeitnehmer ab. Die Beklagte habe keinen Grund genannt, warum ein gesteigertes Erholungsbedürfnis ausgerechnet mit 58 Jahren eintrete. Zudem könne mit lediglich zwei zusätzlichen Urlaubstagen ein etwaiger höherer Erholungsbedarf nicht ausgeglichen werden. Bei einem stetig steigenden Erholungsbedarf müsste jedenfalls auch die Urlaubsdauer gestaffelt werden. Bei anderen Arbeitnehmergruppen sei ein erhöhter Erholungsbedarf nachvollziehbar. Diese würden jedoch nicht begünstigt. So seien jüngere Arbeitnehmer durch Familie und Beruf oftmals stärker beansprucht als ältere. Die Beklagte habe ihr zur Beseitigung der Diskriminierung jährlich zwei weitere Urlaubstage zu gewähren.

4

Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr 36 Arbeitstage Erholungsurlaub zu gewähren.

5

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, ihre Urlaubsregelung beinhalte keine Diskriminierung. Nach der Lebenserfahrung benötigten ältere Arbeitnehmer, die körperlich ermüdende und schwere Arbeiten verrichten, längere Erholungszeiten als jüngere. Zwei zusätzliche Urlaubstage seien angemessen.

6

Das Arbeitsgericht hat die Klage - soweit für die Revision von Bedeutung - abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Feststellungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, der Klägerin auch schon vor der Vollendung der 58. Lebensjahres insgesamt 36 Arbeitstage Erholungsurlaub pro Jahr zu gewähren.

8

I. Die Klage ist in der gebotenen Auslegung zulässig, insbesondere besteht das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.

9

1. Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer den Umfang des ihm zustehenden Urlaubs gerichtlich festgestellt wissen will, nicht entgegen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 9, BAGE 141, 73; 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - Rn. 13 ff., BAGE 137, 328).

10

2. Die am 10. April 1960 geborene Klägerin hat ein rechtlich anerkennenswertes Interesse daran, alsbald zu erfahren, ob ihr bereits vor der Vollendung ihres 58. Lebensjahres zwei weitere Urlaubstage pro Jahr zustehen. Ihr Antrag bezieht sich dem Wortlaut nach zwar auf den gesamten Jahresurlaub. Er kann jedoch so ausgelegt werden, dass er sich nur auf zwei weitere Urlaubstage im Kalenderjahr bezieht. Zwischen den Parteien besteht kein Streit, dass der Klägerin die vertraglich vereinbarten 34 Urlaubstage pro Jahr zustehen. Die Klägerin hat im Laufe des Verfahrens deutlich gemacht, dass der Antrag auf die Feststellung des Bestehens zweier zusätzlicher Urlaubstage gerichtet ist. Darüber hinaus hat das Landesarbeitsgericht den Klageantrag zutreffend so verstanden, dass er vergangene Urlaubsjahre nicht erfasst. Es handelt sich um einen gegenwartsbezogenen Feststellungsantrag, für dessen Entscheidung grundsätzlich auf die Sachlage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht abzustellen ist (vgl. BAG 15. Mai 2013 - 7 AZR 494/11 - Rn. 15 ff.).

11

II. Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen vor Vollendung ihres 58. Lebensjahres nicht gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 iVm. § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG zwei weitere Urlaubstage zu. Die Urlaubsregelung ist nicht gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam und führt somit bezüglich der Dauer des Urlaubs der Klägerin nicht zu einer „Anpassung nach oben“(siehe dazu BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 27 ff., BAGE 141, 73; vgl. aber auch BAG 14. Mai 2013 - 1 AZR 44/12 - Rn. 25, BAGE 145, 113).

12

1. Es liegt zwar eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor. Diese ist jedoch gemäß § 10 Satz 1, 2 und Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt.

13

a) Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Unter Alter iSd. § 1 AGG ist das Lebensalter zu verstehen. Dies folgt aus dem Wortlaut des Gesetzes und aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/1780 S. 31; BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 14, BAGE 141, 73; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 36, BAGE 129, 181). Eine unmittelbare Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 1 AGG gegeben, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Der für eine unmittelbare Benachteiligung erforderliche Kausalzusammenhang ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere in § 1 AGG genannte Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - aaO mwN).

14

b) Daran gemessen liegt eine unmittelbare Ungleichbehandlung wegen des Alters vor. Die Urlaubsregelung knüpft die Gewährung von zwei weiteren Urlaubstagen an die Vollendung des 58. Lebensjahres und damit unmittelbar an das Lebensalter der Beschäftigten. Arbeitnehmer, die diese Altersgrenze nicht erreicht haben, werden wegen ihres Alters ungünstiger behandelt.

15

c) Die Ungleichbehandlung ist jedoch gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt. Die Regelung bezweckt bei Berücksichtigung eines Gestaltungs- und Ermessensspielraums der Beklagten den in dieser Bestimmung genannten Schutz älterer Beschäftigter und ist geeignet, erforderlich und angemessen im Sinne von § 10 Satz 2 AGG.

16

aa) Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG konkretisiert ua. das legitime Ziel der Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter, wobei dieser Schutz auch die Festlegung besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließen kann (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73).

17

bb) § 10 AGG dient der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16) in das nationale Recht (BAG 18. März 2014 - 3 AZR 69/12 - Rn. 21). Der Gesetzgeber hat bei der Umsetzung den Text der Richtlinie nahezu wörtlich in das nationale Recht übernommen. Dessen Regelungen sind unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszulegen (vgl. BAG 14. März 2012 - 7 AZR 480/08 - Rn. 30).

18

cc) Dem Arbeitgeber steht bei freiwilligen zusätzlichen Leistungen - wozu auch die Gewährung von übergesetzlichem Mehrurlaub gehört - ein von den Gerichten zu respektierender Gestaltungs- und Ermessensspielraum zu (vgl. zu Leistungen der betrieblichen Altersversorgung: BAG 12. November 2013 - 3 AZR 356/12 - Rn. 28; 12. Februar 2013 - 3 AZR 100/11 - Rn. 31 mwN, BAGE 144, 231). Auch in der Rechtsprechung des EuGH ist anerkannt, dass die Mitgliedstaaten und gegebenenfalls die Sozialpartner auf nationaler Ebene beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts nicht nur bei der Entscheidung, welches konkrete Ziel von mehreren im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik sie verfolgen wollen, sondern auch bei der Festlegung der Maßnahmen zu seiner Erreichung über einen weiten Gestaltungsspielraum verfügen (EuGH 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Rn. 68, Slg. 2007, I-8531). Diese Erwägungen gelten nach dem EuGH auch für Ziele, die der Arbeitgeber mit einer vertraglichen Regelung verfolgt (vgl. EuGH 26. September 2013 - C-476/11 - [HK Danmark] Rn. 61).

19

dd) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Benachteiligung der Arbeitnehmer der Beklagten, die das 58. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, gerechtfertigt.

20

(1) Die Beklagte gewährt den Arbeitnehmern in ihrem Produktionsbetrieb nach der Vollendung des 58. Lebensjahres aufgrund ihres gesteigerten Erholungsbedürfnisses zwei weitere Urlaubstage im Kalenderjahr und bezweckt damit die Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. Da dieser Schutz die Festlegung besonderer Arbeitsbedingungen einschließt (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73), unterfallen ihm auch zusätzliche Urlaubstage.

21

(a) Das AGG definiert in § 10 Satz 3 Nr. 1 - ebenso wie Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG - nicht, wann ein Beschäftigter „älter“ im Sinne der Norm ist (vgl. zum herkömmlichen Verständnis: BAG 18. September 2014 - 6 AZR 636/13 - Rn. 44). Nach dem Sinn und Zweck des Benachteiligungsverbots reicht es ohne das Vorliegen anderer Differenzierungsgründe nicht aus, dass das Alter der begünstigten Arbeitnehmer höher ist als das Alter der nicht begünstigten. Dementsprechend hat der Senat angenommen, ein Arbeitnehmer sei nach der Vollendung seines 31. Lebensjahres offensichtlich noch kein älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 55, BAGE 132, 210). Aus dem systematischen Zusammenhang mit § 10 Satz 1 AGG und aus dem Regelungszweck folgt, dass die begünstigten Arbeitnehmer aufgrund ihres Alters der Förderung bei der beruflichen Eingliederung oder des Schutzes bedürfen müssen.

22

(aa) Der Senat ist in seiner Entscheidung vom 20. März 2012 nicht davon ausgegangen, dass mit zunehmenden Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steige. Er hat allerdings ab einem bestimmten Alter - konkret: bei über 50- oder über 60-jährigen Beschäftigten - ein altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis für „eher nachvollziehbar“ gehalten (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 24 f., BAGE 141, 73).

23

(bb) Das Landesarbeitsgericht hat in Übereinstimmung mit der überwiegenden Auffassung im Schrifttum als Erfahrungssatz angenommen, dass mit zunehmenden Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steigt (so auch Tempelmann/Stenslik DStR 2011, 1183, 1185 f.; Lingemann/Gotham NZA 2007, 663, 666; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 143 f.; Waltermann NZA 2005, 1265, 1269; Over Das Verbot der Altersdiskriminierung im Arbeitsrecht nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz S. 231; Küttner/Kania Personalbuch 2014 Diskriminierung Rn. 90; vgl. auch Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 - zu II 2 b cc (3) (a) der Gründe mwN). Diese Ansicht ist allerdings nicht unumstritten. So wird auf die Individualität der Alterungsprozesse und den fehlenden Nachweis von Altersklassen mit spezifischem Erholungsbedarf hingewiesen (Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 1 Rn. 822). Die Aufstellung eines generellen Erfahrungssatzes soll dem traditionellen Bild vom „alten Arbeitnehmer“ entsprechen (Däubler/Bertzbach/Brors 3. Aufl. § 10 Rn. 43). Auch wird hervorgehoben, dass der Gesetzgeber in § 3 BUrlG bezüglich der Dauer des Urlaubs nicht nach dem Lebensalter der Arbeitnehmer unterscheide und demnach nicht von einem unterschiedlichen Erholungsbedürfnis ausgehe(Bertelsmann in Rust/Falke AGG § 10 Rn. 93). Auch auf europäischer Ebene sehe Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG vier Wochen Urlaub einheitlich für alle Berufsgruppen altersunabhängig vor(v. Roetteken AGG Stand September 2014 § 10 Rn. 262). Verlangt wird zumindest die Darlegung eines empirischen Befunds zum steigenden Erholungsbedarf unter Beachtung der Tätigkeit bevorzugter Arbeitnehmer (Däubler/Bertzbach/Brors aaO; aA Kasprzyk Altersdiskriminierung im deutschen Arbeitsrecht S. 185).

24

(b) Erfahrungssätze sind Hilfsmittel. Die Feststellung von allgemein anerkannten Erfahrungssätzen ist als Tatfrage den Tatsachengerichten vorbehalten. Dabei ist es diesen nicht verwehrt, das Bestehen oder Nichtbestehen eines Erfahrungssatzes zu beurteilen, wenn sie dazu über ausreichende Sachkunde und Lebenserfahrung verfügen. Andernfalls haben sie sich der Hilfe eines Sachverständigen zu bedienen. Die Zuziehung eines Sachverständigen zur Unterstützung des Gerichts ist gemäß § 144 Abs. 1 ZPO durch die Tatsachengerichte stets nach pflichtgemäßen Ermessen zu prüfen(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 65 mwN, BAGE 132, 210; vgl. allg. zu Erfahrungssätzen: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 73. Aufl. Einf. § 284 Rn. 22).

25

(c) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Landesarbeitsgericht von der Zuziehung eines Sachverständigen abgesehen hat. Dieses durfte aufgrund der von ihm festgestellten körperlich anstrengenden Tätigkeiten im Produktionsbetrieb der Beklagten auch ohne Sachverständigengutachten annehmen, dass das Erholungsbedürfnis der dort beschäftigten Arbeitnehmer mit zunehmenden Alter steigt. Ob es einen tätigkeitsunabhängigen generellen Zusammenhang zwischen dem Erholungsbedarf und dem Alter gibt (so etwa Kamanabrou aaO), kann dahinstehen.

26

(aa) Die Annahme eines Erfahrungssatzes dahin gehend, dass bei körperlich belastenden Berufen das Erholungsbedürfnis im höheren Alter steigt, begegnet keinen Bedenken. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die physische Belastbarkeit mit zunehmendem Alter abnimmt (etwa BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 67 mwN, BAGE 132, 210; Bayerischer VGH 24. Oktober 2011 - 3 ZB 08.721 - zu II 1 b der Gründe). Dieser Erfahrungssatz betrifft auch den Wirkungszusammenhang von erreichtem Lebensalter und Krankheitsanfälligkeit (Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 - zu II 2 b cc (3) (a) der Gründe mwN). Alle bekannten privaten und öffentlichen Systeme der Kranken-, Renten- und Lebensversicherung beruhen auf dieser Erwartung (BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 54, BAGE 128, 238). Entgegen der Ansicht der Klägerin kommen auch nicht lediglich Studien älteren Datums - wie etwa die ILO-Empfehlung Nr. 162 vom 23. Juni 1980 oder der WHO Technical Report Series 835 „Aging and Working Capacity” (dt. Übersetzung: „Altern und Arbeit“ 1994) - zu diesem Ergebnis. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden bestätigt zB durch den „Fortschrittsreport ‚Altersgerechte Arbeitswelt“, Ausgabe 3 des Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Stand September 2013). Nach diesem hat sich zwar die körperliche Konstitution besonders für die Altersgruppe der 45- bis 64-Jährigen verbessert (Ziff. 3.1). Dennoch zeigt die Studie weiterhin ein Ansteigen der Anzahl der krankheitsbedingten Fehltage sowie eine Verschlechterung des Gesundheitszustands mit fortschreitendem Lebensalter (Ziff. 4.2, Tabelle 2). Insbesondere bei belastenden Berufen nimmt die Anzahl krankheitsbedingter Fehltage im Alter überproportional zu und der Gesundheitszustand verschlechtert sich überproportional (vgl. Ziff. 4.2). Auch bei einfachen Dienstleistungen und einfachen manuellen Berufen verschlechtert sich der „selbstberichtete Gesundheitszustand in der Altersgruppe 55 bis 64 Jahre im Vergleich zum Durchschnitt“ immer noch deutlich (Ziff. 3.4). Zumindest hinsichtlich dieser Berufe erscheint die Annahme eines größeren Erholungsbedarfs im erhöhten Alter als nicht fehlerhaft (ebenso Reinhard ArbRB 2012, 342, 343). Auch Gegner eines allgemeinen Erfahrungssatzes gestehen zu, dass bei gesundheitlich besonders belastenden Tätigkeiten ein gesteigerter Erholungsbedarf mit zunehmendem Alter angenommen werden kann (v. Roetteken aaO; Däubler/Bertzbach/Brors aaO; Löwisch/Rieble § 1 Rn. 823).

27

Soweit das Landesarbeitsgericht auf die teilweise geforderte Darlegung spezifischer empirischer Untersuchungen bezogen auf die Tätigkeiten im Produktionsbetrieb der Beklagten verzichtet hat, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Durchführung derartiger Untersuchungen wäre praktisch aufwändig und schwierig (weiter gehend Kasprzyk aaO: „unmöglich“). Eine übersteigerte Darlegungslast würde die Einführung freiwilliger Leistungen unzumutbar erschweren. Die Feststellungen durch das Landesarbeitsgericht, dass die Beschäftigten der Beklagten bei der Schuhfertigung körperlich ermüdende und teils schwere Arbeiten leisten, verstärkt durch einen besonderen, prämienbezogenen Zeit- und Qualitätsdruck im Sinne eines Teamakkords, genügt danach als Tatsachenbasis für die Bejahung des dargestellten Erfahrungssatzes.

28

(bb) Der Hinweis auf die fehlende Altersstaffelung in § 3 BUrlG und Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG hilft der Klägerin für die Frage der Legitimität des Zwecks nicht weiter. Die Vorschriften regeln nur die Dauer des Mindesturlaubs und damit das unterste Maß dessen, was nach deutschem und europäischem Urlaubsrecht unabhängig von individuellen Besonderheiten zur Erholung erforderlich ist. Spezifische Charakteristika - wie das Alter oder der physische oder psychische Gesundheitszustand - bleiben bei der Setzung eines einheitlichen Minimalstandards naturgemäß außer Betracht. Auf nationaler Ebene kommt hinzu, dass der Gesetzgeber durchaus gesehen hat, dass es altersabhängig einen unterschiedlichen Erholungsbedarf geben kann, wie etwa § 57 Abs. 2 SeeArbG und § 19 Abs. 2 JArbSchG zeigen(siehe dazu v. Roetteken § 10 Rn. 263).

29

(d) Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Sicherstellung des Schutzes ihrer Arbeitnehmer nach Vollendung des 58. Lebensjahres als Zweck der zwei weiteren Urlaubstage vorgeschoben hat.

30

(aa) Allerdings ist dieser Zweck nicht unmittelbar der - nicht schriftlich fixierten - Regelung zu entnehmen. Nennt eine Regelung oder Maßnahme kein Ziel, müssen zumindest aus dem Kontext abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter der Regelung oder der Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, um die Legitimität des Ziels sowie die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüfen zu können (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 19 mwN, BAGE 141, 73; vgl. zur Richtlinie 2000/78/EG: EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 39 mwN, Slg. 2011, I-6919).

31

(bb) Wenn eine Tarifregelung die Urlaubsdauer nach dem Lebensalter staffelt, liegt die Annahme nahe, die Tarifvertragsparteien hätten einem mit zunehmendem Alter gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 23, BAGE 141, 73). Diese Annahme darf freilich nicht durch die konkrete Wahl der Altersgrenze(n) widerlegt werden, wie dies bei § 26 TVöD aF, der zusätzliche Urlaubstage bereits ab dem 30. Lebensjahr vorsah, der Fall war (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 24 ff., aaO).

32

(cc) Es ist kein Grund ersichtlich, bei einer individualrechtlichen Regelung nicht ebenfalls grundsätzlich davon auszugehen, dass mit einer Altersgrenze für die Gewährung zusätzlichen Urlaubs einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer Rechnung getragen werden soll. Diese Annahme erscheint umso mehr gerechtfertigt, wenn sie wie hier mit der Anerkennung eines Erfahrungssatzes bezüglich des gesteigerten Erholungsbedarfs bei körperlich belastenden Berufen korreliert. Hinzu kommt, dass die ständige Übung der Beklagten inhaltlich einer einschlägigen tarifvertraglichen Regelung entspricht. So sah der persönlich, fachlich und räumlich einschlägige Manteltarifvertrag vom 23. April 1997, abgeschlossen zwischen dem Hauptverband der Deutschen Schuhindustrie e. V. und der Gewerkschaft Leder sowie der IG BCE, für gewerbliche Arbeitnehmer in § 17 Ziff. 4 Buchst. a ab dem 58. Lebensjahr ebenfalls zwei zusätzliche Urlaubstage vor. Diese Regelung war im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht nicht durch eine neue Bestimmung abgeändert.

33

(dd) Schließlich widerlegt die Altersgrenze von 58 Lebensjahren nicht den Zweck, mit zwei weiteren Urlaubstagen im Kalenderjahr dem gesteigerten Erholungsbedürfnis Rechnung zu tragen. Dabei kann dahinstehen, ab welchem Alter die Annahme, der zusätzliche Urlaub diene dem höheren Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG, nicht mehr ohne Weiteres aufrechterhalten bzw. als widerlegt erachtet werden kann. Der Senat hat in der Entscheidung vom 20. März 2012 gemäß dem Rechtsgedanken aus § 417 Abs. 1 SGB III eine Altersgrenze von 50 Lebensjahren für die Einordnung als älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG in Betracht gezogen(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73; vgl. zu einer solchen Altersgrenze für die Gewährung zusätzlicher Urlaubstage: Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 -). Das Landesarbeitsgericht hat ergänzend darauf verwiesen, dass Leitlinie 17 der Entscheidung des Rates vom 12. Juli 2005 über Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten (2005/600/EG) Arbeitskräfte ab Vollendung des 55. Lebensjahres als ältere Arbeitnehmer erachtet und die WHO-Studiengruppe „Altern und Arbeit“ aus arbeitsmedizinischer Sicht wegen auftretender Schwierigkeiten in Arbeit und Beruf eine Grenze ab dem 45. Lebensjahr angenommen hat (zu A II 15 b bb (3) (b) der Gründe). Das Berufungsgericht hat damit nachvollziehbar begründet, warum es davon ausgeht, dass die Urlaubsregelung einem legitimen Zweck iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG dient und es diesen Zweck nicht lediglich als von der Beklagten vorgeschoben erachtet.

34

(2) Die Regelung ist geeignet, den in § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG beschriebenen Zweck zu fördern. Insbesondere kann die Klägerin nicht mit dem Argument gehört werden, dass die Gewährung von lediglich zwei Urlaubstagen ungeeignet sei, einen altersbedingt erhöhten Erholungsbedarf auszugleichen. Die Geeignetheit ist nicht deshalb zu verneinen, weil ein gestiegener Erholungsbedarf unter Umständen nicht vollständig, sondern nur partiell ausgeglichen wird. Gerade angesichts des vom Arbeitgeber bei einer freiwilligen Leistung selbst gesetzten Dotierungsrahmens wäre die Beschränkung auf einen Teilausgleich nachvollziehbar und zulässig. Zudem haben auch die Tarifvertragsparteien angesichts der Tätigkeit eines Produktionsmitarbeiters in der Schuhbranche zwei Tage Urlaub für geeignet und ausreichend erachtet. Dass die Beklagte sich die von den Sozialpartnern ausgehandelte Regelung zu eigen macht und im Rahmen ihres Ermessensspielraums eine entsprechende Regelung trifft, ist unter dem Aspekt der Geeignetheit der Regelung nicht zu beanstanden.

35

(3) Die Regelung ist auch erforderlich und angemessen (§ 10 Satz 2 AGG). Mildere Mittel, die in gleicher Weise den Schutz älterer Arbeitnehmer verwirklichen könnten, sind nicht ersichtlich.

36

(a) Die Wahl einer anderen, niedrigeren Altersgrenze stellte kein gleich wirksames, milderes Mittel mit geringerem altersspezifischen Effekt dar. Es handelte sich vielmehr um eine andere Maßnahme mit einem erhöhtem Dotierungsrahmen.

37

(b) Eine niedrigere Altersgrenze verbunden mit nur einem weiteren Urlaubstag im Kalenderjahr müsste zwar nicht zwingend zu einer Erhöhung des Dotierungsrahmens führen. Allerdings hätten dann Arbeitnehmer nach Vollendung des 58. Lebensjahres nicht mehr Anspruch auf den zweiten weiteren Urlaubstag, den die Beklagte im Einklang mit dem einschlägigen Tarifvertrag angesichts des gesteigerten Erholungsbedarfs im höheren Alter in der Schuhproduktion für notwendig erachtet. Der Gestaltungs- und Ermessensspielraum der Beklagten lässt auch im Rahmen der Erforderlichkeit und Angemessenheit die von ihr angewandte Regelung zu. Die Interessen der Beteiligten werden hinreichend berücksichtigt. Es werden lediglich in Übereinstimmung mit dem Abwägungsergebnis der Tarifvertragsparteien die Interessen der über 58-Jährigen an einem zusätzlichen Urlaubstag höher gewichtet als die Interessen der übrigen Beschäftigten, schon im jüngeren Alter einen zusätzlichen Urlaubstag zu erhalten.

38

(c) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Beklagte nicht verpflichtet, zusätzliche Urlaubstage nur nach dem individuell ermittelten Erholungsbedarf unter Einbeziehung altersunabhängiger Belastungsfaktoren, wie der Pflege und Betreuung von Kindern, sowie unter Berücksichtigung des individuellen Alterungsprozesses zu gewähren. Zwar mag es zutreffen, dass es weitere Belastungsfaktoren gibt, die zu einem gesteigerten Erholungsbedarf führen können. Jedoch wäre eine solche individuelle Regelung in vielerlei Hinsicht praktisch nicht oder nur mit großen Schwierigkeiten handhabbar. Dies gilt nicht nur bezüglich der Gewichtung der einzelnen (persönlichen) Belastungsfaktoren untereinander, sondern vor allem auch für deren Ermittlung durch die Beklagte. Auch der Gerichtshof der Europäischen Union hat anerkannt, dass bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Regelung im Hinblick auf das Verbot der Altersdiskriminierung zu beachten ist, dass die fragliche Regelung in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht handhabbar bleiben müsse, und deshalb nicht generell verlangt werden könne, dass immer jeder Einzelfall individuell geprüft werde (EuGH 19. Juni 2014 - C-501/12 ua. - [Specht ua.] Rn. 78). Unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten darf der Arbeitgeber daher im Sinne einer typisierenden Betrachtung in Ausübung seines Gestaltungsspielraums auch einen Grund für ein gesteigertes Erholungsbedürfnis - wie etwa das Alter in belastenden Berufen - als Differenzierungskriterium heranziehen. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG enthält kein Gebot, die dort genannten typischerweise besonders schutzbedürftigen Personengruppen (Jugendliche, ältere Beschäftigte und Personen mit Fürsorgepflichten) hinsichtlich besonderer Arbeitsbedingungen gleich zu behandeln.

39

2. Aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz folgt ebenfalls kein Anspruch der Klägerin auf die begehrten zwei zusätzlichen Urlaubstage. Ist - wie hier - die unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmergruppen aus einem in § 1 AGG genannten Grund unter den im AGG normierten Voraussetzungen zulässig, ist auch der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt(ebenso bezüglich des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes: BAG 17. September 2013 - 3 AZR 686/11 - Rn. 25 mwN). Eine sachwidrige Ungleichbehandlung kommt angesichts der Rechtfertigung gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG nicht in Betracht.

40

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

        

        

    M. Lücke    

        

    Kranzusch    

                 

Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein. Derartige unterschiedliche Behandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:

1.
die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlohnung und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Beschäftigten und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen,
2.
die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile,
3.
die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung auf Grund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder auf Grund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand,
4.
die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen,
5.
eine Vereinbarung, die die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der oder die Beschäftigte eine Rente wegen Alters beantragen kann; § 41 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch bleibt unberührt,
6.
Differenzierungen von Leistungen in Sozialplänen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes, wenn die Parteien eine nach Alter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung geschaffen haben, in der die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigt worden sind, oder Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplans ausgeschlossen haben, die wirtschaftlich abgesichert sind, weil sie, gegebenenfalls nach Bezug von Arbeitslosengeld, rentenberechtigt sind.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. März 2010 - 20 Sa 2058/09 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Eberswalde vom 8. Juli 2009 - 3 Ca 140/09 - wird zurückgewiesen und der Tenor dieses Urteils zur Klarstellung neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass der Klägerin für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein weiterer Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht.

3. Der Beklagte hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin in den Jahren 2008 und 2009 Anspruch auf jeweils 29 oder 30 Urlaubstage hatte.

2

Die am 27. Oktober 1971 geborene Klägerin ist seit dem 1. September 1988 bei dem beklagten Landkreis als Angestellte mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden in der Fünftagewoche beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13. September 2005 in der Fassung des Änderungstarifvertrags Nr. 2 vom 31. März 2008 (TVöD) Anwendung. Dieser bestimmt ua.:

        

§ 26 

        

Erholungsurlaub

        

(1)     

Beschäftigte haben in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts (§ 21). Bei Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf fünf Tage in der Kalenderwoche beträgt der Urlaubsanspruch in jedem Kalenderjahr

                 

bis zum vollendeten 30. Lebensjahr

26 Arbeitstage,

                 

bis zum vollendeten 40. Lebensjahr

29 Arbeitstage und

                 

nach dem vollendeten 40. Lebensjahr

30 Arbeitstage.

                 

Maßgebend für die Berechnung der Urlaubsdauer ist das Lebensjahr, das im Laufe des Kalenderjahres vollendet wird. Bei einer anderen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit als auf fünf Tage in der Woche erhöht oder vermindert sich der Urlaubsanspruch entsprechend. Verbleibt bei der Berechnung des Urlaubs ein Bruchteil, der mindestens einen halben Urlaubstag ergibt, wird er auf einen vollen Urlaubstag aufgerundet; Bruchteile von weniger als einem halben Urlaubstag bleiben unberücksichtigt. Der Erholungsurlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und kann auch in Teilen genommen werden.

        

…       

        
        

§ 27   

        

Zusatzurlaub

        

(1)     

Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit nach § 7 Abs. 1 oder ständig Schichtarbeit nach § 7 Abs. 2 leisten und denen die Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 1 oder Abs. 6 Satz 1 zusteht, erhalten

                 

a)    

bei Wechselschichtarbeit für je zwei zusammenhängende Monate und

                 

b)    

bei Schichtarbeit für je vier zusammenhängende Monate

                 

einen Arbeitstag Zusatzurlaub.

        

(2)     

Im Falle nicht ständiger Wechselschicht- oder Schichtarbeit (z. B. ständige Vertreter) erhalten Beschäftigte des Bundes, denen die Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 2 oder Abs. 6 Satz 2 zusteht, einen Arbeitstag Zusatzurlaub für

                 

a)    

je drei Monate im Jahr, in denen sie überwiegend Wechselschichtarbeit geleistet haben, und

                 

b)    

je fünf Monate im Jahr, in denen sie überwiegend Schichtarbeit geleistet haben.

        

…       

                 
        

(4)     

Zusatzurlaub nach diesem Tarifvertrag und sonstigen Bestimmungen mit Ausnahme von § 125 SGB IX wird nur bis zu insgesamt sechs Arbeitstagen im Kalenderjahr gewährt. Erholungsurlaub und Zusatzurlaub (Gesamturlaub) dürfen im Kalenderjahr zusammen 35 Arbeitstage nicht überschreiten. Satz 2 ist für Zusatzurlaub nach den Absätzen 1 und 2 hierzu nicht anzuwenden. Bei Beschäftigten, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, gilt abweichend von Satz 2 eine Höchstgrenze von 36 Arbeitstagen; § 26 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

        

…“    

        
3

Mit Schreiben vom 5. November 2008 machte die Klägerin gegenüber dem Beklagten einen jährlichen Gesamturlaub in Höhe von 30 Tagen für das Jahr 2008 und die Zukunft nach dem TVöD geltend. Der Beklagte lehnte die Gewährung von 30 Urlaubstagen vor der Vollendung des 40. Lebensjahres der Klägerin unter Hinweis auf die Verbindlichkeit der Regelung des § 26 Abs. 1 TVöD mit Schreiben vom 28. November 2008 ab. Die Klägerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 11. Februar 2009 die vorliegende Klage erhoben.

4

Sie hat die Ansicht vertreten, sie habe auch vor der Vollendung ihres 40. Lebensjahres Anspruch auf jährlich 30 und nicht nur 29 Urlaubstage. Die an das Lebensalter anknüpfende Staffelung des tariflichen Urlaubsanspruchs sei eine Diskriminierung wegen des Alters. Die in der Tarifregelung enthaltene Ungleichbehandlung jüngerer Arbeitnehmer sei nicht durch § 10 AGG gerechtfertigt. Im Übrigen würden die gesundheitlichen Wirkungen zusätzlichen Urlaubs zur Vermeidung beispielsweise von Stresserscheinungen am Arbeitsplatz auch in der medizinischen Literatur kontrovers diskutiert.

5

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass ihr für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht.

6

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Diese sei bereits unzulässig, da das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO nötige Feststellungsinteresse fehle. Schließlich sei die Klage auch unbegründet. Die Altersstufenregelung des § 26 Abs. 1 TVöD sei durch einen sachlichen Grund nach § 10 AGG gerechtfertigt. Die Festlegung eines Mindestalters für die Gewährung von 30 Urlaubstagen pro Kalenderjahr stelle eine besondere Beschäftigungsbedingung zum Schutz älterer Beschäftigter bzw. eine Mindestanforderung an das Alter für einen mit der Beschäftigung verbundenen Vorteil dar, der zur Erreichung eines legitimen Ziels angemessen und erforderlich sei. Ältere Arbeitnehmer seien mit zunehmendem Alter aufgrund beruflicher Belastungen länger krank. Um diesen Umstand Rechnung zu tragen, hätten die Tarifvertragsparteien mit der Regelung in § 26 Abs. 1 TVöD auf das verstärkte Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer reagiert und deren Leistungsfähigkeit stärken wollen. Der Aspekt des Gesundheitsschutzes älterer Arbeitnehmer sei daher geeignet, die Ungleichbehandlung jüngerer Beschäftigter zu rechtfertigen. Schließlich würde auch eine Diskriminierung keine Angleichung „nach oben“ zur Folge haben.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die Wiederherstellung der stattgebenden Entscheidung des Arbeitsgerichts. Der Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

A. Die zulässige Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf die geltend gemachten Ersatzurlaubstage.

9

I. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Feststellungsklage zulässig ist. Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse daran, durch das Gericht feststellen zu lassen, ob ihr für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht ( § 256 Abs. 1 ZPO ). Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer den Umfang des ihm zustehenden Urlaubs gerichtlich festgestellt haben will, nicht entgegen (vgl. BAG 12. April 2011 - 9 AZR 80/10  - Rn. 13 bis 15, EzA BUrlG § 7 Nr. 123).

10

II. Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten für den ihr in den Jahren 2008 und 2009 jeweils verweigerten 30. Urlaubstag gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB Anspruch auf jeweils einen Tag Ersatzurlaub. Die Urlaubsstaffelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD verstößt gegen die §§ 1, 3 Abs. 1 AGG. Denn sie gewährt Beschäftigten, die das 30., aber noch nicht das 40. Lebensjahr vollendet haben, einen um einen Tag kürzeren Urlaub. Sie ist deshalb nach § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG iVm. § 134 BGB unwirksam. Dies hat zur Folge, dass die Klägerin auch vor der Vollendung ihres 40. Lebensjahres in jedem Kalenderjahr Anspruch auf 30 Urlaubstage hatte. Ihr steht für die Jahre 2008 und 2009 jeweils noch ein Tag Ersatzurlaub zu, weil der Beklagte ihr in diesen Jahren nur jeweils 29 Urlaubstage gewährte.

11

1. Nach § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD standen der am 27. Oktober 1971 geborenen Klägerin in den Jahren 2008 und 2009 jeweils 29 Urlaubstage zu. Erst nach dem vollendeten 40. Lebensjahr gewährt ihr diese Tarifregelung einen jährlichen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen. Diese an das Lebensalter anknüpfende Staffelung der Urlaubsdauer verstößt gegen das Verbot der Altersdiskriminierung in § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG. Sie ist als sachlich nicht nach den §§ 8, 10 AGG gerechtfertigte unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters gemäß § 7 Abs. 2 AGG iVm. § 134 BGB unwirksam. Zur Beseitigung dieser Diskriminierung ist eine Anpassung auf 30 Urlaubstage erforderlich.

12

2. Zutreffend haben die Vorinstanzen die Regelung in § 26 Abs. 1 TVöD am AGG gemessen. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG gelten die Diskriminierungsverbote der §§ 1, 7 AGG auch für die in kollektivrechtlichen Vereinbarungen geregelten Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen. Unter solchen Bedingungen sind alle Umstände zu verstehen, aufgrund derer und unter denen die Arbeitsleistung zu erbringen ist (vgl. BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 54, BAGE 132, 210). Zu den Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen gehört damit auch der Urlaub. Der Umstand, dass die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b TVöD bereits am 1. Januar 2006 und somit schon vor dem AGG vom 14. August 2006 in Kraft getreten ist, steht dem nicht entgegen. Die für die Jahre 2008 und 2009 geltend gemachte Benachteiligung durch § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD ist erst nach Inkrafttreten des AGG am 18. August 2006 eingetreten. Da § 33 Abs. 1 AGG insoweit keine Übergangsregelung enthält, findet dieses Gesetz auch dann Anwendung, wenn die Benachteiligung auf einem vor Inkrafttreten des AGG abgeschlossenen Tarifvertrag beruht. Es kommt allein auf den Zeitpunkt der Benachteiligungshandlung an (BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 33, BAGE 129, 72).

13

3. Die Urlaubsstaffelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD enthält eine auf dem Merkmal des Alters beruhende Ungleichbehandlung der Beschäftigten, die das 30. bzw. das 40. Lebensjahr nicht vollendet haben. Das ist eine unmittelbare Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer wegen des Alters iSv. § 3 Abs. 1 AGG.

14

a) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Beim Alter handelt es sich um einen in § 1 AGG genannten Grund, wobei unter Alter das Lebensalter zu verstehen ist. Dies folgt aus dem gesetzlichen Wortlaut und auch aus der Gesetzesbegründung ( BT-Drucks. 16/1780 S. 31; BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 49, BAGE 132, 210; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07  - Rn. 36, BAGE 129, 181). Der für eine unmittelbare Benachteiligung erforderliche Kausalzusammenhang ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere in § 1 AGG genannte Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 32; BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 50, aaO).

15

b) Diese Voraussetzung ist erfüllt. § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD sieht für Beschäftigte bei einer Fünftagewoche in jedem Kalenderjahr einen Urlaubsanspruch bis zum vollendeten 30. Lebensjahr in Höhe von 26 Arbeitstagen, bis zum vollendeten 40. Lebensjahr in Höhe von 29 Arbeitstagen und erst nach dem vollendeten 40. Lebensjahr in Höhe von 30 Arbeitstagen vor. Die Höhe des Urlaubsanspruchs nach § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD knüpft damit in allen Stufen unmittelbar an das Lebensalter der Beschäftigten an. Danach haben Beschäftigte wie die Klägerin, die zwar das 30. Lebensjahr, aber noch nicht das 40. Lebensjahr vollendet haben, in jedem Jahr nur Anspruch auf 29 statt auf 30 Urlaubstage. Sie werden ebenso wie die unter 30-Jährigen im Vergleich zu den Beschäftigten, die das 40. Lebensjahr vollendet haben, hinsichtlich der Höhe des Urlaubsanspruchs wegen ihres geringeren Alters ungünstiger behandelt.

16

4. Diese Ungleichbehandlung ist nicht gerechtfertigt.

17

a) Bei ihr handelt es sich nicht um eine nach § 8 AGG zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen. Die Urlaubsstaffel des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD knüpft nicht an die Art der auszuübenden Tätigkeit oder die Bedingungen ihrer Ausübung an. Sie stellt nicht auf die Art der auszuübenden Tätigkeit ab und beansprucht damit Geltung für alle dem TVöD unterfallenden Beschäftigten.

18

b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Ungleichbehandlung auch nicht nach § 10 AGG sachlich gerechtfertigt(so ebenfalls die herrschende Meinung in der Literatur, vgl. Linck/Schütz FS Leinemann, S. 181 f.; Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV Stand Januar 2012 E § 26 TVöD Rn. 22; AGG/Voigt 3. Aufl. § 10 Rn. 33; Meinel/Heyn/Herms AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 42b; Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 105; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdtle ZTR 2006, 622, 623 mwN; Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 478; vgl. ferner bereits zu § 48 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). § 10 Satz 1 AGG lässt eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters ungeachtet der Regelung des § 8 AGG zu, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Zudem müssen die Mittel zur Erreichung dieses Ziels nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist die an das Lebensalter anknüpfende Differenzierung in § 26 Abs. 1 TVöD nicht sachlich gerechtfertigt, weil sie einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung trägt und deren Gesundheit schützen will. Dabei kann dahinstehen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen das Ziel des Gesundheitsschutzes eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen würde. Die Tarifvorschrift verfolgt dieses Ziel schon nicht.

19

aa) Die Tarifvertragsparteien haben das mit der in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD geregelten Urlaubsstaffelung verfolgte Ziel nicht ausdrücklich genannt. Nennt eine Regelung oder Maßnahme kein Ziel, müssen zumindest aus dem Kontext abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter der Regelung oder der Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, um die Legitimität des Ziels sowie die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüfen zu können. Dabei können nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die sozialpolitischen Ziele als legitim angesehen werden, die im allgemeinen Interesse stehen. Derjenige, der eine Ungleichbehandlung vornimmt, muss den nationalen Gerichten in geeigneter Weise die Möglichkeit zur Prüfung einräumen, ob mit der Ungleichbehandlung ein Ziel angestrebt wird, das die Ungleichbehandlung unter Beachtung der Ziele der Richtlinie 2000/78/EG rechtfertigt (vgl. EuGH 5. März 2009 - C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 45 ff., Slg. 2009, I-1569; BAG 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08  - Rn. 36 ff., BAGE 131, 61). Denn das nationale Gericht hat zu prüfen, ob die Regelung oder Maßnahme ein rechtmäßiges Ziel iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgt. Gleiches gilt für die Frage, ob die Tarifvertragsparteien als Normgeber angesichts des vorhandenen Wertungsspielraums davon ausgehen durften, dass die gewählten Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich waren (vgl. EuGH 5. März 2009 -  C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 49 ff., aaO; vgl. auch BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 57, BAGE 132, 210).

20

bb) Die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD dient nicht dem Schutz älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. Diese gesetzliche Regelung konkretisiert das legitime Ziel, nämlich ua. die Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter, wobei dieser Schutz auch die Festlegung besonderer Arbeitsbedingungen einschließen kann. Aus einer tariflichen Urlaubsstaffelung, die - wie die in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD - den Beschäftigten bereits nach Vollendung des 30. Lebensjahres drei weitere Urlaubstage und dann nach Vollendung des 40. Lebensjahres letztmals einen zusätzlichen Urlaubstag gewährt, lässt sich nicht ableiten, dass die Tarifvertragsparteien einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollten und das Ziel verfolgten, den Schutz älterer Beschäftigter iSd. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG sicherzustellen. Wenn sich auch eine genaue Schwelle für die Zuordnung zu den älteren Arbeitnehmern weder dieser Regelung selbst noch Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG entnehmen lässt, so ist diese freilich an der Zielsetzung (vgl. zu dieser Däubler/Bertzbach/Brors 2. Aufl. § 10 Rn. 42) auszurichten. Einen arbeitsmarktpolitischen Zweck verfolgt zB § 417 Abs. 1 SGB III, wonach Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die das 50. Lebensjahr vollendet haben und ihre Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung beenden oder vermeiden, unter den in der Vorschrift genannten Voraussetzungen Anspruch auf Leistungen der Entgeltsicherung haben. Diese Regelung der Entgeltsicherung bezweckt, die Arbeitslosigkeit älterer Arbeitnehmer abzubauen und ihren Anteil an der erwerbstätigen Bevölkerung zu erhöhen (vgl. BT-Drucks. 17/1945 S. 17). Im Vergleich zu der in § 417 Abs. 1 SGB III genannten Altersgruppe setzt sich die durch die Urlaubsstaffel in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD begünstigte Beschäftigtengruppe, der ein Urlaubsanspruch von jährlich 30 Arbeitstagen eingeräumt wird, nicht ausnahmslos aus älteren Beschäftigten zusammen. Vielmehr gehören ihr alle Beschäftigten ab Vollendung des 40. Lebensjahres an. Der Senat hat bereits entschieden, dass ein Arbeitnehmer jedenfalls ab Vollendung des 31. Lebensjahres offensichtlich kein älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG ist(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 55, BAGE 132, 210).

21

cc) Ein legitimes Ziel iSd. § 10 AGG ergibt sich entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts auch nicht aus § 10 Satz 3 Nr. 2 AGG. Danach kann eine zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile einschließen. Diese Regelung bestimmt selbst kein legitimes Ziel, sondern beschreibt nur ein mögliches Mittel, mit der ein auf andere Weise zu legitimierendes Ziel gerechtfertigt werden kann (vgl. ErfK/Schlachter 12. Aufl. § 10 AGG Rn. 6), sofern es erforderlich und angemessen iSd. § 10 Satz 2 AGG ist.

22

dd) Die Tarifvertragsparteien verfolgen entgegen der Auffassung des Beklagten nicht das Ziel des Gesundheitsschutzes älterer Arbeitnehmer.

23

(1) Das mit der Urlaubsstaffelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD verfolgte Ziel lässt sich nicht mit ausreichender Deutlichkeit aus dem Wortlaut des § 26 TVöD entnehmen. § 26 TVöD normiert ausweislich seiner Überschrift den Erholungsurlaub. Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 TVöD haben Beschäftigte in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts. § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD legt die Dauer dieses Erholungsurlaubs fest. Der Begriff des Erholungsurlaubs wird dabei nicht näher definiert und ist dem BUrlG entlehnt, auf das § 26 Abs. 2 TVöD im Übrigen verweist. Der Erholungsurlaub nach dem BUrlG soll nach der Gesetzesbegründung dem sozialpolitischen Anliegen der Erhaltung und Wiederauffrischung der Arbeitskraft der Arbeitnehmer dienen (vgl. den schriftlichen Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit, BT-Drucks. IV/785; Begründung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Bundesurlaubsgesetzes, BT-Drucks. IV/207). Durch den Erholungsurlaub wird dem Arbeitnehmer die Möglichkeit gesichert, für eine bestimmte Dauer im Jahr, die ihm eingeräumte Freizeit zur selbstbestimmten Erholung zu nutzen (st. Rspr., vgl. BAG 20. Juni 2000 - 9 AZR 405/99 - zu II 2 b bb 1 der Gründe, BAGE 95, 104; 8. März 1984 - 6 AZR 600/82 - zu II 5 b der Gründe, BAGE 45, 184; ebenso st. Rspr. des EuGH zum Jahresurlaub nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG , EuGH 22. No-vember 2011 - C-214/10 - [KHS] Rn. 31, AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 6 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 7; 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06  - [Schultz-Hoff] Rn. 25, Slg. 2009, I-179). Wenn eine Tarifregelung die Urlaubsdauer nach dem Lebensalter staffelt, liegt die Annahme nahe, die Tarifvertragsparteien hätten einem mit zunehmendem Alter gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollen. Die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD rechtfertigt eine solche Annahme freilich nicht, sondern schließt sie aus.

24

(2) Das folgt bereits aus dem Inhalt der Regelung. Die Tarifvorschrift räumt den Beschäftigten schon ab dem 30. Lebensjahr drei weitere Urlaubstage ein. Dafür, dass die Tarifvertragsparteien von einem so deutlich gesteigertem Erholungsbedürfnis bereits nach der Vollendung des 30. Lebensjahres ausgegangen sind, fehlt jeder Anhaltspunkt. Gegen eine solche Annahme spricht auch, dass die Tarifvertragsparteien den Beschäftigten nach der Vollendung des 40. Lebensjahres letztmals nur einen weiteren Urlaubstag gewährt und davon abgesehen haben, ein gesteigertes Erholungsbedürfnis des Beschäftigten in der Zeit bis zum Erreichen des gesetzlich festgelegten Alters für den Bezug der Regelaltersrente (§ 33 Abs. 1 Buchst. a TVöD) zu berücksichtigen. Hätten die Tarifvertragsparteien ein gesteigertes Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter vor Augen gehabt, hätten sie nicht einem 30-Jährigen einen gegenüber einem 29-jährigen Beschäftigten um drei Tage längeren Urlaub gewährt, nach der Vollendung des 40. Lebensjahres des Beschäftigten eine wesentlich geringere Steigerung des Erholungsbedürfnisses angenommen und für die Zeit danach bis zum Erreichen des gesetzlich festgelegten Alters für den Bezug der Regelaltersrente ein zunehmendes Erholungsbedürfnis des Beschäftigten überhaupt nicht mehr berücksichtigt (vgl. Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 478). Auch das Schrifttum nimmt ganz überwiegend an, dass eine tarifliche Urlaubsstaffelung nicht schon auf die Vollendung des 30. bzw. des 40. Lebensjahres abstellen darf, wenn sie einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen will (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22; Tempelmann/Stenslik DStR 2011, 1183, 1186; Richter Benachteiligung wegen des Alters im Erwerbsleben S. 170; Meinel/Heyn/Herms § 10 Rn. 42b; AGG/Voigt § 10 Rn. 33; Hey AGG § 10 Rn. 28; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdle ZTR 2006, 622, 623; Linck/Schütz FS Leinemann S. 181 f.; Senne Auswirkungen des europäischen Verbots der Altersdiskriminierung auf das deutsche Arbeitsrecht S. 269; Bertelsmann ZESAR 2005, 242, 246). Selbst wenn die Erholungsbedürftigkeit von Arbeitnehmern mit zunehmendem Lebensalter steigen sollte (zweifelnd Däubler/Bertzbach/Brors § 10 Rn. 50; aA Waltermann NZA 2005, 1265, 1269), hätte es mit dem Schutz älterer Arbeitnehmer nichts zu tun, bereits mit dem 30. Lebensjahr eine erste Verlängerung des Urlaubsanspruchs um drei Tage und die zweite und zugleich letzte Verlängerung um einen weiteren Urlaubstag bereits mit Vollendung des 40. Lebensjahres vorzusehen (so auch Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22; Adomeit/Mohr § 10 Rn. 105; so bereits zu § 48 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). Es fehlt in beiden Stufen an dem erkennbaren Schutz Älterer. Die Verlängerung des Urlaubsanspruchs bereits mit dem vollendeten 30. Lebensjahr lässt sich kaum mit der Erhaltung der Leistungsfähigkeit Älterer begründen. Auch mit der Vollendung des 40. Lebensjahres hat ein Beschäftigter regelmäßig allenfalls die Mitte seines Erwerbsalters erreicht (vgl. auch Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). Hätten die Tarifvertragsparteien gemäß der Ansicht des Beklagten ein gesteigertes Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter berücksichtigen wollen, hätten sich die gewählten Altersgrenzen nicht an dem mit dem Alter zunehmenden Erholungsbedürfnis orientiert und wären willkürlich.

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(3) Gerade dieser Umstand bestätigt, dass die Tarifvertragsparteien mit der Regelung in § 26 TVöD weder den Schutz der Gesundheit bezweckten noch einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollten. Hätten sie diese Ziele verfolgt, hätte es nahe gelegen, gerade für die älteren Beschäftigten, zB die Gruppe der über 50- oder über 60-jährigen Beschäftigten, die Dauer des Erholungsurlaubs zu verlängern. Bei dieser Personengruppe ist ein altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis eher nachvollziehbar. Ein solches Schutzbedürfnis für die über 50-Jährigen haben die Tarifvertragsparteien aber nur hinsichtlich der Beschränkung der Höchstdauer des Gesamturlaubs bei besonders belastenden Arbeiten (Schicht- und Wechselschicht) gesehen. Das folgt aus § 27 Abs. 4 Satz 4 TVöD. Danach erhöht sich ab diesem Lebensalter die maximal erreichbare Gesamturlaubsdauer von jährlich 35 auf 36 Arbeitstage.

26

(4) Die Tarifgeschichte bestätigt, dass die Tarifvertragsparteien mit der Urlaubsstaffel nicht einem mit dem Lebensalter steigenden Erholungsbedürfnis Rechnung tragen wollten. Bereits seit dem Inkrafttreten des BAT wurde die Urlaubsdauer an das Lebensalter geknüpft (§ 48 Abs. 1 BAT). Sie steigerte sich auch nach dem vollendeten 30. Lebensjahr und nach dem vollendeten 40. Lebensjahr. Innerhalb der Lebensaltersstufen verlängerte sich die Urlaubsdauer teilweise nach Vergütungsgruppen. Je höher der Angestellte eingruppiert war, je länger war sein Urlaubsanspruch. Dies zeigt, dass nicht der Erholungszweck maßgebend für die Urlaubsdauer sein sollte. Der Urlaub wurde vielmehr als Quasi-Gegenleistung für die Arbeitsleistung geregelt. Nur so lässt sich die normierte Abhängigkeit der Urlaubsdauer von der Vergütungsgruppe erklären. Es kann deshalb nicht angenommen werden, die Tarifvertragsparteien hätten bei Angestellten in höheren Vergütungsgruppen ein gesteigertes Erholungsbedürfnis ausgleichen wollen. Die Differenzierung resultiert vielmehr aus der überkommenen Auffassung, der Urlaub werde „verdient“.

27

5. Die Diskriminierung der Klägerin kann nur durch die Verpflichtung des Beklagten beseitigt werden, der Klägerin für die Jahre 2008 und 2009 jeweils einen Ersatzurlaubstag zu gewähren. Zwar folgt aus § 7 Abs. 2 AGG nur, dass die diskriminierende Regelung unwirksam ist. Auch wird vom Senat nicht verkannt, dass es sich bei § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD um ein Stufensystem handelt, sodass grundsätzlich keine Stufe als die von den Tarifvertragsparteien als „übliche“ Urlaubsdauer gewollte angesehen werden kann. Jedoch kann die Beseitigung der Diskriminierung vorliegend nur durch eine Anpassung „nach oben“ erfolgen.

28

a) Grundsätzlich ist es Aufgabe der Tarifvertragsparteien, eine benachteiligungsfreie Regelung zu treffen, wofür ihnen verschiedene Möglichkeiten zu Verfügung stehen. Doch scheidet eine Aussetzung des Rechtsstreits unter Fristsetzung zur Lückenschließung durch die Tarifvertragsparteien selbst von vornherein aus (aM Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 23). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind für den Fall, dass gesetzliche oder tarifvertragliche Regelungen eine mit der Richtlinie unvereinbare Diskriminierung vorsehen, die nationalen Gerichte gehalten, die Diskriminierung auf jede denkbare Weise und insbesondere dadurch auszuschließen, dass sie die Regelung für die nicht benachteiligte Gruppe auch auf die benachteiligte Gruppe anwenden, ohne die Beseitigung der Diskriminierung durch den Gesetzgeber, die Tarifvertragsparteien oder in anderer Weise abzuwarten (vgl. so bereits zur Richtlinie 76/207/EWG: EuGH 20. März 2003 - C-187/00 - [Kutz-Bauer] Rn. 75, Slg. 2003, I-2741). Auch nach Art. 9 Abs. 3 GG in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wäre eine Aussetzung grundsätzlich allenfalls zur Beseitigung einer Diskriminierung für die Zukunft geboten(vgl. BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 28, NZA 2012, 161). Vorliegend geht es jedoch um die Beseitigung einer Diskriminierung in der Vergangenheit.

29

b) Die Benachteiligung der Klägerin kann nicht auf andere Weise für die Jahre 2008 und 2009 ausgeschlossen werden. Ein Rückgriff auf den noch unterhalb der Eingangstufe des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD liegenden gesetzlichen Mindesturlaub gemäß den §§ 1, 3 BUrlG in Höhe von 20 Arbeitstagen bei einer Fünftagewoche ist hierzu nicht geeignet(aM Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 483; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand Februar 2012, § 26 Rn. 163.5). Der von den §§ 1, 7 AGG bzw. Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgte Zweck, Benachteiligungen zu verhindern oder zu beseitigen, würde nicht erreicht. Da diskriminierende Maßnahmen oder Vereinbarungen nicht hingenommen und ihre Fortwirkung nicht akzeptiert werden darf (vgl. ErfK/Schlachter § 7 AGG Rn. 5), ist auch nicht auf die Eingangsstufe des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD mit 26 Urlaubstagen abzustellen. Hätte die Klägerin nur Anspruch auf die erste Stufe der Urlaubsstaffel, fehlte es an einer Sanktion, die einen tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutz gewährt und abschreckende Wirkung hat (vgl. zu diesem Aspekt: BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 18 ff., NZA 2012, 161).

30

c) Hingegen ist eine Anpassung „nach oben“ zur Beseitigung einer Altersdiskriminierung im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gerechtfertigt, wenn auf andere Weise die Diskriminierung nicht behoben werden kann, weil der Arbeitgeber den Begünstigten für die Vergangenheit die Leistung nicht mehr entziehen kann (vgl. ausführlich: BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 20 ff., NZA 2012, 161). Dies ist vorliegend der Fall. Der den begünstigten Beschäftigten in den Jahren 2008 und 2009 gewährte Urlaub von jährlich 30 Arbeitstagen kann nicht rückwirkend auf 29 oder 26 Arbeitstage begrenzt werden. Die als Urlaub bereits gewährte Freizeit ist nicht kondizierbar.

31

d) Schließlich steht der Anpassung „nach oben“ auch nicht § 15 Abs. 3 AGG entgegen. Danach ist der Arbeitgeber bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fährlässig handelt. Diese Bestimmung bezieht sich allein auf die immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG(vgl. BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 38, NZA 2012, 161; ErfK/Schlachter § 15 AGG Rn. 13) und verhält sich nicht zur Beseitigung einer Diskriminierung durch eine den Diskriminierungsverboten genügende Regelung.

32

e) Der Beklagte kann auch keinen Vertrauensschutz in Anspruch nehmen. In den Jahren 2008 und 2009 galt bereits das am 18. August 2006 in Kraft getretene AGG. Dieses nimmt Dauerschuldverhältnisse und damit auch Arbeitsverhältnisse ebenso wenig wie Tarifverträge aus, die vor dem Inkrafttreten des AGG bereits abgeschlossen waren. Übergangsvorschriften oder Vertrauensschutzregelungen sind insoweit in § 33 AGG nicht vorgesehen. Gemäß § 1 AGG ist ua. Ziel dieses Gesetzes, Benachteiligungen aus Gründen des Alters nicht nur zu verhindern, sondern auch zu beseitigen. Die damit einhergehende unechte Rückwirkung ist zulässig. Der zeitliche Geltungsbereich wird je nach Lage der Verhältnisse im Einzelfall nur durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes beschränkt (vgl. so bereits zu § 81 Abs. 2 SGB IX aF: BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 38, BAGE 129, 72). Dies setzt jedoch in jedem Fall das Vorliegen eines schutzwürdigen Vertrauens voraus, das vorliegend nicht gegeben ist, selbst wenn man die Grundsätze zum Vertrauensschutz bei unechter Rückwirkung von Gesetzen anwendet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Grundsatz des Vertrauensschutzes nur dann verletzt, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (vgl. BVerfG 10. August 2006 - 2 BvR 563/05  - Rn. 14, BVerfGK 9, 28). Zum einen dient das AGG der Umsetzung von EU-Richtlinien zum Schutz vor Diskriminierung im Bereich Beschäftigung und Beruf und enthält insoweit insbesondere im Bereich der Altersdiskriminierung unionsrechtlich verankerte notwendige und bedeutende Regelungen. Zum anderen wäre ein Vertrauen in den Fortbestand der angewandten tarifvertraglichen Regelungen nicht schutzwürdig. Denn die Richtlinie 2000/78/EG wurde schon im Jahr 2000 erlassen und stellt in Art. 16 Buchst. b ausdrücklich klar, dass die Diskriminierungsverbote auch auf tarifvertragliche Bestimmungen Anwendung finden. Nach Art. 18 der Richtlinie 2000/78/EG war diese zudem spätestens zum 2. Dezember 2006 in nationales Recht umzusetzen. Der Beklagte musste ebenso wie die Tarifvertragsparteien damit rechnen, dass tarifvertragliche Regelungen auch am Verbot der Altersdiskriminierung gemessen werden. Deshalb konnte der Beklagte nicht darauf vertrauen, dass auch nach Inkrafttreten des AGG die Urlaubsstaffelregelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD zulässig war, zumal in der Gesetzesbegründung zum AGG die Anknüpfung an das bloße Lebensalter als Mindestgrenze für mit der Beschäftigung verbundener Vorteile nicht unkritisch gesehen wurde(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 36) und im Schrifttum nicht nur vereinzelt die Unwirksamkeit des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD wegen Verstoßes gegen das Verbot der Altersdiskriminierung angenommen wurde (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22 mwN; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdtle ZTR 2006, 622, 623 mwN; so bereits zu § 48 Abs. 1 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156).

33

6. Die Klägerin hat Anspruch auf Ersatzurlaub gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB. Die Resturlaubsansprüche für die Jahre 2008 und 2009 waren mangels Vorliegens eines Übertragungsgrundes nach § 26 Abs. 1 Satz 6 TVöD iVm. § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG zum 31. Dezember des jeweiligen Jahres verfallen. Diesen Untergang hat der Beklagte zu vertreten, weil er sich mit der Gewährung des Urlaubs in Verzug befand.

34

a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus Verzug gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB liegen vor. Die Klägerin hatte in den Jahren 2008 und 2009 Anspruch auf jeweils 30 Urlaubstage. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wandelt sich der Urlaubsanspruch in einen Schadensersatzanspruch um, der auf Gewährung von Ersatzurlaub als Naturalrestitution gerichtet ist, wenn der Arbeitgeber den rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt und der Urlaub aufgrund seiner Befristung verfällt ( BAG 11. April 2006 - 9 AZR 523/05  - Rn. 24, AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116).

35

b) Die Klägerin machte mit Schreiben vom 5. November 2008 unter der Überschrift „Geltendmachung von Urlaubsansprüchen“ Urlaub in Höhe von 30 Tagen nach dem TVöD geltend und bat zudem, den Urlaubsanspruch auch für die Zukunft entsprechend anzupassen. Dahingestellt bleiben kann, ob dies schon ein konkretes Verlangen beinhaltet hat, den Urlaub in den Jahren 2008 und 2009 zu gewähren. Nach der Rechtsprechung des Senats ist hierfür zumindest erforderlich, dass der Arbeitgeber nach den Grundsätzen des § 133 BGB davon ausgehen muss, der Arbeitnehmer wünsche ab einem bestimmten Zeitpunkt Erholungsurlaub(vgl. BAG 17. November 2009 - 9 AZR 745/08 - Rn. 45; 11. April 2006 -  9 AZR 523/05  - Rn. 28, AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116). Maßgebend ist, dass der Beklagte mit Schreiben vom 28. November 2008 erklärt hat, er lehne den Antrag auf Verlängerung des Urlaubs „auf 30 Tage vor Erreichen des 41. Lebensjahres“ ab, weil der Klägerin nach dem für ihn verbindlichen § 26 Abs. 1 TVöD derzeit nur 29 Urlaubstage zustünden. Aus objektiver Empfängersicht lag darin eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung des Beklagten als Schuldner des Urlaubsanspruchs, die gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine Mahnung der Klägerin entbehrlich machte(vgl. BAG 31. Januar 1991 - 8 AZR 462/89  - zu II der Gründe). Denn der Beklagte gab mit diesem Schreiben vor Ablauf des Urlaubsjahres 2008 klar zu erkennen, dass er nicht bereit sei, im laufenden Jahr mehr als 29 Tage Urlaub zu gewähren. Hinsichtlich des weiteren Urlaubstags für das Jahr 2009 folgt der Verzug des Beklagten zudem daraus, dass er jedenfalls mit dem Antrag auf Klageabweisung vom 24. April 2009 und somit vor Ablauf des Urlaubsjahres 2009 zu erkennen gegeben hat, den weiteren Urlaubstag auch im Jahr 2009 nicht gewähren zu wollen. Darin lag ebenso seine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung als Schuldner des Urlaubsanspruchs, die gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine Mahnung der Klägerin ebenfalls entbehrlich machte(vgl. BAG 17. Mai 2011 - 9 AZR 197/10 - Rn. 14, EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 138; 31. Januar 1991 - 8 AZR 462/89  - zu II der Gründe).

36

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

        

        

    Preuß    

        

    Neumann-Redlin    

        

        

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.

(2) Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, sind unwirksam.

(3) Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten.

(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.

(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(4) Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(5) Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus einem in § 1 genannten Grund gilt als Benachteiligung. Eine solche Anweisung liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu einem Verhalten bestimmt, das einen Beschäftigten oder eine Beschäftigte wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt oder benachteiligen kann.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. März 2010 - 20 Sa 2058/09 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Eberswalde vom 8. Juli 2009 - 3 Ca 140/09 - wird zurückgewiesen und der Tenor dieses Urteils zur Klarstellung neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass der Klägerin für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein weiterer Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht.

3. Der Beklagte hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin in den Jahren 2008 und 2009 Anspruch auf jeweils 29 oder 30 Urlaubstage hatte.

2

Die am 27. Oktober 1971 geborene Klägerin ist seit dem 1. September 1988 bei dem beklagten Landkreis als Angestellte mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden in der Fünftagewoche beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13. September 2005 in der Fassung des Änderungstarifvertrags Nr. 2 vom 31. März 2008 (TVöD) Anwendung. Dieser bestimmt ua.:

        

§ 26 

        

Erholungsurlaub

        

(1)     

Beschäftigte haben in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts (§ 21). Bei Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf fünf Tage in der Kalenderwoche beträgt der Urlaubsanspruch in jedem Kalenderjahr

                 

bis zum vollendeten 30. Lebensjahr

26 Arbeitstage,

                 

bis zum vollendeten 40. Lebensjahr

29 Arbeitstage und

                 

nach dem vollendeten 40. Lebensjahr

30 Arbeitstage.

                 

Maßgebend für die Berechnung der Urlaubsdauer ist das Lebensjahr, das im Laufe des Kalenderjahres vollendet wird. Bei einer anderen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit als auf fünf Tage in der Woche erhöht oder vermindert sich der Urlaubsanspruch entsprechend. Verbleibt bei der Berechnung des Urlaubs ein Bruchteil, der mindestens einen halben Urlaubstag ergibt, wird er auf einen vollen Urlaubstag aufgerundet; Bruchteile von weniger als einem halben Urlaubstag bleiben unberücksichtigt. Der Erholungsurlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und kann auch in Teilen genommen werden.

        

…       

        
        

§ 27   

        

Zusatzurlaub

        

(1)     

Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit nach § 7 Abs. 1 oder ständig Schichtarbeit nach § 7 Abs. 2 leisten und denen die Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 1 oder Abs. 6 Satz 1 zusteht, erhalten

                 

a)    

bei Wechselschichtarbeit für je zwei zusammenhängende Monate und

                 

b)    

bei Schichtarbeit für je vier zusammenhängende Monate

                 

einen Arbeitstag Zusatzurlaub.

        

(2)     

Im Falle nicht ständiger Wechselschicht- oder Schichtarbeit (z. B. ständige Vertreter) erhalten Beschäftigte des Bundes, denen die Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 2 oder Abs. 6 Satz 2 zusteht, einen Arbeitstag Zusatzurlaub für

                 

a)    

je drei Monate im Jahr, in denen sie überwiegend Wechselschichtarbeit geleistet haben, und

                 

b)    

je fünf Monate im Jahr, in denen sie überwiegend Schichtarbeit geleistet haben.

        

…       

                 
        

(4)     

Zusatzurlaub nach diesem Tarifvertrag und sonstigen Bestimmungen mit Ausnahme von § 125 SGB IX wird nur bis zu insgesamt sechs Arbeitstagen im Kalenderjahr gewährt. Erholungsurlaub und Zusatzurlaub (Gesamturlaub) dürfen im Kalenderjahr zusammen 35 Arbeitstage nicht überschreiten. Satz 2 ist für Zusatzurlaub nach den Absätzen 1 und 2 hierzu nicht anzuwenden. Bei Beschäftigten, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, gilt abweichend von Satz 2 eine Höchstgrenze von 36 Arbeitstagen; § 26 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

        

…“    

        
3

Mit Schreiben vom 5. November 2008 machte die Klägerin gegenüber dem Beklagten einen jährlichen Gesamturlaub in Höhe von 30 Tagen für das Jahr 2008 und die Zukunft nach dem TVöD geltend. Der Beklagte lehnte die Gewährung von 30 Urlaubstagen vor der Vollendung des 40. Lebensjahres der Klägerin unter Hinweis auf die Verbindlichkeit der Regelung des § 26 Abs. 1 TVöD mit Schreiben vom 28. November 2008 ab. Die Klägerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 11. Februar 2009 die vorliegende Klage erhoben.

4

Sie hat die Ansicht vertreten, sie habe auch vor der Vollendung ihres 40. Lebensjahres Anspruch auf jährlich 30 und nicht nur 29 Urlaubstage. Die an das Lebensalter anknüpfende Staffelung des tariflichen Urlaubsanspruchs sei eine Diskriminierung wegen des Alters. Die in der Tarifregelung enthaltene Ungleichbehandlung jüngerer Arbeitnehmer sei nicht durch § 10 AGG gerechtfertigt. Im Übrigen würden die gesundheitlichen Wirkungen zusätzlichen Urlaubs zur Vermeidung beispielsweise von Stresserscheinungen am Arbeitsplatz auch in der medizinischen Literatur kontrovers diskutiert.

5

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass ihr für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht.

6

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Diese sei bereits unzulässig, da das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO nötige Feststellungsinteresse fehle. Schließlich sei die Klage auch unbegründet. Die Altersstufenregelung des § 26 Abs. 1 TVöD sei durch einen sachlichen Grund nach § 10 AGG gerechtfertigt. Die Festlegung eines Mindestalters für die Gewährung von 30 Urlaubstagen pro Kalenderjahr stelle eine besondere Beschäftigungsbedingung zum Schutz älterer Beschäftigter bzw. eine Mindestanforderung an das Alter für einen mit der Beschäftigung verbundenen Vorteil dar, der zur Erreichung eines legitimen Ziels angemessen und erforderlich sei. Ältere Arbeitnehmer seien mit zunehmendem Alter aufgrund beruflicher Belastungen länger krank. Um diesen Umstand Rechnung zu tragen, hätten die Tarifvertragsparteien mit der Regelung in § 26 Abs. 1 TVöD auf das verstärkte Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer reagiert und deren Leistungsfähigkeit stärken wollen. Der Aspekt des Gesundheitsschutzes älterer Arbeitnehmer sei daher geeignet, die Ungleichbehandlung jüngerer Beschäftigter zu rechtfertigen. Schließlich würde auch eine Diskriminierung keine Angleichung „nach oben“ zur Folge haben.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die Wiederherstellung der stattgebenden Entscheidung des Arbeitsgerichts. Der Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

A. Die zulässige Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf die geltend gemachten Ersatzurlaubstage.

9

I. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Feststellungsklage zulässig ist. Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse daran, durch das Gericht feststellen zu lassen, ob ihr für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht ( § 256 Abs. 1 ZPO ). Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer den Umfang des ihm zustehenden Urlaubs gerichtlich festgestellt haben will, nicht entgegen (vgl. BAG 12. April 2011 - 9 AZR 80/10  - Rn. 13 bis 15, EzA BUrlG § 7 Nr. 123).

10

II. Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten für den ihr in den Jahren 2008 und 2009 jeweils verweigerten 30. Urlaubstag gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB Anspruch auf jeweils einen Tag Ersatzurlaub. Die Urlaubsstaffelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD verstößt gegen die §§ 1, 3 Abs. 1 AGG. Denn sie gewährt Beschäftigten, die das 30., aber noch nicht das 40. Lebensjahr vollendet haben, einen um einen Tag kürzeren Urlaub. Sie ist deshalb nach § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG iVm. § 134 BGB unwirksam. Dies hat zur Folge, dass die Klägerin auch vor der Vollendung ihres 40. Lebensjahres in jedem Kalenderjahr Anspruch auf 30 Urlaubstage hatte. Ihr steht für die Jahre 2008 und 2009 jeweils noch ein Tag Ersatzurlaub zu, weil der Beklagte ihr in diesen Jahren nur jeweils 29 Urlaubstage gewährte.

11

1. Nach § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD standen der am 27. Oktober 1971 geborenen Klägerin in den Jahren 2008 und 2009 jeweils 29 Urlaubstage zu. Erst nach dem vollendeten 40. Lebensjahr gewährt ihr diese Tarifregelung einen jährlichen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen. Diese an das Lebensalter anknüpfende Staffelung der Urlaubsdauer verstößt gegen das Verbot der Altersdiskriminierung in § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG. Sie ist als sachlich nicht nach den §§ 8, 10 AGG gerechtfertigte unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters gemäß § 7 Abs. 2 AGG iVm. § 134 BGB unwirksam. Zur Beseitigung dieser Diskriminierung ist eine Anpassung auf 30 Urlaubstage erforderlich.

12

2. Zutreffend haben die Vorinstanzen die Regelung in § 26 Abs. 1 TVöD am AGG gemessen. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG gelten die Diskriminierungsverbote der §§ 1, 7 AGG auch für die in kollektivrechtlichen Vereinbarungen geregelten Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen. Unter solchen Bedingungen sind alle Umstände zu verstehen, aufgrund derer und unter denen die Arbeitsleistung zu erbringen ist (vgl. BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 54, BAGE 132, 210). Zu den Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen gehört damit auch der Urlaub. Der Umstand, dass die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b TVöD bereits am 1. Januar 2006 und somit schon vor dem AGG vom 14. August 2006 in Kraft getreten ist, steht dem nicht entgegen. Die für die Jahre 2008 und 2009 geltend gemachte Benachteiligung durch § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD ist erst nach Inkrafttreten des AGG am 18. August 2006 eingetreten. Da § 33 Abs. 1 AGG insoweit keine Übergangsregelung enthält, findet dieses Gesetz auch dann Anwendung, wenn die Benachteiligung auf einem vor Inkrafttreten des AGG abgeschlossenen Tarifvertrag beruht. Es kommt allein auf den Zeitpunkt der Benachteiligungshandlung an (BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 33, BAGE 129, 72).

13

3. Die Urlaubsstaffelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD enthält eine auf dem Merkmal des Alters beruhende Ungleichbehandlung der Beschäftigten, die das 30. bzw. das 40. Lebensjahr nicht vollendet haben. Das ist eine unmittelbare Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer wegen des Alters iSv. § 3 Abs. 1 AGG.

14

a) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Beim Alter handelt es sich um einen in § 1 AGG genannten Grund, wobei unter Alter das Lebensalter zu verstehen ist. Dies folgt aus dem gesetzlichen Wortlaut und auch aus der Gesetzesbegründung ( BT-Drucks. 16/1780 S. 31; BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 49, BAGE 132, 210; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07  - Rn. 36, BAGE 129, 181). Der für eine unmittelbare Benachteiligung erforderliche Kausalzusammenhang ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere in § 1 AGG genannte Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 32; BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 50, aaO).

15

b) Diese Voraussetzung ist erfüllt. § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD sieht für Beschäftigte bei einer Fünftagewoche in jedem Kalenderjahr einen Urlaubsanspruch bis zum vollendeten 30. Lebensjahr in Höhe von 26 Arbeitstagen, bis zum vollendeten 40. Lebensjahr in Höhe von 29 Arbeitstagen und erst nach dem vollendeten 40. Lebensjahr in Höhe von 30 Arbeitstagen vor. Die Höhe des Urlaubsanspruchs nach § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD knüpft damit in allen Stufen unmittelbar an das Lebensalter der Beschäftigten an. Danach haben Beschäftigte wie die Klägerin, die zwar das 30. Lebensjahr, aber noch nicht das 40. Lebensjahr vollendet haben, in jedem Jahr nur Anspruch auf 29 statt auf 30 Urlaubstage. Sie werden ebenso wie die unter 30-Jährigen im Vergleich zu den Beschäftigten, die das 40. Lebensjahr vollendet haben, hinsichtlich der Höhe des Urlaubsanspruchs wegen ihres geringeren Alters ungünstiger behandelt.

16

4. Diese Ungleichbehandlung ist nicht gerechtfertigt.

17

a) Bei ihr handelt es sich nicht um eine nach § 8 AGG zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen. Die Urlaubsstaffel des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD knüpft nicht an die Art der auszuübenden Tätigkeit oder die Bedingungen ihrer Ausübung an. Sie stellt nicht auf die Art der auszuübenden Tätigkeit ab und beansprucht damit Geltung für alle dem TVöD unterfallenden Beschäftigten.

18

b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Ungleichbehandlung auch nicht nach § 10 AGG sachlich gerechtfertigt(so ebenfalls die herrschende Meinung in der Literatur, vgl. Linck/Schütz FS Leinemann, S. 181 f.; Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV Stand Januar 2012 E § 26 TVöD Rn. 22; AGG/Voigt 3. Aufl. § 10 Rn. 33; Meinel/Heyn/Herms AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 42b; Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 105; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdtle ZTR 2006, 622, 623 mwN; Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 478; vgl. ferner bereits zu § 48 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). § 10 Satz 1 AGG lässt eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters ungeachtet der Regelung des § 8 AGG zu, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Zudem müssen die Mittel zur Erreichung dieses Ziels nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist die an das Lebensalter anknüpfende Differenzierung in § 26 Abs. 1 TVöD nicht sachlich gerechtfertigt, weil sie einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung trägt und deren Gesundheit schützen will. Dabei kann dahinstehen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen das Ziel des Gesundheitsschutzes eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen würde. Die Tarifvorschrift verfolgt dieses Ziel schon nicht.

19

aa) Die Tarifvertragsparteien haben das mit der in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD geregelten Urlaubsstaffelung verfolgte Ziel nicht ausdrücklich genannt. Nennt eine Regelung oder Maßnahme kein Ziel, müssen zumindest aus dem Kontext abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter der Regelung oder der Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, um die Legitimität des Ziels sowie die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüfen zu können. Dabei können nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die sozialpolitischen Ziele als legitim angesehen werden, die im allgemeinen Interesse stehen. Derjenige, der eine Ungleichbehandlung vornimmt, muss den nationalen Gerichten in geeigneter Weise die Möglichkeit zur Prüfung einräumen, ob mit der Ungleichbehandlung ein Ziel angestrebt wird, das die Ungleichbehandlung unter Beachtung der Ziele der Richtlinie 2000/78/EG rechtfertigt (vgl. EuGH 5. März 2009 - C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 45 ff., Slg. 2009, I-1569; BAG 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08  - Rn. 36 ff., BAGE 131, 61). Denn das nationale Gericht hat zu prüfen, ob die Regelung oder Maßnahme ein rechtmäßiges Ziel iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgt. Gleiches gilt für die Frage, ob die Tarifvertragsparteien als Normgeber angesichts des vorhandenen Wertungsspielraums davon ausgehen durften, dass die gewählten Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich waren (vgl. EuGH 5. März 2009 -  C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 49 ff., aaO; vgl. auch BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 57, BAGE 132, 210).

20

bb) Die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD dient nicht dem Schutz älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. Diese gesetzliche Regelung konkretisiert das legitime Ziel, nämlich ua. die Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter, wobei dieser Schutz auch die Festlegung besonderer Arbeitsbedingungen einschließen kann. Aus einer tariflichen Urlaubsstaffelung, die - wie die in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD - den Beschäftigten bereits nach Vollendung des 30. Lebensjahres drei weitere Urlaubstage und dann nach Vollendung des 40. Lebensjahres letztmals einen zusätzlichen Urlaubstag gewährt, lässt sich nicht ableiten, dass die Tarifvertragsparteien einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollten und das Ziel verfolgten, den Schutz älterer Beschäftigter iSd. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG sicherzustellen. Wenn sich auch eine genaue Schwelle für die Zuordnung zu den älteren Arbeitnehmern weder dieser Regelung selbst noch Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG entnehmen lässt, so ist diese freilich an der Zielsetzung (vgl. zu dieser Däubler/Bertzbach/Brors 2. Aufl. § 10 Rn. 42) auszurichten. Einen arbeitsmarktpolitischen Zweck verfolgt zB § 417 Abs. 1 SGB III, wonach Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die das 50. Lebensjahr vollendet haben und ihre Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung beenden oder vermeiden, unter den in der Vorschrift genannten Voraussetzungen Anspruch auf Leistungen der Entgeltsicherung haben. Diese Regelung der Entgeltsicherung bezweckt, die Arbeitslosigkeit älterer Arbeitnehmer abzubauen und ihren Anteil an der erwerbstätigen Bevölkerung zu erhöhen (vgl. BT-Drucks. 17/1945 S. 17). Im Vergleich zu der in § 417 Abs. 1 SGB III genannten Altersgruppe setzt sich die durch die Urlaubsstaffel in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD begünstigte Beschäftigtengruppe, der ein Urlaubsanspruch von jährlich 30 Arbeitstagen eingeräumt wird, nicht ausnahmslos aus älteren Beschäftigten zusammen. Vielmehr gehören ihr alle Beschäftigten ab Vollendung des 40. Lebensjahres an. Der Senat hat bereits entschieden, dass ein Arbeitnehmer jedenfalls ab Vollendung des 31. Lebensjahres offensichtlich kein älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG ist(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 55, BAGE 132, 210).

21

cc) Ein legitimes Ziel iSd. § 10 AGG ergibt sich entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts auch nicht aus § 10 Satz 3 Nr. 2 AGG. Danach kann eine zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile einschließen. Diese Regelung bestimmt selbst kein legitimes Ziel, sondern beschreibt nur ein mögliches Mittel, mit der ein auf andere Weise zu legitimierendes Ziel gerechtfertigt werden kann (vgl. ErfK/Schlachter 12. Aufl. § 10 AGG Rn. 6), sofern es erforderlich und angemessen iSd. § 10 Satz 2 AGG ist.

22

dd) Die Tarifvertragsparteien verfolgen entgegen der Auffassung des Beklagten nicht das Ziel des Gesundheitsschutzes älterer Arbeitnehmer.

23

(1) Das mit der Urlaubsstaffelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD verfolgte Ziel lässt sich nicht mit ausreichender Deutlichkeit aus dem Wortlaut des § 26 TVöD entnehmen. § 26 TVöD normiert ausweislich seiner Überschrift den Erholungsurlaub. Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 TVöD haben Beschäftigte in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts. § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD legt die Dauer dieses Erholungsurlaubs fest. Der Begriff des Erholungsurlaubs wird dabei nicht näher definiert und ist dem BUrlG entlehnt, auf das § 26 Abs. 2 TVöD im Übrigen verweist. Der Erholungsurlaub nach dem BUrlG soll nach der Gesetzesbegründung dem sozialpolitischen Anliegen der Erhaltung und Wiederauffrischung der Arbeitskraft der Arbeitnehmer dienen (vgl. den schriftlichen Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit, BT-Drucks. IV/785; Begründung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Bundesurlaubsgesetzes, BT-Drucks. IV/207). Durch den Erholungsurlaub wird dem Arbeitnehmer die Möglichkeit gesichert, für eine bestimmte Dauer im Jahr, die ihm eingeräumte Freizeit zur selbstbestimmten Erholung zu nutzen (st. Rspr., vgl. BAG 20. Juni 2000 - 9 AZR 405/99 - zu II 2 b bb 1 der Gründe, BAGE 95, 104; 8. März 1984 - 6 AZR 600/82 - zu II 5 b der Gründe, BAGE 45, 184; ebenso st. Rspr. des EuGH zum Jahresurlaub nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG , EuGH 22. No-vember 2011 - C-214/10 - [KHS] Rn. 31, AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 6 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 7; 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06  - [Schultz-Hoff] Rn. 25, Slg. 2009, I-179). Wenn eine Tarifregelung die Urlaubsdauer nach dem Lebensalter staffelt, liegt die Annahme nahe, die Tarifvertragsparteien hätten einem mit zunehmendem Alter gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollen. Die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD rechtfertigt eine solche Annahme freilich nicht, sondern schließt sie aus.

24

(2) Das folgt bereits aus dem Inhalt der Regelung. Die Tarifvorschrift räumt den Beschäftigten schon ab dem 30. Lebensjahr drei weitere Urlaubstage ein. Dafür, dass die Tarifvertragsparteien von einem so deutlich gesteigertem Erholungsbedürfnis bereits nach der Vollendung des 30. Lebensjahres ausgegangen sind, fehlt jeder Anhaltspunkt. Gegen eine solche Annahme spricht auch, dass die Tarifvertragsparteien den Beschäftigten nach der Vollendung des 40. Lebensjahres letztmals nur einen weiteren Urlaubstag gewährt und davon abgesehen haben, ein gesteigertes Erholungsbedürfnis des Beschäftigten in der Zeit bis zum Erreichen des gesetzlich festgelegten Alters für den Bezug der Regelaltersrente (§ 33 Abs. 1 Buchst. a TVöD) zu berücksichtigen. Hätten die Tarifvertragsparteien ein gesteigertes Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter vor Augen gehabt, hätten sie nicht einem 30-Jährigen einen gegenüber einem 29-jährigen Beschäftigten um drei Tage längeren Urlaub gewährt, nach der Vollendung des 40. Lebensjahres des Beschäftigten eine wesentlich geringere Steigerung des Erholungsbedürfnisses angenommen und für die Zeit danach bis zum Erreichen des gesetzlich festgelegten Alters für den Bezug der Regelaltersrente ein zunehmendes Erholungsbedürfnis des Beschäftigten überhaupt nicht mehr berücksichtigt (vgl. Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 478). Auch das Schrifttum nimmt ganz überwiegend an, dass eine tarifliche Urlaubsstaffelung nicht schon auf die Vollendung des 30. bzw. des 40. Lebensjahres abstellen darf, wenn sie einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen will (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22; Tempelmann/Stenslik DStR 2011, 1183, 1186; Richter Benachteiligung wegen des Alters im Erwerbsleben S. 170; Meinel/Heyn/Herms § 10 Rn. 42b; AGG/Voigt § 10 Rn. 33; Hey AGG § 10 Rn. 28; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdle ZTR 2006, 622, 623; Linck/Schütz FS Leinemann S. 181 f.; Senne Auswirkungen des europäischen Verbots der Altersdiskriminierung auf das deutsche Arbeitsrecht S. 269; Bertelsmann ZESAR 2005, 242, 246). Selbst wenn die Erholungsbedürftigkeit von Arbeitnehmern mit zunehmendem Lebensalter steigen sollte (zweifelnd Däubler/Bertzbach/Brors § 10 Rn. 50; aA Waltermann NZA 2005, 1265, 1269), hätte es mit dem Schutz älterer Arbeitnehmer nichts zu tun, bereits mit dem 30. Lebensjahr eine erste Verlängerung des Urlaubsanspruchs um drei Tage und die zweite und zugleich letzte Verlängerung um einen weiteren Urlaubstag bereits mit Vollendung des 40. Lebensjahres vorzusehen (so auch Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22; Adomeit/Mohr § 10 Rn. 105; so bereits zu § 48 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). Es fehlt in beiden Stufen an dem erkennbaren Schutz Älterer. Die Verlängerung des Urlaubsanspruchs bereits mit dem vollendeten 30. Lebensjahr lässt sich kaum mit der Erhaltung der Leistungsfähigkeit Älterer begründen. Auch mit der Vollendung des 40. Lebensjahres hat ein Beschäftigter regelmäßig allenfalls die Mitte seines Erwerbsalters erreicht (vgl. auch Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). Hätten die Tarifvertragsparteien gemäß der Ansicht des Beklagten ein gesteigertes Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter berücksichtigen wollen, hätten sich die gewählten Altersgrenzen nicht an dem mit dem Alter zunehmenden Erholungsbedürfnis orientiert und wären willkürlich.

25

(3) Gerade dieser Umstand bestätigt, dass die Tarifvertragsparteien mit der Regelung in § 26 TVöD weder den Schutz der Gesundheit bezweckten noch einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollten. Hätten sie diese Ziele verfolgt, hätte es nahe gelegen, gerade für die älteren Beschäftigten, zB die Gruppe der über 50- oder über 60-jährigen Beschäftigten, die Dauer des Erholungsurlaubs zu verlängern. Bei dieser Personengruppe ist ein altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis eher nachvollziehbar. Ein solches Schutzbedürfnis für die über 50-Jährigen haben die Tarifvertragsparteien aber nur hinsichtlich der Beschränkung der Höchstdauer des Gesamturlaubs bei besonders belastenden Arbeiten (Schicht- und Wechselschicht) gesehen. Das folgt aus § 27 Abs. 4 Satz 4 TVöD. Danach erhöht sich ab diesem Lebensalter die maximal erreichbare Gesamturlaubsdauer von jährlich 35 auf 36 Arbeitstage.

26

(4) Die Tarifgeschichte bestätigt, dass die Tarifvertragsparteien mit der Urlaubsstaffel nicht einem mit dem Lebensalter steigenden Erholungsbedürfnis Rechnung tragen wollten. Bereits seit dem Inkrafttreten des BAT wurde die Urlaubsdauer an das Lebensalter geknüpft (§ 48 Abs. 1 BAT). Sie steigerte sich auch nach dem vollendeten 30. Lebensjahr und nach dem vollendeten 40. Lebensjahr. Innerhalb der Lebensaltersstufen verlängerte sich die Urlaubsdauer teilweise nach Vergütungsgruppen. Je höher der Angestellte eingruppiert war, je länger war sein Urlaubsanspruch. Dies zeigt, dass nicht der Erholungszweck maßgebend für die Urlaubsdauer sein sollte. Der Urlaub wurde vielmehr als Quasi-Gegenleistung für die Arbeitsleistung geregelt. Nur so lässt sich die normierte Abhängigkeit der Urlaubsdauer von der Vergütungsgruppe erklären. Es kann deshalb nicht angenommen werden, die Tarifvertragsparteien hätten bei Angestellten in höheren Vergütungsgruppen ein gesteigertes Erholungsbedürfnis ausgleichen wollen. Die Differenzierung resultiert vielmehr aus der überkommenen Auffassung, der Urlaub werde „verdient“.

27

5. Die Diskriminierung der Klägerin kann nur durch die Verpflichtung des Beklagten beseitigt werden, der Klägerin für die Jahre 2008 und 2009 jeweils einen Ersatzurlaubstag zu gewähren. Zwar folgt aus § 7 Abs. 2 AGG nur, dass die diskriminierende Regelung unwirksam ist. Auch wird vom Senat nicht verkannt, dass es sich bei § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD um ein Stufensystem handelt, sodass grundsätzlich keine Stufe als die von den Tarifvertragsparteien als „übliche“ Urlaubsdauer gewollte angesehen werden kann. Jedoch kann die Beseitigung der Diskriminierung vorliegend nur durch eine Anpassung „nach oben“ erfolgen.

28

a) Grundsätzlich ist es Aufgabe der Tarifvertragsparteien, eine benachteiligungsfreie Regelung zu treffen, wofür ihnen verschiedene Möglichkeiten zu Verfügung stehen. Doch scheidet eine Aussetzung des Rechtsstreits unter Fristsetzung zur Lückenschließung durch die Tarifvertragsparteien selbst von vornherein aus (aM Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 23). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind für den Fall, dass gesetzliche oder tarifvertragliche Regelungen eine mit der Richtlinie unvereinbare Diskriminierung vorsehen, die nationalen Gerichte gehalten, die Diskriminierung auf jede denkbare Weise und insbesondere dadurch auszuschließen, dass sie die Regelung für die nicht benachteiligte Gruppe auch auf die benachteiligte Gruppe anwenden, ohne die Beseitigung der Diskriminierung durch den Gesetzgeber, die Tarifvertragsparteien oder in anderer Weise abzuwarten (vgl. so bereits zur Richtlinie 76/207/EWG: EuGH 20. März 2003 - C-187/00 - [Kutz-Bauer] Rn. 75, Slg. 2003, I-2741). Auch nach Art. 9 Abs. 3 GG in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wäre eine Aussetzung grundsätzlich allenfalls zur Beseitigung einer Diskriminierung für die Zukunft geboten(vgl. BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 28, NZA 2012, 161). Vorliegend geht es jedoch um die Beseitigung einer Diskriminierung in der Vergangenheit.

29

b) Die Benachteiligung der Klägerin kann nicht auf andere Weise für die Jahre 2008 und 2009 ausgeschlossen werden. Ein Rückgriff auf den noch unterhalb der Eingangstufe des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD liegenden gesetzlichen Mindesturlaub gemäß den §§ 1, 3 BUrlG in Höhe von 20 Arbeitstagen bei einer Fünftagewoche ist hierzu nicht geeignet(aM Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 483; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand Februar 2012, § 26 Rn. 163.5). Der von den §§ 1, 7 AGG bzw. Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgte Zweck, Benachteiligungen zu verhindern oder zu beseitigen, würde nicht erreicht. Da diskriminierende Maßnahmen oder Vereinbarungen nicht hingenommen und ihre Fortwirkung nicht akzeptiert werden darf (vgl. ErfK/Schlachter § 7 AGG Rn. 5), ist auch nicht auf die Eingangsstufe des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD mit 26 Urlaubstagen abzustellen. Hätte die Klägerin nur Anspruch auf die erste Stufe der Urlaubsstaffel, fehlte es an einer Sanktion, die einen tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutz gewährt und abschreckende Wirkung hat (vgl. zu diesem Aspekt: BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 18 ff., NZA 2012, 161).

30

c) Hingegen ist eine Anpassung „nach oben“ zur Beseitigung einer Altersdiskriminierung im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gerechtfertigt, wenn auf andere Weise die Diskriminierung nicht behoben werden kann, weil der Arbeitgeber den Begünstigten für die Vergangenheit die Leistung nicht mehr entziehen kann (vgl. ausführlich: BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 20 ff., NZA 2012, 161). Dies ist vorliegend der Fall. Der den begünstigten Beschäftigten in den Jahren 2008 und 2009 gewährte Urlaub von jährlich 30 Arbeitstagen kann nicht rückwirkend auf 29 oder 26 Arbeitstage begrenzt werden. Die als Urlaub bereits gewährte Freizeit ist nicht kondizierbar.

31

d) Schließlich steht der Anpassung „nach oben“ auch nicht § 15 Abs. 3 AGG entgegen. Danach ist der Arbeitgeber bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fährlässig handelt. Diese Bestimmung bezieht sich allein auf die immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG(vgl. BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 38, NZA 2012, 161; ErfK/Schlachter § 15 AGG Rn. 13) und verhält sich nicht zur Beseitigung einer Diskriminierung durch eine den Diskriminierungsverboten genügende Regelung.

32

e) Der Beklagte kann auch keinen Vertrauensschutz in Anspruch nehmen. In den Jahren 2008 und 2009 galt bereits das am 18. August 2006 in Kraft getretene AGG. Dieses nimmt Dauerschuldverhältnisse und damit auch Arbeitsverhältnisse ebenso wenig wie Tarifverträge aus, die vor dem Inkrafttreten des AGG bereits abgeschlossen waren. Übergangsvorschriften oder Vertrauensschutzregelungen sind insoweit in § 33 AGG nicht vorgesehen. Gemäß § 1 AGG ist ua. Ziel dieses Gesetzes, Benachteiligungen aus Gründen des Alters nicht nur zu verhindern, sondern auch zu beseitigen. Die damit einhergehende unechte Rückwirkung ist zulässig. Der zeitliche Geltungsbereich wird je nach Lage der Verhältnisse im Einzelfall nur durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes beschränkt (vgl. so bereits zu § 81 Abs. 2 SGB IX aF: BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 38, BAGE 129, 72). Dies setzt jedoch in jedem Fall das Vorliegen eines schutzwürdigen Vertrauens voraus, das vorliegend nicht gegeben ist, selbst wenn man die Grundsätze zum Vertrauensschutz bei unechter Rückwirkung von Gesetzen anwendet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Grundsatz des Vertrauensschutzes nur dann verletzt, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (vgl. BVerfG 10. August 2006 - 2 BvR 563/05  - Rn. 14, BVerfGK 9, 28). Zum einen dient das AGG der Umsetzung von EU-Richtlinien zum Schutz vor Diskriminierung im Bereich Beschäftigung und Beruf und enthält insoweit insbesondere im Bereich der Altersdiskriminierung unionsrechtlich verankerte notwendige und bedeutende Regelungen. Zum anderen wäre ein Vertrauen in den Fortbestand der angewandten tarifvertraglichen Regelungen nicht schutzwürdig. Denn die Richtlinie 2000/78/EG wurde schon im Jahr 2000 erlassen und stellt in Art. 16 Buchst. b ausdrücklich klar, dass die Diskriminierungsverbote auch auf tarifvertragliche Bestimmungen Anwendung finden. Nach Art. 18 der Richtlinie 2000/78/EG war diese zudem spätestens zum 2. Dezember 2006 in nationales Recht umzusetzen. Der Beklagte musste ebenso wie die Tarifvertragsparteien damit rechnen, dass tarifvertragliche Regelungen auch am Verbot der Altersdiskriminierung gemessen werden. Deshalb konnte der Beklagte nicht darauf vertrauen, dass auch nach Inkrafttreten des AGG die Urlaubsstaffelregelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD zulässig war, zumal in der Gesetzesbegründung zum AGG die Anknüpfung an das bloße Lebensalter als Mindestgrenze für mit der Beschäftigung verbundener Vorteile nicht unkritisch gesehen wurde(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 36) und im Schrifttum nicht nur vereinzelt die Unwirksamkeit des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD wegen Verstoßes gegen das Verbot der Altersdiskriminierung angenommen wurde (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22 mwN; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdtle ZTR 2006, 622, 623 mwN; so bereits zu § 48 Abs. 1 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156).

33

6. Die Klägerin hat Anspruch auf Ersatzurlaub gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB. Die Resturlaubsansprüche für die Jahre 2008 und 2009 waren mangels Vorliegens eines Übertragungsgrundes nach § 26 Abs. 1 Satz 6 TVöD iVm. § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG zum 31. Dezember des jeweiligen Jahres verfallen. Diesen Untergang hat der Beklagte zu vertreten, weil er sich mit der Gewährung des Urlaubs in Verzug befand.

34

a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus Verzug gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB liegen vor. Die Klägerin hatte in den Jahren 2008 und 2009 Anspruch auf jeweils 30 Urlaubstage. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wandelt sich der Urlaubsanspruch in einen Schadensersatzanspruch um, der auf Gewährung von Ersatzurlaub als Naturalrestitution gerichtet ist, wenn der Arbeitgeber den rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt und der Urlaub aufgrund seiner Befristung verfällt ( BAG 11. April 2006 - 9 AZR 523/05  - Rn. 24, AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116).

35

b) Die Klägerin machte mit Schreiben vom 5. November 2008 unter der Überschrift „Geltendmachung von Urlaubsansprüchen“ Urlaub in Höhe von 30 Tagen nach dem TVöD geltend und bat zudem, den Urlaubsanspruch auch für die Zukunft entsprechend anzupassen. Dahingestellt bleiben kann, ob dies schon ein konkretes Verlangen beinhaltet hat, den Urlaub in den Jahren 2008 und 2009 zu gewähren. Nach der Rechtsprechung des Senats ist hierfür zumindest erforderlich, dass der Arbeitgeber nach den Grundsätzen des § 133 BGB davon ausgehen muss, der Arbeitnehmer wünsche ab einem bestimmten Zeitpunkt Erholungsurlaub(vgl. BAG 17. November 2009 - 9 AZR 745/08 - Rn. 45; 11. April 2006 -  9 AZR 523/05  - Rn. 28, AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116). Maßgebend ist, dass der Beklagte mit Schreiben vom 28. November 2008 erklärt hat, er lehne den Antrag auf Verlängerung des Urlaubs „auf 30 Tage vor Erreichen des 41. Lebensjahres“ ab, weil der Klägerin nach dem für ihn verbindlichen § 26 Abs. 1 TVöD derzeit nur 29 Urlaubstage zustünden. Aus objektiver Empfängersicht lag darin eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung des Beklagten als Schuldner des Urlaubsanspruchs, die gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine Mahnung der Klägerin entbehrlich machte(vgl. BAG 31. Januar 1991 - 8 AZR 462/89  - zu II der Gründe). Denn der Beklagte gab mit diesem Schreiben vor Ablauf des Urlaubsjahres 2008 klar zu erkennen, dass er nicht bereit sei, im laufenden Jahr mehr als 29 Tage Urlaub zu gewähren. Hinsichtlich des weiteren Urlaubstags für das Jahr 2009 folgt der Verzug des Beklagten zudem daraus, dass er jedenfalls mit dem Antrag auf Klageabweisung vom 24. April 2009 und somit vor Ablauf des Urlaubsjahres 2009 zu erkennen gegeben hat, den weiteren Urlaubstag auch im Jahr 2009 nicht gewähren zu wollen. Darin lag ebenso seine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung als Schuldner des Urlaubsanspruchs, die gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine Mahnung der Klägerin ebenfalls entbehrlich machte(vgl. BAG 17. Mai 2011 - 9 AZR 197/10 - Rn. 14, EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 138; 31. Januar 1991 - 8 AZR 462/89  - zu II der Gründe).

36

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

        

        

    Preuß    

        

    Neumann-Redlin    

        

        

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 7. September 2012 - 6 Sa 709/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe des jährlichen Urlaubsanspruchs.

2

Die Beklagte stellt Schuhe her. Die am 10. April 1960 geborene Klägerin ist bei ihr seit dem 1. Juli 1994 als Produktionsmitarbeiterin beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 13. November 2000 ist ua. vereinbart, dass der jährliche Urlaubsanspruch 34 Arbeitstage beträgt. Die Beklagte gewährt allen Arbeitnehmern, die das 58. Lebensjahr vollendet haben, 36 Arbeitstage Jahresurlaub, ohne dass individuelle Vereinbarungen über einen höheren Jahresurlaub vorliegen. Die übrigen Beschäftigten erhalten jährlich 34 Urlaubstage.

3

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Urlaubsregelung sei altersdiskriminierend. Die Behauptung, ältere Mitarbeiter benötigten im Produktionsbetrieb längere Erholungsphasen, sei durch die darlegungsbelastete Beklagte nicht dargetan. Das Bundesurlaubsgesetz stelle bezüglich der Dauer des Urlaubs weder auf die physische Belastung noch auf das Alter der Arbeitnehmer ab. Die Beklagte habe keinen Grund genannt, warum ein gesteigertes Erholungsbedürfnis ausgerechnet mit 58 Jahren eintrete. Zudem könne mit lediglich zwei zusätzlichen Urlaubstagen ein etwaiger höherer Erholungsbedarf nicht ausgeglichen werden. Bei einem stetig steigenden Erholungsbedarf müsste jedenfalls auch die Urlaubsdauer gestaffelt werden. Bei anderen Arbeitnehmergruppen sei ein erhöhter Erholungsbedarf nachvollziehbar. Diese würden jedoch nicht begünstigt. So seien jüngere Arbeitnehmer durch Familie und Beruf oftmals stärker beansprucht als ältere. Die Beklagte habe ihr zur Beseitigung der Diskriminierung jährlich zwei weitere Urlaubstage zu gewähren.

4

Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr 36 Arbeitstage Erholungsurlaub zu gewähren.

5

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, ihre Urlaubsregelung beinhalte keine Diskriminierung. Nach der Lebenserfahrung benötigten ältere Arbeitnehmer, die körperlich ermüdende und schwere Arbeiten verrichten, längere Erholungszeiten als jüngere. Zwei zusätzliche Urlaubstage seien angemessen.

6

Das Arbeitsgericht hat die Klage - soweit für die Revision von Bedeutung - abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Feststellungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, der Klägerin auch schon vor der Vollendung der 58. Lebensjahres insgesamt 36 Arbeitstage Erholungsurlaub pro Jahr zu gewähren.

8

I. Die Klage ist in der gebotenen Auslegung zulässig, insbesondere besteht das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.

9

1. Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer den Umfang des ihm zustehenden Urlaubs gerichtlich festgestellt wissen will, nicht entgegen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 9, BAGE 141, 73; 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - Rn. 13 ff., BAGE 137, 328).

10

2. Die am 10. April 1960 geborene Klägerin hat ein rechtlich anerkennenswertes Interesse daran, alsbald zu erfahren, ob ihr bereits vor der Vollendung ihres 58. Lebensjahres zwei weitere Urlaubstage pro Jahr zustehen. Ihr Antrag bezieht sich dem Wortlaut nach zwar auf den gesamten Jahresurlaub. Er kann jedoch so ausgelegt werden, dass er sich nur auf zwei weitere Urlaubstage im Kalenderjahr bezieht. Zwischen den Parteien besteht kein Streit, dass der Klägerin die vertraglich vereinbarten 34 Urlaubstage pro Jahr zustehen. Die Klägerin hat im Laufe des Verfahrens deutlich gemacht, dass der Antrag auf die Feststellung des Bestehens zweier zusätzlicher Urlaubstage gerichtet ist. Darüber hinaus hat das Landesarbeitsgericht den Klageantrag zutreffend so verstanden, dass er vergangene Urlaubsjahre nicht erfasst. Es handelt sich um einen gegenwartsbezogenen Feststellungsantrag, für dessen Entscheidung grundsätzlich auf die Sachlage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht abzustellen ist (vgl. BAG 15. Mai 2013 - 7 AZR 494/11 - Rn. 15 ff.).

11

II. Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen vor Vollendung ihres 58. Lebensjahres nicht gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 iVm. § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG zwei weitere Urlaubstage zu. Die Urlaubsregelung ist nicht gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam und führt somit bezüglich der Dauer des Urlaubs der Klägerin nicht zu einer „Anpassung nach oben“(siehe dazu BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 27 ff., BAGE 141, 73; vgl. aber auch BAG 14. Mai 2013 - 1 AZR 44/12 - Rn. 25, BAGE 145, 113).

12

1. Es liegt zwar eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor. Diese ist jedoch gemäß § 10 Satz 1, 2 und Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt.

13

a) Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Unter Alter iSd. § 1 AGG ist das Lebensalter zu verstehen. Dies folgt aus dem Wortlaut des Gesetzes und aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/1780 S. 31; BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 14, BAGE 141, 73; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 36, BAGE 129, 181). Eine unmittelbare Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 1 AGG gegeben, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Der für eine unmittelbare Benachteiligung erforderliche Kausalzusammenhang ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere in § 1 AGG genannte Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - aaO mwN).

14

b) Daran gemessen liegt eine unmittelbare Ungleichbehandlung wegen des Alters vor. Die Urlaubsregelung knüpft die Gewährung von zwei weiteren Urlaubstagen an die Vollendung des 58. Lebensjahres und damit unmittelbar an das Lebensalter der Beschäftigten. Arbeitnehmer, die diese Altersgrenze nicht erreicht haben, werden wegen ihres Alters ungünstiger behandelt.

15

c) Die Ungleichbehandlung ist jedoch gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt. Die Regelung bezweckt bei Berücksichtigung eines Gestaltungs- und Ermessensspielraums der Beklagten den in dieser Bestimmung genannten Schutz älterer Beschäftigter und ist geeignet, erforderlich und angemessen im Sinne von § 10 Satz 2 AGG.

16

aa) Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG konkretisiert ua. das legitime Ziel der Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter, wobei dieser Schutz auch die Festlegung besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließen kann (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73).

17

bb) § 10 AGG dient der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16) in das nationale Recht (BAG 18. März 2014 - 3 AZR 69/12 - Rn. 21). Der Gesetzgeber hat bei der Umsetzung den Text der Richtlinie nahezu wörtlich in das nationale Recht übernommen. Dessen Regelungen sind unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszulegen (vgl. BAG 14. März 2012 - 7 AZR 480/08 - Rn. 30).

18

cc) Dem Arbeitgeber steht bei freiwilligen zusätzlichen Leistungen - wozu auch die Gewährung von übergesetzlichem Mehrurlaub gehört - ein von den Gerichten zu respektierender Gestaltungs- und Ermessensspielraum zu (vgl. zu Leistungen der betrieblichen Altersversorgung: BAG 12. November 2013 - 3 AZR 356/12 - Rn. 28; 12. Februar 2013 - 3 AZR 100/11 - Rn. 31 mwN, BAGE 144, 231). Auch in der Rechtsprechung des EuGH ist anerkannt, dass die Mitgliedstaaten und gegebenenfalls die Sozialpartner auf nationaler Ebene beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts nicht nur bei der Entscheidung, welches konkrete Ziel von mehreren im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik sie verfolgen wollen, sondern auch bei der Festlegung der Maßnahmen zu seiner Erreichung über einen weiten Gestaltungsspielraum verfügen (EuGH 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Rn. 68, Slg. 2007, I-8531). Diese Erwägungen gelten nach dem EuGH auch für Ziele, die der Arbeitgeber mit einer vertraglichen Regelung verfolgt (vgl. EuGH 26. September 2013 - C-476/11 - [HK Danmark] Rn. 61).

19

dd) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Benachteiligung der Arbeitnehmer der Beklagten, die das 58. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, gerechtfertigt.

20

(1) Die Beklagte gewährt den Arbeitnehmern in ihrem Produktionsbetrieb nach der Vollendung des 58. Lebensjahres aufgrund ihres gesteigerten Erholungsbedürfnisses zwei weitere Urlaubstage im Kalenderjahr und bezweckt damit die Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. Da dieser Schutz die Festlegung besonderer Arbeitsbedingungen einschließt (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73), unterfallen ihm auch zusätzliche Urlaubstage.

21

(a) Das AGG definiert in § 10 Satz 3 Nr. 1 - ebenso wie Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG - nicht, wann ein Beschäftigter „älter“ im Sinne der Norm ist (vgl. zum herkömmlichen Verständnis: BAG 18. September 2014 - 6 AZR 636/13 - Rn. 44). Nach dem Sinn und Zweck des Benachteiligungsverbots reicht es ohne das Vorliegen anderer Differenzierungsgründe nicht aus, dass das Alter der begünstigten Arbeitnehmer höher ist als das Alter der nicht begünstigten. Dementsprechend hat der Senat angenommen, ein Arbeitnehmer sei nach der Vollendung seines 31. Lebensjahres offensichtlich noch kein älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 55, BAGE 132, 210). Aus dem systematischen Zusammenhang mit § 10 Satz 1 AGG und aus dem Regelungszweck folgt, dass die begünstigten Arbeitnehmer aufgrund ihres Alters der Förderung bei der beruflichen Eingliederung oder des Schutzes bedürfen müssen.

22

(aa) Der Senat ist in seiner Entscheidung vom 20. März 2012 nicht davon ausgegangen, dass mit zunehmenden Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steige. Er hat allerdings ab einem bestimmten Alter - konkret: bei über 50- oder über 60-jährigen Beschäftigten - ein altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis für „eher nachvollziehbar“ gehalten (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 24 f., BAGE 141, 73).

23

(bb) Das Landesarbeitsgericht hat in Übereinstimmung mit der überwiegenden Auffassung im Schrifttum als Erfahrungssatz angenommen, dass mit zunehmenden Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steigt (so auch Tempelmann/Stenslik DStR 2011, 1183, 1185 f.; Lingemann/Gotham NZA 2007, 663, 666; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 143 f.; Waltermann NZA 2005, 1265, 1269; Over Das Verbot der Altersdiskriminierung im Arbeitsrecht nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz S. 231; Küttner/Kania Personalbuch 2014 Diskriminierung Rn. 90; vgl. auch Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 - zu II 2 b cc (3) (a) der Gründe mwN). Diese Ansicht ist allerdings nicht unumstritten. So wird auf die Individualität der Alterungsprozesse und den fehlenden Nachweis von Altersklassen mit spezifischem Erholungsbedarf hingewiesen (Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 1 Rn. 822). Die Aufstellung eines generellen Erfahrungssatzes soll dem traditionellen Bild vom „alten Arbeitnehmer“ entsprechen (Däubler/Bertzbach/Brors 3. Aufl. § 10 Rn. 43). Auch wird hervorgehoben, dass der Gesetzgeber in § 3 BUrlG bezüglich der Dauer des Urlaubs nicht nach dem Lebensalter der Arbeitnehmer unterscheide und demnach nicht von einem unterschiedlichen Erholungsbedürfnis ausgehe(Bertelsmann in Rust/Falke AGG § 10 Rn. 93). Auch auf europäischer Ebene sehe Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG vier Wochen Urlaub einheitlich für alle Berufsgruppen altersunabhängig vor(v. Roetteken AGG Stand September 2014 § 10 Rn. 262). Verlangt wird zumindest die Darlegung eines empirischen Befunds zum steigenden Erholungsbedarf unter Beachtung der Tätigkeit bevorzugter Arbeitnehmer (Däubler/Bertzbach/Brors aaO; aA Kasprzyk Altersdiskriminierung im deutschen Arbeitsrecht S. 185).

24

(b) Erfahrungssätze sind Hilfsmittel. Die Feststellung von allgemein anerkannten Erfahrungssätzen ist als Tatfrage den Tatsachengerichten vorbehalten. Dabei ist es diesen nicht verwehrt, das Bestehen oder Nichtbestehen eines Erfahrungssatzes zu beurteilen, wenn sie dazu über ausreichende Sachkunde und Lebenserfahrung verfügen. Andernfalls haben sie sich der Hilfe eines Sachverständigen zu bedienen. Die Zuziehung eines Sachverständigen zur Unterstützung des Gerichts ist gemäß § 144 Abs. 1 ZPO durch die Tatsachengerichte stets nach pflichtgemäßen Ermessen zu prüfen(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 65 mwN, BAGE 132, 210; vgl. allg. zu Erfahrungssätzen: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 73. Aufl. Einf. § 284 Rn. 22).

25

(c) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Landesarbeitsgericht von der Zuziehung eines Sachverständigen abgesehen hat. Dieses durfte aufgrund der von ihm festgestellten körperlich anstrengenden Tätigkeiten im Produktionsbetrieb der Beklagten auch ohne Sachverständigengutachten annehmen, dass das Erholungsbedürfnis der dort beschäftigten Arbeitnehmer mit zunehmenden Alter steigt. Ob es einen tätigkeitsunabhängigen generellen Zusammenhang zwischen dem Erholungsbedarf und dem Alter gibt (so etwa Kamanabrou aaO), kann dahinstehen.

26

(aa) Die Annahme eines Erfahrungssatzes dahin gehend, dass bei körperlich belastenden Berufen das Erholungsbedürfnis im höheren Alter steigt, begegnet keinen Bedenken. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die physische Belastbarkeit mit zunehmendem Alter abnimmt (etwa BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 67 mwN, BAGE 132, 210; Bayerischer VGH 24. Oktober 2011 - 3 ZB 08.721 - zu II 1 b der Gründe). Dieser Erfahrungssatz betrifft auch den Wirkungszusammenhang von erreichtem Lebensalter und Krankheitsanfälligkeit (Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 - zu II 2 b cc (3) (a) der Gründe mwN). Alle bekannten privaten und öffentlichen Systeme der Kranken-, Renten- und Lebensversicherung beruhen auf dieser Erwartung (BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 54, BAGE 128, 238). Entgegen der Ansicht der Klägerin kommen auch nicht lediglich Studien älteren Datums - wie etwa die ILO-Empfehlung Nr. 162 vom 23. Juni 1980 oder der WHO Technical Report Series 835 „Aging and Working Capacity” (dt. Übersetzung: „Altern und Arbeit“ 1994) - zu diesem Ergebnis. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden bestätigt zB durch den „Fortschrittsreport ‚Altersgerechte Arbeitswelt“, Ausgabe 3 des Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Stand September 2013). Nach diesem hat sich zwar die körperliche Konstitution besonders für die Altersgruppe der 45- bis 64-Jährigen verbessert (Ziff. 3.1). Dennoch zeigt die Studie weiterhin ein Ansteigen der Anzahl der krankheitsbedingten Fehltage sowie eine Verschlechterung des Gesundheitszustands mit fortschreitendem Lebensalter (Ziff. 4.2, Tabelle 2). Insbesondere bei belastenden Berufen nimmt die Anzahl krankheitsbedingter Fehltage im Alter überproportional zu und der Gesundheitszustand verschlechtert sich überproportional (vgl. Ziff. 4.2). Auch bei einfachen Dienstleistungen und einfachen manuellen Berufen verschlechtert sich der „selbstberichtete Gesundheitszustand in der Altersgruppe 55 bis 64 Jahre im Vergleich zum Durchschnitt“ immer noch deutlich (Ziff. 3.4). Zumindest hinsichtlich dieser Berufe erscheint die Annahme eines größeren Erholungsbedarfs im erhöhten Alter als nicht fehlerhaft (ebenso Reinhard ArbRB 2012, 342, 343). Auch Gegner eines allgemeinen Erfahrungssatzes gestehen zu, dass bei gesundheitlich besonders belastenden Tätigkeiten ein gesteigerter Erholungsbedarf mit zunehmendem Alter angenommen werden kann (v. Roetteken aaO; Däubler/Bertzbach/Brors aaO; Löwisch/Rieble § 1 Rn. 823).

27

Soweit das Landesarbeitsgericht auf die teilweise geforderte Darlegung spezifischer empirischer Untersuchungen bezogen auf die Tätigkeiten im Produktionsbetrieb der Beklagten verzichtet hat, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Durchführung derartiger Untersuchungen wäre praktisch aufwändig und schwierig (weiter gehend Kasprzyk aaO: „unmöglich“). Eine übersteigerte Darlegungslast würde die Einführung freiwilliger Leistungen unzumutbar erschweren. Die Feststellungen durch das Landesarbeitsgericht, dass die Beschäftigten der Beklagten bei der Schuhfertigung körperlich ermüdende und teils schwere Arbeiten leisten, verstärkt durch einen besonderen, prämienbezogenen Zeit- und Qualitätsdruck im Sinne eines Teamakkords, genügt danach als Tatsachenbasis für die Bejahung des dargestellten Erfahrungssatzes.

28

(bb) Der Hinweis auf die fehlende Altersstaffelung in § 3 BUrlG und Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG hilft der Klägerin für die Frage der Legitimität des Zwecks nicht weiter. Die Vorschriften regeln nur die Dauer des Mindesturlaubs und damit das unterste Maß dessen, was nach deutschem und europäischem Urlaubsrecht unabhängig von individuellen Besonderheiten zur Erholung erforderlich ist. Spezifische Charakteristika - wie das Alter oder der physische oder psychische Gesundheitszustand - bleiben bei der Setzung eines einheitlichen Minimalstandards naturgemäß außer Betracht. Auf nationaler Ebene kommt hinzu, dass der Gesetzgeber durchaus gesehen hat, dass es altersabhängig einen unterschiedlichen Erholungsbedarf geben kann, wie etwa § 57 Abs. 2 SeeArbG und § 19 Abs. 2 JArbSchG zeigen(siehe dazu v. Roetteken § 10 Rn. 263).

29

(d) Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Sicherstellung des Schutzes ihrer Arbeitnehmer nach Vollendung des 58. Lebensjahres als Zweck der zwei weiteren Urlaubstage vorgeschoben hat.

30

(aa) Allerdings ist dieser Zweck nicht unmittelbar der - nicht schriftlich fixierten - Regelung zu entnehmen. Nennt eine Regelung oder Maßnahme kein Ziel, müssen zumindest aus dem Kontext abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter der Regelung oder der Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, um die Legitimität des Ziels sowie die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüfen zu können (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 19 mwN, BAGE 141, 73; vgl. zur Richtlinie 2000/78/EG: EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 39 mwN, Slg. 2011, I-6919).

31

(bb) Wenn eine Tarifregelung die Urlaubsdauer nach dem Lebensalter staffelt, liegt die Annahme nahe, die Tarifvertragsparteien hätten einem mit zunehmendem Alter gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 23, BAGE 141, 73). Diese Annahme darf freilich nicht durch die konkrete Wahl der Altersgrenze(n) widerlegt werden, wie dies bei § 26 TVöD aF, der zusätzliche Urlaubstage bereits ab dem 30. Lebensjahr vorsah, der Fall war (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 24 ff., aaO).

32

(cc) Es ist kein Grund ersichtlich, bei einer individualrechtlichen Regelung nicht ebenfalls grundsätzlich davon auszugehen, dass mit einer Altersgrenze für die Gewährung zusätzlichen Urlaubs einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer Rechnung getragen werden soll. Diese Annahme erscheint umso mehr gerechtfertigt, wenn sie wie hier mit der Anerkennung eines Erfahrungssatzes bezüglich des gesteigerten Erholungsbedarfs bei körperlich belastenden Berufen korreliert. Hinzu kommt, dass die ständige Übung der Beklagten inhaltlich einer einschlägigen tarifvertraglichen Regelung entspricht. So sah der persönlich, fachlich und räumlich einschlägige Manteltarifvertrag vom 23. April 1997, abgeschlossen zwischen dem Hauptverband der Deutschen Schuhindustrie e. V. und der Gewerkschaft Leder sowie der IG BCE, für gewerbliche Arbeitnehmer in § 17 Ziff. 4 Buchst. a ab dem 58. Lebensjahr ebenfalls zwei zusätzliche Urlaubstage vor. Diese Regelung war im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht nicht durch eine neue Bestimmung abgeändert.

33

(dd) Schließlich widerlegt die Altersgrenze von 58 Lebensjahren nicht den Zweck, mit zwei weiteren Urlaubstagen im Kalenderjahr dem gesteigerten Erholungsbedürfnis Rechnung zu tragen. Dabei kann dahinstehen, ab welchem Alter die Annahme, der zusätzliche Urlaub diene dem höheren Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG, nicht mehr ohne Weiteres aufrechterhalten bzw. als widerlegt erachtet werden kann. Der Senat hat in der Entscheidung vom 20. März 2012 gemäß dem Rechtsgedanken aus § 417 Abs. 1 SGB III eine Altersgrenze von 50 Lebensjahren für die Einordnung als älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG in Betracht gezogen(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73; vgl. zu einer solchen Altersgrenze für die Gewährung zusätzlicher Urlaubstage: Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 -). Das Landesarbeitsgericht hat ergänzend darauf verwiesen, dass Leitlinie 17 der Entscheidung des Rates vom 12. Juli 2005 über Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten (2005/600/EG) Arbeitskräfte ab Vollendung des 55. Lebensjahres als ältere Arbeitnehmer erachtet und die WHO-Studiengruppe „Altern und Arbeit“ aus arbeitsmedizinischer Sicht wegen auftretender Schwierigkeiten in Arbeit und Beruf eine Grenze ab dem 45. Lebensjahr angenommen hat (zu A II 15 b bb (3) (b) der Gründe). Das Berufungsgericht hat damit nachvollziehbar begründet, warum es davon ausgeht, dass die Urlaubsregelung einem legitimen Zweck iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG dient und es diesen Zweck nicht lediglich als von der Beklagten vorgeschoben erachtet.

34

(2) Die Regelung ist geeignet, den in § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG beschriebenen Zweck zu fördern. Insbesondere kann die Klägerin nicht mit dem Argument gehört werden, dass die Gewährung von lediglich zwei Urlaubstagen ungeeignet sei, einen altersbedingt erhöhten Erholungsbedarf auszugleichen. Die Geeignetheit ist nicht deshalb zu verneinen, weil ein gestiegener Erholungsbedarf unter Umständen nicht vollständig, sondern nur partiell ausgeglichen wird. Gerade angesichts des vom Arbeitgeber bei einer freiwilligen Leistung selbst gesetzten Dotierungsrahmens wäre die Beschränkung auf einen Teilausgleich nachvollziehbar und zulässig. Zudem haben auch die Tarifvertragsparteien angesichts der Tätigkeit eines Produktionsmitarbeiters in der Schuhbranche zwei Tage Urlaub für geeignet und ausreichend erachtet. Dass die Beklagte sich die von den Sozialpartnern ausgehandelte Regelung zu eigen macht und im Rahmen ihres Ermessensspielraums eine entsprechende Regelung trifft, ist unter dem Aspekt der Geeignetheit der Regelung nicht zu beanstanden.

35

(3) Die Regelung ist auch erforderlich und angemessen (§ 10 Satz 2 AGG). Mildere Mittel, die in gleicher Weise den Schutz älterer Arbeitnehmer verwirklichen könnten, sind nicht ersichtlich.

36

(a) Die Wahl einer anderen, niedrigeren Altersgrenze stellte kein gleich wirksames, milderes Mittel mit geringerem altersspezifischen Effekt dar. Es handelte sich vielmehr um eine andere Maßnahme mit einem erhöhtem Dotierungsrahmen.

37

(b) Eine niedrigere Altersgrenze verbunden mit nur einem weiteren Urlaubstag im Kalenderjahr müsste zwar nicht zwingend zu einer Erhöhung des Dotierungsrahmens führen. Allerdings hätten dann Arbeitnehmer nach Vollendung des 58. Lebensjahres nicht mehr Anspruch auf den zweiten weiteren Urlaubstag, den die Beklagte im Einklang mit dem einschlägigen Tarifvertrag angesichts des gesteigerten Erholungsbedarfs im höheren Alter in der Schuhproduktion für notwendig erachtet. Der Gestaltungs- und Ermessensspielraum der Beklagten lässt auch im Rahmen der Erforderlichkeit und Angemessenheit die von ihr angewandte Regelung zu. Die Interessen der Beteiligten werden hinreichend berücksichtigt. Es werden lediglich in Übereinstimmung mit dem Abwägungsergebnis der Tarifvertragsparteien die Interessen der über 58-Jährigen an einem zusätzlichen Urlaubstag höher gewichtet als die Interessen der übrigen Beschäftigten, schon im jüngeren Alter einen zusätzlichen Urlaubstag zu erhalten.

38

(c) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Beklagte nicht verpflichtet, zusätzliche Urlaubstage nur nach dem individuell ermittelten Erholungsbedarf unter Einbeziehung altersunabhängiger Belastungsfaktoren, wie der Pflege und Betreuung von Kindern, sowie unter Berücksichtigung des individuellen Alterungsprozesses zu gewähren. Zwar mag es zutreffen, dass es weitere Belastungsfaktoren gibt, die zu einem gesteigerten Erholungsbedarf führen können. Jedoch wäre eine solche individuelle Regelung in vielerlei Hinsicht praktisch nicht oder nur mit großen Schwierigkeiten handhabbar. Dies gilt nicht nur bezüglich der Gewichtung der einzelnen (persönlichen) Belastungsfaktoren untereinander, sondern vor allem auch für deren Ermittlung durch die Beklagte. Auch der Gerichtshof der Europäischen Union hat anerkannt, dass bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Regelung im Hinblick auf das Verbot der Altersdiskriminierung zu beachten ist, dass die fragliche Regelung in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht handhabbar bleiben müsse, und deshalb nicht generell verlangt werden könne, dass immer jeder Einzelfall individuell geprüft werde (EuGH 19. Juni 2014 - C-501/12 ua. - [Specht ua.] Rn. 78). Unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten darf der Arbeitgeber daher im Sinne einer typisierenden Betrachtung in Ausübung seines Gestaltungsspielraums auch einen Grund für ein gesteigertes Erholungsbedürfnis - wie etwa das Alter in belastenden Berufen - als Differenzierungskriterium heranziehen. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG enthält kein Gebot, die dort genannten typischerweise besonders schutzbedürftigen Personengruppen (Jugendliche, ältere Beschäftigte und Personen mit Fürsorgepflichten) hinsichtlich besonderer Arbeitsbedingungen gleich zu behandeln.

39

2. Aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz folgt ebenfalls kein Anspruch der Klägerin auf die begehrten zwei zusätzlichen Urlaubstage. Ist - wie hier - die unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmergruppen aus einem in § 1 AGG genannten Grund unter den im AGG normierten Voraussetzungen zulässig, ist auch der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt(ebenso bezüglich des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes: BAG 17. September 2013 - 3 AZR 686/11 - Rn. 25 mwN). Eine sachwidrige Ungleichbehandlung kommt angesichts der Rechtfertigung gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG nicht in Betracht.

40

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

        

        

    M. Lücke    

        

    Kranzusch    

                 

Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein. Derartige unterschiedliche Behandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:

1.
die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlohnung und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Beschäftigten und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen,
2.
die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile,
3.
die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung auf Grund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder auf Grund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand,
4.
die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen,
5.
eine Vereinbarung, die die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der oder die Beschäftigte eine Rente wegen Alters beantragen kann; § 41 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch bleibt unberührt,
6.
Differenzierungen von Leistungen in Sozialplänen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes, wenn die Parteien eine nach Alter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung geschaffen haben, in der die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigt worden sind, oder Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplans ausgeschlossen haben, die wirtschaftlich abgesichert sind, weil sie, gegebenenfalls nach Bezug von Arbeitslosengeld, rentenberechtigt sind.

(1) Eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 genannten Grundes ist zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist.

(2) Die Vereinbarung einer geringeren Vergütung für gleiche oder gleichwertige Arbeit wegen eines in § 1 genannten Grundes wird nicht dadurch gerechtfertigt, dass wegen eines in § 1 genannten Grundes besondere Schutzvorschriften gelten.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. März 2010 - 20 Sa 2058/09 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Eberswalde vom 8. Juli 2009 - 3 Ca 140/09 - wird zurückgewiesen und der Tenor dieses Urteils zur Klarstellung neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass der Klägerin für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein weiterer Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht.

3. Der Beklagte hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin in den Jahren 2008 und 2009 Anspruch auf jeweils 29 oder 30 Urlaubstage hatte.

2

Die am 27. Oktober 1971 geborene Klägerin ist seit dem 1. September 1988 bei dem beklagten Landkreis als Angestellte mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden in der Fünftagewoche beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13. September 2005 in der Fassung des Änderungstarifvertrags Nr. 2 vom 31. März 2008 (TVöD) Anwendung. Dieser bestimmt ua.:

        

§ 26 

        

Erholungsurlaub

        

(1)     

Beschäftigte haben in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts (§ 21). Bei Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf fünf Tage in der Kalenderwoche beträgt der Urlaubsanspruch in jedem Kalenderjahr

                 

bis zum vollendeten 30. Lebensjahr

26 Arbeitstage,

                 

bis zum vollendeten 40. Lebensjahr

29 Arbeitstage und

                 

nach dem vollendeten 40. Lebensjahr

30 Arbeitstage.

                 

Maßgebend für die Berechnung der Urlaubsdauer ist das Lebensjahr, das im Laufe des Kalenderjahres vollendet wird. Bei einer anderen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit als auf fünf Tage in der Woche erhöht oder vermindert sich der Urlaubsanspruch entsprechend. Verbleibt bei der Berechnung des Urlaubs ein Bruchteil, der mindestens einen halben Urlaubstag ergibt, wird er auf einen vollen Urlaubstag aufgerundet; Bruchteile von weniger als einem halben Urlaubstag bleiben unberücksichtigt. Der Erholungsurlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und kann auch in Teilen genommen werden.

        

…       

        
        

§ 27   

        

Zusatzurlaub

        

(1)     

Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit nach § 7 Abs. 1 oder ständig Schichtarbeit nach § 7 Abs. 2 leisten und denen die Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 1 oder Abs. 6 Satz 1 zusteht, erhalten

                 

a)    

bei Wechselschichtarbeit für je zwei zusammenhängende Monate und

                 

b)    

bei Schichtarbeit für je vier zusammenhängende Monate

                 

einen Arbeitstag Zusatzurlaub.

        

(2)     

Im Falle nicht ständiger Wechselschicht- oder Schichtarbeit (z. B. ständige Vertreter) erhalten Beschäftigte des Bundes, denen die Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 2 oder Abs. 6 Satz 2 zusteht, einen Arbeitstag Zusatzurlaub für

                 

a)    

je drei Monate im Jahr, in denen sie überwiegend Wechselschichtarbeit geleistet haben, und

                 

b)    

je fünf Monate im Jahr, in denen sie überwiegend Schichtarbeit geleistet haben.

        

…       

                 
        

(4)     

Zusatzurlaub nach diesem Tarifvertrag und sonstigen Bestimmungen mit Ausnahme von § 125 SGB IX wird nur bis zu insgesamt sechs Arbeitstagen im Kalenderjahr gewährt. Erholungsurlaub und Zusatzurlaub (Gesamturlaub) dürfen im Kalenderjahr zusammen 35 Arbeitstage nicht überschreiten. Satz 2 ist für Zusatzurlaub nach den Absätzen 1 und 2 hierzu nicht anzuwenden. Bei Beschäftigten, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, gilt abweichend von Satz 2 eine Höchstgrenze von 36 Arbeitstagen; § 26 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

        

…“    

        
3

Mit Schreiben vom 5. November 2008 machte die Klägerin gegenüber dem Beklagten einen jährlichen Gesamturlaub in Höhe von 30 Tagen für das Jahr 2008 und die Zukunft nach dem TVöD geltend. Der Beklagte lehnte die Gewährung von 30 Urlaubstagen vor der Vollendung des 40. Lebensjahres der Klägerin unter Hinweis auf die Verbindlichkeit der Regelung des § 26 Abs. 1 TVöD mit Schreiben vom 28. November 2008 ab. Die Klägerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 11. Februar 2009 die vorliegende Klage erhoben.

4

Sie hat die Ansicht vertreten, sie habe auch vor der Vollendung ihres 40. Lebensjahres Anspruch auf jährlich 30 und nicht nur 29 Urlaubstage. Die an das Lebensalter anknüpfende Staffelung des tariflichen Urlaubsanspruchs sei eine Diskriminierung wegen des Alters. Die in der Tarifregelung enthaltene Ungleichbehandlung jüngerer Arbeitnehmer sei nicht durch § 10 AGG gerechtfertigt. Im Übrigen würden die gesundheitlichen Wirkungen zusätzlichen Urlaubs zur Vermeidung beispielsweise von Stresserscheinungen am Arbeitsplatz auch in der medizinischen Literatur kontrovers diskutiert.

5

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass ihr für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht.

6

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Diese sei bereits unzulässig, da das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO nötige Feststellungsinteresse fehle. Schließlich sei die Klage auch unbegründet. Die Altersstufenregelung des § 26 Abs. 1 TVöD sei durch einen sachlichen Grund nach § 10 AGG gerechtfertigt. Die Festlegung eines Mindestalters für die Gewährung von 30 Urlaubstagen pro Kalenderjahr stelle eine besondere Beschäftigungsbedingung zum Schutz älterer Beschäftigter bzw. eine Mindestanforderung an das Alter für einen mit der Beschäftigung verbundenen Vorteil dar, der zur Erreichung eines legitimen Ziels angemessen und erforderlich sei. Ältere Arbeitnehmer seien mit zunehmendem Alter aufgrund beruflicher Belastungen länger krank. Um diesen Umstand Rechnung zu tragen, hätten die Tarifvertragsparteien mit der Regelung in § 26 Abs. 1 TVöD auf das verstärkte Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer reagiert und deren Leistungsfähigkeit stärken wollen. Der Aspekt des Gesundheitsschutzes älterer Arbeitnehmer sei daher geeignet, die Ungleichbehandlung jüngerer Beschäftigter zu rechtfertigen. Schließlich würde auch eine Diskriminierung keine Angleichung „nach oben“ zur Folge haben.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die Wiederherstellung der stattgebenden Entscheidung des Arbeitsgerichts. Der Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

A. Die zulässige Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf die geltend gemachten Ersatzurlaubstage.

9

I. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Feststellungsklage zulässig ist. Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse daran, durch das Gericht feststellen zu lassen, ob ihr für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht ( § 256 Abs. 1 ZPO ). Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer den Umfang des ihm zustehenden Urlaubs gerichtlich festgestellt haben will, nicht entgegen (vgl. BAG 12. April 2011 - 9 AZR 80/10  - Rn. 13 bis 15, EzA BUrlG § 7 Nr. 123).

10

II. Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten für den ihr in den Jahren 2008 und 2009 jeweils verweigerten 30. Urlaubstag gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB Anspruch auf jeweils einen Tag Ersatzurlaub. Die Urlaubsstaffelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD verstößt gegen die §§ 1, 3 Abs. 1 AGG. Denn sie gewährt Beschäftigten, die das 30., aber noch nicht das 40. Lebensjahr vollendet haben, einen um einen Tag kürzeren Urlaub. Sie ist deshalb nach § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG iVm. § 134 BGB unwirksam. Dies hat zur Folge, dass die Klägerin auch vor der Vollendung ihres 40. Lebensjahres in jedem Kalenderjahr Anspruch auf 30 Urlaubstage hatte. Ihr steht für die Jahre 2008 und 2009 jeweils noch ein Tag Ersatzurlaub zu, weil der Beklagte ihr in diesen Jahren nur jeweils 29 Urlaubstage gewährte.

11

1. Nach § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD standen der am 27. Oktober 1971 geborenen Klägerin in den Jahren 2008 und 2009 jeweils 29 Urlaubstage zu. Erst nach dem vollendeten 40. Lebensjahr gewährt ihr diese Tarifregelung einen jährlichen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen. Diese an das Lebensalter anknüpfende Staffelung der Urlaubsdauer verstößt gegen das Verbot der Altersdiskriminierung in § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG. Sie ist als sachlich nicht nach den §§ 8, 10 AGG gerechtfertigte unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters gemäß § 7 Abs. 2 AGG iVm. § 134 BGB unwirksam. Zur Beseitigung dieser Diskriminierung ist eine Anpassung auf 30 Urlaubstage erforderlich.

12

2. Zutreffend haben die Vorinstanzen die Regelung in § 26 Abs. 1 TVöD am AGG gemessen. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG gelten die Diskriminierungsverbote der §§ 1, 7 AGG auch für die in kollektivrechtlichen Vereinbarungen geregelten Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen. Unter solchen Bedingungen sind alle Umstände zu verstehen, aufgrund derer und unter denen die Arbeitsleistung zu erbringen ist (vgl. BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 54, BAGE 132, 210). Zu den Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen gehört damit auch der Urlaub. Der Umstand, dass die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b TVöD bereits am 1. Januar 2006 und somit schon vor dem AGG vom 14. August 2006 in Kraft getreten ist, steht dem nicht entgegen. Die für die Jahre 2008 und 2009 geltend gemachte Benachteiligung durch § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD ist erst nach Inkrafttreten des AGG am 18. August 2006 eingetreten. Da § 33 Abs. 1 AGG insoweit keine Übergangsregelung enthält, findet dieses Gesetz auch dann Anwendung, wenn die Benachteiligung auf einem vor Inkrafttreten des AGG abgeschlossenen Tarifvertrag beruht. Es kommt allein auf den Zeitpunkt der Benachteiligungshandlung an (BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 33, BAGE 129, 72).

13

3. Die Urlaubsstaffelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD enthält eine auf dem Merkmal des Alters beruhende Ungleichbehandlung der Beschäftigten, die das 30. bzw. das 40. Lebensjahr nicht vollendet haben. Das ist eine unmittelbare Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer wegen des Alters iSv. § 3 Abs. 1 AGG.

14

a) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Beim Alter handelt es sich um einen in § 1 AGG genannten Grund, wobei unter Alter das Lebensalter zu verstehen ist. Dies folgt aus dem gesetzlichen Wortlaut und auch aus der Gesetzesbegründung ( BT-Drucks. 16/1780 S. 31; BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 49, BAGE 132, 210; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07  - Rn. 36, BAGE 129, 181). Der für eine unmittelbare Benachteiligung erforderliche Kausalzusammenhang ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere in § 1 AGG genannte Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 32; BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 50, aaO).

15

b) Diese Voraussetzung ist erfüllt. § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD sieht für Beschäftigte bei einer Fünftagewoche in jedem Kalenderjahr einen Urlaubsanspruch bis zum vollendeten 30. Lebensjahr in Höhe von 26 Arbeitstagen, bis zum vollendeten 40. Lebensjahr in Höhe von 29 Arbeitstagen und erst nach dem vollendeten 40. Lebensjahr in Höhe von 30 Arbeitstagen vor. Die Höhe des Urlaubsanspruchs nach § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD knüpft damit in allen Stufen unmittelbar an das Lebensalter der Beschäftigten an. Danach haben Beschäftigte wie die Klägerin, die zwar das 30. Lebensjahr, aber noch nicht das 40. Lebensjahr vollendet haben, in jedem Jahr nur Anspruch auf 29 statt auf 30 Urlaubstage. Sie werden ebenso wie die unter 30-Jährigen im Vergleich zu den Beschäftigten, die das 40. Lebensjahr vollendet haben, hinsichtlich der Höhe des Urlaubsanspruchs wegen ihres geringeren Alters ungünstiger behandelt.

16

4. Diese Ungleichbehandlung ist nicht gerechtfertigt.

17

a) Bei ihr handelt es sich nicht um eine nach § 8 AGG zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen. Die Urlaubsstaffel des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD knüpft nicht an die Art der auszuübenden Tätigkeit oder die Bedingungen ihrer Ausübung an. Sie stellt nicht auf die Art der auszuübenden Tätigkeit ab und beansprucht damit Geltung für alle dem TVöD unterfallenden Beschäftigten.

18

b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Ungleichbehandlung auch nicht nach § 10 AGG sachlich gerechtfertigt(so ebenfalls die herrschende Meinung in der Literatur, vgl. Linck/Schütz FS Leinemann, S. 181 f.; Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV Stand Januar 2012 E § 26 TVöD Rn. 22; AGG/Voigt 3. Aufl. § 10 Rn. 33; Meinel/Heyn/Herms AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 42b; Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 105; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdtle ZTR 2006, 622, 623 mwN; Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 478; vgl. ferner bereits zu § 48 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). § 10 Satz 1 AGG lässt eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters ungeachtet der Regelung des § 8 AGG zu, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Zudem müssen die Mittel zur Erreichung dieses Ziels nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist die an das Lebensalter anknüpfende Differenzierung in § 26 Abs. 1 TVöD nicht sachlich gerechtfertigt, weil sie einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung trägt und deren Gesundheit schützen will. Dabei kann dahinstehen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen das Ziel des Gesundheitsschutzes eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen würde. Die Tarifvorschrift verfolgt dieses Ziel schon nicht.

19

aa) Die Tarifvertragsparteien haben das mit der in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD geregelten Urlaubsstaffelung verfolgte Ziel nicht ausdrücklich genannt. Nennt eine Regelung oder Maßnahme kein Ziel, müssen zumindest aus dem Kontext abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter der Regelung oder der Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, um die Legitimität des Ziels sowie die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüfen zu können. Dabei können nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die sozialpolitischen Ziele als legitim angesehen werden, die im allgemeinen Interesse stehen. Derjenige, der eine Ungleichbehandlung vornimmt, muss den nationalen Gerichten in geeigneter Weise die Möglichkeit zur Prüfung einräumen, ob mit der Ungleichbehandlung ein Ziel angestrebt wird, das die Ungleichbehandlung unter Beachtung der Ziele der Richtlinie 2000/78/EG rechtfertigt (vgl. EuGH 5. März 2009 - C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 45 ff., Slg. 2009, I-1569; BAG 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08  - Rn. 36 ff., BAGE 131, 61). Denn das nationale Gericht hat zu prüfen, ob die Regelung oder Maßnahme ein rechtmäßiges Ziel iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgt. Gleiches gilt für die Frage, ob die Tarifvertragsparteien als Normgeber angesichts des vorhandenen Wertungsspielraums davon ausgehen durften, dass die gewählten Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich waren (vgl. EuGH 5. März 2009 -  C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 49 ff., aaO; vgl. auch BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 57, BAGE 132, 210).

20

bb) Die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD dient nicht dem Schutz älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. Diese gesetzliche Regelung konkretisiert das legitime Ziel, nämlich ua. die Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter, wobei dieser Schutz auch die Festlegung besonderer Arbeitsbedingungen einschließen kann. Aus einer tariflichen Urlaubsstaffelung, die - wie die in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD - den Beschäftigten bereits nach Vollendung des 30. Lebensjahres drei weitere Urlaubstage und dann nach Vollendung des 40. Lebensjahres letztmals einen zusätzlichen Urlaubstag gewährt, lässt sich nicht ableiten, dass die Tarifvertragsparteien einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollten und das Ziel verfolgten, den Schutz älterer Beschäftigter iSd. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG sicherzustellen. Wenn sich auch eine genaue Schwelle für die Zuordnung zu den älteren Arbeitnehmern weder dieser Regelung selbst noch Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG entnehmen lässt, so ist diese freilich an der Zielsetzung (vgl. zu dieser Däubler/Bertzbach/Brors 2. Aufl. § 10 Rn. 42) auszurichten. Einen arbeitsmarktpolitischen Zweck verfolgt zB § 417 Abs. 1 SGB III, wonach Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die das 50. Lebensjahr vollendet haben und ihre Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung beenden oder vermeiden, unter den in der Vorschrift genannten Voraussetzungen Anspruch auf Leistungen der Entgeltsicherung haben. Diese Regelung der Entgeltsicherung bezweckt, die Arbeitslosigkeit älterer Arbeitnehmer abzubauen und ihren Anteil an der erwerbstätigen Bevölkerung zu erhöhen (vgl. BT-Drucks. 17/1945 S. 17). Im Vergleich zu der in § 417 Abs. 1 SGB III genannten Altersgruppe setzt sich die durch die Urlaubsstaffel in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD begünstigte Beschäftigtengruppe, der ein Urlaubsanspruch von jährlich 30 Arbeitstagen eingeräumt wird, nicht ausnahmslos aus älteren Beschäftigten zusammen. Vielmehr gehören ihr alle Beschäftigten ab Vollendung des 40. Lebensjahres an. Der Senat hat bereits entschieden, dass ein Arbeitnehmer jedenfalls ab Vollendung des 31. Lebensjahres offensichtlich kein älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG ist(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 55, BAGE 132, 210).

21

cc) Ein legitimes Ziel iSd. § 10 AGG ergibt sich entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts auch nicht aus § 10 Satz 3 Nr. 2 AGG. Danach kann eine zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile einschließen. Diese Regelung bestimmt selbst kein legitimes Ziel, sondern beschreibt nur ein mögliches Mittel, mit der ein auf andere Weise zu legitimierendes Ziel gerechtfertigt werden kann (vgl. ErfK/Schlachter 12. Aufl. § 10 AGG Rn. 6), sofern es erforderlich und angemessen iSd. § 10 Satz 2 AGG ist.

22

dd) Die Tarifvertragsparteien verfolgen entgegen der Auffassung des Beklagten nicht das Ziel des Gesundheitsschutzes älterer Arbeitnehmer.

23

(1) Das mit der Urlaubsstaffelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD verfolgte Ziel lässt sich nicht mit ausreichender Deutlichkeit aus dem Wortlaut des § 26 TVöD entnehmen. § 26 TVöD normiert ausweislich seiner Überschrift den Erholungsurlaub. Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 TVöD haben Beschäftigte in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts. § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD legt die Dauer dieses Erholungsurlaubs fest. Der Begriff des Erholungsurlaubs wird dabei nicht näher definiert und ist dem BUrlG entlehnt, auf das § 26 Abs. 2 TVöD im Übrigen verweist. Der Erholungsurlaub nach dem BUrlG soll nach der Gesetzesbegründung dem sozialpolitischen Anliegen der Erhaltung und Wiederauffrischung der Arbeitskraft der Arbeitnehmer dienen (vgl. den schriftlichen Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit, BT-Drucks. IV/785; Begründung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Bundesurlaubsgesetzes, BT-Drucks. IV/207). Durch den Erholungsurlaub wird dem Arbeitnehmer die Möglichkeit gesichert, für eine bestimmte Dauer im Jahr, die ihm eingeräumte Freizeit zur selbstbestimmten Erholung zu nutzen (st. Rspr., vgl. BAG 20. Juni 2000 - 9 AZR 405/99 - zu II 2 b bb 1 der Gründe, BAGE 95, 104; 8. März 1984 - 6 AZR 600/82 - zu II 5 b der Gründe, BAGE 45, 184; ebenso st. Rspr. des EuGH zum Jahresurlaub nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG , EuGH 22. No-vember 2011 - C-214/10 - [KHS] Rn. 31, AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 6 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 7; 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06  - [Schultz-Hoff] Rn. 25, Slg. 2009, I-179). Wenn eine Tarifregelung die Urlaubsdauer nach dem Lebensalter staffelt, liegt die Annahme nahe, die Tarifvertragsparteien hätten einem mit zunehmendem Alter gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollen. Die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD rechtfertigt eine solche Annahme freilich nicht, sondern schließt sie aus.

24

(2) Das folgt bereits aus dem Inhalt der Regelung. Die Tarifvorschrift räumt den Beschäftigten schon ab dem 30. Lebensjahr drei weitere Urlaubstage ein. Dafür, dass die Tarifvertragsparteien von einem so deutlich gesteigertem Erholungsbedürfnis bereits nach der Vollendung des 30. Lebensjahres ausgegangen sind, fehlt jeder Anhaltspunkt. Gegen eine solche Annahme spricht auch, dass die Tarifvertragsparteien den Beschäftigten nach der Vollendung des 40. Lebensjahres letztmals nur einen weiteren Urlaubstag gewährt und davon abgesehen haben, ein gesteigertes Erholungsbedürfnis des Beschäftigten in der Zeit bis zum Erreichen des gesetzlich festgelegten Alters für den Bezug der Regelaltersrente (§ 33 Abs. 1 Buchst. a TVöD) zu berücksichtigen. Hätten die Tarifvertragsparteien ein gesteigertes Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter vor Augen gehabt, hätten sie nicht einem 30-Jährigen einen gegenüber einem 29-jährigen Beschäftigten um drei Tage längeren Urlaub gewährt, nach der Vollendung des 40. Lebensjahres des Beschäftigten eine wesentlich geringere Steigerung des Erholungsbedürfnisses angenommen und für die Zeit danach bis zum Erreichen des gesetzlich festgelegten Alters für den Bezug der Regelaltersrente ein zunehmendes Erholungsbedürfnis des Beschäftigten überhaupt nicht mehr berücksichtigt (vgl. Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 478). Auch das Schrifttum nimmt ganz überwiegend an, dass eine tarifliche Urlaubsstaffelung nicht schon auf die Vollendung des 30. bzw. des 40. Lebensjahres abstellen darf, wenn sie einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen will (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22; Tempelmann/Stenslik DStR 2011, 1183, 1186; Richter Benachteiligung wegen des Alters im Erwerbsleben S. 170; Meinel/Heyn/Herms § 10 Rn. 42b; AGG/Voigt § 10 Rn. 33; Hey AGG § 10 Rn. 28; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdle ZTR 2006, 622, 623; Linck/Schütz FS Leinemann S. 181 f.; Senne Auswirkungen des europäischen Verbots der Altersdiskriminierung auf das deutsche Arbeitsrecht S. 269; Bertelsmann ZESAR 2005, 242, 246). Selbst wenn die Erholungsbedürftigkeit von Arbeitnehmern mit zunehmendem Lebensalter steigen sollte (zweifelnd Däubler/Bertzbach/Brors § 10 Rn. 50; aA Waltermann NZA 2005, 1265, 1269), hätte es mit dem Schutz älterer Arbeitnehmer nichts zu tun, bereits mit dem 30. Lebensjahr eine erste Verlängerung des Urlaubsanspruchs um drei Tage und die zweite und zugleich letzte Verlängerung um einen weiteren Urlaubstag bereits mit Vollendung des 40. Lebensjahres vorzusehen (so auch Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22; Adomeit/Mohr § 10 Rn. 105; so bereits zu § 48 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). Es fehlt in beiden Stufen an dem erkennbaren Schutz Älterer. Die Verlängerung des Urlaubsanspruchs bereits mit dem vollendeten 30. Lebensjahr lässt sich kaum mit der Erhaltung der Leistungsfähigkeit Älterer begründen. Auch mit der Vollendung des 40. Lebensjahres hat ein Beschäftigter regelmäßig allenfalls die Mitte seines Erwerbsalters erreicht (vgl. auch Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). Hätten die Tarifvertragsparteien gemäß der Ansicht des Beklagten ein gesteigertes Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter berücksichtigen wollen, hätten sich die gewählten Altersgrenzen nicht an dem mit dem Alter zunehmenden Erholungsbedürfnis orientiert und wären willkürlich.

25

(3) Gerade dieser Umstand bestätigt, dass die Tarifvertragsparteien mit der Regelung in § 26 TVöD weder den Schutz der Gesundheit bezweckten noch einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollten. Hätten sie diese Ziele verfolgt, hätte es nahe gelegen, gerade für die älteren Beschäftigten, zB die Gruppe der über 50- oder über 60-jährigen Beschäftigten, die Dauer des Erholungsurlaubs zu verlängern. Bei dieser Personengruppe ist ein altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis eher nachvollziehbar. Ein solches Schutzbedürfnis für die über 50-Jährigen haben die Tarifvertragsparteien aber nur hinsichtlich der Beschränkung der Höchstdauer des Gesamturlaubs bei besonders belastenden Arbeiten (Schicht- und Wechselschicht) gesehen. Das folgt aus § 27 Abs. 4 Satz 4 TVöD. Danach erhöht sich ab diesem Lebensalter die maximal erreichbare Gesamturlaubsdauer von jährlich 35 auf 36 Arbeitstage.

26

(4) Die Tarifgeschichte bestätigt, dass die Tarifvertragsparteien mit der Urlaubsstaffel nicht einem mit dem Lebensalter steigenden Erholungsbedürfnis Rechnung tragen wollten. Bereits seit dem Inkrafttreten des BAT wurde die Urlaubsdauer an das Lebensalter geknüpft (§ 48 Abs. 1 BAT). Sie steigerte sich auch nach dem vollendeten 30. Lebensjahr und nach dem vollendeten 40. Lebensjahr. Innerhalb der Lebensaltersstufen verlängerte sich die Urlaubsdauer teilweise nach Vergütungsgruppen. Je höher der Angestellte eingruppiert war, je länger war sein Urlaubsanspruch. Dies zeigt, dass nicht der Erholungszweck maßgebend für die Urlaubsdauer sein sollte. Der Urlaub wurde vielmehr als Quasi-Gegenleistung für die Arbeitsleistung geregelt. Nur so lässt sich die normierte Abhängigkeit der Urlaubsdauer von der Vergütungsgruppe erklären. Es kann deshalb nicht angenommen werden, die Tarifvertragsparteien hätten bei Angestellten in höheren Vergütungsgruppen ein gesteigertes Erholungsbedürfnis ausgleichen wollen. Die Differenzierung resultiert vielmehr aus der überkommenen Auffassung, der Urlaub werde „verdient“.

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5. Die Diskriminierung der Klägerin kann nur durch die Verpflichtung des Beklagten beseitigt werden, der Klägerin für die Jahre 2008 und 2009 jeweils einen Ersatzurlaubstag zu gewähren. Zwar folgt aus § 7 Abs. 2 AGG nur, dass die diskriminierende Regelung unwirksam ist. Auch wird vom Senat nicht verkannt, dass es sich bei § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD um ein Stufensystem handelt, sodass grundsätzlich keine Stufe als die von den Tarifvertragsparteien als „übliche“ Urlaubsdauer gewollte angesehen werden kann. Jedoch kann die Beseitigung der Diskriminierung vorliegend nur durch eine Anpassung „nach oben“ erfolgen.

28

a) Grundsätzlich ist es Aufgabe der Tarifvertragsparteien, eine benachteiligungsfreie Regelung zu treffen, wofür ihnen verschiedene Möglichkeiten zu Verfügung stehen. Doch scheidet eine Aussetzung des Rechtsstreits unter Fristsetzung zur Lückenschließung durch die Tarifvertragsparteien selbst von vornherein aus (aM Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 23). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind für den Fall, dass gesetzliche oder tarifvertragliche Regelungen eine mit der Richtlinie unvereinbare Diskriminierung vorsehen, die nationalen Gerichte gehalten, die Diskriminierung auf jede denkbare Weise und insbesondere dadurch auszuschließen, dass sie die Regelung für die nicht benachteiligte Gruppe auch auf die benachteiligte Gruppe anwenden, ohne die Beseitigung der Diskriminierung durch den Gesetzgeber, die Tarifvertragsparteien oder in anderer Weise abzuwarten (vgl. so bereits zur Richtlinie 76/207/EWG: EuGH 20. März 2003 - C-187/00 - [Kutz-Bauer] Rn. 75, Slg. 2003, I-2741). Auch nach Art. 9 Abs. 3 GG in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wäre eine Aussetzung grundsätzlich allenfalls zur Beseitigung einer Diskriminierung für die Zukunft geboten(vgl. BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 28, NZA 2012, 161). Vorliegend geht es jedoch um die Beseitigung einer Diskriminierung in der Vergangenheit.

29

b) Die Benachteiligung der Klägerin kann nicht auf andere Weise für die Jahre 2008 und 2009 ausgeschlossen werden. Ein Rückgriff auf den noch unterhalb der Eingangstufe des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD liegenden gesetzlichen Mindesturlaub gemäß den §§ 1, 3 BUrlG in Höhe von 20 Arbeitstagen bei einer Fünftagewoche ist hierzu nicht geeignet(aM Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 483; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand Februar 2012, § 26 Rn. 163.5). Der von den §§ 1, 7 AGG bzw. Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgte Zweck, Benachteiligungen zu verhindern oder zu beseitigen, würde nicht erreicht. Da diskriminierende Maßnahmen oder Vereinbarungen nicht hingenommen und ihre Fortwirkung nicht akzeptiert werden darf (vgl. ErfK/Schlachter § 7 AGG Rn. 5), ist auch nicht auf die Eingangsstufe des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD mit 26 Urlaubstagen abzustellen. Hätte die Klägerin nur Anspruch auf die erste Stufe der Urlaubsstaffel, fehlte es an einer Sanktion, die einen tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutz gewährt und abschreckende Wirkung hat (vgl. zu diesem Aspekt: BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 18 ff., NZA 2012, 161).

30

c) Hingegen ist eine Anpassung „nach oben“ zur Beseitigung einer Altersdiskriminierung im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gerechtfertigt, wenn auf andere Weise die Diskriminierung nicht behoben werden kann, weil der Arbeitgeber den Begünstigten für die Vergangenheit die Leistung nicht mehr entziehen kann (vgl. ausführlich: BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 20 ff., NZA 2012, 161). Dies ist vorliegend der Fall. Der den begünstigten Beschäftigten in den Jahren 2008 und 2009 gewährte Urlaub von jährlich 30 Arbeitstagen kann nicht rückwirkend auf 29 oder 26 Arbeitstage begrenzt werden. Die als Urlaub bereits gewährte Freizeit ist nicht kondizierbar.

31

d) Schließlich steht der Anpassung „nach oben“ auch nicht § 15 Abs. 3 AGG entgegen. Danach ist der Arbeitgeber bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fährlässig handelt. Diese Bestimmung bezieht sich allein auf die immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG(vgl. BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 38, NZA 2012, 161; ErfK/Schlachter § 15 AGG Rn. 13) und verhält sich nicht zur Beseitigung einer Diskriminierung durch eine den Diskriminierungsverboten genügende Regelung.

32

e) Der Beklagte kann auch keinen Vertrauensschutz in Anspruch nehmen. In den Jahren 2008 und 2009 galt bereits das am 18. August 2006 in Kraft getretene AGG. Dieses nimmt Dauerschuldverhältnisse und damit auch Arbeitsverhältnisse ebenso wenig wie Tarifverträge aus, die vor dem Inkrafttreten des AGG bereits abgeschlossen waren. Übergangsvorschriften oder Vertrauensschutzregelungen sind insoweit in § 33 AGG nicht vorgesehen. Gemäß § 1 AGG ist ua. Ziel dieses Gesetzes, Benachteiligungen aus Gründen des Alters nicht nur zu verhindern, sondern auch zu beseitigen. Die damit einhergehende unechte Rückwirkung ist zulässig. Der zeitliche Geltungsbereich wird je nach Lage der Verhältnisse im Einzelfall nur durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes beschränkt (vgl. so bereits zu § 81 Abs. 2 SGB IX aF: BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 38, BAGE 129, 72). Dies setzt jedoch in jedem Fall das Vorliegen eines schutzwürdigen Vertrauens voraus, das vorliegend nicht gegeben ist, selbst wenn man die Grundsätze zum Vertrauensschutz bei unechter Rückwirkung von Gesetzen anwendet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Grundsatz des Vertrauensschutzes nur dann verletzt, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (vgl. BVerfG 10. August 2006 - 2 BvR 563/05  - Rn. 14, BVerfGK 9, 28). Zum einen dient das AGG der Umsetzung von EU-Richtlinien zum Schutz vor Diskriminierung im Bereich Beschäftigung und Beruf und enthält insoweit insbesondere im Bereich der Altersdiskriminierung unionsrechtlich verankerte notwendige und bedeutende Regelungen. Zum anderen wäre ein Vertrauen in den Fortbestand der angewandten tarifvertraglichen Regelungen nicht schutzwürdig. Denn die Richtlinie 2000/78/EG wurde schon im Jahr 2000 erlassen und stellt in Art. 16 Buchst. b ausdrücklich klar, dass die Diskriminierungsverbote auch auf tarifvertragliche Bestimmungen Anwendung finden. Nach Art. 18 der Richtlinie 2000/78/EG war diese zudem spätestens zum 2. Dezember 2006 in nationales Recht umzusetzen. Der Beklagte musste ebenso wie die Tarifvertragsparteien damit rechnen, dass tarifvertragliche Regelungen auch am Verbot der Altersdiskriminierung gemessen werden. Deshalb konnte der Beklagte nicht darauf vertrauen, dass auch nach Inkrafttreten des AGG die Urlaubsstaffelregelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD zulässig war, zumal in der Gesetzesbegründung zum AGG die Anknüpfung an das bloße Lebensalter als Mindestgrenze für mit der Beschäftigung verbundener Vorteile nicht unkritisch gesehen wurde(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 36) und im Schrifttum nicht nur vereinzelt die Unwirksamkeit des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD wegen Verstoßes gegen das Verbot der Altersdiskriminierung angenommen wurde (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22 mwN; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdtle ZTR 2006, 622, 623 mwN; so bereits zu § 48 Abs. 1 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156).

33

6. Die Klägerin hat Anspruch auf Ersatzurlaub gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB. Die Resturlaubsansprüche für die Jahre 2008 und 2009 waren mangels Vorliegens eines Übertragungsgrundes nach § 26 Abs. 1 Satz 6 TVöD iVm. § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG zum 31. Dezember des jeweiligen Jahres verfallen. Diesen Untergang hat der Beklagte zu vertreten, weil er sich mit der Gewährung des Urlaubs in Verzug befand.

34

a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus Verzug gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB liegen vor. Die Klägerin hatte in den Jahren 2008 und 2009 Anspruch auf jeweils 30 Urlaubstage. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wandelt sich der Urlaubsanspruch in einen Schadensersatzanspruch um, der auf Gewährung von Ersatzurlaub als Naturalrestitution gerichtet ist, wenn der Arbeitgeber den rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt und der Urlaub aufgrund seiner Befristung verfällt ( BAG 11. April 2006 - 9 AZR 523/05  - Rn. 24, AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116).

35

b) Die Klägerin machte mit Schreiben vom 5. November 2008 unter der Überschrift „Geltendmachung von Urlaubsansprüchen“ Urlaub in Höhe von 30 Tagen nach dem TVöD geltend und bat zudem, den Urlaubsanspruch auch für die Zukunft entsprechend anzupassen. Dahingestellt bleiben kann, ob dies schon ein konkretes Verlangen beinhaltet hat, den Urlaub in den Jahren 2008 und 2009 zu gewähren. Nach der Rechtsprechung des Senats ist hierfür zumindest erforderlich, dass der Arbeitgeber nach den Grundsätzen des § 133 BGB davon ausgehen muss, der Arbeitnehmer wünsche ab einem bestimmten Zeitpunkt Erholungsurlaub(vgl. BAG 17. November 2009 - 9 AZR 745/08 - Rn. 45; 11. April 2006 -  9 AZR 523/05  - Rn. 28, AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116). Maßgebend ist, dass der Beklagte mit Schreiben vom 28. November 2008 erklärt hat, er lehne den Antrag auf Verlängerung des Urlaubs „auf 30 Tage vor Erreichen des 41. Lebensjahres“ ab, weil der Klägerin nach dem für ihn verbindlichen § 26 Abs. 1 TVöD derzeit nur 29 Urlaubstage zustünden. Aus objektiver Empfängersicht lag darin eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung des Beklagten als Schuldner des Urlaubsanspruchs, die gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine Mahnung der Klägerin entbehrlich machte(vgl. BAG 31. Januar 1991 - 8 AZR 462/89  - zu II der Gründe). Denn der Beklagte gab mit diesem Schreiben vor Ablauf des Urlaubsjahres 2008 klar zu erkennen, dass er nicht bereit sei, im laufenden Jahr mehr als 29 Tage Urlaub zu gewähren. Hinsichtlich des weiteren Urlaubstags für das Jahr 2009 folgt der Verzug des Beklagten zudem daraus, dass er jedenfalls mit dem Antrag auf Klageabweisung vom 24. April 2009 und somit vor Ablauf des Urlaubsjahres 2009 zu erkennen gegeben hat, den weiteren Urlaubstag auch im Jahr 2009 nicht gewähren zu wollen. Darin lag ebenso seine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung als Schuldner des Urlaubsanspruchs, die gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine Mahnung der Klägerin ebenfalls entbehrlich machte(vgl. BAG 17. Mai 2011 - 9 AZR 197/10 - Rn. 14, EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 138; 31. Januar 1991 - 8 AZR 462/89  - zu II der Gründe).

36

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

        

        

    Preuß    

        

    Neumann-Redlin    

        

        

Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein. Derartige unterschiedliche Behandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:

1.
die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlohnung und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Beschäftigten und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen,
2.
die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile,
3.
die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung auf Grund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder auf Grund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand,
4.
die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen,
5.
eine Vereinbarung, die die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der oder die Beschäftigte eine Rente wegen Alters beantragen kann; § 41 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch bleibt unberührt,
6.
Differenzierungen von Leistungen in Sozialplänen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes, wenn die Parteien eine nach Alter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung geschaffen haben, in der die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigt worden sind, oder Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplans ausgeschlossen haben, die wirtschaftlich abgesichert sind, weil sie, gegebenenfalls nach Bezug von Arbeitslosengeld, rentenberechtigt sind.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. März 2010 - 20 Sa 2058/09 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Eberswalde vom 8. Juli 2009 - 3 Ca 140/09 - wird zurückgewiesen und der Tenor dieses Urteils zur Klarstellung neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass der Klägerin für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein weiterer Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht.

3. Der Beklagte hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin in den Jahren 2008 und 2009 Anspruch auf jeweils 29 oder 30 Urlaubstage hatte.

2

Die am 27. Oktober 1971 geborene Klägerin ist seit dem 1. September 1988 bei dem beklagten Landkreis als Angestellte mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden in der Fünftagewoche beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13. September 2005 in der Fassung des Änderungstarifvertrags Nr. 2 vom 31. März 2008 (TVöD) Anwendung. Dieser bestimmt ua.:

        

§ 26 

        

Erholungsurlaub

        

(1)     

Beschäftigte haben in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts (§ 21). Bei Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf fünf Tage in der Kalenderwoche beträgt der Urlaubsanspruch in jedem Kalenderjahr

                 

bis zum vollendeten 30. Lebensjahr

26 Arbeitstage,

                 

bis zum vollendeten 40. Lebensjahr

29 Arbeitstage und

                 

nach dem vollendeten 40. Lebensjahr

30 Arbeitstage.

                 

Maßgebend für die Berechnung der Urlaubsdauer ist das Lebensjahr, das im Laufe des Kalenderjahres vollendet wird. Bei einer anderen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit als auf fünf Tage in der Woche erhöht oder vermindert sich der Urlaubsanspruch entsprechend. Verbleibt bei der Berechnung des Urlaubs ein Bruchteil, der mindestens einen halben Urlaubstag ergibt, wird er auf einen vollen Urlaubstag aufgerundet; Bruchteile von weniger als einem halben Urlaubstag bleiben unberücksichtigt. Der Erholungsurlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und kann auch in Teilen genommen werden.

        

…       

        
        

§ 27   

        

Zusatzurlaub

        

(1)     

Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit nach § 7 Abs. 1 oder ständig Schichtarbeit nach § 7 Abs. 2 leisten und denen die Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 1 oder Abs. 6 Satz 1 zusteht, erhalten

                 

a)    

bei Wechselschichtarbeit für je zwei zusammenhängende Monate und

                 

b)    

bei Schichtarbeit für je vier zusammenhängende Monate

                 

einen Arbeitstag Zusatzurlaub.

        

(2)     

Im Falle nicht ständiger Wechselschicht- oder Schichtarbeit (z. B. ständige Vertreter) erhalten Beschäftigte des Bundes, denen die Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 2 oder Abs. 6 Satz 2 zusteht, einen Arbeitstag Zusatzurlaub für

                 

a)    

je drei Monate im Jahr, in denen sie überwiegend Wechselschichtarbeit geleistet haben, und

                 

b)    

je fünf Monate im Jahr, in denen sie überwiegend Schichtarbeit geleistet haben.

        

…       

                 
        

(4)     

Zusatzurlaub nach diesem Tarifvertrag und sonstigen Bestimmungen mit Ausnahme von § 125 SGB IX wird nur bis zu insgesamt sechs Arbeitstagen im Kalenderjahr gewährt. Erholungsurlaub und Zusatzurlaub (Gesamturlaub) dürfen im Kalenderjahr zusammen 35 Arbeitstage nicht überschreiten. Satz 2 ist für Zusatzurlaub nach den Absätzen 1 und 2 hierzu nicht anzuwenden. Bei Beschäftigten, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, gilt abweichend von Satz 2 eine Höchstgrenze von 36 Arbeitstagen; § 26 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

        

…“    

        
3

Mit Schreiben vom 5. November 2008 machte die Klägerin gegenüber dem Beklagten einen jährlichen Gesamturlaub in Höhe von 30 Tagen für das Jahr 2008 und die Zukunft nach dem TVöD geltend. Der Beklagte lehnte die Gewährung von 30 Urlaubstagen vor der Vollendung des 40. Lebensjahres der Klägerin unter Hinweis auf die Verbindlichkeit der Regelung des § 26 Abs. 1 TVöD mit Schreiben vom 28. November 2008 ab. Die Klägerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 11. Februar 2009 die vorliegende Klage erhoben.

4

Sie hat die Ansicht vertreten, sie habe auch vor der Vollendung ihres 40. Lebensjahres Anspruch auf jährlich 30 und nicht nur 29 Urlaubstage. Die an das Lebensalter anknüpfende Staffelung des tariflichen Urlaubsanspruchs sei eine Diskriminierung wegen des Alters. Die in der Tarifregelung enthaltene Ungleichbehandlung jüngerer Arbeitnehmer sei nicht durch § 10 AGG gerechtfertigt. Im Übrigen würden die gesundheitlichen Wirkungen zusätzlichen Urlaubs zur Vermeidung beispielsweise von Stresserscheinungen am Arbeitsplatz auch in der medizinischen Literatur kontrovers diskutiert.

5

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass ihr für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht.

6

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Diese sei bereits unzulässig, da das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO nötige Feststellungsinteresse fehle. Schließlich sei die Klage auch unbegründet. Die Altersstufenregelung des § 26 Abs. 1 TVöD sei durch einen sachlichen Grund nach § 10 AGG gerechtfertigt. Die Festlegung eines Mindestalters für die Gewährung von 30 Urlaubstagen pro Kalenderjahr stelle eine besondere Beschäftigungsbedingung zum Schutz älterer Beschäftigter bzw. eine Mindestanforderung an das Alter für einen mit der Beschäftigung verbundenen Vorteil dar, der zur Erreichung eines legitimen Ziels angemessen und erforderlich sei. Ältere Arbeitnehmer seien mit zunehmendem Alter aufgrund beruflicher Belastungen länger krank. Um diesen Umstand Rechnung zu tragen, hätten die Tarifvertragsparteien mit der Regelung in § 26 Abs. 1 TVöD auf das verstärkte Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer reagiert und deren Leistungsfähigkeit stärken wollen. Der Aspekt des Gesundheitsschutzes älterer Arbeitnehmer sei daher geeignet, die Ungleichbehandlung jüngerer Beschäftigter zu rechtfertigen. Schließlich würde auch eine Diskriminierung keine Angleichung „nach oben“ zur Folge haben.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die Wiederherstellung der stattgebenden Entscheidung des Arbeitsgerichts. Der Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

A. Die zulässige Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf die geltend gemachten Ersatzurlaubstage.

9

I. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Feststellungsklage zulässig ist. Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse daran, durch das Gericht feststellen zu lassen, ob ihr für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht ( § 256 Abs. 1 ZPO ). Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer den Umfang des ihm zustehenden Urlaubs gerichtlich festgestellt haben will, nicht entgegen (vgl. BAG 12. April 2011 - 9 AZR 80/10  - Rn. 13 bis 15, EzA BUrlG § 7 Nr. 123).

10

II. Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten für den ihr in den Jahren 2008 und 2009 jeweils verweigerten 30. Urlaubstag gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB Anspruch auf jeweils einen Tag Ersatzurlaub. Die Urlaubsstaffelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD verstößt gegen die §§ 1, 3 Abs. 1 AGG. Denn sie gewährt Beschäftigten, die das 30., aber noch nicht das 40. Lebensjahr vollendet haben, einen um einen Tag kürzeren Urlaub. Sie ist deshalb nach § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG iVm. § 134 BGB unwirksam. Dies hat zur Folge, dass die Klägerin auch vor der Vollendung ihres 40. Lebensjahres in jedem Kalenderjahr Anspruch auf 30 Urlaubstage hatte. Ihr steht für die Jahre 2008 und 2009 jeweils noch ein Tag Ersatzurlaub zu, weil der Beklagte ihr in diesen Jahren nur jeweils 29 Urlaubstage gewährte.

11

1. Nach § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD standen der am 27. Oktober 1971 geborenen Klägerin in den Jahren 2008 und 2009 jeweils 29 Urlaubstage zu. Erst nach dem vollendeten 40. Lebensjahr gewährt ihr diese Tarifregelung einen jährlichen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen. Diese an das Lebensalter anknüpfende Staffelung der Urlaubsdauer verstößt gegen das Verbot der Altersdiskriminierung in § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG. Sie ist als sachlich nicht nach den §§ 8, 10 AGG gerechtfertigte unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters gemäß § 7 Abs. 2 AGG iVm. § 134 BGB unwirksam. Zur Beseitigung dieser Diskriminierung ist eine Anpassung auf 30 Urlaubstage erforderlich.

12

2. Zutreffend haben die Vorinstanzen die Regelung in § 26 Abs. 1 TVöD am AGG gemessen. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG gelten die Diskriminierungsverbote der §§ 1, 7 AGG auch für die in kollektivrechtlichen Vereinbarungen geregelten Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen. Unter solchen Bedingungen sind alle Umstände zu verstehen, aufgrund derer und unter denen die Arbeitsleistung zu erbringen ist (vgl. BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 54, BAGE 132, 210). Zu den Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen gehört damit auch der Urlaub. Der Umstand, dass die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b TVöD bereits am 1. Januar 2006 und somit schon vor dem AGG vom 14. August 2006 in Kraft getreten ist, steht dem nicht entgegen. Die für die Jahre 2008 und 2009 geltend gemachte Benachteiligung durch § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD ist erst nach Inkrafttreten des AGG am 18. August 2006 eingetreten. Da § 33 Abs. 1 AGG insoweit keine Übergangsregelung enthält, findet dieses Gesetz auch dann Anwendung, wenn die Benachteiligung auf einem vor Inkrafttreten des AGG abgeschlossenen Tarifvertrag beruht. Es kommt allein auf den Zeitpunkt der Benachteiligungshandlung an (BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 33, BAGE 129, 72).

13

3. Die Urlaubsstaffelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD enthält eine auf dem Merkmal des Alters beruhende Ungleichbehandlung der Beschäftigten, die das 30. bzw. das 40. Lebensjahr nicht vollendet haben. Das ist eine unmittelbare Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer wegen des Alters iSv. § 3 Abs. 1 AGG.

14

a) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Beim Alter handelt es sich um einen in § 1 AGG genannten Grund, wobei unter Alter das Lebensalter zu verstehen ist. Dies folgt aus dem gesetzlichen Wortlaut und auch aus der Gesetzesbegründung ( BT-Drucks. 16/1780 S. 31; BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 49, BAGE 132, 210; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07  - Rn. 36, BAGE 129, 181). Der für eine unmittelbare Benachteiligung erforderliche Kausalzusammenhang ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere in § 1 AGG genannte Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 32; BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 50, aaO).

15

b) Diese Voraussetzung ist erfüllt. § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD sieht für Beschäftigte bei einer Fünftagewoche in jedem Kalenderjahr einen Urlaubsanspruch bis zum vollendeten 30. Lebensjahr in Höhe von 26 Arbeitstagen, bis zum vollendeten 40. Lebensjahr in Höhe von 29 Arbeitstagen und erst nach dem vollendeten 40. Lebensjahr in Höhe von 30 Arbeitstagen vor. Die Höhe des Urlaubsanspruchs nach § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD knüpft damit in allen Stufen unmittelbar an das Lebensalter der Beschäftigten an. Danach haben Beschäftigte wie die Klägerin, die zwar das 30. Lebensjahr, aber noch nicht das 40. Lebensjahr vollendet haben, in jedem Jahr nur Anspruch auf 29 statt auf 30 Urlaubstage. Sie werden ebenso wie die unter 30-Jährigen im Vergleich zu den Beschäftigten, die das 40. Lebensjahr vollendet haben, hinsichtlich der Höhe des Urlaubsanspruchs wegen ihres geringeren Alters ungünstiger behandelt.

16

4. Diese Ungleichbehandlung ist nicht gerechtfertigt.

17

a) Bei ihr handelt es sich nicht um eine nach § 8 AGG zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen. Die Urlaubsstaffel des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD knüpft nicht an die Art der auszuübenden Tätigkeit oder die Bedingungen ihrer Ausübung an. Sie stellt nicht auf die Art der auszuübenden Tätigkeit ab und beansprucht damit Geltung für alle dem TVöD unterfallenden Beschäftigten.

18

b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Ungleichbehandlung auch nicht nach § 10 AGG sachlich gerechtfertigt(so ebenfalls die herrschende Meinung in der Literatur, vgl. Linck/Schütz FS Leinemann, S. 181 f.; Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV Stand Januar 2012 E § 26 TVöD Rn. 22; AGG/Voigt 3. Aufl. § 10 Rn. 33; Meinel/Heyn/Herms AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 42b; Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 105; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdtle ZTR 2006, 622, 623 mwN; Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 478; vgl. ferner bereits zu § 48 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). § 10 Satz 1 AGG lässt eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters ungeachtet der Regelung des § 8 AGG zu, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Zudem müssen die Mittel zur Erreichung dieses Ziels nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist die an das Lebensalter anknüpfende Differenzierung in § 26 Abs. 1 TVöD nicht sachlich gerechtfertigt, weil sie einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung trägt und deren Gesundheit schützen will. Dabei kann dahinstehen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen das Ziel des Gesundheitsschutzes eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen würde. Die Tarifvorschrift verfolgt dieses Ziel schon nicht.

19

aa) Die Tarifvertragsparteien haben das mit der in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD geregelten Urlaubsstaffelung verfolgte Ziel nicht ausdrücklich genannt. Nennt eine Regelung oder Maßnahme kein Ziel, müssen zumindest aus dem Kontext abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter der Regelung oder der Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, um die Legitimität des Ziels sowie die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüfen zu können. Dabei können nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die sozialpolitischen Ziele als legitim angesehen werden, die im allgemeinen Interesse stehen. Derjenige, der eine Ungleichbehandlung vornimmt, muss den nationalen Gerichten in geeigneter Weise die Möglichkeit zur Prüfung einräumen, ob mit der Ungleichbehandlung ein Ziel angestrebt wird, das die Ungleichbehandlung unter Beachtung der Ziele der Richtlinie 2000/78/EG rechtfertigt (vgl. EuGH 5. März 2009 - C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 45 ff., Slg. 2009, I-1569; BAG 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08  - Rn. 36 ff., BAGE 131, 61). Denn das nationale Gericht hat zu prüfen, ob die Regelung oder Maßnahme ein rechtmäßiges Ziel iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgt. Gleiches gilt für die Frage, ob die Tarifvertragsparteien als Normgeber angesichts des vorhandenen Wertungsspielraums davon ausgehen durften, dass die gewählten Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich waren (vgl. EuGH 5. März 2009 -  C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 49 ff., aaO; vgl. auch BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 57, BAGE 132, 210).

20

bb) Die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD dient nicht dem Schutz älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. Diese gesetzliche Regelung konkretisiert das legitime Ziel, nämlich ua. die Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter, wobei dieser Schutz auch die Festlegung besonderer Arbeitsbedingungen einschließen kann. Aus einer tariflichen Urlaubsstaffelung, die - wie die in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD - den Beschäftigten bereits nach Vollendung des 30. Lebensjahres drei weitere Urlaubstage und dann nach Vollendung des 40. Lebensjahres letztmals einen zusätzlichen Urlaubstag gewährt, lässt sich nicht ableiten, dass die Tarifvertragsparteien einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollten und das Ziel verfolgten, den Schutz älterer Beschäftigter iSd. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG sicherzustellen. Wenn sich auch eine genaue Schwelle für die Zuordnung zu den älteren Arbeitnehmern weder dieser Regelung selbst noch Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG entnehmen lässt, so ist diese freilich an der Zielsetzung (vgl. zu dieser Däubler/Bertzbach/Brors 2. Aufl. § 10 Rn. 42) auszurichten. Einen arbeitsmarktpolitischen Zweck verfolgt zB § 417 Abs. 1 SGB III, wonach Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die das 50. Lebensjahr vollendet haben und ihre Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung beenden oder vermeiden, unter den in der Vorschrift genannten Voraussetzungen Anspruch auf Leistungen der Entgeltsicherung haben. Diese Regelung der Entgeltsicherung bezweckt, die Arbeitslosigkeit älterer Arbeitnehmer abzubauen und ihren Anteil an der erwerbstätigen Bevölkerung zu erhöhen (vgl. BT-Drucks. 17/1945 S. 17). Im Vergleich zu der in § 417 Abs. 1 SGB III genannten Altersgruppe setzt sich die durch die Urlaubsstaffel in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD begünstigte Beschäftigtengruppe, der ein Urlaubsanspruch von jährlich 30 Arbeitstagen eingeräumt wird, nicht ausnahmslos aus älteren Beschäftigten zusammen. Vielmehr gehören ihr alle Beschäftigten ab Vollendung des 40. Lebensjahres an. Der Senat hat bereits entschieden, dass ein Arbeitnehmer jedenfalls ab Vollendung des 31. Lebensjahres offensichtlich kein älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG ist(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 55, BAGE 132, 210).

21

cc) Ein legitimes Ziel iSd. § 10 AGG ergibt sich entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts auch nicht aus § 10 Satz 3 Nr. 2 AGG. Danach kann eine zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile einschließen. Diese Regelung bestimmt selbst kein legitimes Ziel, sondern beschreibt nur ein mögliches Mittel, mit der ein auf andere Weise zu legitimierendes Ziel gerechtfertigt werden kann (vgl. ErfK/Schlachter 12. Aufl. § 10 AGG Rn. 6), sofern es erforderlich und angemessen iSd. § 10 Satz 2 AGG ist.

22

dd) Die Tarifvertragsparteien verfolgen entgegen der Auffassung des Beklagten nicht das Ziel des Gesundheitsschutzes älterer Arbeitnehmer.

23

(1) Das mit der Urlaubsstaffelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD verfolgte Ziel lässt sich nicht mit ausreichender Deutlichkeit aus dem Wortlaut des § 26 TVöD entnehmen. § 26 TVöD normiert ausweislich seiner Überschrift den Erholungsurlaub. Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 TVöD haben Beschäftigte in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts. § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD legt die Dauer dieses Erholungsurlaubs fest. Der Begriff des Erholungsurlaubs wird dabei nicht näher definiert und ist dem BUrlG entlehnt, auf das § 26 Abs. 2 TVöD im Übrigen verweist. Der Erholungsurlaub nach dem BUrlG soll nach der Gesetzesbegründung dem sozialpolitischen Anliegen der Erhaltung und Wiederauffrischung der Arbeitskraft der Arbeitnehmer dienen (vgl. den schriftlichen Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit, BT-Drucks. IV/785; Begründung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Bundesurlaubsgesetzes, BT-Drucks. IV/207). Durch den Erholungsurlaub wird dem Arbeitnehmer die Möglichkeit gesichert, für eine bestimmte Dauer im Jahr, die ihm eingeräumte Freizeit zur selbstbestimmten Erholung zu nutzen (st. Rspr., vgl. BAG 20. Juni 2000 - 9 AZR 405/99 - zu II 2 b bb 1 der Gründe, BAGE 95, 104; 8. März 1984 - 6 AZR 600/82 - zu II 5 b der Gründe, BAGE 45, 184; ebenso st. Rspr. des EuGH zum Jahresurlaub nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG , EuGH 22. No-vember 2011 - C-214/10 - [KHS] Rn. 31, AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 6 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 7; 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06  - [Schultz-Hoff] Rn. 25, Slg. 2009, I-179). Wenn eine Tarifregelung die Urlaubsdauer nach dem Lebensalter staffelt, liegt die Annahme nahe, die Tarifvertragsparteien hätten einem mit zunehmendem Alter gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollen. Die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD rechtfertigt eine solche Annahme freilich nicht, sondern schließt sie aus.

24

(2) Das folgt bereits aus dem Inhalt der Regelung. Die Tarifvorschrift räumt den Beschäftigten schon ab dem 30. Lebensjahr drei weitere Urlaubstage ein. Dafür, dass die Tarifvertragsparteien von einem so deutlich gesteigertem Erholungsbedürfnis bereits nach der Vollendung des 30. Lebensjahres ausgegangen sind, fehlt jeder Anhaltspunkt. Gegen eine solche Annahme spricht auch, dass die Tarifvertragsparteien den Beschäftigten nach der Vollendung des 40. Lebensjahres letztmals nur einen weiteren Urlaubstag gewährt und davon abgesehen haben, ein gesteigertes Erholungsbedürfnis des Beschäftigten in der Zeit bis zum Erreichen des gesetzlich festgelegten Alters für den Bezug der Regelaltersrente (§ 33 Abs. 1 Buchst. a TVöD) zu berücksichtigen. Hätten die Tarifvertragsparteien ein gesteigertes Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter vor Augen gehabt, hätten sie nicht einem 30-Jährigen einen gegenüber einem 29-jährigen Beschäftigten um drei Tage längeren Urlaub gewährt, nach der Vollendung des 40. Lebensjahres des Beschäftigten eine wesentlich geringere Steigerung des Erholungsbedürfnisses angenommen und für die Zeit danach bis zum Erreichen des gesetzlich festgelegten Alters für den Bezug der Regelaltersrente ein zunehmendes Erholungsbedürfnis des Beschäftigten überhaupt nicht mehr berücksichtigt (vgl. Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 478). Auch das Schrifttum nimmt ganz überwiegend an, dass eine tarifliche Urlaubsstaffelung nicht schon auf die Vollendung des 30. bzw. des 40. Lebensjahres abstellen darf, wenn sie einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen will (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22; Tempelmann/Stenslik DStR 2011, 1183, 1186; Richter Benachteiligung wegen des Alters im Erwerbsleben S. 170; Meinel/Heyn/Herms § 10 Rn. 42b; AGG/Voigt § 10 Rn. 33; Hey AGG § 10 Rn. 28; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdle ZTR 2006, 622, 623; Linck/Schütz FS Leinemann S. 181 f.; Senne Auswirkungen des europäischen Verbots der Altersdiskriminierung auf das deutsche Arbeitsrecht S. 269; Bertelsmann ZESAR 2005, 242, 246). Selbst wenn die Erholungsbedürftigkeit von Arbeitnehmern mit zunehmendem Lebensalter steigen sollte (zweifelnd Däubler/Bertzbach/Brors § 10 Rn. 50; aA Waltermann NZA 2005, 1265, 1269), hätte es mit dem Schutz älterer Arbeitnehmer nichts zu tun, bereits mit dem 30. Lebensjahr eine erste Verlängerung des Urlaubsanspruchs um drei Tage und die zweite und zugleich letzte Verlängerung um einen weiteren Urlaubstag bereits mit Vollendung des 40. Lebensjahres vorzusehen (so auch Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22; Adomeit/Mohr § 10 Rn. 105; so bereits zu § 48 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). Es fehlt in beiden Stufen an dem erkennbaren Schutz Älterer. Die Verlängerung des Urlaubsanspruchs bereits mit dem vollendeten 30. Lebensjahr lässt sich kaum mit der Erhaltung der Leistungsfähigkeit Älterer begründen. Auch mit der Vollendung des 40. Lebensjahres hat ein Beschäftigter regelmäßig allenfalls die Mitte seines Erwerbsalters erreicht (vgl. auch Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). Hätten die Tarifvertragsparteien gemäß der Ansicht des Beklagten ein gesteigertes Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter berücksichtigen wollen, hätten sich die gewählten Altersgrenzen nicht an dem mit dem Alter zunehmenden Erholungsbedürfnis orientiert und wären willkürlich.

25

(3) Gerade dieser Umstand bestätigt, dass die Tarifvertragsparteien mit der Regelung in § 26 TVöD weder den Schutz der Gesundheit bezweckten noch einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollten. Hätten sie diese Ziele verfolgt, hätte es nahe gelegen, gerade für die älteren Beschäftigten, zB die Gruppe der über 50- oder über 60-jährigen Beschäftigten, die Dauer des Erholungsurlaubs zu verlängern. Bei dieser Personengruppe ist ein altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis eher nachvollziehbar. Ein solches Schutzbedürfnis für die über 50-Jährigen haben die Tarifvertragsparteien aber nur hinsichtlich der Beschränkung der Höchstdauer des Gesamturlaubs bei besonders belastenden Arbeiten (Schicht- und Wechselschicht) gesehen. Das folgt aus § 27 Abs. 4 Satz 4 TVöD. Danach erhöht sich ab diesem Lebensalter die maximal erreichbare Gesamturlaubsdauer von jährlich 35 auf 36 Arbeitstage.

26

(4) Die Tarifgeschichte bestätigt, dass die Tarifvertragsparteien mit der Urlaubsstaffel nicht einem mit dem Lebensalter steigenden Erholungsbedürfnis Rechnung tragen wollten. Bereits seit dem Inkrafttreten des BAT wurde die Urlaubsdauer an das Lebensalter geknüpft (§ 48 Abs. 1 BAT). Sie steigerte sich auch nach dem vollendeten 30. Lebensjahr und nach dem vollendeten 40. Lebensjahr. Innerhalb der Lebensaltersstufen verlängerte sich die Urlaubsdauer teilweise nach Vergütungsgruppen. Je höher der Angestellte eingruppiert war, je länger war sein Urlaubsanspruch. Dies zeigt, dass nicht der Erholungszweck maßgebend für die Urlaubsdauer sein sollte. Der Urlaub wurde vielmehr als Quasi-Gegenleistung für die Arbeitsleistung geregelt. Nur so lässt sich die normierte Abhängigkeit der Urlaubsdauer von der Vergütungsgruppe erklären. Es kann deshalb nicht angenommen werden, die Tarifvertragsparteien hätten bei Angestellten in höheren Vergütungsgruppen ein gesteigertes Erholungsbedürfnis ausgleichen wollen. Die Differenzierung resultiert vielmehr aus der überkommenen Auffassung, der Urlaub werde „verdient“.

27

5. Die Diskriminierung der Klägerin kann nur durch die Verpflichtung des Beklagten beseitigt werden, der Klägerin für die Jahre 2008 und 2009 jeweils einen Ersatzurlaubstag zu gewähren. Zwar folgt aus § 7 Abs. 2 AGG nur, dass die diskriminierende Regelung unwirksam ist. Auch wird vom Senat nicht verkannt, dass es sich bei § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD um ein Stufensystem handelt, sodass grundsätzlich keine Stufe als die von den Tarifvertragsparteien als „übliche“ Urlaubsdauer gewollte angesehen werden kann. Jedoch kann die Beseitigung der Diskriminierung vorliegend nur durch eine Anpassung „nach oben“ erfolgen.

28

a) Grundsätzlich ist es Aufgabe der Tarifvertragsparteien, eine benachteiligungsfreie Regelung zu treffen, wofür ihnen verschiedene Möglichkeiten zu Verfügung stehen. Doch scheidet eine Aussetzung des Rechtsstreits unter Fristsetzung zur Lückenschließung durch die Tarifvertragsparteien selbst von vornherein aus (aM Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 23). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind für den Fall, dass gesetzliche oder tarifvertragliche Regelungen eine mit der Richtlinie unvereinbare Diskriminierung vorsehen, die nationalen Gerichte gehalten, die Diskriminierung auf jede denkbare Weise und insbesondere dadurch auszuschließen, dass sie die Regelung für die nicht benachteiligte Gruppe auch auf die benachteiligte Gruppe anwenden, ohne die Beseitigung der Diskriminierung durch den Gesetzgeber, die Tarifvertragsparteien oder in anderer Weise abzuwarten (vgl. so bereits zur Richtlinie 76/207/EWG: EuGH 20. März 2003 - C-187/00 - [Kutz-Bauer] Rn. 75, Slg. 2003, I-2741). Auch nach Art. 9 Abs. 3 GG in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wäre eine Aussetzung grundsätzlich allenfalls zur Beseitigung einer Diskriminierung für die Zukunft geboten(vgl. BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 28, NZA 2012, 161). Vorliegend geht es jedoch um die Beseitigung einer Diskriminierung in der Vergangenheit.

29

b) Die Benachteiligung der Klägerin kann nicht auf andere Weise für die Jahre 2008 und 2009 ausgeschlossen werden. Ein Rückgriff auf den noch unterhalb der Eingangstufe des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD liegenden gesetzlichen Mindesturlaub gemäß den §§ 1, 3 BUrlG in Höhe von 20 Arbeitstagen bei einer Fünftagewoche ist hierzu nicht geeignet(aM Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 483; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand Februar 2012, § 26 Rn. 163.5). Der von den §§ 1, 7 AGG bzw. Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgte Zweck, Benachteiligungen zu verhindern oder zu beseitigen, würde nicht erreicht. Da diskriminierende Maßnahmen oder Vereinbarungen nicht hingenommen und ihre Fortwirkung nicht akzeptiert werden darf (vgl. ErfK/Schlachter § 7 AGG Rn. 5), ist auch nicht auf die Eingangsstufe des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD mit 26 Urlaubstagen abzustellen. Hätte die Klägerin nur Anspruch auf die erste Stufe der Urlaubsstaffel, fehlte es an einer Sanktion, die einen tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutz gewährt und abschreckende Wirkung hat (vgl. zu diesem Aspekt: BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 18 ff., NZA 2012, 161).

30

c) Hingegen ist eine Anpassung „nach oben“ zur Beseitigung einer Altersdiskriminierung im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gerechtfertigt, wenn auf andere Weise die Diskriminierung nicht behoben werden kann, weil der Arbeitgeber den Begünstigten für die Vergangenheit die Leistung nicht mehr entziehen kann (vgl. ausführlich: BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 20 ff., NZA 2012, 161). Dies ist vorliegend der Fall. Der den begünstigten Beschäftigten in den Jahren 2008 und 2009 gewährte Urlaub von jährlich 30 Arbeitstagen kann nicht rückwirkend auf 29 oder 26 Arbeitstage begrenzt werden. Die als Urlaub bereits gewährte Freizeit ist nicht kondizierbar.

31

d) Schließlich steht der Anpassung „nach oben“ auch nicht § 15 Abs. 3 AGG entgegen. Danach ist der Arbeitgeber bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fährlässig handelt. Diese Bestimmung bezieht sich allein auf die immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG(vgl. BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 38, NZA 2012, 161; ErfK/Schlachter § 15 AGG Rn. 13) und verhält sich nicht zur Beseitigung einer Diskriminierung durch eine den Diskriminierungsverboten genügende Regelung.

32

e) Der Beklagte kann auch keinen Vertrauensschutz in Anspruch nehmen. In den Jahren 2008 und 2009 galt bereits das am 18. August 2006 in Kraft getretene AGG. Dieses nimmt Dauerschuldverhältnisse und damit auch Arbeitsverhältnisse ebenso wenig wie Tarifverträge aus, die vor dem Inkrafttreten des AGG bereits abgeschlossen waren. Übergangsvorschriften oder Vertrauensschutzregelungen sind insoweit in § 33 AGG nicht vorgesehen. Gemäß § 1 AGG ist ua. Ziel dieses Gesetzes, Benachteiligungen aus Gründen des Alters nicht nur zu verhindern, sondern auch zu beseitigen. Die damit einhergehende unechte Rückwirkung ist zulässig. Der zeitliche Geltungsbereich wird je nach Lage der Verhältnisse im Einzelfall nur durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes beschränkt (vgl. so bereits zu § 81 Abs. 2 SGB IX aF: BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 38, BAGE 129, 72). Dies setzt jedoch in jedem Fall das Vorliegen eines schutzwürdigen Vertrauens voraus, das vorliegend nicht gegeben ist, selbst wenn man die Grundsätze zum Vertrauensschutz bei unechter Rückwirkung von Gesetzen anwendet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Grundsatz des Vertrauensschutzes nur dann verletzt, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (vgl. BVerfG 10. August 2006 - 2 BvR 563/05  - Rn. 14, BVerfGK 9, 28). Zum einen dient das AGG der Umsetzung von EU-Richtlinien zum Schutz vor Diskriminierung im Bereich Beschäftigung und Beruf und enthält insoweit insbesondere im Bereich der Altersdiskriminierung unionsrechtlich verankerte notwendige und bedeutende Regelungen. Zum anderen wäre ein Vertrauen in den Fortbestand der angewandten tarifvertraglichen Regelungen nicht schutzwürdig. Denn die Richtlinie 2000/78/EG wurde schon im Jahr 2000 erlassen und stellt in Art. 16 Buchst. b ausdrücklich klar, dass die Diskriminierungsverbote auch auf tarifvertragliche Bestimmungen Anwendung finden. Nach Art. 18 der Richtlinie 2000/78/EG war diese zudem spätestens zum 2. Dezember 2006 in nationales Recht umzusetzen. Der Beklagte musste ebenso wie die Tarifvertragsparteien damit rechnen, dass tarifvertragliche Regelungen auch am Verbot der Altersdiskriminierung gemessen werden. Deshalb konnte der Beklagte nicht darauf vertrauen, dass auch nach Inkrafttreten des AGG die Urlaubsstaffelregelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD zulässig war, zumal in der Gesetzesbegründung zum AGG die Anknüpfung an das bloße Lebensalter als Mindestgrenze für mit der Beschäftigung verbundener Vorteile nicht unkritisch gesehen wurde(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 36) und im Schrifttum nicht nur vereinzelt die Unwirksamkeit des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD wegen Verstoßes gegen das Verbot der Altersdiskriminierung angenommen wurde (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22 mwN; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdtle ZTR 2006, 622, 623 mwN; so bereits zu § 48 Abs. 1 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156).

33

6. Die Klägerin hat Anspruch auf Ersatzurlaub gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB. Die Resturlaubsansprüche für die Jahre 2008 und 2009 waren mangels Vorliegens eines Übertragungsgrundes nach § 26 Abs. 1 Satz 6 TVöD iVm. § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG zum 31. Dezember des jeweiligen Jahres verfallen. Diesen Untergang hat der Beklagte zu vertreten, weil er sich mit der Gewährung des Urlaubs in Verzug befand.

34

a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus Verzug gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB liegen vor. Die Klägerin hatte in den Jahren 2008 und 2009 Anspruch auf jeweils 30 Urlaubstage. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wandelt sich der Urlaubsanspruch in einen Schadensersatzanspruch um, der auf Gewährung von Ersatzurlaub als Naturalrestitution gerichtet ist, wenn der Arbeitgeber den rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt und der Urlaub aufgrund seiner Befristung verfällt ( BAG 11. April 2006 - 9 AZR 523/05  - Rn. 24, AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116).

35

b) Die Klägerin machte mit Schreiben vom 5. November 2008 unter der Überschrift „Geltendmachung von Urlaubsansprüchen“ Urlaub in Höhe von 30 Tagen nach dem TVöD geltend und bat zudem, den Urlaubsanspruch auch für die Zukunft entsprechend anzupassen. Dahingestellt bleiben kann, ob dies schon ein konkretes Verlangen beinhaltet hat, den Urlaub in den Jahren 2008 und 2009 zu gewähren. Nach der Rechtsprechung des Senats ist hierfür zumindest erforderlich, dass der Arbeitgeber nach den Grundsätzen des § 133 BGB davon ausgehen muss, der Arbeitnehmer wünsche ab einem bestimmten Zeitpunkt Erholungsurlaub(vgl. BAG 17. November 2009 - 9 AZR 745/08 - Rn. 45; 11. April 2006 -  9 AZR 523/05  - Rn. 28, AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116). Maßgebend ist, dass der Beklagte mit Schreiben vom 28. November 2008 erklärt hat, er lehne den Antrag auf Verlängerung des Urlaubs „auf 30 Tage vor Erreichen des 41. Lebensjahres“ ab, weil der Klägerin nach dem für ihn verbindlichen § 26 Abs. 1 TVöD derzeit nur 29 Urlaubstage zustünden. Aus objektiver Empfängersicht lag darin eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung des Beklagten als Schuldner des Urlaubsanspruchs, die gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine Mahnung der Klägerin entbehrlich machte(vgl. BAG 31. Januar 1991 - 8 AZR 462/89  - zu II der Gründe). Denn der Beklagte gab mit diesem Schreiben vor Ablauf des Urlaubsjahres 2008 klar zu erkennen, dass er nicht bereit sei, im laufenden Jahr mehr als 29 Tage Urlaub zu gewähren. Hinsichtlich des weiteren Urlaubstags für das Jahr 2009 folgt der Verzug des Beklagten zudem daraus, dass er jedenfalls mit dem Antrag auf Klageabweisung vom 24. April 2009 und somit vor Ablauf des Urlaubsjahres 2009 zu erkennen gegeben hat, den weiteren Urlaubstag auch im Jahr 2009 nicht gewähren zu wollen. Darin lag ebenso seine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung als Schuldner des Urlaubsanspruchs, die gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine Mahnung der Klägerin ebenfalls entbehrlich machte(vgl. BAG 17. Mai 2011 - 9 AZR 197/10 - Rn. 14, EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 138; 31. Januar 1991 - 8 AZR 462/89  - zu II der Gründe).

36

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

        

        

    Preuß    

        

    Neumann-Redlin    

        

        

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 7. September 2012 - 6 Sa 709/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe des jährlichen Urlaubsanspruchs.

2

Die Beklagte stellt Schuhe her. Die am 10. April 1960 geborene Klägerin ist bei ihr seit dem 1. Juli 1994 als Produktionsmitarbeiterin beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 13. November 2000 ist ua. vereinbart, dass der jährliche Urlaubsanspruch 34 Arbeitstage beträgt. Die Beklagte gewährt allen Arbeitnehmern, die das 58. Lebensjahr vollendet haben, 36 Arbeitstage Jahresurlaub, ohne dass individuelle Vereinbarungen über einen höheren Jahresurlaub vorliegen. Die übrigen Beschäftigten erhalten jährlich 34 Urlaubstage.

3

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Urlaubsregelung sei altersdiskriminierend. Die Behauptung, ältere Mitarbeiter benötigten im Produktionsbetrieb längere Erholungsphasen, sei durch die darlegungsbelastete Beklagte nicht dargetan. Das Bundesurlaubsgesetz stelle bezüglich der Dauer des Urlaubs weder auf die physische Belastung noch auf das Alter der Arbeitnehmer ab. Die Beklagte habe keinen Grund genannt, warum ein gesteigertes Erholungsbedürfnis ausgerechnet mit 58 Jahren eintrete. Zudem könne mit lediglich zwei zusätzlichen Urlaubstagen ein etwaiger höherer Erholungsbedarf nicht ausgeglichen werden. Bei einem stetig steigenden Erholungsbedarf müsste jedenfalls auch die Urlaubsdauer gestaffelt werden. Bei anderen Arbeitnehmergruppen sei ein erhöhter Erholungsbedarf nachvollziehbar. Diese würden jedoch nicht begünstigt. So seien jüngere Arbeitnehmer durch Familie und Beruf oftmals stärker beansprucht als ältere. Die Beklagte habe ihr zur Beseitigung der Diskriminierung jährlich zwei weitere Urlaubstage zu gewähren.

4

Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr 36 Arbeitstage Erholungsurlaub zu gewähren.

5

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, ihre Urlaubsregelung beinhalte keine Diskriminierung. Nach der Lebenserfahrung benötigten ältere Arbeitnehmer, die körperlich ermüdende und schwere Arbeiten verrichten, längere Erholungszeiten als jüngere. Zwei zusätzliche Urlaubstage seien angemessen.

6

Das Arbeitsgericht hat die Klage - soweit für die Revision von Bedeutung - abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Feststellungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, der Klägerin auch schon vor der Vollendung der 58. Lebensjahres insgesamt 36 Arbeitstage Erholungsurlaub pro Jahr zu gewähren.

8

I. Die Klage ist in der gebotenen Auslegung zulässig, insbesondere besteht das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.

9

1. Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer den Umfang des ihm zustehenden Urlaubs gerichtlich festgestellt wissen will, nicht entgegen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 9, BAGE 141, 73; 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - Rn. 13 ff., BAGE 137, 328).

10

2. Die am 10. April 1960 geborene Klägerin hat ein rechtlich anerkennenswertes Interesse daran, alsbald zu erfahren, ob ihr bereits vor der Vollendung ihres 58. Lebensjahres zwei weitere Urlaubstage pro Jahr zustehen. Ihr Antrag bezieht sich dem Wortlaut nach zwar auf den gesamten Jahresurlaub. Er kann jedoch so ausgelegt werden, dass er sich nur auf zwei weitere Urlaubstage im Kalenderjahr bezieht. Zwischen den Parteien besteht kein Streit, dass der Klägerin die vertraglich vereinbarten 34 Urlaubstage pro Jahr zustehen. Die Klägerin hat im Laufe des Verfahrens deutlich gemacht, dass der Antrag auf die Feststellung des Bestehens zweier zusätzlicher Urlaubstage gerichtet ist. Darüber hinaus hat das Landesarbeitsgericht den Klageantrag zutreffend so verstanden, dass er vergangene Urlaubsjahre nicht erfasst. Es handelt sich um einen gegenwartsbezogenen Feststellungsantrag, für dessen Entscheidung grundsätzlich auf die Sachlage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht abzustellen ist (vgl. BAG 15. Mai 2013 - 7 AZR 494/11 - Rn. 15 ff.).

11

II. Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen vor Vollendung ihres 58. Lebensjahres nicht gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 iVm. § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG zwei weitere Urlaubstage zu. Die Urlaubsregelung ist nicht gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam und führt somit bezüglich der Dauer des Urlaubs der Klägerin nicht zu einer „Anpassung nach oben“(siehe dazu BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 27 ff., BAGE 141, 73; vgl. aber auch BAG 14. Mai 2013 - 1 AZR 44/12 - Rn. 25, BAGE 145, 113).

12

1. Es liegt zwar eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor. Diese ist jedoch gemäß § 10 Satz 1, 2 und Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt.

13

a) Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Unter Alter iSd. § 1 AGG ist das Lebensalter zu verstehen. Dies folgt aus dem Wortlaut des Gesetzes und aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/1780 S. 31; BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 14, BAGE 141, 73; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 36, BAGE 129, 181). Eine unmittelbare Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 1 AGG gegeben, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Der für eine unmittelbare Benachteiligung erforderliche Kausalzusammenhang ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere in § 1 AGG genannte Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - aaO mwN).

14

b) Daran gemessen liegt eine unmittelbare Ungleichbehandlung wegen des Alters vor. Die Urlaubsregelung knüpft die Gewährung von zwei weiteren Urlaubstagen an die Vollendung des 58. Lebensjahres und damit unmittelbar an das Lebensalter der Beschäftigten. Arbeitnehmer, die diese Altersgrenze nicht erreicht haben, werden wegen ihres Alters ungünstiger behandelt.

15

c) Die Ungleichbehandlung ist jedoch gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt. Die Regelung bezweckt bei Berücksichtigung eines Gestaltungs- und Ermessensspielraums der Beklagten den in dieser Bestimmung genannten Schutz älterer Beschäftigter und ist geeignet, erforderlich und angemessen im Sinne von § 10 Satz 2 AGG.

16

aa) Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG konkretisiert ua. das legitime Ziel der Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter, wobei dieser Schutz auch die Festlegung besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließen kann (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73).

17

bb) § 10 AGG dient der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16) in das nationale Recht (BAG 18. März 2014 - 3 AZR 69/12 - Rn. 21). Der Gesetzgeber hat bei der Umsetzung den Text der Richtlinie nahezu wörtlich in das nationale Recht übernommen. Dessen Regelungen sind unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszulegen (vgl. BAG 14. März 2012 - 7 AZR 480/08 - Rn. 30).

18

cc) Dem Arbeitgeber steht bei freiwilligen zusätzlichen Leistungen - wozu auch die Gewährung von übergesetzlichem Mehrurlaub gehört - ein von den Gerichten zu respektierender Gestaltungs- und Ermessensspielraum zu (vgl. zu Leistungen der betrieblichen Altersversorgung: BAG 12. November 2013 - 3 AZR 356/12 - Rn. 28; 12. Februar 2013 - 3 AZR 100/11 - Rn. 31 mwN, BAGE 144, 231). Auch in der Rechtsprechung des EuGH ist anerkannt, dass die Mitgliedstaaten und gegebenenfalls die Sozialpartner auf nationaler Ebene beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts nicht nur bei der Entscheidung, welches konkrete Ziel von mehreren im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik sie verfolgen wollen, sondern auch bei der Festlegung der Maßnahmen zu seiner Erreichung über einen weiten Gestaltungsspielraum verfügen (EuGH 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Rn. 68, Slg. 2007, I-8531). Diese Erwägungen gelten nach dem EuGH auch für Ziele, die der Arbeitgeber mit einer vertraglichen Regelung verfolgt (vgl. EuGH 26. September 2013 - C-476/11 - [HK Danmark] Rn. 61).

19

dd) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Benachteiligung der Arbeitnehmer der Beklagten, die das 58. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, gerechtfertigt.

20

(1) Die Beklagte gewährt den Arbeitnehmern in ihrem Produktionsbetrieb nach der Vollendung des 58. Lebensjahres aufgrund ihres gesteigerten Erholungsbedürfnisses zwei weitere Urlaubstage im Kalenderjahr und bezweckt damit die Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. Da dieser Schutz die Festlegung besonderer Arbeitsbedingungen einschließt (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73), unterfallen ihm auch zusätzliche Urlaubstage.

21

(a) Das AGG definiert in § 10 Satz 3 Nr. 1 - ebenso wie Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG - nicht, wann ein Beschäftigter „älter“ im Sinne der Norm ist (vgl. zum herkömmlichen Verständnis: BAG 18. September 2014 - 6 AZR 636/13 - Rn. 44). Nach dem Sinn und Zweck des Benachteiligungsverbots reicht es ohne das Vorliegen anderer Differenzierungsgründe nicht aus, dass das Alter der begünstigten Arbeitnehmer höher ist als das Alter der nicht begünstigten. Dementsprechend hat der Senat angenommen, ein Arbeitnehmer sei nach der Vollendung seines 31. Lebensjahres offensichtlich noch kein älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 55, BAGE 132, 210). Aus dem systematischen Zusammenhang mit § 10 Satz 1 AGG und aus dem Regelungszweck folgt, dass die begünstigten Arbeitnehmer aufgrund ihres Alters der Förderung bei der beruflichen Eingliederung oder des Schutzes bedürfen müssen.

22

(aa) Der Senat ist in seiner Entscheidung vom 20. März 2012 nicht davon ausgegangen, dass mit zunehmenden Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steige. Er hat allerdings ab einem bestimmten Alter - konkret: bei über 50- oder über 60-jährigen Beschäftigten - ein altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis für „eher nachvollziehbar“ gehalten (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 24 f., BAGE 141, 73).

23

(bb) Das Landesarbeitsgericht hat in Übereinstimmung mit der überwiegenden Auffassung im Schrifttum als Erfahrungssatz angenommen, dass mit zunehmenden Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steigt (so auch Tempelmann/Stenslik DStR 2011, 1183, 1185 f.; Lingemann/Gotham NZA 2007, 663, 666; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 143 f.; Waltermann NZA 2005, 1265, 1269; Over Das Verbot der Altersdiskriminierung im Arbeitsrecht nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz S. 231; Küttner/Kania Personalbuch 2014 Diskriminierung Rn. 90; vgl. auch Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 - zu II 2 b cc (3) (a) der Gründe mwN). Diese Ansicht ist allerdings nicht unumstritten. So wird auf die Individualität der Alterungsprozesse und den fehlenden Nachweis von Altersklassen mit spezifischem Erholungsbedarf hingewiesen (Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 1 Rn. 822). Die Aufstellung eines generellen Erfahrungssatzes soll dem traditionellen Bild vom „alten Arbeitnehmer“ entsprechen (Däubler/Bertzbach/Brors 3. Aufl. § 10 Rn. 43). Auch wird hervorgehoben, dass der Gesetzgeber in § 3 BUrlG bezüglich der Dauer des Urlaubs nicht nach dem Lebensalter der Arbeitnehmer unterscheide und demnach nicht von einem unterschiedlichen Erholungsbedürfnis ausgehe(Bertelsmann in Rust/Falke AGG § 10 Rn. 93). Auch auf europäischer Ebene sehe Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG vier Wochen Urlaub einheitlich für alle Berufsgruppen altersunabhängig vor(v. Roetteken AGG Stand September 2014 § 10 Rn. 262). Verlangt wird zumindest die Darlegung eines empirischen Befunds zum steigenden Erholungsbedarf unter Beachtung der Tätigkeit bevorzugter Arbeitnehmer (Däubler/Bertzbach/Brors aaO; aA Kasprzyk Altersdiskriminierung im deutschen Arbeitsrecht S. 185).

24

(b) Erfahrungssätze sind Hilfsmittel. Die Feststellung von allgemein anerkannten Erfahrungssätzen ist als Tatfrage den Tatsachengerichten vorbehalten. Dabei ist es diesen nicht verwehrt, das Bestehen oder Nichtbestehen eines Erfahrungssatzes zu beurteilen, wenn sie dazu über ausreichende Sachkunde und Lebenserfahrung verfügen. Andernfalls haben sie sich der Hilfe eines Sachverständigen zu bedienen. Die Zuziehung eines Sachverständigen zur Unterstützung des Gerichts ist gemäß § 144 Abs. 1 ZPO durch die Tatsachengerichte stets nach pflichtgemäßen Ermessen zu prüfen(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 65 mwN, BAGE 132, 210; vgl. allg. zu Erfahrungssätzen: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 73. Aufl. Einf. § 284 Rn. 22).

25

(c) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Landesarbeitsgericht von der Zuziehung eines Sachverständigen abgesehen hat. Dieses durfte aufgrund der von ihm festgestellten körperlich anstrengenden Tätigkeiten im Produktionsbetrieb der Beklagten auch ohne Sachverständigengutachten annehmen, dass das Erholungsbedürfnis der dort beschäftigten Arbeitnehmer mit zunehmenden Alter steigt. Ob es einen tätigkeitsunabhängigen generellen Zusammenhang zwischen dem Erholungsbedarf und dem Alter gibt (so etwa Kamanabrou aaO), kann dahinstehen.

26

(aa) Die Annahme eines Erfahrungssatzes dahin gehend, dass bei körperlich belastenden Berufen das Erholungsbedürfnis im höheren Alter steigt, begegnet keinen Bedenken. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die physische Belastbarkeit mit zunehmendem Alter abnimmt (etwa BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 67 mwN, BAGE 132, 210; Bayerischer VGH 24. Oktober 2011 - 3 ZB 08.721 - zu II 1 b der Gründe). Dieser Erfahrungssatz betrifft auch den Wirkungszusammenhang von erreichtem Lebensalter und Krankheitsanfälligkeit (Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 - zu II 2 b cc (3) (a) der Gründe mwN). Alle bekannten privaten und öffentlichen Systeme der Kranken-, Renten- und Lebensversicherung beruhen auf dieser Erwartung (BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 54, BAGE 128, 238). Entgegen der Ansicht der Klägerin kommen auch nicht lediglich Studien älteren Datums - wie etwa die ILO-Empfehlung Nr. 162 vom 23. Juni 1980 oder der WHO Technical Report Series 835 „Aging and Working Capacity” (dt. Übersetzung: „Altern und Arbeit“ 1994) - zu diesem Ergebnis. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden bestätigt zB durch den „Fortschrittsreport ‚Altersgerechte Arbeitswelt“, Ausgabe 3 des Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Stand September 2013). Nach diesem hat sich zwar die körperliche Konstitution besonders für die Altersgruppe der 45- bis 64-Jährigen verbessert (Ziff. 3.1). Dennoch zeigt die Studie weiterhin ein Ansteigen der Anzahl der krankheitsbedingten Fehltage sowie eine Verschlechterung des Gesundheitszustands mit fortschreitendem Lebensalter (Ziff. 4.2, Tabelle 2). Insbesondere bei belastenden Berufen nimmt die Anzahl krankheitsbedingter Fehltage im Alter überproportional zu und der Gesundheitszustand verschlechtert sich überproportional (vgl. Ziff. 4.2). Auch bei einfachen Dienstleistungen und einfachen manuellen Berufen verschlechtert sich der „selbstberichtete Gesundheitszustand in der Altersgruppe 55 bis 64 Jahre im Vergleich zum Durchschnitt“ immer noch deutlich (Ziff. 3.4). Zumindest hinsichtlich dieser Berufe erscheint die Annahme eines größeren Erholungsbedarfs im erhöhten Alter als nicht fehlerhaft (ebenso Reinhard ArbRB 2012, 342, 343). Auch Gegner eines allgemeinen Erfahrungssatzes gestehen zu, dass bei gesundheitlich besonders belastenden Tätigkeiten ein gesteigerter Erholungsbedarf mit zunehmendem Alter angenommen werden kann (v. Roetteken aaO; Däubler/Bertzbach/Brors aaO; Löwisch/Rieble § 1 Rn. 823).

27

Soweit das Landesarbeitsgericht auf die teilweise geforderte Darlegung spezifischer empirischer Untersuchungen bezogen auf die Tätigkeiten im Produktionsbetrieb der Beklagten verzichtet hat, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Durchführung derartiger Untersuchungen wäre praktisch aufwändig und schwierig (weiter gehend Kasprzyk aaO: „unmöglich“). Eine übersteigerte Darlegungslast würde die Einführung freiwilliger Leistungen unzumutbar erschweren. Die Feststellungen durch das Landesarbeitsgericht, dass die Beschäftigten der Beklagten bei der Schuhfertigung körperlich ermüdende und teils schwere Arbeiten leisten, verstärkt durch einen besonderen, prämienbezogenen Zeit- und Qualitätsdruck im Sinne eines Teamakkords, genügt danach als Tatsachenbasis für die Bejahung des dargestellten Erfahrungssatzes.

28

(bb) Der Hinweis auf die fehlende Altersstaffelung in § 3 BUrlG und Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG hilft der Klägerin für die Frage der Legitimität des Zwecks nicht weiter. Die Vorschriften regeln nur die Dauer des Mindesturlaubs und damit das unterste Maß dessen, was nach deutschem und europäischem Urlaubsrecht unabhängig von individuellen Besonderheiten zur Erholung erforderlich ist. Spezifische Charakteristika - wie das Alter oder der physische oder psychische Gesundheitszustand - bleiben bei der Setzung eines einheitlichen Minimalstandards naturgemäß außer Betracht. Auf nationaler Ebene kommt hinzu, dass der Gesetzgeber durchaus gesehen hat, dass es altersabhängig einen unterschiedlichen Erholungsbedarf geben kann, wie etwa § 57 Abs. 2 SeeArbG und § 19 Abs. 2 JArbSchG zeigen(siehe dazu v. Roetteken § 10 Rn. 263).

29

(d) Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Sicherstellung des Schutzes ihrer Arbeitnehmer nach Vollendung des 58. Lebensjahres als Zweck der zwei weiteren Urlaubstage vorgeschoben hat.

30

(aa) Allerdings ist dieser Zweck nicht unmittelbar der - nicht schriftlich fixierten - Regelung zu entnehmen. Nennt eine Regelung oder Maßnahme kein Ziel, müssen zumindest aus dem Kontext abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter der Regelung oder der Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, um die Legitimität des Ziels sowie die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüfen zu können (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 19 mwN, BAGE 141, 73; vgl. zur Richtlinie 2000/78/EG: EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 39 mwN, Slg. 2011, I-6919).

31

(bb) Wenn eine Tarifregelung die Urlaubsdauer nach dem Lebensalter staffelt, liegt die Annahme nahe, die Tarifvertragsparteien hätten einem mit zunehmendem Alter gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 23, BAGE 141, 73). Diese Annahme darf freilich nicht durch die konkrete Wahl der Altersgrenze(n) widerlegt werden, wie dies bei § 26 TVöD aF, der zusätzliche Urlaubstage bereits ab dem 30. Lebensjahr vorsah, der Fall war (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 24 ff., aaO).

32

(cc) Es ist kein Grund ersichtlich, bei einer individualrechtlichen Regelung nicht ebenfalls grundsätzlich davon auszugehen, dass mit einer Altersgrenze für die Gewährung zusätzlichen Urlaubs einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer Rechnung getragen werden soll. Diese Annahme erscheint umso mehr gerechtfertigt, wenn sie wie hier mit der Anerkennung eines Erfahrungssatzes bezüglich des gesteigerten Erholungsbedarfs bei körperlich belastenden Berufen korreliert. Hinzu kommt, dass die ständige Übung der Beklagten inhaltlich einer einschlägigen tarifvertraglichen Regelung entspricht. So sah der persönlich, fachlich und räumlich einschlägige Manteltarifvertrag vom 23. April 1997, abgeschlossen zwischen dem Hauptverband der Deutschen Schuhindustrie e. V. und der Gewerkschaft Leder sowie der IG BCE, für gewerbliche Arbeitnehmer in § 17 Ziff. 4 Buchst. a ab dem 58. Lebensjahr ebenfalls zwei zusätzliche Urlaubstage vor. Diese Regelung war im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht nicht durch eine neue Bestimmung abgeändert.

33

(dd) Schließlich widerlegt die Altersgrenze von 58 Lebensjahren nicht den Zweck, mit zwei weiteren Urlaubstagen im Kalenderjahr dem gesteigerten Erholungsbedürfnis Rechnung zu tragen. Dabei kann dahinstehen, ab welchem Alter die Annahme, der zusätzliche Urlaub diene dem höheren Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG, nicht mehr ohne Weiteres aufrechterhalten bzw. als widerlegt erachtet werden kann. Der Senat hat in der Entscheidung vom 20. März 2012 gemäß dem Rechtsgedanken aus § 417 Abs. 1 SGB III eine Altersgrenze von 50 Lebensjahren für die Einordnung als älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG in Betracht gezogen(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73; vgl. zu einer solchen Altersgrenze für die Gewährung zusätzlicher Urlaubstage: Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 -). Das Landesarbeitsgericht hat ergänzend darauf verwiesen, dass Leitlinie 17 der Entscheidung des Rates vom 12. Juli 2005 über Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten (2005/600/EG) Arbeitskräfte ab Vollendung des 55. Lebensjahres als ältere Arbeitnehmer erachtet und die WHO-Studiengruppe „Altern und Arbeit“ aus arbeitsmedizinischer Sicht wegen auftretender Schwierigkeiten in Arbeit und Beruf eine Grenze ab dem 45. Lebensjahr angenommen hat (zu A II 15 b bb (3) (b) der Gründe). Das Berufungsgericht hat damit nachvollziehbar begründet, warum es davon ausgeht, dass die Urlaubsregelung einem legitimen Zweck iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG dient und es diesen Zweck nicht lediglich als von der Beklagten vorgeschoben erachtet.

34

(2) Die Regelung ist geeignet, den in § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG beschriebenen Zweck zu fördern. Insbesondere kann die Klägerin nicht mit dem Argument gehört werden, dass die Gewährung von lediglich zwei Urlaubstagen ungeeignet sei, einen altersbedingt erhöhten Erholungsbedarf auszugleichen. Die Geeignetheit ist nicht deshalb zu verneinen, weil ein gestiegener Erholungsbedarf unter Umständen nicht vollständig, sondern nur partiell ausgeglichen wird. Gerade angesichts des vom Arbeitgeber bei einer freiwilligen Leistung selbst gesetzten Dotierungsrahmens wäre die Beschränkung auf einen Teilausgleich nachvollziehbar und zulässig. Zudem haben auch die Tarifvertragsparteien angesichts der Tätigkeit eines Produktionsmitarbeiters in der Schuhbranche zwei Tage Urlaub für geeignet und ausreichend erachtet. Dass die Beklagte sich die von den Sozialpartnern ausgehandelte Regelung zu eigen macht und im Rahmen ihres Ermessensspielraums eine entsprechende Regelung trifft, ist unter dem Aspekt der Geeignetheit der Regelung nicht zu beanstanden.

35

(3) Die Regelung ist auch erforderlich und angemessen (§ 10 Satz 2 AGG). Mildere Mittel, die in gleicher Weise den Schutz älterer Arbeitnehmer verwirklichen könnten, sind nicht ersichtlich.

36

(a) Die Wahl einer anderen, niedrigeren Altersgrenze stellte kein gleich wirksames, milderes Mittel mit geringerem altersspezifischen Effekt dar. Es handelte sich vielmehr um eine andere Maßnahme mit einem erhöhtem Dotierungsrahmen.

37

(b) Eine niedrigere Altersgrenze verbunden mit nur einem weiteren Urlaubstag im Kalenderjahr müsste zwar nicht zwingend zu einer Erhöhung des Dotierungsrahmens führen. Allerdings hätten dann Arbeitnehmer nach Vollendung des 58. Lebensjahres nicht mehr Anspruch auf den zweiten weiteren Urlaubstag, den die Beklagte im Einklang mit dem einschlägigen Tarifvertrag angesichts des gesteigerten Erholungsbedarfs im höheren Alter in der Schuhproduktion für notwendig erachtet. Der Gestaltungs- und Ermessensspielraum der Beklagten lässt auch im Rahmen der Erforderlichkeit und Angemessenheit die von ihr angewandte Regelung zu. Die Interessen der Beteiligten werden hinreichend berücksichtigt. Es werden lediglich in Übereinstimmung mit dem Abwägungsergebnis der Tarifvertragsparteien die Interessen der über 58-Jährigen an einem zusätzlichen Urlaubstag höher gewichtet als die Interessen der übrigen Beschäftigten, schon im jüngeren Alter einen zusätzlichen Urlaubstag zu erhalten.

38

(c) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Beklagte nicht verpflichtet, zusätzliche Urlaubstage nur nach dem individuell ermittelten Erholungsbedarf unter Einbeziehung altersunabhängiger Belastungsfaktoren, wie der Pflege und Betreuung von Kindern, sowie unter Berücksichtigung des individuellen Alterungsprozesses zu gewähren. Zwar mag es zutreffen, dass es weitere Belastungsfaktoren gibt, die zu einem gesteigerten Erholungsbedarf führen können. Jedoch wäre eine solche individuelle Regelung in vielerlei Hinsicht praktisch nicht oder nur mit großen Schwierigkeiten handhabbar. Dies gilt nicht nur bezüglich der Gewichtung der einzelnen (persönlichen) Belastungsfaktoren untereinander, sondern vor allem auch für deren Ermittlung durch die Beklagte. Auch der Gerichtshof der Europäischen Union hat anerkannt, dass bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Regelung im Hinblick auf das Verbot der Altersdiskriminierung zu beachten ist, dass die fragliche Regelung in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht handhabbar bleiben müsse, und deshalb nicht generell verlangt werden könne, dass immer jeder Einzelfall individuell geprüft werde (EuGH 19. Juni 2014 - C-501/12 ua. - [Specht ua.] Rn. 78). Unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten darf der Arbeitgeber daher im Sinne einer typisierenden Betrachtung in Ausübung seines Gestaltungsspielraums auch einen Grund für ein gesteigertes Erholungsbedürfnis - wie etwa das Alter in belastenden Berufen - als Differenzierungskriterium heranziehen. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG enthält kein Gebot, die dort genannten typischerweise besonders schutzbedürftigen Personengruppen (Jugendliche, ältere Beschäftigte und Personen mit Fürsorgepflichten) hinsichtlich besonderer Arbeitsbedingungen gleich zu behandeln.

39

2. Aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz folgt ebenfalls kein Anspruch der Klägerin auf die begehrten zwei zusätzlichen Urlaubstage. Ist - wie hier - die unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmergruppen aus einem in § 1 AGG genannten Grund unter den im AGG normierten Voraussetzungen zulässig, ist auch der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt(ebenso bezüglich des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes: BAG 17. September 2013 - 3 AZR 686/11 - Rn. 25 mwN). Eine sachwidrige Ungleichbehandlung kommt angesichts der Rechtfertigung gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG nicht in Betracht.

40

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

        

        

    M. Lücke    

        

    Kranzusch    

                 

Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein. Derartige unterschiedliche Behandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:

1.
die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlohnung und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Beschäftigten und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen,
2.
die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile,
3.
die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung auf Grund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder auf Grund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand,
4.
die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen,
5.
eine Vereinbarung, die die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der oder die Beschäftigte eine Rente wegen Alters beantragen kann; § 41 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch bleibt unberührt,
6.
Differenzierungen von Leistungen in Sozialplänen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes, wenn die Parteien eine nach Alter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung geschaffen haben, in der die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigt worden sind, oder Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplans ausgeschlossen haben, die wirtschaftlich abgesichert sind, weil sie, gegebenenfalls nach Bezug von Arbeitslosengeld, rentenberechtigt sind.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. März 2010 - 20 Sa 2058/09 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Eberswalde vom 8. Juli 2009 - 3 Ca 140/09 - wird zurückgewiesen und der Tenor dieses Urteils zur Klarstellung neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass der Klägerin für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein weiterer Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht.

3. Der Beklagte hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin in den Jahren 2008 und 2009 Anspruch auf jeweils 29 oder 30 Urlaubstage hatte.

2

Die am 27. Oktober 1971 geborene Klägerin ist seit dem 1. September 1988 bei dem beklagten Landkreis als Angestellte mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden in der Fünftagewoche beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13. September 2005 in der Fassung des Änderungstarifvertrags Nr. 2 vom 31. März 2008 (TVöD) Anwendung. Dieser bestimmt ua.:

        

§ 26 

        

Erholungsurlaub

        

(1)     

Beschäftigte haben in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts (§ 21). Bei Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf fünf Tage in der Kalenderwoche beträgt der Urlaubsanspruch in jedem Kalenderjahr

                 

bis zum vollendeten 30. Lebensjahr

26 Arbeitstage,

                 

bis zum vollendeten 40. Lebensjahr

29 Arbeitstage und

                 

nach dem vollendeten 40. Lebensjahr

30 Arbeitstage.

                 

Maßgebend für die Berechnung der Urlaubsdauer ist das Lebensjahr, das im Laufe des Kalenderjahres vollendet wird. Bei einer anderen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit als auf fünf Tage in der Woche erhöht oder vermindert sich der Urlaubsanspruch entsprechend. Verbleibt bei der Berechnung des Urlaubs ein Bruchteil, der mindestens einen halben Urlaubstag ergibt, wird er auf einen vollen Urlaubstag aufgerundet; Bruchteile von weniger als einem halben Urlaubstag bleiben unberücksichtigt. Der Erholungsurlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und kann auch in Teilen genommen werden.

        

…       

        
        

§ 27   

        

Zusatzurlaub

        

(1)     

Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit nach § 7 Abs. 1 oder ständig Schichtarbeit nach § 7 Abs. 2 leisten und denen die Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 1 oder Abs. 6 Satz 1 zusteht, erhalten

                 

a)    

bei Wechselschichtarbeit für je zwei zusammenhängende Monate und

                 

b)    

bei Schichtarbeit für je vier zusammenhängende Monate

                 

einen Arbeitstag Zusatzurlaub.

        

(2)     

Im Falle nicht ständiger Wechselschicht- oder Schichtarbeit (z. B. ständige Vertreter) erhalten Beschäftigte des Bundes, denen die Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 2 oder Abs. 6 Satz 2 zusteht, einen Arbeitstag Zusatzurlaub für

                 

a)    

je drei Monate im Jahr, in denen sie überwiegend Wechselschichtarbeit geleistet haben, und

                 

b)    

je fünf Monate im Jahr, in denen sie überwiegend Schichtarbeit geleistet haben.

        

…       

                 
        

(4)     

Zusatzurlaub nach diesem Tarifvertrag und sonstigen Bestimmungen mit Ausnahme von § 125 SGB IX wird nur bis zu insgesamt sechs Arbeitstagen im Kalenderjahr gewährt. Erholungsurlaub und Zusatzurlaub (Gesamturlaub) dürfen im Kalenderjahr zusammen 35 Arbeitstage nicht überschreiten. Satz 2 ist für Zusatzurlaub nach den Absätzen 1 und 2 hierzu nicht anzuwenden. Bei Beschäftigten, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, gilt abweichend von Satz 2 eine Höchstgrenze von 36 Arbeitstagen; § 26 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

        

…“    

        
3

Mit Schreiben vom 5. November 2008 machte die Klägerin gegenüber dem Beklagten einen jährlichen Gesamturlaub in Höhe von 30 Tagen für das Jahr 2008 und die Zukunft nach dem TVöD geltend. Der Beklagte lehnte die Gewährung von 30 Urlaubstagen vor der Vollendung des 40. Lebensjahres der Klägerin unter Hinweis auf die Verbindlichkeit der Regelung des § 26 Abs. 1 TVöD mit Schreiben vom 28. November 2008 ab. Die Klägerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 11. Februar 2009 die vorliegende Klage erhoben.

4

Sie hat die Ansicht vertreten, sie habe auch vor der Vollendung ihres 40. Lebensjahres Anspruch auf jährlich 30 und nicht nur 29 Urlaubstage. Die an das Lebensalter anknüpfende Staffelung des tariflichen Urlaubsanspruchs sei eine Diskriminierung wegen des Alters. Die in der Tarifregelung enthaltene Ungleichbehandlung jüngerer Arbeitnehmer sei nicht durch § 10 AGG gerechtfertigt. Im Übrigen würden die gesundheitlichen Wirkungen zusätzlichen Urlaubs zur Vermeidung beispielsweise von Stresserscheinungen am Arbeitsplatz auch in der medizinischen Literatur kontrovers diskutiert.

5

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass ihr für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht.

6

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Diese sei bereits unzulässig, da das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO nötige Feststellungsinteresse fehle. Schließlich sei die Klage auch unbegründet. Die Altersstufenregelung des § 26 Abs. 1 TVöD sei durch einen sachlichen Grund nach § 10 AGG gerechtfertigt. Die Festlegung eines Mindestalters für die Gewährung von 30 Urlaubstagen pro Kalenderjahr stelle eine besondere Beschäftigungsbedingung zum Schutz älterer Beschäftigter bzw. eine Mindestanforderung an das Alter für einen mit der Beschäftigung verbundenen Vorteil dar, der zur Erreichung eines legitimen Ziels angemessen und erforderlich sei. Ältere Arbeitnehmer seien mit zunehmendem Alter aufgrund beruflicher Belastungen länger krank. Um diesen Umstand Rechnung zu tragen, hätten die Tarifvertragsparteien mit der Regelung in § 26 Abs. 1 TVöD auf das verstärkte Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer reagiert und deren Leistungsfähigkeit stärken wollen. Der Aspekt des Gesundheitsschutzes älterer Arbeitnehmer sei daher geeignet, die Ungleichbehandlung jüngerer Beschäftigter zu rechtfertigen. Schließlich würde auch eine Diskriminierung keine Angleichung „nach oben“ zur Folge haben.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die Wiederherstellung der stattgebenden Entscheidung des Arbeitsgerichts. Der Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

A. Die zulässige Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf die geltend gemachten Ersatzurlaubstage.

9

I. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Feststellungsklage zulässig ist. Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse daran, durch das Gericht feststellen zu lassen, ob ihr für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht ( § 256 Abs. 1 ZPO ). Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer den Umfang des ihm zustehenden Urlaubs gerichtlich festgestellt haben will, nicht entgegen (vgl. BAG 12. April 2011 - 9 AZR 80/10  - Rn. 13 bis 15, EzA BUrlG § 7 Nr. 123).

10

II. Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten für den ihr in den Jahren 2008 und 2009 jeweils verweigerten 30. Urlaubstag gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB Anspruch auf jeweils einen Tag Ersatzurlaub. Die Urlaubsstaffelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD verstößt gegen die §§ 1, 3 Abs. 1 AGG. Denn sie gewährt Beschäftigten, die das 30., aber noch nicht das 40. Lebensjahr vollendet haben, einen um einen Tag kürzeren Urlaub. Sie ist deshalb nach § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG iVm. § 134 BGB unwirksam. Dies hat zur Folge, dass die Klägerin auch vor der Vollendung ihres 40. Lebensjahres in jedem Kalenderjahr Anspruch auf 30 Urlaubstage hatte. Ihr steht für die Jahre 2008 und 2009 jeweils noch ein Tag Ersatzurlaub zu, weil der Beklagte ihr in diesen Jahren nur jeweils 29 Urlaubstage gewährte.

11

1. Nach § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD standen der am 27. Oktober 1971 geborenen Klägerin in den Jahren 2008 und 2009 jeweils 29 Urlaubstage zu. Erst nach dem vollendeten 40. Lebensjahr gewährt ihr diese Tarifregelung einen jährlichen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen. Diese an das Lebensalter anknüpfende Staffelung der Urlaubsdauer verstößt gegen das Verbot der Altersdiskriminierung in § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG. Sie ist als sachlich nicht nach den §§ 8, 10 AGG gerechtfertigte unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters gemäß § 7 Abs. 2 AGG iVm. § 134 BGB unwirksam. Zur Beseitigung dieser Diskriminierung ist eine Anpassung auf 30 Urlaubstage erforderlich.

12

2. Zutreffend haben die Vorinstanzen die Regelung in § 26 Abs. 1 TVöD am AGG gemessen. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG gelten die Diskriminierungsverbote der §§ 1, 7 AGG auch für die in kollektivrechtlichen Vereinbarungen geregelten Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen. Unter solchen Bedingungen sind alle Umstände zu verstehen, aufgrund derer und unter denen die Arbeitsleistung zu erbringen ist (vgl. BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 54, BAGE 132, 210). Zu den Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen gehört damit auch der Urlaub. Der Umstand, dass die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b TVöD bereits am 1. Januar 2006 und somit schon vor dem AGG vom 14. August 2006 in Kraft getreten ist, steht dem nicht entgegen. Die für die Jahre 2008 und 2009 geltend gemachte Benachteiligung durch § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD ist erst nach Inkrafttreten des AGG am 18. August 2006 eingetreten. Da § 33 Abs. 1 AGG insoweit keine Übergangsregelung enthält, findet dieses Gesetz auch dann Anwendung, wenn die Benachteiligung auf einem vor Inkrafttreten des AGG abgeschlossenen Tarifvertrag beruht. Es kommt allein auf den Zeitpunkt der Benachteiligungshandlung an (BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 33, BAGE 129, 72).

13

3. Die Urlaubsstaffelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD enthält eine auf dem Merkmal des Alters beruhende Ungleichbehandlung der Beschäftigten, die das 30. bzw. das 40. Lebensjahr nicht vollendet haben. Das ist eine unmittelbare Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer wegen des Alters iSv. § 3 Abs. 1 AGG.

14

a) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Beim Alter handelt es sich um einen in § 1 AGG genannten Grund, wobei unter Alter das Lebensalter zu verstehen ist. Dies folgt aus dem gesetzlichen Wortlaut und auch aus der Gesetzesbegründung ( BT-Drucks. 16/1780 S. 31; BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 49, BAGE 132, 210; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07  - Rn. 36, BAGE 129, 181). Der für eine unmittelbare Benachteiligung erforderliche Kausalzusammenhang ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere in § 1 AGG genannte Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 32; BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 50, aaO).

15

b) Diese Voraussetzung ist erfüllt. § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD sieht für Beschäftigte bei einer Fünftagewoche in jedem Kalenderjahr einen Urlaubsanspruch bis zum vollendeten 30. Lebensjahr in Höhe von 26 Arbeitstagen, bis zum vollendeten 40. Lebensjahr in Höhe von 29 Arbeitstagen und erst nach dem vollendeten 40. Lebensjahr in Höhe von 30 Arbeitstagen vor. Die Höhe des Urlaubsanspruchs nach § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD knüpft damit in allen Stufen unmittelbar an das Lebensalter der Beschäftigten an. Danach haben Beschäftigte wie die Klägerin, die zwar das 30. Lebensjahr, aber noch nicht das 40. Lebensjahr vollendet haben, in jedem Jahr nur Anspruch auf 29 statt auf 30 Urlaubstage. Sie werden ebenso wie die unter 30-Jährigen im Vergleich zu den Beschäftigten, die das 40. Lebensjahr vollendet haben, hinsichtlich der Höhe des Urlaubsanspruchs wegen ihres geringeren Alters ungünstiger behandelt.

16

4. Diese Ungleichbehandlung ist nicht gerechtfertigt.

17

a) Bei ihr handelt es sich nicht um eine nach § 8 AGG zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen. Die Urlaubsstaffel des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD knüpft nicht an die Art der auszuübenden Tätigkeit oder die Bedingungen ihrer Ausübung an. Sie stellt nicht auf die Art der auszuübenden Tätigkeit ab und beansprucht damit Geltung für alle dem TVöD unterfallenden Beschäftigten.

18

b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Ungleichbehandlung auch nicht nach § 10 AGG sachlich gerechtfertigt(so ebenfalls die herrschende Meinung in der Literatur, vgl. Linck/Schütz FS Leinemann, S. 181 f.; Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV Stand Januar 2012 E § 26 TVöD Rn. 22; AGG/Voigt 3. Aufl. § 10 Rn. 33; Meinel/Heyn/Herms AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 42b; Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 105; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdtle ZTR 2006, 622, 623 mwN; Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 478; vgl. ferner bereits zu § 48 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). § 10 Satz 1 AGG lässt eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters ungeachtet der Regelung des § 8 AGG zu, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Zudem müssen die Mittel zur Erreichung dieses Ziels nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist die an das Lebensalter anknüpfende Differenzierung in § 26 Abs. 1 TVöD nicht sachlich gerechtfertigt, weil sie einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung trägt und deren Gesundheit schützen will. Dabei kann dahinstehen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen das Ziel des Gesundheitsschutzes eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen würde. Die Tarifvorschrift verfolgt dieses Ziel schon nicht.

19

aa) Die Tarifvertragsparteien haben das mit der in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD geregelten Urlaubsstaffelung verfolgte Ziel nicht ausdrücklich genannt. Nennt eine Regelung oder Maßnahme kein Ziel, müssen zumindest aus dem Kontext abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter der Regelung oder der Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, um die Legitimität des Ziels sowie die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüfen zu können. Dabei können nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die sozialpolitischen Ziele als legitim angesehen werden, die im allgemeinen Interesse stehen. Derjenige, der eine Ungleichbehandlung vornimmt, muss den nationalen Gerichten in geeigneter Weise die Möglichkeit zur Prüfung einräumen, ob mit der Ungleichbehandlung ein Ziel angestrebt wird, das die Ungleichbehandlung unter Beachtung der Ziele der Richtlinie 2000/78/EG rechtfertigt (vgl. EuGH 5. März 2009 - C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 45 ff., Slg. 2009, I-1569; BAG 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08  - Rn. 36 ff., BAGE 131, 61). Denn das nationale Gericht hat zu prüfen, ob die Regelung oder Maßnahme ein rechtmäßiges Ziel iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgt. Gleiches gilt für die Frage, ob die Tarifvertragsparteien als Normgeber angesichts des vorhandenen Wertungsspielraums davon ausgehen durften, dass die gewählten Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich waren (vgl. EuGH 5. März 2009 -  C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 49 ff., aaO; vgl. auch BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 57, BAGE 132, 210).

20

bb) Die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD dient nicht dem Schutz älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. Diese gesetzliche Regelung konkretisiert das legitime Ziel, nämlich ua. die Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter, wobei dieser Schutz auch die Festlegung besonderer Arbeitsbedingungen einschließen kann. Aus einer tariflichen Urlaubsstaffelung, die - wie die in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD - den Beschäftigten bereits nach Vollendung des 30. Lebensjahres drei weitere Urlaubstage und dann nach Vollendung des 40. Lebensjahres letztmals einen zusätzlichen Urlaubstag gewährt, lässt sich nicht ableiten, dass die Tarifvertragsparteien einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollten und das Ziel verfolgten, den Schutz älterer Beschäftigter iSd. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG sicherzustellen. Wenn sich auch eine genaue Schwelle für die Zuordnung zu den älteren Arbeitnehmern weder dieser Regelung selbst noch Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG entnehmen lässt, so ist diese freilich an der Zielsetzung (vgl. zu dieser Däubler/Bertzbach/Brors 2. Aufl. § 10 Rn. 42) auszurichten. Einen arbeitsmarktpolitischen Zweck verfolgt zB § 417 Abs. 1 SGB III, wonach Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die das 50. Lebensjahr vollendet haben und ihre Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung beenden oder vermeiden, unter den in der Vorschrift genannten Voraussetzungen Anspruch auf Leistungen der Entgeltsicherung haben. Diese Regelung der Entgeltsicherung bezweckt, die Arbeitslosigkeit älterer Arbeitnehmer abzubauen und ihren Anteil an der erwerbstätigen Bevölkerung zu erhöhen (vgl. BT-Drucks. 17/1945 S. 17). Im Vergleich zu der in § 417 Abs. 1 SGB III genannten Altersgruppe setzt sich die durch die Urlaubsstaffel in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD begünstigte Beschäftigtengruppe, der ein Urlaubsanspruch von jährlich 30 Arbeitstagen eingeräumt wird, nicht ausnahmslos aus älteren Beschäftigten zusammen. Vielmehr gehören ihr alle Beschäftigten ab Vollendung des 40. Lebensjahres an. Der Senat hat bereits entschieden, dass ein Arbeitnehmer jedenfalls ab Vollendung des 31. Lebensjahres offensichtlich kein älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG ist(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 55, BAGE 132, 210).

21

cc) Ein legitimes Ziel iSd. § 10 AGG ergibt sich entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts auch nicht aus § 10 Satz 3 Nr. 2 AGG. Danach kann eine zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile einschließen. Diese Regelung bestimmt selbst kein legitimes Ziel, sondern beschreibt nur ein mögliches Mittel, mit der ein auf andere Weise zu legitimierendes Ziel gerechtfertigt werden kann (vgl. ErfK/Schlachter 12. Aufl. § 10 AGG Rn. 6), sofern es erforderlich und angemessen iSd. § 10 Satz 2 AGG ist.

22

dd) Die Tarifvertragsparteien verfolgen entgegen der Auffassung des Beklagten nicht das Ziel des Gesundheitsschutzes älterer Arbeitnehmer.

23

(1) Das mit der Urlaubsstaffelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD verfolgte Ziel lässt sich nicht mit ausreichender Deutlichkeit aus dem Wortlaut des § 26 TVöD entnehmen. § 26 TVöD normiert ausweislich seiner Überschrift den Erholungsurlaub. Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 TVöD haben Beschäftigte in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts. § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD legt die Dauer dieses Erholungsurlaubs fest. Der Begriff des Erholungsurlaubs wird dabei nicht näher definiert und ist dem BUrlG entlehnt, auf das § 26 Abs. 2 TVöD im Übrigen verweist. Der Erholungsurlaub nach dem BUrlG soll nach der Gesetzesbegründung dem sozialpolitischen Anliegen der Erhaltung und Wiederauffrischung der Arbeitskraft der Arbeitnehmer dienen (vgl. den schriftlichen Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit, BT-Drucks. IV/785; Begründung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Bundesurlaubsgesetzes, BT-Drucks. IV/207). Durch den Erholungsurlaub wird dem Arbeitnehmer die Möglichkeit gesichert, für eine bestimmte Dauer im Jahr, die ihm eingeräumte Freizeit zur selbstbestimmten Erholung zu nutzen (st. Rspr., vgl. BAG 20. Juni 2000 - 9 AZR 405/99 - zu II 2 b bb 1 der Gründe, BAGE 95, 104; 8. März 1984 - 6 AZR 600/82 - zu II 5 b der Gründe, BAGE 45, 184; ebenso st. Rspr. des EuGH zum Jahresurlaub nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG , EuGH 22. No-vember 2011 - C-214/10 - [KHS] Rn. 31, AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 6 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 7; 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06  - [Schultz-Hoff] Rn. 25, Slg. 2009, I-179). Wenn eine Tarifregelung die Urlaubsdauer nach dem Lebensalter staffelt, liegt die Annahme nahe, die Tarifvertragsparteien hätten einem mit zunehmendem Alter gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollen. Die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD rechtfertigt eine solche Annahme freilich nicht, sondern schließt sie aus.

24

(2) Das folgt bereits aus dem Inhalt der Regelung. Die Tarifvorschrift räumt den Beschäftigten schon ab dem 30. Lebensjahr drei weitere Urlaubstage ein. Dafür, dass die Tarifvertragsparteien von einem so deutlich gesteigertem Erholungsbedürfnis bereits nach der Vollendung des 30. Lebensjahres ausgegangen sind, fehlt jeder Anhaltspunkt. Gegen eine solche Annahme spricht auch, dass die Tarifvertragsparteien den Beschäftigten nach der Vollendung des 40. Lebensjahres letztmals nur einen weiteren Urlaubstag gewährt und davon abgesehen haben, ein gesteigertes Erholungsbedürfnis des Beschäftigten in der Zeit bis zum Erreichen des gesetzlich festgelegten Alters für den Bezug der Regelaltersrente (§ 33 Abs. 1 Buchst. a TVöD) zu berücksichtigen. Hätten die Tarifvertragsparteien ein gesteigertes Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter vor Augen gehabt, hätten sie nicht einem 30-Jährigen einen gegenüber einem 29-jährigen Beschäftigten um drei Tage längeren Urlaub gewährt, nach der Vollendung des 40. Lebensjahres des Beschäftigten eine wesentlich geringere Steigerung des Erholungsbedürfnisses angenommen und für die Zeit danach bis zum Erreichen des gesetzlich festgelegten Alters für den Bezug der Regelaltersrente ein zunehmendes Erholungsbedürfnis des Beschäftigten überhaupt nicht mehr berücksichtigt (vgl. Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 478). Auch das Schrifttum nimmt ganz überwiegend an, dass eine tarifliche Urlaubsstaffelung nicht schon auf die Vollendung des 30. bzw. des 40. Lebensjahres abstellen darf, wenn sie einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen will (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22; Tempelmann/Stenslik DStR 2011, 1183, 1186; Richter Benachteiligung wegen des Alters im Erwerbsleben S. 170; Meinel/Heyn/Herms § 10 Rn. 42b; AGG/Voigt § 10 Rn. 33; Hey AGG § 10 Rn. 28; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdle ZTR 2006, 622, 623; Linck/Schütz FS Leinemann S. 181 f.; Senne Auswirkungen des europäischen Verbots der Altersdiskriminierung auf das deutsche Arbeitsrecht S. 269; Bertelsmann ZESAR 2005, 242, 246). Selbst wenn die Erholungsbedürftigkeit von Arbeitnehmern mit zunehmendem Lebensalter steigen sollte (zweifelnd Däubler/Bertzbach/Brors § 10 Rn. 50; aA Waltermann NZA 2005, 1265, 1269), hätte es mit dem Schutz älterer Arbeitnehmer nichts zu tun, bereits mit dem 30. Lebensjahr eine erste Verlängerung des Urlaubsanspruchs um drei Tage und die zweite und zugleich letzte Verlängerung um einen weiteren Urlaubstag bereits mit Vollendung des 40. Lebensjahres vorzusehen (so auch Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22; Adomeit/Mohr § 10 Rn. 105; so bereits zu § 48 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). Es fehlt in beiden Stufen an dem erkennbaren Schutz Älterer. Die Verlängerung des Urlaubsanspruchs bereits mit dem vollendeten 30. Lebensjahr lässt sich kaum mit der Erhaltung der Leistungsfähigkeit Älterer begründen. Auch mit der Vollendung des 40. Lebensjahres hat ein Beschäftigter regelmäßig allenfalls die Mitte seines Erwerbsalters erreicht (vgl. auch Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). Hätten die Tarifvertragsparteien gemäß der Ansicht des Beklagten ein gesteigertes Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter berücksichtigen wollen, hätten sich die gewählten Altersgrenzen nicht an dem mit dem Alter zunehmenden Erholungsbedürfnis orientiert und wären willkürlich.

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(3) Gerade dieser Umstand bestätigt, dass die Tarifvertragsparteien mit der Regelung in § 26 TVöD weder den Schutz der Gesundheit bezweckten noch einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollten. Hätten sie diese Ziele verfolgt, hätte es nahe gelegen, gerade für die älteren Beschäftigten, zB die Gruppe der über 50- oder über 60-jährigen Beschäftigten, die Dauer des Erholungsurlaubs zu verlängern. Bei dieser Personengruppe ist ein altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis eher nachvollziehbar. Ein solches Schutzbedürfnis für die über 50-Jährigen haben die Tarifvertragsparteien aber nur hinsichtlich der Beschränkung der Höchstdauer des Gesamturlaubs bei besonders belastenden Arbeiten (Schicht- und Wechselschicht) gesehen. Das folgt aus § 27 Abs. 4 Satz 4 TVöD. Danach erhöht sich ab diesem Lebensalter die maximal erreichbare Gesamturlaubsdauer von jährlich 35 auf 36 Arbeitstage.

26

(4) Die Tarifgeschichte bestätigt, dass die Tarifvertragsparteien mit der Urlaubsstaffel nicht einem mit dem Lebensalter steigenden Erholungsbedürfnis Rechnung tragen wollten. Bereits seit dem Inkrafttreten des BAT wurde die Urlaubsdauer an das Lebensalter geknüpft (§ 48 Abs. 1 BAT). Sie steigerte sich auch nach dem vollendeten 30. Lebensjahr und nach dem vollendeten 40. Lebensjahr. Innerhalb der Lebensaltersstufen verlängerte sich die Urlaubsdauer teilweise nach Vergütungsgruppen. Je höher der Angestellte eingruppiert war, je länger war sein Urlaubsanspruch. Dies zeigt, dass nicht der Erholungszweck maßgebend für die Urlaubsdauer sein sollte. Der Urlaub wurde vielmehr als Quasi-Gegenleistung für die Arbeitsleistung geregelt. Nur so lässt sich die normierte Abhängigkeit der Urlaubsdauer von der Vergütungsgruppe erklären. Es kann deshalb nicht angenommen werden, die Tarifvertragsparteien hätten bei Angestellten in höheren Vergütungsgruppen ein gesteigertes Erholungsbedürfnis ausgleichen wollen. Die Differenzierung resultiert vielmehr aus der überkommenen Auffassung, der Urlaub werde „verdient“.

27

5. Die Diskriminierung der Klägerin kann nur durch die Verpflichtung des Beklagten beseitigt werden, der Klägerin für die Jahre 2008 und 2009 jeweils einen Ersatzurlaubstag zu gewähren. Zwar folgt aus § 7 Abs. 2 AGG nur, dass die diskriminierende Regelung unwirksam ist. Auch wird vom Senat nicht verkannt, dass es sich bei § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD um ein Stufensystem handelt, sodass grundsätzlich keine Stufe als die von den Tarifvertragsparteien als „übliche“ Urlaubsdauer gewollte angesehen werden kann. Jedoch kann die Beseitigung der Diskriminierung vorliegend nur durch eine Anpassung „nach oben“ erfolgen.

28

a) Grundsätzlich ist es Aufgabe der Tarifvertragsparteien, eine benachteiligungsfreie Regelung zu treffen, wofür ihnen verschiedene Möglichkeiten zu Verfügung stehen. Doch scheidet eine Aussetzung des Rechtsstreits unter Fristsetzung zur Lückenschließung durch die Tarifvertragsparteien selbst von vornherein aus (aM Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 23). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind für den Fall, dass gesetzliche oder tarifvertragliche Regelungen eine mit der Richtlinie unvereinbare Diskriminierung vorsehen, die nationalen Gerichte gehalten, die Diskriminierung auf jede denkbare Weise und insbesondere dadurch auszuschließen, dass sie die Regelung für die nicht benachteiligte Gruppe auch auf die benachteiligte Gruppe anwenden, ohne die Beseitigung der Diskriminierung durch den Gesetzgeber, die Tarifvertragsparteien oder in anderer Weise abzuwarten (vgl. so bereits zur Richtlinie 76/207/EWG: EuGH 20. März 2003 - C-187/00 - [Kutz-Bauer] Rn. 75, Slg. 2003, I-2741). Auch nach Art. 9 Abs. 3 GG in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wäre eine Aussetzung grundsätzlich allenfalls zur Beseitigung einer Diskriminierung für die Zukunft geboten(vgl. BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 28, NZA 2012, 161). Vorliegend geht es jedoch um die Beseitigung einer Diskriminierung in der Vergangenheit.

29

b) Die Benachteiligung der Klägerin kann nicht auf andere Weise für die Jahre 2008 und 2009 ausgeschlossen werden. Ein Rückgriff auf den noch unterhalb der Eingangstufe des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD liegenden gesetzlichen Mindesturlaub gemäß den §§ 1, 3 BUrlG in Höhe von 20 Arbeitstagen bei einer Fünftagewoche ist hierzu nicht geeignet(aM Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 483; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand Februar 2012, § 26 Rn. 163.5). Der von den §§ 1, 7 AGG bzw. Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgte Zweck, Benachteiligungen zu verhindern oder zu beseitigen, würde nicht erreicht. Da diskriminierende Maßnahmen oder Vereinbarungen nicht hingenommen und ihre Fortwirkung nicht akzeptiert werden darf (vgl. ErfK/Schlachter § 7 AGG Rn. 5), ist auch nicht auf die Eingangsstufe des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD mit 26 Urlaubstagen abzustellen. Hätte die Klägerin nur Anspruch auf die erste Stufe der Urlaubsstaffel, fehlte es an einer Sanktion, die einen tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutz gewährt und abschreckende Wirkung hat (vgl. zu diesem Aspekt: BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 18 ff., NZA 2012, 161).

30

c) Hingegen ist eine Anpassung „nach oben“ zur Beseitigung einer Altersdiskriminierung im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gerechtfertigt, wenn auf andere Weise die Diskriminierung nicht behoben werden kann, weil der Arbeitgeber den Begünstigten für die Vergangenheit die Leistung nicht mehr entziehen kann (vgl. ausführlich: BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 20 ff., NZA 2012, 161). Dies ist vorliegend der Fall. Der den begünstigten Beschäftigten in den Jahren 2008 und 2009 gewährte Urlaub von jährlich 30 Arbeitstagen kann nicht rückwirkend auf 29 oder 26 Arbeitstage begrenzt werden. Die als Urlaub bereits gewährte Freizeit ist nicht kondizierbar.

31

d) Schließlich steht der Anpassung „nach oben“ auch nicht § 15 Abs. 3 AGG entgegen. Danach ist der Arbeitgeber bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fährlässig handelt. Diese Bestimmung bezieht sich allein auf die immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG(vgl. BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 38, NZA 2012, 161; ErfK/Schlachter § 15 AGG Rn. 13) und verhält sich nicht zur Beseitigung einer Diskriminierung durch eine den Diskriminierungsverboten genügende Regelung.

32

e) Der Beklagte kann auch keinen Vertrauensschutz in Anspruch nehmen. In den Jahren 2008 und 2009 galt bereits das am 18. August 2006 in Kraft getretene AGG. Dieses nimmt Dauerschuldverhältnisse und damit auch Arbeitsverhältnisse ebenso wenig wie Tarifverträge aus, die vor dem Inkrafttreten des AGG bereits abgeschlossen waren. Übergangsvorschriften oder Vertrauensschutzregelungen sind insoweit in § 33 AGG nicht vorgesehen. Gemäß § 1 AGG ist ua. Ziel dieses Gesetzes, Benachteiligungen aus Gründen des Alters nicht nur zu verhindern, sondern auch zu beseitigen. Die damit einhergehende unechte Rückwirkung ist zulässig. Der zeitliche Geltungsbereich wird je nach Lage der Verhältnisse im Einzelfall nur durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes beschränkt (vgl. so bereits zu § 81 Abs. 2 SGB IX aF: BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 38, BAGE 129, 72). Dies setzt jedoch in jedem Fall das Vorliegen eines schutzwürdigen Vertrauens voraus, das vorliegend nicht gegeben ist, selbst wenn man die Grundsätze zum Vertrauensschutz bei unechter Rückwirkung von Gesetzen anwendet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Grundsatz des Vertrauensschutzes nur dann verletzt, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (vgl. BVerfG 10. August 2006 - 2 BvR 563/05  - Rn. 14, BVerfGK 9, 28). Zum einen dient das AGG der Umsetzung von EU-Richtlinien zum Schutz vor Diskriminierung im Bereich Beschäftigung und Beruf und enthält insoweit insbesondere im Bereich der Altersdiskriminierung unionsrechtlich verankerte notwendige und bedeutende Regelungen. Zum anderen wäre ein Vertrauen in den Fortbestand der angewandten tarifvertraglichen Regelungen nicht schutzwürdig. Denn die Richtlinie 2000/78/EG wurde schon im Jahr 2000 erlassen und stellt in Art. 16 Buchst. b ausdrücklich klar, dass die Diskriminierungsverbote auch auf tarifvertragliche Bestimmungen Anwendung finden. Nach Art. 18 der Richtlinie 2000/78/EG war diese zudem spätestens zum 2. Dezember 2006 in nationales Recht umzusetzen. Der Beklagte musste ebenso wie die Tarifvertragsparteien damit rechnen, dass tarifvertragliche Regelungen auch am Verbot der Altersdiskriminierung gemessen werden. Deshalb konnte der Beklagte nicht darauf vertrauen, dass auch nach Inkrafttreten des AGG die Urlaubsstaffelregelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD zulässig war, zumal in der Gesetzesbegründung zum AGG die Anknüpfung an das bloße Lebensalter als Mindestgrenze für mit der Beschäftigung verbundener Vorteile nicht unkritisch gesehen wurde(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 36) und im Schrifttum nicht nur vereinzelt die Unwirksamkeit des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD wegen Verstoßes gegen das Verbot der Altersdiskriminierung angenommen wurde (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22 mwN; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdtle ZTR 2006, 622, 623 mwN; so bereits zu § 48 Abs. 1 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156).

33

6. Die Klägerin hat Anspruch auf Ersatzurlaub gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB. Die Resturlaubsansprüche für die Jahre 2008 und 2009 waren mangels Vorliegens eines Übertragungsgrundes nach § 26 Abs. 1 Satz 6 TVöD iVm. § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG zum 31. Dezember des jeweiligen Jahres verfallen. Diesen Untergang hat der Beklagte zu vertreten, weil er sich mit der Gewährung des Urlaubs in Verzug befand.

34

a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus Verzug gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB liegen vor. Die Klägerin hatte in den Jahren 2008 und 2009 Anspruch auf jeweils 30 Urlaubstage. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wandelt sich der Urlaubsanspruch in einen Schadensersatzanspruch um, der auf Gewährung von Ersatzurlaub als Naturalrestitution gerichtet ist, wenn der Arbeitgeber den rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt und der Urlaub aufgrund seiner Befristung verfällt ( BAG 11. April 2006 - 9 AZR 523/05  - Rn. 24, AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116).

35

b) Die Klägerin machte mit Schreiben vom 5. November 2008 unter der Überschrift „Geltendmachung von Urlaubsansprüchen“ Urlaub in Höhe von 30 Tagen nach dem TVöD geltend und bat zudem, den Urlaubsanspruch auch für die Zukunft entsprechend anzupassen. Dahingestellt bleiben kann, ob dies schon ein konkretes Verlangen beinhaltet hat, den Urlaub in den Jahren 2008 und 2009 zu gewähren. Nach der Rechtsprechung des Senats ist hierfür zumindest erforderlich, dass der Arbeitgeber nach den Grundsätzen des § 133 BGB davon ausgehen muss, der Arbeitnehmer wünsche ab einem bestimmten Zeitpunkt Erholungsurlaub(vgl. BAG 17. November 2009 - 9 AZR 745/08 - Rn. 45; 11. April 2006 -  9 AZR 523/05  - Rn. 28, AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116). Maßgebend ist, dass der Beklagte mit Schreiben vom 28. November 2008 erklärt hat, er lehne den Antrag auf Verlängerung des Urlaubs „auf 30 Tage vor Erreichen des 41. Lebensjahres“ ab, weil der Klägerin nach dem für ihn verbindlichen § 26 Abs. 1 TVöD derzeit nur 29 Urlaubstage zustünden. Aus objektiver Empfängersicht lag darin eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung des Beklagten als Schuldner des Urlaubsanspruchs, die gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine Mahnung der Klägerin entbehrlich machte(vgl. BAG 31. Januar 1991 - 8 AZR 462/89  - zu II der Gründe). Denn der Beklagte gab mit diesem Schreiben vor Ablauf des Urlaubsjahres 2008 klar zu erkennen, dass er nicht bereit sei, im laufenden Jahr mehr als 29 Tage Urlaub zu gewähren. Hinsichtlich des weiteren Urlaubstags für das Jahr 2009 folgt der Verzug des Beklagten zudem daraus, dass er jedenfalls mit dem Antrag auf Klageabweisung vom 24. April 2009 und somit vor Ablauf des Urlaubsjahres 2009 zu erkennen gegeben hat, den weiteren Urlaubstag auch im Jahr 2009 nicht gewähren zu wollen. Darin lag ebenso seine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung als Schuldner des Urlaubsanspruchs, die gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine Mahnung der Klägerin ebenfalls entbehrlich machte(vgl. BAG 17. Mai 2011 - 9 AZR 197/10 - Rn. 14, EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 138; 31. Januar 1991 - 8 AZR 462/89  - zu II der Gründe).

36

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

        

        

    Preuß    

        

    Neumann-Redlin    

        

        

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 7. September 2012 - 6 Sa 709/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe des jährlichen Urlaubsanspruchs.

2

Die Beklagte stellt Schuhe her. Die am 10. April 1960 geborene Klägerin ist bei ihr seit dem 1. Juli 1994 als Produktionsmitarbeiterin beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 13. November 2000 ist ua. vereinbart, dass der jährliche Urlaubsanspruch 34 Arbeitstage beträgt. Die Beklagte gewährt allen Arbeitnehmern, die das 58. Lebensjahr vollendet haben, 36 Arbeitstage Jahresurlaub, ohne dass individuelle Vereinbarungen über einen höheren Jahresurlaub vorliegen. Die übrigen Beschäftigten erhalten jährlich 34 Urlaubstage.

3

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Urlaubsregelung sei altersdiskriminierend. Die Behauptung, ältere Mitarbeiter benötigten im Produktionsbetrieb längere Erholungsphasen, sei durch die darlegungsbelastete Beklagte nicht dargetan. Das Bundesurlaubsgesetz stelle bezüglich der Dauer des Urlaubs weder auf die physische Belastung noch auf das Alter der Arbeitnehmer ab. Die Beklagte habe keinen Grund genannt, warum ein gesteigertes Erholungsbedürfnis ausgerechnet mit 58 Jahren eintrete. Zudem könne mit lediglich zwei zusätzlichen Urlaubstagen ein etwaiger höherer Erholungsbedarf nicht ausgeglichen werden. Bei einem stetig steigenden Erholungsbedarf müsste jedenfalls auch die Urlaubsdauer gestaffelt werden. Bei anderen Arbeitnehmergruppen sei ein erhöhter Erholungsbedarf nachvollziehbar. Diese würden jedoch nicht begünstigt. So seien jüngere Arbeitnehmer durch Familie und Beruf oftmals stärker beansprucht als ältere. Die Beklagte habe ihr zur Beseitigung der Diskriminierung jährlich zwei weitere Urlaubstage zu gewähren.

4

Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr 36 Arbeitstage Erholungsurlaub zu gewähren.

5

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, ihre Urlaubsregelung beinhalte keine Diskriminierung. Nach der Lebenserfahrung benötigten ältere Arbeitnehmer, die körperlich ermüdende und schwere Arbeiten verrichten, längere Erholungszeiten als jüngere. Zwei zusätzliche Urlaubstage seien angemessen.

6

Das Arbeitsgericht hat die Klage - soweit für die Revision von Bedeutung - abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Feststellungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, der Klägerin auch schon vor der Vollendung der 58. Lebensjahres insgesamt 36 Arbeitstage Erholungsurlaub pro Jahr zu gewähren.

8

I. Die Klage ist in der gebotenen Auslegung zulässig, insbesondere besteht das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.

9

1. Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer den Umfang des ihm zustehenden Urlaubs gerichtlich festgestellt wissen will, nicht entgegen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 9, BAGE 141, 73; 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - Rn. 13 ff., BAGE 137, 328).

10

2. Die am 10. April 1960 geborene Klägerin hat ein rechtlich anerkennenswertes Interesse daran, alsbald zu erfahren, ob ihr bereits vor der Vollendung ihres 58. Lebensjahres zwei weitere Urlaubstage pro Jahr zustehen. Ihr Antrag bezieht sich dem Wortlaut nach zwar auf den gesamten Jahresurlaub. Er kann jedoch so ausgelegt werden, dass er sich nur auf zwei weitere Urlaubstage im Kalenderjahr bezieht. Zwischen den Parteien besteht kein Streit, dass der Klägerin die vertraglich vereinbarten 34 Urlaubstage pro Jahr zustehen. Die Klägerin hat im Laufe des Verfahrens deutlich gemacht, dass der Antrag auf die Feststellung des Bestehens zweier zusätzlicher Urlaubstage gerichtet ist. Darüber hinaus hat das Landesarbeitsgericht den Klageantrag zutreffend so verstanden, dass er vergangene Urlaubsjahre nicht erfasst. Es handelt sich um einen gegenwartsbezogenen Feststellungsantrag, für dessen Entscheidung grundsätzlich auf die Sachlage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht abzustellen ist (vgl. BAG 15. Mai 2013 - 7 AZR 494/11 - Rn. 15 ff.).

11

II. Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen vor Vollendung ihres 58. Lebensjahres nicht gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 iVm. § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG zwei weitere Urlaubstage zu. Die Urlaubsregelung ist nicht gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam und führt somit bezüglich der Dauer des Urlaubs der Klägerin nicht zu einer „Anpassung nach oben“(siehe dazu BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 27 ff., BAGE 141, 73; vgl. aber auch BAG 14. Mai 2013 - 1 AZR 44/12 - Rn. 25, BAGE 145, 113).

12

1. Es liegt zwar eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor. Diese ist jedoch gemäß § 10 Satz 1, 2 und Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt.

13

a) Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Unter Alter iSd. § 1 AGG ist das Lebensalter zu verstehen. Dies folgt aus dem Wortlaut des Gesetzes und aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/1780 S. 31; BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 14, BAGE 141, 73; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 36, BAGE 129, 181). Eine unmittelbare Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 1 AGG gegeben, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Der für eine unmittelbare Benachteiligung erforderliche Kausalzusammenhang ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere in § 1 AGG genannte Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - aaO mwN).

14

b) Daran gemessen liegt eine unmittelbare Ungleichbehandlung wegen des Alters vor. Die Urlaubsregelung knüpft die Gewährung von zwei weiteren Urlaubstagen an die Vollendung des 58. Lebensjahres und damit unmittelbar an das Lebensalter der Beschäftigten. Arbeitnehmer, die diese Altersgrenze nicht erreicht haben, werden wegen ihres Alters ungünstiger behandelt.

15

c) Die Ungleichbehandlung ist jedoch gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt. Die Regelung bezweckt bei Berücksichtigung eines Gestaltungs- und Ermessensspielraums der Beklagten den in dieser Bestimmung genannten Schutz älterer Beschäftigter und ist geeignet, erforderlich und angemessen im Sinne von § 10 Satz 2 AGG.

16

aa) Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG konkretisiert ua. das legitime Ziel der Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter, wobei dieser Schutz auch die Festlegung besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließen kann (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73).

17

bb) § 10 AGG dient der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16) in das nationale Recht (BAG 18. März 2014 - 3 AZR 69/12 - Rn. 21). Der Gesetzgeber hat bei der Umsetzung den Text der Richtlinie nahezu wörtlich in das nationale Recht übernommen. Dessen Regelungen sind unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszulegen (vgl. BAG 14. März 2012 - 7 AZR 480/08 - Rn. 30).

18

cc) Dem Arbeitgeber steht bei freiwilligen zusätzlichen Leistungen - wozu auch die Gewährung von übergesetzlichem Mehrurlaub gehört - ein von den Gerichten zu respektierender Gestaltungs- und Ermessensspielraum zu (vgl. zu Leistungen der betrieblichen Altersversorgung: BAG 12. November 2013 - 3 AZR 356/12 - Rn. 28; 12. Februar 2013 - 3 AZR 100/11 - Rn. 31 mwN, BAGE 144, 231). Auch in der Rechtsprechung des EuGH ist anerkannt, dass die Mitgliedstaaten und gegebenenfalls die Sozialpartner auf nationaler Ebene beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts nicht nur bei der Entscheidung, welches konkrete Ziel von mehreren im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik sie verfolgen wollen, sondern auch bei der Festlegung der Maßnahmen zu seiner Erreichung über einen weiten Gestaltungsspielraum verfügen (EuGH 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Rn. 68, Slg. 2007, I-8531). Diese Erwägungen gelten nach dem EuGH auch für Ziele, die der Arbeitgeber mit einer vertraglichen Regelung verfolgt (vgl. EuGH 26. September 2013 - C-476/11 - [HK Danmark] Rn. 61).

19

dd) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Benachteiligung der Arbeitnehmer der Beklagten, die das 58. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, gerechtfertigt.

20

(1) Die Beklagte gewährt den Arbeitnehmern in ihrem Produktionsbetrieb nach der Vollendung des 58. Lebensjahres aufgrund ihres gesteigerten Erholungsbedürfnisses zwei weitere Urlaubstage im Kalenderjahr und bezweckt damit die Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. Da dieser Schutz die Festlegung besonderer Arbeitsbedingungen einschließt (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73), unterfallen ihm auch zusätzliche Urlaubstage.

21

(a) Das AGG definiert in § 10 Satz 3 Nr. 1 - ebenso wie Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG - nicht, wann ein Beschäftigter „älter“ im Sinne der Norm ist (vgl. zum herkömmlichen Verständnis: BAG 18. September 2014 - 6 AZR 636/13 - Rn. 44). Nach dem Sinn und Zweck des Benachteiligungsverbots reicht es ohne das Vorliegen anderer Differenzierungsgründe nicht aus, dass das Alter der begünstigten Arbeitnehmer höher ist als das Alter der nicht begünstigten. Dementsprechend hat der Senat angenommen, ein Arbeitnehmer sei nach der Vollendung seines 31. Lebensjahres offensichtlich noch kein älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 55, BAGE 132, 210). Aus dem systematischen Zusammenhang mit § 10 Satz 1 AGG und aus dem Regelungszweck folgt, dass die begünstigten Arbeitnehmer aufgrund ihres Alters der Förderung bei der beruflichen Eingliederung oder des Schutzes bedürfen müssen.

22

(aa) Der Senat ist in seiner Entscheidung vom 20. März 2012 nicht davon ausgegangen, dass mit zunehmenden Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steige. Er hat allerdings ab einem bestimmten Alter - konkret: bei über 50- oder über 60-jährigen Beschäftigten - ein altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis für „eher nachvollziehbar“ gehalten (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 24 f., BAGE 141, 73).

23

(bb) Das Landesarbeitsgericht hat in Übereinstimmung mit der überwiegenden Auffassung im Schrifttum als Erfahrungssatz angenommen, dass mit zunehmenden Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steigt (so auch Tempelmann/Stenslik DStR 2011, 1183, 1185 f.; Lingemann/Gotham NZA 2007, 663, 666; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 143 f.; Waltermann NZA 2005, 1265, 1269; Over Das Verbot der Altersdiskriminierung im Arbeitsrecht nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz S. 231; Küttner/Kania Personalbuch 2014 Diskriminierung Rn. 90; vgl. auch Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 - zu II 2 b cc (3) (a) der Gründe mwN). Diese Ansicht ist allerdings nicht unumstritten. So wird auf die Individualität der Alterungsprozesse und den fehlenden Nachweis von Altersklassen mit spezifischem Erholungsbedarf hingewiesen (Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 1 Rn. 822). Die Aufstellung eines generellen Erfahrungssatzes soll dem traditionellen Bild vom „alten Arbeitnehmer“ entsprechen (Däubler/Bertzbach/Brors 3. Aufl. § 10 Rn. 43). Auch wird hervorgehoben, dass der Gesetzgeber in § 3 BUrlG bezüglich der Dauer des Urlaubs nicht nach dem Lebensalter der Arbeitnehmer unterscheide und demnach nicht von einem unterschiedlichen Erholungsbedürfnis ausgehe(Bertelsmann in Rust/Falke AGG § 10 Rn. 93). Auch auf europäischer Ebene sehe Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG vier Wochen Urlaub einheitlich für alle Berufsgruppen altersunabhängig vor(v. Roetteken AGG Stand September 2014 § 10 Rn. 262). Verlangt wird zumindest die Darlegung eines empirischen Befunds zum steigenden Erholungsbedarf unter Beachtung der Tätigkeit bevorzugter Arbeitnehmer (Däubler/Bertzbach/Brors aaO; aA Kasprzyk Altersdiskriminierung im deutschen Arbeitsrecht S. 185).

24

(b) Erfahrungssätze sind Hilfsmittel. Die Feststellung von allgemein anerkannten Erfahrungssätzen ist als Tatfrage den Tatsachengerichten vorbehalten. Dabei ist es diesen nicht verwehrt, das Bestehen oder Nichtbestehen eines Erfahrungssatzes zu beurteilen, wenn sie dazu über ausreichende Sachkunde und Lebenserfahrung verfügen. Andernfalls haben sie sich der Hilfe eines Sachverständigen zu bedienen. Die Zuziehung eines Sachverständigen zur Unterstützung des Gerichts ist gemäß § 144 Abs. 1 ZPO durch die Tatsachengerichte stets nach pflichtgemäßen Ermessen zu prüfen(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 65 mwN, BAGE 132, 210; vgl. allg. zu Erfahrungssätzen: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 73. Aufl. Einf. § 284 Rn. 22).

25

(c) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Landesarbeitsgericht von der Zuziehung eines Sachverständigen abgesehen hat. Dieses durfte aufgrund der von ihm festgestellten körperlich anstrengenden Tätigkeiten im Produktionsbetrieb der Beklagten auch ohne Sachverständigengutachten annehmen, dass das Erholungsbedürfnis der dort beschäftigten Arbeitnehmer mit zunehmenden Alter steigt. Ob es einen tätigkeitsunabhängigen generellen Zusammenhang zwischen dem Erholungsbedarf und dem Alter gibt (so etwa Kamanabrou aaO), kann dahinstehen.

26

(aa) Die Annahme eines Erfahrungssatzes dahin gehend, dass bei körperlich belastenden Berufen das Erholungsbedürfnis im höheren Alter steigt, begegnet keinen Bedenken. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die physische Belastbarkeit mit zunehmendem Alter abnimmt (etwa BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 67 mwN, BAGE 132, 210; Bayerischer VGH 24. Oktober 2011 - 3 ZB 08.721 - zu II 1 b der Gründe). Dieser Erfahrungssatz betrifft auch den Wirkungszusammenhang von erreichtem Lebensalter und Krankheitsanfälligkeit (Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 - zu II 2 b cc (3) (a) der Gründe mwN). Alle bekannten privaten und öffentlichen Systeme der Kranken-, Renten- und Lebensversicherung beruhen auf dieser Erwartung (BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 54, BAGE 128, 238). Entgegen der Ansicht der Klägerin kommen auch nicht lediglich Studien älteren Datums - wie etwa die ILO-Empfehlung Nr. 162 vom 23. Juni 1980 oder der WHO Technical Report Series 835 „Aging and Working Capacity” (dt. Übersetzung: „Altern und Arbeit“ 1994) - zu diesem Ergebnis. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden bestätigt zB durch den „Fortschrittsreport ‚Altersgerechte Arbeitswelt“, Ausgabe 3 des Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Stand September 2013). Nach diesem hat sich zwar die körperliche Konstitution besonders für die Altersgruppe der 45- bis 64-Jährigen verbessert (Ziff. 3.1). Dennoch zeigt die Studie weiterhin ein Ansteigen der Anzahl der krankheitsbedingten Fehltage sowie eine Verschlechterung des Gesundheitszustands mit fortschreitendem Lebensalter (Ziff. 4.2, Tabelle 2). Insbesondere bei belastenden Berufen nimmt die Anzahl krankheitsbedingter Fehltage im Alter überproportional zu und der Gesundheitszustand verschlechtert sich überproportional (vgl. Ziff. 4.2). Auch bei einfachen Dienstleistungen und einfachen manuellen Berufen verschlechtert sich der „selbstberichtete Gesundheitszustand in der Altersgruppe 55 bis 64 Jahre im Vergleich zum Durchschnitt“ immer noch deutlich (Ziff. 3.4). Zumindest hinsichtlich dieser Berufe erscheint die Annahme eines größeren Erholungsbedarfs im erhöhten Alter als nicht fehlerhaft (ebenso Reinhard ArbRB 2012, 342, 343). Auch Gegner eines allgemeinen Erfahrungssatzes gestehen zu, dass bei gesundheitlich besonders belastenden Tätigkeiten ein gesteigerter Erholungsbedarf mit zunehmendem Alter angenommen werden kann (v. Roetteken aaO; Däubler/Bertzbach/Brors aaO; Löwisch/Rieble § 1 Rn. 823).

27

Soweit das Landesarbeitsgericht auf die teilweise geforderte Darlegung spezifischer empirischer Untersuchungen bezogen auf die Tätigkeiten im Produktionsbetrieb der Beklagten verzichtet hat, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Durchführung derartiger Untersuchungen wäre praktisch aufwändig und schwierig (weiter gehend Kasprzyk aaO: „unmöglich“). Eine übersteigerte Darlegungslast würde die Einführung freiwilliger Leistungen unzumutbar erschweren. Die Feststellungen durch das Landesarbeitsgericht, dass die Beschäftigten der Beklagten bei der Schuhfertigung körperlich ermüdende und teils schwere Arbeiten leisten, verstärkt durch einen besonderen, prämienbezogenen Zeit- und Qualitätsdruck im Sinne eines Teamakkords, genügt danach als Tatsachenbasis für die Bejahung des dargestellten Erfahrungssatzes.

28

(bb) Der Hinweis auf die fehlende Altersstaffelung in § 3 BUrlG und Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG hilft der Klägerin für die Frage der Legitimität des Zwecks nicht weiter. Die Vorschriften regeln nur die Dauer des Mindesturlaubs und damit das unterste Maß dessen, was nach deutschem und europäischem Urlaubsrecht unabhängig von individuellen Besonderheiten zur Erholung erforderlich ist. Spezifische Charakteristika - wie das Alter oder der physische oder psychische Gesundheitszustand - bleiben bei der Setzung eines einheitlichen Minimalstandards naturgemäß außer Betracht. Auf nationaler Ebene kommt hinzu, dass der Gesetzgeber durchaus gesehen hat, dass es altersabhängig einen unterschiedlichen Erholungsbedarf geben kann, wie etwa § 57 Abs. 2 SeeArbG und § 19 Abs. 2 JArbSchG zeigen(siehe dazu v. Roetteken § 10 Rn. 263).

29

(d) Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Sicherstellung des Schutzes ihrer Arbeitnehmer nach Vollendung des 58. Lebensjahres als Zweck der zwei weiteren Urlaubstage vorgeschoben hat.

30

(aa) Allerdings ist dieser Zweck nicht unmittelbar der - nicht schriftlich fixierten - Regelung zu entnehmen. Nennt eine Regelung oder Maßnahme kein Ziel, müssen zumindest aus dem Kontext abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter der Regelung oder der Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, um die Legitimität des Ziels sowie die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüfen zu können (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 19 mwN, BAGE 141, 73; vgl. zur Richtlinie 2000/78/EG: EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 39 mwN, Slg. 2011, I-6919).

31

(bb) Wenn eine Tarifregelung die Urlaubsdauer nach dem Lebensalter staffelt, liegt die Annahme nahe, die Tarifvertragsparteien hätten einem mit zunehmendem Alter gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 23, BAGE 141, 73). Diese Annahme darf freilich nicht durch die konkrete Wahl der Altersgrenze(n) widerlegt werden, wie dies bei § 26 TVöD aF, der zusätzliche Urlaubstage bereits ab dem 30. Lebensjahr vorsah, der Fall war (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 24 ff., aaO).

32

(cc) Es ist kein Grund ersichtlich, bei einer individualrechtlichen Regelung nicht ebenfalls grundsätzlich davon auszugehen, dass mit einer Altersgrenze für die Gewährung zusätzlichen Urlaubs einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer Rechnung getragen werden soll. Diese Annahme erscheint umso mehr gerechtfertigt, wenn sie wie hier mit der Anerkennung eines Erfahrungssatzes bezüglich des gesteigerten Erholungsbedarfs bei körperlich belastenden Berufen korreliert. Hinzu kommt, dass die ständige Übung der Beklagten inhaltlich einer einschlägigen tarifvertraglichen Regelung entspricht. So sah der persönlich, fachlich und räumlich einschlägige Manteltarifvertrag vom 23. April 1997, abgeschlossen zwischen dem Hauptverband der Deutschen Schuhindustrie e. V. und der Gewerkschaft Leder sowie der IG BCE, für gewerbliche Arbeitnehmer in § 17 Ziff. 4 Buchst. a ab dem 58. Lebensjahr ebenfalls zwei zusätzliche Urlaubstage vor. Diese Regelung war im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht nicht durch eine neue Bestimmung abgeändert.

33

(dd) Schließlich widerlegt die Altersgrenze von 58 Lebensjahren nicht den Zweck, mit zwei weiteren Urlaubstagen im Kalenderjahr dem gesteigerten Erholungsbedürfnis Rechnung zu tragen. Dabei kann dahinstehen, ab welchem Alter die Annahme, der zusätzliche Urlaub diene dem höheren Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG, nicht mehr ohne Weiteres aufrechterhalten bzw. als widerlegt erachtet werden kann. Der Senat hat in der Entscheidung vom 20. März 2012 gemäß dem Rechtsgedanken aus § 417 Abs. 1 SGB III eine Altersgrenze von 50 Lebensjahren für die Einordnung als älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG in Betracht gezogen(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73; vgl. zu einer solchen Altersgrenze für die Gewährung zusätzlicher Urlaubstage: Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 -). Das Landesarbeitsgericht hat ergänzend darauf verwiesen, dass Leitlinie 17 der Entscheidung des Rates vom 12. Juli 2005 über Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten (2005/600/EG) Arbeitskräfte ab Vollendung des 55. Lebensjahres als ältere Arbeitnehmer erachtet und die WHO-Studiengruppe „Altern und Arbeit“ aus arbeitsmedizinischer Sicht wegen auftretender Schwierigkeiten in Arbeit und Beruf eine Grenze ab dem 45. Lebensjahr angenommen hat (zu A II 15 b bb (3) (b) der Gründe). Das Berufungsgericht hat damit nachvollziehbar begründet, warum es davon ausgeht, dass die Urlaubsregelung einem legitimen Zweck iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG dient und es diesen Zweck nicht lediglich als von der Beklagten vorgeschoben erachtet.

34

(2) Die Regelung ist geeignet, den in § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG beschriebenen Zweck zu fördern. Insbesondere kann die Klägerin nicht mit dem Argument gehört werden, dass die Gewährung von lediglich zwei Urlaubstagen ungeeignet sei, einen altersbedingt erhöhten Erholungsbedarf auszugleichen. Die Geeignetheit ist nicht deshalb zu verneinen, weil ein gestiegener Erholungsbedarf unter Umständen nicht vollständig, sondern nur partiell ausgeglichen wird. Gerade angesichts des vom Arbeitgeber bei einer freiwilligen Leistung selbst gesetzten Dotierungsrahmens wäre die Beschränkung auf einen Teilausgleich nachvollziehbar und zulässig. Zudem haben auch die Tarifvertragsparteien angesichts der Tätigkeit eines Produktionsmitarbeiters in der Schuhbranche zwei Tage Urlaub für geeignet und ausreichend erachtet. Dass die Beklagte sich die von den Sozialpartnern ausgehandelte Regelung zu eigen macht und im Rahmen ihres Ermessensspielraums eine entsprechende Regelung trifft, ist unter dem Aspekt der Geeignetheit der Regelung nicht zu beanstanden.

35

(3) Die Regelung ist auch erforderlich und angemessen (§ 10 Satz 2 AGG). Mildere Mittel, die in gleicher Weise den Schutz älterer Arbeitnehmer verwirklichen könnten, sind nicht ersichtlich.

36

(a) Die Wahl einer anderen, niedrigeren Altersgrenze stellte kein gleich wirksames, milderes Mittel mit geringerem altersspezifischen Effekt dar. Es handelte sich vielmehr um eine andere Maßnahme mit einem erhöhtem Dotierungsrahmen.

37

(b) Eine niedrigere Altersgrenze verbunden mit nur einem weiteren Urlaubstag im Kalenderjahr müsste zwar nicht zwingend zu einer Erhöhung des Dotierungsrahmens führen. Allerdings hätten dann Arbeitnehmer nach Vollendung des 58. Lebensjahres nicht mehr Anspruch auf den zweiten weiteren Urlaubstag, den die Beklagte im Einklang mit dem einschlägigen Tarifvertrag angesichts des gesteigerten Erholungsbedarfs im höheren Alter in der Schuhproduktion für notwendig erachtet. Der Gestaltungs- und Ermessensspielraum der Beklagten lässt auch im Rahmen der Erforderlichkeit und Angemessenheit die von ihr angewandte Regelung zu. Die Interessen der Beteiligten werden hinreichend berücksichtigt. Es werden lediglich in Übereinstimmung mit dem Abwägungsergebnis der Tarifvertragsparteien die Interessen der über 58-Jährigen an einem zusätzlichen Urlaubstag höher gewichtet als die Interessen der übrigen Beschäftigten, schon im jüngeren Alter einen zusätzlichen Urlaubstag zu erhalten.

38

(c) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Beklagte nicht verpflichtet, zusätzliche Urlaubstage nur nach dem individuell ermittelten Erholungsbedarf unter Einbeziehung altersunabhängiger Belastungsfaktoren, wie der Pflege und Betreuung von Kindern, sowie unter Berücksichtigung des individuellen Alterungsprozesses zu gewähren. Zwar mag es zutreffen, dass es weitere Belastungsfaktoren gibt, die zu einem gesteigerten Erholungsbedarf führen können. Jedoch wäre eine solche individuelle Regelung in vielerlei Hinsicht praktisch nicht oder nur mit großen Schwierigkeiten handhabbar. Dies gilt nicht nur bezüglich der Gewichtung der einzelnen (persönlichen) Belastungsfaktoren untereinander, sondern vor allem auch für deren Ermittlung durch die Beklagte. Auch der Gerichtshof der Europäischen Union hat anerkannt, dass bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Regelung im Hinblick auf das Verbot der Altersdiskriminierung zu beachten ist, dass die fragliche Regelung in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht handhabbar bleiben müsse, und deshalb nicht generell verlangt werden könne, dass immer jeder Einzelfall individuell geprüft werde (EuGH 19. Juni 2014 - C-501/12 ua. - [Specht ua.] Rn. 78). Unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten darf der Arbeitgeber daher im Sinne einer typisierenden Betrachtung in Ausübung seines Gestaltungsspielraums auch einen Grund für ein gesteigertes Erholungsbedürfnis - wie etwa das Alter in belastenden Berufen - als Differenzierungskriterium heranziehen. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG enthält kein Gebot, die dort genannten typischerweise besonders schutzbedürftigen Personengruppen (Jugendliche, ältere Beschäftigte und Personen mit Fürsorgepflichten) hinsichtlich besonderer Arbeitsbedingungen gleich zu behandeln.

39

2. Aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz folgt ebenfalls kein Anspruch der Klägerin auf die begehrten zwei zusätzlichen Urlaubstage. Ist - wie hier - die unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmergruppen aus einem in § 1 AGG genannten Grund unter den im AGG normierten Voraussetzungen zulässig, ist auch der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt(ebenso bezüglich des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes: BAG 17. September 2013 - 3 AZR 686/11 - Rn. 25 mwN). Eine sachwidrige Ungleichbehandlung kommt angesichts der Rechtfertigung gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG nicht in Betracht.

40

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

        

        

    M. Lücke    

        

    Kranzusch    

                 

Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein. Derartige unterschiedliche Behandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:

1.
die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlohnung und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Beschäftigten und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen,
2.
die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile,
3.
die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung auf Grund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder auf Grund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand,
4.
die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen,
5.
eine Vereinbarung, die die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der oder die Beschäftigte eine Rente wegen Alters beantragen kann; § 41 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch bleibt unberührt,
6.
Differenzierungen von Leistungen in Sozialplänen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes, wenn die Parteien eine nach Alter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung geschaffen haben, in der die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigt worden sind, oder Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplans ausgeschlossen haben, die wirtschaftlich abgesichert sind, weil sie, gegebenenfalls nach Bezug von Arbeitslosengeld, rentenberechtigt sind.

(1) Eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 genannten Grundes ist zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist.

(2) Die Vereinbarung einer geringeren Vergütung für gleiche oder gleichwertige Arbeit wegen eines in § 1 genannten Grundes wird nicht dadurch gerechtfertigt, dass wegen eines in § 1 genannten Grundes besondere Schutzvorschriften gelten.

Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein. Derartige unterschiedliche Behandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:

1.
die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlohnung und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Beschäftigten und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen,
2.
die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile,
3.
die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung auf Grund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder auf Grund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand,
4.
die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen,
5.
eine Vereinbarung, die die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der oder die Beschäftigte eine Rente wegen Alters beantragen kann; § 41 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch bleibt unberührt,
6.
Differenzierungen von Leistungen in Sozialplänen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes, wenn die Parteien eine nach Alter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung geschaffen haben, in der die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigt worden sind, oder Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplans ausgeschlossen haben, die wirtschaftlich abgesichert sind, weil sie, gegebenenfalls nach Bezug von Arbeitslosengeld, rentenberechtigt sind.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 7. September 2012 - 6 Sa 709/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe des jährlichen Urlaubsanspruchs.

2

Die Beklagte stellt Schuhe her. Die am 10. April 1960 geborene Klägerin ist bei ihr seit dem 1. Juli 1994 als Produktionsmitarbeiterin beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 13. November 2000 ist ua. vereinbart, dass der jährliche Urlaubsanspruch 34 Arbeitstage beträgt. Die Beklagte gewährt allen Arbeitnehmern, die das 58. Lebensjahr vollendet haben, 36 Arbeitstage Jahresurlaub, ohne dass individuelle Vereinbarungen über einen höheren Jahresurlaub vorliegen. Die übrigen Beschäftigten erhalten jährlich 34 Urlaubstage.

3

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Urlaubsregelung sei altersdiskriminierend. Die Behauptung, ältere Mitarbeiter benötigten im Produktionsbetrieb längere Erholungsphasen, sei durch die darlegungsbelastete Beklagte nicht dargetan. Das Bundesurlaubsgesetz stelle bezüglich der Dauer des Urlaubs weder auf die physische Belastung noch auf das Alter der Arbeitnehmer ab. Die Beklagte habe keinen Grund genannt, warum ein gesteigertes Erholungsbedürfnis ausgerechnet mit 58 Jahren eintrete. Zudem könne mit lediglich zwei zusätzlichen Urlaubstagen ein etwaiger höherer Erholungsbedarf nicht ausgeglichen werden. Bei einem stetig steigenden Erholungsbedarf müsste jedenfalls auch die Urlaubsdauer gestaffelt werden. Bei anderen Arbeitnehmergruppen sei ein erhöhter Erholungsbedarf nachvollziehbar. Diese würden jedoch nicht begünstigt. So seien jüngere Arbeitnehmer durch Familie und Beruf oftmals stärker beansprucht als ältere. Die Beklagte habe ihr zur Beseitigung der Diskriminierung jährlich zwei weitere Urlaubstage zu gewähren.

4

Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr 36 Arbeitstage Erholungsurlaub zu gewähren.

5

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, ihre Urlaubsregelung beinhalte keine Diskriminierung. Nach der Lebenserfahrung benötigten ältere Arbeitnehmer, die körperlich ermüdende und schwere Arbeiten verrichten, längere Erholungszeiten als jüngere. Zwei zusätzliche Urlaubstage seien angemessen.

6

Das Arbeitsgericht hat die Klage - soweit für die Revision von Bedeutung - abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Feststellungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, der Klägerin auch schon vor der Vollendung der 58. Lebensjahres insgesamt 36 Arbeitstage Erholungsurlaub pro Jahr zu gewähren.

8

I. Die Klage ist in der gebotenen Auslegung zulässig, insbesondere besteht das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.

9

1. Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer den Umfang des ihm zustehenden Urlaubs gerichtlich festgestellt wissen will, nicht entgegen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 9, BAGE 141, 73; 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - Rn. 13 ff., BAGE 137, 328).

10

2. Die am 10. April 1960 geborene Klägerin hat ein rechtlich anerkennenswertes Interesse daran, alsbald zu erfahren, ob ihr bereits vor der Vollendung ihres 58. Lebensjahres zwei weitere Urlaubstage pro Jahr zustehen. Ihr Antrag bezieht sich dem Wortlaut nach zwar auf den gesamten Jahresurlaub. Er kann jedoch so ausgelegt werden, dass er sich nur auf zwei weitere Urlaubstage im Kalenderjahr bezieht. Zwischen den Parteien besteht kein Streit, dass der Klägerin die vertraglich vereinbarten 34 Urlaubstage pro Jahr zustehen. Die Klägerin hat im Laufe des Verfahrens deutlich gemacht, dass der Antrag auf die Feststellung des Bestehens zweier zusätzlicher Urlaubstage gerichtet ist. Darüber hinaus hat das Landesarbeitsgericht den Klageantrag zutreffend so verstanden, dass er vergangene Urlaubsjahre nicht erfasst. Es handelt sich um einen gegenwartsbezogenen Feststellungsantrag, für dessen Entscheidung grundsätzlich auf die Sachlage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht abzustellen ist (vgl. BAG 15. Mai 2013 - 7 AZR 494/11 - Rn. 15 ff.).

11

II. Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen vor Vollendung ihres 58. Lebensjahres nicht gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 iVm. § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG zwei weitere Urlaubstage zu. Die Urlaubsregelung ist nicht gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam und führt somit bezüglich der Dauer des Urlaubs der Klägerin nicht zu einer „Anpassung nach oben“(siehe dazu BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 27 ff., BAGE 141, 73; vgl. aber auch BAG 14. Mai 2013 - 1 AZR 44/12 - Rn. 25, BAGE 145, 113).

12

1. Es liegt zwar eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor. Diese ist jedoch gemäß § 10 Satz 1, 2 und Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt.

13

a) Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Unter Alter iSd. § 1 AGG ist das Lebensalter zu verstehen. Dies folgt aus dem Wortlaut des Gesetzes und aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/1780 S. 31; BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 14, BAGE 141, 73; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 36, BAGE 129, 181). Eine unmittelbare Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 1 AGG gegeben, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Der für eine unmittelbare Benachteiligung erforderliche Kausalzusammenhang ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere in § 1 AGG genannte Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - aaO mwN).

14

b) Daran gemessen liegt eine unmittelbare Ungleichbehandlung wegen des Alters vor. Die Urlaubsregelung knüpft die Gewährung von zwei weiteren Urlaubstagen an die Vollendung des 58. Lebensjahres und damit unmittelbar an das Lebensalter der Beschäftigten. Arbeitnehmer, die diese Altersgrenze nicht erreicht haben, werden wegen ihres Alters ungünstiger behandelt.

15

c) Die Ungleichbehandlung ist jedoch gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt. Die Regelung bezweckt bei Berücksichtigung eines Gestaltungs- und Ermessensspielraums der Beklagten den in dieser Bestimmung genannten Schutz älterer Beschäftigter und ist geeignet, erforderlich und angemessen im Sinne von § 10 Satz 2 AGG.

16

aa) Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG konkretisiert ua. das legitime Ziel der Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter, wobei dieser Schutz auch die Festlegung besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließen kann (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73).

17

bb) § 10 AGG dient der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16) in das nationale Recht (BAG 18. März 2014 - 3 AZR 69/12 - Rn. 21). Der Gesetzgeber hat bei der Umsetzung den Text der Richtlinie nahezu wörtlich in das nationale Recht übernommen. Dessen Regelungen sind unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszulegen (vgl. BAG 14. März 2012 - 7 AZR 480/08 - Rn. 30).

18

cc) Dem Arbeitgeber steht bei freiwilligen zusätzlichen Leistungen - wozu auch die Gewährung von übergesetzlichem Mehrurlaub gehört - ein von den Gerichten zu respektierender Gestaltungs- und Ermessensspielraum zu (vgl. zu Leistungen der betrieblichen Altersversorgung: BAG 12. November 2013 - 3 AZR 356/12 - Rn. 28; 12. Februar 2013 - 3 AZR 100/11 - Rn. 31 mwN, BAGE 144, 231). Auch in der Rechtsprechung des EuGH ist anerkannt, dass die Mitgliedstaaten und gegebenenfalls die Sozialpartner auf nationaler Ebene beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts nicht nur bei der Entscheidung, welches konkrete Ziel von mehreren im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik sie verfolgen wollen, sondern auch bei der Festlegung der Maßnahmen zu seiner Erreichung über einen weiten Gestaltungsspielraum verfügen (EuGH 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Rn. 68, Slg. 2007, I-8531). Diese Erwägungen gelten nach dem EuGH auch für Ziele, die der Arbeitgeber mit einer vertraglichen Regelung verfolgt (vgl. EuGH 26. September 2013 - C-476/11 - [HK Danmark] Rn. 61).

19

dd) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Benachteiligung der Arbeitnehmer der Beklagten, die das 58. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, gerechtfertigt.

20

(1) Die Beklagte gewährt den Arbeitnehmern in ihrem Produktionsbetrieb nach der Vollendung des 58. Lebensjahres aufgrund ihres gesteigerten Erholungsbedürfnisses zwei weitere Urlaubstage im Kalenderjahr und bezweckt damit die Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. Da dieser Schutz die Festlegung besonderer Arbeitsbedingungen einschließt (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73), unterfallen ihm auch zusätzliche Urlaubstage.

21

(a) Das AGG definiert in § 10 Satz 3 Nr. 1 - ebenso wie Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG - nicht, wann ein Beschäftigter „älter“ im Sinne der Norm ist (vgl. zum herkömmlichen Verständnis: BAG 18. September 2014 - 6 AZR 636/13 - Rn. 44). Nach dem Sinn und Zweck des Benachteiligungsverbots reicht es ohne das Vorliegen anderer Differenzierungsgründe nicht aus, dass das Alter der begünstigten Arbeitnehmer höher ist als das Alter der nicht begünstigten. Dementsprechend hat der Senat angenommen, ein Arbeitnehmer sei nach der Vollendung seines 31. Lebensjahres offensichtlich noch kein älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 55, BAGE 132, 210). Aus dem systematischen Zusammenhang mit § 10 Satz 1 AGG und aus dem Regelungszweck folgt, dass die begünstigten Arbeitnehmer aufgrund ihres Alters der Förderung bei der beruflichen Eingliederung oder des Schutzes bedürfen müssen.

22

(aa) Der Senat ist in seiner Entscheidung vom 20. März 2012 nicht davon ausgegangen, dass mit zunehmenden Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steige. Er hat allerdings ab einem bestimmten Alter - konkret: bei über 50- oder über 60-jährigen Beschäftigten - ein altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis für „eher nachvollziehbar“ gehalten (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 24 f., BAGE 141, 73).

23

(bb) Das Landesarbeitsgericht hat in Übereinstimmung mit der überwiegenden Auffassung im Schrifttum als Erfahrungssatz angenommen, dass mit zunehmenden Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steigt (so auch Tempelmann/Stenslik DStR 2011, 1183, 1185 f.; Lingemann/Gotham NZA 2007, 663, 666; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 143 f.; Waltermann NZA 2005, 1265, 1269; Over Das Verbot der Altersdiskriminierung im Arbeitsrecht nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz S. 231; Küttner/Kania Personalbuch 2014 Diskriminierung Rn. 90; vgl. auch Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 - zu II 2 b cc (3) (a) der Gründe mwN). Diese Ansicht ist allerdings nicht unumstritten. So wird auf die Individualität der Alterungsprozesse und den fehlenden Nachweis von Altersklassen mit spezifischem Erholungsbedarf hingewiesen (Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 1 Rn. 822). Die Aufstellung eines generellen Erfahrungssatzes soll dem traditionellen Bild vom „alten Arbeitnehmer“ entsprechen (Däubler/Bertzbach/Brors 3. Aufl. § 10 Rn. 43). Auch wird hervorgehoben, dass der Gesetzgeber in § 3 BUrlG bezüglich der Dauer des Urlaubs nicht nach dem Lebensalter der Arbeitnehmer unterscheide und demnach nicht von einem unterschiedlichen Erholungsbedürfnis ausgehe(Bertelsmann in Rust/Falke AGG § 10 Rn. 93). Auch auf europäischer Ebene sehe Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG vier Wochen Urlaub einheitlich für alle Berufsgruppen altersunabhängig vor(v. Roetteken AGG Stand September 2014 § 10 Rn. 262). Verlangt wird zumindest die Darlegung eines empirischen Befunds zum steigenden Erholungsbedarf unter Beachtung der Tätigkeit bevorzugter Arbeitnehmer (Däubler/Bertzbach/Brors aaO; aA Kasprzyk Altersdiskriminierung im deutschen Arbeitsrecht S. 185).

24

(b) Erfahrungssätze sind Hilfsmittel. Die Feststellung von allgemein anerkannten Erfahrungssätzen ist als Tatfrage den Tatsachengerichten vorbehalten. Dabei ist es diesen nicht verwehrt, das Bestehen oder Nichtbestehen eines Erfahrungssatzes zu beurteilen, wenn sie dazu über ausreichende Sachkunde und Lebenserfahrung verfügen. Andernfalls haben sie sich der Hilfe eines Sachverständigen zu bedienen. Die Zuziehung eines Sachverständigen zur Unterstützung des Gerichts ist gemäß § 144 Abs. 1 ZPO durch die Tatsachengerichte stets nach pflichtgemäßen Ermessen zu prüfen(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 65 mwN, BAGE 132, 210; vgl. allg. zu Erfahrungssätzen: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 73. Aufl. Einf. § 284 Rn. 22).

25

(c) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Landesarbeitsgericht von der Zuziehung eines Sachverständigen abgesehen hat. Dieses durfte aufgrund der von ihm festgestellten körperlich anstrengenden Tätigkeiten im Produktionsbetrieb der Beklagten auch ohne Sachverständigengutachten annehmen, dass das Erholungsbedürfnis der dort beschäftigten Arbeitnehmer mit zunehmenden Alter steigt. Ob es einen tätigkeitsunabhängigen generellen Zusammenhang zwischen dem Erholungsbedarf und dem Alter gibt (so etwa Kamanabrou aaO), kann dahinstehen.

26

(aa) Die Annahme eines Erfahrungssatzes dahin gehend, dass bei körperlich belastenden Berufen das Erholungsbedürfnis im höheren Alter steigt, begegnet keinen Bedenken. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die physische Belastbarkeit mit zunehmendem Alter abnimmt (etwa BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 67 mwN, BAGE 132, 210; Bayerischer VGH 24. Oktober 2011 - 3 ZB 08.721 - zu II 1 b der Gründe). Dieser Erfahrungssatz betrifft auch den Wirkungszusammenhang von erreichtem Lebensalter und Krankheitsanfälligkeit (Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 - zu II 2 b cc (3) (a) der Gründe mwN). Alle bekannten privaten und öffentlichen Systeme der Kranken-, Renten- und Lebensversicherung beruhen auf dieser Erwartung (BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 54, BAGE 128, 238). Entgegen der Ansicht der Klägerin kommen auch nicht lediglich Studien älteren Datums - wie etwa die ILO-Empfehlung Nr. 162 vom 23. Juni 1980 oder der WHO Technical Report Series 835 „Aging and Working Capacity” (dt. Übersetzung: „Altern und Arbeit“ 1994) - zu diesem Ergebnis. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden bestätigt zB durch den „Fortschrittsreport ‚Altersgerechte Arbeitswelt“, Ausgabe 3 des Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Stand September 2013). Nach diesem hat sich zwar die körperliche Konstitution besonders für die Altersgruppe der 45- bis 64-Jährigen verbessert (Ziff. 3.1). Dennoch zeigt die Studie weiterhin ein Ansteigen der Anzahl der krankheitsbedingten Fehltage sowie eine Verschlechterung des Gesundheitszustands mit fortschreitendem Lebensalter (Ziff. 4.2, Tabelle 2). Insbesondere bei belastenden Berufen nimmt die Anzahl krankheitsbedingter Fehltage im Alter überproportional zu und der Gesundheitszustand verschlechtert sich überproportional (vgl. Ziff. 4.2). Auch bei einfachen Dienstleistungen und einfachen manuellen Berufen verschlechtert sich der „selbstberichtete Gesundheitszustand in der Altersgruppe 55 bis 64 Jahre im Vergleich zum Durchschnitt“ immer noch deutlich (Ziff. 3.4). Zumindest hinsichtlich dieser Berufe erscheint die Annahme eines größeren Erholungsbedarfs im erhöhten Alter als nicht fehlerhaft (ebenso Reinhard ArbRB 2012, 342, 343). Auch Gegner eines allgemeinen Erfahrungssatzes gestehen zu, dass bei gesundheitlich besonders belastenden Tätigkeiten ein gesteigerter Erholungsbedarf mit zunehmendem Alter angenommen werden kann (v. Roetteken aaO; Däubler/Bertzbach/Brors aaO; Löwisch/Rieble § 1 Rn. 823).

27

Soweit das Landesarbeitsgericht auf die teilweise geforderte Darlegung spezifischer empirischer Untersuchungen bezogen auf die Tätigkeiten im Produktionsbetrieb der Beklagten verzichtet hat, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Durchführung derartiger Untersuchungen wäre praktisch aufwändig und schwierig (weiter gehend Kasprzyk aaO: „unmöglich“). Eine übersteigerte Darlegungslast würde die Einführung freiwilliger Leistungen unzumutbar erschweren. Die Feststellungen durch das Landesarbeitsgericht, dass die Beschäftigten der Beklagten bei der Schuhfertigung körperlich ermüdende und teils schwere Arbeiten leisten, verstärkt durch einen besonderen, prämienbezogenen Zeit- und Qualitätsdruck im Sinne eines Teamakkords, genügt danach als Tatsachenbasis für die Bejahung des dargestellten Erfahrungssatzes.

28

(bb) Der Hinweis auf die fehlende Altersstaffelung in § 3 BUrlG und Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG hilft der Klägerin für die Frage der Legitimität des Zwecks nicht weiter. Die Vorschriften regeln nur die Dauer des Mindesturlaubs und damit das unterste Maß dessen, was nach deutschem und europäischem Urlaubsrecht unabhängig von individuellen Besonderheiten zur Erholung erforderlich ist. Spezifische Charakteristika - wie das Alter oder der physische oder psychische Gesundheitszustand - bleiben bei der Setzung eines einheitlichen Minimalstandards naturgemäß außer Betracht. Auf nationaler Ebene kommt hinzu, dass der Gesetzgeber durchaus gesehen hat, dass es altersabhängig einen unterschiedlichen Erholungsbedarf geben kann, wie etwa § 57 Abs. 2 SeeArbG und § 19 Abs. 2 JArbSchG zeigen(siehe dazu v. Roetteken § 10 Rn. 263).

29

(d) Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Sicherstellung des Schutzes ihrer Arbeitnehmer nach Vollendung des 58. Lebensjahres als Zweck der zwei weiteren Urlaubstage vorgeschoben hat.

30

(aa) Allerdings ist dieser Zweck nicht unmittelbar der - nicht schriftlich fixierten - Regelung zu entnehmen. Nennt eine Regelung oder Maßnahme kein Ziel, müssen zumindest aus dem Kontext abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter der Regelung oder der Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, um die Legitimität des Ziels sowie die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüfen zu können (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 19 mwN, BAGE 141, 73; vgl. zur Richtlinie 2000/78/EG: EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 39 mwN, Slg. 2011, I-6919).

31

(bb) Wenn eine Tarifregelung die Urlaubsdauer nach dem Lebensalter staffelt, liegt die Annahme nahe, die Tarifvertragsparteien hätten einem mit zunehmendem Alter gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 23, BAGE 141, 73). Diese Annahme darf freilich nicht durch die konkrete Wahl der Altersgrenze(n) widerlegt werden, wie dies bei § 26 TVöD aF, der zusätzliche Urlaubstage bereits ab dem 30. Lebensjahr vorsah, der Fall war (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 24 ff., aaO).

32

(cc) Es ist kein Grund ersichtlich, bei einer individualrechtlichen Regelung nicht ebenfalls grundsätzlich davon auszugehen, dass mit einer Altersgrenze für die Gewährung zusätzlichen Urlaubs einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer Rechnung getragen werden soll. Diese Annahme erscheint umso mehr gerechtfertigt, wenn sie wie hier mit der Anerkennung eines Erfahrungssatzes bezüglich des gesteigerten Erholungsbedarfs bei körperlich belastenden Berufen korreliert. Hinzu kommt, dass die ständige Übung der Beklagten inhaltlich einer einschlägigen tarifvertraglichen Regelung entspricht. So sah der persönlich, fachlich und räumlich einschlägige Manteltarifvertrag vom 23. April 1997, abgeschlossen zwischen dem Hauptverband der Deutschen Schuhindustrie e. V. und der Gewerkschaft Leder sowie der IG BCE, für gewerbliche Arbeitnehmer in § 17 Ziff. 4 Buchst. a ab dem 58. Lebensjahr ebenfalls zwei zusätzliche Urlaubstage vor. Diese Regelung war im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht nicht durch eine neue Bestimmung abgeändert.

33

(dd) Schließlich widerlegt die Altersgrenze von 58 Lebensjahren nicht den Zweck, mit zwei weiteren Urlaubstagen im Kalenderjahr dem gesteigerten Erholungsbedürfnis Rechnung zu tragen. Dabei kann dahinstehen, ab welchem Alter die Annahme, der zusätzliche Urlaub diene dem höheren Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG, nicht mehr ohne Weiteres aufrechterhalten bzw. als widerlegt erachtet werden kann. Der Senat hat in der Entscheidung vom 20. März 2012 gemäß dem Rechtsgedanken aus § 417 Abs. 1 SGB III eine Altersgrenze von 50 Lebensjahren für die Einordnung als älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG in Betracht gezogen(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73; vgl. zu einer solchen Altersgrenze für die Gewährung zusätzlicher Urlaubstage: Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 -). Das Landesarbeitsgericht hat ergänzend darauf verwiesen, dass Leitlinie 17 der Entscheidung des Rates vom 12. Juli 2005 über Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten (2005/600/EG) Arbeitskräfte ab Vollendung des 55. Lebensjahres als ältere Arbeitnehmer erachtet und die WHO-Studiengruppe „Altern und Arbeit“ aus arbeitsmedizinischer Sicht wegen auftretender Schwierigkeiten in Arbeit und Beruf eine Grenze ab dem 45. Lebensjahr angenommen hat (zu A II 15 b bb (3) (b) der Gründe). Das Berufungsgericht hat damit nachvollziehbar begründet, warum es davon ausgeht, dass die Urlaubsregelung einem legitimen Zweck iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG dient und es diesen Zweck nicht lediglich als von der Beklagten vorgeschoben erachtet.

34

(2) Die Regelung ist geeignet, den in § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG beschriebenen Zweck zu fördern. Insbesondere kann die Klägerin nicht mit dem Argument gehört werden, dass die Gewährung von lediglich zwei Urlaubstagen ungeeignet sei, einen altersbedingt erhöhten Erholungsbedarf auszugleichen. Die Geeignetheit ist nicht deshalb zu verneinen, weil ein gestiegener Erholungsbedarf unter Umständen nicht vollständig, sondern nur partiell ausgeglichen wird. Gerade angesichts des vom Arbeitgeber bei einer freiwilligen Leistung selbst gesetzten Dotierungsrahmens wäre die Beschränkung auf einen Teilausgleich nachvollziehbar und zulässig. Zudem haben auch die Tarifvertragsparteien angesichts der Tätigkeit eines Produktionsmitarbeiters in der Schuhbranche zwei Tage Urlaub für geeignet und ausreichend erachtet. Dass die Beklagte sich die von den Sozialpartnern ausgehandelte Regelung zu eigen macht und im Rahmen ihres Ermessensspielraums eine entsprechende Regelung trifft, ist unter dem Aspekt der Geeignetheit der Regelung nicht zu beanstanden.

35

(3) Die Regelung ist auch erforderlich und angemessen (§ 10 Satz 2 AGG). Mildere Mittel, die in gleicher Weise den Schutz älterer Arbeitnehmer verwirklichen könnten, sind nicht ersichtlich.

36

(a) Die Wahl einer anderen, niedrigeren Altersgrenze stellte kein gleich wirksames, milderes Mittel mit geringerem altersspezifischen Effekt dar. Es handelte sich vielmehr um eine andere Maßnahme mit einem erhöhtem Dotierungsrahmen.

37

(b) Eine niedrigere Altersgrenze verbunden mit nur einem weiteren Urlaubstag im Kalenderjahr müsste zwar nicht zwingend zu einer Erhöhung des Dotierungsrahmens führen. Allerdings hätten dann Arbeitnehmer nach Vollendung des 58. Lebensjahres nicht mehr Anspruch auf den zweiten weiteren Urlaubstag, den die Beklagte im Einklang mit dem einschlägigen Tarifvertrag angesichts des gesteigerten Erholungsbedarfs im höheren Alter in der Schuhproduktion für notwendig erachtet. Der Gestaltungs- und Ermessensspielraum der Beklagten lässt auch im Rahmen der Erforderlichkeit und Angemessenheit die von ihr angewandte Regelung zu. Die Interessen der Beteiligten werden hinreichend berücksichtigt. Es werden lediglich in Übereinstimmung mit dem Abwägungsergebnis der Tarifvertragsparteien die Interessen der über 58-Jährigen an einem zusätzlichen Urlaubstag höher gewichtet als die Interessen der übrigen Beschäftigten, schon im jüngeren Alter einen zusätzlichen Urlaubstag zu erhalten.

38

(c) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Beklagte nicht verpflichtet, zusätzliche Urlaubstage nur nach dem individuell ermittelten Erholungsbedarf unter Einbeziehung altersunabhängiger Belastungsfaktoren, wie der Pflege und Betreuung von Kindern, sowie unter Berücksichtigung des individuellen Alterungsprozesses zu gewähren. Zwar mag es zutreffen, dass es weitere Belastungsfaktoren gibt, die zu einem gesteigerten Erholungsbedarf führen können. Jedoch wäre eine solche individuelle Regelung in vielerlei Hinsicht praktisch nicht oder nur mit großen Schwierigkeiten handhabbar. Dies gilt nicht nur bezüglich der Gewichtung der einzelnen (persönlichen) Belastungsfaktoren untereinander, sondern vor allem auch für deren Ermittlung durch die Beklagte. Auch der Gerichtshof der Europäischen Union hat anerkannt, dass bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Regelung im Hinblick auf das Verbot der Altersdiskriminierung zu beachten ist, dass die fragliche Regelung in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht handhabbar bleiben müsse, und deshalb nicht generell verlangt werden könne, dass immer jeder Einzelfall individuell geprüft werde (EuGH 19. Juni 2014 - C-501/12 ua. - [Specht ua.] Rn. 78). Unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten darf der Arbeitgeber daher im Sinne einer typisierenden Betrachtung in Ausübung seines Gestaltungsspielraums auch einen Grund für ein gesteigertes Erholungsbedürfnis - wie etwa das Alter in belastenden Berufen - als Differenzierungskriterium heranziehen. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG enthält kein Gebot, die dort genannten typischerweise besonders schutzbedürftigen Personengruppen (Jugendliche, ältere Beschäftigte und Personen mit Fürsorgepflichten) hinsichtlich besonderer Arbeitsbedingungen gleich zu behandeln.

39

2. Aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz folgt ebenfalls kein Anspruch der Klägerin auf die begehrten zwei zusätzlichen Urlaubstage. Ist - wie hier - die unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmergruppen aus einem in § 1 AGG genannten Grund unter den im AGG normierten Voraussetzungen zulässig, ist auch der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt(ebenso bezüglich des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes: BAG 17. September 2013 - 3 AZR 686/11 - Rn. 25 mwN). Eine sachwidrige Ungleichbehandlung kommt angesichts der Rechtfertigung gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG nicht in Betracht.

40

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

        

        

    M. Lücke    

        

    Kranzusch    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. März 2010 - 20 Sa 2058/09 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Eberswalde vom 8. Juli 2009 - 3 Ca 140/09 - wird zurückgewiesen und der Tenor dieses Urteils zur Klarstellung neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass der Klägerin für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein weiterer Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht.

3. Der Beklagte hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin in den Jahren 2008 und 2009 Anspruch auf jeweils 29 oder 30 Urlaubstage hatte.

2

Die am 27. Oktober 1971 geborene Klägerin ist seit dem 1. September 1988 bei dem beklagten Landkreis als Angestellte mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden in der Fünftagewoche beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13. September 2005 in der Fassung des Änderungstarifvertrags Nr. 2 vom 31. März 2008 (TVöD) Anwendung. Dieser bestimmt ua.:

        

§ 26 

        

Erholungsurlaub

        

(1)     

Beschäftigte haben in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts (§ 21). Bei Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf fünf Tage in der Kalenderwoche beträgt der Urlaubsanspruch in jedem Kalenderjahr

                 

bis zum vollendeten 30. Lebensjahr

26 Arbeitstage,

                 

bis zum vollendeten 40. Lebensjahr

29 Arbeitstage und

                 

nach dem vollendeten 40. Lebensjahr

30 Arbeitstage.

                 

Maßgebend für die Berechnung der Urlaubsdauer ist das Lebensjahr, das im Laufe des Kalenderjahres vollendet wird. Bei einer anderen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit als auf fünf Tage in der Woche erhöht oder vermindert sich der Urlaubsanspruch entsprechend. Verbleibt bei der Berechnung des Urlaubs ein Bruchteil, der mindestens einen halben Urlaubstag ergibt, wird er auf einen vollen Urlaubstag aufgerundet; Bruchteile von weniger als einem halben Urlaubstag bleiben unberücksichtigt. Der Erholungsurlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und kann auch in Teilen genommen werden.

        

…       

        
        

§ 27   

        

Zusatzurlaub

        

(1)     

Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit nach § 7 Abs. 1 oder ständig Schichtarbeit nach § 7 Abs. 2 leisten und denen die Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 1 oder Abs. 6 Satz 1 zusteht, erhalten

                 

a)    

bei Wechselschichtarbeit für je zwei zusammenhängende Monate und

                 

b)    

bei Schichtarbeit für je vier zusammenhängende Monate

                 

einen Arbeitstag Zusatzurlaub.

        

(2)     

Im Falle nicht ständiger Wechselschicht- oder Schichtarbeit (z. B. ständige Vertreter) erhalten Beschäftigte des Bundes, denen die Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 2 oder Abs. 6 Satz 2 zusteht, einen Arbeitstag Zusatzurlaub für

                 

a)    

je drei Monate im Jahr, in denen sie überwiegend Wechselschichtarbeit geleistet haben, und

                 

b)    

je fünf Monate im Jahr, in denen sie überwiegend Schichtarbeit geleistet haben.

        

…       

                 
        

(4)     

Zusatzurlaub nach diesem Tarifvertrag und sonstigen Bestimmungen mit Ausnahme von § 125 SGB IX wird nur bis zu insgesamt sechs Arbeitstagen im Kalenderjahr gewährt. Erholungsurlaub und Zusatzurlaub (Gesamturlaub) dürfen im Kalenderjahr zusammen 35 Arbeitstage nicht überschreiten. Satz 2 ist für Zusatzurlaub nach den Absätzen 1 und 2 hierzu nicht anzuwenden. Bei Beschäftigten, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, gilt abweichend von Satz 2 eine Höchstgrenze von 36 Arbeitstagen; § 26 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

        

…“    

        
3

Mit Schreiben vom 5. November 2008 machte die Klägerin gegenüber dem Beklagten einen jährlichen Gesamturlaub in Höhe von 30 Tagen für das Jahr 2008 und die Zukunft nach dem TVöD geltend. Der Beklagte lehnte die Gewährung von 30 Urlaubstagen vor der Vollendung des 40. Lebensjahres der Klägerin unter Hinweis auf die Verbindlichkeit der Regelung des § 26 Abs. 1 TVöD mit Schreiben vom 28. November 2008 ab. Die Klägerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 11. Februar 2009 die vorliegende Klage erhoben.

4

Sie hat die Ansicht vertreten, sie habe auch vor der Vollendung ihres 40. Lebensjahres Anspruch auf jährlich 30 und nicht nur 29 Urlaubstage. Die an das Lebensalter anknüpfende Staffelung des tariflichen Urlaubsanspruchs sei eine Diskriminierung wegen des Alters. Die in der Tarifregelung enthaltene Ungleichbehandlung jüngerer Arbeitnehmer sei nicht durch § 10 AGG gerechtfertigt. Im Übrigen würden die gesundheitlichen Wirkungen zusätzlichen Urlaubs zur Vermeidung beispielsweise von Stresserscheinungen am Arbeitsplatz auch in der medizinischen Literatur kontrovers diskutiert.

5

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass ihr für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht.

6

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Diese sei bereits unzulässig, da das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO nötige Feststellungsinteresse fehle. Schließlich sei die Klage auch unbegründet. Die Altersstufenregelung des § 26 Abs. 1 TVöD sei durch einen sachlichen Grund nach § 10 AGG gerechtfertigt. Die Festlegung eines Mindestalters für die Gewährung von 30 Urlaubstagen pro Kalenderjahr stelle eine besondere Beschäftigungsbedingung zum Schutz älterer Beschäftigter bzw. eine Mindestanforderung an das Alter für einen mit der Beschäftigung verbundenen Vorteil dar, der zur Erreichung eines legitimen Ziels angemessen und erforderlich sei. Ältere Arbeitnehmer seien mit zunehmendem Alter aufgrund beruflicher Belastungen länger krank. Um diesen Umstand Rechnung zu tragen, hätten die Tarifvertragsparteien mit der Regelung in § 26 Abs. 1 TVöD auf das verstärkte Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer reagiert und deren Leistungsfähigkeit stärken wollen. Der Aspekt des Gesundheitsschutzes älterer Arbeitnehmer sei daher geeignet, die Ungleichbehandlung jüngerer Beschäftigter zu rechtfertigen. Schließlich würde auch eine Diskriminierung keine Angleichung „nach oben“ zur Folge haben.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die Wiederherstellung der stattgebenden Entscheidung des Arbeitsgerichts. Der Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

A. Die zulässige Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf die geltend gemachten Ersatzurlaubstage.

9

I. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Feststellungsklage zulässig ist. Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse daran, durch das Gericht feststellen zu lassen, ob ihr für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht ( § 256 Abs. 1 ZPO ). Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer den Umfang des ihm zustehenden Urlaubs gerichtlich festgestellt haben will, nicht entgegen (vgl. BAG 12. April 2011 - 9 AZR 80/10  - Rn. 13 bis 15, EzA BUrlG § 7 Nr. 123).

10

II. Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten für den ihr in den Jahren 2008 und 2009 jeweils verweigerten 30. Urlaubstag gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB Anspruch auf jeweils einen Tag Ersatzurlaub. Die Urlaubsstaffelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD verstößt gegen die §§ 1, 3 Abs. 1 AGG. Denn sie gewährt Beschäftigten, die das 30., aber noch nicht das 40. Lebensjahr vollendet haben, einen um einen Tag kürzeren Urlaub. Sie ist deshalb nach § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG iVm. § 134 BGB unwirksam. Dies hat zur Folge, dass die Klägerin auch vor der Vollendung ihres 40. Lebensjahres in jedem Kalenderjahr Anspruch auf 30 Urlaubstage hatte. Ihr steht für die Jahre 2008 und 2009 jeweils noch ein Tag Ersatzurlaub zu, weil der Beklagte ihr in diesen Jahren nur jeweils 29 Urlaubstage gewährte.

11

1. Nach § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD standen der am 27. Oktober 1971 geborenen Klägerin in den Jahren 2008 und 2009 jeweils 29 Urlaubstage zu. Erst nach dem vollendeten 40. Lebensjahr gewährt ihr diese Tarifregelung einen jährlichen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen. Diese an das Lebensalter anknüpfende Staffelung der Urlaubsdauer verstößt gegen das Verbot der Altersdiskriminierung in § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG. Sie ist als sachlich nicht nach den §§ 8, 10 AGG gerechtfertigte unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters gemäß § 7 Abs. 2 AGG iVm. § 134 BGB unwirksam. Zur Beseitigung dieser Diskriminierung ist eine Anpassung auf 30 Urlaubstage erforderlich.

12

2. Zutreffend haben die Vorinstanzen die Regelung in § 26 Abs. 1 TVöD am AGG gemessen. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG gelten die Diskriminierungsverbote der §§ 1, 7 AGG auch für die in kollektivrechtlichen Vereinbarungen geregelten Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen. Unter solchen Bedingungen sind alle Umstände zu verstehen, aufgrund derer und unter denen die Arbeitsleistung zu erbringen ist (vgl. BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 54, BAGE 132, 210). Zu den Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen gehört damit auch der Urlaub. Der Umstand, dass die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b TVöD bereits am 1. Januar 2006 und somit schon vor dem AGG vom 14. August 2006 in Kraft getreten ist, steht dem nicht entgegen. Die für die Jahre 2008 und 2009 geltend gemachte Benachteiligung durch § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD ist erst nach Inkrafttreten des AGG am 18. August 2006 eingetreten. Da § 33 Abs. 1 AGG insoweit keine Übergangsregelung enthält, findet dieses Gesetz auch dann Anwendung, wenn die Benachteiligung auf einem vor Inkrafttreten des AGG abgeschlossenen Tarifvertrag beruht. Es kommt allein auf den Zeitpunkt der Benachteiligungshandlung an (BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 33, BAGE 129, 72).

13

3. Die Urlaubsstaffelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD enthält eine auf dem Merkmal des Alters beruhende Ungleichbehandlung der Beschäftigten, die das 30. bzw. das 40. Lebensjahr nicht vollendet haben. Das ist eine unmittelbare Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer wegen des Alters iSv. § 3 Abs. 1 AGG.

14

a) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Beim Alter handelt es sich um einen in § 1 AGG genannten Grund, wobei unter Alter das Lebensalter zu verstehen ist. Dies folgt aus dem gesetzlichen Wortlaut und auch aus der Gesetzesbegründung ( BT-Drucks. 16/1780 S. 31; BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 49, BAGE 132, 210; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07  - Rn. 36, BAGE 129, 181). Der für eine unmittelbare Benachteiligung erforderliche Kausalzusammenhang ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere in § 1 AGG genannte Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 32; BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 50, aaO).

15

b) Diese Voraussetzung ist erfüllt. § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD sieht für Beschäftigte bei einer Fünftagewoche in jedem Kalenderjahr einen Urlaubsanspruch bis zum vollendeten 30. Lebensjahr in Höhe von 26 Arbeitstagen, bis zum vollendeten 40. Lebensjahr in Höhe von 29 Arbeitstagen und erst nach dem vollendeten 40. Lebensjahr in Höhe von 30 Arbeitstagen vor. Die Höhe des Urlaubsanspruchs nach § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD knüpft damit in allen Stufen unmittelbar an das Lebensalter der Beschäftigten an. Danach haben Beschäftigte wie die Klägerin, die zwar das 30. Lebensjahr, aber noch nicht das 40. Lebensjahr vollendet haben, in jedem Jahr nur Anspruch auf 29 statt auf 30 Urlaubstage. Sie werden ebenso wie die unter 30-Jährigen im Vergleich zu den Beschäftigten, die das 40. Lebensjahr vollendet haben, hinsichtlich der Höhe des Urlaubsanspruchs wegen ihres geringeren Alters ungünstiger behandelt.

16

4. Diese Ungleichbehandlung ist nicht gerechtfertigt.

17

a) Bei ihr handelt es sich nicht um eine nach § 8 AGG zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen. Die Urlaubsstaffel des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD knüpft nicht an die Art der auszuübenden Tätigkeit oder die Bedingungen ihrer Ausübung an. Sie stellt nicht auf die Art der auszuübenden Tätigkeit ab und beansprucht damit Geltung für alle dem TVöD unterfallenden Beschäftigten.

18

b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Ungleichbehandlung auch nicht nach § 10 AGG sachlich gerechtfertigt(so ebenfalls die herrschende Meinung in der Literatur, vgl. Linck/Schütz FS Leinemann, S. 181 f.; Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV Stand Januar 2012 E § 26 TVöD Rn. 22; AGG/Voigt 3. Aufl. § 10 Rn. 33; Meinel/Heyn/Herms AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 42b; Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 105; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdtle ZTR 2006, 622, 623 mwN; Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 478; vgl. ferner bereits zu § 48 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). § 10 Satz 1 AGG lässt eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters ungeachtet der Regelung des § 8 AGG zu, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Zudem müssen die Mittel zur Erreichung dieses Ziels nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist die an das Lebensalter anknüpfende Differenzierung in § 26 Abs. 1 TVöD nicht sachlich gerechtfertigt, weil sie einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung trägt und deren Gesundheit schützen will. Dabei kann dahinstehen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen das Ziel des Gesundheitsschutzes eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen würde. Die Tarifvorschrift verfolgt dieses Ziel schon nicht.

19

aa) Die Tarifvertragsparteien haben das mit der in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD geregelten Urlaubsstaffelung verfolgte Ziel nicht ausdrücklich genannt. Nennt eine Regelung oder Maßnahme kein Ziel, müssen zumindest aus dem Kontext abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter der Regelung oder der Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, um die Legitimität des Ziels sowie die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüfen zu können. Dabei können nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die sozialpolitischen Ziele als legitim angesehen werden, die im allgemeinen Interesse stehen. Derjenige, der eine Ungleichbehandlung vornimmt, muss den nationalen Gerichten in geeigneter Weise die Möglichkeit zur Prüfung einräumen, ob mit der Ungleichbehandlung ein Ziel angestrebt wird, das die Ungleichbehandlung unter Beachtung der Ziele der Richtlinie 2000/78/EG rechtfertigt (vgl. EuGH 5. März 2009 - C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 45 ff., Slg. 2009, I-1569; BAG 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08  - Rn. 36 ff., BAGE 131, 61). Denn das nationale Gericht hat zu prüfen, ob die Regelung oder Maßnahme ein rechtmäßiges Ziel iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgt. Gleiches gilt für die Frage, ob die Tarifvertragsparteien als Normgeber angesichts des vorhandenen Wertungsspielraums davon ausgehen durften, dass die gewählten Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich waren (vgl. EuGH 5. März 2009 -  C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 49 ff., aaO; vgl. auch BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 57, BAGE 132, 210).

20

bb) Die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD dient nicht dem Schutz älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. Diese gesetzliche Regelung konkretisiert das legitime Ziel, nämlich ua. die Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter, wobei dieser Schutz auch die Festlegung besonderer Arbeitsbedingungen einschließen kann. Aus einer tariflichen Urlaubsstaffelung, die - wie die in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD - den Beschäftigten bereits nach Vollendung des 30. Lebensjahres drei weitere Urlaubstage und dann nach Vollendung des 40. Lebensjahres letztmals einen zusätzlichen Urlaubstag gewährt, lässt sich nicht ableiten, dass die Tarifvertragsparteien einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollten und das Ziel verfolgten, den Schutz älterer Beschäftigter iSd. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG sicherzustellen. Wenn sich auch eine genaue Schwelle für die Zuordnung zu den älteren Arbeitnehmern weder dieser Regelung selbst noch Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG entnehmen lässt, so ist diese freilich an der Zielsetzung (vgl. zu dieser Däubler/Bertzbach/Brors 2. Aufl. § 10 Rn. 42) auszurichten. Einen arbeitsmarktpolitischen Zweck verfolgt zB § 417 Abs. 1 SGB III, wonach Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die das 50. Lebensjahr vollendet haben und ihre Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung beenden oder vermeiden, unter den in der Vorschrift genannten Voraussetzungen Anspruch auf Leistungen der Entgeltsicherung haben. Diese Regelung der Entgeltsicherung bezweckt, die Arbeitslosigkeit älterer Arbeitnehmer abzubauen und ihren Anteil an der erwerbstätigen Bevölkerung zu erhöhen (vgl. BT-Drucks. 17/1945 S. 17). Im Vergleich zu der in § 417 Abs. 1 SGB III genannten Altersgruppe setzt sich die durch die Urlaubsstaffel in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD begünstigte Beschäftigtengruppe, der ein Urlaubsanspruch von jährlich 30 Arbeitstagen eingeräumt wird, nicht ausnahmslos aus älteren Beschäftigten zusammen. Vielmehr gehören ihr alle Beschäftigten ab Vollendung des 40. Lebensjahres an. Der Senat hat bereits entschieden, dass ein Arbeitnehmer jedenfalls ab Vollendung des 31. Lebensjahres offensichtlich kein älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG ist(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 55, BAGE 132, 210).

21

cc) Ein legitimes Ziel iSd. § 10 AGG ergibt sich entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts auch nicht aus § 10 Satz 3 Nr. 2 AGG. Danach kann eine zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile einschließen. Diese Regelung bestimmt selbst kein legitimes Ziel, sondern beschreibt nur ein mögliches Mittel, mit der ein auf andere Weise zu legitimierendes Ziel gerechtfertigt werden kann (vgl. ErfK/Schlachter 12. Aufl. § 10 AGG Rn. 6), sofern es erforderlich und angemessen iSd. § 10 Satz 2 AGG ist.

22

dd) Die Tarifvertragsparteien verfolgen entgegen der Auffassung des Beklagten nicht das Ziel des Gesundheitsschutzes älterer Arbeitnehmer.

23

(1) Das mit der Urlaubsstaffelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD verfolgte Ziel lässt sich nicht mit ausreichender Deutlichkeit aus dem Wortlaut des § 26 TVöD entnehmen. § 26 TVöD normiert ausweislich seiner Überschrift den Erholungsurlaub. Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 TVöD haben Beschäftigte in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts. § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD legt die Dauer dieses Erholungsurlaubs fest. Der Begriff des Erholungsurlaubs wird dabei nicht näher definiert und ist dem BUrlG entlehnt, auf das § 26 Abs. 2 TVöD im Übrigen verweist. Der Erholungsurlaub nach dem BUrlG soll nach der Gesetzesbegründung dem sozialpolitischen Anliegen der Erhaltung und Wiederauffrischung der Arbeitskraft der Arbeitnehmer dienen (vgl. den schriftlichen Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit, BT-Drucks. IV/785; Begründung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Bundesurlaubsgesetzes, BT-Drucks. IV/207). Durch den Erholungsurlaub wird dem Arbeitnehmer die Möglichkeit gesichert, für eine bestimmte Dauer im Jahr, die ihm eingeräumte Freizeit zur selbstbestimmten Erholung zu nutzen (st. Rspr., vgl. BAG 20. Juni 2000 - 9 AZR 405/99 - zu II 2 b bb 1 der Gründe, BAGE 95, 104; 8. März 1984 - 6 AZR 600/82 - zu II 5 b der Gründe, BAGE 45, 184; ebenso st. Rspr. des EuGH zum Jahresurlaub nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG , EuGH 22. No-vember 2011 - C-214/10 - [KHS] Rn. 31, AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 6 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 7; 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06  - [Schultz-Hoff] Rn. 25, Slg. 2009, I-179). Wenn eine Tarifregelung die Urlaubsdauer nach dem Lebensalter staffelt, liegt die Annahme nahe, die Tarifvertragsparteien hätten einem mit zunehmendem Alter gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollen. Die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD rechtfertigt eine solche Annahme freilich nicht, sondern schließt sie aus.

24

(2) Das folgt bereits aus dem Inhalt der Regelung. Die Tarifvorschrift räumt den Beschäftigten schon ab dem 30. Lebensjahr drei weitere Urlaubstage ein. Dafür, dass die Tarifvertragsparteien von einem so deutlich gesteigertem Erholungsbedürfnis bereits nach der Vollendung des 30. Lebensjahres ausgegangen sind, fehlt jeder Anhaltspunkt. Gegen eine solche Annahme spricht auch, dass die Tarifvertragsparteien den Beschäftigten nach der Vollendung des 40. Lebensjahres letztmals nur einen weiteren Urlaubstag gewährt und davon abgesehen haben, ein gesteigertes Erholungsbedürfnis des Beschäftigten in der Zeit bis zum Erreichen des gesetzlich festgelegten Alters für den Bezug der Regelaltersrente (§ 33 Abs. 1 Buchst. a TVöD) zu berücksichtigen. Hätten die Tarifvertragsparteien ein gesteigertes Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter vor Augen gehabt, hätten sie nicht einem 30-Jährigen einen gegenüber einem 29-jährigen Beschäftigten um drei Tage längeren Urlaub gewährt, nach der Vollendung des 40. Lebensjahres des Beschäftigten eine wesentlich geringere Steigerung des Erholungsbedürfnisses angenommen und für die Zeit danach bis zum Erreichen des gesetzlich festgelegten Alters für den Bezug der Regelaltersrente ein zunehmendes Erholungsbedürfnis des Beschäftigten überhaupt nicht mehr berücksichtigt (vgl. Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 478). Auch das Schrifttum nimmt ganz überwiegend an, dass eine tarifliche Urlaubsstaffelung nicht schon auf die Vollendung des 30. bzw. des 40. Lebensjahres abstellen darf, wenn sie einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen will (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22; Tempelmann/Stenslik DStR 2011, 1183, 1186; Richter Benachteiligung wegen des Alters im Erwerbsleben S. 170; Meinel/Heyn/Herms § 10 Rn. 42b; AGG/Voigt § 10 Rn. 33; Hey AGG § 10 Rn. 28; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdle ZTR 2006, 622, 623; Linck/Schütz FS Leinemann S. 181 f.; Senne Auswirkungen des europäischen Verbots der Altersdiskriminierung auf das deutsche Arbeitsrecht S. 269; Bertelsmann ZESAR 2005, 242, 246). Selbst wenn die Erholungsbedürftigkeit von Arbeitnehmern mit zunehmendem Lebensalter steigen sollte (zweifelnd Däubler/Bertzbach/Brors § 10 Rn. 50; aA Waltermann NZA 2005, 1265, 1269), hätte es mit dem Schutz älterer Arbeitnehmer nichts zu tun, bereits mit dem 30. Lebensjahr eine erste Verlängerung des Urlaubsanspruchs um drei Tage und die zweite und zugleich letzte Verlängerung um einen weiteren Urlaubstag bereits mit Vollendung des 40. Lebensjahres vorzusehen (so auch Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22; Adomeit/Mohr § 10 Rn. 105; so bereits zu § 48 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). Es fehlt in beiden Stufen an dem erkennbaren Schutz Älterer. Die Verlängerung des Urlaubsanspruchs bereits mit dem vollendeten 30. Lebensjahr lässt sich kaum mit der Erhaltung der Leistungsfähigkeit Älterer begründen. Auch mit der Vollendung des 40. Lebensjahres hat ein Beschäftigter regelmäßig allenfalls die Mitte seines Erwerbsalters erreicht (vgl. auch Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). Hätten die Tarifvertragsparteien gemäß der Ansicht des Beklagten ein gesteigertes Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter berücksichtigen wollen, hätten sich die gewählten Altersgrenzen nicht an dem mit dem Alter zunehmenden Erholungsbedürfnis orientiert und wären willkürlich.

25

(3) Gerade dieser Umstand bestätigt, dass die Tarifvertragsparteien mit der Regelung in § 26 TVöD weder den Schutz der Gesundheit bezweckten noch einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollten. Hätten sie diese Ziele verfolgt, hätte es nahe gelegen, gerade für die älteren Beschäftigten, zB die Gruppe der über 50- oder über 60-jährigen Beschäftigten, die Dauer des Erholungsurlaubs zu verlängern. Bei dieser Personengruppe ist ein altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis eher nachvollziehbar. Ein solches Schutzbedürfnis für die über 50-Jährigen haben die Tarifvertragsparteien aber nur hinsichtlich der Beschränkung der Höchstdauer des Gesamturlaubs bei besonders belastenden Arbeiten (Schicht- und Wechselschicht) gesehen. Das folgt aus § 27 Abs. 4 Satz 4 TVöD. Danach erhöht sich ab diesem Lebensalter die maximal erreichbare Gesamturlaubsdauer von jährlich 35 auf 36 Arbeitstage.

26

(4) Die Tarifgeschichte bestätigt, dass die Tarifvertragsparteien mit der Urlaubsstaffel nicht einem mit dem Lebensalter steigenden Erholungsbedürfnis Rechnung tragen wollten. Bereits seit dem Inkrafttreten des BAT wurde die Urlaubsdauer an das Lebensalter geknüpft (§ 48 Abs. 1 BAT). Sie steigerte sich auch nach dem vollendeten 30. Lebensjahr und nach dem vollendeten 40. Lebensjahr. Innerhalb der Lebensaltersstufen verlängerte sich die Urlaubsdauer teilweise nach Vergütungsgruppen. Je höher der Angestellte eingruppiert war, je länger war sein Urlaubsanspruch. Dies zeigt, dass nicht der Erholungszweck maßgebend für die Urlaubsdauer sein sollte. Der Urlaub wurde vielmehr als Quasi-Gegenleistung für die Arbeitsleistung geregelt. Nur so lässt sich die normierte Abhängigkeit der Urlaubsdauer von der Vergütungsgruppe erklären. Es kann deshalb nicht angenommen werden, die Tarifvertragsparteien hätten bei Angestellten in höheren Vergütungsgruppen ein gesteigertes Erholungsbedürfnis ausgleichen wollen. Die Differenzierung resultiert vielmehr aus der überkommenen Auffassung, der Urlaub werde „verdient“.

27

5. Die Diskriminierung der Klägerin kann nur durch die Verpflichtung des Beklagten beseitigt werden, der Klägerin für die Jahre 2008 und 2009 jeweils einen Ersatzurlaubstag zu gewähren. Zwar folgt aus § 7 Abs. 2 AGG nur, dass die diskriminierende Regelung unwirksam ist. Auch wird vom Senat nicht verkannt, dass es sich bei § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD um ein Stufensystem handelt, sodass grundsätzlich keine Stufe als die von den Tarifvertragsparteien als „übliche“ Urlaubsdauer gewollte angesehen werden kann. Jedoch kann die Beseitigung der Diskriminierung vorliegend nur durch eine Anpassung „nach oben“ erfolgen.

28

a) Grundsätzlich ist es Aufgabe der Tarifvertragsparteien, eine benachteiligungsfreie Regelung zu treffen, wofür ihnen verschiedene Möglichkeiten zu Verfügung stehen. Doch scheidet eine Aussetzung des Rechtsstreits unter Fristsetzung zur Lückenschließung durch die Tarifvertragsparteien selbst von vornherein aus (aM Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 23). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind für den Fall, dass gesetzliche oder tarifvertragliche Regelungen eine mit der Richtlinie unvereinbare Diskriminierung vorsehen, die nationalen Gerichte gehalten, die Diskriminierung auf jede denkbare Weise und insbesondere dadurch auszuschließen, dass sie die Regelung für die nicht benachteiligte Gruppe auch auf die benachteiligte Gruppe anwenden, ohne die Beseitigung der Diskriminierung durch den Gesetzgeber, die Tarifvertragsparteien oder in anderer Weise abzuwarten (vgl. so bereits zur Richtlinie 76/207/EWG: EuGH 20. März 2003 - C-187/00 - [Kutz-Bauer] Rn. 75, Slg. 2003, I-2741). Auch nach Art. 9 Abs. 3 GG in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wäre eine Aussetzung grundsätzlich allenfalls zur Beseitigung einer Diskriminierung für die Zukunft geboten(vgl. BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 28, NZA 2012, 161). Vorliegend geht es jedoch um die Beseitigung einer Diskriminierung in der Vergangenheit.

29

b) Die Benachteiligung der Klägerin kann nicht auf andere Weise für die Jahre 2008 und 2009 ausgeschlossen werden. Ein Rückgriff auf den noch unterhalb der Eingangstufe des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD liegenden gesetzlichen Mindesturlaub gemäß den §§ 1, 3 BUrlG in Höhe von 20 Arbeitstagen bei einer Fünftagewoche ist hierzu nicht geeignet(aM Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 483; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand Februar 2012, § 26 Rn. 163.5). Der von den §§ 1, 7 AGG bzw. Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgte Zweck, Benachteiligungen zu verhindern oder zu beseitigen, würde nicht erreicht. Da diskriminierende Maßnahmen oder Vereinbarungen nicht hingenommen und ihre Fortwirkung nicht akzeptiert werden darf (vgl. ErfK/Schlachter § 7 AGG Rn. 5), ist auch nicht auf die Eingangsstufe des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD mit 26 Urlaubstagen abzustellen. Hätte die Klägerin nur Anspruch auf die erste Stufe der Urlaubsstaffel, fehlte es an einer Sanktion, die einen tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutz gewährt und abschreckende Wirkung hat (vgl. zu diesem Aspekt: BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 18 ff., NZA 2012, 161).

30

c) Hingegen ist eine Anpassung „nach oben“ zur Beseitigung einer Altersdiskriminierung im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gerechtfertigt, wenn auf andere Weise die Diskriminierung nicht behoben werden kann, weil der Arbeitgeber den Begünstigten für die Vergangenheit die Leistung nicht mehr entziehen kann (vgl. ausführlich: BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 20 ff., NZA 2012, 161). Dies ist vorliegend der Fall. Der den begünstigten Beschäftigten in den Jahren 2008 und 2009 gewährte Urlaub von jährlich 30 Arbeitstagen kann nicht rückwirkend auf 29 oder 26 Arbeitstage begrenzt werden. Die als Urlaub bereits gewährte Freizeit ist nicht kondizierbar.

31

d) Schließlich steht der Anpassung „nach oben“ auch nicht § 15 Abs. 3 AGG entgegen. Danach ist der Arbeitgeber bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fährlässig handelt. Diese Bestimmung bezieht sich allein auf die immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG(vgl. BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 38, NZA 2012, 161; ErfK/Schlachter § 15 AGG Rn. 13) und verhält sich nicht zur Beseitigung einer Diskriminierung durch eine den Diskriminierungsverboten genügende Regelung.

32

e) Der Beklagte kann auch keinen Vertrauensschutz in Anspruch nehmen. In den Jahren 2008 und 2009 galt bereits das am 18. August 2006 in Kraft getretene AGG. Dieses nimmt Dauerschuldverhältnisse und damit auch Arbeitsverhältnisse ebenso wenig wie Tarifverträge aus, die vor dem Inkrafttreten des AGG bereits abgeschlossen waren. Übergangsvorschriften oder Vertrauensschutzregelungen sind insoweit in § 33 AGG nicht vorgesehen. Gemäß § 1 AGG ist ua. Ziel dieses Gesetzes, Benachteiligungen aus Gründen des Alters nicht nur zu verhindern, sondern auch zu beseitigen. Die damit einhergehende unechte Rückwirkung ist zulässig. Der zeitliche Geltungsbereich wird je nach Lage der Verhältnisse im Einzelfall nur durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes beschränkt (vgl. so bereits zu § 81 Abs. 2 SGB IX aF: BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 38, BAGE 129, 72). Dies setzt jedoch in jedem Fall das Vorliegen eines schutzwürdigen Vertrauens voraus, das vorliegend nicht gegeben ist, selbst wenn man die Grundsätze zum Vertrauensschutz bei unechter Rückwirkung von Gesetzen anwendet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Grundsatz des Vertrauensschutzes nur dann verletzt, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (vgl. BVerfG 10. August 2006 - 2 BvR 563/05  - Rn. 14, BVerfGK 9, 28). Zum einen dient das AGG der Umsetzung von EU-Richtlinien zum Schutz vor Diskriminierung im Bereich Beschäftigung und Beruf und enthält insoweit insbesondere im Bereich der Altersdiskriminierung unionsrechtlich verankerte notwendige und bedeutende Regelungen. Zum anderen wäre ein Vertrauen in den Fortbestand der angewandten tarifvertraglichen Regelungen nicht schutzwürdig. Denn die Richtlinie 2000/78/EG wurde schon im Jahr 2000 erlassen und stellt in Art. 16 Buchst. b ausdrücklich klar, dass die Diskriminierungsverbote auch auf tarifvertragliche Bestimmungen Anwendung finden. Nach Art. 18 der Richtlinie 2000/78/EG war diese zudem spätestens zum 2. Dezember 2006 in nationales Recht umzusetzen. Der Beklagte musste ebenso wie die Tarifvertragsparteien damit rechnen, dass tarifvertragliche Regelungen auch am Verbot der Altersdiskriminierung gemessen werden. Deshalb konnte der Beklagte nicht darauf vertrauen, dass auch nach Inkrafttreten des AGG die Urlaubsstaffelregelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD zulässig war, zumal in der Gesetzesbegründung zum AGG die Anknüpfung an das bloße Lebensalter als Mindestgrenze für mit der Beschäftigung verbundener Vorteile nicht unkritisch gesehen wurde(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 36) und im Schrifttum nicht nur vereinzelt die Unwirksamkeit des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD wegen Verstoßes gegen das Verbot der Altersdiskriminierung angenommen wurde (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22 mwN; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdtle ZTR 2006, 622, 623 mwN; so bereits zu § 48 Abs. 1 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156).

33

6. Die Klägerin hat Anspruch auf Ersatzurlaub gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB. Die Resturlaubsansprüche für die Jahre 2008 und 2009 waren mangels Vorliegens eines Übertragungsgrundes nach § 26 Abs. 1 Satz 6 TVöD iVm. § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG zum 31. Dezember des jeweiligen Jahres verfallen. Diesen Untergang hat der Beklagte zu vertreten, weil er sich mit der Gewährung des Urlaubs in Verzug befand.

34

a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus Verzug gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB liegen vor. Die Klägerin hatte in den Jahren 2008 und 2009 Anspruch auf jeweils 30 Urlaubstage. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wandelt sich der Urlaubsanspruch in einen Schadensersatzanspruch um, der auf Gewährung von Ersatzurlaub als Naturalrestitution gerichtet ist, wenn der Arbeitgeber den rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt und der Urlaub aufgrund seiner Befristung verfällt ( BAG 11. April 2006 - 9 AZR 523/05  - Rn. 24, AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116).

35

b) Die Klägerin machte mit Schreiben vom 5. November 2008 unter der Überschrift „Geltendmachung von Urlaubsansprüchen“ Urlaub in Höhe von 30 Tagen nach dem TVöD geltend und bat zudem, den Urlaubsanspruch auch für die Zukunft entsprechend anzupassen. Dahingestellt bleiben kann, ob dies schon ein konkretes Verlangen beinhaltet hat, den Urlaub in den Jahren 2008 und 2009 zu gewähren. Nach der Rechtsprechung des Senats ist hierfür zumindest erforderlich, dass der Arbeitgeber nach den Grundsätzen des § 133 BGB davon ausgehen muss, der Arbeitnehmer wünsche ab einem bestimmten Zeitpunkt Erholungsurlaub(vgl. BAG 17. November 2009 - 9 AZR 745/08 - Rn. 45; 11. April 2006 -  9 AZR 523/05  - Rn. 28, AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116). Maßgebend ist, dass der Beklagte mit Schreiben vom 28. November 2008 erklärt hat, er lehne den Antrag auf Verlängerung des Urlaubs „auf 30 Tage vor Erreichen des 41. Lebensjahres“ ab, weil der Klägerin nach dem für ihn verbindlichen § 26 Abs. 1 TVöD derzeit nur 29 Urlaubstage zustünden. Aus objektiver Empfängersicht lag darin eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung des Beklagten als Schuldner des Urlaubsanspruchs, die gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine Mahnung der Klägerin entbehrlich machte(vgl. BAG 31. Januar 1991 - 8 AZR 462/89  - zu II der Gründe). Denn der Beklagte gab mit diesem Schreiben vor Ablauf des Urlaubsjahres 2008 klar zu erkennen, dass er nicht bereit sei, im laufenden Jahr mehr als 29 Tage Urlaub zu gewähren. Hinsichtlich des weiteren Urlaubstags für das Jahr 2009 folgt der Verzug des Beklagten zudem daraus, dass er jedenfalls mit dem Antrag auf Klageabweisung vom 24. April 2009 und somit vor Ablauf des Urlaubsjahres 2009 zu erkennen gegeben hat, den weiteren Urlaubstag auch im Jahr 2009 nicht gewähren zu wollen. Darin lag ebenso seine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung als Schuldner des Urlaubsanspruchs, die gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine Mahnung der Klägerin ebenfalls entbehrlich machte(vgl. BAG 17. Mai 2011 - 9 AZR 197/10 - Rn. 14, EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 138; 31. Januar 1991 - 8 AZR 462/89  - zu II der Gründe).

36

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

        

        

    Preuß    

        

    Neumann-Redlin    

        

        

Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein. Derartige unterschiedliche Behandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:

1.
die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlohnung und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Beschäftigten und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen,
2.
die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile,
3.
die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung auf Grund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder auf Grund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand,
4.
die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen,
5.
eine Vereinbarung, die die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der oder die Beschäftigte eine Rente wegen Alters beantragen kann; § 41 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch bleibt unberührt,
6.
Differenzierungen von Leistungen in Sozialplänen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes, wenn die Parteien eine nach Alter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung geschaffen haben, in der die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigt worden sind, oder Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplans ausgeschlossen haben, die wirtschaftlich abgesichert sind, weil sie, gegebenenfalls nach Bezug von Arbeitslosengeld, rentenberechtigt sind.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 7. September 2012 - 6 Sa 709/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe des jährlichen Urlaubsanspruchs.

2

Die Beklagte stellt Schuhe her. Die am 10. April 1960 geborene Klägerin ist bei ihr seit dem 1. Juli 1994 als Produktionsmitarbeiterin beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 13. November 2000 ist ua. vereinbart, dass der jährliche Urlaubsanspruch 34 Arbeitstage beträgt. Die Beklagte gewährt allen Arbeitnehmern, die das 58. Lebensjahr vollendet haben, 36 Arbeitstage Jahresurlaub, ohne dass individuelle Vereinbarungen über einen höheren Jahresurlaub vorliegen. Die übrigen Beschäftigten erhalten jährlich 34 Urlaubstage.

3

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Urlaubsregelung sei altersdiskriminierend. Die Behauptung, ältere Mitarbeiter benötigten im Produktionsbetrieb längere Erholungsphasen, sei durch die darlegungsbelastete Beklagte nicht dargetan. Das Bundesurlaubsgesetz stelle bezüglich der Dauer des Urlaubs weder auf die physische Belastung noch auf das Alter der Arbeitnehmer ab. Die Beklagte habe keinen Grund genannt, warum ein gesteigertes Erholungsbedürfnis ausgerechnet mit 58 Jahren eintrete. Zudem könne mit lediglich zwei zusätzlichen Urlaubstagen ein etwaiger höherer Erholungsbedarf nicht ausgeglichen werden. Bei einem stetig steigenden Erholungsbedarf müsste jedenfalls auch die Urlaubsdauer gestaffelt werden. Bei anderen Arbeitnehmergruppen sei ein erhöhter Erholungsbedarf nachvollziehbar. Diese würden jedoch nicht begünstigt. So seien jüngere Arbeitnehmer durch Familie und Beruf oftmals stärker beansprucht als ältere. Die Beklagte habe ihr zur Beseitigung der Diskriminierung jährlich zwei weitere Urlaubstage zu gewähren.

4

Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr 36 Arbeitstage Erholungsurlaub zu gewähren.

5

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, ihre Urlaubsregelung beinhalte keine Diskriminierung. Nach der Lebenserfahrung benötigten ältere Arbeitnehmer, die körperlich ermüdende und schwere Arbeiten verrichten, längere Erholungszeiten als jüngere. Zwei zusätzliche Urlaubstage seien angemessen.

6

Das Arbeitsgericht hat die Klage - soweit für die Revision von Bedeutung - abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Feststellungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, der Klägerin auch schon vor der Vollendung der 58. Lebensjahres insgesamt 36 Arbeitstage Erholungsurlaub pro Jahr zu gewähren.

8

I. Die Klage ist in der gebotenen Auslegung zulässig, insbesondere besteht das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.

9

1. Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer den Umfang des ihm zustehenden Urlaubs gerichtlich festgestellt wissen will, nicht entgegen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 9, BAGE 141, 73; 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - Rn. 13 ff., BAGE 137, 328).

10

2. Die am 10. April 1960 geborene Klägerin hat ein rechtlich anerkennenswertes Interesse daran, alsbald zu erfahren, ob ihr bereits vor der Vollendung ihres 58. Lebensjahres zwei weitere Urlaubstage pro Jahr zustehen. Ihr Antrag bezieht sich dem Wortlaut nach zwar auf den gesamten Jahresurlaub. Er kann jedoch so ausgelegt werden, dass er sich nur auf zwei weitere Urlaubstage im Kalenderjahr bezieht. Zwischen den Parteien besteht kein Streit, dass der Klägerin die vertraglich vereinbarten 34 Urlaubstage pro Jahr zustehen. Die Klägerin hat im Laufe des Verfahrens deutlich gemacht, dass der Antrag auf die Feststellung des Bestehens zweier zusätzlicher Urlaubstage gerichtet ist. Darüber hinaus hat das Landesarbeitsgericht den Klageantrag zutreffend so verstanden, dass er vergangene Urlaubsjahre nicht erfasst. Es handelt sich um einen gegenwartsbezogenen Feststellungsantrag, für dessen Entscheidung grundsätzlich auf die Sachlage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht abzustellen ist (vgl. BAG 15. Mai 2013 - 7 AZR 494/11 - Rn. 15 ff.).

11

II. Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen vor Vollendung ihres 58. Lebensjahres nicht gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 iVm. § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG zwei weitere Urlaubstage zu. Die Urlaubsregelung ist nicht gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam und führt somit bezüglich der Dauer des Urlaubs der Klägerin nicht zu einer „Anpassung nach oben“(siehe dazu BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 27 ff., BAGE 141, 73; vgl. aber auch BAG 14. Mai 2013 - 1 AZR 44/12 - Rn. 25, BAGE 145, 113).

12

1. Es liegt zwar eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor. Diese ist jedoch gemäß § 10 Satz 1, 2 und Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt.

13

a) Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Unter Alter iSd. § 1 AGG ist das Lebensalter zu verstehen. Dies folgt aus dem Wortlaut des Gesetzes und aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/1780 S. 31; BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 14, BAGE 141, 73; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 36, BAGE 129, 181). Eine unmittelbare Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 1 AGG gegeben, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Der für eine unmittelbare Benachteiligung erforderliche Kausalzusammenhang ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere in § 1 AGG genannte Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - aaO mwN).

14

b) Daran gemessen liegt eine unmittelbare Ungleichbehandlung wegen des Alters vor. Die Urlaubsregelung knüpft die Gewährung von zwei weiteren Urlaubstagen an die Vollendung des 58. Lebensjahres und damit unmittelbar an das Lebensalter der Beschäftigten. Arbeitnehmer, die diese Altersgrenze nicht erreicht haben, werden wegen ihres Alters ungünstiger behandelt.

15

c) Die Ungleichbehandlung ist jedoch gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt. Die Regelung bezweckt bei Berücksichtigung eines Gestaltungs- und Ermessensspielraums der Beklagten den in dieser Bestimmung genannten Schutz älterer Beschäftigter und ist geeignet, erforderlich und angemessen im Sinne von § 10 Satz 2 AGG.

16

aa) Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG konkretisiert ua. das legitime Ziel der Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter, wobei dieser Schutz auch die Festlegung besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließen kann (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73).

17

bb) § 10 AGG dient der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16) in das nationale Recht (BAG 18. März 2014 - 3 AZR 69/12 - Rn. 21). Der Gesetzgeber hat bei der Umsetzung den Text der Richtlinie nahezu wörtlich in das nationale Recht übernommen. Dessen Regelungen sind unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszulegen (vgl. BAG 14. März 2012 - 7 AZR 480/08 - Rn. 30).

18

cc) Dem Arbeitgeber steht bei freiwilligen zusätzlichen Leistungen - wozu auch die Gewährung von übergesetzlichem Mehrurlaub gehört - ein von den Gerichten zu respektierender Gestaltungs- und Ermessensspielraum zu (vgl. zu Leistungen der betrieblichen Altersversorgung: BAG 12. November 2013 - 3 AZR 356/12 - Rn. 28; 12. Februar 2013 - 3 AZR 100/11 - Rn. 31 mwN, BAGE 144, 231). Auch in der Rechtsprechung des EuGH ist anerkannt, dass die Mitgliedstaaten und gegebenenfalls die Sozialpartner auf nationaler Ebene beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts nicht nur bei der Entscheidung, welches konkrete Ziel von mehreren im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik sie verfolgen wollen, sondern auch bei der Festlegung der Maßnahmen zu seiner Erreichung über einen weiten Gestaltungsspielraum verfügen (EuGH 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Rn. 68, Slg. 2007, I-8531). Diese Erwägungen gelten nach dem EuGH auch für Ziele, die der Arbeitgeber mit einer vertraglichen Regelung verfolgt (vgl. EuGH 26. September 2013 - C-476/11 - [HK Danmark] Rn. 61).

19

dd) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Benachteiligung der Arbeitnehmer der Beklagten, die das 58. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, gerechtfertigt.

20

(1) Die Beklagte gewährt den Arbeitnehmern in ihrem Produktionsbetrieb nach der Vollendung des 58. Lebensjahres aufgrund ihres gesteigerten Erholungsbedürfnisses zwei weitere Urlaubstage im Kalenderjahr und bezweckt damit die Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. Da dieser Schutz die Festlegung besonderer Arbeitsbedingungen einschließt (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73), unterfallen ihm auch zusätzliche Urlaubstage.

21

(a) Das AGG definiert in § 10 Satz 3 Nr. 1 - ebenso wie Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG - nicht, wann ein Beschäftigter „älter“ im Sinne der Norm ist (vgl. zum herkömmlichen Verständnis: BAG 18. September 2014 - 6 AZR 636/13 - Rn. 44). Nach dem Sinn und Zweck des Benachteiligungsverbots reicht es ohne das Vorliegen anderer Differenzierungsgründe nicht aus, dass das Alter der begünstigten Arbeitnehmer höher ist als das Alter der nicht begünstigten. Dementsprechend hat der Senat angenommen, ein Arbeitnehmer sei nach der Vollendung seines 31. Lebensjahres offensichtlich noch kein älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 55, BAGE 132, 210). Aus dem systematischen Zusammenhang mit § 10 Satz 1 AGG und aus dem Regelungszweck folgt, dass die begünstigten Arbeitnehmer aufgrund ihres Alters der Förderung bei der beruflichen Eingliederung oder des Schutzes bedürfen müssen.

22

(aa) Der Senat ist in seiner Entscheidung vom 20. März 2012 nicht davon ausgegangen, dass mit zunehmenden Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steige. Er hat allerdings ab einem bestimmten Alter - konkret: bei über 50- oder über 60-jährigen Beschäftigten - ein altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis für „eher nachvollziehbar“ gehalten (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 24 f., BAGE 141, 73).

23

(bb) Das Landesarbeitsgericht hat in Übereinstimmung mit der überwiegenden Auffassung im Schrifttum als Erfahrungssatz angenommen, dass mit zunehmenden Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steigt (so auch Tempelmann/Stenslik DStR 2011, 1183, 1185 f.; Lingemann/Gotham NZA 2007, 663, 666; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 143 f.; Waltermann NZA 2005, 1265, 1269; Over Das Verbot der Altersdiskriminierung im Arbeitsrecht nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz S. 231; Küttner/Kania Personalbuch 2014 Diskriminierung Rn. 90; vgl. auch Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 - zu II 2 b cc (3) (a) der Gründe mwN). Diese Ansicht ist allerdings nicht unumstritten. So wird auf die Individualität der Alterungsprozesse und den fehlenden Nachweis von Altersklassen mit spezifischem Erholungsbedarf hingewiesen (Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 1 Rn. 822). Die Aufstellung eines generellen Erfahrungssatzes soll dem traditionellen Bild vom „alten Arbeitnehmer“ entsprechen (Däubler/Bertzbach/Brors 3. Aufl. § 10 Rn. 43). Auch wird hervorgehoben, dass der Gesetzgeber in § 3 BUrlG bezüglich der Dauer des Urlaubs nicht nach dem Lebensalter der Arbeitnehmer unterscheide und demnach nicht von einem unterschiedlichen Erholungsbedürfnis ausgehe(Bertelsmann in Rust/Falke AGG § 10 Rn. 93). Auch auf europäischer Ebene sehe Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG vier Wochen Urlaub einheitlich für alle Berufsgruppen altersunabhängig vor(v. Roetteken AGG Stand September 2014 § 10 Rn. 262). Verlangt wird zumindest die Darlegung eines empirischen Befunds zum steigenden Erholungsbedarf unter Beachtung der Tätigkeit bevorzugter Arbeitnehmer (Däubler/Bertzbach/Brors aaO; aA Kasprzyk Altersdiskriminierung im deutschen Arbeitsrecht S. 185).

24

(b) Erfahrungssätze sind Hilfsmittel. Die Feststellung von allgemein anerkannten Erfahrungssätzen ist als Tatfrage den Tatsachengerichten vorbehalten. Dabei ist es diesen nicht verwehrt, das Bestehen oder Nichtbestehen eines Erfahrungssatzes zu beurteilen, wenn sie dazu über ausreichende Sachkunde und Lebenserfahrung verfügen. Andernfalls haben sie sich der Hilfe eines Sachverständigen zu bedienen. Die Zuziehung eines Sachverständigen zur Unterstützung des Gerichts ist gemäß § 144 Abs. 1 ZPO durch die Tatsachengerichte stets nach pflichtgemäßen Ermessen zu prüfen(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 65 mwN, BAGE 132, 210; vgl. allg. zu Erfahrungssätzen: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 73. Aufl. Einf. § 284 Rn. 22).

25

(c) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Landesarbeitsgericht von der Zuziehung eines Sachverständigen abgesehen hat. Dieses durfte aufgrund der von ihm festgestellten körperlich anstrengenden Tätigkeiten im Produktionsbetrieb der Beklagten auch ohne Sachverständigengutachten annehmen, dass das Erholungsbedürfnis der dort beschäftigten Arbeitnehmer mit zunehmenden Alter steigt. Ob es einen tätigkeitsunabhängigen generellen Zusammenhang zwischen dem Erholungsbedarf und dem Alter gibt (so etwa Kamanabrou aaO), kann dahinstehen.

26

(aa) Die Annahme eines Erfahrungssatzes dahin gehend, dass bei körperlich belastenden Berufen das Erholungsbedürfnis im höheren Alter steigt, begegnet keinen Bedenken. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die physische Belastbarkeit mit zunehmendem Alter abnimmt (etwa BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 67 mwN, BAGE 132, 210; Bayerischer VGH 24. Oktober 2011 - 3 ZB 08.721 - zu II 1 b der Gründe). Dieser Erfahrungssatz betrifft auch den Wirkungszusammenhang von erreichtem Lebensalter und Krankheitsanfälligkeit (Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 - zu II 2 b cc (3) (a) der Gründe mwN). Alle bekannten privaten und öffentlichen Systeme der Kranken-, Renten- und Lebensversicherung beruhen auf dieser Erwartung (BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 54, BAGE 128, 238). Entgegen der Ansicht der Klägerin kommen auch nicht lediglich Studien älteren Datums - wie etwa die ILO-Empfehlung Nr. 162 vom 23. Juni 1980 oder der WHO Technical Report Series 835 „Aging and Working Capacity” (dt. Übersetzung: „Altern und Arbeit“ 1994) - zu diesem Ergebnis. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden bestätigt zB durch den „Fortschrittsreport ‚Altersgerechte Arbeitswelt“, Ausgabe 3 des Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Stand September 2013). Nach diesem hat sich zwar die körperliche Konstitution besonders für die Altersgruppe der 45- bis 64-Jährigen verbessert (Ziff. 3.1). Dennoch zeigt die Studie weiterhin ein Ansteigen der Anzahl der krankheitsbedingten Fehltage sowie eine Verschlechterung des Gesundheitszustands mit fortschreitendem Lebensalter (Ziff. 4.2, Tabelle 2). Insbesondere bei belastenden Berufen nimmt die Anzahl krankheitsbedingter Fehltage im Alter überproportional zu und der Gesundheitszustand verschlechtert sich überproportional (vgl. Ziff. 4.2). Auch bei einfachen Dienstleistungen und einfachen manuellen Berufen verschlechtert sich der „selbstberichtete Gesundheitszustand in der Altersgruppe 55 bis 64 Jahre im Vergleich zum Durchschnitt“ immer noch deutlich (Ziff. 3.4). Zumindest hinsichtlich dieser Berufe erscheint die Annahme eines größeren Erholungsbedarfs im erhöhten Alter als nicht fehlerhaft (ebenso Reinhard ArbRB 2012, 342, 343). Auch Gegner eines allgemeinen Erfahrungssatzes gestehen zu, dass bei gesundheitlich besonders belastenden Tätigkeiten ein gesteigerter Erholungsbedarf mit zunehmendem Alter angenommen werden kann (v. Roetteken aaO; Däubler/Bertzbach/Brors aaO; Löwisch/Rieble § 1 Rn. 823).

27

Soweit das Landesarbeitsgericht auf die teilweise geforderte Darlegung spezifischer empirischer Untersuchungen bezogen auf die Tätigkeiten im Produktionsbetrieb der Beklagten verzichtet hat, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Durchführung derartiger Untersuchungen wäre praktisch aufwändig und schwierig (weiter gehend Kasprzyk aaO: „unmöglich“). Eine übersteigerte Darlegungslast würde die Einführung freiwilliger Leistungen unzumutbar erschweren. Die Feststellungen durch das Landesarbeitsgericht, dass die Beschäftigten der Beklagten bei der Schuhfertigung körperlich ermüdende und teils schwere Arbeiten leisten, verstärkt durch einen besonderen, prämienbezogenen Zeit- und Qualitätsdruck im Sinne eines Teamakkords, genügt danach als Tatsachenbasis für die Bejahung des dargestellten Erfahrungssatzes.

28

(bb) Der Hinweis auf die fehlende Altersstaffelung in § 3 BUrlG und Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG hilft der Klägerin für die Frage der Legitimität des Zwecks nicht weiter. Die Vorschriften regeln nur die Dauer des Mindesturlaubs und damit das unterste Maß dessen, was nach deutschem und europäischem Urlaubsrecht unabhängig von individuellen Besonderheiten zur Erholung erforderlich ist. Spezifische Charakteristika - wie das Alter oder der physische oder psychische Gesundheitszustand - bleiben bei der Setzung eines einheitlichen Minimalstandards naturgemäß außer Betracht. Auf nationaler Ebene kommt hinzu, dass der Gesetzgeber durchaus gesehen hat, dass es altersabhängig einen unterschiedlichen Erholungsbedarf geben kann, wie etwa § 57 Abs. 2 SeeArbG und § 19 Abs. 2 JArbSchG zeigen(siehe dazu v. Roetteken § 10 Rn. 263).

29

(d) Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Sicherstellung des Schutzes ihrer Arbeitnehmer nach Vollendung des 58. Lebensjahres als Zweck der zwei weiteren Urlaubstage vorgeschoben hat.

30

(aa) Allerdings ist dieser Zweck nicht unmittelbar der - nicht schriftlich fixierten - Regelung zu entnehmen. Nennt eine Regelung oder Maßnahme kein Ziel, müssen zumindest aus dem Kontext abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter der Regelung oder der Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, um die Legitimität des Ziels sowie die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüfen zu können (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 19 mwN, BAGE 141, 73; vgl. zur Richtlinie 2000/78/EG: EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 39 mwN, Slg. 2011, I-6919).

31

(bb) Wenn eine Tarifregelung die Urlaubsdauer nach dem Lebensalter staffelt, liegt die Annahme nahe, die Tarifvertragsparteien hätten einem mit zunehmendem Alter gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 23, BAGE 141, 73). Diese Annahme darf freilich nicht durch die konkrete Wahl der Altersgrenze(n) widerlegt werden, wie dies bei § 26 TVöD aF, der zusätzliche Urlaubstage bereits ab dem 30. Lebensjahr vorsah, der Fall war (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 24 ff., aaO).

32

(cc) Es ist kein Grund ersichtlich, bei einer individualrechtlichen Regelung nicht ebenfalls grundsätzlich davon auszugehen, dass mit einer Altersgrenze für die Gewährung zusätzlichen Urlaubs einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer Rechnung getragen werden soll. Diese Annahme erscheint umso mehr gerechtfertigt, wenn sie wie hier mit der Anerkennung eines Erfahrungssatzes bezüglich des gesteigerten Erholungsbedarfs bei körperlich belastenden Berufen korreliert. Hinzu kommt, dass die ständige Übung der Beklagten inhaltlich einer einschlägigen tarifvertraglichen Regelung entspricht. So sah der persönlich, fachlich und räumlich einschlägige Manteltarifvertrag vom 23. April 1997, abgeschlossen zwischen dem Hauptverband der Deutschen Schuhindustrie e. V. und der Gewerkschaft Leder sowie der IG BCE, für gewerbliche Arbeitnehmer in § 17 Ziff. 4 Buchst. a ab dem 58. Lebensjahr ebenfalls zwei zusätzliche Urlaubstage vor. Diese Regelung war im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht nicht durch eine neue Bestimmung abgeändert.

33

(dd) Schließlich widerlegt die Altersgrenze von 58 Lebensjahren nicht den Zweck, mit zwei weiteren Urlaubstagen im Kalenderjahr dem gesteigerten Erholungsbedürfnis Rechnung zu tragen. Dabei kann dahinstehen, ab welchem Alter die Annahme, der zusätzliche Urlaub diene dem höheren Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG, nicht mehr ohne Weiteres aufrechterhalten bzw. als widerlegt erachtet werden kann. Der Senat hat in der Entscheidung vom 20. März 2012 gemäß dem Rechtsgedanken aus § 417 Abs. 1 SGB III eine Altersgrenze von 50 Lebensjahren für die Einordnung als älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG in Betracht gezogen(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73; vgl. zu einer solchen Altersgrenze für die Gewährung zusätzlicher Urlaubstage: Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 -). Das Landesarbeitsgericht hat ergänzend darauf verwiesen, dass Leitlinie 17 der Entscheidung des Rates vom 12. Juli 2005 über Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten (2005/600/EG) Arbeitskräfte ab Vollendung des 55. Lebensjahres als ältere Arbeitnehmer erachtet und die WHO-Studiengruppe „Altern und Arbeit“ aus arbeitsmedizinischer Sicht wegen auftretender Schwierigkeiten in Arbeit und Beruf eine Grenze ab dem 45. Lebensjahr angenommen hat (zu A II 15 b bb (3) (b) der Gründe). Das Berufungsgericht hat damit nachvollziehbar begründet, warum es davon ausgeht, dass die Urlaubsregelung einem legitimen Zweck iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG dient und es diesen Zweck nicht lediglich als von der Beklagten vorgeschoben erachtet.

34

(2) Die Regelung ist geeignet, den in § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG beschriebenen Zweck zu fördern. Insbesondere kann die Klägerin nicht mit dem Argument gehört werden, dass die Gewährung von lediglich zwei Urlaubstagen ungeeignet sei, einen altersbedingt erhöhten Erholungsbedarf auszugleichen. Die Geeignetheit ist nicht deshalb zu verneinen, weil ein gestiegener Erholungsbedarf unter Umständen nicht vollständig, sondern nur partiell ausgeglichen wird. Gerade angesichts des vom Arbeitgeber bei einer freiwilligen Leistung selbst gesetzten Dotierungsrahmens wäre die Beschränkung auf einen Teilausgleich nachvollziehbar und zulässig. Zudem haben auch die Tarifvertragsparteien angesichts der Tätigkeit eines Produktionsmitarbeiters in der Schuhbranche zwei Tage Urlaub für geeignet und ausreichend erachtet. Dass die Beklagte sich die von den Sozialpartnern ausgehandelte Regelung zu eigen macht und im Rahmen ihres Ermessensspielraums eine entsprechende Regelung trifft, ist unter dem Aspekt der Geeignetheit der Regelung nicht zu beanstanden.

35

(3) Die Regelung ist auch erforderlich und angemessen (§ 10 Satz 2 AGG). Mildere Mittel, die in gleicher Weise den Schutz älterer Arbeitnehmer verwirklichen könnten, sind nicht ersichtlich.

36

(a) Die Wahl einer anderen, niedrigeren Altersgrenze stellte kein gleich wirksames, milderes Mittel mit geringerem altersspezifischen Effekt dar. Es handelte sich vielmehr um eine andere Maßnahme mit einem erhöhtem Dotierungsrahmen.

37

(b) Eine niedrigere Altersgrenze verbunden mit nur einem weiteren Urlaubstag im Kalenderjahr müsste zwar nicht zwingend zu einer Erhöhung des Dotierungsrahmens führen. Allerdings hätten dann Arbeitnehmer nach Vollendung des 58. Lebensjahres nicht mehr Anspruch auf den zweiten weiteren Urlaubstag, den die Beklagte im Einklang mit dem einschlägigen Tarifvertrag angesichts des gesteigerten Erholungsbedarfs im höheren Alter in der Schuhproduktion für notwendig erachtet. Der Gestaltungs- und Ermessensspielraum der Beklagten lässt auch im Rahmen der Erforderlichkeit und Angemessenheit die von ihr angewandte Regelung zu. Die Interessen der Beteiligten werden hinreichend berücksichtigt. Es werden lediglich in Übereinstimmung mit dem Abwägungsergebnis der Tarifvertragsparteien die Interessen der über 58-Jährigen an einem zusätzlichen Urlaubstag höher gewichtet als die Interessen der übrigen Beschäftigten, schon im jüngeren Alter einen zusätzlichen Urlaubstag zu erhalten.

38

(c) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Beklagte nicht verpflichtet, zusätzliche Urlaubstage nur nach dem individuell ermittelten Erholungsbedarf unter Einbeziehung altersunabhängiger Belastungsfaktoren, wie der Pflege und Betreuung von Kindern, sowie unter Berücksichtigung des individuellen Alterungsprozesses zu gewähren. Zwar mag es zutreffen, dass es weitere Belastungsfaktoren gibt, die zu einem gesteigerten Erholungsbedarf führen können. Jedoch wäre eine solche individuelle Regelung in vielerlei Hinsicht praktisch nicht oder nur mit großen Schwierigkeiten handhabbar. Dies gilt nicht nur bezüglich der Gewichtung der einzelnen (persönlichen) Belastungsfaktoren untereinander, sondern vor allem auch für deren Ermittlung durch die Beklagte. Auch der Gerichtshof der Europäischen Union hat anerkannt, dass bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Regelung im Hinblick auf das Verbot der Altersdiskriminierung zu beachten ist, dass die fragliche Regelung in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht handhabbar bleiben müsse, und deshalb nicht generell verlangt werden könne, dass immer jeder Einzelfall individuell geprüft werde (EuGH 19. Juni 2014 - C-501/12 ua. - [Specht ua.] Rn. 78). Unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten darf der Arbeitgeber daher im Sinne einer typisierenden Betrachtung in Ausübung seines Gestaltungsspielraums auch einen Grund für ein gesteigertes Erholungsbedürfnis - wie etwa das Alter in belastenden Berufen - als Differenzierungskriterium heranziehen. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG enthält kein Gebot, die dort genannten typischerweise besonders schutzbedürftigen Personengruppen (Jugendliche, ältere Beschäftigte und Personen mit Fürsorgepflichten) hinsichtlich besonderer Arbeitsbedingungen gleich zu behandeln.

39

2. Aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz folgt ebenfalls kein Anspruch der Klägerin auf die begehrten zwei zusätzlichen Urlaubstage. Ist - wie hier - die unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmergruppen aus einem in § 1 AGG genannten Grund unter den im AGG normierten Voraussetzungen zulässig, ist auch der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt(ebenso bezüglich des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes: BAG 17. September 2013 - 3 AZR 686/11 - Rn. 25 mwN). Eine sachwidrige Ungleichbehandlung kommt angesichts der Rechtfertigung gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG nicht in Betracht.

40

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

        

        

    M. Lücke    

        

    Kranzusch    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. März 2010 - 20 Sa 2058/09 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Eberswalde vom 8. Juli 2009 - 3 Ca 140/09 - wird zurückgewiesen und der Tenor dieses Urteils zur Klarstellung neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass der Klägerin für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein weiterer Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht.

3. Der Beklagte hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin in den Jahren 2008 und 2009 Anspruch auf jeweils 29 oder 30 Urlaubstage hatte.

2

Die am 27. Oktober 1971 geborene Klägerin ist seit dem 1. September 1988 bei dem beklagten Landkreis als Angestellte mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden in der Fünftagewoche beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13. September 2005 in der Fassung des Änderungstarifvertrags Nr. 2 vom 31. März 2008 (TVöD) Anwendung. Dieser bestimmt ua.:

        

§ 26 

        

Erholungsurlaub

        

(1)     

Beschäftigte haben in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts (§ 21). Bei Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf fünf Tage in der Kalenderwoche beträgt der Urlaubsanspruch in jedem Kalenderjahr

                 

bis zum vollendeten 30. Lebensjahr

26 Arbeitstage,

                 

bis zum vollendeten 40. Lebensjahr

29 Arbeitstage und

                 

nach dem vollendeten 40. Lebensjahr

30 Arbeitstage.

                 

Maßgebend für die Berechnung der Urlaubsdauer ist das Lebensjahr, das im Laufe des Kalenderjahres vollendet wird. Bei einer anderen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit als auf fünf Tage in der Woche erhöht oder vermindert sich der Urlaubsanspruch entsprechend. Verbleibt bei der Berechnung des Urlaubs ein Bruchteil, der mindestens einen halben Urlaubstag ergibt, wird er auf einen vollen Urlaubstag aufgerundet; Bruchteile von weniger als einem halben Urlaubstag bleiben unberücksichtigt. Der Erholungsurlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und kann auch in Teilen genommen werden.

        

…       

        
        

§ 27   

        

Zusatzurlaub

        

(1)     

Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit nach § 7 Abs. 1 oder ständig Schichtarbeit nach § 7 Abs. 2 leisten und denen die Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 1 oder Abs. 6 Satz 1 zusteht, erhalten

                 

a)    

bei Wechselschichtarbeit für je zwei zusammenhängende Monate und

                 

b)    

bei Schichtarbeit für je vier zusammenhängende Monate

                 

einen Arbeitstag Zusatzurlaub.

        

(2)     

Im Falle nicht ständiger Wechselschicht- oder Schichtarbeit (z. B. ständige Vertreter) erhalten Beschäftigte des Bundes, denen die Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 2 oder Abs. 6 Satz 2 zusteht, einen Arbeitstag Zusatzurlaub für

                 

a)    

je drei Monate im Jahr, in denen sie überwiegend Wechselschichtarbeit geleistet haben, und

                 

b)    

je fünf Monate im Jahr, in denen sie überwiegend Schichtarbeit geleistet haben.

        

…       

                 
        

(4)     

Zusatzurlaub nach diesem Tarifvertrag und sonstigen Bestimmungen mit Ausnahme von § 125 SGB IX wird nur bis zu insgesamt sechs Arbeitstagen im Kalenderjahr gewährt. Erholungsurlaub und Zusatzurlaub (Gesamturlaub) dürfen im Kalenderjahr zusammen 35 Arbeitstage nicht überschreiten. Satz 2 ist für Zusatzurlaub nach den Absätzen 1 und 2 hierzu nicht anzuwenden. Bei Beschäftigten, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, gilt abweichend von Satz 2 eine Höchstgrenze von 36 Arbeitstagen; § 26 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

        

…“    

        
3

Mit Schreiben vom 5. November 2008 machte die Klägerin gegenüber dem Beklagten einen jährlichen Gesamturlaub in Höhe von 30 Tagen für das Jahr 2008 und die Zukunft nach dem TVöD geltend. Der Beklagte lehnte die Gewährung von 30 Urlaubstagen vor der Vollendung des 40. Lebensjahres der Klägerin unter Hinweis auf die Verbindlichkeit der Regelung des § 26 Abs. 1 TVöD mit Schreiben vom 28. November 2008 ab. Die Klägerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 11. Februar 2009 die vorliegende Klage erhoben.

4

Sie hat die Ansicht vertreten, sie habe auch vor der Vollendung ihres 40. Lebensjahres Anspruch auf jährlich 30 und nicht nur 29 Urlaubstage. Die an das Lebensalter anknüpfende Staffelung des tariflichen Urlaubsanspruchs sei eine Diskriminierung wegen des Alters. Die in der Tarifregelung enthaltene Ungleichbehandlung jüngerer Arbeitnehmer sei nicht durch § 10 AGG gerechtfertigt. Im Übrigen würden die gesundheitlichen Wirkungen zusätzlichen Urlaubs zur Vermeidung beispielsweise von Stresserscheinungen am Arbeitsplatz auch in der medizinischen Literatur kontrovers diskutiert.

5

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass ihr für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht.

6

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Diese sei bereits unzulässig, da das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO nötige Feststellungsinteresse fehle. Schließlich sei die Klage auch unbegründet. Die Altersstufenregelung des § 26 Abs. 1 TVöD sei durch einen sachlichen Grund nach § 10 AGG gerechtfertigt. Die Festlegung eines Mindestalters für die Gewährung von 30 Urlaubstagen pro Kalenderjahr stelle eine besondere Beschäftigungsbedingung zum Schutz älterer Beschäftigter bzw. eine Mindestanforderung an das Alter für einen mit der Beschäftigung verbundenen Vorteil dar, der zur Erreichung eines legitimen Ziels angemessen und erforderlich sei. Ältere Arbeitnehmer seien mit zunehmendem Alter aufgrund beruflicher Belastungen länger krank. Um diesen Umstand Rechnung zu tragen, hätten die Tarifvertragsparteien mit der Regelung in § 26 Abs. 1 TVöD auf das verstärkte Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer reagiert und deren Leistungsfähigkeit stärken wollen. Der Aspekt des Gesundheitsschutzes älterer Arbeitnehmer sei daher geeignet, die Ungleichbehandlung jüngerer Beschäftigter zu rechtfertigen. Schließlich würde auch eine Diskriminierung keine Angleichung „nach oben“ zur Folge haben.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die Wiederherstellung der stattgebenden Entscheidung des Arbeitsgerichts. Der Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

A. Die zulässige Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf die geltend gemachten Ersatzurlaubstage.

9

I. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Feststellungsklage zulässig ist. Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse daran, durch das Gericht feststellen zu lassen, ob ihr für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht ( § 256 Abs. 1 ZPO ). Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer den Umfang des ihm zustehenden Urlaubs gerichtlich festgestellt haben will, nicht entgegen (vgl. BAG 12. April 2011 - 9 AZR 80/10  - Rn. 13 bis 15, EzA BUrlG § 7 Nr. 123).

10

II. Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten für den ihr in den Jahren 2008 und 2009 jeweils verweigerten 30. Urlaubstag gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB Anspruch auf jeweils einen Tag Ersatzurlaub. Die Urlaubsstaffelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD verstößt gegen die §§ 1, 3 Abs. 1 AGG. Denn sie gewährt Beschäftigten, die das 30., aber noch nicht das 40. Lebensjahr vollendet haben, einen um einen Tag kürzeren Urlaub. Sie ist deshalb nach § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG iVm. § 134 BGB unwirksam. Dies hat zur Folge, dass die Klägerin auch vor der Vollendung ihres 40. Lebensjahres in jedem Kalenderjahr Anspruch auf 30 Urlaubstage hatte. Ihr steht für die Jahre 2008 und 2009 jeweils noch ein Tag Ersatzurlaub zu, weil der Beklagte ihr in diesen Jahren nur jeweils 29 Urlaubstage gewährte.

11

1. Nach § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD standen der am 27. Oktober 1971 geborenen Klägerin in den Jahren 2008 und 2009 jeweils 29 Urlaubstage zu. Erst nach dem vollendeten 40. Lebensjahr gewährt ihr diese Tarifregelung einen jährlichen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen. Diese an das Lebensalter anknüpfende Staffelung der Urlaubsdauer verstößt gegen das Verbot der Altersdiskriminierung in § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG. Sie ist als sachlich nicht nach den §§ 8, 10 AGG gerechtfertigte unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters gemäß § 7 Abs. 2 AGG iVm. § 134 BGB unwirksam. Zur Beseitigung dieser Diskriminierung ist eine Anpassung auf 30 Urlaubstage erforderlich.

12

2. Zutreffend haben die Vorinstanzen die Regelung in § 26 Abs. 1 TVöD am AGG gemessen. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG gelten die Diskriminierungsverbote der §§ 1, 7 AGG auch für die in kollektivrechtlichen Vereinbarungen geregelten Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen. Unter solchen Bedingungen sind alle Umstände zu verstehen, aufgrund derer und unter denen die Arbeitsleistung zu erbringen ist (vgl. BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 54, BAGE 132, 210). Zu den Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen gehört damit auch der Urlaub. Der Umstand, dass die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b TVöD bereits am 1. Januar 2006 und somit schon vor dem AGG vom 14. August 2006 in Kraft getreten ist, steht dem nicht entgegen. Die für die Jahre 2008 und 2009 geltend gemachte Benachteiligung durch § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD ist erst nach Inkrafttreten des AGG am 18. August 2006 eingetreten. Da § 33 Abs. 1 AGG insoweit keine Übergangsregelung enthält, findet dieses Gesetz auch dann Anwendung, wenn die Benachteiligung auf einem vor Inkrafttreten des AGG abgeschlossenen Tarifvertrag beruht. Es kommt allein auf den Zeitpunkt der Benachteiligungshandlung an (BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 33, BAGE 129, 72).

13

3. Die Urlaubsstaffelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD enthält eine auf dem Merkmal des Alters beruhende Ungleichbehandlung der Beschäftigten, die das 30. bzw. das 40. Lebensjahr nicht vollendet haben. Das ist eine unmittelbare Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer wegen des Alters iSv. § 3 Abs. 1 AGG.

14

a) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Beim Alter handelt es sich um einen in § 1 AGG genannten Grund, wobei unter Alter das Lebensalter zu verstehen ist. Dies folgt aus dem gesetzlichen Wortlaut und auch aus der Gesetzesbegründung ( BT-Drucks. 16/1780 S. 31; BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 49, BAGE 132, 210; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07  - Rn. 36, BAGE 129, 181). Der für eine unmittelbare Benachteiligung erforderliche Kausalzusammenhang ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere in § 1 AGG genannte Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 32; BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 50, aaO).

15

b) Diese Voraussetzung ist erfüllt. § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD sieht für Beschäftigte bei einer Fünftagewoche in jedem Kalenderjahr einen Urlaubsanspruch bis zum vollendeten 30. Lebensjahr in Höhe von 26 Arbeitstagen, bis zum vollendeten 40. Lebensjahr in Höhe von 29 Arbeitstagen und erst nach dem vollendeten 40. Lebensjahr in Höhe von 30 Arbeitstagen vor. Die Höhe des Urlaubsanspruchs nach § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD knüpft damit in allen Stufen unmittelbar an das Lebensalter der Beschäftigten an. Danach haben Beschäftigte wie die Klägerin, die zwar das 30. Lebensjahr, aber noch nicht das 40. Lebensjahr vollendet haben, in jedem Jahr nur Anspruch auf 29 statt auf 30 Urlaubstage. Sie werden ebenso wie die unter 30-Jährigen im Vergleich zu den Beschäftigten, die das 40. Lebensjahr vollendet haben, hinsichtlich der Höhe des Urlaubsanspruchs wegen ihres geringeren Alters ungünstiger behandelt.

16

4. Diese Ungleichbehandlung ist nicht gerechtfertigt.

17

a) Bei ihr handelt es sich nicht um eine nach § 8 AGG zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen. Die Urlaubsstaffel des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD knüpft nicht an die Art der auszuübenden Tätigkeit oder die Bedingungen ihrer Ausübung an. Sie stellt nicht auf die Art der auszuübenden Tätigkeit ab und beansprucht damit Geltung für alle dem TVöD unterfallenden Beschäftigten.

18

b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Ungleichbehandlung auch nicht nach § 10 AGG sachlich gerechtfertigt(so ebenfalls die herrschende Meinung in der Literatur, vgl. Linck/Schütz FS Leinemann, S. 181 f.; Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV Stand Januar 2012 E § 26 TVöD Rn. 22; AGG/Voigt 3. Aufl. § 10 Rn. 33; Meinel/Heyn/Herms AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 42b; Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 105; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdtle ZTR 2006, 622, 623 mwN; Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 478; vgl. ferner bereits zu § 48 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). § 10 Satz 1 AGG lässt eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters ungeachtet der Regelung des § 8 AGG zu, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Zudem müssen die Mittel zur Erreichung dieses Ziels nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist die an das Lebensalter anknüpfende Differenzierung in § 26 Abs. 1 TVöD nicht sachlich gerechtfertigt, weil sie einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung trägt und deren Gesundheit schützen will. Dabei kann dahinstehen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen das Ziel des Gesundheitsschutzes eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen würde. Die Tarifvorschrift verfolgt dieses Ziel schon nicht.

19

aa) Die Tarifvertragsparteien haben das mit der in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD geregelten Urlaubsstaffelung verfolgte Ziel nicht ausdrücklich genannt. Nennt eine Regelung oder Maßnahme kein Ziel, müssen zumindest aus dem Kontext abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter der Regelung oder der Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, um die Legitimität des Ziels sowie die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüfen zu können. Dabei können nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die sozialpolitischen Ziele als legitim angesehen werden, die im allgemeinen Interesse stehen. Derjenige, der eine Ungleichbehandlung vornimmt, muss den nationalen Gerichten in geeigneter Weise die Möglichkeit zur Prüfung einräumen, ob mit der Ungleichbehandlung ein Ziel angestrebt wird, das die Ungleichbehandlung unter Beachtung der Ziele der Richtlinie 2000/78/EG rechtfertigt (vgl. EuGH 5. März 2009 - C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 45 ff., Slg. 2009, I-1569; BAG 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08  - Rn. 36 ff., BAGE 131, 61). Denn das nationale Gericht hat zu prüfen, ob die Regelung oder Maßnahme ein rechtmäßiges Ziel iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgt. Gleiches gilt für die Frage, ob die Tarifvertragsparteien als Normgeber angesichts des vorhandenen Wertungsspielraums davon ausgehen durften, dass die gewählten Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich waren (vgl. EuGH 5. März 2009 -  C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 49 ff., aaO; vgl. auch BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 57, BAGE 132, 210).

20

bb) Die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD dient nicht dem Schutz älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. Diese gesetzliche Regelung konkretisiert das legitime Ziel, nämlich ua. die Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter, wobei dieser Schutz auch die Festlegung besonderer Arbeitsbedingungen einschließen kann. Aus einer tariflichen Urlaubsstaffelung, die - wie die in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD - den Beschäftigten bereits nach Vollendung des 30. Lebensjahres drei weitere Urlaubstage und dann nach Vollendung des 40. Lebensjahres letztmals einen zusätzlichen Urlaubstag gewährt, lässt sich nicht ableiten, dass die Tarifvertragsparteien einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollten und das Ziel verfolgten, den Schutz älterer Beschäftigter iSd. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG sicherzustellen. Wenn sich auch eine genaue Schwelle für die Zuordnung zu den älteren Arbeitnehmern weder dieser Regelung selbst noch Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG entnehmen lässt, so ist diese freilich an der Zielsetzung (vgl. zu dieser Däubler/Bertzbach/Brors 2. Aufl. § 10 Rn. 42) auszurichten. Einen arbeitsmarktpolitischen Zweck verfolgt zB § 417 Abs. 1 SGB III, wonach Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die das 50. Lebensjahr vollendet haben und ihre Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung beenden oder vermeiden, unter den in der Vorschrift genannten Voraussetzungen Anspruch auf Leistungen der Entgeltsicherung haben. Diese Regelung der Entgeltsicherung bezweckt, die Arbeitslosigkeit älterer Arbeitnehmer abzubauen und ihren Anteil an der erwerbstätigen Bevölkerung zu erhöhen (vgl. BT-Drucks. 17/1945 S. 17). Im Vergleich zu der in § 417 Abs. 1 SGB III genannten Altersgruppe setzt sich die durch die Urlaubsstaffel in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD begünstigte Beschäftigtengruppe, der ein Urlaubsanspruch von jährlich 30 Arbeitstagen eingeräumt wird, nicht ausnahmslos aus älteren Beschäftigten zusammen. Vielmehr gehören ihr alle Beschäftigten ab Vollendung des 40. Lebensjahres an. Der Senat hat bereits entschieden, dass ein Arbeitnehmer jedenfalls ab Vollendung des 31. Lebensjahres offensichtlich kein älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG ist(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 55, BAGE 132, 210).

21

cc) Ein legitimes Ziel iSd. § 10 AGG ergibt sich entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts auch nicht aus § 10 Satz 3 Nr. 2 AGG. Danach kann eine zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile einschließen. Diese Regelung bestimmt selbst kein legitimes Ziel, sondern beschreibt nur ein mögliches Mittel, mit der ein auf andere Weise zu legitimierendes Ziel gerechtfertigt werden kann (vgl. ErfK/Schlachter 12. Aufl. § 10 AGG Rn. 6), sofern es erforderlich und angemessen iSd. § 10 Satz 2 AGG ist.

22

dd) Die Tarifvertragsparteien verfolgen entgegen der Auffassung des Beklagten nicht das Ziel des Gesundheitsschutzes älterer Arbeitnehmer.

23

(1) Das mit der Urlaubsstaffelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD verfolgte Ziel lässt sich nicht mit ausreichender Deutlichkeit aus dem Wortlaut des § 26 TVöD entnehmen. § 26 TVöD normiert ausweislich seiner Überschrift den Erholungsurlaub. Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 TVöD haben Beschäftigte in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts. § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD legt die Dauer dieses Erholungsurlaubs fest. Der Begriff des Erholungsurlaubs wird dabei nicht näher definiert und ist dem BUrlG entlehnt, auf das § 26 Abs. 2 TVöD im Übrigen verweist. Der Erholungsurlaub nach dem BUrlG soll nach der Gesetzesbegründung dem sozialpolitischen Anliegen der Erhaltung und Wiederauffrischung der Arbeitskraft der Arbeitnehmer dienen (vgl. den schriftlichen Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit, BT-Drucks. IV/785; Begründung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Bundesurlaubsgesetzes, BT-Drucks. IV/207). Durch den Erholungsurlaub wird dem Arbeitnehmer die Möglichkeit gesichert, für eine bestimmte Dauer im Jahr, die ihm eingeräumte Freizeit zur selbstbestimmten Erholung zu nutzen (st. Rspr., vgl. BAG 20. Juni 2000 - 9 AZR 405/99 - zu II 2 b bb 1 der Gründe, BAGE 95, 104; 8. März 1984 - 6 AZR 600/82 - zu II 5 b der Gründe, BAGE 45, 184; ebenso st. Rspr. des EuGH zum Jahresurlaub nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG , EuGH 22. No-vember 2011 - C-214/10 - [KHS] Rn. 31, AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 6 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 7; 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06  - [Schultz-Hoff] Rn. 25, Slg. 2009, I-179). Wenn eine Tarifregelung die Urlaubsdauer nach dem Lebensalter staffelt, liegt die Annahme nahe, die Tarifvertragsparteien hätten einem mit zunehmendem Alter gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollen. Die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD rechtfertigt eine solche Annahme freilich nicht, sondern schließt sie aus.

24

(2) Das folgt bereits aus dem Inhalt der Regelung. Die Tarifvorschrift räumt den Beschäftigten schon ab dem 30. Lebensjahr drei weitere Urlaubstage ein. Dafür, dass die Tarifvertragsparteien von einem so deutlich gesteigertem Erholungsbedürfnis bereits nach der Vollendung des 30. Lebensjahres ausgegangen sind, fehlt jeder Anhaltspunkt. Gegen eine solche Annahme spricht auch, dass die Tarifvertragsparteien den Beschäftigten nach der Vollendung des 40. Lebensjahres letztmals nur einen weiteren Urlaubstag gewährt und davon abgesehen haben, ein gesteigertes Erholungsbedürfnis des Beschäftigten in der Zeit bis zum Erreichen des gesetzlich festgelegten Alters für den Bezug der Regelaltersrente (§ 33 Abs. 1 Buchst. a TVöD) zu berücksichtigen. Hätten die Tarifvertragsparteien ein gesteigertes Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter vor Augen gehabt, hätten sie nicht einem 30-Jährigen einen gegenüber einem 29-jährigen Beschäftigten um drei Tage längeren Urlaub gewährt, nach der Vollendung des 40. Lebensjahres des Beschäftigten eine wesentlich geringere Steigerung des Erholungsbedürfnisses angenommen und für die Zeit danach bis zum Erreichen des gesetzlich festgelegten Alters für den Bezug der Regelaltersrente ein zunehmendes Erholungsbedürfnis des Beschäftigten überhaupt nicht mehr berücksichtigt (vgl. Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 478). Auch das Schrifttum nimmt ganz überwiegend an, dass eine tarifliche Urlaubsstaffelung nicht schon auf die Vollendung des 30. bzw. des 40. Lebensjahres abstellen darf, wenn sie einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen will (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22; Tempelmann/Stenslik DStR 2011, 1183, 1186; Richter Benachteiligung wegen des Alters im Erwerbsleben S. 170; Meinel/Heyn/Herms § 10 Rn. 42b; AGG/Voigt § 10 Rn. 33; Hey AGG § 10 Rn. 28; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdle ZTR 2006, 622, 623; Linck/Schütz FS Leinemann S. 181 f.; Senne Auswirkungen des europäischen Verbots der Altersdiskriminierung auf das deutsche Arbeitsrecht S. 269; Bertelsmann ZESAR 2005, 242, 246). Selbst wenn die Erholungsbedürftigkeit von Arbeitnehmern mit zunehmendem Lebensalter steigen sollte (zweifelnd Däubler/Bertzbach/Brors § 10 Rn. 50; aA Waltermann NZA 2005, 1265, 1269), hätte es mit dem Schutz älterer Arbeitnehmer nichts zu tun, bereits mit dem 30. Lebensjahr eine erste Verlängerung des Urlaubsanspruchs um drei Tage und die zweite und zugleich letzte Verlängerung um einen weiteren Urlaubstag bereits mit Vollendung des 40. Lebensjahres vorzusehen (so auch Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22; Adomeit/Mohr § 10 Rn. 105; so bereits zu § 48 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). Es fehlt in beiden Stufen an dem erkennbaren Schutz Älterer. Die Verlängerung des Urlaubsanspruchs bereits mit dem vollendeten 30. Lebensjahr lässt sich kaum mit der Erhaltung der Leistungsfähigkeit Älterer begründen. Auch mit der Vollendung des 40. Lebensjahres hat ein Beschäftigter regelmäßig allenfalls die Mitte seines Erwerbsalters erreicht (vgl. auch Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). Hätten die Tarifvertragsparteien gemäß der Ansicht des Beklagten ein gesteigertes Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter berücksichtigen wollen, hätten sich die gewählten Altersgrenzen nicht an dem mit dem Alter zunehmenden Erholungsbedürfnis orientiert und wären willkürlich.

25

(3) Gerade dieser Umstand bestätigt, dass die Tarifvertragsparteien mit der Regelung in § 26 TVöD weder den Schutz der Gesundheit bezweckten noch einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollten. Hätten sie diese Ziele verfolgt, hätte es nahe gelegen, gerade für die älteren Beschäftigten, zB die Gruppe der über 50- oder über 60-jährigen Beschäftigten, die Dauer des Erholungsurlaubs zu verlängern. Bei dieser Personengruppe ist ein altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis eher nachvollziehbar. Ein solches Schutzbedürfnis für die über 50-Jährigen haben die Tarifvertragsparteien aber nur hinsichtlich der Beschränkung der Höchstdauer des Gesamturlaubs bei besonders belastenden Arbeiten (Schicht- und Wechselschicht) gesehen. Das folgt aus § 27 Abs. 4 Satz 4 TVöD. Danach erhöht sich ab diesem Lebensalter die maximal erreichbare Gesamturlaubsdauer von jährlich 35 auf 36 Arbeitstage.

26

(4) Die Tarifgeschichte bestätigt, dass die Tarifvertragsparteien mit der Urlaubsstaffel nicht einem mit dem Lebensalter steigenden Erholungsbedürfnis Rechnung tragen wollten. Bereits seit dem Inkrafttreten des BAT wurde die Urlaubsdauer an das Lebensalter geknüpft (§ 48 Abs. 1 BAT). Sie steigerte sich auch nach dem vollendeten 30. Lebensjahr und nach dem vollendeten 40. Lebensjahr. Innerhalb der Lebensaltersstufen verlängerte sich die Urlaubsdauer teilweise nach Vergütungsgruppen. Je höher der Angestellte eingruppiert war, je länger war sein Urlaubsanspruch. Dies zeigt, dass nicht der Erholungszweck maßgebend für die Urlaubsdauer sein sollte. Der Urlaub wurde vielmehr als Quasi-Gegenleistung für die Arbeitsleistung geregelt. Nur so lässt sich die normierte Abhängigkeit der Urlaubsdauer von der Vergütungsgruppe erklären. Es kann deshalb nicht angenommen werden, die Tarifvertragsparteien hätten bei Angestellten in höheren Vergütungsgruppen ein gesteigertes Erholungsbedürfnis ausgleichen wollen. Die Differenzierung resultiert vielmehr aus der überkommenen Auffassung, der Urlaub werde „verdient“.

27

5. Die Diskriminierung der Klägerin kann nur durch die Verpflichtung des Beklagten beseitigt werden, der Klägerin für die Jahre 2008 und 2009 jeweils einen Ersatzurlaubstag zu gewähren. Zwar folgt aus § 7 Abs. 2 AGG nur, dass die diskriminierende Regelung unwirksam ist. Auch wird vom Senat nicht verkannt, dass es sich bei § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD um ein Stufensystem handelt, sodass grundsätzlich keine Stufe als die von den Tarifvertragsparteien als „übliche“ Urlaubsdauer gewollte angesehen werden kann. Jedoch kann die Beseitigung der Diskriminierung vorliegend nur durch eine Anpassung „nach oben“ erfolgen.

28

a) Grundsätzlich ist es Aufgabe der Tarifvertragsparteien, eine benachteiligungsfreie Regelung zu treffen, wofür ihnen verschiedene Möglichkeiten zu Verfügung stehen. Doch scheidet eine Aussetzung des Rechtsstreits unter Fristsetzung zur Lückenschließung durch die Tarifvertragsparteien selbst von vornherein aus (aM Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 23). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind für den Fall, dass gesetzliche oder tarifvertragliche Regelungen eine mit der Richtlinie unvereinbare Diskriminierung vorsehen, die nationalen Gerichte gehalten, die Diskriminierung auf jede denkbare Weise und insbesondere dadurch auszuschließen, dass sie die Regelung für die nicht benachteiligte Gruppe auch auf die benachteiligte Gruppe anwenden, ohne die Beseitigung der Diskriminierung durch den Gesetzgeber, die Tarifvertragsparteien oder in anderer Weise abzuwarten (vgl. so bereits zur Richtlinie 76/207/EWG: EuGH 20. März 2003 - C-187/00 - [Kutz-Bauer] Rn. 75, Slg. 2003, I-2741). Auch nach Art. 9 Abs. 3 GG in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wäre eine Aussetzung grundsätzlich allenfalls zur Beseitigung einer Diskriminierung für die Zukunft geboten(vgl. BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 28, NZA 2012, 161). Vorliegend geht es jedoch um die Beseitigung einer Diskriminierung in der Vergangenheit.

29

b) Die Benachteiligung der Klägerin kann nicht auf andere Weise für die Jahre 2008 und 2009 ausgeschlossen werden. Ein Rückgriff auf den noch unterhalb der Eingangstufe des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD liegenden gesetzlichen Mindesturlaub gemäß den §§ 1, 3 BUrlG in Höhe von 20 Arbeitstagen bei einer Fünftagewoche ist hierzu nicht geeignet(aM Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 483; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand Februar 2012, § 26 Rn. 163.5). Der von den §§ 1, 7 AGG bzw. Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgte Zweck, Benachteiligungen zu verhindern oder zu beseitigen, würde nicht erreicht. Da diskriminierende Maßnahmen oder Vereinbarungen nicht hingenommen und ihre Fortwirkung nicht akzeptiert werden darf (vgl. ErfK/Schlachter § 7 AGG Rn. 5), ist auch nicht auf die Eingangsstufe des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD mit 26 Urlaubstagen abzustellen. Hätte die Klägerin nur Anspruch auf die erste Stufe der Urlaubsstaffel, fehlte es an einer Sanktion, die einen tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutz gewährt und abschreckende Wirkung hat (vgl. zu diesem Aspekt: BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 18 ff., NZA 2012, 161).

30

c) Hingegen ist eine Anpassung „nach oben“ zur Beseitigung einer Altersdiskriminierung im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gerechtfertigt, wenn auf andere Weise die Diskriminierung nicht behoben werden kann, weil der Arbeitgeber den Begünstigten für die Vergangenheit die Leistung nicht mehr entziehen kann (vgl. ausführlich: BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 20 ff., NZA 2012, 161). Dies ist vorliegend der Fall. Der den begünstigten Beschäftigten in den Jahren 2008 und 2009 gewährte Urlaub von jährlich 30 Arbeitstagen kann nicht rückwirkend auf 29 oder 26 Arbeitstage begrenzt werden. Die als Urlaub bereits gewährte Freizeit ist nicht kondizierbar.

31

d) Schließlich steht der Anpassung „nach oben“ auch nicht § 15 Abs. 3 AGG entgegen. Danach ist der Arbeitgeber bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fährlässig handelt. Diese Bestimmung bezieht sich allein auf die immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG(vgl. BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 38, NZA 2012, 161; ErfK/Schlachter § 15 AGG Rn. 13) und verhält sich nicht zur Beseitigung einer Diskriminierung durch eine den Diskriminierungsverboten genügende Regelung.

32

e) Der Beklagte kann auch keinen Vertrauensschutz in Anspruch nehmen. In den Jahren 2008 und 2009 galt bereits das am 18. August 2006 in Kraft getretene AGG. Dieses nimmt Dauerschuldverhältnisse und damit auch Arbeitsverhältnisse ebenso wenig wie Tarifverträge aus, die vor dem Inkrafttreten des AGG bereits abgeschlossen waren. Übergangsvorschriften oder Vertrauensschutzregelungen sind insoweit in § 33 AGG nicht vorgesehen. Gemäß § 1 AGG ist ua. Ziel dieses Gesetzes, Benachteiligungen aus Gründen des Alters nicht nur zu verhindern, sondern auch zu beseitigen. Die damit einhergehende unechte Rückwirkung ist zulässig. Der zeitliche Geltungsbereich wird je nach Lage der Verhältnisse im Einzelfall nur durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes beschränkt (vgl. so bereits zu § 81 Abs. 2 SGB IX aF: BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 38, BAGE 129, 72). Dies setzt jedoch in jedem Fall das Vorliegen eines schutzwürdigen Vertrauens voraus, das vorliegend nicht gegeben ist, selbst wenn man die Grundsätze zum Vertrauensschutz bei unechter Rückwirkung von Gesetzen anwendet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Grundsatz des Vertrauensschutzes nur dann verletzt, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (vgl. BVerfG 10. August 2006 - 2 BvR 563/05  - Rn. 14, BVerfGK 9, 28). Zum einen dient das AGG der Umsetzung von EU-Richtlinien zum Schutz vor Diskriminierung im Bereich Beschäftigung und Beruf und enthält insoweit insbesondere im Bereich der Altersdiskriminierung unionsrechtlich verankerte notwendige und bedeutende Regelungen. Zum anderen wäre ein Vertrauen in den Fortbestand der angewandten tarifvertraglichen Regelungen nicht schutzwürdig. Denn die Richtlinie 2000/78/EG wurde schon im Jahr 2000 erlassen und stellt in Art. 16 Buchst. b ausdrücklich klar, dass die Diskriminierungsverbote auch auf tarifvertragliche Bestimmungen Anwendung finden. Nach Art. 18 der Richtlinie 2000/78/EG war diese zudem spätestens zum 2. Dezember 2006 in nationales Recht umzusetzen. Der Beklagte musste ebenso wie die Tarifvertragsparteien damit rechnen, dass tarifvertragliche Regelungen auch am Verbot der Altersdiskriminierung gemessen werden. Deshalb konnte der Beklagte nicht darauf vertrauen, dass auch nach Inkrafttreten des AGG die Urlaubsstaffelregelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD zulässig war, zumal in der Gesetzesbegründung zum AGG die Anknüpfung an das bloße Lebensalter als Mindestgrenze für mit der Beschäftigung verbundener Vorteile nicht unkritisch gesehen wurde(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 36) und im Schrifttum nicht nur vereinzelt die Unwirksamkeit des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD wegen Verstoßes gegen das Verbot der Altersdiskriminierung angenommen wurde (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22 mwN; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdtle ZTR 2006, 622, 623 mwN; so bereits zu § 48 Abs. 1 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156).

33

6. Die Klägerin hat Anspruch auf Ersatzurlaub gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB. Die Resturlaubsansprüche für die Jahre 2008 und 2009 waren mangels Vorliegens eines Übertragungsgrundes nach § 26 Abs. 1 Satz 6 TVöD iVm. § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG zum 31. Dezember des jeweiligen Jahres verfallen. Diesen Untergang hat der Beklagte zu vertreten, weil er sich mit der Gewährung des Urlaubs in Verzug befand.

34

a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus Verzug gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB liegen vor. Die Klägerin hatte in den Jahren 2008 und 2009 Anspruch auf jeweils 30 Urlaubstage. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wandelt sich der Urlaubsanspruch in einen Schadensersatzanspruch um, der auf Gewährung von Ersatzurlaub als Naturalrestitution gerichtet ist, wenn der Arbeitgeber den rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt und der Urlaub aufgrund seiner Befristung verfällt ( BAG 11. April 2006 - 9 AZR 523/05  - Rn. 24, AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116).

35

b) Die Klägerin machte mit Schreiben vom 5. November 2008 unter der Überschrift „Geltendmachung von Urlaubsansprüchen“ Urlaub in Höhe von 30 Tagen nach dem TVöD geltend und bat zudem, den Urlaubsanspruch auch für die Zukunft entsprechend anzupassen. Dahingestellt bleiben kann, ob dies schon ein konkretes Verlangen beinhaltet hat, den Urlaub in den Jahren 2008 und 2009 zu gewähren. Nach der Rechtsprechung des Senats ist hierfür zumindest erforderlich, dass der Arbeitgeber nach den Grundsätzen des § 133 BGB davon ausgehen muss, der Arbeitnehmer wünsche ab einem bestimmten Zeitpunkt Erholungsurlaub(vgl. BAG 17. November 2009 - 9 AZR 745/08 - Rn. 45; 11. April 2006 -  9 AZR 523/05  - Rn. 28, AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116). Maßgebend ist, dass der Beklagte mit Schreiben vom 28. November 2008 erklärt hat, er lehne den Antrag auf Verlängerung des Urlaubs „auf 30 Tage vor Erreichen des 41. Lebensjahres“ ab, weil der Klägerin nach dem für ihn verbindlichen § 26 Abs. 1 TVöD derzeit nur 29 Urlaubstage zustünden. Aus objektiver Empfängersicht lag darin eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung des Beklagten als Schuldner des Urlaubsanspruchs, die gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine Mahnung der Klägerin entbehrlich machte(vgl. BAG 31. Januar 1991 - 8 AZR 462/89  - zu II der Gründe). Denn der Beklagte gab mit diesem Schreiben vor Ablauf des Urlaubsjahres 2008 klar zu erkennen, dass er nicht bereit sei, im laufenden Jahr mehr als 29 Tage Urlaub zu gewähren. Hinsichtlich des weiteren Urlaubstags für das Jahr 2009 folgt der Verzug des Beklagten zudem daraus, dass er jedenfalls mit dem Antrag auf Klageabweisung vom 24. April 2009 und somit vor Ablauf des Urlaubsjahres 2009 zu erkennen gegeben hat, den weiteren Urlaubstag auch im Jahr 2009 nicht gewähren zu wollen. Darin lag ebenso seine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung als Schuldner des Urlaubsanspruchs, die gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine Mahnung der Klägerin ebenfalls entbehrlich machte(vgl. BAG 17. Mai 2011 - 9 AZR 197/10 - Rn. 14, EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 138; 31. Januar 1991 - 8 AZR 462/89  - zu II der Gründe).

36

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

        

        

    Preuß    

        

    Neumann-Redlin    

        

        

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 7. September 2012 - 6 Sa 709/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe des jährlichen Urlaubsanspruchs.

2

Die Beklagte stellt Schuhe her. Die am 10. April 1960 geborene Klägerin ist bei ihr seit dem 1. Juli 1994 als Produktionsmitarbeiterin beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 13. November 2000 ist ua. vereinbart, dass der jährliche Urlaubsanspruch 34 Arbeitstage beträgt. Die Beklagte gewährt allen Arbeitnehmern, die das 58. Lebensjahr vollendet haben, 36 Arbeitstage Jahresurlaub, ohne dass individuelle Vereinbarungen über einen höheren Jahresurlaub vorliegen. Die übrigen Beschäftigten erhalten jährlich 34 Urlaubstage.

3

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Urlaubsregelung sei altersdiskriminierend. Die Behauptung, ältere Mitarbeiter benötigten im Produktionsbetrieb längere Erholungsphasen, sei durch die darlegungsbelastete Beklagte nicht dargetan. Das Bundesurlaubsgesetz stelle bezüglich der Dauer des Urlaubs weder auf die physische Belastung noch auf das Alter der Arbeitnehmer ab. Die Beklagte habe keinen Grund genannt, warum ein gesteigertes Erholungsbedürfnis ausgerechnet mit 58 Jahren eintrete. Zudem könne mit lediglich zwei zusätzlichen Urlaubstagen ein etwaiger höherer Erholungsbedarf nicht ausgeglichen werden. Bei einem stetig steigenden Erholungsbedarf müsste jedenfalls auch die Urlaubsdauer gestaffelt werden. Bei anderen Arbeitnehmergruppen sei ein erhöhter Erholungsbedarf nachvollziehbar. Diese würden jedoch nicht begünstigt. So seien jüngere Arbeitnehmer durch Familie und Beruf oftmals stärker beansprucht als ältere. Die Beklagte habe ihr zur Beseitigung der Diskriminierung jährlich zwei weitere Urlaubstage zu gewähren.

4

Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr 36 Arbeitstage Erholungsurlaub zu gewähren.

5

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, ihre Urlaubsregelung beinhalte keine Diskriminierung. Nach der Lebenserfahrung benötigten ältere Arbeitnehmer, die körperlich ermüdende und schwere Arbeiten verrichten, längere Erholungszeiten als jüngere. Zwei zusätzliche Urlaubstage seien angemessen.

6

Das Arbeitsgericht hat die Klage - soweit für die Revision von Bedeutung - abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Feststellungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, der Klägerin auch schon vor der Vollendung der 58. Lebensjahres insgesamt 36 Arbeitstage Erholungsurlaub pro Jahr zu gewähren.

8

I. Die Klage ist in der gebotenen Auslegung zulässig, insbesondere besteht das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.

9

1. Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer den Umfang des ihm zustehenden Urlaubs gerichtlich festgestellt wissen will, nicht entgegen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 9, BAGE 141, 73; 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - Rn. 13 ff., BAGE 137, 328).

10

2. Die am 10. April 1960 geborene Klägerin hat ein rechtlich anerkennenswertes Interesse daran, alsbald zu erfahren, ob ihr bereits vor der Vollendung ihres 58. Lebensjahres zwei weitere Urlaubstage pro Jahr zustehen. Ihr Antrag bezieht sich dem Wortlaut nach zwar auf den gesamten Jahresurlaub. Er kann jedoch so ausgelegt werden, dass er sich nur auf zwei weitere Urlaubstage im Kalenderjahr bezieht. Zwischen den Parteien besteht kein Streit, dass der Klägerin die vertraglich vereinbarten 34 Urlaubstage pro Jahr zustehen. Die Klägerin hat im Laufe des Verfahrens deutlich gemacht, dass der Antrag auf die Feststellung des Bestehens zweier zusätzlicher Urlaubstage gerichtet ist. Darüber hinaus hat das Landesarbeitsgericht den Klageantrag zutreffend so verstanden, dass er vergangene Urlaubsjahre nicht erfasst. Es handelt sich um einen gegenwartsbezogenen Feststellungsantrag, für dessen Entscheidung grundsätzlich auf die Sachlage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht abzustellen ist (vgl. BAG 15. Mai 2013 - 7 AZR 494/11 - Rn. 15 ff.).

11

II. Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen vor Vollendung ihres 58. Lebensjahres nicht gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 iVm. § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG zwei weitere Urlaubstage zu. Die Urlaubsregelung ist nicht gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam und führt somit bezüglich der Dauer des Urlaubs der Klägerin nicht zu einer „Anpassung nach oben“(siehe dazu BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 27 ff., BAGE 141, 73; vgl. aber auch BAG 14. Mai 2013 - 1 AZR 44/12 - Rn. 25, BAGE 145, 113).

12

1. Es liegt zwar eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor. Diese ist jedoch gemäß § 10 Satz 1, 2 und Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt.

13

a) Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Unter Alter iSd. § 1 AGG ist das Lebensalter zu verstehen. Dies folgt aus dem Wortlaut des Gesetzes und aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/1780 S. 31; BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 14, BAGE 141, 73; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 36, BAGE 129, 181). Eine unmittelbare Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 1 AGG gegeben, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Der für eine unmittelbare Benachteiligung erforderliche Kausalzusammenhang ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere in § 1 AGG genannte Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - aaO mwN).

14

b) Daran gemessen liegt eine unmittelbare Ungleichbehandlung wegen des Alters vor. Die Urlaubsregelung knüpft die Gewährung von zwei weiteren Urlaubstagen an die Vollendung des 58. Lebensjahres und damit unmittelbar an das Lebensalter der Beschäftigten. Arbeitnehmer, die diese Altersgrenze nicht erreicht haben, werden wegen ihres Alters ungünstiger behandelt.

15

c) Die Ungleichbehandlung ist jedoch gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt. Die Regelung bezweckt bei Berücksichtigung eines Gestaltungs- und Ermessensspielraums der Beklagten den in dieser Bestimmung genannten Schutz älterer Beschäftigter und ist geeignet, erforderlich und angemessen im Sinne von § 10 Satz 2 AGG.

16

aa) Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG konkretisiert ua. das legitime Ziel der Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter, wobei dieser Schutz auch die Festlegung besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließen kann (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73).

17

bb) § 10 AGG dient der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16) in das nationale Recht (BAG 18. März 2014 - 3 AZR 69/12 - Rn. 21). Der Gesetzgeber hat bei der Umsetzung den Text der Richtlinie nahezu wörtlich in das nationale Recht übernommen. Dessen Regelungen sind unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszulegen (vgl. BAG 14. März 2012 - 7 AZR 480/08 - Rn. 30).

18

cc) Dem Arbeitgeber steht bei freiwilligen zusätzlichen Leistungen - wozu auch die Gewährung von übergesetzlichem Mehrurlaub gehört - ein von den Gerichten zu respektierender Gestaltungs- und Ermessensspielraum zu (vgl. zu Leistungen der betrieblichen Altersversorgung: BAG 12. November 2013 - 3 AZR 356/12 - Rn. 28; 12. Februar 2013 - 3 AZR 100/11 - Rn. 31 mwN, BAGE 144, 231). Auch in der Rechtsprechung des EuGH ist anerkannt, dass die Mitgliedstaaten und gegebenenfalls die Sozialpartner auf nationaler Ebene beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts nicht nur bei der Entscheidung, welches konkrete Ziel von mehreren im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik sie verfolgen wollen, sondern auch bei der Festlegung der Maßnahmen zu seiner Erreichung über einen weiten Gestaltungsspielraum verfügen (EuGH 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Rn. 68, Slg. 2007, I-8531). Diese Erwägungen gelten nach dem EuGH auch für Ziele, die der Arbeitgeber mit einer vertraglichen Regelung verfolgt (vgl. EuGH 26. September 2013 - C-476/11 - [HK Danmark] Rn. 61).

19

dd) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Benachteiligung der Arbeitnehmer der Beklagten, die das 58. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, gerechtfertigt.

20

(1) Die Beklagte gewährt den Arbeitnehmern in ihrem Produktionsbetrieb nach der Vollendung des 58. Lebensjahres aufgrund ihres gesteigerten Erholungsbedürfnisses zwei weitere Urlaubstage im Kalenderjahr und bezweckt damit die Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. Da dieser Schutz die Festlegung besonderer Arbeitsbedingungen einschließt (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73), unterfallen ihm auch zusätzliche Urlaubstage.

21

(a) Das AGG definiert in § 10 Satz 3 Nr. 1 - ebenso wie Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG - nicht, wann ein Beschäftigter „älter“ im Sinne der Norm ist (vgl. zum herkömmlichen Verständnis: BAG 18. September 2014 - 6 AZR 636/13 - Rn. 44). Nach dem Sinn und Zweck des Benachteiligungsverbots reicht es ohne das Vorliegen anderer Differenzierungsgründe nicht aus, dass das Alter der begünstigten Arbeitnehmer höher ist als das Alter der nicht begünstigten. Dementsprechend hat der Senat angenommen, ein Arbeitnehmer sei nach der Vollendung seines 31. Lebensjahres offensichtlich noch kein älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 55, BAGE 132, 210). Aus dem systematischen Zusammenhang mit § 10 Satz 1 AGG und aus dem Regelungszweck folgt, dass die begünstigten Arbeitnehmer aufgrund ihres Alters der Förderung bei der beruflichen Eingliederung oder des Schutzes bedürfen müssen.

22

(aa) Der Senat ist in seiner Entscheidung vom 20. März 2012 nicht davon ausgegangen, dass mit zunehmenden Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steige. Er hat allerdings ab einem bestimmten Alter - konkret: bei über 50- oder über 60-jährigen Beschäftigten - ein altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis für „eher nachvollziehbar“ gehalten (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 24 f., BAGE 141, 73).

23

(bb) Das Landesarbeitsgericht hat in Übereinstimmung mit der überwiegenden Auffassung im Schrifttum als Erfahrungssatz angenommen, dass mit zunehmenden Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steigt (so auch Tempelmann/Stenslik DStR 2011, 1183, 1185 f.; Lingemann/Gotham NZA 2007, 663, 666; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 143 f.; Waltermann NZA 2005, 1265, 1269; Over Das Verbot der Altersdiskriminierung im Arbeitsrecht nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz S. 231; Küttner/Kania Personalbuch 2014 Diskriminierung Rn. 90; vgl. auch Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 - zu II 2 b cc (3) (a) der Gründe mwN). Diese Ansicht ist allerdings nicht unumstritten. So wird auf die Individualität der Alterungsprozesse und den fehlenden Nachweis von Altersklassen mit spezifischem Erholungsbedarf hingewiesen (Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 1 Rn. 822). Die Aufstellung eines generellen Erfahrungssatzes soll dem traditionellen Bild vom „alten Arbeitnehmer“ entsprechen (Däubler/Bertzbach/Brors 3. Aufl. § 10 Rn. 43). Auch wird hervorgehoben, dass der Gesetzgeber in § 3 BUrlG bezüglich der Dauer des Urlaubs nicht nach dem Lebensalter der Arbeitnehmer unterscheide und demnach nicht von einem unterschiedlichen Erholungsbedürfnis ausgehe(Bertelsmann in Rust/Falke AGG § 10 Rn. 93). Auch auf europäischer Ebene sehe Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG vier Wochen Urlaub einheitlich für alle Berufsgruppen altersunabhängig vor(v. Roetteken AGG Stand September 2014 § 10 Rn. 262). Verlangt wird zumindest die Darlegung eines empirischen Befunds zum steigenden Erholungsbedarf unter Beachtung der Tätigkeit bevorzugter Arbeitnehmer (Däubler/Bertzbach/Brors aaO; aA Kasprzyk Altersdiskriminierung im deutschen Arbeitsrecht S. 185).

24

(b) Erfahrungssätze sind Hilfsmittel. Die Feststellung von allgemein anerkannten Erfahrungssätzen ist als Tatfrage den Tatsachengerichten vorbehalten. Dabei ist es diesen nicht verwehrt, das Bestehen oder Nichtbestehen eines Erfahrungssatzes zu beurteilen, wenn sie dazu über ausreichende Sachkunde und Lebenserfahrung verfügen. Andernfalls haben sie sich der Hilfe eines Sachverständigen zu bedienen. Die Zuziehung eines Sachverständigen zur Unterstützung des Gerichts ist gemäß § 144 Abs. 1 ZPO durch die Tatsachengerichte stets nach pflichtgemäßen Ermessen zu prüfen(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 65 mwN, BAGE 132, 210; vgl. allg. zu Erfahrungssätzen: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 73. Aufl. Einf. § 284 Rn. 22).

25

(c) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Landesarbeitsgericht von der Zuziehung eines Sachverständigen abgesehen hat. Dieses durfte aufgrund der von ihm festgestellten körperlich anstrengenden Tätigkeiten im Produktionsbetrieb der Beklagten auch ohne Sachverständigengutachten annehmen, dass das Erholungsbedürfnis der dort beschäftigten Arbeitnehmer mit zunehmenden Alter steigt. Ob es einen tätigkeitsunabhängigen generellen Zusammenhang zwischen dem Erholungsbedarf und dem Alter gibt (so etwa Kamanabrou aaO), kann dahinstehen.

26

(aa) Die Annahme eines Erfahrungssatzes dahin gehend, dass bei körperlich belastenden Berufen das Erholungsbedürfnis im höheren Alter steigt, begegnet keinen Bedenken. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die physische Belastbarkeit mit zunehmendem Alter abnimmt (etwa BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 67 mwN, BAGE 132, 210; Bayerischer VGH 24. Oktober 2011 - 3 ZB 08.721 - zu II 1 b der Gründe). Dieser Erfahrungssatz betrifft auch den Wirkungszusammenhang von erreichtem Lebensalter und Krankheitsanfälligkeit (Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 - zu II 2 b cc (3) (a) der Gründe mwN). Alle bekannten privaten und öffentlichen Systeme der Kranken-, Renten- und Lebensversicherung beruhen auf dieser Erwartung (BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 54, BAGE 128, 238). Entgegen der Ansicht der Klägerin kommen auch nicht lediglich Studien älteren Datums - wie etwa die ILO-Empfehlung Nr. 162 vom 23. Juni 1980 oder der WHO Technical Report Series 835 „Aging and Working Capacity” (dt. Übersetzung: „Altern und Arbeit“ 1994) - zu diesem Ergebnis. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden bestätigt zB durch den „Fortschrittsreport ‚Altersgerechte Arbeitswelt“, Ausgabe 3 des Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Stand September 2013). Nach diesem hat sich zwar die körperliche Konstitution besonders für die Altersgruppe der 45- bis 64-Jährigen verbessert (Ziff. 3.1). Dennoch zeigt die Studie weiterhin ein Ansteigen der Anzahl der krankheitsbedingten Fehltage sowie eine Verschlechterung des Gesundheitszustands mit fortschreitendem Lebensalter (Ziff. 4.2, Tabelle 2). Insbesondere bei belastenden Berufen nimmt die Anzahl krankheitsbedingter Fehltage im Alter überproportional zu und der Gesundheitszustand verschlechtert sich überproportional (vgl. Ziff. 4.2). Auch bei einfachen Dienstleistungen und einfachen manuellen Berufen verschlechtert sich der „selbstberichtete Gesundheitszustand in der Altersgruppe 55 bis 64 Jahre im Vergleich zum Durchschnitt“ immer noch deutlich (Ziff. 3.4). Zumindest hinsichtlich dieser Berufe erscheint die Annahme eines größeren Erholungsbedarfs im erhöhten Alter als nicht fehlerhaft (ebenso Reinhard ArbRB 2012, 342, 343). Auch Gegner eines allgemeinen Erfahrungssatzes gestehen zu, dass bei gesundheitlich besonders belastenden Tätigkeiten ein gesteigerter Erholungsbedarf mit zunehmendem Alter angenommen werden kann (v. Roetteken aaO; Däubler/Bertzbach/Brors aaO; Löwisch/Rieble § 1 Rn. 823).

27

Soweit das Landesarbeitsgericht auf die teilweise geforderte Darlegung spezifischer empirischer Untersuchungen bezogen auf die Tätigkeiten im Produktionsbetrieb der Beklagten verzichtet hat, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Durchführung derartiger Untersuchungen wäre praktisch aufwändig und schwierig (weiter gehend Kasprzyk aaO: „unmöglich“). Eine übersteigerte Darlegungslast würde die Einführung freiwilliger Leistungen unzumutbar erschweren. Die Feststellungen durch das Landesarbeitsgericht, dass die Beschäftigten der Beklagten bei der Schuhfertigung körperlich ermüdende und teils schwere Arbeiten leisten, verstärkt durch einen besonderen, prämienbezogenen Zeit- und Qualitätsdruck im Sinne eines Teamakkords, genügt danach als Tatsachenbasis für die Bejahung des dargestellten Erfahrungssatzes.

28

(bb) Der Hinweis auf die fehlende Altersstaffelung in § 3 BUrlG und Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG hilft der Klägerin für die Frage der Legitimität des Zwecks nicht weiter. Die Vorschriften regeln nur die Dauer des Mindesturlaubs und damit das unterste Maß dessen, was nach deutschem und europäischem Urlaubsrecht unabhängig von individuellen Besonderheiten zur Erholung erforderlich ist. Spezifische Charakteristika - wie das Alter oder der physische oder psychische Gesundheitszustand - bleiben bei der Setzung eines einheitlichen Minimalstandards naturgemäß außer Betracht. Auf nationaler Ebene kommt hinzu, dass der Gesetzgeber durchaus gesehen hat, dass es altersabhängig einen unterschiedlichen Erholungsbedarf geben kann, wie etwa § 57 Abs. 2 SeeArbG und § 19 Abs. 2 JArbSchG zeigen(siehe dazu v. Roetteken § 10 Rn. 263).

29

(d) Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Sicherstellung des Schutzes ihrer Arbeitnehmer nach Vollendung des 58. Lebensjahres als Zweck der zwei weiteren Urlaubstage vorgeschoben hat.

30

(aa) Allerdings ist dieser Zweck nicht unmittelbar der - nicht schriftlich fixierten - Regelung zu entnehmen. Nennt eine Regelung oder Maßnahme kein Ziel, müssen zumindest aus dem Kontext abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter der Regelung oder der Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, um die Legitimität des Ziels sowie die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüfen zu können (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 19 mwN, BAGE 141, 73; vgl. zur Richtlinie 2000/78/EG: EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 39 mwN, Slg. 2011, I-6919).

31

(bb) Wenn eine Tarifregelung die Urlaubsdauer nach dem Lebensalter staffelt, liegt die Annahme nahe, die Tarifvertragsparteien hätten einem mit zunehmendem Alter gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 23, BAGE 141, 73). Diese Annahme darf freilich nicht durch die konkrete Wahl der Altersgrenze(n) widerlegt werden, wie dies bei § 26 TVöD aF, der zusätzliche Urlaubstage bereits ab dem 30. Lebensjahr vorsah, der Fall war (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 24 ff., aaO).

32

(cc) Es ist kein Grund ersichtlich, bei einer individualrechtlichen Regelung nicht ebenfalls grundsätzlich davon auszugehen, dass mit einer Altersgrenze für die Gewährung zusätzlichen Urlaubs einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer Rechnung getragen werden soll. Diese Annahme erscheint umso mehr gerechtfertigt, wenn sie wie hier mit der Anerkennung eines Erfahrungssatzes bezüglich des gesteigerten Erholungsbedarfs bei körperlich belastenden Berufen korreliert. Hinzu kommt, dass die ständige Übung der Beklagten inhaltlich einer einschlägigen tarifvertraglichen Regelung entspricht. So sah der persönlich, fachlich und räumlich einschlägige Manteltarifvertrag vom 23. April 1997, abgeschlossen zwischen dem Hauptverband der Deutschen Schuhindustrie e. V. und der Gewerkschaft Leder sowie der IG BCE, für gewerbliche Arbeitnehmer in § 17 Ziff. 4 Buchst. a ab dem 58. Lebensjahr ebenfalls zwei zusätzliche Urlaubstage vor. Diese Regelung war im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht nicht durch eine neue Bestimmung abgeändert.

33

(dd) Schließlich widerlegt die Altersgrenze von 58 Lebensjahren nicht den Zweck, mit zwei weiteren Urlaubstagen im Kalenderjahr dem gesteigerten Erholungsbedürfnis Rechnung zu tragen. Dabei kann dahinstehen, ab welchem Alter die Annahme, der zusätzliche Urlaub diene dem höheren Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG, nicht mehr ohne Weiteres aufrechterhalten bzw. als widerlegt erachtet werden kann. Der Senat hat in der Entscheidung vom 20. März 2012 gemäß dem Rechtsgedanken aus § 417 Abs. 1 SGB III eine Altersgrenze von 50 Lebensjahren für die Einordnung als älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG in Betracht gezogen(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73; vgl. zu einer solchen Altersgrenze für die Gewährung zusätzlicher Urlaubstage: Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 -). Das Landesarbeitsgericht hat ergänzend darauf verwiesen, dass Leitlinie 17 der Entscheidung des Rates vom 12. Juli 2005 über Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten (2005/600/EG) Arbeitskräfte ab Vollendung des 55. Lebensjahres als ältere Arbeitnehmer erachtet und die WHO-Studiengruppe „Altern und Arbeit“ aus arbeitsmedizinischer Sicht wegen auftretender Schwierigkeiten in Arbeit und Beruf eine Grenze ab dem 45. Lebensjahr angenommen hat (zu A II 15 b bb (3) (b) der Gründe). Das Berufungsgericht hat damit nachvollziehbar begründet, warum es davon ausgeht, dass die Urlaubsregelung einem legitimen Zweck iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG dient und es diesen Zweck nicht lediglich als von der Beklagten vorgeschoben erachtet.

34

(2) Die Regelung ist geeignet, den in § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG beschriebenen Zweck zu fördern. Insbesondere kann die Klägerin nicht mit dem Argument gehört werden, dass die Gewährung von lediglich zwei Urlaubstagen ungeeignet sei, einen altersbedingt erhöhten Erholungsbedarf auszugleichen. Die Geeignetheit ist nicht deshalb zu verneinen, weil ein gestiegener Erholungsbedarf unter Umständen nicht vollständig, sondern nur partiell ausgeglichen wird. Gerade angesichts des vom Arbeitgeber bei einer freiwilligen Leistung selbst gesetzten Dotierungsrahmens wäre die Beschränkung auf einen Teilausgleich nachvollziehbar und zulässig. Zudem haben auch die Tarifvertragsparteien angesichts der Tätigkeit eines Produktionsmitarbeiters in der Schuhbranche zwei Tage Urlaub für geeignet und ausreichend erachtet. Dass die Beklagte sich die von den Sozialpartnern ausgehandelte Regelung zu eigen macht und im Rahmen ihres Ermessensspielraums eine entsprechende Regelung trifft, ist unter dem Aspekt der Geeignetheit der Regelung nicht zu beanstanden.

35

(3) Die Regelung ist auch erforderlich und angemessen (§ 10 Satz 2 AGG). Mildere Mittel, die in gleicher Weise den Schutz älterer Arbeitnehmer verwirklichen könnten, sind nicht ersichtlich.

36

(a) Die Wahl einer anderen, niedrigeren Altersgrenze stellte kein gleich wirksames, milderes Mittel mit geringerem altersspezifischen Effekt dar. Es handelte sich vielmehr um eine andere Maßnahme mit einem erhöhtem Dotierungsrahmen.

37

(b) Eine niedrigere Altersgrenze verbunden mit nur einem weiteren Urlaubstag im Kalenderjahr müsste zwar nicht zwingend zu einer Erhöhung des Dotierungsrahmens führen. Allerdings hätten dann Arbeitnehmer nach Vollendung des 58. Lebensjahres nicht mehr Anspruch auf den zweiten weiteren Urlaubstag, den die Beklagte im Einklang mit dem einschlägigen Tarifvertrag angesichts des gesteigerten Erholungsbedarfs im höheren Alter in der Schuhproduktion für notwendig erachtet. Der Gestaltungs- und Ermessensspielraum der Beklagten lässt auch im Rahmen der Erforderlichkeit und Angemessenheit die von ihr angewandte Regelung zu. Die Interessen der Beteiligten werden hinreichend berücksichtigt. Es werden lediglich in Übereinstimmung mit dem Abwägungsergebnis der Tarifvertragsparteien die Interessen der über 58-Jährigen an einem zusätzlichen Urlaubstag höher gewichtet als die Interessen der übrigen Beschäftigten, schon im jüngeren Alter einen zusätzlichen Urlaubstag zu erhalten.

38

(c) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Beklagte nicht verpflichtet, zusätzliche Urlaubstage nur nach dem individuell ermittelten Erholungsbedarf unter Einbeziehung altersunabhängiger Belastungsfaktoren, wie der Pflege und Betreuung von Kindern, sowie unter Berücksichtigung des individuellen Alterungsprozesses zu gewähren. Zwar mag es zutreffen, dass es weitere Belastungsfaktoren gibt, die zu einem gesteigerten Erholungsbedarf führen können. Jedoch wäre eine solche individuelle Regelung in vielerlei Hinsicht praktisch nicht oder nur mit großen Schwierigkeiten handhabbar. Dies gilt nicht nur bezüglich der Gewichtung der einzelnen (persönlichen) Belastungsfaktoren untereinander, sondern vor allem auch für deren Ermittlung durch die Beklagte. Auch der Gerichtshof der Europäischen Union hat anerkannt, dass bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Regelung im Hinblick auf das Verbot der Altersdiskriminierung zu beachten ist, dass die fragliche Regelung in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht handhabbar bleiben müsse, und deshalb nicht generell verlangt werden könne, dass immer jeder Einzelfall individuell geprüft werde (EuGH 19. Juni 2014 - C-501/12 ua. - [Specht ua.] Rn. 78). Unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten darf der Arbeitgeber daher im Sinne einer typisierenden Betrachtung in Ausübung seines Gestaltungsspielraums auch einen Grund für ein gesteigertes Erholungsbedürfnis - wie etwa das Alter in belastenden Berufen - als Differenzierungskriterium heranziehen. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG enthält kein Gebot, die dort genannten typischerweise besonders schutzbedürftigen Personengruppen (Jugendliche, ältere Beschäftigte und Personen mit Fürsorgepflichten) hinsichtlich besonderer Arbeitsbedingungen gleich zu behandeln.

39

2. Aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz folgt ebenfalls kein Anspruch der Klägerin auf die begehrten zwei zusätzlichen Urlaubstage. Ist - wie hier - die unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmergruppen aus einem in § 1 AGG genannten Grund unter den im AGG normierten Voraussetzungen zulässig, ist auch der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt(ebenso bezüglich des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes: BAG 17. September 2013 - 3 AZR 686/11 - Rn. 25 mwN). Eine sachwidrige Ungleichbehandlung kommt angesichts der Rechtfertigung gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG nicht in Betracht.

40

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

        

        

    M. Lücke    

        

    Kranzusch    

                 

Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 25. Mai 2012 - 9 Sa 64/12 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Ansprüche auf Höhergruppierungsgewinn.

2

Nach dem Arbeitsvertrag bestimmt sich das Arbeitsverhältnis der Parteien nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ersetzenden Tarifverträgen. Der Kläger war seit dem 19. Juli 2003 als Gruppenleiter in die Vergütungsgruppe IVb BAT eingruppiert.

3

Seit dem 1. Oktober 2005 richtet sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13. September 2005 (TVöD) und dem Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten des Bundes in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts vom 13. September 2005 (TVÜ-Bund). Entsprechend der bis zum 31. Dezember 2013 geltenden Anlage 2 zu § 4 Abs. 1 TVÜ-Bund erfolgte eine Überleitung des Klägers von der Vergütungsgruppe IVb BAT in die Entgeltgruppe 10 TVöD. Ausgehend von dem nach § 5 TVÜ-Bund zu bildenden Vergleichsentgelt wurde gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Bund eine Zuordnung des Klägers zu einer individuellen Zwischenstufe zwischen den Stufen 2 und 3 der Entgeltgruppe 10 TVöD vorgenommen.

4

Die Folgen eines bei der Überleitung noch ausstehenden Bewährungsaufstiegs regelt § 8 TVÜ-Bund. Dieser lautet in der Fassung des Änderungstarifvertrags Nr. 7 vom 5. September 2013 auszugsweise wie folgt:

         

§ 8 

        

Bewährungs- und Fallgruppenaufstiege

        

…       

        
        

(2)     

1Aus dem Geltungsbereich des BAT/BAT-O in eine der Entgeltgruppen 2 sowie 9 bis 15 übergeleitete Beschäftigte, die am 1. Oktober 2005 bei Fortgeltung des bisherigen Tarifrechts die für eine Höhergruppierung erforderliche Zeit der Bewährung oder Tätigkeit zur Hälfte erfüllt haben und in der Zeit zwischen dem 1. November 2005 und dem 30. September 2007 höhergruppiert wären, erhalten ab dem Zeitpunkt, zu dem sie nach bisherigem Recht höhergruppiert wären, in ihrer bisherigen Entgeltgruppe Entgelt nach derjenigen individuellen Zwischen- bzw. Endstufe, die sich ergeben hätte, wenn sich ihr Vergleichsentgelt (§ 5) nach der Vergütung aufgrund der Höhergruppierung bestimmt hätte. …

                 

3Ein etwaiger Strukturausgleich wird ab dem individuellen Aufstiegszeitpunkt nicht mehr gezahlt. 4Der weitere Stufenaufstieg richtet sich bei Zuordnung zu einer individuellen Zwischenstufe nach § 6 Abs. 1. …

        

(3)     

1Abweichend von Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 Satz 1 gelten die Absätze 1 bzw. 2 auf schriftlichen Antrag entsprechend für übergeleitete Beschäftigte, die bei Fortgeltung des BAT/BAT-O bis spätestens zum 31. Dezember 2013 wegen Erfüllung der erforderlichen Zeit der Bewährung oder Tätigkeit höhergruppiert worden wären, unabhängig davon, ob die Hälfte der erforderlichen Bewährungs- oder Tätigkeitszeit am Stichtag erfüllt ist. 2In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 erhalten Beschäftigte, die in der Zeit zwischen dem 1. Oktober 2007 und dem 31. Dezember 2013 bei Fortgeltung des BAT/BAT-O höhergruppiert worden wären, in ihrer bisherigen Entgeltgruppe Entgelt nach derjenigen individuellen Zwischen- oder Endstufe, die sich aus der Summe des bisherigen Tabellenentgelts und dem nach Absatz 2 ermittelten Höhergruppierungsgewinn nach bisherigem Recht ergibt; die Stufenlaufzeit bleibt hiervon unberührt. 3Bei Beschäftigten mit individueller Endstufe erhöht sich in diesen Fällen ihre individuelle Endstufe um den nach bisherigem Recht ermittelten Höhergruppierungsgewinn. …“

5

Der Kläger wäre im Rahmen eines Bewährungsaufstiegs nach dem BAT zum 19. Juli 2006 in die Vergütungsgruppe IVa BAT höhergruppiert worden. Die Beklagte leistete deshalb ab diesem Zeitpunkt einen Höhergruppierungsgewinn nach § 8 Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Bund. Der Kläger erhielt nunmehr eine Vergütung nach einer individuellen Zwischenstufe zwischen den Stufen 4 und 5 der Entgeltgruppe 10 TVöD. Zum 1. Oktober 2007 stieg er gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund in die Endstufe 5 der Entgeltgruppe 10 TVöD auf.

6

Mit seiner Klage hat er die Zahlung eines weiteren Höhergruppierungsgewinns nach § 8 Abs. 3 Satz 2 TVÜ-Bund verlangt. Ein Kollege, welcher erst seit dem 1. Januar 2005 als Gruppenleiter fungiere und bei Fortgeltung des BAT zum 1. Januar 2008 höhergruppiert worden wäre, erhalte einen solchen Höhergruppierungsgewinn. Dies verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Er übe dieselbe Tätigkeit wie dieser Kollege aus. Es sei nicht zu rechtfertigen, dass der Kollege wegen des Höhergruppierungsgewinns seit dem 1. Januar 2008 zeitlich unbefristet eine wesentlich höhere Vergütung beziehe. Der Unterschied werde durch die prozentualen Tariferhöhungen noch vergrößert. Bei der Berechnung der Differenz sei der ihm - dem Kläger - nach § 8 Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Bund zustehende Höhergruppierungsgewinn nicht zu berücksichtigen. Maßgeblich sei allein der Höhergruppierungsgewinn der Vergleichsperson. Demnach belaufe sich die monatliche Differenz im Jahr 2008 auf 439,93 Euro, im Jahr 2009 auf 452,25 Euro, im Jahr 2010 auf 457,67 Euro, im Jahr 2011 auf 460,42 Euro und im Jahr 2012 auf 426,70 Euro.

7

Die Komplexität des Übergangsrechts rechtfertige eine solch gravierende Ungleichbehandlung nicht. Eigentlich müsse die längere Berufserfahrung zu einem höheren Einkommen führen. Zumindest müsse dieselbe Tätigkeit in gleicher Höhe vergütet werden. Betroffen sei eine erhebliche Anzahl von Arbeitnehmern. Die Ungleichbehandlung stelle eine Altersdiskriminierung dar, da sie nur dann auftrete, wenn ein möglicher Bewährungsaufstieg bis zum 30. September 2007 stattgefunden hätte. Dies sei nur bei länger Beschäftigten und damit typischerweise älteren Mitarbeitern der Fall. Die Beklagte habe zudem die Frist zur Beantragung des Höhergruppierungsgewinns bis zum 31. Dezember 2008 verlängert und die von der Regelung des § 8 Abs. 3 Satz 2 TVÜ-Bund begünstigten Mitarbeiter zur Geltendmachung des Höhergruppierungsgewinns aufgefordert. Damit seien diese Beschäftigten nochmals besser-gestellt worden.

8

Die Ungleichbehandlung sei dadurch auszugleichen, dass er den Höhergruppierungsgewinn des vergleichbaren Mitarbeiters rückwirkend ab Januar 2008 und künftig erhalte. Dies entspreche auch einer Schadensersatzpflicht der Beklagten. Der Kläger hat bei Addition der jeweiligen monatlichen Differenzbeträge vor dem Landesarbeitsgericht daher zuletzt beantragt,

        

1.      

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Zeitraum 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2010 16.192,20 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz in im Einzelnen aufgeführter, gestaffelter Höhe zu zahlen;

        

2.      

die Beklagte zu verurteilen, rückständiges Bruttogehalt für die Zeit von Januar 2011 bis Dezember 2011 in Höhe von 5.525,04 Euro nebst Zinsen in Hhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz in im Einzelnen aufgeführter, gestaffelter Höhe zu zahlen;

        

3.    

die Beklagte zu verurteilen, rückständiges Bruttogehalt für die Zeit von Januar 2012 bis April 2012 in Höhe von 1.706,80 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz in im Einzelnen aufgeführter, gestaffelter Höhe zu zahlen;

        

4.      

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab Mai 2012 zusätzlich zu seinem derzeitigen Bruttogehalt in Höhe von 3.635,35 Euro einen weiteren Bruttobetrag in Höhe von monatlich 426,70 Euro abzurechnen und den Nettobetrag auszuzahlen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die einschlägigen Regelungen des TVÜ-Bund stellten weder einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG noch eine unzulässige Altersdiskriminierung dar. § 8 Abs. 3 TVÜ-Bund bezwecke ebenso wie § 8 Abs. 2 TVÜ-Bund einen finanziellen Ausgleich für den Verlust der Möglichkeit eines Bewährungsaufstiegs. In Einzelfällen komme es für begrenzte Zeiträume zwar zu einer finanziellen Besserstellung der von § 8 Abs. 3 Satz 2 TVÜ-Bund erfassten Beschäftigten. Dies stelle für die anderen Mitarbeiter aber keine unzumutbare Härte dar. Es handle sich um „Randunschärfen“ des Überleitungsrechts, welche angesichts dessen Komplexität schwer zu vermeiden seien. Der Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien sei jedenfalls nicht überschritten. Zudem sei die Klage unschlüssig. Der Kläger könne nicht den Höhergruppierungsgewinn eines nur hinsichtlich der Tätigkeit vergleichbaren Beschäftigten verlangen. Der Höhergruppierungsgewinn hänge von der Bildung des Vergleichsentgelts ab, welches die persönlichen Verhältnisse zum 30. September 2005 berücksichtige. Der Kläger lege keine Berechnung des für ihn maßgeblichen fiktiven Vergleichsentgelts dar.

10

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageziele weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen.

12

A. Die Klage ist auch hinsichtlich des Feststellungsantrags zulässig.

13

I. Der Feststellungsantrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, auch wenn er offenlässt, welcher Nettobetrag künftig auszuzahlen ist und § 254 ZPO nicht zur Anwendung kommt, da die Stufenklage eine Leistungsklage darstellt(vgl. BGH 17. Mai 2001 - I ZR 189/99 - Rn. 26). Aufgrund der Angabe des begehrten Bruttobetrags besteht für die Beklagte kein Zweifel bezüglich des Umfangs der streitgegenständlichen Verpflichtung.

14

II. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben. Der angestrebte feststellende Ausspruch ist trotz seiner nicht vollstreckbaren Wirkung geeignet, den Streit der Parteien über die gegenwärtigen und künftigen Ansprüche des Klägers auf Höhergruppierungsgewinn beizulegen und weitere Prozesse zwischen ihnen zu vermeiden. Das rechtfertigt die Annahme eines rechtlichen Interesses (vgl. BAG 29. Januar 2014 - 6 AZR 943/11 - Rn. 26).

15

B. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat dem Grunde nach keinen Anspruch auf den begehrten Höhergruppierungsgewinn. Zudem ist die Höhe der Klageforderung nicht schlüssig begründet.

16

I. Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass der Kläger die tariflichen Voraussetzungen nach § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Bund nicht erfüllt, da er bei Fortgeltung des BAT ab dem 1. Oktober 2007 nicht mehr höhergruppiert worden wäre. Sein fiktiver Bewährungsaufstieg erfolgte bereits zum 19. Juli 2006.

17

II. Die Beschränkung des Anspruchs auf Höhergruppierungsgewinn nach § 8 Abs. 3 Satz 2 TVÜ-Bund auf Fälle der fiktiven Höhergruppierung ab dem 1. Oktober 2007 verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Die Tarifvertragsparteien überschritten damit nicht die Grenzen ihrer Regelungsmacht. Dies gilt auch bei Berücksichtigung des Umstands, dass es zu einer Besserstellung der von § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Bund erfassten Beschäftigten gegenüber denjenigen kommen kann, die den Bewährungsaufstieg bereits vor dem 1. Oktober 2007 vollzogen haben bzw. hätten.

18

1. § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Bund soll den Besitzstand von Beschäftigten wahren, die bei Fortgeltung des BAT aufgrund Bewährungsaufstiegs höhergruppiert worden wären, deren Aufstiegserwartung sich wegen der Einführung des TVöD aber nicht verwirklichte (vgl. BAG 17. April 2013 - 4 AZR 770/11 - Rn. 23; zu § 8 TVÜ-Länder BAG 29. Januar 2014 - 6 AZR 943/11 - Rn. 31, 41; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand Mai 2014 Teil B 2 § 8 TVÜ-Bund Rn. 1; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVöD Stand April 2014 Teil IV/3 TVÜ-Bund Rn. 96).

19

2. Die Regelung kann allerdings ebenso wie § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder in bestimmten Fallgestaltungen zu einer Überkompensation der durch die Einführung des neuen Tarifwerks entstandenen Nachteile führen. Arbeitnehmer mit fingiertem Bewährungsaufstieg ab dem 1. Oktober 2007 können gegenüber Arbeitnehmern, deren Bewährungsaufstieg sich bereits unter Geltung des BAT vollzog oder bis zum 30. September 2007 erfolgt wäre, bessergestellt sein.

20

a) Dies betrifft in erster Linie Konstellationen, bei denen Arbeitnehmer mit später fingiertem Bewährungsaufstieg nach § 4 Abs. 1 TVÜ-Bund iVm. der bis zum 31. Dezember 2013 geltenden Anlage 2 zum TVÜ-Bund in dieselbe Entgeltgruppe übergeleitet wurden wie Arbeitnehmer mit bereits unter Geltung des BAT vollzogenem Bewährungsaufstieg. Durch die zusammenfassende Überleitung mehrerer BAT-Vergütungsgruppen in dieselbe Entgeltgruppe des TVöD verloren Arbeitnehmer mit schon absolviertem Bewährungsaufstieg ihren „Vergütungsgruppenvorsprung“ gegenüber Arbeitnehmern mit noch ausstehendem Bewährungsaufstieg. Der durch den Bewährungsaufstieg erlangte Vorsprung wurde hinsichtlich der Eingruppierung nivelliert und wirkte sich nur noch bei der Bildung des Vergleichsentgelts nach § 5 TVÜ-Bund und der Stufenzuordnung nach § 6 TVÜ-Bund aus. Erfolgte der fiktive Bewährungsaufstieg zeitlich nach dem zum 1. Oktober 2007 erfolgten Stufenaufstieg des § 6 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund und stand dem Arbeitnehmer ein entsprechend hohes Vergleichsentgelt nach § 5 TVÜ-Bund zu, konnte es zu einer Besserstellung kommen. Der Arbeitnehmer konnte durch den Höhergruppierungsgewinn eine neue individuelle Endstufe erreichen und damit dauerhaft eine höhere Vergütung erlangen als Arbeitnehmer, die ihren Bewährungsaufstieg bereits unter Geltung des BAT vollzogen hatten (vgl. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand Mai 2014 Teil B 2 § 8 TVÜ-Bund Rn. 72; zu § 8 TVÜ-Länder BAG 29. Januar 2014 - 6 AZR 943/11 - Rn. 44).

21

b) In abgemilderter Form kann eine Besserstellung der von § 8 Abs. 3 Satz 2 TVÜ-Bund erfassten Beschäftigten auch im Verhältnis zu denjenigen vorliegen, die zwischen dem 1. November 2005 und dem 30. September 2007 höhergruppiert worden wären. Diese haben zwar bei Vorliegen der tariflichen Voraussetzungen den Anspruch auf Höhergruppierungsgewinn nach § 8 Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Bund. Ein erst zum 1. Oktober 2007 gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund vollzogener Aufstieg aus einer individuellen Zwischenstufe kam bei der Neuberechnung des Vergleichsentgelts jedoch nicht zum Tragen. Demgegenüber erhöhte dieser Stufenaufstieg ebenso wie Tariferhöhungen das nach § 8 Abs. 3 Satz 2 TVÜ-Bund zu wahrende „bisherige“ Tabellenentgelt(§ 15 Abs. 1 TVöD-AT).

22

3. Diese möglichen Besserstellungen sind vom Willen der Tarifvertragsparteien gedeckt, denn eine Kappungsgrenze ist für den Höhergruppierungsgewinn ebenso wenig vorgesehen wie eine Anrechnung des durch den Stufenaufstieg nach § 6 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund erlangten Vorteils.

23

a) Die Tarifvertragsparteien haben sich nicht darauf beschränkt, Vorteile aus Bewährungsaufstiegen zu schützen, die bei Fortgeltung des BAT spätestens am 30. September 2007 erreicht worden wären. Der zeitliche Geltungsbereich des § 8 Abs. 3 TVÜ-Bund wurde gegenüber der Ursprungsfassung vom 13. September 2005 wiederholt erweitert. Durch den Änderungstarifvertrag Nr. 1 vom 31. März 2008 wurde die Frist bis 31. Dezember 2009 und durch den Änderungstarifvertrag Nr. 3 vom 27. Februar 2010 weiterhin bis 29. Februar 2012 verlängert. Schließlich erfolgte durch den Änderungstarifvertrag Nr. 7 vom 5. September 2013 eine Erweiterung bis zum 31. Dezember 2013 (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV Stand März 2014 F § 8 Rn. 11). Dadurch wurde der Kreis der Anspruchsberechtigten jeweils bewusst vergrößert, ohne dass eine Kappung oder Anrechnung eingeführt wurde.

24

b) Auch die tarifliche Systematik spricht dafür, dass der Regelungsgehalt des § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Bund dem Regelungswillen der Tarifvertragsparteien entspricht. So ist in § 8 Abs. 2 Satz 3 TVÜ-Bund vorgesehen, dass ein etwaiger Anspruch auf Strukturausgleich nach § 12 TVÜ-Bund im Augenblick des fiktiven Bewährungsaufstiegs entfällt. Da ein fiktiver Bewährungsaufstieg folglich mit Nachteilen für den Arbeitnehmer verbunden sein kann, sieht § 8 Abs. 3 Satz 1 TVÜ-Bund ein Antragserfordernis vor und räumt dem Arbeitnehmer damit ein Wahlrecht ein. An dem tariflichen Gesamtzusammenhang zeigt sich, dass die Tarifvertragsparteien den Regelungsgehalt des § 8 Abs. 3 TVÜ-Bund im Einzelnen ausgestaltet und der Besitzstandswahrung bewusst Grenzen gesetzt haben(vgl. zu § 8 TVÜ-Länder BAG 29. Januar 2014 - 6 AZR 943/11 - Rn. 33).

25

4. Die Tarifvertragsparteien überschritten mit diesem Regelungskonzept nicht die Grenzen ihrer Regelungsmacht.

26

a) Tarifvertragsparteien sind bei der tariflichen Normsetzung nicht unmittelbar grundrechtsgebunden. Die Schutzfunktion der Grundrechte verpflichtet die Arbeitsgerichte jedoch dazu, Tarifregelungen die Durchsetzung zu verweigern, die zu gleichheits- und sachwidrigen Differenzierungen führen und deshalb Art. 3 Abs. 1 GG verletzen. Den Tarifvertragsparteien kommt als selbständigen Grundrechtsträgern allerdings aufgrund der von Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Wie weit dieser Spielraum reicht, hängt von den Differenzierungsmerkmalen im Einzelfall ab. Hinsichtlich der tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen liegt die Einschätzungsprärogative bei den Tarifvertragsparteien. Sie brauchen nicht die sachgerechteste oder zweckmäßigste Regelung zu finden (vgl. BAG 3. Juli 2014 - 6 AZR 753/12 - Rn. 42; 19. Dezember 2013 - 6 AZR 94/12 - Rn. 43; 21. November 2013 - 6 AZR 23/12 - Rn. 58).

27

b) Art. 3 Abs. 1 GG untersagt zwar auch einen gleichheitswidrigen Begünstigungsausschluss, mit dem ein Personenkreis begünstigt und ein anderer Personenkreis von der Begünstigung ausgenommen wird(vgl. BVerfG 10. Juli 2012 - 1 BvL 2/10, 1 BvL 1 BvL 3/10, 1 BvL 1 BvL 4/10, 1 BvL 1 BvL 3/11 - Rn. 21, BVerfGE 132, 72; 21. Juli 2010 - 1 BvR 611/07, 1 BvR 1 BvR 2464/07 - Rn. 78, BVerfGE 126, 400; BAG 20. September 2012 - 6 AZR 211/11 - Rn. 16; 16. Dezember 2010 - 6 AZR 437/09 - Rn. 19). Verfassungsrechtlich erheblich ist aber nur die Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem bzw. die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem. Dabei ist es grundsätzlich dem Normgeber überlassen, die Merkmale zu bestimmen, nach denen Sachverhalte als hinreichend gleich anzusehen sind, um sie gleich zu regeln (vgl. BAG 27. Februar 2014 - 6 AZR 931/12 - Rn. 28).

28

c) Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl. BVerfG 21. Juli 2010 - 1 BvR 611/07, 1 BvR 1 BvR 2464/07 - Rn. 79, BVerfGE 126, 400; BAG 16. Dezember 2010 - 6 AZR 437/09 - Rn. 19). Bei einer personenbezogenen Ungleichbehandlung ist der Gleichheitssatz verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 94/12 - Rn. 45; 21. November 2013 - 6 AZR 23/12 - Rn. 60). Bei der Gruppenbildung dürfen die Tarifvertragsparteien generalisieren und typisieren. Ihre Verallgemeinerungen müssen allerdings im Normzweck angelegt sein und dürfen ihm nicht widersprechen. Die bei einer solchen Typisierung entstehenden unvermeidlichen Ungerechtigkeiten und Härten in einzelnen, besonders gelagerten Fällen, in denen die Interessenlage von derjenigen abweicht, die die Tarifvertragsparteien als typisch angenommen haben, sind hinzunehmen, wenn sie nicht besonders schwerwiegend sind und nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären (vgl. BAG 16. Dezember 2010 - 6 AZR 437/09 - Rn. 23; 22. April 2010 - 6 AZR 966/08 - Rn. 28, BAGE 134, 160).

29

d) Nach diesen Grundsätzen steht § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Bund im Einklang mit Art. 3 Abs. 1 GG. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend entschieden. Einen entscheidungserheblichen Verfahrensfehler zeigt die Revision nicht in zulässiger Weise auf.

30

aa) Der Ausschluss von Arbeitnehmern, die den Bewährungsaufstieg bereits unter Geltung des BAT absolviert hatten, von der Begünstigung des Höhergruppierungsgewinns verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Solche Arbeitnehmer sind mit Arbeitnehmern, deren Bewährungsaufstieg bei der Überleitung noch ausstand, nach dem Regelungskonzept der Tarifvertragsparteien nicht vergleichbar. Die Unterscheidung zwischen diesen beiden Gruppen und deren Ausgestaltung ist verfassungskonform.

31

(1) Die Differenzierung zwischen Arbeitnehmern mit und ohne Anspruch auf Höhergruppierungsgewinn rechtfertigt sich mit der Zielsetzung der Besitzstandswahrung. Diese ist nicht zu beanstanden. Tarifvertragsparteien sind berechtigt, soziale Besitzstände und tatsächliche Aussichten, die zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehen, durch tarifliche Besitzstandsregelungen zu schützen (vgl. BAG 29. Januar 2014 - 6 AZR 943/11 - Rn. 41; 17. April 2013 - 4 AZR 770/11 - Rn. 31 mwN). Die Regelung in § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Bund ist geeignet, diesen Zweck zu erreichen. Sie ist auch erforderlich und angemessen. Derjenige, der einen Bewährungsaufstieg wegen der Einführung des TVöD nicht mehr erreichen kann, erhält zum Ausgleich den individuellen Höhergruppierungsgewinn ab dem Zeitpunkt seines fiktiven Bewährungsaufstiegs zusätzlich zum Tabellenentgelt. Der Arbeitnehmer wird zum Zweck der Eingliederung in das neue Entgeltsystem mit seinem neuen höheren Entgelt einer individuellen Zwischen- oder Endstufe zugeordnet, wobei die Stufenlaufzeit unberührt bleibt. Demgegenüber bedurfte es für Arbeitnehmer, welche noch unter Geltung des BAT ihren Bewährungsaufstieg erreicht hatten, keines Schutzes eines Besitzstands, der durch die Überleitung in den TVöD entfallen wäre. Ihnen wurde keine Aufstiegserwartung genommen. In Bezug auf sie besteht daher auch kein Bedürfnis nach einer Besitzstandswahrung (vgl. BAG 27. Februar 2014 - 6 AZR 931/12 - Rn. 24).

32

(2) Zur Besserstellung von Arbeitnehmern mit fingiertem Bewährungsaufstieg kommt es - wie dargelegt - nur in Ausnahmefällen bei bestimmten Konstellationen. Der Vortrag des Klägers steht dem nicht entgegen. Unstreitig beantragten 0,8 % der Mitarbeiter der Behörde des Klägers den streitigen Höhergruppierungsgewinn. Wenn die Klagepartei im Rahmen einer Hochrechnung daraus ableitet, dass demnach für bundesweit knapp 37.000 Beschäftigte eine Benachteiligung zu verzeichnen sei, ändert dies nichts an dem Umstand, dass eine Betroffenheit von 0,8 % eine Einstufung als Ausnahmefall rechtfertigt.

33

(3) Die vereinzelte Besserstellung bewegt sich noch im zulässigen Rahmen. Nach Darstellung der Revision beträgt der Einkommensunterschied bei gleicher Tätigkeit dauerhaft zwar mindestens 250,00 Euro brutto monatlich. Dies wäre eine nennenswerte Differenz. Es ist aber zu berücksichtigen, dass der fingierte Bewährungsaufstieg nach § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Bund nicht ausschließlich mit Vorteilen für die betroffenen Arbeitnehmer verbunden ist (vgl. zu § 8 TVÜ-Länder BAG 29. Januar 2014 - 6 AZR 943/11 - Rn. 46; Kuner öAT 2014, 98). So entfällt nach § 8 Abs. 2 Satz 3 TVÜ-Bund - wie bereits erwähnt - ein etwaiger Anspruch auf Strukturausgleich nach § 12 TVÜ-Bund im Augenblick des fiktiven Bewährungsaufstiegs. Nachteilige Effekte können ferner eintreten, wenn der Beschäftigte bislang eine persönliche Zulage nach § 14 Abs. 3 TVöD-AT erhält(vgl. Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVöD Stand April 2014 Teil IV/3 TVÜ-Bund Rn. 105d). Arbeitnehmer mit bereits unter Geltung des BAT vollzogenem Bewährungsaufstieg wurden zudem unter Wahrung des Besitzstands in den TVöD übergeleitet. Der aus dem Bewährungsaufstieg erwachsene Vergütungsvorteil floss in das Vergleichsentgelt nach § 5 TVÜ-Bund ein und führte dazu, dass diese Arbeitnehmer einer höheren Entgeltstufe zugeordnet wurden als Arbeitnehmer mit noch ausstehendem Bewährungsaufstieg(zur individuellen Stufenbildung als Besitzstandssicherung vgl. BAG 3. Juli 2014 - 6 AZR 753/12 - Rn. 32). Sie erlangten also zumindest für eine Übergangszeit einen Vorteil gegenüber Arbeitnehmern ohne absolvierten Bewährungsaufstieg.

34

(4) Die später zu verzeichnende Besserstellung von Arbeitnehmern mit fingiertem Bewährungsaufstieg nach § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Bund ließe sich entgegen der Ansicht der Revision auch nur unter erheblichen Schwierigkeiten vollständig ausschließen. Eine solche Besserstellung hängt nicht nur vom Zusammenspiel der Regelungen des § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 und § 6 Abs. 1 TVÜ-Bund ab, sondern insbesondere auch von der Höhe des Vergleichsentgelts nach § 5 TVÜ-Bund, das an die Lebensaltersstufe und den Ortszuschlag des betroffenen Arbeitnehmers anknüpft. Da die Überleitung in den TVöD vom System der Besitzstandswahrung ausgeht, müsste eine Anrechnungs- oder Abschmelzungsregelung nach der Ursache der Überkompensation unterscheiden, damit Arbeitnehmer, die von einem fingierten Bewährungsaufstieg profitieren, nicht wiederum gegenüber den von § 5 TVÜ-Bund begünstigten Arbeitnehmern benachteiligt würden(vgl. zu § 8 TVÜ-Länder BAG 29. Januar 2014 - 6 AZR 943/11 - Rn. 48). Die Berücksichtigung dieser Komplexität führt entgegen der Auffassung der Revision nicht zu einer „Abschaffung“ des Art. 3 Abs. 1 GG. Sie ist vielmehr bei der Beurteilung der Typisierungsbefugnis der Tarifvertragsparteien und damit für die Bestimmung der Grenzen der tariflichen Regelungsmacht im Rahmen der Prüfung des Art. 3 Abs. 1 GG von Relevanz.

35

bb) Die Besserstellung der von § 8 Abs. 3 Satz 2 TVÜ-Bund erfassten Beschäftigten im Verhältnis zu den Beschäftigten mit einem Anspruch auf Höhergruppierungsgewinn nach § 8 Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Bund - zu denen der Kläger gehört - ist durch den Stufenaufstieg nach § 6 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund begründet. Dieser erfolgte zum 1. Oktober 2007 und erhöhte das Tabellenentgelt iSd. § 15 Abs. 1 TVöD-AT, es sei denn, der Beschäftigte hatte bereits die Endstufe erreicht(vgl. das Beispiel bei Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand Mai 2014 Teil B 2 § 8 TVÜ-Bund Rn. 47.1). Der Unterschied zwischen der Besitzstandssicherung nach § 8 Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Bund und § 8 Abs. 3 Satz 2 TVÜ-Bund ist deshalb systemkonform. Er stellt auch keine unzumutbare Härte dar, denn schließlich profitieren auch die Beschäftigten mit einem Anspruch nach § 8 Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Bund von dem Konzept der tariflichen Besitzstandssicherung des § 8 TVÜ-Bund.

36

cc) Die von der Revision erhobene Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) wegen Nichtgewährung einer Schriftsatzfrist zur weiteren Stellungnahme bezüglich der Vereinbarkeit der fraglichen Tarifvorschriften mit Art. 3 Abs. 1 GG ist unzulässig. Sie zeigt keinen entscheidungserheblichen Verfahrensfehler auf.

37

(1) Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Verfahrensgrundrecht sicherstellen, dass die vom Fachgericht zu treffende Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund darin haben, dass Sachvortrag der Parteien nicht zur Kenntnis genommen und nicht berücksichtigt wird (vgl. BVerfG 14. März 2013 - 1 BvR 1457/12 - Rn. 10). Die Verwehrung einer Schriftsatzfrist nach § 283 ZPO bzw. § 139 Abs. 5 ZPO kann unter Umständen eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör darstellen(vgl. BVerfG 18. August 2010 - 1 BvR 3268/07 - Rn. 30, BVerfGK 17, 479; BFH 18. September 2009 - IV B 140/08 - Rn. 2). Der Revisionskläger muss aber bei einer entsprechenden Verfahrensrüge darlegen, welchen Vortrag er bei Gewährung einer Schriftsatzfrist in der Berufungsinstanz erbracht hätte. Nur so kann das Revisionsgericht feststellen, ob die gerügte Verletzung für das Urteil möglicherweise ursächlich war (vgl. zur Verletzung der Aufklärungspflicht nach § 139 ZPO BAG 21. November 2013 - 6 AZR 23/12 - Rn. 39; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 770/09 - Rn. 10).

38

(2) Diesen Anforderungen genügt die Revisionsbegründung nicht. Sie rügt, das Landesarbeitsgericht habe die in der mündlichen Verhandlung am 22. Mai 2012 beantragte Schriftsatzfrist nicht gewährt, obwohl die umfangreiche Berufungserwiderung erst am 9. Mai 2012 zugegangen und der gerichtliche Hinweis erst am 16. Mai 2012 vor einem Feiertag erfolgt sei. Der Prozessbevollmächtigte habe deshalb nicht genügend Zeit zur Erörterung mit der Klagepartei gehabt. Die Revision lässt aber offen, welcher Vortrag zur Problematik des Art. 3 Abs. 1 GG im Rahmen eines weiteren Schriftsatzes erstmals erbracht worden wäre. Zum Zusammenwirken der Regelungen des § 8 Abs. 3 mit § 4 Abs. 1 TVÜ-Bund hat die Klägerseite der Revisionsbegründung nach zudem noch in der mündlichen Verhandlung Stellung genommen.

39

III. Der nach § 823 Abs. 2 BGB iVm. Art. 3 Abs. 1 GG verlangte Schadensersatzanspruch besteht folglich schon mangels eines Verstoßes gegen den Gleichheitssatz nicht.

40

IV. Ein Anspruch des Klägers auf weiteren Höhergruppierungsgewinn ergibt sich auch nicht als Schadensersatzanspruch gemäß § 15 Abs. 1 AGG unter dem Gesichtspunkt einer Diskriminierung wegen des Alters iSv. § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG.

41

1. Nach § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen dieses Benachteiligungsverbot verstoßen, sind nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Der Begriff der Benachteiligung bestimmt sich nach § 3 AGG. Um eine unmittelbare Benachteiligung handelt es sich nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine mittelbare Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 2 AGG gegeben, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können. Anderes gilt dann, wenn die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel angemessen und erforderlich sind, um das Ziel zu erreichen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, handelt es sich schon tatbestandlich nicht um eine Benachteiligung iSv. § 7 Abs. 1 AGG(vgl. zB BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 94/12 - Rn. 49; 23. April 2013 - 1 AZR 916/11 - Rn. 15).

42

2. § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Bund knüpft nicht unmittelbar an das Lebensalter, sondern an den Umstand eines noch ausstehenden Bewährungsaufstiegs an. Damit handelt es sich nicht um eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters.

43

3. Eine mittelbare Benachteiligung älterer Arbeitnehmer hat der Kläger schon nicht hinreichend dargelegt. Dies hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei erkannt.

44

a) Für die Annahme einer mittelbaren Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 2 AGG ist nicht zwingend ein statistischer Nachweis erforderlich, dass Träger eines der Merkmale des § 1 AGG zahlenmäßig wesentlich stärker von einer Vorschrift benachteiligt werden als Personen, bei denen dieses Merkmal nicht vorliegt. Mittelbare Diskriminierungen können statistisch nachgewiesen werden, können sich aber auch aus anderen Umständen ergeben ( BAG 27. Januar 2011 - 6 AZR 526/09 - Rn. 27, BAGE 137, 80; 22. April 2010 -  6 AZR 966/08  - Rn. 20 , BAGE 134, 160; vgl. auch Adomeit/Mohr RdA 2011, 102). Zur Feststellung, ob eine mittelbare Benachteiligung vorliegt, sind Vergleichsgruppen zu bilden, die dem persönlichen Geltungsbereich der Differenzierungsregel entsprechend zusammengesetzt sind. Bei Tarifverträgen ist deshalb auf den gesamten Kreis der von der fraglichen Bestimmung erfassten Normunterworfenen abzustellen. Der Gesamtheit der Personen, die von der Regelung erfasst werden, ist die Gesamtheit der Personen gegenüberzustellen, die durch die Regelung benachteiligt werden. Im Vergleich dieser Gruppen ist zu prüfen, ob die Träger eines Merkmals des § 1 AGG im oben genannten Sinn besonders benachteiligt sind( BAG 12. Dezember 2012 - 10 AZR 718/11 - Rn. 22; 27. Januar 2011 - 6 AZR 526/09 - Rn. 28 mwN, aaO ).

45

b) Die Kausalität zwischen Benachteiligung und verpöntem Merkmal hat der Beschäftigte als Anspruchsteller darzulegen (BAG 12. Dezember 2012 - 10 AZR 718/11 - Rn. 23). Er genügt dieser Darlegungslast gemäß § 22 AGG, wenn er Indizien vorträgt, die eine Benachteiligung wegen eines verpönten Merkmals vermuten lassen. Die vorgetragenen Tatsachen müssen aber aus objektiver Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass die weniger günstige Behandlung aus einem der in § 1 AGG genannten Gründe erfolgt ist(BAG 25. April 2013 - 8 AZR 287/08 - Rn. 36, 37 mwN). Eine bloße Mitursächlichkeit genügt(BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 34).Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Würdigung, ob die klagende Partei ihrer Darlegungslast nach § 22 AGG genügt hat, ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob sie möglich und in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt(BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 42; 12. Dezember 2012 - 10 AZR 718/11 - Rn. 23; 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 34 ).

46

c) Nach diesen Grundsätzen ist die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe eine mittelbare Benachteiligung nicht hinreichend dargelegt, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

47

aa) Der Kläger begründet eine Altersdiskriminierung mit dem Umstand, dass typischerweise ältere Beschäftigte den Bewährungsaufstieg bereits vor dem 1. Oktober 2007 erreicht haben und deshalb keinen Höhergruppierungsgewinn nach § 8 Abs. 3 Satz 2 TVÜ-Bund erreichen können. Dies mag in der Behörde des Klägers der Fall sein. Bezogen auf den bundesweiten Anwendungsbereich des TVÜ-Bund belegt der Kläger seine Behauptung aber nicht. Er lässt außer Acht, dass das Erreichen des Bewährungsaufstiegs nach BAT von dem Beginn der Tätigkeit in Kombination mit den Vorgaben der Vergütungsordnung (Anlage 1a zum BAT) bezüglich der Tätigkeitsmerkmale der einzelnen Vergütungsgruppen abhing. Die zu bewältigende Bewährungszeit betrug zwischen zwei und 15 Jahren. Ein Beschäftigter, der im Alter von 25 Jahren eine bestimmte Tätigkeit auszuüben begann, konnte daher seinen Bewährungsaufstieg längst erreicht haben, als ein 45-jähriger Kollege erst anfing. Bezüglich der Überleitungsvorschrift des § 8 Abs. 3 Satz 2 TVÜ-Bund kommt es auf die jeweilige Situation ab dem Stichtag an. Folglich kann der 25-jährige Arbeitnehmer wegen des bereits erfolgten Aufstiegs von der Regelung ggf. nicht profitieren, der ältere Kollege hingegen schon. Eine besondere Benachteiligung Älterer wäre nur dann festzustellen, wenn der Altersdurchschnitt der nicht von § 8 Abs. 3 Satz 2 TVÜ-Bund erfassten Beschäftigten signifikant über dem der Erfassten liegen würde. Dies ist dem Vortrag des Klägers nicht zu entnehmen.

48

bb) Zudem hat das Landesarbeitsgericht zutreffend angeführt, dass die streitige Begünstigung nur bei einem relativ hohen Vergleichsentgelt (§ 5 TVÜ-Bund) entstehen kann, welches wiederum durch eine hohe Lebensaltersstufe bedingt sein kann. Für die begünstigten Arbeitnehmer sei daher ebenfalls ein höheres Lebensalter typisch. Auch dieses Argument steht der nachvollziehbaren Darlegung einer Altersdiskriminierung entgegen.

49

d) Eine etwaige mittelbare Benachteiligung älterer Arbeitnehmer wäre zudem sachlich gerechtfertigt.

50

aa) Eine mittelbare Benachteiligung wegen eines verpönten Merkmals kann nach § 3 Abs. 2 Halbs. 2 AGG durch ein legitimes Ziel und die Wahl verhältnismäßiger Mittel zu seiner Durchsetzung gerechtfertigt werden. Rechtmäßige Ziele iSv. § 3 Abs. 2 AGG können alle nicht diskriminierenden und auch im Übrigen legalen Ziele sein. Die differenzierende Maßnahme muss geeignet und erforderlich sein, um das legitime Ziel zu erreichen, und einen im Verhältnis zur Bedeutung des Ziels noch angemessenen Eingriff in die Rechte des Benachteiligten darstellen (vgl. BAG 15. November 2012 - 6 AZR 359/11 - Rn. 42 mwN). Letztlich ist § 3 Abs. 2 AGG eine spezialgesetzliche Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG(vgl. BAG 8. Dezember 2011 - 6 AZR 319/09 - Rn. 27, BAGE 140, 83).

51

bb) Daran gemessen wäre eine mittelbare Benachteiligung älterer Arbeitnehmer durch § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Bund sachlich gerechtfertigt. Die Tarifvertragsparteien haben im Rahmen der ihnen zukommenden Generalisierungs- und Typisierungsbefugnis eine Regelung getroffen, die den sozialen Besitzstand von Arbeitnehmern mit noch ausstehendem Bewährungsaufstieg sichern soll. Sie haben damit - wie zu Art. 3 Abs. 1 GG ausgeführt - ein legitimes Ziel mit verhältnismäßigen Mitteln verfolgt(vgl. zu § 8 TVÜ-Länder BAG 29. Januar 2014 - 6 AZR 943/11 - Rn. 54).

52

e) Einer Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV bedarf es nicht. Es stellen sich keine Fragen der Auslegung des Unionsrechts, die noch nicht geklärt wären. Die Auslegung des unionsrechtlichen Grundsatzes des Verbots der Diskriminierung wegen des Alters ist einschließlich des Rückgriffs auf die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf durch die Entscheidung des Gerichtshofs in der Sache „Kücükdeveci“ (EuGH 19. Januar 2010 - C-555/07 - Slg. 2010, I-365) geklärt, so dass eine Vorlagepflicht entfällt (vgl. EuGH 6. Oktober 1982 - C-283/81 - [C.I.L.F.I.T.] Slg. 1982, 3415; BAG 28. Mai 2013 - 3 AZR 635/11 - Rn. 28). Das nationale Gericht ist allein für die Beurteilung des Sachverhalts des Rechtsstreits, mit dem es befasst ist, sowie für die Auslegung des anwendbaren nationalen Rechts zuständig ( EuGH 26. September 2013 -  C-476/11  - [HK Danmark] Rn. 68 ; 21. Juli 2011 C-159/10 , C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 71, Slg. 2011, I-6919; 5. März 2009 - C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 47, Slg. 2009, I-1569; BAG 18. März 2014 - 3 AZR 69/12 - Rn. 29; 19. Dezember 2013 - 6 AZR 790/12 - Rn. 28).

53

V. Der Kläger hat auch keinen Anspruch aufgrund des allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes.

54

1. Dieser verbietet die sachlich ungerechtfertigte Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage und die sachfremde Gruppenbildung(vgl. BAG 3. Juli 2014 - 6 AZR 753/12 - Rn. 51 mwN). Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz greift wegen seines Schutzcharakters gegenüber der Gestaltungsmacht des Arbeitgebers nur dort ein, wo dieser durch gestaltendes Verhalten ein eigenes Regelwerk bzw. eine eigene Ordnung schafft, nicht hingegen bei bloßem - auch vermeintlichem - Normenvollzug(BAG 12. Dezember 2012 - 10 AZR 718/11 - Rn. 44).

55

2. Letzteres ist hier der Fall. Die Beklagte hat hinsichtlich der materiellen Anspruchsvoraussetzungen nur die Vorgaben des TVÜ-Bund umgesetzt.

56

a) Die Beklagte hat entgegen dem Vortrag des Klägers mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern (BMI) vom 9. September 2008 - D 5 - 220 233 - 51/1 - keine Verlängerung einer Antragsfrist bis zum 31. Dezember 2008 gewährt. § 8 Abs. 3 TVÜ-Bund sieht keine Antragsfrist vor. Die Fristverlängerungen bezogen sich auf andere, im Einzelnen angeführte Anspruchsgrundlagen. Das seitens des Klägers vorgelegte Begleitschreiben der Beklagten vom 12. September 2008 weist sogar ausdrücklich darauf hin, dass für die Beantragung eines Höhergruppierungsgewinns nur die Ausschlussfrist des § 37 TVöD-AT gelte.

57

b) Die arbeitgeberseitig gewährten Erleichterungen bezüglich der tariflichen Ausschlussfrist lassen die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug eines Höhergruppierungsgewinns unberührt. Das BMI hat im Rundschreiben vom 23. Februar 2009 - D 5 - 220 233 - 51/1 - zu 1.4 mitgeteilt, dass die Ausschlussfrist zwar grundsätzlich mit dem individuellen Zeitpunkt des fiktiven Aufstiegs beginne, die Frist bezüglich der vor dem 1. März 2009 nach § 8 Abs. 3 TVÜ-Bund fällig gewordenen Ansprüche aber erst an diesem Tag. Im Rundschreiben vom 24. März 2014 - D 5 - 31003/2#4 - wurde zu E 2.2 anlässlich der Neuregelung des § 8 Abs. 3 TVÜ-Bund durch den Änderungstarifvertrag Nr. 7 geregelt, dass die Ausschlussfrist am 1. April 2014 beginne und die Auszahlung bei Anträgen, die bis zum 30. September 2014 eingegangen sind, rückwirkend ab dem individuellen Zeitpunkt des fiktiven Aufstiegs erfolge, „wenn die Voraussetzungen des § 8 TVÜ-Bund erfüllt sind“. Damit wurden die Anspruchsberechtigten zwar hinsichtlich der Ausschlussfrist übertariflich bessergestellt, der Kreis der Anspruchsinhaber wurde aber nicht erweitert.

58

c) Dies gilt auch bezüglich der Entscheidung der Beklagten, den durch § 8 Abs. 2 Satz 3 TVÜ-Bund angeordneten Wegfall des Strukturausgleichs(§ 12 TVÜ-Bund) übertariflich durch eine Anrechnungsregelung entsprechend § 12 Abs. 5 TVÜ-Bund zu ersetzen(vgl. Rundschreiben des BMI vom 23. Februar 2009 - D 5 - 220 233 - 51/1 - zu 2.2.4 und Aufrechterhaltung im Rundschreiben vom 24. März 2014 - D 5 - 31003/2#4 - zu E 2.2; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand Mai 2014 Teil B 2 § 8 TVÜ-Bund Rn. 56).

59

VI. Der Kläger kann auch nicht aus dem angeführten Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ eine Vergütung entsprechend der Vergleichsperson verlangen. Dieser Grundsatz ist keine allgemeingültige Anspruchsgrundlage, sondern bedarf der Umsetzung in Anspruchsgrundlagen (vgl. BAG 21. Juni 2000 - 5 AZR 806/98 - zu I der Gründe; 13. Februar 2003 - 8 AZR 140/02 - zu II 2 d aa der Gründe). Eine solche ist hier nicht gegeben.

60

VII. Der Kläger hat zudem die Höhe der Klageforderung nicht schlüssig dargelegt. Auch deshalb ist die Klage unbegründet.

61

1. Der Klageforderung liegt ein Vergleich der Vergütung des Klägers ab dem 1. Januar 2008 mit dem Verdienst eines nicht benannten Kollegen im selben Zeitraum zugrunde. Entgegen der Ausführungen auf Seite 8 der Revisionsbegründung, die sich wohl auf ein Parallelverfahren beziehen, ist die Höhe der vor diesem Hintergrund geltend gemachten Beträge nicht unstreitig. Die Beklagte hat im erstinstanzlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 2. März 2011 in Verbindung mit der Anlage B 2 eine abweichende Berechnung eines möglichen Höhergruppierungsgewinns vorgelegt. Nach der Klageerweiterung vom 14. April 2011 hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 3. Mai 2011 beanstandet, dass die Klageforderung rechnerisch nicht nachvollziehbar sei. Vor dem Landesarbeitsgericht hat sie dies mit Schriftsatz vom 4. Mai 2012 wiederholt. Zudem könne der Vergleich mit einem Kollegen wegen möglicher unterschiedlicher persönlicher Daten zur Begründung der Forderungshöhe nicht herangezogen werden.

62

2. Dies ist zutreffend. Das Abstellen auf eine nur tätigkeitsbezogen vergleichbare Person kann die Höhe des verlangten Höhergruppierungsgewinns nicht schlüssig begründen, weil der Ermittlung des maßgeblichen Vergleichsentgelts individuelle Faktoren wie Lebensaltersstufe und Ortszuschlag zugrunde liegen (§ 5 Abs. 2 TVÜ-Bund). Die Berechnungsgrundlagen für die Vergütung der Referenzperson stehen insoweit in keinem Zusammenhang zu der dem Kläger zustehenden Vergütungshöhe. Aus dem bloßen Vergleich der Einkommensdifferenz lässt sich nicht entnehmen, worauf diese beruht. Das Landesarbeitsgericht hat deshalb zu Recht verlangt, dass der Kläger seinen individuellen Höhergruppierungsgewinn nach § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Bund hätte ermitteln müssen.

63

3. Es ist daher ohne Bedeutung, dass die Klageforderung auch bei einer Orientierung an der Vergleichsperson nicht schlüssig begründet wäre, weil bei den eingeklagten Differenzbeträgen der dem Kläger nach § 8 Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Bund gezahlte Höhergruppierungsgewinn nicht in Ansatz gebracht wurde. Der Kläger verlangt letztlich einen „doppelten Höhergruppierungsgewinn“ und damit eine nicht begründbare Besserstellung gegenüber der Vergleichsperson.

64

4. Die von der Revision erhobene Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) wegen Nichtgewährung einer Schriftsatzfrist bezüglich der Höhe der Klageforderung ist unzulässig. Die Revision lässt wiederum offen, welcher Vortrag im Rahmen eines weiteren Schriftsatzes erstmals erbracht worden wäre.

65

C. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Spelge    

        

    Krumbiegel    

        

        

        

    Lorenz     

        

    Matiaske    

                 

Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein. Derartige unterschiedliche Behandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:

1.
die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlohnung und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Beschäftigten und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen,
2.
die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile,
3.
die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung auf Grund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder auf Grund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand,
4.
die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen,
5.
eine Vereinbarung, die die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der oder die Beschäftigte eine Rente wegen Alters beantragen kann; § 41 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch bleibt unberührt,
6.
Differenzierungen von Leistungen in Sozialplänen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes, wenn die Parteien eine nach Alter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung geschaffen haben, in der die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigt worden sind, oder Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplans ausgeschlossen haben, die wirtschaftlich abgesichert sind, weil sie, gegebenenfalls nach Bezug von Arbeitslosengeld, rentenberechtigt sind.

Tenor

1. Die Revision des Klägers wird als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen die Zurückweisung der Berufung hinsichtlich des Unterlassungsantrags wendet.

2. Im Übrigen wir die Sache auf die Revision des Klägers zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über eine Entschädigung wegen einer unzulässigen Diskriminierung und einen Anspruch auf Unterlassung von Benachteiligungen.

2

Die Beklagte betreibt als Körperschaft des öffentlichen Rechts eine Klinik.

3

Vom 7. April bis 29. April 2009 ließ die Beklagte in Zeitungen Stellenanzeigen veröffentlichen, in denen es ua. heißt:

        

„Die C hat in den kommenden Jahren einen relevanten Bedarf an Nachwuchsführungskräften. Um diesen zu decken, gibt es ein spezielles Programm für Hochschulabsolventen/Young Professionells:

        

Trainee-Programm an der C (‚Ctrain’)

        

Konzept:

        

-       

Ein Traineeprogramm ist ein Programm für Hochschulabsolventen. …

        

-       

Dabei sollen jährlich zunächst zwei Hochschulabsolventen rekrutiert und dem Programm ‚Ctrain’ zugeführt werden. Da es sich per definitionem um Berufsanfänger handelt, stehen neben den erworbenen Fähigkeiten vor allem die persönlichen Eigenschaften im Mittelpunkt. Erfahrungswissen wird nicht gefordert.

                 

…       

                 

Ihr Profil:

                 

-       

abgeschlossenes Hochschulstudium vorzugsweise der Medizin, Wirtschaftswissenschaften, Jura oder Naturwissenschaften

                 

…       

        

Die C trifft ihre Personalentscheidung nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Bei gleicher Eignung bevorzugen wir schwer behinderte Menschen. Außerdem streben wir eine Erhöhung des Anteils von Frauen an und fordern Frauen nachdrücklich auf, sich zu bewerben. Bei gleichwertiger Qualifikation werden Frauen im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten vorrangig berücksichtigt.“

4

Der damals 36 Jahre alte Kläger, ein Volljurist mit einem befriedigenden ersten und einem ausreichenden zweiten Staatsexamen und Berufserfahrung bei einer Rechtsschutzversicherung als Leiter einer fünfköpfigen Juristengruppe war zur Zeit der Stellenausschreibung als Rechtsanwalt tätig. Er bewarb sich mit Schreiben vom 11. April 2009 auf die ausgeschriebenen Stellen. Es bewarben sich insgesamt 310 Personen, darunter 207 Bewerberinnen und 103 Bewerber. Männliche und weibliche Bewerber wurden bei der Beklagten in getrennten Listen geführt. 29 Bewerber, darunter 18 Frauen, wurden zu einem Assessment-Center eingeladen. Am Ende entschied sich die Beklagte für eine Bewerberin und einen Bewerber.

5

Mit Schreiben vom 4. Juni 2009 erhielt der Kläger eine Absage. Daraufhin machte er am 2. August 2009 schriftlich einen Unterlassungs- und Entschädigungsanspruch erfolglos geltend. Mit seiner beim Arbeitsgericht am 28. Oktober 2009 eingegangenen Klage verfolgt er seine Ansprüche weiter.

6

Der Kläger vertritt die Auffassung, er sei wegen seines Geschlechts und seines Alters diskriminiert worden. Eine Diskriminierung wegen des Geschlechts sei wegen der nicht geschlechtsneutralen Stellenausschreibung zu vermuten, da der Wortlaut in der Ausschreibung über das Berliner Landesgleichstellungsgesetz (LGG Berlin) hinausgehe. Der Umstand, dass die Beklagte eine nach Geschlechtern getrennte Bewerberliste geführt habe, spreche dafür, dass es bei ihrer Auswahlentscheidung auf das Geschlecht angekommen sei.

7

Der Kläger meint weiter, dass er wegen seines Alters diskriminiert worden sei. Die Beklagte habe gezielt nach Hochschulabsolventen und „Young Professionells“ gesucht. Dies impliziere eine unmittelbare und nicht bloß mittelbare Benachteiligung wegen des Alters.

8

Ihm stehe daher ein Entschädigungsanspruch zu, wobei er von einer geschätzten voraussichtlichen Vergütung von 3.500,00 Euro ausgehe. Er meint, für die Stelle von allen Bewerbern am besten qualifiziert gewesen zu sein. Er könne daher als untere Grenze drei Bruttomonatsgehälter an Entschädigung verlangen. Schließlich meint er, dass der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus unionsrechtlichen Gründen zulässig sei.

9

Der Kläger hat beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, Stellenbewerber im Auswahlverfahren für eine Stelle wegen des Alters und des Geschlechts zu benachteiligen;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine angemessene Entschädigung zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die jedoch den Betrag von 10.500,00 Euro nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. August 2009.

10

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

11

Sie trägt vor, der Kläger sei weder wegen seines Geschlechts noch seines Alters benachteiligt worden. Grundlage für die Entscheidung, wen sie aus dem Kreis der Bewerber zu dem Assessment-Center eingeladen habe, seien Noten, dargelegte Motivation, außercurriculares Engagement sowie die äußere Form der Bewerbung gewesen. Der Kläger sei nicht eingeladen worden, da dessen Noten deutlich hinter denen anderer Bewerber zurückgeblieben seien. Sie habe nur diejenigen Bewerber in Betracht gezogen, die gute oder sehr gute Examensnoten aufgewiesen hätten. Die eigentliche Auswahl sei schließlich aufgrund der erreichten Punkte im Assessment-Center, der mündlichen Präsentation und des sozialen Verhaltens der Bewerber erfolgt. Sie habe sich bei dem Text der Ausschreibung an die Vorgaben des § 8 LGG Berlin gehalten. Sie handhabe es nahezu immer so, Bewerber nach Männern und Frauen getrennt in Listen zu erfassen. Dies hindere sie nicht, letztlich auf andere Kriterien, wie zB räumlicher Einzugsbereich, Berufserfahrung etc. abzustellen.

12

Auch sei der Kläger nicht wegen seines Alters in unzulässiger Weise benachteiligt worden. Allenfalls liege eine mittelbare Benachteiligung vor, da sich das Traineeprogramm an Hochschulabsolventen richte und es sich bei diesen typischerweise um jüngere Menschen handele. Sie verfolge aber legitime und verhältnismäßige Zwecke. Im Traineeprogramm sollten erste Erfahrungen in der Praxis, hier in der Führungsebene eines Krankenhauses, gesammelt werden. Dies sei bei einem Bewerber mit mehrjähriger Berufserfahrung naturgemäß nicht mehr der Fall. Sie wolle sich Bewerber in ihrem Sinne erst „formen“. Zudem könnten die Hochschulabsolventen schneller und gezielter auf betriebsspezifische Erfordernisse vorbereitet werden. Das Traineeprogramm diene auch dem Berufseinstieg junger Hochschulabsolventen, da andernorts oftmals Berufserfahrung als Einstellungskriterium verlangt werde. Sie meint, sich auf § 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 AGG als Rechtfertigungsgrund für eine unterschiedliche Behandlung stützen zu können.

13

Schließlich bezweifelt die Beklagte, dass es sich um eine ernst gemeinte Bewerbung des Klägers gehandelt habe. Dieser sei aufgrund seiner Vorerfahrungen als Rechtsanwalt für die Stelle überqualifiziert.

14

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.

Entscheidungsgründe

15

Die Revision des Klägers ist zum Teil unzulässig. Soweit sie zulässig ist, ist sie begründet.

16

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine klageabweisende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die klägerische Berufung sei unzulässig, soweit sich der Kläger gegen die Abweisung seines Unterlassungsantrags wende. Er habe sich nicht hinreichend mit der Argumentation des Arbeitsgerichts, das in dem Unterlassungsbegehren einen unbegründeten Globalantrag gesehen habe, auseinandergesetzt. Der Kläger sei nicht wegen seines Geschlechts benachteiligt worden. Es schade nicht, dass sich die Beklagte nicht genau an den Wortlaut des § 8 LGG Berlin gehalten habe. Eine durch die Ausschreibung möglicherweise bestehende unterschiedliche Behandlung von Männern und Frauen sei jedenfalls durch § 5 AGG gedeckt, da bei der Beklagten auf der Ebene von Führungspositionen Frauen unterrepräsentiert seien. Des Weiteren sei nicht ersichtlich, weshalb aus dem Führen von nach Frauen und Männern getrennten Bewerberlisten ein Indiz für eine geschlechtsspezifische Benachteiligung hergeleitet werden könne. Der Kläger sei auch nicht wegen seines Alters benachteiligt worden. Dabei könne dahinstehen, ob aus der Stellenausschreibung, die sich an „Hochschulabsolventen/Young Professionells“ richte, eine mittelbare oder eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters herzuleiten sei. Eine möglicherweise bestehende mittelbare Benachteiligung sei durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Der Schwerpunkt des Traineeprogramms liege auf der Ausbildung. Dieses gleiche mehr einem Berufspraktikum als einer Berufstätigkeit. Ein solches Programm richte sich auch üblicherweise an Hochschulabsolventen und stelle bei Banken und Versicherungen sogar den Regelfall dar. Es weise auch einen sozialen Bezug auf, weil es den Einstieg von Berufsanfängern in das Berufsleben erleichtern helfe. Wenn man davon ausgehe, dass eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters vorgelegen habe, sei diese nach § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG gerechtfertigt. Auch insoweit sei der Arbeitgeber berechtigt, betriebs- und unternehmensbezogene Interessen, die nicht gesetzlich anerkannt sein müssten, in den Vordergrund zu stellen. Das Programm diene dazu, die Teilnehmer möglichst langfristig an das Unternehmen zu binden. Da auch eine absolute Altersgrenze nicht bestehe, sei es angemessen, die Teilnahme des Programms auf Personen zu beschränken, die am Anfang ihres Berufslebens stünden.

17

B. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nur teilweise stand.

18

I. Die Revision des Klägers ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Zurückweisung der Berufung hinsichtlich des Unterlassungsantrags wendet. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dass die Berufung des Klägers insoweit unzulässig war, da sie sich mit der Begründung des Arbeitsgerichts nicht ausreichend iSd. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO auseinandergesetzt hat. Zwar hat das Landesarbeitsgericht die Berufung nicht nach § 66 Abs. 2 Satz 2 ArbGG iVm. § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als teilweise unzulässig verworfen, jedoch ergibt sich aus den Entscheidungsgründen eindeutig, dass es die Berufung insoweit als unzulässig iSd. § 522 Abs. 1 ZPO betrachtet hat.

19

1. Soweit sich die Revision gegen diesen Teil der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts richtet, genügt sie nicht den gesetzlichen Begründungsanforderungen. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge muss die Revisionsbegründung gemäß § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO den Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Daher muss die Revisionsbegründung eine Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen des angefochtenen Urteils enthalten (st. Rspr., BAG 22. Oktober 2009 - 8 AZR 520/08 - Rn. 19, AP ZPO § 551 Nr. 67). Dies erfordert eine konkrete Darlegung der Gründe, aus denen das angefochtene Urteil nach Meinung des Revisionsklägers fehlerhaft ist. Dadurch soll sichergestellt werden, dass der Prozessbevollmächtigte des Revisionsklägers das angefochtene Urteil im Hinblick auf das Rechtsmittel überprüft und mit Blickrichtung auf die Rechtslage genau durchdenkt. Außerdem soll die Revisionsbegründung durch ihre Kritik des angefochtenen Urteils zur richtigen Rechtsfindung durch das Revisionsgericht beitragen (BAG 22. Oktober 2009 - 8 AZR 520/08 - aaO). Die bloße Darstellung anderer Rechtsansichten ohne jede Auseinandersetzung mit den Gründen des Berufungsurteils genügt nicht (BAG 28. Januar 2009 - 4 AZR 912/07 - Rn. 11, AP ZPO § 551 Nr. 66 = EzA ZPO 2002 § 551 Nr. 10). Hat das Berufungsgericht über mehrere Streitgegenstände entschieden, muss die Revision grundsätzlich für jeden Teil des Klagebegehrens begründet werden (BAG 15. Dezember 2011 - 8 AZR 197/11 - Rn. 25, AP BGB § 613a Nr. 423 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 130).

20

2. Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung des Klägers nicht gerecht. Soweit er rügt, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass das Unionsrecht einen Antrag in der geltend gemachten Form erfordere, liegt darin eine Sachrüge. Der Kläger wiederholt seinen Standpunkt, dass sein Unterlassungsantrag in der gestellten Form zulässig sei, weil nur dies eine wirksame Umsetzung des Unionsrechts sei.

21

Damit verteidigt er seinen Antrag aus materiell-rechtlichen Gründen. Der Kläger hätte sich aber im Einzelnen damit auseinandersetzen müssen, weshalb das Landesarbeitsgericht nach seiner Ansicht die Berufung bzgl. des Unterlassungsantrags nicht als unzulässig hätte betrachten dürfen. Er hätte also darlegen müssen, weshalb er entgegen der Meinung des Landesarbeitsgerichts dem gesetzlichen Begründungserfordernis des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO genügt habe. Er hat sich mit diesen gesetzlichen Vorgaben, wegen deren Fehlens das Landesarbeitsgericht die Berufung als unzulässig betrachtet hat, nicht im Einzelnen auseinandergesetzt, sondern im Kern seine Rechtsauffassung aus den Vorinstanzen zum Bestehen eines Unterlassungsanspruchs wiederholt und im Übrigen das Berufungsurteil lediglich als „rechtsfehlerhaft“ und die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts als „insoweit unschlüssig“ bezeichnet. Es reicht für eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung aber nicht aus, die tatsächlichen und/oder rechtlichen Würdigungen des Berufungsgerichts mit formelhaften Wendungen zu rügen oder das Vorbringen aus den Vorinstanzen zu wiederholen (vgl. zu den Anforderungen an eine Berufungsbegründung: BAG 18. Mai 2011 - 4 AZR 552/09 - Rn. 14, AP ArbGG 1979 § 64 Nr. 45).

22

II. Im Übrigen ist die Revision des Klägers begründet. Die Begründung, mit der das Landesarbeitsgericht den geltend gemachten Entschädigungsanspruch abgewiesen hat, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

23

1. Der auf Zahlung einer Entschädigung gerichtete Klageantrag ist zulässig, insbesondere ist er hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der Kläger durfte die Höhe der von ihm begehrten Entschädigung in das Ermessen des Gerichts stellen. § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG räumt dem Gericht bei der Höhe der Entschädigung einen Beurteilungsspielraum ein, weshalb eine Bezifferung des Zahlungsantrags nicht notwendig ist. Erforderlich ist allein, dass der Kläger Tatsachen, die das Gericht bei der Bestimmung des Betrags heranziehen soll, benennt und die Größenordnung der geltend gemachten Forderung angibt (vgl. BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 16, EzA AGG § 15 Nr. 16). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Kläger hat einen Sachverhalt dargelegt, der dem Gericht die Bestimmung einer Entschädigung ermöglicht, und den Mindestbetrag der angemessenen Entschädigung mit 10.500,00 Euro beziffert.

24

2. Ob die Klage begründet ist und dem Kläger ein Anspruch auf eine angemessene Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG zusteht, kann der Senat aufgrund der vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen nicht entscheiden.

25

a) Der Kläger ist als Bewerber „Beschäftigter“ nach § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG und fällt in den persönlichen Anwendungsbereich des AGG. Dabei spielt es keine Rolle, ob er für die ausgeschriebene Tätigkeit objektiv geeignet ist (BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 18, EzA AGG § 15 Nr. 16). Auch auf die subjektive Ernsthaftigkeit der Bewerbung kommt es nicht an. Das Fehlen einer solchen würde allenfalls zum Einwand treuwidrigen Verhaltens des Bewerbers führen (BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 24, EzA AGG § 15 Nr. 17).

26

b) Die Beklagte ist als „Arbeitgeberin“ passiv legitimiert. Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG ist Arbeitgeber im Sinne des Gesetzes, wer „Personen nach Absatz 1“ des § 6 AGG „beschäftigt“. Arbeitgeber eines Bewerbers ist also der, der um Bewerbungen für ein von ihm angestrebtes Beschäftigungsverhältnis gebeten hat (BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 19, EzA AGG § 15 Nr. 16).

27

c) Der Entschädigungsanspruch ist rechtzeitig geltend gemacht worden.

28

aa) Gemäß § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG muss ein Anspruch aus § 15 Abs. 2 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden. Im Falle einer Bewerbung beginnt die Frist mit dem Zugang der Ablehnung (§ 15 Abs. 4 Satz 2 AGG). Mit Schreiben vom 4. Juni 2009 hat die Beklagte dem Kläger eine Absage erteilt. Dieser hat am 2. August 2009 einen Entschädigungs- und Unterlassungsanspruch schriftlich geltend gemacht. Mangels anderweitigen Sachvortrags der Parteien ist deshalb unter Zugrundelegung der üblichen Postlaufzeiten davon auszugehen, dass die Frist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG gewahrt ist.

29

bb) Der Kläger hat seinen Entschädigungsanspruch durch die beim Arbeitsgericht am 28. Oktober 2009 eingegangene Klage innerhalb der dreimonatigen Klageerhebungsfrist des § 61b Abs. 1 ArbGG geltend gemacht.

30

d) Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG ist ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 AGG. § 15 Abs. 2 AGG enthält nur eine Rechtsfolgenregelung, für die Anspruchsvoraussetzungen ist auf § 15 Abs. 1 AGG zurückzugreifen(BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 30, EzA AGG § 15 Nr. 17).

31

Im Streitfalle liegen Indizien vor, die eine unzulässige Benachteiligung des Klägers wegen dessen Alters vermuten lassen (§§ 1, 3 Abs. 1, § 7 Abs. 1, § 22 AGG).

32

aa) Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn ein Beschäftigter wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes - zu denen auch das Alter zählt - eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.

33

bb) Der Kläger erfuhr eine weniger günstige Behandlung als die Bewerber, die zu einem Assessment-Center bei der Beklagten eingeladen wurden. Ein Nachteil im Rahmen einer Auswahlentscheidung liegt auch dann vor, wenn der Bewerber - wie hier der Kläger - nicht in die Auswahl einbezogen, sondern vorab in einem Bewerbungsverfahren ausgeschieden wird. Die Benachteiligung liegt bereits in der Versagung einer Chance (st. Rspr., vgl. BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 24, EzA AGG § 15 Nr. 16).

34

cc) Das Vorliegen einer vergleichbaren Situation setzt voraus, dass der Kläger objektiv für die ausgeschriebene Stelle geeignet war, denn vergleichbar (nicht: gleich) ist die Auswahlsituation nur für Arbeitnehmer, die gleichermaßen die objektive Eignung für die zu besetzende Stelle aufweisen. Für das Vorliegen einer Benachteiligung ist es erforderlich, dass eine Person, die an sich für die Tätigkeit geeignet wäre, nicht ausgewählt oder schon nicht in Betracht gezogen wurde. Könnte auch ein objektiv ungeeigneter Bewerber immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG verlangen, stünde dies nicht im Einklang mit dem Schutzzweck des AGG. Das AGG will vor ungerechtfertigter Benachteiligung schützen, nicht eine unredliche Gesinnung des (potentiellen) Arbeitgebers sanktionieren. Die objektive Eignung ist keine ungeschriebene Voraussetzung der Bewerbereigenschaft, sondern Kriterium der „vergleichbaren Situation“ iSd. § 3 Abs. 1 AGG(BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 26, EzA AGG § 15 Nr. 16).

35

Grundsätzlich ist für die objektive Eignung nicht auf das formelle Anforderungsprofil, welches der Arbeitgeber erstellt hat, abzustellen, sondern auf die Anforderungen, die der Arbeitgeber an einen Stellenbewerber stellen durfte. Der Arbeitgeber darf zwar grundsätzlich über den der Stelle zugeordneten Aufgabenbereich und die dafür geforderten Qualifikationen des Stelleninhabers frei entscheiden, er darf aber nicht durch willkürlich gewählte Anforderungen den Schutz des AGG faktisch beseitigen (vgl. BAG 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 38, AP AGG § 15 Nr. 6 = EzA AGG § 15 Nr. 13). Der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes ist verpflichtet, für die zu besetzende Stelle ein Anforderungsprofil festzulegen und nachvollziehbar zu dokumentieren, weil nur so seine Auswahlentscheidung nach den Kriterien der Bestenauslese gerichtlich überprüft werden kann (BAG 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 43, aaO). Dem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes steht bei der Anwendung von Art. 33 Abs. 2 GG und damit auch bei der Festlegung des Anforderungsprofils ein Beurteilungsspielraum zu, der nur eine eingeschränkte gerichtliche Kontrolle zulässt. Die Festlegung des Anforderungsprofils muss aber dem Grundsatz der „Bestenauslese“ Rechnung tragen und muss im Hinblick auf die Anforderungen der zu besetzenden Stelle sachlich nachvollziehbar sein (BAG 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 45, aaO).

36

dd) Die Beklagte hat in ihrer Stellenanzeige Hochschulabsolventen gesucht, um Führungskräfte in der Verwaltung zu rekrutieren. Der Kläger verfügt über das erste und zweite juristische Staatsexamen und erfüllt daher grundsätzlich die von der Beklagten gestellten Anforderungen. Eine bestimmte Mindestnote hat sie in dem Stellenprofil nicht gefordert, obwohl sie dazu grundsätzlich berechtigt gewesen wäre (vgl. BAG 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 48, AP AGG § 15 Nr. 6 = EzA AGG § 15 Nr. 13).

37

ee) Es liegen auch Indizien für die Vermutung vor, dass der Kläger „wegen“ seines Alters benachteiligt worden ist.

38

Der Kausalzusammenhang zwischen nachteiliger Behandlung und Alter ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an das Alter anknüpft oder durch dieses motiviert ist. Dabei ist es nicht erforderlich, dass der betreffende Grund das ausschließliche Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist. Ausreichend ist vielmehr, dass das verpönte Merkmal Bestandteil eines Motivbündels ist, welches die Entscheidung beeinflusst hat. Auf ein schuldhaftes Handeln oder gar eine Benachteiligungsabsicht kommt es nicht an (BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 42, EzA AGG § 15 Nr. 17).

39

Hinsichtlich der Kausalität zwischen Nachteil und dem verpönten Merkmal ist in § 22 AGG eine Beweislastregelung getroffen, die sich auch auf die Darlegungslast auswirkt. Der Beschäftigte genügt danach seiner Darlegungslast, wenn er Indizien vorträgt, die seine Benachteiligung wegen eines verbotenen Merkmals vermuten lassen. Dies ist der Fall, wenn die vorgetragenen Tatsachen aus objektiver Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass die Benachteiligung wegen dieses Merkmals erfolgt ist. Durch die Verwendung der Wörter „Indizien“ und „vermuten“ bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass es hinsichtlich der Kausalität zwischen einem der in § 1 AGG genannten Gründe und einer ungünstigeren Behandlung genügt, Hilfstatsachen vorzutragen, die zwar nicht zwingend den Schluss auf die Kausalität erfordern, die aber die Annahme rechtfertigen, dass Kausalität gegeben ist(BAG 27. Januar 2011 - 8 AZR 580/09 - Rn. 29, EzA AGG § 22 Nr. 3). Liegt eine Vermutung für die Benachteiligung vor, trägt nach § 22 AGG die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

40

ff) Nach diesen Grundsätzen ist eine Benachteiligung des Klägers wegen seines Alters zu vermuten.

41

Anknüpfungspunkt für die Vermutung einer Benachteiligung wegen des Alters ist im vorliegenden Falle der Text der Stellenausschreibung. Diese enthält neben den Bewerbungskriterien „Hochschulabsolventen“ und „Berufsanfänger“ auch das Kriterium „Young Professionells“. Letzteres kann mit „junger Fachmann/-frau“ übersetzt werden (vgl. Wahrig Deutsches Wörterbuch 8. Aufl. S. 1680). Damit hat die Beklagte direkt auf das Merkmal „Alter“ abgestellt. Sie hat zum Ausdruck gebracht, dass es ihr nicht allein darum ging, Bewerber, die gerade ihren Hochschulabschluss geschafft haben und demnach noch keine oder wenig Berufserfahrung aufweisen, anzusprechen. Diese Kriterien mag etwa auch derjenige erfüllen, der ungewöhnlich lange studiert und erst im vorgerückten Alter seinen Abschluss gemacht hat. Diesen Bewerberkreis wollte die Beklagte erkennbar aber nicht ansprechen. Neben fehlender Berufserfahrung sollten die Bewerber vielmehr auch noch „jung“ sein. Zwar ist der Begriff „jung“ nicht eindeutig zu definieren (BAG 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 59, AP AGG § 15 Nr. 5 = EzA AGG § 15 Nr. 10), jedoch bringt die Zusammenschau der Kriterien „Hochschulabsolvent“ und „Berufsanfänger“ sowie „Young Professionells“ aus Sicht eines objektiven Lesers des Stellenprofils die Erwartungshaltung der Beklagten zum Ausdruck, dass die Bewerber nicht älter als 30, maximal 35 Jahre alt sein sollten. Auch die Beklagte geht davon aus, dass sie mit der Stellenanzeige vornehmlich jüngere Menschen im Altersdurchschnitt von 25 bis 30 Jahren angesprochen hat.

42

Nach § 11 AGG darf ein Arbeitsplatz nicht unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 AGG ausgeschrieben werden. Eine Ausschreibung verstößt gegen § 7 Abs. 1 AGG, wenn Menschen, die ein in § 1 AGG genanntes Merkmal aufweisen, vom Kreis der für die zu besetzende Stelle in Betracht kommenden Personen ausgeschlossen werden(BAG 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 57, AP AGG § 15 Nr. 5 = EzA AGG § 15 Nr. 10). Die Verletzung der Verpflichtung, einen Arbeitsplatz nicht unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 AGG auszuschreiben, kann die Vermutung begründen, die Benachteiligung sei wegen des in der Ausschreibung bezeichneten verbotenen Merkmals erfolgt(vgl. BAG 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 59, aaO).

43

gg) Nach der Stellenanzeige wurden „junge“ Fachleute bzw. Hochschulabsolventen ohne Berufserfahrung gesucht. Mit dieser Einschränkung werden solche Personen, die nicht mehr „jung“ sind, vom Kreis derer, die für die zu besetzende Stelle in Betracht kommen, ausgeschlossen. Dabei ist es nicht entscheidend, dass der Begriff „jung“ nicht eindeutig zu definieren ist. Jedenfalls im Zusammenhang mit den anderen geforderten Kriterien, nämlich „Hochschulabsolvent“ und „Berufsanfänger“, wird deutlich, dass es der Beklagten um eine Zielgruppe von Akademikern von rund 30 Jahren ging. Der Kläger erfüllte dieses Kriterium mit 36 Jahren nicht mehr.

44

hh) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist nicht davon auszugehen, dass die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters nach § 10 Satz 1 AGG gerechtfertigt ist.

45

§ 10 Satz 1 und Satz 2 AGG gestatten die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters, wenn diese objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Rechtfertigungsgründe werden in § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG zunächst in Form einer Generalklausel umschrieben. § 10 Satz 3 AGG zählt dann, wie sich aus dem Wort „insbesondere“ ergibt, Beispielsfälle auf, ohne dass es sich um einen abschließenden Katalog handelt(BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 40, BAGE 129, 181 = AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1). Unter einem „legitimen Ziel“ iSv. § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG sind nicht nur im Interesse der Allgemeinheit liegende Ziele zu verstehen, sondern auch betriebs- und unternehmensbezogene Interessen, wobei es sich nicht um gesetzlich anerkannte Interessen handeln muss(BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 53, aaO).

46

Die unterschiedliche Behandlung muss „objektiv“ gerechtfertigt sein. Es ist dabei zu prüfen, ob das verfolgte Interesse auf tatsächlichen und nachvollziehbaren Erwägungen beruht und ob die Ungleichbehandlung nicht nur aufgrund von bloßen Vermutungen oder subjektiven Einschätzungen vorgenommen wird. Sie muss ferner „angemessen“ sein. Dies erfordert eine Verhältnismäßigkeitsprüfung. Danach muss das verfolgte Ziel in einem angemessenen Verhältnis zu der Ungleichbehandlung stehen. Dafür ist eine Abwägung zwischen dem Schutz vor Ungleichbehandlung und dem verfolgten Ziel vorzunehmen. Die Ungleichbehandlung muss letztlich durch das verfolgte Ziel sachlich gerechtfertigt sein. Nach § 10 Satz 2 AGG ist ferner zu prüfen, ob auch die eingesetzten Mittel zur Erreichung des Ziels verhältnismäßig sind(BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 55, BAGE 129, 181 = AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1).

47

Gemessen an diesen Anforderungen hat die Beklagte keine Rechtfertigung iSv. § 10 AGG dargelegt.

48

Sie kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie mit dem Anforderungsprofil „junge Berufsanfänger“ eine ausgewogene Altersstruktur anstrebe, weil die Mitarbeiter in der Verwaltung eher in vorgerücktem Alter stünden.

49

Allerdings kann die Sicherung einer ausgewogenen Altersstruktur grundsätzlich als ein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG angesehen werden. Zu Altersgrenzen vertritt der EuGH nach gefestigter Rechtsprechung die Auffassung, dass ein „günstiger Altersaufbau“ sogar aus Gründen der Beschäftigungs- und Sozialpolitik gerechtfertigt sein könne. Denn es gehe regelmäßig auch darum, zum Erfahrungsaustausch zwischen Beschäftigten verschiedener Generationen beizutragen und die Einstellung jüngerer Arbeitnehmer zu ermöglichen (vgl. EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10 und C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 49 f., AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 21 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 20). Auch der deutsche Gesetzgeber hat in § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG beim Ausspruch von betriebsbedingten Kündigungen die Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur im Betrieb grundsätzlich als legitimes Ziel anerkannt(vgl. BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 52 ff., AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 21 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 84). Allerdings deckt die Vorschrift nur die „Sicherung“, nicht aber eine „Veränderung“ der Personalstruktur ab. Wenn, wie hier, der Arbeitgeber einem drohenden Überalterungsprozess in seiner Belegschaft entgegenwirken will, indem er nur noch jüngere Arbeitnehmer einstellt, lässt sich dies jedenfalls nicht mit dem Rechtsgedanken aus § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG begründen(vgl. BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 57, BAGE 129, 181 = AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1).

50

Ob es ein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG sein kann, wenn der Arbeitgeber nur noch jüngere Bewerber einstellen will, um eine verjüngte Personalstruktur erst zu schaffen, kann letztlich dahin gestellt bleiben. Denn die Arbeitgeberin ist im vorliegenden Falle jedenfalls nicht ihrer Darlegungslast bzgl. des Vorliegens eines legitimen Ziels iSv. § 10 Satz 1 AGG nachgekommen. Sie hätte zunächst vortragen müssen, welche konkrete Personalstruktur sie schaffen oder erhalten will und aus welchen Gründen. Schlagwortartige Bezeichnungen genügen dafür nicht. Andernfalls kann nicht überprüft werden, ob die Ungleichbehandlung durch das verfolgte Ziel gerechtfertigt ist (vgl. BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 59, BAGE 129, 181 = AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1). Die Beklagte hat zwar vorgebracht, dass in den nächsten zehn Jahren 35 % der Mitarbeiter (gemeint sind wohl die in der Verwaltung) planmäßig ausscheiden werden und fast die Hälfte ihrer Beschäftigten mehr als 50 Jahre alt sei. Wenn etwa die Hälfte der Mitarbeiter mehr als 50 Jahre alt ist, spricht dies indes noch nicht für ein evident drohendes Problem der Überalterung. Geht man von einem durchschnittlichen Eintrittsalter von 30 Jahren und einem Ausscheiden bei 65 oder mehr Jahren aus, so liegt das Alter von 50 Jahren nur knapp über dem Durchschnittsalter in einem Erwerbsleben. Vor diesem Hintergrund hätte die Beklagte näher erläutern müssen, welche Altersstruktur sie anstrebt und welche Nachteile ansonsten ggf. drohen würden.

51

Entsprechendes gilt für ihren Vortrag, sie verfolge das Ziel, jüngeren Berufsanfängern ohne Berufserfahrung den Einstieg in das Berufsleben zu erleichtern. Auf § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG kann sich die Beklagte in diesem Zusammenhang nicht berufen, da diese Regelung die Eingliederung von Jugendlichen, nicht von Berufsanfängern, bezweckt. Als ein legitimes Ziel könnte es uU anzuerkennen sein, dass der Arbeitgeber die bevorzugte Einstellung von Berufsanfängern bezweckt, weil diese arbeitslos sind und auf dem primären Arbeitsmarkt keine guten Einstellungschancen hätten. Bei Hochschulabsolventen aus den Bereichen Medizin, Naturwissenschaften, Wirtschafts- und Rechtswissenschaften ist dies aber grundsätzlich nicht der Fall. Die Beklagte wendet sich in ihrer Stellenanzeige („Young Professionells“) gerade an besonders qualifizierte Berufseinsteiger mit regelmäßig guten Berufschancen.

52

Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass sie für die Teilnahme an dem zweijährigen Traineeprogramm ausschließlich jüngere Bewerberinnen und Bewerber ohne Berufserfahrung suchen durfte.

53

§ 10 Satz 3 Nr. 3 AGG ist nicht zur Rechtfertigung heranzuziehen. Danach kann die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung aufgrund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder aufgrund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand eine Ungleichbehandlung wegen des Alters rechtfertigen. Nach der Gesetzesbegründung liegt der Regelung die Überlegung zugrunde, dass bei älteren Beschäftigten, deren Rentenalter bereits absehbar ist, einer aufwendigen Einarbeitung am Arbeitsplatz auch eine betriebswirtschaftlich sinnvolle Mindestdauer einer produktiven Arbeitsleistung gegenüberstehen muss (BT-Drucks. 16/1780 S. 36). Legt man hier zugrunde, dass der Kläger bei seiner Bewerbung 36 Jahre alt war, so lägen noch rund 30 Berufsjahre bei der Beklagten vor ihm, um eine zweijährige Ausbildung zu kompensieren. Dies wäre in jedem Falle hinreichend lang.

54

Die Beklagte führt zur Rechtfertigung ihres Anforderungsprofils für Bewerber für das Traineeprogramm aus, sie habe bewusst Berufsanfänger ohne Berufserfahrung gesucht, um diese Bewerber in ihrem Sinne „formen“ zu können. Die Bewerber sollten ihr theoretisch erworbenes Wissen allein mit dem im Unternehmen der Beklagten erlangten Wissen verknüpfen. Anderweitig erworbenes Spezialwissen von außen oder sonstige Berufserfahrung sollten sie gerade nicht mit einbringen. Berufseinsteiger könnten auch besser und schneller auf die betriebsspezifischen Erfordernisse vorbereitet werden. Schließlich seien vergleichbare Traineeprogramme in bestimmten Brachen üblich.

55

In der Literatur wird teilweise betont, es sei zulässig, für Traineeprogramme nach jungen Hochschulabsolventen zu suchen (Wichert/Zange DB 2007, 970 ff.; Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 10 Rn. 35; Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 132; wohl auch Däubler/Bertzbach - Däubler 2. Aufl. § 7 Rn. 37; für eine Altersgrenze bei der Suche nach Führungskräften tendenziell großzügig auch MüKoBGB/Thüsing 6. Aufl. § 10 AGG Rn. 22; Schaub/Linck ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 36 Rn. 65). Teilweise wird demgegenüber betont, das Alter dürfe nur in besonderen Ausnahmefällen bei Einstellungen eine Rolle spielen, insbesondere könne der Arbeitgeber eine unterschiedliche Behandlung nicht damit begründen, der Arbeitnehmer bringe mit zunehmendem Alter nicht mehr die erforderliche Flexibilität mit (Däubler/Bertzbach - Buschmann 2. Aufl. § 11 Rn. 15; Weber AuR 2002, 401, 403 f.; Kittner/Zwanziger - Zwanziger 6. Aufl. § 92 Rn. 121).

56

Der Fall nötigt nicht zu einer abschließenden Beantwortung der Frage, ob Altersgrenzen bei einer ausgeschriebenen Traineestelle zur Nachwuchsförderung von Führungskräften generell keine Rolle spielen dürfen. Denn hierfür möglicherweise in Betracht kommende Gründe hat die Beklagte jedenfalls nicht ausreichend dargelegt. Eine unterschiedliche Behandlung muss dabei „objektiv“ gerechtfertigt sein. Es kommt demnach darauf an, ob das verfolgte Interesse auf tatsächlichen und nachvollziehbaren Erwägungen beruht und ob die Ungleichbehandlung nicht nur aufgrund von bloßen Vermutungen oder subjektiven Einschätzungen vorgenommen wird (vgl. BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 55, BAGE 129, 181 = AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1).

57

Wenn die Beklagte darauf abstellt, dass sie sich ihren Führungskräftenachwuchs hat „formen“ wollen, so liegt dem die Annahme zugrunde, dass dies bei älteren Arbeitnehmern mit Berufserfahrung nicht oder weniger gut ginge. Ein allgemeiner Erfahrungssatz, dass ein älterer Arbeitnehmer weniger gut lernt als ein jüngerer, existiert nicht und ist auch vom Landesarbeitsgericht nicht festgestellt worden. Allenfalls verringert sich die Lerngeschwindigkeit mit zunehmendem Alter (vgl. BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 68, BAGE 132, 210 = AP AGG § 7 Nr. 1 = EzA AGG § 10 Nr. 2). Zwar hat dies die Beklagte pauschal behauptet, doch genügt sie damit nicht ihren Anforderungen an einen substantiierten Sachvortrag. Bloße Vermutungen können eine Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen. Entsprechendes gilt, sofern man bei jungen Hochschulabsolventen eine größere Bereitschaft unterstellen mag, sich voll und ganz auf ein neues Unternehmen einzulassen. Anerkannt ist bislang allenfalls, dass bei typisierender Betrachtungsweise die Chancen für Ältere auf dem Arbeitsmarkt sinken (vgl. BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 56, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 21 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 84) und dass die körperliche und psychische Belastbarkeit mit zunehmendem Alter sinkt (EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] Rn. 67, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 23 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 22; BAG 17. Juni 2009 - 7 AZR 112/08 (A) - Rn. 21, BAGE 131, 113 = AP TzBfG § 14 Nr. 64 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 12). Nicht anerkannt ist aber, dass die Mobilität oder Flexibilität mit zunehmendem Alter sinkt (vgl. BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 63 ff., aaO). Auch Arbeitnehmer mit fortgeschrittenem Alter müssen sich fort- und weiterbilden. Es spricht daher im Grundsatz nichts dagegen, dass auch ein fast Vierzigjähriger mit Erfolg an einem Traineeprogramm teilnehmen und anschließend eine Position in der Führungsebene eines Unternehmens ausfüllen kann.

58

Sofern die Beklagte vorträgt, Bewerber mit bereits in einem anderen Unternehmen erworbener Berufserfahrung sollten diese Erfahrungen nicht bei ihr einbringen können, erscheint dies ohne weitere Erläuterung nicht nachvollziehbar. Allgemein wird es als Vorteil angesehen, wenn Bewerber bereits über Berufserfahrung verfügen, da sie diese Kenntnisse dem neuen Arbeitgeber zur Verfügung stellen können. Eine „Verbildung“ durch die bisher ausgeübte Tätigkeit ist im Allgemeinen nicht ohne Weiteres anzunehmen (vgl. BAG 8. Dezember 2010 - 7 ABR 98/09 - Rn. 63, BAGE 136, 237 = AP BetrVG 1972 § 99 Einstellung Nr. 62 = EzA TVG § 1 Betriebsnorm Nr. 5). Aus welchen konkreten unternehmensspezifischen Gründen im vorliegenden Falle erworbenes Praxiswissen für das Traineeprogramm bei der Beklagten schadet, erschließt sich demnach nicht.

59

Die Beklagte kann sich auch nicht erfolgreich darauf berufen, Traineeprogramme seien in bestimmten Branchen für Berufseinsteiger üblich. Das Landesarbeitsgericht hat lediglich festgestellt, Traineeprogramme hätten bei Banken und Versicherungen eine lange Tradition. Dies verfängt im Streitfalle jedoch nicht, weil es vorliegend um einen Krankenhausbetrieb geht.

60

Wenn die Beklagte meint, das Traineeprogramm diene auch dazu, zu ermitteln, ob der Bewerber für eine Tätigkeit in einer Krankenhausverwaltung in Betracht komme, so stellt sich die Beschränkung des Bewerberkreises aus diesem Grund jedenfalls nicht als eine erforderliche Maßnahme dar. Es bestünde nämlich die Möglichkeit einer befristeten Probezeit (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 TzBfG) oder einer sachgrundlosen Befristung (§ 14 Abs. 2 TzBfG), um Klarheit zu finden, ob der Bewerber langfristig für die Stelle geeignet ist.

61

e) Ein etwaiger Entschädigungsanspruch des Klägers wäre nicht ausnahmsweise unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs ausgeschlossen (§ 242 BGB).

62

aa) Im Falle von Ansprüchen nach § 15 AGG kann unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls der Erwerb der Rechtsstellung als Bewerber dann als unredlich erscheinen, wenn die Bewerbung allein deshalb erfolgt ist, um Entschädigungsansprüche zu erlangen. Für die fehlende Ernsthaftigkeit der Bewerbung, dh. den Rechtsmissbrauch, ist der Arbeitgeber darlegungs- und beweisbelastet, wobei der Arbeitgeber Indizien vortragen muss, die geeignet sind, den Schluss auf die fehlende Ernsthaftigkeit zuzulassen (BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 54, EzA AGG § 15 Nr. 16).

63

bb) Die Beklagte hat keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Annahme vorgebracht, der Kläger habe sich nicht ernsthaft beworben. Zwar könnte ein krasses Missverhältnis zwischen Anforderungsprofil der zu vergebenden Stelle und der Qualifikation des Bewerbers die Ernsthaftigkeit der Bewerbung in Frage stellen. Die Beklagte meint in diesem Kontext, der Kläger sei mit seiner Berufserfahrung und seinem vermutlich bisherigen Einkommen für die Traineestelle überqualifiziert. Demgegenüber hat der Kläger behauptet, er wolle sich nach einem Auslandsaufenthalt neu orientieren und sei im Zeitpunkt der Bewerbung ohne nennenswerte Einkünfte gewesen. Das im Anforderungsprofil genannte Kriterium „abgeschlossenes Hochschulstudium“ in „Jura“ erfüllt er. Sofern die Beklagte mutmaßt, der Kläger habe eine Vielzahl von Bewerbungen verschickt und mehrere Entschädigungsprozesse geführt, spricht auch dies nicht zwingend gegen die Ernsthaftigkeit der Bewerbung (vgl. BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 56, EzA AGG § 15 Nr. 16). Der Hinweis des Klägers in seinem Bewerbungsschreiben, sein Vater sei Opfer eines „Ärztepfusches“ geworden, mutet bei einer Bewerbung in einem Krankenhausbetrieb zwar befremdlich an, ist aber letztlich für sich genommen nicht geeignet, die Ernsthaftigkeit der Bewerbung auszuschließen.

64

3. Da der Kläger somit Tatsachen vorgetragen hat, die eine Benachteiligung wegen seines Alters vermuten lassen, trägt die Beklagte nach § 22 AGG die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorliegt. Der Arbeitgeber muss das Gericht davon überzeugen, dass die Benachteiligung nicht (auch) auf dem Alter beruht. Damit muss er Tatsachen vortragen und gegebenenfalls beweisen, aus denen sich ergibt, dass es ausschließlich andere Gründe waren als das Alter, die zu der weniger günstigen Behandlung geführt haben (vgl. BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 58, EzA AGG § 15 Nr. 17).

65

Solche Tatsachen hat die Beklagte vorgetragen. Sie wäre berechtigt gewesen, den Kläger nicht zu einem Assessment-Center zu laden, wenn er schlechtere Examensnoten als die eingeladenen Mitbewerber aufgewiesen hätte. Zwar hat die Beklagte in ihrer Stellenausschreibung nicht ausdrücklich Mindestanforderungen an die Examensnoten der potentiellen Bewerber gestellt. Da nach Art. 33 Abs. 2 GG jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt hat, muss der öffentliche Arbeitgeber jede Bewerbung nach den genannten Kriterien beurteilen(allg. Meinung, vgl. BAG 18. September 2007 - 9 AZR 672/06 - Rn. 19, BAGE 124, 80 = AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 64 = EzA GG Art. 33 Nr. 33). Aus diesem Grunde war die Beklagte als öffentliche Arbeitgeberin berechtigt, wenn nicht sogar verpflichtet, nur die von der Examensnote her besten Bewerber in die engere Auswahl einzubeziehen.

66

Auf dieses Einstellungsverfahren nach der sog. „Bestenauslese“ brauchte sie in ihrer Stellenausschreibung nicht besonders hinzuweisen, weil eine solche Auswahl im öffentlichen Dienst selbstverständlich ist. Es handelt sich dabei nicht um ein „besonderes Anforderungsprofil“, an welches die Beklagte während des gesamten Bewerbungsverfahrens gebunden wäre.

67

Dies widerspricht nicht der Entscheidung des Neunten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 21. Juli 2009 (- 9 AZR 431/08 - BAGE 131, 232 = AP SGB IX § 82 Nr. 1 = EzA SGB IX § 82 Nr. 1). In dieser ging es vor allem um die Frage, ob ein schwerbehinderter Bewerber wegen offensichtlichen Fehlens der fachlichen Eignung nach § 82 Satz 3 SGB IX vom öffentlichen Arbeitgeber nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden musste. Offensichtlich ungeeignet iSd. § 82 Satz 3 SGB IX wäre der Kläger nicht gewesen, nachdem die Beklagte keine Mindestanforderungen an die Examensnoten gestellt hatte. Dies verbietet es aber nicht, diese Noten im Rahmen der Auswahlentscheidung bei einem nicht behinderten Bewerber zu berücksichtigen. Auch das Bundesverfassungsgericht geht in seiner Entscheidung vom 28. Februar 2007 (- 2 BvR 2494/06 - Rn. 6 ff., BVerfGK 10, 355) davon aus, dass der öffentliche Dienstherr an das Prinzip der „Bestenauslese“ im gesamten Bewerbungsverfahren gebunden ist.

68

Im Übrigen hat die Beklagte in ihrer Stellenausschreibung auch darauf hingewiesen, dass sie „ihre Personalentscheidungen nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung“ treffe.

69

Die Beklagte hat schlüssig dargelegt, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligungen vorgelegen hat. Ihr „Geschäftsleiter Finanzen“ Dr. H hat namens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 14. Januar 2011 vor dem Landesarbeitsgericht erklärt: „Als ich seinerzeit, es war der 1. Mai 2009, die Sichtung der Bewerbungen auf die Stellenanzeige vornahm, habe ich eine Auswahl nach den Examensnoten getroffen und nur diejenigen Bewerbungen in Betracht gezogen, die Examensnoten von gut oder sehr gut auswiesen“. Dieses Abstellen auf die Examensnoten war sachgerecht, weil die Beklagte Hochschulabsolventen als Bewerber gesucht hatte. Da der Kläger diese Vorgehensweise der Beklagten bestritten hat, wird das Landesarbeitsgericht darüber Beweis erheben müssen, nachdem die Beklagte für die Richtigkeit ihrer diesbezüglichen Behauptung den Veranstalter des Traineeprogramms Dr. H als Zeugen angeboten hatte.

70

Aus diesem Grunde war die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

71

Wenn sich die Behauptung der Beklagten nach Überzeugung des Berufungsgerichts (§ 286 ZPO) als wahr erweist, wird dieses im Rahmen des ihm eingeräumten Beurteilungsspielraums (vgl. BAG 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 56, AP AGG § 15 Nr. 5 = EzA AGG § 15 Nr. 10) zu entscheiden haben, ob der Beklagten der Beweis gelungen ist, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat, dh. dass sie ihre Entscheidung, den Kläger nicht zum Assessment-Center einzuladen, ausschließlich anhand der Examensnoten und damit nach den Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG getroffen hat. Dies gölte dann auch für eine vom Kläger vermutete unzulässige Benachteiligung wegen seines Geschlechts.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Bloesinger    

        

    St. Soost    

                 

Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein. Derartige unterschiedliche Behandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:

1.
die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlohnung und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Beschäftigten und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen,
2.
die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile,
3.
die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung auf Grund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder auf Grund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand,
4.
die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen,
5.
eine Vereinbarung, die die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der oder die Beschäftigte eine Rente wegen Alters beantragen kann; § 41 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch bleibt unberührt,
6.
Differenzierungen von Leistungen in Sozialplänen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes, wenn die Parteien eine nach Alter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung geschaffen haben, in der die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigt worden sind, oder Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplans ausgeschlossen haben, die wirtschaftlich abgesichert sind, weil sie, gegebenenfalls nach Bezug von Arbeitslosengeld, rentenberechtigt sind.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. März 2010 - 20 Sa 2058/09 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Eberswalde vom 8. Juli 2009 - 3 Ca 140/09 - wird zurückgewiesen und der Tenor dieses Urteils zur Klarstellung neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass der Klägerin für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein weiterer Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht.

3. Der Beklagte hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin in den Jahren 2008 und 2009 Anspruch auf jeweils 29 oder 30 Urlaubstage hatte.

2

Die am 27. Oktober 1971 geborene Klägerin ist seit dem 1. September 1988 bei dem beklagten Landkreis als Angestellte mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden in der Fünftagewoche beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13. September 2005 in der Fassung des Änderungstarifvertrags Nr. 2 vom 31. März 2008 (TVöD) Anwendung. Dieser bestimmt ua.:

        

§ 26 

        

Erholungsurlaub

        

(1)     

Beschäftigte haben in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts (§ 21). Bei Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf fünf Tage in der Kalenderwoche beträgt der Urlaubsanspruch in jedem Kalenderjahr

                 

bis zum vollendeten 30. Lebensjahr

26 Arbeitstage,

                 

bis zum vollendeten 40. Lebensjahr

29 Arbeitstage und

                 

nach dem vollendeten 40. Lebensjahr

30 Arbeitstage.

                 

Maßgebend für die Berechnung der Urlaubsdauer ist das Lebensjahr, das im Laufe des Kalenderjahres vollendet wird. Bei einer anderen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit als auf fünf Tage in der Woche erhöht oder vermindert sich der Urlaubsanspruch entsprechend. Verbleibt bei der Berechnung des Urlaubs ein Bruchteil, der mindestens einen halben Urlaubstag ergibt, wird er auf einen vollen Urlaubstag aufgerundet; Bruchteile von weniger als einem halben Urlaubstag bleiben unberücksichtigt. Der Erholungsurlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und kann auch in Teilen genommen werden.

        

…       

        
        

§ 27   

        

Zusatzurlaub

        

(1)     

Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit nach § 7 Abs. 1 oder ständig Schichtarbeit nach § 7 Abs. 2 leisten und denen die Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 1 oder Abs. 6 Satz 1 zusteht, erhalten

                 

a)    

bei Wechselschichtarbeit für je zwei zusammenhängende Monate und

                 

b)    

bei Schichtarbeit für je vier zusammenhängende Monate

                 

einen Arbeitstag Zusatzurlaub.

        

(2)     

Im Falle nicht ständiger Wechselschicht- oder Schichtarbeit (z. B. ständige Vertreter) erhalten Beschäftigte des Bundes, denen die Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 2 oder Abs. 6 Satz 2 zusteht, einen Arbeitstag Zusatzurlaub für

                 

a)    

je drei Monate im Jahr, in denen sie überwiegend Wechselschichtarbeit geleistet haben, und

                 

b)    

je fünf Monate im Jahr, in denen sie überwiegend Schichtarbeit geleistet haben.

        

…       

                 
        

(4)     

Zusatzurlaub nach diesem Tarifvertrag und sonstigen Bestimmungen mit Ausnahme von § 125 SGB IX wird nur bis zu insgesamt sechs Arbeitstagen im Kalenderjahr gewährt. Erholungsurlaub und Zusatzurlaub (Gesamturlaub) dürfen im Kalenderjahr zusammen 35 Arbeitstage nicht überschreiten. Satz 2 ist für Zusatzurlaub nach den Absätzen 1 und 2 hierzu nicht anzuwenden. Bei Beschäftigten, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, gilt abweichend von Satz 2 eine Höchstgrenze von 36 Arbeitstagen; § 26 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

        

…“    

        
3

Mit Schreiben vom 5. November 2008 machte die Klägerin gegenüber dem Beklagten einen jährlichen Gesamturlaub in Höhe von 30 Tagen für das Jahr 2008 und die Zukunft nach dem TVöD geltend. Der Beklagte lehnte die Gewährung von 30 Urlaubstagen vor der Vollendung des 40. Lebensjahres der Klägerin unter Hinweis auf die Verbindlichkeit der Regelung des § 26 Abs. 1 TVöD mit Schreiben vom 28. November 2008 ab. Die Klägerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 11. Februar 2009 die vorliegende Klage erhoben.

4

Sie hat die Ansicht vertreten, sie habe auch vor der Vollendung ihres 40. Lebensjahres Anspruch auf jährlich 30 und nicht nur 29 Urlaubstage. Die an das Lebensalter anknüpfende Staffelung des tariflichen Urlaubsanspruchs sei eine Diskriminierung wegen des Alters. Die in der Tarifregelung enthaltene Ungleichbehandlung jüngerer Arbeitnehmer sei nicht durch § 10 AGG gerechtfertigt. Im Übrigen würden die gesundheitlichen Wirkungen zusätzlichen Urlaubs zur Vermeidung beispielsweise von Stresserscheinungen am Arbeitsplatz auch in der medizinischen Literatur kontrovers diskutiert.

5

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass ihr für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht.

6

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Diese sei bereits unzulässig, da das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO nötige Feststellungsinteresse fehle. Schließlich sei die Klage auch unbegründet. Die Altersstufenregelung des § 26 Abs. 1 TVöD sei durch einen sachlichen Grund nach § 10 AGG gerechtfertigt. Die Festlegung eines Mindestalters für die Gewährung von 30 Urlaubstagen pro Kalenderjahr stelle eine besondere Beschäftigungsbedingung zum Schutz älterer Beschäftigter bzw. eine Mindestanforderung an das Alter für einen mit der Beschäftigung verbundenen Vorteil dar, der zur Erreichung eines legitimen Ziels angemessen und erforderlich sei. Ältere Arbeitnehmer seien mit zunehmendem Alter aufgrund beruflicher Belastungen länger krank. Um diesen Umstand Rechnung zu tragen, hätten die Tarifvertragsparteien mit der Regelung in § 26 Abs. 1 TVöD auf das verstärkte Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer reagiert und deren Leistungsfähigkeit stärken wollen. Der Aspekt des Gesundheitsschutzes älterer Arbeitnehmer sei daher geeignet, die Ungleichbehandlung jüngerer Beschäftigter zu rechtfertigen. Schließlich würde auch eine Diskriminierung keine Angleichung „nach oben“ zur Folge haben.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die Wiederherstellung der stattgebenden Entscheidung des Arbeitsgerichts. Der Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

A. Die zulässige Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf die geltend gemachten Ersatzurlaubstage.

9

I. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Feststellungsklage zulässig ist. Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse daran, durch das Gericht feststellen zu lassen, ob ihr für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht ( § 256 Abs. 1 ZPO ). Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer den Umfang des ihm zustehenden Urlaubs gerichtlich festgestellt haben will, nicht entgegen (vgl. BAG 12. April 2011 - 9 AZR 80/10  - Rn. 13 bis 15, EzA BUrlG § 7 Nr. 123).

10

II. Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten für den ihr in den Jahren 2008 und 2009 jeweils verweigerten 30. Urlaubstag gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB Anspruch auf jeweils einen Tag Ersatzurlaub. Die Urlaubsstaffelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD verstößt gegen die §§ 1, 3 Abs. 1 AGG. Denn sie gewährt Beschäftigten, die das 30., aber noch nicht das 40. Lebensjahr vollendet haben, einen um einen Tag kürzeren Urlaub. Sie ist deshalb nach § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG iVm. § 134 BGB unwirksam. Dies hat zur Folge, dass die Klägerin auch vor der Vollendung ihres 40. Lebensjahres in jedem Kalenderjahr Anspruch auf 30 Urlaubstage hatte. Ihr steht für die Jahre 2008 und 2009 jeweils noch ein Tag Ersatzurlaub zu, weil der Beklagte ihr in diesen Jahren nur jeweils 29 Urlaubstage gewährte.

11

1. Nach § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD standen der am 27. Oktober 1971 geborenen Klägerin in den Jahren 2008 und 2009 jeweils 29 Urlaubstage zu. Erst nach dem vollendeten 40. Lebensjahr gewährt ihr diese Tarifregelung einen jährlichen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen. Diese an das Lebensalter anknüpfende Staffelung der Urlaubsdauer verstößt gegen das Verbot der Altersdiskriminierung in § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG. Sie ist als sachlich nicht nach den §§ 8, 10 AGG gerechtfertigte unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters gemäß § 7 Abs. 2 AGG iVm. § 134 BGB unwirksam. Zur Beseitigung dieser Diskriminierung ist eine Anpassung auf 30 Urlaubstage erforderlich.

12

2. Zutreffend haben die Vorinstanzen die Regelung in § 26 Abs. 1 TVöD am AGG gemessen. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG gelten die Diskriminierungsverbote der §§ 1, 7 AGG auch für die in kollektivrechtlichen Vereinbarungen geregelten Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen. Unter solchen Bedingungen sind alle Umstände zu verstehen, aufgrund derer und unter denen die Arbeitsleistung zu erbringen ist (vgl. BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 54, BAGE 132, 210). Zu den Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen gehört damit auch der Urlaub. Der Umstand, dass die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b TVöD bereits am 1. Januar 2006 und somit schon vor dem AGG vom 14. August 2006 in Kraft getreten ist, steht dem nicht entgegen. Die für die Jahre 2008 und 2009 geltend gemachte Benachteiligung durch § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD ist erst nach Inkrafttreten des AGG am 18. August 2006 eingetreten. Da § 33 Abs. 1 AGG insoweit keine Übergangsregelung enthält, findet dieses Gesetz auch dann Anwendung, wenn die Benachteiligung auf einem vor Inkrafttreten des AGG abgeschlossenen Tarifvertrag beruht. Es kommt allein auf den Zeitpunkt der Benachteiligungshandlung an (BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 33, BAGE 129, 72).

13

3. Die Urlaubsstaffelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD enthält eine auf dem Merkmal des Alters beruhende Ungleichbehandlung der Beschäftigten, die das 30. bzw. das 40. Lebensjahr nicht vollendet haben. Das ist eine unmittelbare Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer wegen des Alters iSv. § 3 Abs. 1 AGG.

14

a) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Beim Alter handelt es sich um einen in § 1 AGG genannten Grund, wobei unter Alter das Lebensalter zu verstehen ist. Dies folgt aus dem gesetzlichen Wortlaut und auch aus der Gesetzesbegründung ( BT-Drucks. 16/1780 S. 31; BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 49, BAGE 132, 210; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07  - Rn. 36, BAGE 129, 181). Der für eine unmittelbare Benachteiligung erforderliche Kausalzusammenhang ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere in § 1 AGG genannte Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 32; BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 50, aaO).

15

b) Diese Voraussetzung ist erfüllt. § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD sieht für Beschäftigte bei einer Fünftagewoche in jedem Kalenderjahr einen Urlaubsanspruch bis zum vollendeten 30. Lebensjahr in Höhe von 26 Arbeitstagen, bis zum vollendeten 40. Lebensjahr in Höhe von 29 Arbeitstagen und erst nach dem vollendeten 40. Lebensjahr in Höhe von 30 Arbeitstagen vor. Die Höhe des Urlaubsanspruchs nach § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD knüpft damit in allen Stufen unmittelbar an das Lebensalter der Beschäftigten an. Danach haben Beschäftigte wie die Klägerin, die zwar das 30. Lebensjahr, aber noch nicht das 40. Lebensjahr vollendet haben, in jedem Jahr nur Anspruch auf 29 statt auf 30 Urlaubstage. Sie werden ebenso wie die unter 30-Jährigen im Vergleich zu den Beschäftigten, die das 40. Lebensjahr vollendet haben, hinsichtlich der Höhe des Urlaubsanspruchs wegen ihres geringeren Alters ungünstiger behandelt.

16

4. Diese Ungleichbehandlung ist nicht gerechtfertigt.

17

a) Bei ihr handelt es sich nicht um eine nach § 8 AGG zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen. Die Urlaubsstaffel des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD knüpft nicht an die Art der auszuübenden Tätigkeit oder die Bedingungen ihrer Ausübung an. Sie stellt nicht auf die Art der auszuübenden Tätigkeit ab und beansprucht damit Geltung für alle dem TVöD unterfallenden Beschäftigten.

18

b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Ungleichbehandlung auch nicht nach § 10 AGG sachlich gerechtfertigt(so ebenfalls die herrschende Meinung in der Literatur, vgl. Linck/Schütz FS Leinemann, S. 181 f.; Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV Stand Januar 2012 E § 26 TVöD Rn. 22; AGG/Voigt 3. Aufl. § 10 Rn. 33; Meinel/Heyn/Herms AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 42b; Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 105; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdtle ZTR 2006, 622, 623 mwN; Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 478; vgl. ferner bereits zu § 48 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). § 10 Satz 1 AGG lässt eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters ungeachtet der Regelung des § 8 AGG zu, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Zudem müssen die Mittel zur Erreichung dieses Ziels nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist die an das Lebensalter anknüpfende Differenzierung in § 26 Abs. 1 TVöD nicht sachlich gerechtfertigt, weil sie einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung trägt und deren Gesundheit schützen will. Dabei kann dahinstehen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen das Ziel des Gesundheitsschutzes eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen würde. Die Tarifvorschrift verfolgt dieses Ziel schon nicht.

19

aa) Die Tarifvertragsparteien haben das mit der in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD geregelten Urlaubsstaffelung verfolgte Ziel nicht ausdrücklich genannt. Nennt eine Regelung oder Maßnahme kein Ziel, müssen zumindest aus dem Kontext abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter der Regelung oder der Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, um die Legitimität des Ziels sowie die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüfen zu können. Dabei können nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die sozialpolitischen Ziele als legitim angesehen werden, die im allgemeinen Interesse stehen. Derjenige, der eine Ungleichbehandlung vornimmt, muss den nationalen Gerichten in geeigneter Weise die Möglichkeit zur Prüfung einräumen, ob mit der Ungleichbehandlung ein Ziel angestrebt wird, das die Ungleichbehandlung unter Beachtung der Ziele der Richtlinie 2000/78/EG rechtfertigt (vgl. EuGH 5. März 2009 - C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 45 ff., Slg. 2009, I-1569; BAG 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08  - Rn. 36 ff., BAGE 131, 61). Denn das nationale Gericht hat zu prüfen, ob die Regelung oder Maßnahme ein rechtmäßiges Ziel iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgt. Gleiches gilt für die Frage, ob die Tarifvertragsparteien als Normgeber angesichts des vorhandenen Wertungsspielraums davon ausgehen durften, dass die gewählten Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich waren (vgl. EuGH 5. März 2009 -  C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 49 ff., aaO; vgl. auch BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 57, BAGE 132, 210).

20

bb) Die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD dient nicht dem Schutz älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. Diese gesetzliche Regelung konkretisiert das legitime Ziel, nämlich ua. die Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter, wobei dieser Schutz auch die Festlegung besonderer Arbeitsbedingungen einschließen kann. Aus einer tariflichen Urlaubsstaffelung, die - wie die in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD - den Beschäftigten bereits nach Vollendung des 30. Lebensjahres drei weitere Urlaubstage und dann nach Vollendung des 40. Lebensjahres letztmals einen zusätzlichen Urlaubstag gewährt, lässt sich nicht ableiten, dass die Tarifvertragsparteien einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollten und das Ziel verfolgten, den Schutz älterer Beschäftigter iSd. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG sicherzustellen. Wenn sich auch eine genaue Schwelle für die Zuordnung zu den älteren Arbeitnehmern weder dieser Regelung selbst noch Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG entnehmen lässt, so ist diese freilich an der Zielsetzung (vgl. zu dieser Däubler/Bertzbach/Brors 2. Aufl. § 10 Rn. 42) auszurichten. Einen arbeitsmarktpolitischen Zweck verfolgt zB § 417 Abs. 1 SGB III, wonach Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die das 50. Lebensjahr vollendet haben und ihre Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung beenden oder vermeiden, unter den in der Vorschrift genannten Voraussetzungen Anspruch auf Leistungen der Entgeltsicherung haben. Diese Regelung der Entgeltsicherung bezweckt, die Arbeitslosigkeit älterer Arbeitnehmer abzubauen und ihren Anteil an der erwerbstätigen Bevölkerung zu erhöhen (vgl. BT-Drucks. 17/1945 S. 17). Im Vergleich zu der in § 417 Abs. 1 SGB III genannten Altersgruppe setzt sich die durch die Urlaubsstaffel in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD begünstigte Beschäftigtengruppe, der ein Urlaubsanspruch von jährlich 30 Arbeitstagen eingeräumt wird, nicht ausnahmslos aus älteren Beschäftigten zusammen. Vielmehr gehören ihr alle Beschäftigten ab Vollendung des 40. Lebensjahres an. Der Senat hat bereits entschieden, dass ein Arbeitnehmer jedenfalls ab Vollendung des 31. Lebensjahres offensichtlich kein älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG ist(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 55, BAGE 132, 210).

21

cc) Ein legitimes Ziel iSd. § 10 AGG ergibt sich entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts auch nicht aus § 10 Satz 3 Nr. 2 AGG. Danach kann eine zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile einschließen. Diese Regelung bestimmt selbst kein legitimes Ziel, sondern beschreibt nur ein mögliches Mittel, mit der ein auf andere Weise zu legitimierendes Ziel gerechtfertigt werden kann (vgl. ErfK/Schlachter 12. Aufl. § 10 AGG Rn. 6), sofern es erforderlich und angemessen iSd. § 10 Satz 2 AGG ist.

22

dd) Die Tarifvertragsparteien verfolgen entgegen der Auffassung des Beklagten nicht das Ziel des Gesundheitsschutzes älterer Arbeitnehmer.

23

(1) Das mit der Urlaubsstaffelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD verfolgte Ziel lässt sich nicht mit ausreichender Deutlichkeit aus dem Wortlaut des § 26 TVöD entnehmen. § 26 TVöD normiert ausweislich seiner Überschrift den Erholungsurlaub. Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 TVöD haben Beschäftigte in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts. § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD legt die Dauer dieses Erholungsurlaubs fest. Der Begriff des Erholungsurlaubs wird dabei nicht näher definiert und ist dem BUrlG entlehnt, auf das § 26 Abs. 2 TVöD im Übrigen verweist. Der Erholungsurlaub nach dem BUrlG soll nach der Gesetzesbegründung dem sozialpolitischen Anliegen der Erhaltung und Wiederauffrischung der Arbeitskraft der Arbeitnehmer dienen (vgl. den schriftlichen Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit, BT-Drucks. IV/785; Begründung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Bundesurlaubsgesetzes, BT-Drucks. IV/207). Durch den Erholungsurlaub wird dem Arbeitnehmer die Möglichkeit gesichert, für eine bestimmte Dauer im Jahr, die ihm eingeräumte Freizeit zur selbstbestimmten Erholung zu nutzen (st. Rspr., vgl. BAG 20. Juni 2000 - 9 AZR 405/99 - zu II 2 b bb 1 der Gründe, BAGE 95, 104; 8. März 1984 - 6 AZR 600/82 - zu II 5 b der Gründe, BAGE 45, 184; ebenso st. Rspr. des EuGH zum Jahresurlaub nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG , EuGH 22. No-vember 2011 - C-214/10 - [KHS] Rn. 31, AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 6 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 7; 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06  - [Schultz-Hoff] Rn. 25, Slg. 2009, I-179). Wenn eine Tarifregelung die Urlaubsdauer nach dem Lebensalter staffelt, liegt die Annahme nahe, die Tarifvertragsparteien hätten einem mit zunehmendem Alter gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollen. Die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD rechtfertigt eine solche Annahme freilich nicht, sondern schließt sie aus.

24

(2) Das folgt bereits aus dem Inhalt der Regelung. Die Tarifvorschrift räumt den Beschäftigten schon ab dem 30. Lebensjahr drei weitere Urlaubstage ein. Dafür, dass die Tarifvertragsparteien von einem so deutlich gesteigertem Erholungsbedürfnis bereits nach der Vollendung des 30. Lebensjahres ausgegangen sind, fehlt jeder Anhaltspunkt. Gegen eine solche Annahme spricht auch, dass die Tarifvertragsparteien den Beschäftigten nach der Vollendung des 40. Lebensjahres letztmals nur einen weiteren Urlaubstag gewährt und davon abgesehen haben, ein gesteigertes Erholungsbedürfnis des Beschäftigten in der Zeit bis zum Erreichen des gesetzlich festgelegten Alters für den Bezug der Regelaltersrente (§ 33 Abs. 1 Buchst. a TVöD) zu berücksichtigen. Hätten die Tarifvertragsparteien ein gesteigertes Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter vor Augen gehabt, hätten sie nicht einem 30-Jährigen einen gegenüber einem 29-jährigen Beschäftigten um drei Tage längeren Urlaub gewährt, nach der Vollendung des 40. Lebensjahres des Beschäftigten eine wesentlich geringere Steigerung des Erholungsbedürfnisses angenommen und für die Zeit danach bis zum Erreichen des gesetzlich festgelegten Alters für den Bezug der Regelaltersrente ein zunehmendes Erholungsbedürfnis des Beschäftigten überhaupt nicht mehr berücksichtigt (vgl. Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 478). Auch das Schrifttum nimmt ganz überwiegend an, dass eine tarifliche Urlaubsstaffelung nicht schon auf die Vollendung des 30. bzw. des 40. Lebensjahres abstellen darf, wenn sie einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen will (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22; Tempelmann/Stenslik DStR 2011, 1183, 1186; Richter Benachteiligung wegen des Alters im Erwerbsleben S. 170; Meinel/Heyn/Herms § 10 Rn. 42b; AGG/Voigt § 10 Rn. 33; Hey AGG § 10 Rn. 28; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdle ZTR 2006, 622, 623; Linck/Schütz FS Leinemann S. 181 f.; Senne Auswirkungen des europäischen Verbots der Altersdiskriminierung auf das deutsche Arbeitsrecht S. 269; Bertelsmann ZESAR 2005, 242, 246). Selbst wenn die Erholungsbedürftigkeit von Arbeitnehmern mit zunehmendem Lebensalter steigen sollte (zweifelnd Däubler/Bertzbach/Brors § 10 Rn. 50; aA Waltermann NZA 2005, 1265, 1269), hätte es mit dem Schutz älterer Arbeitnehmer nichts zu tun, bereits mit dem 30. Lebensjahr eine erste Verlängerung des Urlaubsanspruchs um drei Tage und die zweite und zugleich letzte Verlängerung um einen weiteren Urlaubstag bereits mit Vollendung des 40. Lebensjahres vorzusehen (so auch Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22; Adomeit/Mohr § 10 Rn. 105; so bereits zu § 48 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). Es fehlt in beiden Stufen an dem erkennbaren Schutz Älterer. Die Verlängerung des Urlaubsanspruchs bereits mit dem vollendeten 30. Lebensjahr lässt sich kaum mit der Erhaltung der Leistungsfähigkeit Älterer begründen. Auch mit der Vollendung des 40. Lebensjahres hat ein Beschäftigter regelmäßig allenfalls die Mitte seines Erwerbsalters erreicht (vgl. auch Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). Hätten die Tarifvertragsparteien gemäß der Ansicht des Beklagten ein gesteigertes Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter berücksichtigen wollen, hätten sich die gewählten Altersgrenzen nicht an dem mit dem Alter zunehmenden Erholungsbedürfnis orientiert und wären willkürlich.

25

(3) Gerade dieser Umstand bestätigt, dass die Tarifvertragsparteien mit der Regelung in § 26 TVöD weder den Schutz der Gesundheit bezweckten noch einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollten. Hätten sie diese Ziele verfolgt, hätte es nahe gelegen, gerade für die älteren Beschäftigten, zB die Gruppe der über 50- oder über 60-jährigen Beschäftigten, die Dauer des Erholungsurlaubs zu verlängern. Bei dieser Personengruppe ist ein altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis eher nachvollziehbar. Ein solches Schutzbedürfnis für die über 50-Jährigen haben die Tarifvertragsparteien aber nur hinsichtlich der Beschränkung der Höchstdauer des Gesamturlaubs bei besonders belastenden Arbeiten (Schicht- und Wechselschicht) gesehen. Das folgt aus § 27 Abs. 4 Satz 4 TVöD. Danach erhöht sich ab diesem Lebensalter die maximal erreichbare Gesamturlaubsdauer von jährlich 35 auf 36 Arbeitstage.

26

(4) Die Tarifgeschichte bestätigt, dass die Tarifvertragsparteien mit der Urlaubsstaffel nicht einem mit dem Lebensalter steigenden Erholungsbedürfnis Rechnung tragen wollten. Bereits seit dem Inkrafttreten des BAT wurde die Urlaubsdauer an das Lebensalter geknüpft (§ 48 Abs. 1 BAT). Sie steigerte sich auch nach dem vollendeten 30. Lebensjahr und nach dem vollendeten 40. Lebensjahr. Innerhalb der Lebensaltersstufen verlängerte sich die Urlaubsdauer teilweise nach Vergütungsgruppen. Je höher der Angestellte eingruppiert war, je länger war sein Urlaubsanspruch. Dies zeigt, dass nicht der Erholungszweck maßgebend für die Urlaubsdauer sein sollte. Der Urlaub wurde vielmehr als Quasi-Gegenleistung für die Arbeitsleistung geregelt. Nur so lässt sich die normierte Abhängigkeit der Urlaubsdauer von der Vergütungsgruppe erklären. Es kann deshalb nicht angenommen werden, die Tarifvertragsparteien hätten bei Angestellten in höheren Vergütungsgruppen ein gesteigertes Erholungsbedürfnis ausgleichen wollen. Die Differenzierung resultiert vielmehr aus der überkommenen Auffassung, der Urlaub werde „verdient“.

27

5. Die Diskriminierung der Klägerin kann nur durch die Verpflichtung des Beklagten beseitigt werden, der Klägerin für die Jahre 2008 und 2009 jeweils einen Ersatzurlaubstag zu gewähren. Zwar folgt aus § 7 Abs. 2 AGG nur, dass die diskriminierende Regelung unwirksam ist. Auch wird vom Senat nicht verkannt, dass es sich bei § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD um ein Stufensystem handelt, sodass grundsätzlich keine Stufe als die von den Tarifvertragsparteien als „übliche“ Urlaubsdauer gewollte angesehen werden kann. Jedoch kann die Beseitigung der Diskriminierung vorliegend nur durch eine Anpassung „nach oben“ erfolgen.

28

a) Grundsätzlich ist es Aufgabe der Tarifvertragsparteien, eine benachteiligungsfreie Regelung zu treffen, wofür ihnen verschiedene Möglichkeiten zu Verfügung stehen. Doch scheidet eine Aussetzung des Rechtsstreits unter Fristsetzung zur Lückenschließung durch die Tarifvertragsparteien selbst von vornherein aus (aM Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 23). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind für den Fall, dass gesetzliche oder tarifvertragliche Regelungen eine mit der Richtlinie unvereinbare Diskriminierung vorsehen, die nationalen Gerichte gehalten, die Diskriminierung auf jede denkbare Weise und insbesondere dadurch auszuschließen, dass sie die Regelung für die nicht benachteiligte Gruppe auch auf die benachteiligte Gruppe anwenden, ohne die Beseitigung der Diskriminierung durch den Gesetzgeber, die Tarifvertragsparteien oder in anderer Weise abzuwarten (vgl. so bereits zur Richtlinie 76/207/EWG: EuGH 20. März 2003 - C-187/00 - [Kutz-Bauer] Rn. 75, Slg. 2003, I-2741). Auch nach Art. 9 Abs. 3 GG in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wäre eine Aussetzung grundsätzlich allenfalls zur Beseitigung einer Diskriminierung für die Zukunft geboten(vgl. BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 28, NZA 2012, 161). Vorliegend geht es jedoch um die Beseitigung einer Diskriminierung in der Vergangenheit.

29

b) Die Benachteiligung der Klägerin kann nicht auf andere Weise für die Jahre 2008 und 2009 ausgeschlossen werden. Ein Rückgriff auf den noch unterhalb der Eingangstufe des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD liegenden gesetzlichen Mindesturlaub gemäß den §§ 1, 3 BUrlG in Höhe von 20 Arbeitstagen bei einer Fünftagewoche ist hierzu nicht geeignet(aM Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 483; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand Februar 2012, § 26 Rn. 163.5). Der von den §§ 1, 7 AGG bzw. Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgte Zweck, Benachteiligungen zu verhindern oder zu beseitigen, würde nicht erreicht. Da diskriminierende Maßnahmen oder Vereinbarungen nicht hingenommen und ihre Fortwirkung nicht akzeptiert werden darf (vgl. ErfK/Schlachter § 7 AGG Rn. 5), ist auch nicht auf die Eingangsstufe des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD mit 26 Urlaubstagen abzustellen. Hätte die Klägerin nur Anspruch auf die erste Stufe der Urlaubsstaffel, fehlte es an einer Sanktion, die einen tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutz gewährt und abschreckende Wirkung hat (vgl. zu diesem Aspekt: BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 18 ff., NZA 2012, 161).

30

c) Hingegen ist eine Anpassung „nach oben“ zur Beseitigung einer Altersdiskriminierung im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gerechtfertigt, wenn auf andere Weise die Diskriminierung nicht behoben werden kann, weil der Arbeitgeber den Begünstigten für die Vergangenheit die Leistung nicht mehr entziehen kann (vgl. ausführlich: BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 20 ff., NZA 2012, 161). Dies ist vorliegend der Fall. Der den begünstigten Beschäftigten in den Jahren 2008 und 2009 gewährte Urlaub von jährlich 30 Arbeitstagen kann nicht rückwirkend auf 29 oder 26 Arbeitstage begrenzt werden. Die als Urlaub bereits gewährte Freizeit ist nicht kondizierbar.

31

d) Schließlich steht der Anpassung „nach oben“ auch nicht § 15 Abs. 3 AGG entgegen. Danach ist der Arbeitgeber bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fährlässig handelt. Diese Bestimmung bezieht sich allein auf die immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG(vgl. BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 38, NZA 2012, 161; ErfK/Schlachter § 15 AGG Rn. 13) und verhält sich nicht zur Beseitigung einer Diskriminierung durch eine den Diskriminierungsverboten genügende Regelung.

32

e) Der Beklagte kann auch keinen Vertrauensschutz in Anspruch nehmen. In den Jahren 2008 und 2009 galt bereits das am 18. August 2006 in Kraft getretene AGG. Dieses nimmt Dauerschuldverhältnisse und damit auch Arbeitsverhältnisse ebenso wenig wie Tarifverträge aus, die vor dem Inkrafttreten des AGG bereits abgeschlossen waren. Übergangsvorschriften oder Vertrauensschutzregelungen sind insoweit in § 33 AGG nicht vorgesehen. Gemäß § 1 AGG ist ua. Ziel dieses Gesetzes, Benachteiligungen aus Gründen des Alters nicht nur zu verhindern, sondern auch zu beseitigen. Die damit einhergehende unechte Rückwirkung ist zulässig. Der zeitliche Geltungsbereich wird je nach Lage der Verhältnisse im Einzelfall nur durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes beschränkt (vgl. so bereits zu § 81 Abs. 2 SGB IX aF: BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 38, BAGE 129, 72). Dies setzt jedoch in jedem Fall das Vorliegen eines schutzwürdigen Vertrauens voraus, das vorliegend nicht gegeben ist, selbst wenn man die Grundsätze zum Vertrauensschutz bei unechter Rückwirkung von Gesetzen anwendet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Grundsatz des Vertrauensschutzes nur dann verletzt, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (vgl. BVerfG 10. August 2006 - 2 BvR 563/05  - Rn. 14, BVerfGK 9, 28). Zum einen dient das AGG der Umsetzung von EU-Richtlinien zum Schutz vor Diskriminierung im Bereich Beschäftigung und Beruf und enthält insoweit insbesondere im Bereich der Altersdiskriminierung unionsrechtlich verankerte notwendige und bedeutende Regelungen. Zum anderen wäre ein Vertrauen in den Fortbestand der angewandten tarifvertraglichen Regelungen nicht schutzwürdig. Denn die Richtlinie 2000/78/EG wurde schon im Jahr 2000 erlassen und stellt in Art. 16 Buchst. b ausdrücklich klar, dass die Diskriminierungsverbote auch auf tarifvertragliche Bestimmungen Anwendung finden. Nach Art. 18 der Richtlinie 2000/78/EG war diese zudem spätestens zum 2. Dezember 2006 in nationales Recht umzusetzen. Der Beklagte musste ebenso wie die Tarifvertragsparteien damit rechnen, dass tarifvertragliche Regelungen auch am Verbot der Altersdiskriminierung gemessen werden. Deshalb konnte der Beklagte nicht darauf vertrauen, dass auch nach Inkrafttreten des AGG die Urlaubsstaffelregelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD zulässig war, zumal in der Gesetzesbegründung zum AGG die Anknüpfung an das bloße Lebensalter als Mindestgrenze für mit der Beschäftigung verbundener Vorteile nicht unkritisch gesehen wurde(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 36) und im Schrifttum nicht nur vereinzelt die Unwirksamkeit des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD wegen Verstoßes gegen das Verbot der Altersdiskriminierung angenommen wurde (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22 mwN; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdtle ZTR 2006, 622, 623 mwN; so bereits zu § 48 Abs. 1 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156).

33

6. Die Klägerin hat Anspruch auf Ersatzurlaub gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB. Die Resturlaubsansprüche für die Jahre 2008 und 2009 waren mangels Vorliegens eines Übertragungsgrundes nach § 26 Abs. 1 Satz 6 TVöD iVm. § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG zum 31. Dezember des jeweiligen Jahres verfallen. Diesen Untergang hat der Beklagte zu vertreten, weil er sich mit der Gewährung des Urlaubs in Verzug befand.

34

a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus Verzug gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB liegen vor. Die Klägerin hatte in den Jahren 2008 und 2009 Anspruch auf jeweils 30 Urlaubstage. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wandelt sich der Urlaubsanspruch in einen Schadensersatzanspruch um, der auf Gewährung von Ersatzurlaub als Naturalrestitution gerichtet ist, wenn der Arbeitgeber den rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt und der Urlaub aufgrund seiner Befristung verfällt ( BAG 11. April 2006 - 9 AZR 523/05  - Rn. 24, AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116).

35

b) Die Klägerin machte mit Schreiben vom 5. November 2008 unter der Überschrift „Geltendmachung von Urlaubsansprüchen“ Urlaub in Höhe von 30 Tagen nach dem TVöD geltend und bat zudem, den Urlaubsanspruch auch für die Zukunft entsprechend anzupassen. Dahingestellt bleiben kann, ob dies schon ein konkretes Verlangen beinhaltet hat, den Urlaub in den Jahren 2008 und 2009 zu gewähren. Nach der Rechtsprechung des Senats ist hierfür zumindest erforderlich, dass der Arbeitgeber nach den Grundsätzen des § 133 BGB davon ausgehen muss, der Arbeitnehmer wünsche ab einem bestimmten Zeitpunkt Erholungsurlaub(vgl. BAG 17. November 2009 - 9 AZR 745/08 - Rn. 45; 11. April 2006 -  9 AZR 523/05  - Rn. 28, AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116). Maßgebend ist, dass der Beklagte mit Schreiben vom 28. November 2008 erklärt hat, er lehne den Antrag auf Verlängerung des Urlaubs „auf 30 Tage vor Erreichen des 41. Lebensjahres“ ab, weil der Klägerin nach dem für ihn verbindlichen § 26 Abs. 1 TVöD derzeit nur 29 Urlaubstage zustünden. Aus objektiver Empfängersicht lag darin eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung des Beklagten als Schuldner des Urlaubsanspruchs, die gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine Mahnung der Klägerin entbehrlich machte(vgl. BAG 31. Januar 1991 - 8 AZR 462/89  - zu II der Gründe). Denn der Beklagte gab mit diesem Schreiben vor Ablauf des Urlaubsjahres 2008 klar zu erkennen, dass er nicht bereit sei, im laufenden Jahr mehr als 29 Tage Urlaub zu gewähren. Hinsichtlich des weiteren Urlaubstags für das Jahr 2009 folgt der Verzug des Beklagten zudem daraus, dass er jedenfalls mit dem Antrag auf Klageabweisung vom 24. April 2009 und somit vor Ablauf des Urlaubsjahres 2009 zu erkennen gegeben hat, den weiteren Urlaubstag auch im Jahr 2009 nicht gewähren zu wollen. Darin lag ebenso seine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung als Schuldner des Urlaubsanspruchs, die gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine Mahnung der Klägerin ebenfalls entbehrlich machte(vgl. BAG 17. Mai 2011 - 9 AZR 197/10 - Rn. 14, EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 138; 31. Januar 1991 - 8 AZR 462/89  - zu II der Gründe).

36

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

        

        

    Preuß    

        

    Neumann-Redlin    

        

        

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 7. September 2012 - 6 Sa 709/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe des jährlichen Urlaubsanspruchs.

2

Die Beklagte stellt Schuhe her. Die am 10. April 1960 geborene Klägerin ist bei ihr seit dem 1. Juli 1994 als Produktionsmitarbeiterin beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 13. November 2000 ist ua. vereinbart, dass der jährliche Urlaubsanspruch 34 Arbeitstage beträgt. Die Beklagte gewährt allen Arbeitnehmern, die das 58. Lebensjahr vollendet haben, 36 Arbeitstage Jahresurlaub, ohne dass individuelle Vereinbarungen über einen höheren Jahresurlaub vorliegen. Die übrigen Beschäftigten erhalten jährlich 34 Urlaubstage.

3

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Urlaubsregelung sei altersdiskriminierend. Die Behauptung, ältere Mitarbeiter benötigten im Produktionsbetrieb längere Erholungsphasen, sei durch die darlegungsbelastete Beklagte nicht dargetan. Das Bundesurlaubsgesetz stelle bezüglich der Dauer des Urlaubs weder auf die physische Belastung noch auf das Alter der Arbeitnehmer ab. Die Beklagte habe keinen Grund genannt, warum ein gesteigertes Erholungsbedürfnis ausgerechnet mit 58 Jahren eintrete. Zudem könne mit lediglich zwei zusätzlichen Urlaubstagen ein etwaiger höherer Erholungsbedarf nicht ausgeglichen werden. Bei einem stetig steigenden Erholungsbedarf müsste jedenfalls auch die Urlaubsdauer gestaffelt werden. Bei anderen Arbeitnehmergruppen sei ein erhöhter Erholungsbedarf nachvollziehbar. Diese würden jedoch nicht begünstigt. So seien jüngere Arbeitnehmer durch Familie und Beruf oftmals stärker beansprucht als ältere. Die Beklagte habe ihr zur Beseitigung der Diskriminierung jährlich zwei weitere Urlaubstage zu gewähren.

4

Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr 36 Arbeitstage Erholungsurlaub zu gewähren.

5

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, ihre Urlaubsregelung beinhalte keine Diskriminierung. Nach der Lebenserfahrung benötigten ältere Arbeitnehmer, die körperlich ermüdende und schwere Arbeiten verrichten, längere Erholungszeiten als jüngere. Zwei zusätzliche Urlaubstage seien angemessen.

6

Das Arbeitsgericht hat die Klage - soweit für die Revision von Bedeutung - abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Feststellungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, der Klägerin auch schon vor der Vollendung der 58. Lebensjahres insgesamt 36 Arbeitstage Erholungsurlaub pro Jahr zu gewähren.

8

I. Die Klage ist in der gebotenen Auslegung zulässig, insbesondere besteht das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.

9

1. Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer den Umfang des ihm zustehenden Urlaubs gerichtlich festgestellt wissen will, nicht entgegen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 9, BAGE 141, 73; 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - Rn. 13 ff., BAGE 137, 328).

10

2. Die am 10. April 1960 geborene Klägerin hat ein rechtlich anerkennenswertes Interesse daran, alsbald zu erfahren, ob ihr bereits vor der Vollendung ihres 58. Lebensjahres zwei weitere Urlaubstage pro Jahr zustehen. Ihr Antrag bezieht sich dem Wortlaut nach zwar auf den gesamten Jahresurlaub. Er kann jedoch so ausgelegt werden, dass er sich nur auf zwei weitere Urlaubstage im Kalenderjahr bezieht. Zwischen den Parteien besteht kein Streit, dass der Klägerin die vertraglich vereinbarten 34 Urlaubstage pro Jahr zustehen. Die Klägerin hat im Laufe des Verfahrens deutlich gemacht, dass der Antrag auf die Feststellung des Bestehens zweier zusätzlicher Urlaubstage gerichtet ist. Darüber hinaus hat das Landesarbeitsgericht den Klageantrag zutreffend so verstanden, dass er vergangene Urlaubsjahre nicht erfasst. Es handelt sich um einen gegenwartsbezogenen Feststellungsantrag, für dessen Entscheidung grundsätzlich auf die Sachlage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht abzustellen ist (vgl. BAG 15. Mai 2013 - 7 AZR 494/11 - Rn. 15 ff.).

11

II. Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen vor Vollendung ihres 58. Lebensjahres nicht gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 iVm. § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG zwei weitere Urlaubstage zu. Die Urlaubsregelung ist nicht gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam und führt somit bezüglich der Dauer des Urlaubs der Klägerin nicht zu einer „Anpassung nach oben“(siehe dazu BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 27 ff., BAGE 141, 73; vgl. aber auch BAG 14. Mai 2013 - 1 AZR 44/12 - Rn. 25, BAGE 145, 113).

12

1. Es liegt zwar eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor. Diese ist jedoch gemäß § 10 Satz 1, 2 und Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt.

13

a) Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Unter Alter iSd. § 1 AGG ist das Lebensalter zu verstehen. Dies folgt aus dem Wortlaut des Gesetzes und aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/1780 S. 31; BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 14, BAGE 141, 73; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 36, BAGE 129, 181). Eine unmittelbare Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 1 AGG gegeben, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Der für eine unmittelbare Benachteiligung erforderliche Kausalzusammenhang ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere in § 1 AGG genannte Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - aaO mwN).

14

b) Daran gemessen liegt eine unmittelbare Ungleichbehandlung wegen des Alters vor. Die Urlaubsregelung knüpft die Gewährung von zwei weiteren Urlaubstagen an die Vollendung des 58. Lebensjahres und damit unmittelbar an das Lebensalter der Beschäftigten. Arbeitnehmer, die diese Altersgrenze nicht erreicht haben, werden wegen ihres Alters ungünstiger behandelt.

15

c) Die Ungleichbehandlung ist jedoch gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt. Die Regelung bezweckt bei Berücksichtigung eines Gestaltungs- und Ermessensspielraums der Beklagten den in dieser Bestimmung genannten Schutz älterer Beschäftigter und ist geeignet, erforderlich und angemessen im Sinne von § 10 Satz 2 AGG.

16

aa) Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG konkretisiert ua. das legitime Ziel der Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter, wobei dieser Schutz auch die Festlegung besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließen kann (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73).

17

bb) § 10 AGG dient der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16) in das nationale Recht (BAG 18. März 2014 - 3 AZR 69/12 - Rn. 21). Der Gesetzgeber hat bei der Umsetzung den Text der Richtlinie nahezu wörtlich in das nationale Recht übernommen. Dessen Regelungen sind unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszulegen (vgl. BAG 14. März 2012 - 7 AZR 480/08 - Rn. 30).

18

cc) Dem Arbeitgeber steht bei freiwilligen zusätzlichen Leistungen - wozu auch die Gewährung von übergesetzlichem Mehrurlaub gehört - ein von den Gerichten zu respektierender Gestaltungs- und Ermessensspielraum zu (vgl. zu Leistungen der betrieblichen Altersversorgung: BAG 12. November 2013 - 3 AZR 356/12 - Rn. 28; 12. Februar 2013 - 3 AZR 100/11 - Rn. 31 mwN, BAGE 144, 231). Auch in der Rechtsprechung des EuGH ist anerkannt, dass die Mitgliedstaaten und gegebenenfalls die Sozialpartner auf nationaler Ebene beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts nicht nur bei der Entscheidung, welches konkrete Ziel von mehreren im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik sie verfolgen wollen, sondern auch bei der Festlegung der Maßnahmen zu seiner Erreichung über einen weiten Gestaltungsspielraum verfügen (EuGH 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Rn. 68, Slg. 2007, I-8531). Diese Erwägungen gelten nach dem EuGH auch für Ziele, die der Arbeitgeber mit einer vertraglichen Regelung verfolgt (vgl. EuGH 26. September 2013 - C-476/11 - [HK Danmark] Rn. 61).

19

dd) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Benachteiligung der Arbeitnehmer der Beklagten, die das 58. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, gerechtfertigt.

20

(1) Die Beklagte gewährt den Arbeitnehmern in ihrem Produktionsbetrieb nach der Vollendung des 58. Lebensjahres aufgrund ihres gesteigerten Erholungsbedürfnisses zwei weitere Urlaubstage im Kalenderjahr und bezweckt damit die Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. Da dieser Schutz die Festlegung besonderer Arbeitsbedingungen einschließt (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73), unterfallen ihm auch zusätzliche Urlaubstage.

21

(a) Das AGG definiert in § 10 Satz 3 Nr. 1 - ebenso wie Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG - nicht, wann ein Beschäftigter „älter“ im Sinne der Norm ist (vgl. zum herkömmlichen Verständnis: BAG 18. September 2014 - 6 AZR 636/13 - Rn. 44). Nach dem Sinn und Zweck des Benachteiligungsverbots reicht es ohne das Vorliegen anderer Differenzierungsgründe nicht aus, dass das Alter der begünstigten Arbeitnehmer höher ist als das Alter der nicht begünstigten. Dementsprechend hat der Senat angenommen, ein Arbeitnehmer sei nach der Vollendung seines 31. Lebensjahres offensichtlich noch kein älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 55, BAGE 132, 210). Aus dem systematischen Zusammenhang mit § 10 Satz 1 AGG und aus dem Regelungszweck folgt, dass die begünstigten Arbeitnehmer aufgrund ihres Alters der Förderung bei der beruflichen Eingliederung oder des Schutzes bedürfen müssen.

22

(aa) Der Senat ist in seiner Entscheidung vom 20. März 2012 nicht davon ausgegangen, dass mit zunehmenden Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steige. Er hat allerdings ab einem bestimmten Alter - konkret: bei über 50- oder über 60-jährigen Beschäftigten - ein altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis für „eher nachvollziehbar“ gehalten (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 24 f., BAGE 141, 73).

23

(bb) Das Landesarbeitsgericht hat in Übereinstimmung mit der überwiegenden Auffassung im Schrifttum als Erfahrungssatz angenommen, dass mit zunehmenden Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steigt (so auch Tempelmann/Stenslik DStR 2011, 1183, 1185 f.; Lingemann/Gotham NZA 2007, 663, 666; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 143 f.; Waltermann NZA 2005, 1265, 1269; Over Das Verbot der Altersdiskriminierung im Arbeitsrecht nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz S. 231; Küttner/Kania Personalbuch 2014 Diskriminierung Rn. 90; vgl. auch Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 - zu II 2 b cc (3) (a) der Gründe mwN). Diese Ansicht ist allerdings nicht unumstritten. So wird auf die Individualität der Alterungsprozesse und den fehlenden Nachweis von Altersklassen mit spezifischem Erholungsbedarf hingewiesen (Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 1 Rn. 822). Die Aufstellung eines generellen Erfahrungssatzes soll dem traditionellen Bild vom „alten Arbeitnehmer“ entsprechen (Däubler/Bertzbach/Brors 3. Aufl. § 10 Rn. 43). Auch wird hervorgehoben, dass der Gesetzgeber in § 3 BUrlG bezüglich der Dauer des Urlaubs nicht nach dem Lebensalter der Arbeitnehmer unterscheide und demnach nicht von einem unterschiedlichen Erholungsbedürfnis ausgehe(Bertelsmann in Rust/Falke AGG § 10 Rn. 93). Auch auf europäischer Ebene sehe Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG vier Wochen Urlaub einheitlich für alle Berufsgruppen altersunabhängig vor(v. Roetteken AGG Stand September 2014 § 10 Rn. 262). Verlangt wird zumindest die Darlegung eines empirischen Befunds zum steigenden Erholungsbedarf unter Beachtung der Tätigkeit bevorzugter Arbeitnehmer (Däubler/Bertzbach/Brors aaO; aA Kasprzyk Altersdiskriminierung im deutschen Arbeitsrecht S. 185).

24

(b) Erfahrungssätze sind Hilfsmittel. Die Feststellung von allgemein anerkannten Erfahrungssätzen ist als Tatfrage den Tatsachengerichten vorbehalten. Dabei ist es diesen nicht verwehrt, das Bestehen oder Nichtbestehen eines Erfahrungssatzes zu beurteilen, wenn sie dazu über ausreichende Sachkunde und Lebenserfahrung verfügen. Andernfalls haben sie sich der Hilfe eines Sachverständigen zu bedienen. Die Zuziehung eines Sachverständigen zur Unterstützung des Gerichts ist gemäß § 144 Abs. 1 ZPO durch die Tatsachengerichte stets nach pflichtgemäßen Ermessen zu prüfen(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 65 mwN, BAGE 132, 210; vgl. allg. zu Erfahrungssätzen: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 73. Aufl. Einf. § 284 Rn. 22).

25

(c) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Landesarbeitsgericht von der Zuziehung eines Sachverständigen abgesehen hat. Dieses durfte aufgrund der von ihm festgestellten körperlich anstrengenden Tätigkeiten im Produktionsbetrieb der Beklagten auch ohne Sachverständigengutachten annehmen, dass das Erholungsbedürfnis der dort beschäftigten Arbeitnehmer mit zunehmenden Alter steigt. Ob es einen tätigkeitsunabhängigen generellen Zusammenhang zwischen dem Erholungsbedarf und dem Alter gibt (so etwa Kamanabrou aaO), kann dahinstehen.

26

(aa) Die Annahme eines Erfahrungssatzes dahin gehend, dass bei körperlich belastenden Berufen das Erholungsbedürfnis im höheren Alter steigt, begegnet keinen Bedenken. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die physische Belastbarkeit mit zunehmendem Alter abnimmt (etwa BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 67 mwN, BAGE 132, 210; Bayerischer VGH 24. Oktober 2011 - 3 ZB 08.721 - zu II 1 b der Gründe). Dieser Erfahrungssatz betrifft auch den Wirkungszusammenhang von erreichtem Lebensalter und Krankheitsanfälligkeit (Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 - zu II 2 b cc (3) (a) der Gründe mwN). Alle bekannten privaten und öffentlichen Systeme der Kranken-, Renten- und Lebensversicherung beruhen auf dieser Erwartung (BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 54, BAGE 128, 238). Entgegen der Ansicht der Klägerin kommen auch nicht lediglich Studien älteren Datums - wie etwa die ILO-Empfehlung Nr. 162 vom 23. Juni 1980 oder der WHO Technical Report Series 835 „Aging and Working Capacity” (dt. Übersetzung: „Altern und Arbeit“ 1994) - zu diesem Ergebnis. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden bestätigt zB durch den „Fortschrittsreport ‚Altersgerechte Arbeitswelt“, Ausgabe 3 des Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Stand September 2013). Nach diesem hat sich zwar die körperliche Konstitution besonders für die Altersgruppe der 45- bis 64-Jährigen verbessert (Ziff. 3.1). Dennoch zeigt die Studie weiterhin ein Ansteigen der Anzahl der krankheitsbedingten Fehltage sowie eine Verschlechterung des Gesundheitszustands mit fortschreitendem Lebensalter (Ziff. 4.2, Tabelle 2). Insbesondere bei belastenden Berufen nimmt die Anzahl krankheitsbedingter Fehltage im Alter überproportional zu und der Gesundheitszustand verschlechtert sich überproportional (vgl. Ziff. 4.2). Auch bei einfachen Dienstleistungen und einfachen manuellen Berufen verschlechtert sich der „selbstberichtete Gesundheitszustand in der Altersgruppe 55 bis 64 Jahre im Vergleich zum Durchschnitt“ immer noch deutlich (Ziff. 3.4). Zumindest hinsichtlich dieser Berufe erscheint die Annahme eines größeren Erholungsbedarfs im erhöhten Alter als nicht fehlerhaft (ebenso Reinhard ArbRB 2012, 342, 343). Auch Gegner eines allgemeinen Erfahrungssatzes gestehen zu, dass bei gesundheitlich besonders belastenden Tätigkeiten ein gesteigerter Erholungsbedarf mit zunehmendem Alter angenommen werden kann (v. Roetteken aaO; Däubler/Bertzbach/Brors aaO; Löwisch/Rieble § 1 Rn. 823).

27

Soweit das Landesarbeitsgericht auf die teilweise geforderte Darlegung spezifischer empirischer Untersuchungen bezogen auf die Tätigkeiten im Produktionsbetrieb der Beklagten verzichtet hat, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Durchführung derartiger Untersuchungen wäre praktisch aufwändig und schwierig (weiter gehend Kasprzyk aaO: „unmöglich“). Eine übersteigerte Darlegungslast würde die Einführung freiwilliger Leistungen unzumutbar erschweren. Die Feststellungen durch das Landesarbeitsgericht, dass die Beschäftigten der Beklagten bei der Schuhfertigung körperlich ermüdende und teils schwere Arbeiten leisten, verstärkt durch einen besonderen, prämienbezogenen Zeit- und Qualitätsdruck im Sinne eines Teamakkords, genügt danach als Tatsachenbasis für die Bejahung des dargestellten Erfahrungssatzes.

28

(bb) Der Hinweis auf die fehlende Altersstaffelung in § 3 BUrlG und Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG hilft der Klägerin für die Frage der Legitimität des Zwecks nicht weiter. Die Vorschriften regeln nur die Dauer des Mindesturlaubs und damit das unterste Maß dessen, was nach deutschem und europäischem Urlaubsrecht unabhängig von individuellen Besonderheiten zur Erholung erforderlich ist. Spezifische Charakteristika - wie das Alter oder der physische oder psychische Gesundheitszustand - bleiben bei der Setzung eines einheitlichen Minimalstandards naturgemäß außer Betracht. Auf nationaler Ebene kommt hinzu, dass der Gesetzgeber durchaus gesehen hat, dass es altersabhängig einen unterschiedlichen Erholungsbedarf geben kann, wie etwa § 57 Abs. 2 SeeArbG und § 19 Abs. 2 JArbSchG zeigen(siehe dazu v. Roetteken § 10 Rn. 263).

29

(d) Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Sicherstellung des Schutzes ihrer Arbeitnehmer nach Vollendung des 58. Lebensjahres als Zweck der zwei weiteren Urlaubstage vorgeschoben hat.

30

(aa) Allerdings ist dieser Zweck nicht unmittelbar der - nicht schriftlich fixierten - Regelung zu entnehmen. Nennt eine Regelung oder Maßnahme kein Ziel, müssen zumindest aus dem Kontext abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter der Regelung oder der Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, um die Legitimität des Ziels sowie die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüfen zu können (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 19 mwN, BAGE 141, 73; vgl. zur Richtlinie 2000/78/EG: EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 39 mwN, Slg. 2011, I-6919).

31

(bb) Wenn eine Tarifregelung die Urlaubsdauer nach dem Lebensalter staffelt, liegt die Annahme nahe, die Tarifvertragsparteien hätten einem mit zunehmendem Alter gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 23, BAGE 141, 73). Diese Annahme darf freilich nicht durch die konkrete Wahl der Altersgrenze(n) widerlegt werden, wie dies bei § 26 TVöD aF, der zusätzliche Urlaubstage bereits ab dem 30. Lebensjahr vorsah, der Fall war (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 24 ff., aaO).

32

(cc) Es ist kein Grund ersichtlich, bei einer individualrechtlichen Regelung nicht ebenfalls grundsätzlich davon auszugehen, dass mit einer Altersgrenze für die Gewährung zusätzlichen Urlaubs einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer Rechnung getragen werden soll. Diese Annahme erscheint umso mehr gerechtfertigt, wenn sie wie hier mit der Anerkennung eines Erfahrungssatzes bezüglich des gesteigerten Erholungsbedarfs bei körperlich belastenden Berufen korreliert. Hinzu kommt, dass die ständige Übung der Beklagten inhaltlich einer einschlägigen tarifvertraglichen Regelung entspricht. So sah der persönlich, fachlich und räumlich einschlägige Manteltarifvertrag vom 23. April 1997, abgeschlossen zwischen dem Hauptverband der Deutschen Schuhindustrie e. V. und der Gewerkschaft Leder sowie der IG BCE, für gewerbliche Arbeitnehmer in § 17 Ziff. 4 Buchst. a ab dem 58. Lebensjahr ebenfalls zwei zusätzliche Urlaubstage vor. Diese Regelung war im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht nicht durch eine neue Bestimmung abgeändert.

33

(dd) Schließlich widerlegt die Altersgrenze von 58 Lebensjahren nicht den Zweck, mit zwei weiteren Urlaubstagen im Kalenderjahr dem gesteigerten Erholungsbedürfnis Rechnung zu tragen. Dabei kann dahinstehen, ab welchem Alter die Annahme, der zusätzliche Urlaub diene dem höheren Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG, nicht mehr ohne Weiteres aufrechterhalten bzw. als widerlegt erachtet werden kann. Der Senat hat in der Entscheidung vom 20. März 2012 gemäß dem Rechtsgedanken aus § 417 Abs. 1 SGB III eine Altersgrenze von 50 Lebensjahren für die Einordnung als älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG in Betracht gezogen(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73; vgl. zu einer solchen Altersgrenze für die Gewährung zusätzlicher Urlaubstage: Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 -). Das Landesarbeitsgericht hat ergänzend darauf verwiesen, dass Leitlinie 17 der Entscheidung des Rates vom 12. Juli 2005 über Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten (2005/600/EG) Arbeitskräfte ab Vollendung des 55. Lebensjahres als ältere Arbeitnehmer erachtet und die WHO-Studiengruppe „Altern und Arbeit“ aus arbeitsmedizinischer Sicht wegen auftretender Schwierigkeiten in Arbeit und Beruf eine Grenze ab dem 45. Lebensjahr angenommen hat (zu A II 15 b bb (3) (b) der Gründe). Das Berufungsgericht hat damit nachvollziehbar begründet, warum es davon ausgeht, dass die Urlaubsregelung einem legitimen Zweck iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG dient und es diesen Zweck nicht lediglich als von der Beklagten vorgeschoben erachtet.

34

(2) Die Regelung ist geeignet, den in § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG beschriebenen Zweck zu fördern. Insbesondere kann die Klägerin nicht mit dem Argument gehört werden, dass die Gewährung von lediglich zwei Urlaubstagen ungeeignet sei, einen altersbedingt erhöhten Erholungsbedarf auszugleichen. Die Geeignetheit ist nicht deshalb zu verneinen, weil ein gestiegener Erholungsbedarf unter Umständen nicht vollständig, sondern nur partiell ausgeglichen wird. Gerade angesichts des vom Arbeitgeber bei einer freiwilligen Leistung selbst gesetzten Dotierungsrahmens wäre die Beschränkung auf einen Teilausgleich nachvollziehbar und zulässig. Zudem haben auch die Tarifvertragsparteien angesichts der Tätigkeit eines Produktionsmitarbeiters in der Schuhbranche zwei Tage Urlaub für geeignet und ausreichend erachtet. Dass die Beklagte sich die von den Sozialpartnern ausgehandelte Regelung zu eigen macht und im Rahmen ihres Ermessensspielraums eine entsprechende Regelung trifft, ist unter dem Aspekt der Geeignetheit der Regelung nicht zu beanstanden.

35

(3) Die Regelung ist auch erforderlich und angemessen (§ 10 Satz 2 AGG). Mildere Mittel, die in gleicher Weise den Schutz älterer Arbeitnehmer verwirklichen könnten, sind nicht ersichtlich.

36

(a) Die Wahl einer anderen, niedrigeren Altersgrenze stellte kein gleich wirksames, milderes Mittel mit geringerem altersspezifischen Effekt dar. Es handelte sich vielmehr um eine andere Maßnahme mit einem erhöhtem Dotierungsrahmen.

37

(b) Eine niedrigere Altersgrenze verbunden mit nur einem weiteren Urlaubstag im Kalenderjahr müsste zwar nicht zwingend zu einer Erhöhung des Dotierungsrahmens führen. Allerdings hätten dann Arbeitnehmer nach Vollendung des 58. Lebensjahres nicht mehr Anspruch auf den zweiten weiteren Urlaubstag, den die Beklagte im Einklang mit dem einschlägigen Tarifvertrag angesichts des gesteigerten Erholungsbedarfs im höheren Alter in der Schuhproduktion für notwendig erachtet. Der Gestaltungs- und Ermessensspielraum der Beklagten lässt auch im Rahmen der Erforderlichkeit und Angemessenheit die von ihr angewandte Regelung zu. Die Interessen der Beteiligten werden hinreichend berücksichtigt. Es werden lediglich in Übereinstimmung mit dem Abwägungsergebnis der Tarifvertragsparteien die Interessen der über 58-Jährigen an einem zusätzlichen Urlaubstag höher gewichtet als die Interessen der übrigen Beschäftigten, schon im jüngeren Alter einen zusätzlichen Urlaubstag zu erhalten.

38

(c) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Beklagte nicht verpflichtet, zusätzliche Urlaubstage nur nach dem individuell ermittelten Erholungsbedarf unter Einbeziehung altersunabhängiger Belastungsfaktoren, wie der Pflege und Betreuung von Kindern, sowie unter Berücksichtigung des individuellen Alterungsprozesses zu gewähren. Zwar mag es zutreffen, dass es weitere Belastungsfaktoren gibt, die zu einem gesteigerten Erholungsbedarf führen können. Jedoch wäre eine solche individuelle Regelung in vielerlei Hinsicht praktisch nicht oder nur mit großen Schwierigkeiten handhabbar. Dies gilt nicht nur bezüglich der Gewichtung der einzelnen (persönlichen) Belastungsfaktoren untereinander, sondern vor allem auch für deren Ermittlung durch die Beklagte. Auch der Gerichtshof der Europäischen Union hat anerkannt, dass bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Regelung im Hinblick auf das Verbot der Altersdiskriminierung zu beachten ist, dass die fragliche Regelung in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht handhabbar bleiben müsse, und deshalb nicht generell verlangt werden könne, dass immer jeder Einzelfall individuell geprüft werde (EuGH 19. Juni 2014 - C-501/12 ua. - [Specht ua.] Rn. 78). Unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten darf der Arbeitgeber daher im Sinne einer typisierenden Betrachtung in Ausübung seines Gestaltungsspielraums auch einen Grund für ein gesteigertes Erholungsbedürfnis - wie etwa das Alter in belastenden Berufen - als Differenzierungskriterium heranziehen. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG enthält kein Gebot, die dort genannten typischerweise besonders schutzbedürftigen Personengruppen (Jugendliche, ältere Beschäftigte und Personen mit Fürsorgepflichten) hinsichtlich besonderer Arbeitsbedingungen gleich zu behandeln.

39

2. Aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz folgt ebenfalls kein Anspruch der Klägerin auf die begehrten zwei zusätzlichen Urlaubstage. Ist - wie hier - die unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmergruppen aus einem in § 1 AGG genannten Grund unter den im AGG normierten Voraussetzungen zulässig, ist auch der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt(ebenso bezüglich des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes: BAG 17. September 2013 - 3 AZR 686/11 - Rn. 25 mwN). Eine sachwidrige Ungleichbehandlung kommt angesichts der Rechtfertigung gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG nicht in Betracht.

40

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

        

        

    M. Lücke    

        

    Kranzusch    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. März 2010 - 20 Sa 2058/09 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Eberswalde vom 8. Juli 2009 - 3 Ca 140/09 - wird zurückgewiesen und der Tenor dieses Urteils zur Klarstellung neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass der Klägerin für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein weiterer Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht.

3. Der Beklagte hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin in den Jahren 2008 und 2009 Anspruch auf jeweils 29 oder 30 Urlaubstage hatte.

2

Die am 27. Oktober 1971 geborene Klägerin ist seit dem 1. September 1988 bei dem beklagten Landkreis als Angestellte mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden in der Fünftagewoche beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13. September 2005 in der Fassung des Änderungstarifvertrags Nr. 2 vom 31. März 2008 (TVöD) Anwendung. Dieser bestimmt ua.:

        

§ 26 

        

Erholungsurlaub

        

(1)     

Beschäftigte haben in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts (§ 21). Bei Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf fünf Tage in der Kalenderwoche beträgt der Urlaubsanspruch in jedem Kalenderjahr

                 

bis zum vollendeten 30. Lebensjahr

26 Arbeitstage,

                 

bis zum vollendeten 40. Lebensjahr

29 Arbeitstage und

                 

nach dem vollendeten 40. Lebensjahr

30 Arbeitstage.

                 

Maßgebend für die Berechnung der Urlaubsdauer ist das Lebensjahr, das im Laufe des Kalenderjahres vollendet wird. Bei einer anderen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit als auf fünf Tage in der Woche erhöht oder vermindert sich der Urlaubsanspruch entsprechend. Verbleibt bei der Berechnung des Urlaubs ein Bruchteil, der mindestens einen halben Urlaubstag ergibt, wird er auf einen vollen Urlaubstag aufgerundet; Bruchteile von weniger als einem halben Urlaubstag bleiben unberücksichtigt. Der Erholungsurlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und kann auch in Teilen genommen werden.

        

…       

        
        

§ 27   

        

Zusatzurlaub

        

(1)     

Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit nach § 7 Abs. 1 oder ständig Schichtarbeit nach § 7 Abs. 2 leisten und denen die Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 1 oder Abs. 6 Satz 1 zusteht, erhalten

                 

a)    

bei Wechselschichtarbeit für je zwei zusammenhängende Monate und

                 

b)    

bei Schichtarbeit für je vier zusammenhängende Monate

                 

einen Arbeitstag Zusatzurlaub.

        

(2)     

Im Falle nicht ständiger Wechselschicht- oder Schichtarbeit (z. B. ständige Vertreter) erhalten Beschäftigte des Bundes, denen die Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 2 oder Abs. 6 Satz 2 zusteht, einen Arbeitstag Zusatzurlaub für

                 

a)    

je drei Monate im Jahr, in denen sie überwiegend Wechselschichtarbeit geleistet haben, und

                 

b)    

je fünf Monate im Jahr, in denen sie überwiegend Schichtarbeit geleistet haben.

        

…       

                 
        

(4)     

Zusatzurlaub nach diesem Tarifvertrag und sonstigen Bestimmungen mit Ausnahme von § 125 SGB IX wird nur bis zu insgesamt sechs Arbeitstagen im Kalenderjahr gewährt. Erholungsurlaub und Zusatzurlaub (Gesamturlaub) dürfen im Kalenderjahr zusammen 35 Arbeitstage nicht überschreiten. Satz 2 ist für Zusatzurlaub nach den Absätzen 1 und 2 hierzu nicht anzuwenden. Bei Beschäftigten, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, gilt abweichend von Satz 2 eine Höchstgrenze von 36 Arbeitstagen; § 26 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

        

…“    

        
3

Mit Schreiben vom 5. November 2008 machte die Klägerin gegenüber dem Beklagten einen jährlichen Gesamturlaub in Höhe von 30 Tagen für das Jahr 2008 und die Zukunft nach dem TVöD geltend. Der Beklagte lehnte die Gewährung von 30 Urlaubstagen vor der Vollendung des 40. Lebensjahres der Klägerin unter Hinweis auf die Verbindlichkeit der Regelung des § 26 Abs. 1 TVöD mit Schreiben vom 28. November 2008 ab. Die Klägerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 11. Februar 2009 die vorliegende Klage erhoben.

4

Sie hat die Ansicht vertreten, sie habe auch vor der Vollendung ihres 40. Lebensjahres Anspruch auf jährlich 30 und nicht nur 29 Urlaubstage. Die an das Lebensalter anknüpfende Staffelung des tariflichen Urlaubsanspruchs sei eine Diskriminierung wegen des Alters. Die in der Tarifregelung enthaltene Ungleichbehandlung jüngerer Arbeitnehmer sei nicht durch § 10 AGG gerechtfertigt. Im Übrigen würden die gesundheitlichen Wirkungen zusätzlichen Urlaubs zur Vermeidung beispielsweise von Stresserscheinungen am Arbeitsplatz auch in der medizinischen Literatur kontrovers diskutiert.

5

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass ihr für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht.

6

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Diese sei bereits unzulässig, da das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO nötige Feststellungsinteresse fehle. Schließlich sei die Klage auch unbegründet. Die Altersstufenregelung des § 26 Abs. 1 TVöD sei durch einen sachlichen Grund nach § 10 AGG gerechtfertigt. Die Festlegung eines Mindestalters für die Gewährung von 30 Urlaubstagen pro Kalenderjahr stelle eine besondere Beschäftigungsbedingung zum Schutz älterer Beschäftigter bzw. eine Mindestanforderung an das Alter für einen mit der Beschäftigung verbundenen Vorteil dar, der zur Erreichung eines legitimen Ziels angemessen und erforderlich sei. Ältere Arbeitnehmer seien mit zunehmendem Alter aufgrund beruflicher Belastungen länger krank. Um diesen Umstand Rechnung zu tragen, hätten die Tarifvertragsparteien mit der Regelung in § 26 Abs. 1 TVöD auf das verstärkte Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer reagiert und deren Leistungsfähigkeit stärken wollen. Der Aspekt des Gesundheitsschutzes älterer Arbeitnehmer sei daher geeignet, die Ungleichbehandlung jüngerer Beschäftigter zu rechtfertigen. Schließlich würde auch eine Diskriminierung keine Angleichung „nach oben“ zur Folge haben.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die Wiederherstellung der stattgebenden Entscheidung des Arbeitsgerichts. Der Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

A. Die zulässige Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf die geltend gemachten Ersatzurlaubstage.

9

I. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Feststellungsklage zulässig ist. Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse daran, durch das Gericht feststellen zu lassen, ob ihr für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht ( § 256 Abs. 1 ZPO ). Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer den Umfang des ihm zustehenden Urlaubs gerichtlich festgestellt haben will, nicht entgegen (vgl. BAG 12. April 2011 - 9 AZR 80/10  - Rn. 13 bis 15, EzA BUrlG § 7 Nr. 123).

10

II. Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten für den ihr in den Jahren 2008 und 2009 jeweils verweigerten 30. Urlaubstag gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB Anspruch auf jeweils einen Tag Ersatzurlaub. Die Urlaubsstaffelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD verstößt gegen die §§ 1, 3 Abs. 1 AGG. Denn sie gewährt Beschäftigten, die das 30., aber noch nicht das 40. Lebensjahr vollendet haben, einen um einen Tag kürzeren Urlaub. Sie ist deshalb nach § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG iVm. § 134 BGB unwirksam. Dies hat zur Folge, dass die Klägerin auch vor der Vollendung ihres 40. Lebensjahres in jedem Kalenderjahr Anspruch auf 30 Urlaubstage hatte. Ihr steht für die Jahre 2008 und 2009 jeweils noch ein Tag Ersatzurlaub zu, weil der Beklagte ihr in diesen Jahren nur jeweils 29 Urlaubstage gewährte.

11

1. Nach § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD standen der am 27. Oktober 1971 geborenen Klägerin in den Jahren 2008 und 2009 jeweils 29 Urlaubstage zu. Erst nach dem vollendeten 40. Lebensjahr gewährt ihr diese Tarifregelung einen jährlichen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen. Diese an das Lebensalter anknüpfende Staffelung der Urlaubsdauer verstößt gegen das Verbot der Altersdiskriminierung in § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG. Sie ist als sachlich nicht nach den §§ 8, 10 AGG gerechtfertigte unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters gemäß § 7 Abs. 2 AGG iVm. § 134 BGB unwirksam. Zur Beseitigung dieser Diskriminierung ist eine Anpassung auf 30 Urlaubstage erforderlich.

12

2. Zutreffend haben die Vorinstanzen die Regelung in § 26 Abs. 1 TVöD am AGG gemessen. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG gelten die Diskriminierungsverbote der §§ 1, 7 AGG auch für die in kollektivrechtlichen Vereinbarungen geregelten Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen. Unter solchen Bedingungen sind alle Umstände zu verstehen, aufgrund derer und unter denen die Arbeitsleistung zu erbringen ist (vgl. BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 54, BAGE 132, 210). Zu den Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen gehört damit auch der Urlaub. Der Umstand, dass die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b TVöD bereits am 1. Januar 2006 und somit schon vor dem AGG vom 14. August 2006 in Kraft getreten ist, steht dem nicht entgegen. Die für die Jahre 2008 und 2009 geltend gemachte Benachteiligung durch § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD ist erst nach Inkrafttreten des AGG am 18. August 2006 eingetreten. Da § 33 Abs. 1 AGG insoweit keine Übergangsregelung enthält, findet dieses Gesetz auch dann Anwendung, wenn die Benachteiligung auf einem vor Inkrafttreten des AGG abgeschlossenen Tarifvertrag beruht. Es kommt allein auf den Zeitpunkt der Benachteiligungshandlung an (BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 33, BAGE 129, 72).

13

3. Die Urlaubsstaffelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD enthält eine auf dem Merkmal des Alters beruhende Ungleichbehandlung der Beschäftigten, die das 30. bzw. das 40. Lebensjahr nicht vollendet haben. Das ist eine unmittelbare Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer wegen des Alters iSv. § 3 Abs. 1 AGG.

14

a) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Beim Alter handelt es sich um einen in § 1 AGG genannten Grund, wobei unter Alter das Lebensalter zu verstehen ist. Dies folgt aus dem gesetzlichen Wortlaut und auch aus der Gesetzesbegründung ( BT-Drucks. 16/1780 S. 31; BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 49, BAGE 132, 210; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07  - Rn. 36, BAGE 129, 181). Der für eine unmittelbare Benachteiligung erforderliche Kausalzusammenhang ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere in § 1 AGG genannte Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 32; BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 50, aaO).

15

b) Diese Voraussetzung ist erfüllt. § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD sieht für Beschäftigte bei einer Fünftagewoche in jedem Kalenderjahr einen Urlaubsanspruch bis zum vollendeten 30. Lebensjahr in Höhe von 26 Arbeitstagen, bis zum vollendeten 40. Lebensjahr in Höhe von 29 Arbeitstagen und erst nach dem vollendeten 40. Lebensjahr in Höhe von 30 Arbeitstagen vor. Die Höhe des Urlaubsanspruchs nach § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD knüpft damit in allen Stufen unmittelbar an das Lebensalter der Beschäftigten an. Danach haben Beschäftigte wie die Klägerin, die zwar das 30. Lebensjahr, aber noch nicht das 40. Lebensjahr vollendet haben, in jedem Jahr nur Anspruch auf 29 statt auf 30 Urlaubstage. Sie werden ebenso wie die unter 30-Jährigen im Vergleich zu den Beschäftigten, die das 40. Lebensjahr vollendet haben, hinsichtlich der Höhe des Urlaubsanspruchs wegen ihres geringeren Alters ungünstiger behandelt.

16

4. Diese Ungleichbehandlung ist nicht gerechtfertigt.

17

a) Bei ihr handelt es sich nicht um eine nach § 8 AGG zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen. Die Urlaubsstaffel des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD knüpft nicht an die Art der auszuübenden Tätigkeit oder die Bedingungen ihrer Ausübung an. Sie stellt nicht auf die Art der auszuübenden Tätigkeit ab und beansprucht damit Geltung für alle dem TVöD unterfallenden Beschäftigten.

18

b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Ungleichbehandlung auch nicht nach § 10 AGG sachlich gerechtfertigt(so ebenfalls die herrschende Meinung in der Literatur, vgl. Linck/Schütz FS Leinemann, S. 181 f.; Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV Stand Januar 2012 E § 26 TVöD Rn. 22; AGG/Voigt 3. Aufl. § 10 Rn. 33; Meinel/Heyn/Herms AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 42b; Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 105; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdtle ZTR 2006, 622, 623 mwN; Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 478; vgl. ferner bereits zu § 48 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). § 10 Satz 1 AGG lässt eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters ungeachtet der Regelung des § 8 AGG zu, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Zudem müssen die Mittel zur Erreichung dieses Ziels nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist die an das Lebensalter anknüpfende Differenzierung in § 26 Abs. 1 TVöD nicht sachlich gerechtfertigt, weil sie einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung trägt und deren Gesundheit schützen will. Dabei kann dahinstehen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen das Ziel des Gesundheitsschutzes eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen würde. Die Tarifvorschrift verfolgt dieses Ziel schon nicht.

19

aa) Die Tarifvertragsparteien haben das mit der in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD geregelten Urlaubsstaffelung verfolgte Ziel nicht ausdrücklich genannt. Nennt eine Regelung oder Maßnahme kein Ziel, müssen zumindest aus dem Kontext abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter der Regelung oder der Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, um die Legitimität des Ziels sowie die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüfen zu können. Dabei können nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die sozialpolitischen Ziele als legitim angesehen werden, die im allgemeinen Interesse stehen. Derjenige, der eine Ungleichbehandlung vornimmt, muss den nationalen Gerichten in geeigneter Weise die Möglichkeit zur Prüfung einräumen, ob mit der Ungleichbehandlung ein Ziel angestrebt wird, das die Ungleichbehandlung unter Beachtung der Ziele der Richtlinie 2000/78/EG rechtfertigt (vgl. EuGH 5. März 2009 - C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 45 ff., Slg. 2009, I-1569; BAG 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08  - Rn. 36 ff., BAGE 131, 61). Denn das nationale Gericht hat zu prüfen, ob die Regelung oder Maßnahme ein rechtmäßiges Ziel iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgt. Gleiches gilt für die Frage, ob die Tarifvertragsparteien als Normgeber angesichts des vorhandenen Wertungsspielraums davon ausgehen durften, dass die gewählten Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich waren (vgl. EuGH 5. März 2009 -  C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 49 ff., aaO; vgl. auch BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 57, BAGE 132, 210).

20

bb) Die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD dient nicht dem Schutz älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. Diese gesetzliche Regelung konkretisiert das legitime Ziel, nämlich ua. die Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter, wobei dieser Schutz auch die Festlegung besonderer Arbeitsbedingungen einschließen kann. Aus einer tariflichen Urlaubsstaffelung, die - wie die in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD - den Beschäftigten bereits nach Vollendung des 30. Lebensjahres drei weitere Urlaubstage und dann nach Vollendung des 40. Lebensjahres letztmals einen zusätzlichen Urlaubstag gewährt, lässt sich nicht ableiten, dass die Tarifvertragsparteien einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollten und das Ziel verfolgten, den Schutz älterer Beschäftigter iSd. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG sicherzustellen. Wenn sich auch eine genaue Schwelle für die Zuordnung zu den älteren Arbeitnehmern weder dieser Regelung selbst noch Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG entnehmen lässt, so ist diese freilich an der Zielsetzung (vgl. zu dieser Däubler/Bertzbach/Brors 2. Aufl. § 10 Rn. 42) auszurichten. Einen arbeitsmarktpolitischen Zweck verfolgt zB § 417 Abs. 1 SGB III, wonach Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die das 50. Lebensjahr vollendet haben und ihre Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung beenden oder vermeiden, unter den in der Vorschrift genannten Voraussetzungen Anspruch auf Leistungen der Entgeltsicherung haben. Diese Regelung der Entgeltsicherung bezweckt, die Arbeitslosigkeit älterer Arbeitnehmer abzubauen und ihren Anteil an der erwerbstätigen Bevölkerung zu erhöhen (vgl. BT-Drucks. 17/1945 S. 17). Im Vergleich zu der in § 417 Abs. 1 SGB III genannten Altersgruppe setzt sich die durch die Urlaubsstaffel in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD begünstigte Beschäftigtengruppe, der ein Urlaubsanspruch von jährlich 30 Arbeitstagen eingeräumt wird, nicht ausnahmslos aus älteren Beschäftigten zusammen. Vielmehr gehören ihr alle Beschäftigten ab Vollendung des 40. Lebensjahres an. Der Senat hat bereits entschieden, dass ein Arbeitnehmer jedenfalls ab Vollendung des 31. Lebensjahres offensichtlich kein älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG ist(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 55, BAGE 132, 210).

21

cc) Ein legitimes Ziel iSd. § 10 AGG ergibt sich entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts auch nicht aus § 10 Satz 3 Nr. 2 AGG. Danach kann eine zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile einschließen. Diese Regelung bestimmt selbst kein legitimes Ziel, sondern beschreibt nur ein mögliches Mittel, mit der ein auf andere Weise zu legitimierendes Ziel gerechtfertigt werden kann (vgl. ErfK/Schlachter 12. Aufl. § 10 AGG Rn. 6), sofern es erforderlich und angemessen iSd. § 10 Satz 2 AGG ist.

22

dd) Die Tarifvertragsparteien verfolgen entgegen der Auffassung des Beklagten nicht das Ziel des Gesundheitsschutzes älterer Arbeitnehmer.

23

(1) Das mit der Urlaubsstaffelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD verfolgte Ziel lässt sich nicht mit ausreichender Deutlichkeit aus dem Wortlaut des § 26 TVöD entnehmen. § 26 TVöD normiert ausweislich seiner Überschrift den Erholungsurlaub. Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 TVöD haben Beschäftigte in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts. § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD legt die Dauer dieses Erholungsurlaubs fest. Der Begriff des Erholungsurlaubs wird dabei nicht näher definiert und ist dem BUrlG entlehnt, auf das § 26 Abs. 2 TVöD im Übrigen verweist. Der Erholungsurlaub nach dem BUrlG soll nach der Gesetzesbegründung dem sozialpolitischen Anliegen der Erhaltung und Wiederauffrischung der Arbeitskraft der Arbeitnehmer dienen (vgl. den schriftlichen Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit, BT-Drucks. IV/785; Begründung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Bundesurlaubsgesetzes, BT-Drucks. IV/207). Durch den Erholungsurlaub wird dem Arbeitnehmer die Möglichkeit gesichert, für eine bestimmte Dauer im Jahr, die ihm eingeräumte Freizeit zur selbstbestimmten Erholung zu nutzen (st. Rspr., vgl. BAG 20. Juni 2000 - 9 AZR 405/99 - zu II 2 b bb 1 der Gründe, BAGE 95, 104; 8. März 1984 - 6 AZR 600/82 - zu II 5 b der Gründe, BAGE 45, 184; ebenso st. Rspr. des EuGH zum Jahresurlaub nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG , EuGH 22. No-vember 2011 - C-214/10 - [KHS] Rn. 31, AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 6 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 7; 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06  - [Schultz-Hoff] Rn. 25, Slg. 2009, I-179). Wenn eine Tarifregelung die Urlaubsdauer nach dem Lebensalter staffelt, liegt die Annahme nahe, die Tarifvertragsparteien hätten einem mit zunehmendem Alter gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollen. Die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD rechtfertigt eine solche Annahme freilich nicht, sondern schließt sie aus.

24

(2) Das folgt bereits aus dem Inhalt der Regelung. Die Tarifvorschrift räumt den Beschäftigten schon ab dem 30. Lebensjahr drei weitere Urlaubstage ein. Dafür, dass die Tarifvertragsparteien von einem so deutlich gesteigertem Erholungsbedürfnis bereits nach der Vollendung des 30. Lebensjahres ausgegangen sind, fehlt jeder Anhaltspunkt. Gegen eine solche Annahme spricht auch, dass die Tarifvertragsparteien den Beschäftigten nach der Vollendung des 40. Lebensjahres letztmals nur einen weiteren Urlaubstag gewährt und davon abgesehen haben, ein gesteigertes Erholungsbedürfnis des Beschäftigten in der Zeit bis zum Erreichen des gesetzlich festgelegten Alters für den Bezug der Regelaltersrente (§ 33 Abs. 1 Buchst. a TVöD) zu berücksichtigen. Hätten die Tarifvertragsparteien ein gesteigertes Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter vor Augen gehabt, hätten sie nicht einem 30-Jährigen einen gegenüber einem 29-jährigen Beschäftigten um drei Tage längeren Urlaub gewährt, nach der Vollendung des 40. Lebensjahres des Beschäftigten eine wesentlich geringere Steigerung des Erholungsbedürfnisses angenommen und für die Zeit danach bis zum Erreichen des gesetzlich festgelegten Alters für den Bezug der Regelaltersrente ein zunehmendes Erholungsbedürfnis des Beschäftigten überhaupt nicht mehr berücksichtigt (vgl. Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 478). Auch das Schrifttum nimmt ganz überwiegend an, dass eine tarifliche Urlaubsstaffelung nicht schon auf die Vollendung des 30. bzw. des 40. Lebensjahres abstellen darf, wenn sie einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen will (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22; Tempelmann/Stenslik DStR 2011, 1183, 1186; Richter Benachteiligung wegen des Alters im Erwerbsleben S. 170; Meinel/Heyn/Herms § 10 Rn. 42b; AGG/Voigt § 10 Rn. 33; Hey AGG § 10 Rn. 28; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdle ZTR 2006, 622, 623; Linck/Schütz FS Leinemann S. 181 f.; Senne Auswirkungen des europäischen Verbots der Altersdiskriminierung auf das deutsche Arbeitsrecht S. 269; Bertelsmann ZESAR 2005, 242, 246). Selbst wenn die Erholungsbedürftigkeit von Arbeitnehmern mit zunehmendem Lebensalter steigen sollte (zweifelnd Däubler/Bertzbach/Brors § 10 Rn. 50; aA Waltermann NZA 2005, 1265, 1269), hätte es mit dem Schutz älterer Arbeitnehmer nichts zu tun, bereits mit dem 30. Lebensjahr eine erste Verlängerung des Urlaubsanspruchs um drei Tage und die zweite und zugleich letzte Verlängerung um einen weiteren Urlaubstag bereits mit Vollendung des 40. Lebensjahres vorzusehen (so auch Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22; Adomeit/Mohr § 10 Rn. 105; so bereits zu § 48 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). Es fehlt in beiden Stufen an dem erkennbaren Schutz Älterer. Die Verlängerung des Urlaubsanspruchs bereits mit dem vollendeten 30. Lebensjahr lässt sich kaum mit der Erhaltung der Leistungsfähigkeit Älterer begründen. Auch mit der Vollendung des 40. Lebensjahres hat ein Beschäftigter regelmäßig allenfalls die Mitte seines Erwerbsalters erreicht (vgl. auch Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). Hätten die Tarifvertragsparteien gemäß der Ansicht des Beklagten ein gesteigertes Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter berücksichtigen wollen, hätten sich die gewählten Altersgrenzen nicht an dem mit dem Alter zunehmenden Erholungsbedürfnis orientiert und wären willkürlich.

25

(3) Gerade dieser Umstand bestätigt, dass die Tarifvertragsparteien mit der Regelung in § 26 TVöD weder den Schutz der Gesundheit bezweckten noch einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollten. Hätten sie diese Ziele verfolgt, hätte es nahe gelegen, gerade für die älteren Beschäftigten, zB die Gruppe der über 50- oder über 60-jährigen Beschäftigten, die Dauer des Erholungsurlaubs zu verlängern. Bei dieser Personengruppe ist ein altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis eher nachvollziehbar. Ein solches Schutzbedürfnis für die über 50-Jährigen haben die Tarifvertragsparteien aber nur hinsichtlich der Beschränkung der Höchstdauer des Gesamturlaubs bei besonders belastenden Arbeiten (Schicht- und Wechselschicht) gesehen. Das folgt aus § 27 Abs. 4 Satz 4 TVöD. Danach erhöht sich ab diesem Lebensalter die maximal erreichbare Gesamturlaubsdauer von jährlich 35 auf 36 Arbeitstage.

26

(4) Die Tarifgeschichte bestätigt, dass die Tarifvertragsparteien mit der Urlaubsstaffel nicht einem mit dem Lebensalter steigenden Erholungsbedürfnis Rechnung tragen wollten. Bereits seit dem Inkrafttreten des BAT wurde die Urlaubsdauer an das Lebensalter geknüpft (§ 48 Abs. 1 BAT). Sie steigerte sich auch nach dem vollendeten 30. Lebensjahr und nach dem vollendeten 40. Lebensjahr. Innerhalb der Lebensaltersstufen verlängerte sich die Urlaubsdauer teilweise nach Vergütungsgruppen. Je höher der Angestellte eingruppiert war, je länger war sein Urlaubsanspruch. Dies zeigt, dass nicht der Erholungszweck maßgebend für die Urlaubsdauer sein sollte. Der Urlaub wurde vielmehr als Quasi-Gegenleistung für die Arbeitsleistung geregelt. Nur so lässt sich die normierte Abhängigkeit der Urlaubsdauer von der Vergütungsgruppe erklären. Es kann deshalb nicht angenommen werden, die Tarifvertragsparteien hätten bei Angestellten in höheren Vergütungsgruppen ein gesteigertes Erholungsbedürfnis ausgleichen wollen. Die Differenzierung resultiert vielmehr aus der überkommenen Auffassung, der Urlaub werde „verdient“.

27

5. Die Diskriminierung der Klägerin kann nur durch die Verpflichtung des Beklagten beseitigt werden, der Klägerin für die Jahre 2008 und 2009 jeweils einen Ersatzurlaubstag zu gewähren. Zwar folgt aus § 7 Abs. 2 AGG nur, dass die diskriminierende Regelung unwirksam ist. Auch wird vom Senat nicht verkannt, dass es sich bei § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD um ein Stufensystem handelt, sodass grundsätzlich keine Stufe als die von den Tarifvertragsparteien als „übliche“ Urlaubsdauer gewollte angesehen werden kann. Jedoch kann die Beseitigung der Diskriminierung vorliegend nur durch eine Anpassung „nach oben“ erfolgen.

28

a) Grundsätzlich ist es Aufgabe der Tarifvertragsparteien, eine benachteiligungsfreie Regelung zu treffen, wofür ihnen verschiedene Möglichkeiten zu Verfügung stehen. Doch scheidet eine Aussetzung des Rechtsstreits unter Fristsetzung zur Lückenschließung durch die Tarifvertragsparteien selbst von vornherein aus (aM Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 23). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind für den Fall, dass gesetzliche oder tarifvertragliche Regelungen eine mit der Richtlinie unvereinbare Diskriminierung vorsehen, die nationalen Gerichte gehalten, die Diskriminierung auf jede denkbare Weise und insbesondere dadurch auszuschließen, dass sie die Regelung für die nicht benachteiligte Gruppe auch auf die benachteiligte Gruppe anwenden, ohne die Beseitigung der Diskriminierung durch den Gesetzgeber, die Tarifvertragsparteien oder in anderer Weise abzuwarten (vgl. so bereits zur Richtlinie 76/207/EWG: EuGH 20. März 2003 - C-187/00 - [Kutz-Bauer] Rn. 75, Slg. 2003, I-2741). Auch nach Art. 9 Abs. 3 GG in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wäre eine Aussetzung grundsätzlich allenfalls zur Beseitigung einer Diskriminierung für die Zukunft geboten(vgl. BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 28, NZA 2012, 161). Vorliegend geht es jedoch um die Beseitigung einer Diskriminierung in der Vergangenheit.

29

b) Die Benachteiligung der Klägerin kann nicht auf andere Weise für die Jahre 2008 und 2009 ausgeschlossen werden. Ein Rückgriff auf den noch unterhalb der Eingangstufe des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD liegenden gesetzlichen Mindesturlaub gemäß den §§ 1, 3 BUrlG in Höhe von 20 Arbeitstagen bei einer Fünftagewoche ist hierzu nicht geeignet(aM Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 483; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand Februar 2012, § 26 Rn. 163.5). Der von den §§ 1, 7 AGG bzw. Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgte Zweck, Benachteiligungen zu verhindern oder zu beseitigen, würde nicht erreicht. Da diskriminierende Maßnahmen oder Vereinbarungen nicht hingenommen und ihre Fortwirkung nicht akzeptiert werden darf (vgl. ErfK/Schlachter § 7 AGG Rn. 5), ist auch nicht auf die Eingangsstufe des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD mit 26 Urlaubstagen abzustellen. Hätte die Klägerin nur Anspruch auf die erste Stufe der Urlaubsstaffel, fehlte es an einer Sanktion, die einen tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutz gewährt und abschreckende Wirkung hat (vgl. zu diesem Aspekt: BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 18 ff., NZA 2012, 161).

30

c) Hingegen ist eine Anpassung „nach oben“ zur Beseitigung einer Altersdiskriminierung im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gerechtfertigt, wenn auf andere Weise die Diskriminierung nicht behoben werden kann, weil der Arbeitgeber den Begünstigten für die Vergangenheit die Leistung nicht mehr entziehen kann (vgl. ausführlich: BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 20 ff., NZA 2012, 161). Dies ist vorliegend der Fall. Der den begünstigten Beschäftigten in den Jahren 2008 und 2009 gewährte Urlaub von jährlich 30 Arbeitstagen kann nicht rückwirkend auf 29 oder 26 Arbeitstage begrenzt werden. Die als Urlaub bereits gewährte Freizeit ist nicht kondizierbar.

31

d) Schließlich steht der Anpassung „nach oben“ auch nicht § 15 Abs. 3 AGG entgegen. Danach ist der Arbeitgeber bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fährlässig handelt. Diese Bestimmung bezieht sich allein auf die immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG(vgl. BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 38, NZA 2012, 161; ErfK/Schlachter § 15 AGG Rn. 13) und verhält sich nicht zur Beseitigung einer Diskriminierung durch eine den Diskriminierungsverboten genügende Regelung.

32

e) Der Beklagte kann auch keinen Vertrauensschutz in Anspruch nehmen. In den Jahren 2008 und 2009 galt bereits das am 18. August 2006 in Kraft getretene AGG. Dieses nimmt Dauerschuldverhältnisse und damit auch Arbeitsverhältnisse ebenso wenig wie Tarifverträge aus, die vor dem Inkrafttreten des AGG bereits abgeschlossen waren. Übergangsvorschriften oder Vertrauensschutzregelungen sind insoweit in § 33 AGG nicht vorgesehen. Gemäß § 1 AGG ist ua. Ziel dieses Gesetzes, Benachteiligungen aus Gründen des Alters nicht nur zu verhindern, sondern auch zu beseitigen. Die damit einhergehende unechte Rückwirkung ist zulässig. Der zeitliche Geltungsbereich wird je nach Lage der Verhältnisse im Einzelfall nur durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes beschränkt (vgl. so bereits zu § 81 Abs. 2 SGB IX aF: BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 38, BAGE 129, 72). Dies setzt jedoch in jedem Fall das Vorliegen eines schutzwürdigen Vertrauens voraus, das vorliegend nicht gegeben ist, selbst wenn man die Grundsätze zum Vertrauensschutz bei unechter Rückwirkung von Gesetzen anwendet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Grundsatz des Vertrauensschutzes nur dann verletzt, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (vgl. BVerfG 10. August 2006 - 2 BvR 563/05  - Rn. 14, BVerfGK 9, 28). Zum einen dient das AGG der Umsetzung von EU-Richtlinien zum Schutz vor Diskriminierung im Bereich Beschäftigung und Beruf und enthält insoweit insbesondere im Bereich der Altersdiskriminierung unionsrechtlich verankerte notwendige und bedeutende Regelungen. Zum anderen wäre ein Vertrauen in den Fortbestand der angewandten tarifvertraglichen Regelungen nicht schutzwürdig. Denn die Richtlinie 2000/78/EG wurde schon im Jahr 2000 erlassen und stellt in Art. 16 Buchst. b ausdrücklich klar, dass die Diskriminierungsverbote auch auf tarifvertragliche Bestimmungen Anwendung finden. Nach Art. 18 der Richtlinie 2000/78/EG war diese zudem spätestens zum 2. Dezember 2006 in nationales Recht umzusetzen. Der Beklagte musste ebenso wie die Tarifvertragsparteien damit rechnen, dass tarifvertragliche Regelungen auch am Verbot der Altersdiskriminierung gemessen werden. Deshalb konnte der Beklagte nicht darauf vertrauen, dass auch nach Inkrafttreten des AGG die Urlaubsstaffelregelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD zulässig war, zumal in der Gesetzesbegründung zum AGG die Anknüpfung an das bloße Lebensalter als Mindestgrenze für mit der Beschäftigung verbundener Vorteile nicht unkritisch gesehen wurde(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 36) und im Schrifttum nicht nur vereinzelt die Unwirksamkeit des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD wegen Verstoßes gegen das Verbot der Altersdiskriminierung angenommen wurde (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22 mwN; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdtle ZTR 2006, 622, 623 mwN; so bereits zu § 48 Abs. 1 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156).

33

6. Die Klägerin hat Anspruch auf Ersatzurlaub gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB. Die Resturlaubsansprüche für die Jahre 2008 und 2009 waren mangels Vorliegens eines Übertragungsgrundes nach § 26 Abs. 1 Satz 6 TVöD iVm. § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG zum 31. Dezember des jeweiligen Jahres verfallen. Diesen Untergang hat der Beklagte zu vertreten, weil er sich mit der Gewährung des Urlaubs in Verzug befand.

34

a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus Verzug gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB liegen vor. Die Klägerin hatte in den Jahren 2008 und 2009 Anspruch auf jeweils 30 Urlaubstage. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wandelt sich der Urlaubsanspruch in einen Schadensersatzanspruch um, der auf Gewährung von Ersatzurlaub als Naturalrestitution gerichtet ist, wenn der Arbeitgeber den rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt und der Urlaub aufgrund seiner Befristung verfällt ( BAG 11. April 2006 - 9 AZR 523/05  - Rn. 24, AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116).

35

b) Die Klägerin machte mit Schreiben vom 5. November 2008 unter der Überschrift „Geltendmachung von Urlaubsansprüchen“ Urlaub in Höhe von 30 Tagen nach dem TVöD geltend und bat zudem, den Urlaubsanspruch auch für die Zukunft entsprechend anzupassen. Dahingestellt bleiben kann, ob dies schon ein konkretes Verlangen beinhaltet hat, den Urlaub in den Jahren 2008 und 2009 zu gewähren. Nach der Rechtsprechung des Senats ist hierfür zumindest erforderlich, dass der Arbeitgeber nach den Grundsätzen des § 133 BGB davon ausgehen muss, der Arbeitnehmer wünsche ab einem bestimmten Zeitpunkt Erholungsurlaub(vgl. BAG 17. November 2009 - 9 AZR 745/08 - Rn. 45; 11. April 2006 -  9 AZR 523/05  - Rn. 28, AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116). Maßgebend ist, dass der Beklagte mit Schreiben vom 28. November 2008 erklärt hat, er lehne den Antrag auf Verlängerung des Urlaubs „auf 30 Tage vor Erreichen des 41. Lebensjahres“ ab, weil der Klägerin nach dem für ihn verbindlichen § 26 Abs. 1 TVöD derzeit nur 29 Urlaubstage zustünden. Aus objektiver Empfängersicht lag darin eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung des Beklagten als Schuldner des Urlaubsanspruchs, die gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine Mahnung der Klägerin entbehrlich machte(vgl. BAG 31. Januar 1991 - 8 AZR 462/89  - zu II der Gründe). Denn der Beklagte gab mit diesem Schreiben vor Ablauf des Urlaubsjahres 2008 klar zu erkennen, dass er nicht bereit sei, im laufenden Jahr mehr als 29 Tage Urlaub zu gewähren. Hinsichtlich des weiteren Urlaubstags für das Jahr 2009 folgt der Verzug des Beklagten zudem daraus, dass er jedenfalls mit dem Antrag auf Klageabweisung vom 24. April 2009 und somit vor Ablauf des Urlaubsjahres 2009 zu erkennen gegeben hat, den weiteren Urlaubstag auch im Jahr 2009 nicht gewähren zu wollen. Darin lag ebenso seine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung als Schuldner des Urlaubsanspruchs, die gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine Mahnung der Klägerin ebenfalls entbehrlich machte(vgl. BAG 17. Mai 2011 - 9 AZR 197/10 - Rn. 14, EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 138; 31. Januar 1991 - 8 AZR 462/89  - zu II der Gründe).

36

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

        

        

    Preuß    

        

    Neumann-Redlin    

        

        

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 7. September 2012 - 6 Sa 709/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe des jährlichen Urlaubsanspruchs.

2

Die Beklagte stellt Schuhe her. Die am 10. April 1960 geborene Klägerin ist bei ihr seit dem 1. Juli 1994 als Produktionsmitarbeiterin beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 13. November 2000 ist ua. vereinbart, dass der jährliche Urlaubsanspruch 34 Arbeitstage beträgt. Die Beklagte gewährt allen Arbeitnehmern, die das 58. Lebensjahr vollendet haben, 36 Arbeitstage Jahresurlaub, ohne dass individuelle Vereinbarungen über einen höheren Jahresurlaub vorliegen. Die übrigen Beschäftigten erhalten jährlich 34 Urlaubstage.

3

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Urlaubsregelung sei altersdiskriminierend. Die Behauptung, ältere Mitarbeiter benötigten im Produktionsbetrieb längere Erholungsphasen, sei durch die darlegungsbelastete Beklagte nicht dargetan. Das Bundesurlaubsgesetz stelle bezüglich der Dauer des Urlaubs weder auf die physische Belastung noch auf das Alter der Arbeitnehmer ab. Die Beklagte habe keinen Grund genannt, warum ein gesteigertes Erholungsbedürfnis ausgerechnet mit 58 Jahren eintrete. Zudem könne mit lediglich zwei zusätzlichen Urlaubstagen ein etwaiger höherer Erholungsbedarf nicht ausgeglichen werden. Bei einem stetig steigenden Erholungsbedarf müsste jedenfalls auch die Urlaubsdauer gestaffelt werden. Bei anderen Arbeitnehmergruppen sei ein erhöhter Erholungsbedarf nachvollziehbar. Diese würden jedoch nicht begünstigt. So seien jüngere Arbeitnehmer durch Familie und Beruf oftmals stärker beansprucht als ältere. Die Beklagte habe ihr zur Beseitigung der Diskriminierung jährlich zwei weitere Urlaubstage zu gewähren.

4

Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr 36 Arbeitstage Erholungsurlaub zu gewähren.

5

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, ihre Urlaubsregelung beinhalte keine Diskriminierung. Nach der Lebenserfahrung benötigten ältere Arbeitnehmer, die körperlich ermüdende und schwere Arbeiten verrichten, längere Erholungszeiten als jüngere. Zwei zusätzliche Urlaubstage seien angemessen.

6

Das Arbeitsgericht hat die Klage - soweit für die Revision von Bedeutung - abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Feststellungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, der Klägerin auch schon vor der Vollendung der 58. Lebensjahres insgesamt 36 Arbeitstage Erholungsurlaub pro Jahr zu gewähren.

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I. Die Klage ist in der gebotenen Auslegung zulässig, insbesondere besteht das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.

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1. Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer den Umfang des ihm zustehenden Urlaubs gerichtlich festgestellt wissen will, nicht entgegen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 9, BAGE 141, 73; 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - Rn. 13 ff., BAGE 137, 328).

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2. Die am 10. April 1960 geborene Klägerin hat ein rechtlich anerkennenswertes Interesse daran, alsbald zu erfahren, ob ihr bereits vor der Vollendung ihres 58. Lebensjahres zwei weitere Urlaubstage pro Jahr zustehen. Ihr Antrag bezieht sich dem Wortlaut nach zwar auf den gesamten Jahresurlaub. Er kann jedoch so ausgelegt werden, dass er sich nur auf zwei weitere Urlaubstage im Kalenderjahr bezieht. Zwischen den Parteien besteht kein Streit, dass der Klägerin die vertraglich vereinbarten 34 Urlaubstage pro Jahr zustehen. Die Klägerin hat im Laufe des Verfahrens deutlich gemacht, dass der Antrag auf die Feststellung des Bestehens zweier zusätzlicher Urlaubstage gerichtet ist. Darüber hinaus hat das Landesarbeitsgericht den Klageantrag zutreffend so verstanden, dass er vergangene Urlaubsjahre nicht erfasst. Es handelt sich um einen gegenwartsbezogenen Feststellungsantrag, für dessen Entscheidung grundsätzlich auf die Sachlage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht abzustellen ist (vgl. BAG 15. Mai 2013 - 7 AZR 494/11 - Rn. 15 ff.).

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II. Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen vor Vollendung ihres 58. Lebensjahres nicht gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 iVm. § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG zwei weitere Urlaubstage zu. Die Urlaubsregelung ist nicht gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam und führt somit bezüglich der Dauer des Urlaubs der Klägerin nicht zu einer „Anpassung nach oben“(siehe dazu BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 27 ff., BAGE 141, 73; vgl. aber auch BAG 14. Mai 2013 - 1 AZR 44/12 - Rn. 25, BAGE 145, 113).

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1. Es liegt zwar eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor. Diese ist jedoch gemäß § 10 Satz 1, 2 und Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt.

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a) Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Unter Alter iSd. § 1 AGG ist das Lebensalter zu verstehen. Dies folgt aus dem Wortlaut des Gesetzes und aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/1780 S. 31; BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 14, BAGE 141, 73; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 36, BAGE 129, 181). Eine unmittelbare Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 1 AGG gegeben, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Der für eine unmittelbare Benachteiligung erforderliche Kausalzusammenhang ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere in § 1 AGG genannte Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - aaO mwN).

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b) Daran gemessen liegt eine unmittelbare Ungleichbehandlung wegen des Alters vor. Die Urlaubsregelung knüpft die Gewährung von zwei weiteren Urlaubstagen an die Vollendung des 58. Lebensjahres und damit unmittelbar an das Lebensalter der Beschäftigten. Arbeitnehmer, die diese Altersgrenze nicht erreicht haben, werden wegen ihres Alters ungünstiger behandelt.

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c) Die Ungleichbehandlung ist jedoch gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt. Die Regelung bezweckt bei Berücksichtigung eines Gestaltungs- und Ermessensspielraums der Beklagten den in dieser Bestimmung genannten Schutz älterer Beschäftigter und ist geeignet, erforderlich und angemessen im Sinne von § 10 Satz 2 AGG.

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aa) Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG konkretisiert ua. das legitime Ziel der Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter, wobei dieser Schutz auch die Festlegung besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließen kann (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73).

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bb) § 10 AGG dient der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16) in das nationale Recht (BAG 18. März 2014 - 3 AZR 69/12 - Rn. 21). Der Gesetzgeber hat bei der Umsetzung den Text der Richtlinie nahezu wörtlich in das nationale Recht übernommen. Dessen Regelungen sind unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszulegen (vgl. BAG 14. März 2012 - 7 AZR 480/08 - Rn. 30).

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cc) Dem Arbeitgeber steht bei freiwilligen zusätzlichen Leistungen - wozu auch die Gewährung von übergesetzlichem Mehrurlaub gehört - ein von den Gerichten zu respektierender Gestaltungs- und Ermessensspielraum zu (vgl. zu Leistungen der betrieblichen Altersversorgung: BAG 12. November 2013 - 3 AZR 356/12 - Rn. 28; 12. Februar 2013 - 3 AZR 100/11 - Rn. 31 mwN, BAGE 144, 231). Auch in der Rechtsprechung des EuGH ist anerkannt, dass die Mitgliedstaaten und gegebenenfalls die Sozialpartner auf nationaler Ebene beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts nicht nur bei der Entscheidung, welches konkrete Ziel von mehreren im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik sie verfolgen wollen, sondern auch bei der Festlegung der Maßnahmen zu seiner Erreichung über einen weiten Gestaltungsspielraum verfügen (EuGH 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Rn. 68, Slg. 2007, I-8531). Diese Erwägungen gelten nach dem EuGH auch für Ziele, die der Arbeitgeber mit einer vertraglichen Regelung verfolgt (vgl. EuGH 26. September 2013 - C-476/11 - [HK Danmark] Rn. 61).

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dd) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Benachteiligung der Arbeitnehmer der Beklagten, die das 58. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, gerechtfertigt.

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(1) Die Beklagte gewährt den Arbeitnehmern in ihrem Produktionsbetrieb nach der Vollendung des 58. Lebensjahres aufgrund ihres gesteigerten Erholungsbedürfnisses zwei weitere Urlaubstage im Kalenderjahr und bezweckt damit die Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. Da dieser Schutz die Festlegung besonderer Arbeitsbedingungen einschließt (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73), unterfallen ihm auch zusätzliche Urlaubstage.

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(a) Das AGG definiert in § 10 Satz 3 Nr. 1 - ebenso wie Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG - nicht, wann ein Beschäftigter „älter“ im Sinne der Norm ist (vgl. zum herkömmlichen Verständnis: BAG 18. September 2014 - 6 AZR 636/13 - Rn. 44). Nach dem Sinn und Zweck des Benachteiligungsverbots reicht es ohne das Vorliegen anderer Differenzierungsgründe nicht aus, dass das Alter der begünstigten Arbeitnehmer höher ist als das Alter der nicht begünstigten. Dementsprechend hat der Senat angenommen, ein Arbeitnehmer sei nach der Vollendung seines 31. Lebensjahres offensichtlich noch kein älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 55, BAGE 132, 210). Aus dem systematischen Zusammenhang mit § 10 Satz 1 AGG und aus dem Regelungszweck folgt, dass die begünstigten Arbeitnehmer aufgrund ihres Alters der Förderung bei der beruflichen Eingliederung oder des Schutzes bedürfen müssen.

22

(aa) Der Senat ist in seiner Entscheidung vom 20. März 2012 nicht davon ausgegangen, dass mit zunehmenden Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steige. Er hat allerdings ab einem bestimmten Alter - konkret: bei über 50- oder über 60-jährigen Beschäftigten - ein altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis für „eher nachvollziehbar“ gehalten (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 24 f., BAGE 141, 73).

23

(bb) Das Landesarbeitsgericht hat in Übereinstimmung mit der überwiegenden Auffassung im Schrifttum als Erfahrungssatz angenommen, dass mit zunehmenden Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steigt (so auch Tempelmann/Stenslik DStR 2011, 1183, 1185 f.; Lingemann/Gotham NZA 2007, 663, 666; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 143 f.; Waltermann NZA 2005, 1265, 1269; Over Das Verbot der Altersdiskriminierung im Arbeitsrecht nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz S. 231; Küttner/Kania Personalbuch 2014 Diskriminierung Rn. 90; vgl. auch Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 - zu II 2 b cc (3) (a) der Gründe mwN). Diese Ansicht ist allerdings nicht unumstritten. So wird auf die Individualität der Alterungsprozesse und den fehlenden Nachweis von Altersklassen mit spezifischem Erholungsbedarf hingewiesen (Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 1 Rn. 822). Die Aufstellung eines generellen Erfahrungssatzes soll dem traditionellen Bild vom „alten Arbeitnehmer“ entsprechen (Däubler/Bertzbach/Brors 3. Aufl. § 10 Rn. 43). Auch wird hervorgehoben, dass der Gesetzgeber in § 3 BUrlG bezüglich der Dauer des Urlaubs nicht nach dem Lebensalter der Arbeitnehmer unterscheide und demnach nicht von einem unterschiedlichen Erholungsbedürfnis ausgehe(Bertelsmann in Rust/Falke AGG § 10 Rn. 93). Auch auf europäischer Ebene sehe Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG vier Wochen Urlaub einheitlich für alle Berufsgruppen altersunabhängig vor(v. Roetteken AGG Stand September 2014 § 10 Rn. 262). Verlangt wird zumindest die Darlegung eines empirischen Befunds zum steigenden Erholungsbedarf unter Beachtung der Tätigkeit bevorzugter Arbeitnehmer (Däubler/Bertzbach/Brors aaO; aA Kasprzyk Altersdiskriminierung im deutschen Arbeitsrecht S. 185).

24

(b) Erfahrungssätze sind Hilfsmittel. Die Feststellung von allgemein anerkannten Erfahrungssätzen ist als Tatfrage den Tatsachengerichten vorbehalten. Dabei ist es diesen nicht verwehrt, das Bestehen oder Nichtbestehen eines Erfahrungssatzes zu beurteilen, wenn sie dazu über ausreichende Sachkunde und Lebenserfahrung verfügen. Andernfalls haben sie sich der Hilfe eines Sachverständigen zu bedienen. Die Zuziehung eines Sachverständigen zur Unterstützung des Gerichts ist gemäß § 144 Abs. 1 ZPO durch die Tatsachengerichte stets nach pflichtgemäßen Ermessen zu prüfen(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 65 mwN, BAGE 132, 210; vgl. allg. zu Erfahrungssätzen: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 73. Aufl. Einf. § 284 Rn. 22).

25

(c) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Landesarbeitsgericht von der Zuziehung eines Sachverständigen abgesehen hat. Dieses durfte aufgrund der von ihm festgestellten körperlich anstrengenden Tätigkeiten im Produktionsbetrieb der Beklagten auch ohne Sachverständigengutachten annehmen, dass das Erholungsbedürfnis der dort beschäftigten Arbeitnehmer mit zunehmenden Alter steigt. Ob es einen tätigkeitsunabhängigen generellen Zusammenhang zwischen dem Erholungsbedarf und dem Alter gibt (so etwa Kamanabrou aaO), kann dahinstehen.

26

(aa) Die Annahme eines Erfahrungssatzes dahin gehend, dass bei körperlich belastenden Berufen das Erholungsbedürfnis im höheren Alter steigt, begegnet keinen Bedenken. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die physische Belastbarkeit mit zunehmendem Alter abnimmt (etwa BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 67 mwN, BAGE 132, 210; Bayerischer VGH 24. Oktober 2011 - 3 ZB 08.721 - zu II 1 b der Gründe). Dieser Erfahrungssatz betrifft auch den Wirkungszusammenhang von erreichtem Lebensalter und Krankheitsanfälligkeit (Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 - zu II 2 b cc (3) (a) der Gründe mwN). Alle bekannten privaten und öffentlichen Systeme der Kranken-, Renten- und Lebensversicherung beruhen auf dieser Erwartung (BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 54, BAGE 128, 238). Entgegen der Ansicht der Klägerin kommen auch nicht lediglich Studien älteren Datums - wie etwa die ILO-Empfehlung Nr. 162 vom 23. Juni 1980 oder der WHO Technical Report Series 835 „Aging and Working Capacity” (dt. Übersetzung: „Altern und Arbeit“ 1994) - zu diesem Ergebnis. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden bestätigt zB durch den „Fortschrittsreport ‚Altersgerechte Arbeitswelt“, Ausgabe 3 des Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Stand September 2013). Nach diesem hat sich zwar die körperliche Konstitution besonders für die Altersgruppe der 45- bis 64-Jährigen verbessert (Ziff. 3.1). Dennoch zeigt die Studie weiterhin ein Ansteigen der Anzahl der krankheitsbedingten Fehltage sowie eine Verschlechterung des Gesundheitszustands mit fortschreitendem Lebensalter (Ziff. 4.2, Tabelle 2). Insbesondere bei belastenden Berufen nimmt die Anzahl krankheitsbedingter Fehltage im Alter überproportional zu und der Gesundheitszustand verschlechtert sich überproportional (vgl. Ziff. 4.2). Auch bei einfachen Dienstleistungen und einfachen manuellen Berufen verschlechtert sich der „selbstberichtete Gesundheitszustand in der Altersgruppe 55 bis 64 Jahre im Vergleich zum Durchschnitt“ immer noch deutlich (Ziff. 3.4). Zumindest hinsichtlich dieser Berufe erscheint die Annahme eines größeren Erholungsbedarfs im erhöhten Alter als nicht fehlerhaft (ebenso Reinhard ArbRB 2012, 342, 343). Auch Gegner eines allgemeinen Erfahrungssatzes gestehen zu, dass bei gesundheitlich besonders belastenden Tätigkeiten ein gesteigerter Erholungsbedarf mit zunehmendem Alter angenommen werden kann (v. Roetteken aaO; Däubler/Bertzbach/Brors aaO; Löwisch/Rieble § 1 Rn. 823).

27

Soweit das Landesarbeitsgericht auf die teilweise geforderte Darlegung spezifischer empirischer Untersuchungen bezogen auf die Tätigkeiten im Produktionsbetrieb der Beklagten verzichtet hat, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Durchführung derartiger Untersuchungen wäre praktisch aufwändig und schwierig (weiter gehend Kasprzyk aaO: „unmöglich“). Eine übersteigerte Darlegungslast würde die Einführung freiwilliger Leistungen unzumutbar erschweren. Die Feststellungen durch das Landesarbeitsgericht, dass die Beschäftigten der Beklagten bei der Schuhfertigung körperlich ermüdende und teils schwere Arbeiten leisten, verstärkt durch einen besonderen, prämienbezogenen Zeit- und Qualitätsdruck im Sinne eines Teamakkords, genügt danach als Tatsachenbasis für die Bejahung des dargestellten Erfahrungssatzes.

28

(bb) Der Hinweis auf die fehlende Altersstaffelung in § 3 BUrlG und Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG hilft der Klägerin für die Frage der Legitimität des Zwecks nicht weiter. Die Vorschriften regeln nur die Dauer des Mindesturlaubs und damit das unterste Maß dessen, was nach deutschem und europäischem Urlaubsrecht unabhängig von individuellen Besonderheiten zur Erholung erforderlich ist. Spezifische Charakteristika - wie das Alter oder der physische oder psychische Gesundheitszustand - bleiben bei der Setzung eines einheitlichen Minimalstandards naturgemäß außer Betracht. Auf nationaler Ebene kommt hinzu, dass der Gesetzgeber durchaus gesehen hat, dass es altersabhängig einen unterschiedlichen Erholungsbedarf geben kann, wie etwa § 57 Abs. 2 SeeArbG und § 19 Abs. 2 JArbSchG zeigen(siehe dazu v. Roetteken § 10 Rn. 263).

29

(d) Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Sicherstellung des Schutzes ihrer Arbeitnehmer nach Vollendung des 58. Lebensjahres als Zweck der zwei weiteren Urlaubstage vorgeschoben hat.

30

(aa) Allerdings ist dieser Zweck nicht unmittelbar der - nicht schriftlich fixierten - Regelung zu entnehmen. Nennt eine Regelung oder Maßnahme kein Ziel, müssen zumindest aus dem Kontext abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter der Regelung oder der Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, um die Legitimität des Ziels sowie die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüfen zu können (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 19 mwN, BAGE 141, 73; vgl. zur Richtlinie 2000/78/EG: EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 39 mwN, Slg. 2011, I-6919).

31

(bb) Wenn eine Tarifregelung die Urlaubsdauer nach dem Lebensalter staffelt, liegt die Annahme nahe, die Tarifvertragsparteien hätten einem mit zunehmendem Alter gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 23, BAGE 141, 73). Diese Annahme darf freilich nicht durch die konkrete Wahl der Altersgrenze(n) widerlegt werden, wie dies bei § 26 TVöD aF, der zusätzliche Urlaubstage bereits ab dem 30. Lebensjahr vorsah, der Fall war (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 24 ff., aaO).

32

(cc) Es ist kein Grund ersichtlich, bei einer individualrechtlichen Regelung nicht ebenfalls grundsätzlich davon auszugehen, dass mit einer Altersgrenze für die Gewährung zusätzlichen Urlaubs einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer Rechnung getragen werden soll. Diese Annahme erscheint umso mehr gerechtfertigt, wenn sie wie hier mit der Anerkennung eines Erfahrungssatzes bezüglich des gesteigerten Erholungsbedarfs bei körperlich belastenden Berufen korreliert. Hinzu kommt, dass die ständige Übung der Beklagten inhaltlich einer einschlägigen tarifvertraglichen Regelung entspricht. So sah der persönlich, fachlich und räumlich einschlägige Manteltarifvertrag vom 23. April 1997, abgeschlossen zwischen dem Hauptverband der Deutschen Schuhindustrie e. V. und der Gewerkschaft Leder sowie der IG BCE, für gewerbliche Arbeitnehmer in § 17 Ziff. 4 Buchst. a ab dem 58. Lebensjahr ebenfalls zwei zusätzliche Urlaubstage vor. Diese Regelung war im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht nicht durch eine neue Bestimmung abgeändert.

33

(dd) Schließlich widerlegt die Altersgrenze von 58 Lebensjahren nicht den Zweck, mit zwei weiteren Urlaubstagen im Kalenderjahr dem gesteigerten Erholungsbedürfnis Rechnung zu tragen. Dabei kann dahinstehen, ab welchem Alter die Annahme, der zusätzliche Urlaub diene dem höheren Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG, nicht mehr ohne Weiteres aufrechterhalten bzw. als widerlegt erachtet werden kann. Der Senat hat in der Entscheidung vom 20. März 2012 gemäß dem Rechtsgedanken aus § 417 Abs. 1 SGB III eine Altersgrenze von 50 Lebensjahren für die Einordnung als älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG in Betracht gezogen(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73; vgl. zu einer solchen Altersgrenze für die Gewährung zusätzlicher Urlaubstage: Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 -). Das Landesarbeitsgericht hat ergänzend darauf verwiesen, dass Leitlinie 17 der Entscheidung des Rates vom 12. Juli 2005 über Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten (2005/600/EG) Arbeitskräfte ab Vollendung des 55. Lebensjahres als ältere Arbeitnehmer erachtet und die WHO-Studiengruppe „Altern und Arbeit“ aus arbeitsmedizinischer Sicht wegen auftretender Schwierigkeiten in Arbeit und Beruf eine Grenze ab dem 45. Lebensjahr angenommen hat (zu A II 15 b bb (3) (b) der Gründe). Das Berufungsgericht hat damit nachvollziehbar begründet, warum es davon ausgeht, dass die Urlaubsregelung einem legitimen Zweck iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG dient und es diesen Zweck nicht lediglich als von der Beklagten vorgeschoben erachtet.

34

(2) Die Regelung ist geeignet, den in § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG beschriebenen Zweck zu fördern. Insbesondere kann die Klägerin nicht mit dem Argument gehört werden, dass die Gewährung von lediglich zwei Urlaubstagen ungeeignet sei, einen altersbedingt erhöhten Erholungsbedarf auszugleichen. Die Geeignetheit ist nicht deshalb zu verneinen, weil ein gestiegener Erholungsbedarf unter Umständen nicht vollständig, sondern nur partiell ausgeglichen wird. Gerade angesichts des vom Arbeitgeber bei einer freiwilligen Leistung selbst gesetzten Dotierungsrahmens wäre die Beschränkung auf einen Teilausgleich nachvollziehbar und zulässig. Zudem haben auch die Tarifvertragsparteien angesichts der Tätigkeit eines Produktionsmitarbeiters in der Schuhbranche zwei Tage Urlaub für geeignet und ausreichend erachtet. Dass die Beklagte sich die von den Sozialpartnern ausgehandelte Regelung zu eigen macht und im Rahmen ihres Ermessensspielraums eine entsprechende Regelung trifft, ist unter dem Aspekt der Geeignetheit der Regelung nicht zu beanstanden.

35

(3) Die Regelung ist auch erforderlich und angemessen (§ 10 Satz 2 AGG). Mildere Mittel, die in gleicher Weise den Schutz älterer Arbeitnehmer verwirklichen könnten, sind nicht ersichtlich.

36

(a) Die Wahl einer anderen, niedrigeren Altersgrenze stellte kein gleich wirksames, milderes Mittel mit geringerem altersspezifischen Effekt dar. Es handelte sich vielmehr um eine andere Maßnahme mit einem erhöhtem Dotierungsrahmen.

37

(b) Eine niedrigere Altersgrenze verbunden mit nur einem weiteren Urlaubstag im Kalenderjahr müsste zwar nicht zwingend zu einer Erhöhung des Dotierungsrahmens führen. Allerdings hätten dann Arbeitnehmer nach Vollendung des 58. Lebensjahres nicht mehr Anspruch auf den zweiten weiteren Urlaubstag, den die Beklagte im Einklang mit dem einschlägigen Tarifvertrag angesichts des gesteigerten Erholungsbedarfs im höheren Alter in der Schuhproduktion für notwendig erachtet. Der Gestaltungs- und Ermessensspielraum der Beklagten lässt auch im Rahmen der Erforderlichkeit und Angemessenheit die von ihr angewandte Regelung zu. Die Interessen der Beteiligten werden hinreichend berücksichtigt. Es werden lediglich in Übereinstimmung mit dem Abwägungsergebnis der Tarifvertragsparteien die Interessen der über 58-Jährigen an einem zusätzlichen Urlaubstag höher gewichtet als die Interessen der übrigen Beschäftigten, schon im jüngeren Alter einen zusätzlichen Urlaubstag zu erhalten.

38

(c) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Beklagte nicht verpflichtet, zusätzliche Urlaubstage nur nach dem individuell ermittelten Erholungsbedarf unter Einbeziehung altersunabhängiger Belastungsfaktoren, wie der Pflege und Betreuung von Kindern, sowie unter Berücksichtigung des individuellen Alterungsprozesses zu gewähren. Zwar mag es zutreffen, dass es weitere Belastungsfaktoren gibt, die zu einem gesteigerten Erholungsbedarf führen können. Jedoch wäre eine solche individuelle Regelung in vielerlei Hinsicht praktisch nicht oder nur mit großen Schwierigkeiten handhabbar. Dies gilt nicht nur bezüglich der Gewichtung der einzelnen (persönlichen) Belastungsfaktoren untereinander, sondern vor allem auch für deren Ermittlung durch die Beklagte. Auch der Gerichtshof der Europäischen Union hat anerkannt, dass bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Regelung im Hinblick auf das Verbot der Altersdiskriminierung zu beachten ist, dass die fragliche Regelung in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht handhabbar bleiben müsse, und deshalb nicht generell verlangt werden könne, dass immer jeder Einzelfall individuell geprüft werde (EuGH 19. Juni 2014 - C-501/12 ua. - [Specht ua.] Rn. 78). Unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten darf der Arbeitgeber daher im Sinne einer typisierenden Betrachtung in Ausübung seines Gestaltungsspielraums auch einen Grund für ein gesteigertes Erholungsbedürfnis - wie etwa das Alter in belastenden Berufen - als Differenzierungskriterium heranziehen. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG enthält kein Gebot, die dort genannten typischerweise besonders schutzbedürftigen Personengruppen (Jugendliche, ältere Beschäftigte und Personen mit Fürsorgepflichten) hinsichtlich besonderer Arbeitsbedingungen gleich zu behandeln.

39

2. Aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz folgt ebenfalls kein Anspruch der Klägerin auf die begehrten zwei zusätzlichen Urlaubstage. Ist - wie hier - die unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmergruppen aus einem in § 1 AGG genannten Grund unter den im AGG normierten Voraussetzungen zulässig, ist auch der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt(ebenso bezüglich des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes: BAG 17. September 2013 - 3 AZR 686/11 - Rn. 25 mwN). Eine sachwidrige Ungleichbehandlung kommt angesichts der Rechtfertigung gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG nicht in Betracht.

40

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

        

        

    M. Lücke    

        

    Kranzusch    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. März 2010 - 20 Sa 2058/09 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Eberswalde vom 8. Juli 2009 - 3 Ca 140/09 - wird zurückgewiesen und der Tenor dieses Urteils zur Klarstellung neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass der Klägerin für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein weiterer Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht.

3. Der Beklagte hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin in den Jahren 2008 und 2009 Anspruch auf jeweils 29 oder 30 Urlaubstage hatte.

2

Die am 27. Oktober 1971 geborene Klägerin ist seit dem 1. September 1988 bei dem beklagten Landkreis als Angestellte mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden in der Fünftagewoche beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13. September 2005 in der Fassung des Änderungstarifvertrags Nr. 2 vom 31. März 2008 (TVöD) Anwendung. Dieser bestimmt ua.:

        

§ 26 

        

Erholungsurlaub

        

(1)     

Beschäftigte haben in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts (§ 21). Bei Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf fünf Tage in der Kalenderwoche beträgt der Urlaubsanspruch in jedem Kalenderjahr

                 

bis zum vollendeten 30. Lebensjahr

26 Arbeitstage,

                 

bis zum vollendeten 40. Lebensjahr

29 Arbeitstage und

                 

nach dem vollendeten 40. Lebensjahr

30 Arbeitstage.

                 

Maßgebend für die Berechnung der Urlaubsdauer ist das Lebensjahr, das im Laufe des Kalenderjahres vollendet wird. Bei einer anderen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit als auf fünf Tage in der Woche erhöht oder vermindert sich der Urlaubsanspruch entsprechend. Verbleibt bei der Berechnung des Urlaubs ein Bruchteil, der mindestens einen halben Urlaubstag ergibt, wird er auf einen vollen Urlaubstag aufgerundet; Bruchteile von weniger als einem halben Urlaubstag bleiben unberücksichtigt. Der Erholungsurlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und kann auch in Teilen genommen werden.

        

…       

        
        

§ 27   

        

Zusatzurlaub

        

(1)     

Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit nach § 7 Abs. 1 oder ständig Schichtarbeit nach § 7 Abs. 2 leisten und denen die Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 1 oder Abs. 6 Satz 1 zusteht, erhalten

                 

a)    

bei Wechselschichtarbeit für je zwei zusammenhängende Monate und

                 

b)    

bei Schichtarbeit für je vier zusammenhängende Monate

                 

einen Arbeitstag Zusatzurlaub.

        

(2)     

Im Falle nicht ständiger Wechselschicht- oder Schichtarbeit (z. B. ständige Vertreter) erhalten Beschäftigte des Bundes, denen die Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 2 oder Abs. 6 Satz 2 zusteht, einen Arbeitstag Zusatzurlaub für

                 

a)    

je drei Monate im Jahr, in denen sie überwiegend Wechselschichtarbeit geleistet haben, und

                 

b)    

je fünf Monate im Jahr, in denen sie überwiegend Schichtarbeit geleistet haben.

        

…       

                 
        

(4)     

Zusatzurlaub nach diesem Tarifvertrag und sonstigen Bestimmungen mit Ausnahme von § 125 SGB IX wird nur bis zu insgesamt sechs Arbeitstagen im Kalenderjahr gewährt. Erholungsurlaub und Zusatzurlaub (Gesamturlaub) dürfen im Kalenderjahr zusammen 35 Arbeitstage nicht überschreiten. Satz 2 ist für Zusatzurlaub nach den Absätzen 1 und 2 hierzu nicht anzuwenden. Bei Beschäftigten, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, gilt abweichend von Satz 2 eine Höchstgrenze von 36 Arbeitstagen; § 26 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

        

…“    

        
3

Mit Schreiben vom 5. November 2008 machte die Klägerin gegenüber dem Beklagten einen jährlichen Gesamturlaub in Höhe von 30 Tagen für das Jahr 2008 und die Zukunft nach dem TVöD geltend. Der Beklagte lehnte die Gewährung von 30 Urlaubstagen vor der Vollendung des 40. Lebensjahres der Klägerin unter Hinweis auf die Verbindlichkeit der Regelung des § 26 Abs. 1 TVöD mit Schreiben vom 28. November 2008 ab. Die Klägerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 11. Februar 2009 die vorliegende Klage erhoben.

4

Sie hat die Ansicht vertreten, sie habe auch vor der Vollendung ihres 40. Lebensjahres Anspruch auf jährlich 30 und nicht nur 29 Urlaubstage. Die an das Lebensalter anknüpfende Staffelung des tariflichen Urlaubsanspruchs sei eine Diskriminierung wegen des Alters. Die in der Tarifregelung enthaltene Ungleichbehandlung jüngerer Arbeitnehmer sei nicht durch § 10 AGG gerechtfertigt. Im Übrigen würden die gesundheitlichen Wirkungen zusätzlichen Urlaubs zur Vermeidung beispielsweise von Stresserscheinungen am Arbeitsplatz auch in der medizinischen Literatur kontrovers diskutiert.

5

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass ihr für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht.

6

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Diese sei bereits unzulässig, da das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO nötige Feststellungsinteresse fehle. Schließlich sei die Klage auch unbegründet. Die Altersstufenregelung des § 26 Abs. 1 TVöD sei durch einen sachlichen Grund nach § 10 AGG gerechtfertigt. Die Festlegung eines Mindestalters für die Gewährung von 30 Urlaubstagen pro Kalenderjahr stelle eine besondere Beschäftigungsbedingung zum Schutz älterer Beschäftigter bzw. eine Mindestanforderung an das Alter für einen mit der Beschäftigung verbundenen Vorteil dar, der zur Erreichung eines legitimen Ziels angemessen und erforderlich sei. Ältere Arbeitnehmer seien mit zunehmendem Alter aufgrund beruflicher Belastungen länger krank. Um diesen Umstand Rechnung zu tragen, hätten die Tarifvertragsparteien mit der Regelung in § 26 Abs. 1 TVöD auf das verstärkte Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer reagiert und deren Leistungsfähigkeit stärken wollen. Der Aspekt des Gesundheitsschutzes älterer Arbeitnehmer sei daher geeignet, die Ungleichbehandlung jüngerer Beschäftigter zu rechtfertigen. Schließlich würde auch eine Diskriminierung keine Angleichung „nach oben“ zur Folge haben.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die Wiederherstellung der stattgebenden Entscheidung des Arbeitsgerichts. Der Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

A. Die zulässige Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf die geltend gemachten Ersatzurlaubstage.

9

I. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Feststellungsklage zulässig ist. Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse daran, durch das Gericht feststellen zu lassen, ob ihr für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht ( § 256 Abs. 1 ZPO ). Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer den Umfang des ihm zustehenden Urlaubs gerichtlich festgestellt haben will, nicht entgegen (vgl. BAG 12. April 2011 - 9 AZR 80/10  - Rn. 13 bis 15, EzA BUrlG § 7 Nr. 123).

10

II. Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten für den ihr in den Jahren 2008 und 2009 jeweils verweigerten 30. Urlaubstag gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB Anspruch auf jeweils einen Tag Ersatzurlaub. Die Urlaubsstaffelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD verstößt gegen die §§ 1, 3 Abs. 1 AGG. Denn sie gewährt Beschäftigten, die das 30., aber noch nicht das 40. Lebensjahr vollendet haben, einen um einen Tag kürzeren Urlaub. Sie ist deshalb nach § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG iVm. § 134 BGB unwirksam. Dies hat zur Folge, dass die Klägerin auch vor der Vollendung ihres 40. Lebensjahres in jedem Kalenderjahr Anspruch auf 30 Urlaubstage hatte. Ihr steht für die Jahre 2008 und 2009 jeweils noch ein Tag Ersatzurlaub zu, weil der Beklagte ihr in diesen Jahren nur jeweils 29 Urlaubstage gewährte.

11

1. Nach § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD standen der am 27. Oktober 1971 geborenen Klägerin in den Jahren 2008 und 2009 jeweils 29 Urlaubstage zu. Erst nach dem vollendeten 40. Lebensjahr gewährt ihr diese Tarifregelung einen jährlichen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen. Diese an das Lebensalter anknüpfende Staffelung der Urlaubsdauer verstößt gegen das Verbot der Altersdiskriminierung in § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG. Sie ist als sachlich nicht nach den §§ 8, 10 AGG gerechtfertigte unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters gemäß § 7 Abs. 2 AGG iVm. § 134 BGB unwirksam. Zur Beseitigung dieser Diskriminierung ist eine Anpassung auf 30 Urlaubstage erforderlich.

12

2. Zutreffend haben die Vorinstanzen die Regelung in § 26 Abs. 1 TVöD am AGG gemessen. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG gelten die Diskriminierungsverbote der §§ 1, 7 AGG auch für die in kollektivrechtlichen Vereinbarungen geregelten Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen. Unter solchen Bedingungen sind alle Umstände zu verstehen, aufgrund derer und unter denen die Arbeitsleistung zu erbringen ist (vgl. BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 54, BAGE 132, 210). Zu den Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen gehört damit auch der Urlaub. Der Umstand, dass die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b TVöD bereits am 1. Januar 2006 und somit schon vor dem AGG vom 14. August 2006 in Kraft getreten ist, steht dem nicht entgegen. Die für die Jahre 2008 und 2009 geltend gemachte Benachteiligung durch § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD ist erst nach Inkrafttreten des AGG am 18. August 2006 eingetreten. Da § 33 Abs. 1 AGG insoweit keine Übergangsregelung enthält, findet dieses Gesetz auch dann Anwendung, wenn die Benachteiligung auf einem vor Inkrafttreten des AGG abgeschlossenen Tarifvertrag beruht. Es kommt allein auf den Zeitpunkt der Benachteiligungshandlung an (BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 33, BAGE 129, 72).

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3. Die Urlaubsstaffelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD enthält eine auf dem Merkmal des Alters beruhende Ungleichbehandlung der Beschäftigten, die das 30. bzw. das 40. Lebensjahr nicht vollendet haben. Das ist eine unmittelbare Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer wegen des Alters iSv. § 3 Abs. 1 AGG.

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a) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Beim Alter handelt es sich um einen in § 1 AGG genannten Grund, wobei unter Alter das Lebensalter zu verstehen ist. Dies folgt aus dem gesetzlichen Wortlaut und auch aus der Gesetzesbegründung ( BT-Drucks. 16/1780 S. 31; BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 49, BAGE 132, 210; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07  - Rn. 36, BAGE 129, 181). Der für eine unmittelbare Benachteiligung erforderliche Kausalzusammenhang ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere in § 1 AGG genannte Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 32; BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 50, aaO).

15

b) Diese Voraussetzung ist erfüllt. § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD sieht für Beschäftigte bei einer Fünftagewoche in jedem Kalenderjahr einen Urlaubsanspruch bis zum vollendeten 30. Lebensjahr in Höhe von 26 Arbeitstagen, bis zum vollendeten 40. Lebensjahr in Höhe von 29 Arbeitstagen und erst nach dem vollendeten 40. Lebensjahr in Höhe von 30 Arbeitstagen vor. Die Höhe des Urlaubsanspruchs nach § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD knüpft damit in allen Stufen unmittelbar an das Lebensalter der Beschäftigten an. Danach haben Beschäftigte wie die Klägerin, die zwar das 30. Lebensjahr, aber noch nicht das 40. Lebensjahr vollendet haben, in jedem Jahr nur Anspruch auf 29 statt auf 30 Urlaubstage. Sie werden ebenso wie die unter 30-Jährigen im Vergleich zu den Beschäftigten, die das 40. Lebensjahr vollendet haben, hinsichtlich der Höhe des Urlaubsanspruchs wegen ihres geringeren Alters ungünstiger behandelt.

16

4. Diese Ungleichbehandlung ist nicht gerechtfertigt.

17

a) Bei ihr handelt es sich nicht um eine nach § 8 AGG zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen. Die Urlaubsstaffel des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD knüpft nicht an die Art der auszuübenden Tätigkeit oder die Bedingungen ihrer Ausübung an. Sie stellt nicht auf die Art der auszuübenden Tätigkeit ab und beansprucht damit Geltung für alle dem TVöD unterfallenden Beschäftigten.

18

b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Ungleichbehandlung auch nicht nach § 10 AGG sachlich gerechtfertigt(so ebenfalls die herrschende Meinung in der Literatur, vgl. Linck/Schütz FS Leinemann, S. 181 f.; Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV Stand Januar 2012 E § 26 TVöD Rn. 22; AGG/Voigt 3. Aufl. § 10 Rn. 33; Meinel/Heyn/Herms AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 42b; Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 105; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdtle ZTR 2006, 622, 623 mwN; Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 478; vgl. ferner bereits zu § 48 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). § 10 Satz 1 AGG lässt eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters ungeachtet der Regelung des § 8 AGG zu, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Zudem müssen die Mittel zur Erreichung dieses Ziels nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist die an das Lebensalter anknüpfende Differenzierung in § 26 Abs. 1 TVöD nicht sachlich gerechtfertigt, weil sie einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung trägt und deren Gesundheit schützen will. Dabei kann dahinstehen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen das Ziel des Gesundheitsschutzes eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen würde. Die Tarifvorschrift verfolgt dieses Ziel schon nicht.

19

aa) Die Tarifvertragsparteien haben das mit der in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD geregelten Urlaubsstaffelung verfolgte Ziel nicht ausdrücklich genannt. Nennt eine Regelung oder Maßnahme kein Ziel, müssen zumindest aus dem Kontext abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter der Regelung oder der Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, um die Legitimität des Ziels sowie die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüfen zu können. Dabei können nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die sozialpolitischen Ziele als legitim angesehen werden, die im allgemeinen Interesse stehen. Derjenige, der eine Ungleichbehandlung vornimmt, muss den nationalen Gerichten in geeigneter Weise die Möglichkeit zur Prüfung einräumen, ob mit der Ungleichbehandlung ein Ziel angestrebt wird, das die Ungleichbehandlung unter Beachtung der Ziele der Richtlinie 2000/78/EG rechtfertigt (vgl. EuGH 5. März 2009 - C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 45 ff., Slg. 2009, I-1569; BAG 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08  - Rn. 36 ff., BAGE 131, 61). Denn das nationale Gericht hat zu prüfen, ob die Regelung oder Maßnahme ein rechtmäßiges Ziel iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgt. Gleiches gilt für die Frage, ob die Tarifvertragsparteien als Normgeber angesichts des vorhandenen Wertungsspielraums davon ausgehen durften, dass die gewählten Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich waren (vgl. EuGH 5. März 2009 -  C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 49 ff., aaO; vgl. auch BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 57, BAGE 132, 210).

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bb) Die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD dient nicht dem Schutz älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. Diese gesetzliche Regelung konkretisiert das legitime Ziel, nämlich ua. die Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter, wobei dieser Schutz auch die Festlegung besonderer Arbeitsbedingungen einschließen kann. Aus einer tariflichen Urlaubsstaffelung, die - wie die in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD - den Beschäftigten bereits nach Vollendung des 30. Lebensjahres drei weitere Urlaubstage und dann nach Vollendung des 40. Lebensjahres letztmals einen zusätzlichen Urlaubstag gewährt, lässt sich nicht ableiten, dass die Tarifvertragsparteien einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollten und das Ziel verfolgten, den Schutz älterer Beschäftigter iSd. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG sicherzustellen. Wenn sich auch eine genaue Schwelle für die Zuordnung zu den älteren Arbeitnehmern weder dieser Regelung selbst noch Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG entnehmen lässt, so ist diese freilich an der Zielsetzung (vgl. zu dieser Däubler/Bertzbach/Brors 2. Aufl. § 10 Rn. 42) auszurichten. Einen arbeitsmarktpolitischen Zweck verfolgt zB § 417 Abs. 1 SGB III, wonach Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die das 50. Lebensjahr vollendet haben und ihre Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung beenden oder vermeiden, unter den in der Vorschrift genannten Voraussetzungen Anspruch auf Leistungen der Entgeltsicherung haben. Diese Regelung der Entgeltsicherung bezweckt, die Arbeitslosigkeit älterer Arbeitnehmer abzubauen und ihren Anteil an der erwerbstätigen Bevölkerung zu erhöhen (vgl. BT-Drucks. 17/1945 S. 17). Im Vergleich zu der in § 417 Abs. 1 SGB III genannten Altersgruppe setzt sich die durch die Urlaubsstaffel in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD begünstigte Beschäftigtengruppe, der ein Urlaubsanspruch von jährlich 30 Arbeitstagen eingeräumt wird, nicht ausnahmslos aus älteren Beschäftigten zusammen. Vielmehr gehören ihr alle Beschäftigten ab Vollendung des 40. Lebensjahres an. Der Senat hat bereits entschieden, dass ein Arbeitnehmer jedenfalls ab Vollendung des 31. Lebensjahres offensichtlich kein älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG ist(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 55, BAGE 132, 210).

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cc) Ein legitimes Ziel iSd. § 10 AGG ergibt sich entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts auch nicht aus § 10 Satz 3 Nr. 2 AGG. Danach kann eine zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile einschließen. Diese Regelung bestimmt selbst kein legitimes Ziel, sondern beschreibt nur ein mögliches Mittel, mit der ein auf andere Weise zu legitimierendes Ziel gerechtfertigt werden kann (vgl. ErfK/Schlachter 12. Aufl. § 10 AGG Rn. 6), sofern es erforderlich und angemessen iSd. § 10 Satz 2 AGG ist.

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dd) Die Tarifvertragsparteien verfolgen entgegen der Auffassung des Beklagten nicht das Ziel des Gesundheitsschutzes älterer Arbeitnehmer.

23

(1) Das mit der Urlaubsstaffelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD verfolgte Ziel lässt sich nicht mit ausreichender Deutlichkeit aus dem Wortlaut des § 26 TVöD entnehmen. § 26 TVöD normiert ausweislich seiner Überschrift den Erholungsurlaub. Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 TVöD haben Beschäftigte in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts. § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD legt die Dauer dieses Erholungsurlaubs fest. Der Begriff des Erholungsurlaubs wird dabei nicht näher definiert und ist dem BUrlG entlehnt, auf das § 26 Abs. 2 TVöD im Übrigen verweist. Der Erholungsurlaub nach dem BUrlG soll nach der Gesetzesbegründung dem sozialpolitischen Anliegen der Erhaltung und Wiederauffrischung der Arbeitskraft der Arbeitnehmer dienen (vgl. den schriftlichen Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit, BT-Drucks. IV/785; Begründung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Bundesurlaubsgesetzes, BT-Drucks. IV/207). Durch den Erholungsurlaub wird dem Arbeitnehmer die Möglichkeit gesichert, für eine bestimmte Dauer im Jahr, die ihm eingeräumte Freizeit zur selbstbestimmten Erholung zu nutzen (st. Rspr., vgl. BAG 20. Juni 2000 - 9 AZR 405/99 - zu II 2 b bb 1 der Gründe, BAGE 95, 104; 8. März 1984 - 6 AZR 600/82 - zu II 5 b der Gründe, BAGE 45, 184; ebenso st. Rspr. des EuGH zum Jahresurlaub nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG , EuGH 22. No-vember 2011 - C-214/10 - [KHS] Rn. 31, AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 6 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 7; 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06  - [Schultz-Hoff] Rn. 25, Slg. 2009, I-179). Wenn eine Tarifregelung die Urlaubsdauer nach dem Lebensalter staffelt, liegt die Annahme nahe, die Tarifvertragsparteien hätten einem mit zunehmendem Alter gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollen. Die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD rechtfertigt eine solche Annahme freilich nicht, sondern schließt sie aus.

24

(2) Das folgt bereits aus dem Inhalt der Regelung. Die Tarifvorschrift räumt den Beschäftigten schon ab dem 30. Lebensjahr drei weitere Urlaubstage ein. Dafür, dass die Tarifvertragsparteien von einem so deutlich gesteigertem Erholungsbedürfnis bereits nach der Vollendung des 30. Lebensjahres ausgegangen sind, fehlt jeder Anhaltspunkt. Gegen eine solche Annahme spricht auch, dass die Tarifvertragsparteien den Beschäftigten nach der Vollendung des 40. Lebensjahres letztmals nur einen weiteren Urlaubstag gewährt und davon abgesehen haben, ein gesteigertes Erholungsbedürfnis des Beschäftigten in der Zeit bis zum Erreichen des gesetzlich festgelegten Alters für den Bezug der Regelaltersrente (§ 33 Abs. 1 Buchst. a TVöD) zu berücksichtigen. Hätten die Tarifvertragsparteien ein gesteigertes Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter vor Augen gehabt, hätten sie nicht einem 30-Jährigen einen gegenüber einem 29-jährigen Beschäftigten um drei Tage längeren Urlaub gewährt, nach der Vollendung des 40. Lebensjahres des Beschäftigten eine wesentlich geringere Steigerung des Erholungsbedürfnisses angenommen und für die Zeit danach bis zum Erreichen des gesetzlich festgelegten Alters für den Bezug der Regelaltersrente ein zunehmendes Erholungsbedürfnis des Beschäftigten überhaupt nicht mehr berücksichtigt (vgl. Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 478). Auch das Schrifttum nimmt ganz überwiegend an, dass eine tarifliche Urlaubsstaffelung nicht schon auf die Vollendung des 30. bzw. des 40. Lebensjahres abstellen darf, wenn sie einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen will (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22; Tempelmann/Stenslik DStR 2011, 1183, 1186; Richter Benachteiligung wegen des Alters im Erwerbsleben S. 170; Meinel/Heyn/Herms § 10 Rn. 42b; AGG/Voigt § 10 Rn. 33; Hey AGG § 10 Rn. 28; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdle ZTR 2006, 622, 623; Linck/Schütz FS Leinemann S. 181 f.; Senne Auswirkungen des europäischen Verbots der Altersdiskriminierung auf das deutsche Arbeitsrecht S. 269; Bertelsmann ZESAR 2005, 242, 246). Selbst wenn die Erholungsbedürftigkeit von Arbeitnehmern mit zunehmendem Lebensalter steigen sollte (zweifelnd Däubler/Bertzbach/Brors § 10 Rn. 50; aA Waltermann NZA 2005, 1265, 1269), hätte es mit dem Schutz älterer Arbeitnehmer nichts zu tun, bereits mit dem 30. Lebensjahr eine erste Verlängerung des Urlaubsanspruchs um drei Tage und die zweite und zugleich letzte Verlängerung um einen weiteren Urlaubstag bereits mit Vollendung des 40. Lebensjahres vorzusehen (so auch Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22; Adomeit/Mohr § 10 Rn. 105; so bereits zu § 48 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). Es fehlt in beiden Stufen an dem erkennbaren Schutz Älterer. Die Verlängerung des Urlaubsanspruchs bereits mit dem vollendeten 30. Lebensjahr lässt sich kaum mit der Erhaltung der Leistungsfähigkeit Älterer begründen. Auch mit der Vollendung des 40. Lebensjahres hat ein Beschäftigter regelmäßig allenfalls die Mitte seines Erwerbsalters erreicht (vgl. auch Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). Hätten die Tarifvertragsparteien gemäß der Ansicht des Beklagten ein gesteigertes Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter berücksichtigen wollen, hätten sich die gewählten Altersgrenzen nicht an dem mit dem Alter zunehmenden Erholungsbedürfnis orientiert und wären willkürlich.

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(3) Gerade dieser Umstand bestätigt, dass die Tarifvertragsparteien mit der Regelung in § 26 TVöD weder den Schutz der Gesundheit bezweckten noch einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollten. Hätten sie diese Ziele verfolgt, hätte es nahe gelegen, gerade für die älteren Beschäftigten, zB die Gruppe der über 50- oder über 60-jährigen Beschäftigten, die Dauer des Erholungsurlaubs zu verlängern. Bei dieser Personengruppe ist ein altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis eher nachvollziehbar. Ein solches Schutzbedürfnis für die über 50-Jährigen haben die Tarifvertragsparteien aber nur hinsichtlich der Beschränkung der Höchstdauer des Gesamturlaubs bei besonders belastenden Arbeiten (Schicht- und Wechselschicht) gesehen. Das folgt aus § 27 Abs. 4 Satz 4 TVöD. Danach erhöht sich ab diesem Lebensalter die maximal erreichbare Gesamturlaubsdauer von jährlich 35 auf 36 Arbeitstage.

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(4) Die Tarifgeschichte bestätigt, dass die Tarifvertragsparteien mit der Urlaubsstaffel nicht einem mit dem Lebensalter steigenden Erholungsbedürfnis Rechnung tragen wollten. Bereits seit dem Inkrafttreten des BAT wurde die Urlaubsdauer an das Lebensalter geknüpft (§ 48 Abs. 1 BAT). Sie steigerte sich auch nach dem vollendeten 30. Lebensjahr und nach dem vollendeten 40. Lebensjahr. Innerhalb der Lebensaltersstufen verlängerte sich die Urlaubsdauer teilweise nach Vergütungsgruppen. Je höher der Angestellte eingruppiert war, je länger war sein Urlaubsanspruch. Dies zeigt, dass nicht der Erholungszweck maßgebend für die Urlaubsdauer sein sollte. Der Urlaub wurde vielmehr als Quasi-Gegenleistung für die Arbeitsleistung geregelt. Nur so lässt sich die normierte Abhängigkeit der Urlaubsdauer von der Vergütungsgruppe erklären. Es kann deshalb nicht angenommen werden, die Tarifvertragsparteien hätten bei Angestellten in höheren Vergütungsgruppen ein gesteigertes Erholungsbedürfnis ausgleichen wollen. Die Differenzierung resultiert vielmehr aus der überkommenen Auffassung, der Urlaub werde „verdient“.

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5. Die Diskriminierung der Klägerin kann nur durch die Verpflichtung des Beklagten beseitigt werden, der Klägerin für die Jahre 2008 und 2009 jeweils einen Ersatzurlaubstag zu gewähren. Zwar folgt aus § 7 Abs. 2 AGG nur, dass die diskriminierende Regelung unwirksam ist. Auch wird vom Senat nicht verkannt, dass es sich bei § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD um ein Stufensystem handelt, sodass grundsätzlich keine Stufe als die von den Tarifvertragsparteien als „übliche“ Urlaubsdauer gewollte angesehen werden kann. Jedoch kann die Beseitigung der Diskriminierung vorliegend nur durch eine Anpassung „nach oben“ erfolgen.

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a) Grundsätzlich ist es Aufgabe der Tarifvertragsparteien, eine benachteiligungsfreie Regelung zu treffen, wofür ihnen verschiedene Möglichkeiten zu Verfügung stehen. Doch scheidet eine Aussetzung des Rechtsstreits unter Fristsetzung zur Lückenschließung durch die Tarifvertragsparteien selbst von vornherein aus (aM Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 23). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind für den Fall, dass gesetzliche oder tarifvertragliche Regelungen eine mit der Richtlinie unvereinbare Diskriminierung vorsehen, die nationalen Gerichte gehalten, die Diskriminierung auf jede denkbare Weise und insbesondere dadurch auszuschließen, dass sie die Regelung für die nicht benachteiligte Gruppe auch auf die benachteiligte Gruppe anwenden, ohne die Beseitigung der Diskriminierung durch den Gesetzgeber, die Tarifvertragsparteien oder in anderer Weise abzuwarten (vgl. so bereits zur Richtlinie 76/207/EWG: EuGH 20. März 2003 - C-187/00 - [Kutz-Bauer] Rn. 75, Slg. 2003, I-2741). Auch nach Art. 9 Abs. 3 GG in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wäre eine Aussetzung grundsätzlich allenfalls zur Beseitigung einer Diskriminierung für die Zukunft geboten(vgl. BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 28, NZA 2012, 161). Vorliegend geht es jedoch um die Beseitigung einer Diskriminierung in der Vergangenheit.

29

b) Die Benachteiligung der Klägerin kann nicht auf andere Weise für die Jahre 2008 und 2009 ausgeschlossen werden. Ein Rückgriff auf den noch unterhalb der Eingangstufe des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD liegenden gesetzlichen Mindesturlaub gemäß den §§ 1, 3 BUrlG in Höhe von 20 Arbeitstagen bei einer Fünftagewoche ist hierzu nicht geeignet(aM Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 483; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand Februar 2012, § 26 Rn. 163.5). Der von den §§ 1, 7 AGG bzw. Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgte Zweck, Benachteiligungen zu verhindern oder zu beseitigen, würde nicht erreicht. Da diskriminierende Maßnahmen oder Vereinbarungen nicht hingenommen und ihre Fortwirkung nicht akzeptiert werden darf (vgl. ErfK/Schlachter § 7 AGG Rn. 5), ist auch nicht auf die Eingangsstufe des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD mit 26 Urlaubstagen abzustellen. Hätte die Klägerin nur Anspruch auf die erste Stufe der Urlaubsstaffel, fehlte es an einer Sanktion, die einen tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutz gewährt und abschreckende Wirkung hat (vgl. zu diesem Aspekt: BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 18 ff., NZA 2012, 161).

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c) Hingegen ist eine Anpassung „nach oben“ zur Beseitigung einer Altersdiskriminierung im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gerechtfertigt, wenn auf andere Weise die Diskriminierung nicht behoben werden kann, weil der Arbeitgeber den Begünstigten für die Vergangenheit die Leistung nicht mehr entziehen kann (vgl. ausführlich: BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 20 ff., NZA 2012, 161). Dies ist vorliegend der Fall. Der den begünstigten Beschäftigten in den Jahren 2008 und 2009 gewährte Urlaub von jährlich 30 Arbeitstagen kann nicht rückwirkend auf 29 oder 26 Arbeitstage begrenzt werden. Die als Urlaub bereits gewährte Freizeit ist nicht kondizierbar.

31

d) Schließlich steht der Anpassung „nach oben“ auch nicht § 15 Abs. 3 AGG entgegen. Danach ist der Arbeitgeber bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fährlässig handelt. Diese Bestimmung bezieht sich allein auf die immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG(vgl. BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 38, NZA 2012, 161; ErfK/Schlachter § 15 AGG Rn. 13) und verhält sich nicht zur Beseitigung einer Diskriminierung durch eine den Diskriminierungsverboten genügende Regelung.

32

e) Der Beklagte kann auch keinen Vertrauensschutz in Anspruch nehmen. In den Jahren 2008 und 2009 galt bereits das am 18. August 2006 in Kraft getretene AGG. Dieses nimmt Dauerschuldverhältnisse und damit auch Arbeitsverhältnisse ebenso wenig wie Tarifverträge aus, die vor dem Inkrafttreten des AGG bereits abgeschlossen waren. Übergangsvorschriften oder Vertrauensschutzregelungen sind insoweit in § 33 AGG nicht vorgesehen. Gemäß § 1 AGG ist ua. Ziel dieses Gesetzes, Benachteiligungen aus Gründen des Alters nicht nur zu verhindern, sondern auch zu beseitigen. Die damit einhergehende unechte Rückwirkung ist zulässig. Der zeitliche Geltungsbereich wird je nach Lage der Verhältnisse im Einzelfall nur durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes beschränkt (vgl. so bereits zu § 81 Abs. 2 SGB IX aF: BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 38, BAGE 129, 72). Dies setzt jedoch in jedem Fall das Vorliegen eines schutzwürdigen Vertrauens voraus, das vorliegend nicht gegeben ist, selbst wenn man die Grundsätze zum Vertrauensschutz bei unechter Rückwirkung von Gesetzen anwendet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Grundsatz des Vertrauensschutzes nur dann verletzt, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (vgl. BVerfG 10. August 2006 - 2 BvR 563/05  - Rn. 14, BVerfGK 9, 28). Zum einen dient das AGG der Umsetzung von EU-Richtlinien zum Schutz vor Diskriminierung im Bereich Beschäftigung und Beruf und enthält insoweit insbesondere im Bereich der Altersdiskriminierung unionsrechtlich verankerte notwendige und bedeutende Regelungen. Zum anderen wäre ein Vertrauen in den Fortbestand der angewandten tarifvertraglichen Regelungen nicht schutzwürdig. Denn die Richtlinie 2000/78/EG wurde schon im Jahr 2000 erlassen und stellt in Art. 16 Buchst. b ausdrücklich klar, dass die Diskriminierungsverbote auch auf tarifvertragliche Bestimmungen Anwendung finden. Nach Art. 18 der Richtlinie 2000/78/EG war diese zudem spätestens zum 2. Dezember 2006 in nationales Recht umzusetzen. Der Beklagte musste ebenso wie die Tarifvertragsparteien damit rechnen, dass tarifvertragliche Regelungen auch am Verbot der Altersdiskriminierung gemessen werden. Deshalb konnte der Beklagte nicht darauf vertrauen, dass auch nach Inkrafttreten des AGG die Urlaubsstaffelregelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD zulässig war, zumal in der Gesetzesbegründung zum AGG die Anknüpfung an das bloße Lebensalter als Mindestgrenze für mit der Beschäftigung verbundener Vorteile nicht unkritisch gesehen wurde(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 36) und im Schrifttum nicht nur vereinzelt die Unwirksamkeit des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD wegen Verstoßes gegen das Verbot der Altersdiskriminierung angenommen wurde (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22 mwN; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdtle ZTR 2006, 622, 623 mwN; so bereits zu § 48 Abs. 1 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156).

33

6. Die Klägerin hat Anspruch auf Ersatzurlaub gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB. Die Resturlaubsansprüche für die Jahre 2008 und 2009 waren mangels Vorliegens eines Übertragungsgrundes nach § 26 Abs. 1 Satz 6 TVöD iVm. § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG zum 31. Dezember des jeweiligen Jahres verfallen. Diesen Untergang hat der Beklagte zu vertreten, weil er sich mit der Gewährung des Urlaubs in Verzug befand.

34

a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus Verzug gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB liegen vor. Die Klägerin hatte in den Jahren 2008 und 2009 Anspruch auf jeweils 30 Urlaubstage. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wandelt sich der Urlaubsanspruch in einen Schadensersatzanspruch um, der auf Gewährung von Ersatzurlaub als Naturalrestitution gerichtet ist, wenn der Arbeitgeber den rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt und der Urlaub aufgrund seiner Befristung verfällt ( BAG 11. April 2006 - 9 AZR 523/05  - Rn. 24, AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116).

35

b) Die Klägerin machte mit Schreiben vom 5. November 2008 unter der Überschrift „Geltendmachung von Urlaubsansprüchen“ Urlaub in Höhe von 30 Tagen nach dem TVöD geltend und bat zudem, den Urlaubsanspruch auch für die Zukunft entsprechend anzupassen. Dahingestellt bleiben kann, ob dies schon ein konkretes Verlangen beinhaltet hat, den Urlaub in den Jahren 2008 und 2009 zu gewähren. Nach der Rechtsprechung des Senats ist hierfür zumindest erforderlich, dass der Arbeitgeber nach den Grundsätzen des § 133 BGB davon ausgehen muss, der Arbeitnehmer wünsche ab einem bestimmten Zeitpunkt Erholungsurlaub(vgl. BAG 17. November 2009 - 9 AZR 745/08 - Rn. 45; 11. April 2006 -  9 AZR 523/05  - Rn. 28, AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116). Maßgebend ist, dass der Beklagte mit Schreiben vom 28. November 2008 erklärt hat, er lehne den Antrag auf Verlängerung des Urlaubs „auf 30 Tage vor Erreichen des 41. Lebensjahres“ ab, weil der Klägerin nach dem für ihn verbindlichen § 26 Abs. 1 TVöD derzeit nur 29 Urlaubstage zustünden. Aus objektiver Empfängersicht lag darin eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung des Beklagten als Schuldner des Urlaubsanspruchs, die gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine Mahnung der Klägerin entbehrlich machte(vgl. BAG 31. Januar 1991 - 8 AZR 462/89  - zu II der Gründe). Denn der Beklagte gab mit diesem Schreiben vor Ablauf des Urlaubsjahres 2008 klar zu erkennen, dass er nicht bereit sei, im laufenden Jahr mehr als 29 Tage Urlaub zu gewähren. Hinsichtlich des weiteren Urlaubstags für das Jahr 2009 folgt der Verzug des Beklagten zudem daraus, dass er jedenfalls mit dem Antrag auf Klageabweisung vom 24. April 2009 und somit vor Ablauf des Urlaubsjahres 2009 zu erkennen gegeben hat, den weiteren Urlaubstag auch im Jahr 2009 nicht gewähren zu wollen. Darin lag ebenso seine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung als Schuldner des Urlaubsanspruchs, die gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine Mahnung der Klägerin ebenfalls entbehrlich machte(vgl. BAG 17. Mai 2011 - 9 AZR 197/10 - Rn. 14, EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 138; 31. Januar 1991 - 8 AZR 462/89  - zu II der Gründe).

36

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

        

        

    Preuß    

        

    Neumann-Redlin    

        

        

Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein. Derartige unterschiedliche Behandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:

1.
die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlohnung und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Beschäftigten und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen,
2.
die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile,
3.
die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung auf Grund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder auf Grund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand,
4.
die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen,
5.
eine Vereinbarung, die die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der oder die Beschäftigte eine Rente wegen Alters beantragen kann; § 41 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch bleibt unberührt,
6.
Differenzierungen von Leistungen in Sozialplänen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes, wenn die Parteien eine nach Alter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung geschaffen haben, in der die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigt worden sind, oder Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplans ausgeschlossen haben, die wirtschaftlich abgesichert sind, weil sie, gegebenenfalls nach Bezug von Arbeitslosengeld, rentenberechtigt sind.

(1) § 305 Absatz 2 und 3, § 308 Nummer 1, 2 bis 9 und § 309 finden keine Anwendung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen verwendet werden. § 307 Abs. 1 und 2 findet in den Fällen des Satzes 1 auch insoweit Anwendung, als dies zur Unwirksamkeit von in § 308 Nummer 1, 2 bis 9 und § 309 genannten Vertragsbestimmungen führt; auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche ist angemessen Rücksicht zu nehmen. In den Fällen des Satzes 1 finden § 307 Absatz 1 und 2 sowie § 308 Nummer 1a und 1b auf Verträge, in die die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) in der jeweils zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung ohne inhaltliche Abweichungen insgesamt einbezogen ist, in Bezug auf eine Inhaltskontrolle einzelner Bestimmungen keine Anwendung.

(2) Die §§ 308 und 309 finden keine Anwendung auf Verträge der Elektrizitäts-, Gas-, Fernwärme- und Wasserversorgungsunternehmen über die Versorgung von Sonderabnehmern mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser aus dem Versorgungsnetz, soweit die Versorgungsbedingungen nicht zum Nachteil der Abnehmer von Verordnungen über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser abweichen. Satz 1 gilt entsprechend für Verträge über die Entsorgung von Abwasser.

(3) Bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (Verbraucherverträge) finden die Vorschriften dieses Abschnitts mit folgenden Maßgaben Anwendung:

1.
Allgemeine Geschäftsbedingungen gelten als vom Unternehmer gestellt, es sei denn, dass sie durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt wurden;
2.
§ 305c Abs. 2 und die §§ 306 und 307 bis 309 dieses Gesetzes sowie Artikel 46b des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche finden auf vorformulierte Vertragsbedingungen auch dann Anwendung, wenn diese nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und soweit der Verbraucher auf Grund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte;
3.
bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 und 2 sind auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen.

(4) Dieser Abschnitt findet keine Anwendung bei Verträgen auf dem Gebiet des Erb-, Familien- und Gesellschaftsrechts sowie auf Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen. Bei der Anwendung auf Arbeitsverträge sind die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen; § 305 Abs. 2 und 3 ist nicht anzuwenden. Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen stehen Rechtsvorschriften im Sinne von § 307 Abs. 3 gleich.

(1) Sind Allgemeine Geschäftsbedingungen ganz oder teilweise nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam, so bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam.

(2) Soweit die Bestimmungen nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam sind, richtet sich der Inhalt des Vertrags nach den gesetzlichen Vorschriften.

(3) Der Vertrag ist unwirksam, wenn das Festhalten an ihm auch unter Berücksichtigung der nach Absatz 2 vorgesehenen Änderung eine unzumutbare Härte für eine Vertragspartei darstellen würde.

Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein. Derartige unterschiedliche Behandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:

1.
die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlohnung und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Beschäftigten und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen,
2.
die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile,
3.
die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung auf Grund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder auf Grund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand,
4.
die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen,
5.
eine Vereinbarung, die die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der oder die Beschäftigte eine Rente wegen Alters beantragen kann; § 41 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch bleibt unberührt,
6.
Differenzierungen von Leistungen in Sozialplänen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes, wenn die Parteien eine nach Alter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung geschaffen haben, in der die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigt worden sind, oder Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplans ausgeschlossen haben, die wirtschaftlich abgesichert sind, weil sie, gegebenenfalls nach Bezug von Arbeitslosengeld, rentenberechtigt sind.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 7. September 2012 - 6 Sa 709/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe des jährlichen Urlaubsanspruchs.

2

Die Beklagte stellt Schuhe her. Die am 10. April 1960 geborene Klägerin ist bei ihr seit dem 1. Juli 1994 als Produktionsmitarbeiterin beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 13. November 2000 ist ua. vereinbart, dass der jährliche Urlaubsanspruch 34 Arbeitstage beträgt. Die Beklagte gewährt allen Arbeitnehmern, die das 58. Lebensjahr vollendet haben, 36 Arbeitstage Jahresurlaub, ohne dass individuelle Vereinbarungen über einen höheren Jahresurlaub vorliegen. Die übrigen Beschäftigten erhalten jährlich 34 Urlaubstage.

3

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Urlaubsregelung sei altersdiskriminierend. Die Behauptung, ältere Mitarbeiter benötigten im Produktionsbetrieb längere Erholungsphasen, sei durch die darlegungsbelastete Beklagte nicht dargetan. Das Bundesurlaubsgesetz stelle bezüglich der Dauer des Urlaubs weder auf die physische Belastung noch auf das Alter der Arbeitnehmer ab. Die Beklagte habe keinen Grund genannt, warum ein gesteigertes Erholungsbedürfnis ausgerechnet mit 58 Jahren eintrete. Zudem könne mit lediglich zwei zusätzlichen Urlaubstagen ein etwaiger höherer Erholungsbedarf nicht ausgeglichen werden. Bei einem stetig steigenden Erholungsbedarf müsste jedenfalls auch die Urlaubsdauer gestaffelt werden. Bei anderen Arbeitnehmergruppen sei ein erhöhter Erholungsbedarf nachvollziehbar. Diese würden jedoch nicht begünstigt. So seien jüngere Arbeitnehmer durch Familie und Beruf oftmals stärker beansprucht als ältere. Die Beklagte habe ihr zur Beseitigung der Diskriminierung jährlich zwei weitere Urlaubstage zu gewähren.

4

Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr 36 Arbeitstage Erholungsurlaub zu gewähren.

5

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, ihre Urlaubsregelung beinhalte keine Diskriminierung. Nach der Lebenserfahrung benötigten ältere Arbeitnehmer, die körperlich ermüdende und schwere Arbeiten verrichten, längere Erholungszeiten als jüngere. Zwei zusätzliche Urlaubstage seien angemessen.

6

Das Arbeitsgericht hat die Klage - soweit für die Revision von Bedeutung - abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Feststellungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, der Klägerin auch schon vor der Vollendung der 58. Lebensjahres insgesamt 36 Arbeitstage Erholungsurlaub pro Jahr zu gewähren.

8

I. Die Klage ist in der gebotenen Auslegung zulässig, insbesondere besteht das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.

9

1. Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer den Umfang des ihm zustehenden Urlaubs gerichtlich festgestellt wissen will, nicht entgegen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 9, BAGE 141, 73; 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - Rn. 13 ff., BAGE 137, 328).

10

2. Die am 10. April 1960 geborene Klägerin hat ein rechtlich anerkennenswertes Interesse daran, alsbald zu erfahren, ob ihr bereits vor der Vollendung ihres 58. Lebensjahres zwei weitere Urlaubstage pro Jahr zustehen. Ihr Antrag bezieht sich dem Wortlaut nach zwar auf den gesamten Jahresurlaub. Er kann jedoch so ausgelegt werden, dass er sich nur auf zwei weitere Urlaubstage im Kalenderjahr bezieht. Zwischen den Parteien besteht kein Streit, dass der Klägerin die vertraglich vereinbarten 34 Urlaubstage pro Jahr zustehen. Die Klägerin hat im Laufe des Verfahrens deutlich gemacht, dass der Antrag auf die Feststellung des Bestehens zweier zusätzlicher Urlaubstage gerichtet ist. Darüber hinaus hat das Landesarbeitsgericht den Klageantrag zutreffend so verstanden, dass er vergangene Urlaubsjahre nicht erfasst. Es handelt sich um einen gegenwartsbezogenen Feststellungsantrag, für dessen Entscheidung grundsätzlich auf die Sachlage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht abzustellen ist (vgl. BAG 15. Mai 2013 - 7 AZR 494/11 - Rn. 15 ff.).

11

II. Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen vor Vollendung ihres 58. Lebensjahres nicht gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 iVm. § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG zwei weitere Urlaubstage zu. Die Urlaubsregelung ist nicht gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam und führt somit bezüglich der Dauer des Urlaubs der Klägerin nicht zu einer „Anpassung nach oben“(siehe dazu BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 27 ff., BAGE 141, 73; vgl. aber auch BAG 14. Mai 2013 - 1 AZR 44/12 - Rn. 25, BAGE 145, 113).

12

1. Es liegt zwar eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor. Diese ist jedoch gemäß § 10 Satz 1, 2 und Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt.

13

a) Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Unter Alter iSd. § 1 AGG ist das Lebensalter zu verstehen. Dies folgt aus dem Wortlaut des Gesetzes und aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/1780 S. 31; BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 14, BAGE 141, 73; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 36, BAGE 129, 181). Eine unmittelbare Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 1 AGG gegeben, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Der für eine unmittelbare Benachteiligung erforderliche Kausalzusammenhang ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere in § 1 AGG genannte Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - aaO mwN).

14

b) Daran gemessen liegt eine unmittelbare Ungleichbehandlung wegen des Alters vor. Die Urlaubsregelung knüpft die Gewährung von zwei weiteren Urlaubstagen an die Vollendung des 58. Lebensjahres und damit unmittelbar an das Lebensalter der Beschäftigten. Arbeitnehmer, die diese Altersgrenze nicht erreicht haben, werden wegen ihres Alters ungünstiger behandelt.

15

c) Die Ungleichbehandlung ist jedoch gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt. Die Regelung bezweckt bei Berücksichtigung eines Gestaltungs- und Ermessensspielraums der Beklagten den in dieser Bestimmung genannten Schutz älterer Beschäftigter und ist geeignet, erforderlich und angemessen im Sinne von § 10 Satz 2 AGG.

16

aa) Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG konkretisiert ua. das legitime Ziel der Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter, wobei dieser Schutz auch die Festlegung besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließen kann (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73).

17

bb) § 10 AGG dient der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16) in das nationale Recht (BAG 18. März 2014 - 3 AZR 69/12 - Rn. 21). Der Gesetzgeber hat bei der Umsetzung den Text der Richtlinie nahezu wörtlich in das nationale Recht übernommen. Dessen Regelungen sind unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszulegen (vgl. BAG 14. März 2012 - 7 AZR 480/08 - Rn. 30).

18

cc) Dem Arbeitgeber steht bei freiwilligen zusätzlichen Leistungen - wozu auch die Gewährung von übergesetzlichem Mehrurlaub gehört - ein von den Gerichten zu respektierender Gestaltungs- und Ermessensspielraum zu (vgl. zu Leistungen der betrieblichen Altersversorgung: BAG 12. November 2013 - 3 AZR 356/12 - Rn. 28; 12. Februar 2013 - 3 AZR 100/11 - Rn. 31 mwN, BAGE 144, 231). Auch in der Rechtsprechung des EuGH ist anerkannt, dass die Mitgliedstaaten und gegebenenfalls die Sozialpartner auf nationaler Ebene beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts nicht nur bei der Entscheidung, welches konkrete Ziel von mehreren im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik sie verfolgen wollen, sondern auch bei der Festlegung der Maßnahmen zu seiner Erreichung über einen weiten Gestaltungsspielraum verfügen (EuGH 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Rn. 68, Slg. 2007, I-8531). Diese Erwägungen gelten nach dem EuGH auch für Ziele, die der Arbeitgeber mit einer vertraglichen Regelung verfolgt (vgl. EuGH 26. September 2013 - C-476/11 - [HK Danmark] Rn. 61).

19

dd) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Benachteiligung der Arbeitnehmer der Beklagten, die das 58. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, gerechtfertigt.

20

(1) Die Beklagte gewährt den Arbeitnehmern in ihrem Produktionsbetrieb nach der Vollendung des 58. Lebensjahres aufgrund ihres gesteigerten Erholungsbedürfnisses zwei weitere Urlaubstage im Kalenderjahr und bezweckt damit die Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. Da dieser Schutz die Festlegung besonderer Arbeitsbedingungen einschließt (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73), unterfallen ihm auch zusätzliche Urlaubstage.

21

(a) Das AGG definiert in § 10 Satz 3 Nr. 1 - ebenso wie Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG - nicht, wann ein Beschäftigter „älter“ im Sinne der Norm ist (vgl. zum herkömmlichen Verständnis: BAG 18. September 2014 - 6 AZR 636/13 - Rn. 44). Nach dem Sinn und Zweck des Benachteiligungsverbots reicht es ohne das Vorliegen anderer Differenzierungsgründe nicht aus, dass das Alter der begünstigten Arbeitnehmer höher ist als das Alter der nicht begünstigten. Dementsprechend hat der Senat angenommen, ein Arbeitnehmer sei nach der Vollendung seines 31. Lebensjahres offensichtlich noch kein älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 55, BAGE 132, 210). Aus dem systematischen Zusammenhang mit § 10 Satz 1 AGG und aus dem Regelungszweck folgt, dass die begünstigten Arbeitnehmer aufgrund ihres Alters der Förderung bei der beruflichen Eingliederung oder des Schutzes bedürfen müssen.

22

(aa) Der Senat ist in seiner Entscheidung vom 20. März 2012 nicht davon ausgegangen, dass mit zunehmenden Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steige. Er hat allerdings ab einem bestimmten Alter - konkret: bei über 50- oder über 60-jährigen Beschäftigten - ein altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis für „eher nachvollziehbar“ gehalten (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 24 f., BAGE 141, 73).

23

(bb) Das Landesarbeitsgericht hat in Übereinstimmung mit der überwiegenden Auffassung im Schrifttum als Erfahrungssatz angenommen, dass mit zunehmenden Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steigt (so auch Tempelmann/Stenslik DStR 2011, 1183, 1185 f.; Lingemann/Gotham NZA 2007, 663, 666; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 143 f.; Waltermann NZA 2005, 1265, 1269; Over Das Verbot der Altersdiskriminierung im Arbeitsrecht nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz S. 231; Küttner/Kania Personalbuch 2014 Diskriminierung Rn. 90; vgl. auch Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 - zu II 2 b cc (3) (a) der Gründe mwN). Diese Ansicht ist allerdings nicht unumstritten. So wird auf die Individualität der Alterungsprozesse und den fehlenden Nachweis von Altersklassen mit spezifischem Erholungsbedarf hingewiesen (Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 1 Rn. 822). Die Aufstellung eines generellen Erfahrungssatzes soll dem traditionellen Bild vom „alten Arbeitnehmer“ entsprechen (Däubler/Bertzbach/Brors 3. Aufl. § 10 Rn. 43). Auch wird hervorgehoben, dass der Gesetzgeber in § 3 BUrlG bezüglich der Dauer des Urlaubs nicht nach dem Lebensalter der Arbeitnehmer unterscheide und demnach nicht von einem unterschiedlichen Erholungsbedürfnis ausgehe(Bertelsmann in Rust/Falke AGG § 10 Rn. 93). Auch auf europäischer Ebene sehe Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG vier Wochen Urlaub einheitlich für alle Berufsgruppen altersunabhängig vor(v. Roetteken AGG Stand September 2014 § 10 Rn. 262). Verlangt wird zumindest die Darlegung eines empirischen Befunds zum steigenden Erholungsbedarf unter Beachtung der Tätigkeit bevorzugter Arbeitnehmer (Däubler/Bertzbach/Brors aaO; aA Kasprzyk Altersdiskriminierung im deutschen Arbeitsrecht S. 185).

24

(b) Erfahrungssätze sind Hilfsmittel. Die Feststellung von allgemein anerkannten Erfahrungssätzen ist als Tatfrage den Tatsachengerichten vorbehalten. Dabei ist es diesen nicht verwehrt, das Bestehen oder Nichtbestehen eines Erfahrungssatzes zu beurteilen, wenn sie dazu über ausreichende Sachkunde und Lebenserfahrung verfügen. Andernfalls haben sie sich der Hilfe eines Sachverständigen zu bedienen. Die Zuziehung eines Sachverständigen zur Unterstützung des Gerichts ist gemäß § 144 Abs. 1 ZPO durch die Tatsachengerichte stets nach pflichtgemäßen Ermessen zu prüfen(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 65 mwN, BAGE 132, 210; vgl. allg. zu Erfahrungssätzen: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 73. Aufl. Einf. § 284 Rn. 22).

25

(c) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Landesarbeitsgericht von der Zuziehung eines Sachverständigen abgesehen hat. Dieses durfte aufgrund der von ihm festgestellten körperlich anstrengenden Tätigkeiten im Produktionsbetrieb der Beklagten auch ohne Sachverständigengutachten annehmen, dass das Erholungsbedürfnis der dort beschäftigten Arbeitnehmer mit zunehmenden Alter steigt. Ob es einen tätigkeitsunabhängigen generellen Zusammenhang zwischen dem Erholungsbedarf und dem Alter gibt (so etwa Kamanabrou aaO), kann dahinstehen.

26

(aa) Die Annahme eines Erfahrungssatzes dahin gehend, dass bei körperlich belastenden Berufen das Erholungsbedürfnis im höheren Alter steigt, begegnet keinen Bedenken. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die physische Belastbarkeit mit zunehmendem Alter abnimmt (etwa BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 67 mwN, BAGE 132, 210; Bayerischer VGH 24. Oktober 2011 - 3 ZB 08.721 - zu II 1 b der Gründe). Dieser Erfahrungssatz betrifft auch den Wirkungszusammenhang von erreichtem Lebensalter und Krankheitsanfälligkeit (Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 - zu II 2 b cc (3) (a) der Gründe mwN). Alle bekannten privaten und öffentlichen Systeme der Kranken-, Renten- und Lebensversicherung beruhen auf dieser Erwartung (BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 54, BAGE 128, 238). Entgegen der Ansicht der Klägerin kommen auch nicht lediglich Studien älteren Datums - wie etwa die ILO-Empfehlung Nr. 162 vom 23. Juni 1980 oder der WHO Technical Report Series 835 „Aging and Working Capacity” (dt. Übersetzung: „Altern und Arbeit“ 1994) - zu diesem Ergebnis. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden bestätigt zB durch den „Fortschrittsreport ‚Altersgerechte Arbeitswelt“, Ausgabe 3 des Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Stand September 2013). Nach diesem hat sich zwar die körperliche Konstitution besonders für die Altersgruppe der 45- bis 64-Jährigen verbessert (Ziff. 3.1). Dennoch zeigt die Studie weiterhin ein Ansteigen der Anzahl der krankheitsbedingten Fehltage sowie eine Verschlechterung des Gesundheitszustands mit fortschreitendem Lebensalter (Ziff. 4.2, Tabelle 2). Insbesondere bei belastenden Berufen nimmt die Anzahl krankheitsbedingter Fehltage im Alter überproportional zu und der Gesundheitszustand verschlechtert sich überproportional (vgl. Ziff. 4.2). Auch bei einfachen Dienstleistungen und einfachen manuellen Berufen verschlechtert sich der „selbstberichtete Gesundheitszustand in der Altersgruppe 55 bis 64 Jahre im Vergleich zum Durchschnitt“ immer noch deutlich (Ziff. 3.4). Zumindest hinsichtlich dieser Berufe erscheint die Annahme eines größeren Erholungsbedarfs im erhöhten Alter als nicht fehlerhaft (ebenso Reinhard ArbRB 2012, 342, 343). Auch Gegner eines allgemeinen Erfahrungssatzes gestehen zu, dass bei gesundheitlich besonders belastenden Tätigkeiten ein gesteigerter Erholungsbedarf mit zunehmendem Alter angenommen werden kann (v. Roetteken aaO; Däubler/Bertzbach/Brors aaO; Löwisch/Rieble § 1 Rn. 823).

27

Soweit das Landesarbeitsgericht auf die teilweise geforderte Darlegung spezifischer empirischer Untersuchungen bezogen auf die Tätigkeiten im Produktionsbetrieb der Beklagten verzichtet hat, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Durchführung derartiger Untersuchungen wäre praktisch aufwändig und schwierig (weiter gehend Kasprzyk aaO: „unmöglich“). Eine übersteigerte Darlegungslast würde die Einführung freiwilliger Leistungen unzumutbar erschweren. Die Feststellungen durch das Landesarbeitsgericht, dass die Beschäftigten der Beklagten bei der Schuhfertigung körperlich ermüdende und teils schwere Arbeiten leisten, verstärkt durch einen besonderen, prämienbezogenen Zeit- und Qualitätsdruck im Sinne eines Teamakkords, genügt danach als Tatsachenbasis für die Bejahung des dargestellten Erfahrungssatzes.

28

(bb) Der Hinweis auf die fehlende Altersstaffelung in § 3 BUrlG und Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG hilft der Klägerin für die Frage der Legitimität des Zwecks nicht weiter. Die Vorschriften regeln nur die Dauer des Mindesturlaubs und damit das unterste Maß dessen, was nach deutschem und europäischem Urlaubsrecht unabhängig von individuellen Besonderheiten zur Erholung erforderlich ist. Spezifische Charakteristika - wie das Alter oder der physische oder psychische Gesundheitszustand - bleiben bei der Setzung eines einheitlichen Minimalstandards naturgemäß außer Betracht. Auf nationaler Ebene kommt hinzu, dass der Gesetzgeber durchaus gesehen hat, dass es altersabhängig einen unterschiedlichen Erholungsbedarf geben kann, wie etwa § 57 Abs. 2 SeeArbG und § 19 Abs. 2 JArbSchG zeigen(siehe dazu v. Roetteken § 10 Rn. 263).

29

(d) Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Sicherstellung des Schutzes ihrer Arbeitnehmer nach Vollendung des 58. Lebensjahres als Zweck der zwei weiteren Urlaubstage vorgeschoben hat.

30

(aa) Allerdings ist dieser Zweck nicht unmittelbar der - nicht schriftlich fixierten - Regelung zu entnehmen. Nennt eine Regelung oder Maßnahme kein Ziel, müssen zumindest aus dem Kontext abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter der Regelung oder der Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, um die Legitimität des Ziels sowie die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüfen zu können (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 19 mwN, BAGE 141, 73; vgl. zur Richtlinie 2000/78/EG: EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 39 mwN, Slg. 2011, I-6919).

31

(bb) Wenn eine Tarifregelung die Urlaubsdauer nach dem Lebensalter staffelt, liegt die Annahme nahe, die Tarifvertragsparteien hätten einem mit zunehmendem Alter gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 23, BAGE 141, 73). Diese Annahme darf freilich nicht durch die konkrete Wahl der Altersgrenze(n) widerlegt werden, wie dies bei § 26 TVöD aF, der zusätzliche Urlaubstage bereits ab dem 30. Lebensjahr vorsah, der Fall war (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 24 ff., aaO).

32

(cc) Es ist kein Grund ersichtlich, bei einer individualrechtlichen Regelung nicht ebenfalls grundsätzlich davon auszugehen, dass mit einer Altersgrenze für die Gewährung zusätzlichen Urlaubs einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer Rechnung getragen werden soll. Diese Annahme erscheint umso mehr gerechtfertigt, wenn sie wie hier mit der Anerkennung eines Erfahrungssatzes bezüglich des gesteigerten Erholungsbedarfs bei körperlich belastenden Berufen korreliert. Hinzu kommt, dass die ständige Übung der Beklagten inhaltlich einer einschlägigen tarifvertraglichen Regelung entspricht. So sah der persönlich, fachlich und räumlich einschlägige Manteltarifvertrag vom 23. April 1997, abgeschlossen zwischen dem Hauptverband der Deutschen Schuhindustrie e. V. und der Gewerkschaft Leder sowie der IG BCE, für gewerbliche Arbeitnehmer in § 17 Ziff. 4 Buchst. a ab dem 58. Lebensjahr ebenfalls zwei zusätzliche Urlaubstage vor. Diese Regelung war im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht nicht durch eine neue Bestimmung abgeändert.

33

(dd) Schließlich widerlegt die Altersgrenze von 58 Lebensjahren nicht den Zweck, mit zwei weiteren Urlaubstagen im Kalenderjahr dem gesteigerten Erholungsbedürfnis Rechnung zu tragen. Dabei kann dahinstehen, ab welchem Alter die Annahme, der zusätzliche Urlaub diene dem höheren Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG, nicht mehr ohne Weiteres aufrechterhalten bzw. als widerlegt erachtet werden kann. Der Senat hat in der Entscheidung vom 20. März 2012 gemäß dem Rechtsgedanken aus § 417 Abs. 1 SGB III eine Altersgrenze von 50 Lebensjahren für die Einordnung als älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG in Betracht gezogen(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73; vgl. zu einer solchen Altersgrenze für die Gewährung zusätzlicher Urlaubstage: Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 -). Das Landesarbeitsgericht hat ergänzend darauf verwiesen, dass Leitlinie 17 der Entscheidung des Rates vom 12. Juli 2005 über Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten (2005/600/EG) Arbeitskräfte ab Vollendung des 55. Lebensjahres als ältere Arbeitnehmer erachtet und die WHO-Studiengruppe „Altern und Arbeit“ aus arbeitsmedizinischer Sicht wegen auftretender Schwierigkeiten in Arbeit und Beruf eine Grenze ab dem 45. Lebensjahr angenommen hat (zu A II 15 b bb (3) (b) der Gründe). Das Berufungsgericht hat damit nachvollziehbar begründet, warum es davon ausgeht, dass die Urlaubsregelung einem legitimen Zweck iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG dient und es diesen Zweck nicht lediglich als von der Beklagten vorgeschoben erachtet.

34

(2) Die Regelung ist geeignet, den in § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG beschriebenen Zweck zu fördern. Insbesondere kann die Klägerin nicht mit dem Argument gehört werden, dass die Gewährung von lediglich zwei Urlaubstagen ungeeignet sei, einen altersbedingt erhöhten Erholungsbedarf auszugleichen. Die Geeignetheit ist nicht deshalb zu verneinen, weil ein gestiegener Erholungsbedarf unter Umständen nicht vollständig, sondern nur partiell ausgeglichen wird. Gerade angesichts des vom Arbeitgeber bei einer freiwilligen Leistung selbst gesetzten Dotierungsrahmens wäre die Beschränkung auf einen Teilausgleich nachvollziehbar und zulässig. Zudem haben auch die Tarifvertragsparteien angesichts der Tätigkeit eines Produktionsmitarbeiters in der Schuhbranche zwei Tage Urlaub für geeignet und ausreichend erachtet. Dass die Beklagte sich die von den Sozialpartnern ausgehandelte Regelung zu eigen macht und im Rahmen ihres Ermessensspielraums eine entsprechende Regelung trifft, ist unter dem Aspekt der Geeignetheit der Regelung nicht zu beanstanden.

35

(3) Die Regelung ist auch erforderlich und angemessen (§ 10 Satz 2 AGG). Mildere Mittel, die in gleicher Weise den Schutz älterer Arbeitnehmer verwirklichen könnten, sind nicht ersichtlich.

36

(a) Die Wahl einer anderen, niedrigeren Altersgrenze stellte kein gleich wirksames, milderes Mittel mit geringerem altersspezifischen Effekt dar. Es handelte sich vielmehr um eine andere Maßnahme mit einem erhöhtem Dotierungsrahmen.

37

(b) Eine niedrigere Altersgrenze verbunden mit nur einem weiteren Urlaubstag im Kalenderjahr müsste zwar nicht zwingend zu einer Erhöhung des Dotierungsrahmens führen. Allerdings hätten dann Arbeitnehmer nach Vollendung des 58. Lebensjahres nicht mehr Anspruch auf den zweiten weiteren Urlaubstag, den die Beklagte im Einklang mit dem einschlägigen Tarifvertrag angesichts des gesteigerten Erholungsbedarfs im höheren Alter in der Schuhproduktion für notwendig erachtet. Der Gestaltungs- und Ermessensspielraum der Beklagten lässt auch im Rahmen der Erforderlichkeit und Angemessenheit die von ihr angewandte Regelung zu. Die Interessen der Beteiligten werden hinreichend berücksichtigt. Es werden lediglich in Übereinstimmung mit dem Abwägungsergebnis der Tarifvertragsparteien die Interessen der über 58-Jährigen an einem zusätzlichen Urlaubstag höher gewichtet als die Interessen der übrigen Beschäftigten, schon im jüngeren Alter einen zusätzlichen Urlaubstag zu erhalten.

38

(c) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Beklagte nicht verpflichtet, zusätzliche Urlaubstage nur nach dem individuell ermittelten Erholungsbedarf unter Einbeziehung altersunabhängiger Belastungsfaktoren, wie der Pflege und Betreuung von Kindern, sowie unter Berücksichtigung des individuellen Alterungsprozesses zu gewähren. Zwar mag es zutreffen, dass es weitere Belastungsfaktoren gibt, die zu einem gesteigerten Erholungsbedarf führen können. Jedoch wäre eine solche individuelle Regelung in vielerlei Hinsicht praktisch nicht oder nur mit großen Schwierigkeiten handhabbar. Dies gilt nicht nur bezüglich der Gewichtung der einzelnen (persönlichen) Belastungsfaktoren untereinander, sondern vor allem auch für deren Ermittlung durch die Beklagte. Auch der Gerichtshof der Europäischen Union hat anerkannt, dass bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Regelung im Hinblick auf das Verbot der Altersdiskriminierung zu beachten ist, dass die fragliche Regelung in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht handhabbar bleiben müsse, und deshalb nicht generell verlangt werden könne, dass immer jeder Einzelfall individuell geprüft werde (EuGH 19. Juni 2014 - C-501/12 ua. - [Specht ua.] Rn. 78). Unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten darf der Arbeitgeber daher im Sinne einer typisierenden Betrachtung in Ausübung seines Gestaltungsspielraums auch einen Grund für ein gesteigertes Erholungsbedürfnis - wie etwa das Alter in belastenden Berufen - als Differenzierungskriterium heranziehen. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG enthält kein Gebot, die dort genannten typischerweise besonders schutzbedürftigen Personengruppen (Jugendliche, ältere Beschäftigte und Personen mit Fürsorgepflichten) hinsichtlich besonderer Arbeitsbedingungen gleich zu behandeln.

39

2. Aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz folgt ebenfalls kein Anspruch der Klägerin auf die begehrten zwei zusätzlichen Urlaubstage. Ist - wie hier - die unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmergruppen aus einem in § 1 AGG genannten Grund unter den im AGG normierten Voraussetzungen zulässig, ist auch der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt(ebenso bezüglich des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes: BAG 17. September 2013 - 3 AZR 686/11 - Rn. 25 mwN). Eine sachwidrige Ungleichbehandlung kommt angesichts der Rechtfertigung gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG nicht in Betracht.

40

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

        

        

    M. Lücke    

        

    Kranzusch    

                 

Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein. Derartige unterschiedliche Behandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:

1.
die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlohnung und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Beschäftigten und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen,
2.
die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile,
3.
die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung auf Grund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder auf Grund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand,
4.
die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen,
5.
eine Vereinbarung, die die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der oder die Beschäftigte eine Rente wegen Alters beantragen kann; § 41 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch bleibt unberührt,
6.
Differenzierungen von Leistungen in Sozialplänen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes, wenn die Parteien eine nach Alter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung geschaffen haben, in der die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigt worden sind, oder Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplans ausgeschlossen haben, die wirtschaftlich abgesichert sind, weil sie, gegebenenfalls nach Bezug von Arbeitslosengeld, rentenberechtigt sind.

(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.

(2) Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, sind unwirksam.

(3) Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. März 2010 - 20 Sa 2058/09 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Eberswalde vom 8. Juli 2009 - 3 Ca 140/09 - wird zurückgewiesen und der Tenor dieses Urteils zur Klarstellung neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass der Klägerin für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein weiterer Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht.

3. Der Beklagte hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin in den Jahren 2008 und 2009 Anspruch auf jeweils 29 oder 30 Urlaubstage hatte.

2

Die am 27. Oktober 1971 geborene Klägerin ist seit dem 1. September 1988 bei dem beklagten Landkreis als Angestellte mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden in der Fünftagewoche beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13. September 2005 in der Fassung des Änderungstarifvertrags Nr. 2 vom 31. März 2008 (TVöD) Anwendung. Dieser bestimmt ua.:

        

§ 26 

        

Erholungsurlaub

        

(1)     

Beschäftigte haben in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts (§ 21). Bei Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf fünf Tage in der Kalenderwoche beträgt der Urlaubsanspruch in jedem Kalenderjahr

                 

bis zum vollendeten 30. Lebensjahr

26 Arbeitstage,

                 

bis zum vollendeten 40. Lebensjahr

29 Arbeitstage und

                 

nach dem vollendeten 40. Lebensjahr

30 Arbeitstage.

                 

Maßgebend für die Berechnung der Urlaubsdauer ist das Lebensjahr, das im Laufe des Kalenderjahres vollendet wird. Bei einer anderen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit als auf fünf Tage in der Woche erhöht oder vermindert sich der Urlaubsanspruch entsprechend. Verbleibt bei der Berechnung des Urlaubs ein Bruchteil, der mindestens einen halben Urlaubstag ergibt, wird er auf einen vollen Urlaubstag aufgerundet; Bruchteile von weniger als einem halben Urlaubstag bleiben unberücksichtigt. Der Erholungsurlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und kann auch in Teilen genommen werden.

        

…       

        
        

§ 27   

        

Zusatzurlaub

        

(1)     

Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit nach § 7 Abs. 1 oder ständig Schichtarbeit nach § 7 Abs. 2 leisten und denen die Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 1 oder Abs. 6 Satz 1 zusteht, erhalten

                 

a)    

bei Wechselschichtarbeit für je zwei zusammenhängende Monate und

                 

b)    

bei Schichtarbeit für je vier zusammenhängende Monate

                 

einen Arbeitstag Zusatzurlaub.

        

(2)     

Im Falle nicht ständiger Wechselschicht- oder Schichtarbeit (z. B. ständige Vertreter) erhalten Beschäftigte des Bundes, denen die Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 2 oder Abs. 6 Satz 2 zusteht, einen Arbeitstag Zusatzurlaub für

                 

a)    

je drei Monate im Jahr, in denen sie überwiegend Wechselschichtarbeit geleistet haben, und

                 

b)    

je fünf Monate im Jahr, in denen sie überwiegend Schichtarbeit geleistet haben.

        

…       

                 
        

(4)     

Zusatzurlaub nach diesem Tarifvertrag und sonstigen Bestimmungen mit Ausnahme von § 125 SGB IX wird nur bis zu insgesamt sechs Arbeitstagen im Kalenderjahr gewährt. Erholungsurlaub und Zusatzurlaub (Gesamturlaub) dürfen im Kalenderjahr zusammen 35 Arbeitstage nicht überschreiten. Satz 2 ist für Zusatzurlaub nach den Absätzen 1 und 2 hierzu nicht anzuwenden. Bei Beschäftigten, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, gilt abweichend von Satz 2 eine Höchstgrenze von 36 Arbeitstagen; § 26 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

        

…“    

        
3

Mit Schreiben vom 5. November 2008 machte die Klägerin gegenüber dem Beklagten einen jährlichen Gesamturlaub in Höhe von 30 Tagen für das Jahr 2008 und die Zukunft nach dem TVöD geltend. Der Beklagte lehnte die Gewährung von 30 Urlaubstagen vor der Vollendung des 40. Lebensjahres der Klägerin unter Hinweis auf die Verbindlichkeit der Regelung des § 26 Abs. 1 TVöD mit Schreiben vom 28. November 2008 ab. Die Klägerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 11. Februar 2009 die vorliegende Klage erhoben.

4

Sie hat die Ansicht vertreten, sie habe auch vor der Vollendung ihres 40. Lebensjahres Anspruch auf jährlich 30 und nicht nur 29 Urlaubstage. Die an das Lebensalter anknüpfende Staffelung des tariflichen Urlaubsanspruchs sei eine Diskriminierung wegen des Alters. Die in der Tarifregelung enthaltene Ungleichbehandlung jüngerer Arbeitnehmer sei nicht durch § 10 AGG gerechtfertigt. Im Übrigen würden die gesundheitlichen Wirkungen zusätzlichen Urlaubs zur Vermeidung beispielsweise von Stresserscheinungen am Arbeitsplatz auch in der medizinischen Literatur kontrovers diskutiert.

5

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass ihr für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht.

6

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Diese sei bereits unzulässig, da das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO nötige Feststellungsinteresse fehle. Schließlich sei die Klage auch unbegründet. Die Altersstufenregelung des § 26 Abs. 1 TVöD sei durch einen sachlichen Grund nach § 10 AGG gerechtfertigt. Die Festlegung eines Mindestalters für die Gewährung von 30 Urlaubstagen pro Kalenderjahr stelle eine besondere Beschäftigungsbedingung zum Schutz älterer Beschäftigter bzw. eine Mindestanforderung an das Alter für einen mit der Beschäftigung verbundenen Vorteil dar, der zur Erreichung eines legitimen Ziels angemessen und erforderlich sei. Ältere Arbeitnehmer seien mit zunehmendem Alter aufgrund beruflicher Belastungen länger krank. Um diesen Umstand Rechnung zu tragen, hätten die Tarifvertragsparteien mit der Regelung in § 26 Abs. 1 TVöD auf das verstärkte Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer reagiert und deren Leistungsfähigkeit stärken wollen. Der Aspekt des Gesundheitsschutzes älterer Arbeitnehmer sei daher geeignet, die Ungleichbehandlung jüngerer Beschäftigter zu rechtfertigen. Schließlich würde auch eine Diskriminierung keine Angleichung „nach oben“ zur Folge haben.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die Wiederherstellung der stattgebenden Entscheidung des Arbeitsgerichts. Der Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

A. Die zulässige Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf die geltend gemachten Ersatzurlaubstage.

9

I. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Feststellungsklage zulässig ist. Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse daran, durch das Gericht feststellen zu lassen, ob ihr für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht ( § 256 Abs. 1 ZPO ). Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer den Umfang des ihm zustehenden Urlaubs gerichtlich festgestellt haben will, nicht entgegen (vgl. BAG 12. April 2011 - 9 AZR 80/10  - Rn. 13 bis 15, EzA BUrlG § 7 Nr. 123).

10

II. Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten für den ihr in den Jahren 2008 und 2009 jeweils verweigerten 30. Urlaubstag gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB Anspruch auf jeweils einen Tag Ersatzurlaub. Die Urlaubsstaffelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD verstößt gegen die §§ 1, 3 Abs. 1 AGG. Denn sie gewährt Beschäftigten, die das 30., aber noch nicht das 40. Lebensjahr vollendet haben, einen um einen Tag kürzeren Urlaub. Sie ist deshalb nach § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG iVm. § 134 BGB unwirksam. Dies hat zur Folge, dass die Klägerin auch vor der Vollendung ihres 40. Lebensjahres in jedem Kalenderjahr Anspruch auf 30 Urlaubstage hatte. Ihr steht für die Jahre 2008 und 2009 jeweils noch ein Tag Ersatzurlaub zu, weil der Beklagte ihr in diesen Jahren nur jeweils 29 Urlaubstage gewährte.

11

1. Nach § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD standen der am 27. Oktober 1971 geborenen Klägerin in den Jahren 2008 und 2009 jeweils 29 Urlaubstage zu. Erst nach dem vollendeten 40. Lebensjahr gewährt ihr diese Tarifregelung einen jährlichen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen. Diese an das Lebensalter anknüpfende Staffelung der Urlaubsdauer verstößt gegen das Verbot der Altersdiskriminierung in § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG. Sie ist als sachlich nicht nach den §§ 8, 10 AGG gerechtfertigte unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters gemäß § 7 Abs. 2 AGG iVm. § 134 BGB unwirksam. Zur Beseitigung dieser Diskriminierung ist eine Anpassung auf 30 Urlaubstage erforderlich.

12

2. Zutreffend haben die Vorinstanzen die Regelung in § 26 Abs. 1 TVöD am AGG gemessen. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG gelten die Diskriminierungsverbote der §§ 1, 7 AGG auch für die in kollektivrechtlichen Vereinbarungen geregelten Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen. Unter solchen Bedingungen sind alle Umstände zu verstehen, aufgrund derer und unter denen die Arbeitsleistung zu erbringen ist (vgl. BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 54, BAGE 132, 210). Zu den Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen gehört damit auch der Urlaub. Der Umstand, dass die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b TVöD bereits am 1. Januar 2006 und somit schon vor dem AGG vom 14. August 2006 in Kraft getreten ist, steht dem nicht entgegen. Die für die Jahre 2008 und 2009 geltend gemachte Benachteiligung durch § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD ist erst nach Inkrafttreten des AGG am 18. August 2006 eingetreten. Da § 33 Abs. 1 AGG insoweit keine Übergangsregelung enthält, findet dieses Gesetz auch dann Anwendung, wenn die Benachteiligung auf einem vor Inkrafttreten des AGG abgeschlossenen Tarifvertrag beruht. Es kommt allein auf den Zeitpunkt der Benachteiligungshandlung an (BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 33, BAGE 129, 72).

13

3. Die Urlaubsstaffelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD enthält eine auf dem Merkmal des Alters beruhende Ungleichbehandlung der Beschäftigten, die das 30. bzw. das 40. Lebensjahr nicht vollendet haben. Das ist eine unmittelbare Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer wegen des Alters iSv. § 3 Abs. 1 AGG.

14

a) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Beim Alter handelt es sich um einen in § 1 AGG genannten Grund, wobei unter Alter das Lebensalter zu verstehen ist. Dies folgt aus dem gesetzlichen Wortlaut und auch aus der Gesetzesbegründung ( BT-Drucks. 16/1780 S. 31; BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 49, BAGE 132, 210; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07  - Rn. 36, BAGE 129, 181). Der für eine unmittelbare Benachteiligung erforderliche Kausalzusammenhang ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere in § 1 AGG genannte Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 32; BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 50, aaO).

15

b) Diese Voraussetzung ist erfüllt. § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD sieht für Beschäftigte bei einer Fünftagewoche in jedem Kalenderjahr einen Urlaubsanspruch bis zum vollendeten 30. Lebensjahr in Höhe von 26 Arbeitstagen, bis zum vollendeten 40. Lebensjahr in Höhe von 29 Arbeitstagen und erst nach dem vollendeten 40. Lebensjahr in Höhe von 30 Arbeitstagen vor. Die Höhe des Urlaubsanspruchs nach § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD knüpft damit in allen Stufen unmittelbar an das Lebensalter der Beschäftigten an. Danach haben Beschäftigte wie die Klägerin, die zwar das 30. Lebensjahr, aber noch nicht das 40. Lebensjahr vollendet haben, in jedem Jahr nur Anspruch auf 29 statt auf 30 Urlaubstage. Sie werden ebenso wie die unter 30-Jährigen im Vergleich zu den Beschäftigten, die das 40. Lebensjahr vollendet haben, hinsichtlich der Höhe des Urlaubsanspruchs wegen ihres geringeren Alters ungünstiger behandelt.

16

4. Diese Ungleichbehandlung ist nicht gerechtfertigt.

17

a) Bei ihr handelt es sich nicht um eine nach § 8 AGG zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen. Die Urlaubsstaffel des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD knüpft nicht an die Art der auszuübenden Tätigkeit oder die Bedingungen ihrer Ausübung an. Sie stellt nicht auf die Art der auszuübenden Tätigkeit ab und beansprucht damit Geltung für alle dem TVöD unterfallenden Beschäftigten.

18

b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Ungleichbehandlung auch nicht nach § 10 AGG sachlich gerechtfertigt(so ebenfalls die herrschende Meinung in der Literatur, vgl. Linck/Schütz FS Leinemann, S. 181 f.; Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV Stand Januar 2012 E § 26 TVöD Rn. 22; AGG/Voigt 3. Aufl. § 10 Rn. 33; Meinel/Heyn/Herms AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 42b; Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 105; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdtle ZTR 2006, 622, 623 mwN; Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 478; vgl. ferner bereits zu § 48 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). § 10 Satz 1 AGG lässt eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters ungeachtet der Regelung des § 8 AGG zu, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Zudem müssen die Mittel zur Erreichung dieses Ziels nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist die an das Lebensalter anknüpfende Differenzierung in § 26 Abs. 1 TVöD nicht sachlich gerechtfertigt, weil sie einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung trägt und deren Gesundheit schützen will. Dabei kann dahinstehen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen das Ziel des Gesundheitsschutzes eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen würde. Die Tarifvorschrift verfolgt dieses Ziel schon nicht.

19

aa) Die Tarifvertragsparteien haben das mit der in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD geregelten Urlaubsstaffelung verfolgte Ziel nicht ausdrücklich genannt. Nennt eine Regelung oder Maßnahme kein Ziel, müssen zumindest aus dem Kontext abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter der Regelung oder der Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, um die Legitimität des Ziels sowie die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüfen zu können. Dabei können nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die sozialpolitischen Ziele als legitim angesehen werden, die im allgemeinen Interesse stehen. Derjenige, der eine Ungleichbehandlung vornimmt, muss den nationalen Gerichten in geeigneter Weise die Möglichkeit zur Prüfung einräumen, ob mit der Ungleichbehandlung ein Ziel angestrebt wird, das die Ungleichbehandlung unter Beachtung der Ziele der Richtlinie 2000/78/EG rechtfertigt (vgl. EuGH 5. März 2009 - C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 45 ff., Slg. 2009, I-1569; BAG 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08  - Rn. 36 ff., BAGE 131, 61). Denn das nationale Gericht hat zu prüfen, ob die Regelung oder Maßnahme ein rechtmäßiges Ziel iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgt. Gleiches gilt für die Frage, ob die Tarifvertragsparteien als Normgeber angesichts des vorhandenen Wertungsspielraums davon ausgehen durften, dass die gewählten Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich waren (vgl. EuGH 5. März 2009 -  C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 49 ff., aaO; vgl. auch BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 57, BAGE 132, 210).

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bb) Die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD dient nicht dem Schutz älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. Diese gesetzliche Regelung konkretisiert das legitime Ziel, nämlich ua. die Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter, wobei dieser Schutz auch die Festlegung besonderer Arbeitsbedingungen einschließen kann. Aus einer tariflichen Urlaubsstaffelung, die - wie die in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD - den Beschäftigten bereits nach Vollendung des 30. Lebensjahres drei weitere Urlaubstage und dann nach Vollendung des 40. Lebensjahres letztmals einen zusätzlichen Urlaubstag gewährt, lässt sich nicht ableiten, dass die Tarifvertragsparteien einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollten und das Ziel verfolgten, den Schutz älterer Beschäftigter iSd. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG sicherzustellen. Wenn sich auch eine genaue Schwelle für die Zuordnung zu den älteren Arbeitnehmern weder dieser Regelung selbst noch Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG entnehmen lässt, so ist diese freilich an der Zielsetzung (vgl. zu dieser Däubler/Bertzbach/Brors 2. Aufl. § 10 Rn. 42) auszurichten. Einen arbeitsmarktpolitischen Zweck verfolgt zB § 417 Abs. 1 SGB III, wonach Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die das 50. Lebensjahr vollendet haben und ihre Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung beenden oder vermeiden, unter den in der Vorschrift genannten Voraussetzungen Anspruch auf Leistungen der Entgeltsicherung haben. Diese Regelung der Entgeltsicherung bezweckt, die Arbeitslosigkeit älterer Arbeitnehmer abzubauen und ihren Anteil an der erwerbstätigen Bevölkerung zu erhöhen (vgl. BT-Drucks. 17/1945 S. 17). Im Vergleich zu der in § 417 Abs. 1 SGB III genannten Altersgruppe setzt sich die durch die Urlaubsstaffel in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD begünstigte Beschäftigtengruppe, der ein Urlaubsanspruch von jährlich 30 Arbeitstagen eingeräumt wird, nicht ausnahmslos aus älteren Beschäftigten zusammen. Vielmehr gehören ihr alle Beschäftigten ab Vollendung des 40. Lebensjahres an. Der Senat hat bereits entschieden, dass ein Arbeitnehmer jedenfalls ab Vollendung des 31. Lebensjahres offensichtlich kein älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG ist(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 55, BAGE 132, 210).

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cc) Ein legitimes Ziel iSd. § 10 AGG ergibt sich entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts auch nicht aus § 10 Satz 3 Nr. 2 AGG. Danach kann eine zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile einschließen. Diese Regelung bestimmt selbst kein legitimes Ziel, sondern beschreibt nur ein mögliches Mittel, mit der ein auf andere Weise zu legitimierendes Ziel gerechtfertigt werden kann (vgl. ErfK/Schlachter 12. Aufl. § 10 AGG Rn. 6), sofern es erforderlich und angemessen iSd. § 10 Satz 2 AGG ist.

22

dd) Die Tarifvertragsparteien verfolgen entgegen der Auffassung des Beklagten nicht das Ziel des Gesundheitsschutzes älterer Arbeitnehmer.

23

(1) Das mit der Urlaubsstaffelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD verfolgte Ziel lässt sich nicht mit ausreichender Deutlichkeit aus dem Wortlaut des § 26 TVöD entnehmen. § 26 TVöD normiert ausweislich seiner Überschrift den Erholungsurlaub. Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 TVöD haben Beschäftigte in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts. § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD legt die Dauer dieses Erholungsurlaubs fest. Der Begriff des Erholungsurlaubs wird dabei nicht näher definiert und ist dem BUrlG entlehnt, auf das § 26 Abs. 2 TVöD im Übrigen verweist. Der Erholungsurlaub nach dem BUrlG soll nach der Gesetzesbegründung dem sozialpolitischen Anliegen der Erhaltung und Wiederauffrischung der Arbeitskraft der Arbeitnehmer dienen (vgl. den schriftlichen Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit, BT-Drucks. IV/785; Begründung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Bundesurlaubsgesetzes, BT-Drucks. IV/207). Durch den Erholungsurlaub wird dem Arbeitnehmer die Möglichkeit gesichert, für eine bestimmte Dauer im Jahr, die ihm eingeräumte Freizeit zur selbstbestimmten Erholung zu nutzen (st. Rspr., vgl. BAG 20. Juni 2000 - 9 AZR 405/99 - zu II 2 b bb 1 der Gründe, BAGE 95, 104; 8. März 1984 - 6 AZR 600/82 - zu II 5 b der Gründe, BAGE 45, 184; ebenso st. Rspr. des EuGH zum Jahresurlaub nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG , EuGH 22. No-vember 2011 - C-214/10 - [KHS] Rn. 31, AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 6 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 7; 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06  - [Schultz-Hoff] Rn. 25, Slg. 2009, I-179). Wenn eine Tarifregelung die Urlaubsdauer nach dem Lebensalter staffelt, liegt die Annahme nahe, die Tarifvertragsparteien hätten einem mit zunehmendem Alter gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollen. Die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD rechtfertigt eine solche Annahme freilich nicht, sondern schließt sie aus.

24

(2) Das folgt bereits aus dem Inhalt der Regelung. Die Tarifvorschrift räumt den Beschäftigten schon ab dem 30. Lebensjahr drei weitere Urlaubstage ein. Dafür, dass die Tarifvertragsparteien von einem so deutlich gesteigertem Erholungsbedürfnis bereits nach der Vollendung des 30. Lebensjahres ausgegangen sind, fehlt jeder Anhaltspunkt. Gegen eine solche Annahme spricht auch, dass die Tarifvertragsparteien den Beschäftigten nach der Vollendung des 40. Lebensjahres letztmals nur einen weiteren Urlaubstag gewährt und davon abgesehen haben, ein gesteigertes Erholungsbedürfnis des Beschäftigten in der Zeit bis zum Erreichen des gesetzlich festgelegten Alters für den Bezug der Regelaltersrente (§ 33 Abs. 1 Buchst. a TVöD) zu berücksichtigen. Hätten die Tarifvertragsparteien ein gesteigertes Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter vor Augen gehabt, hätten sie nicht einem 30-Jährigen einen gegenüber einem 29-jährigen Beschäftigten um drei Tage längeren Urlaub gewährt, nach der Vollendung des 40. Lebensjahres des Beschäftigten eine wesentlich geringere Steigerung des Erholungsbedürfnisses angenommen und für die Zeit danach bis zum Erreichen des gesetzlich festgelegten Alters für den Bezug der Regelaltersrente ein zunehmendes Erholungsbedürfnis des Beschäftigten überhaupt nicht mehr berücksichtigt (vgl. Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 478). Auch das Schrifttum nimmt ganz überwiegend an, dass eine tarifliche Urlaubsstaffelung nicht schon auf die Vollendung des 30. bzw. des 40. Lebensjahres abstellen darf, wenn sie einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen will (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22; Tempelmann/Stenslik DStR 2011, 1183, 1186; Richter Benachteiligung wegen des Alters im Erwerbsleben S. 170; Meinel/Heyn/Herms § 10 Rn. 42b; AGG/Voigt § 10 Rn. 33; Hey AGG § 10 Rn. 28; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdle ZTR 2006, 622, 623; Linck/Schütz FS Leinemann S. 181 f.; Senne Auswirkungen des europäischen Verbots der Altersdiskriminierung auf das deutsche Arbeitsrecht S. 269; Bertelsmann ZESAR 2005, 242, 246). Selbst wenn die Erholungsbedürftigkeit von Arbeitnehmern mit zunehmendem Lebensalter steigen sollte (zweifelnd Däubler/Bertzbach/Brors § 10 Rn. 50; aA Waltermann NZA 2005, 1265, 1269), hätte es mit dem Schutz älterer Arbeitnehmer nichts zu tun, bereits mit dem 30. Lebensjahr eine erste Verlängerung des Urlaubsanspruchs um drei Tage und die zweite und zugleich letzte Verlängerung um einen weiteren Urlaubstag bereits mit Vollendung des 40. Lebensjahres vorzusehen (so auch Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22; Adomeit/Mohr § 10 Rn. 105; so bereits zu § 48 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). Es fehlt in beiden Stufen an dem erkennbaren Schutz Älterer. Die Verlängerung des Urlaubsanspruchs bereits mit dem vollendeten 30. Lebensjahr lässt sich kaum mit der Erhaltung der Leistungsfähigkeit Älterer begründen. Auch mit der Vollendung des 40. Lebensjahres hat ein Beschäftigter regelmäßig allenfalls die Mitte seines Erwerbsalters erreicht (vgl. auch Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). Hätten die Tarifvertragsparteien gemäß der Ansicht des Beklagten ein gesteigertes Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter berücksichtigen wollen, hätten sich die gewählten Altersgrenzen nicht an dem mit dem Alter zunehmenden Erholungsbedürfnis orientiert und wären willkürlich.

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(3) Gerade dieser Umstand bestätigt, dass die Tarifvertragsparteien mit der Regelung in § 26 TVöD weder den Schutz der Gesundheit bezweckten noch einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollten. Hätten sie diese Ziele verfolgt, hätte es nahe gelegen, gerade für die älteren Beschäftigten, zB die Gruppe der über 50- oder über 60-jährigen Beschäftigten, die Dauer des Erholungsurlaubs zu verlängern. Bei dieser Personengruppe ist ein altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis eher nachvollziehbar. Ein solches Schutzbedürfnis für die über 50-Jährigen haben die Tarifvertragsparteien aber nur hinsichtlich der Beschränkung der Höchstdauer des Gesamturlaubs bei besonders belastenden Arbeiten (Schicht- und Wechselschicht) gesehen. Das folgt aus § 27 Abs. 4 Satz 4 TVöD. Danach erhöht sich ab diesem Lebensalter die maximal erreichbare Gesamturlaubsdauer von jährlich 35 auf 36 Arbeitstage.

26

(4) Die Tarifgeschichte bestätigt, dass die Tarifvertragsparteien mit der Urlaubsstaffel nicht einem mit dem Lebensalter steigenden Erholungsbedürfnis Rechnung tragen wollten. Bereits seit dem Inkrafttreten des BAT wurde die Urlaubsdauer an das Lebensalter geknüpft (§ 48 Abs. 1 BAT). Sie steigerte sich auch nach dem vollendeten 30. Lebensjahr und nach dem vollendeten 40. Lebensjahr. Innerhalb der Lebensaltersstufen verlängerte sich die Urlaubsdauer teilweise nach Vergütungsgruppen. Je höher der Angestellte eingruppiert war, je länger war sein Urlaubsanspruch. Dies zeigt, dass nicht der Erholungszweck maßgebend für die Urlaubsdauer sein sollte. Der Urlaub wurde vielmehr als Quasi-Gegenleistung für die Arbeitsleistung geregelt. Nur so lässt sich die normierte Abhängigkeit der Urlaubsdauer von der Vergütungsgruppe erklären. Es kann deshalb nicht angenommen werden, die Tarifvertragsparteien hätten bei Angestellten in höheren Vergütungsgruppen ein gesteigertes Erholungsbedürfnis ausgleichen wollen. Die Differenzierung resultiert vielmehr aus der überkommenen Auffassung, der Urlaub werde „verdient“.

27

5. Die Diskriminierung der Klägerin kann nur durch die Verpflichtung des Beklagten beseitigt werden, der Klägerin für die Jahre 2008 und 2009 jeweils einen Ersatzurlaubstag zu gewähren. Zwar folgt aus § 7 Abs. 2 AGG nur, dass die diskriminierende Regelung unwirksam ist. Auch wird vom Senat nicht verkannt, dass es sich bei § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD um ein Stufensystem handelt, sodass grundsätzlich keine Stufe als die von den Tarifvertragsparteien als „übliche“ Urlaubsdauer gewollte angesehen werden kann. Jedoch kann die Beseitigung der Diskriminierung vorliegend nur durch eine Anpassung „nach oben“ erfolgen.

28

a) Grundsätzlich ist es Aufgabe der Tarifvertragsparteien, eine benachteiligungsfreie Regelung zu treffen, wofür ihnen verschiedene Möglichkeiten zu Verfügung stehen. Doch scheidet eine Aussetzung des Rechtsstreits unter Fristsetzung zur Lückenschließung durch die Tarifvertragsparteien selbst von vornherein aus (aM Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 23). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind für den Fall, dass gesetzliche oder tarifvertragliche Regelungen eine mit der Richtlinie unvereinbare Diskriminierung vorsehen, die nationalen Gerichte gehalten, die Diskriminierung auf jede denkbare Weise und insbesondere dadurch auszuschließen, dass sie die Regelung für die nicht benachteiligte Gruppe auch auf die benachteiligte Gruppe anwenden, ohne die Beseitigung der Diskriminierung durch den Gesetzgeber, die Tarifvertragsparteien oder in anderer Weise abzuwarten (vgl. so bereits zur Richtlinie 76/207/EWG: EuGH 20. März 2003 - C-187/00 - [Kutz-Bauer] Rn. 75, Slg. 2003, I-2741). Auch nach Art. 9 Abs. 3 GG in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wäre eine Aussetzung grundsätzlich allenfalls zur Beseitigung einer Diskriminierung für die Zukunft geboten(vgl. BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 28, NZA 2012, 161). Vorliegend geht es jedoch um die Beseitigung einer Diskriminierung in der Vergangenheit.

29

b) Die Benachteiligung der Klägerin kann nicht auf andere Weise für die Jahre 2008 und 2009 ausgeschlossen werden. Ein Rückgriff auf den noch unterhalb der Eingangstufe des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD liegenden gesetzlichen Mindesturlaub gemäß den §§ 1, 3 BUrlG in Höhe von 20 Arbeitstagen bei einer Fünftagewoche ist hierzu nicht geeignet(aM Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 483; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand Februar 2012, § 26 Rn. 163.5). Der von den §§ 1, 7 AGG bzw. Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgte Zweck, Benachteiligungen zu verhindern oder zu beseitigen, würde nicht erreicht. Da diskriminierende Maßnahmen oder Vereinbarungen nicht hingenommen und ihre Fortwirkung nicht akzeptiert werden darf (vgl. ErfK/Schlachter § 7 AGG Rn. 5), ist auch nicht auf die Eingangsstufe des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD mit 26 Urlaubstagen abzustellen. Hätte die Klägerin nur Anspruch auf die erste Stufe der Urlaubsstaffel, fehlte es an einer Sanktion, die einen tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutz gewährt und abschreckende Wirkung hat (vgl. zu diesem Aspekt: BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 18 ff., NZA 2012, 161).

30

c) Hingegen ist eine Anpassung „nach oben“ zur Beseitigung einer Altersdiskriminierung im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gerechtfertigt, wenn auf andere Weise die Diskriminierung nicht behoben werden kann, weil der Arbeitgeber den Begünstigten für die Vergangenheit die Leistung nicht mehr entziehen kann (vgl. ausführlich: BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 20 ff., NZA 2012, 161). Dies ist vorliegend der Fall. Der den begünstigten Beschäftigten in den Jahren 2008 und 2009 gewährte Urlaub von jährlich 30 Arbeitstagen kann nicht rückwirkend auf 29 oder 26 Arbeitstage begrenzt werden. Die als Urlaub bereits gewährte Freizeit ist nicht kondizierbar.

31

d) Schließlich steht der Anpassung „nach oben“ auch nicht § 15 Abs. 3 AGG entgegen. Danach ist der Arbeitgeber bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fährlässig handelt. Diese Bestimmung bezieht sich allein auf die immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG(vgl. BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 38, NZA 2012, 161; ErfK/Schlachter § 15 AGG Rn. 13) und verhält sich nicht zur Beseitigung einer Diskriminierung durch eine den Diskriminierungsverboten genügende Regelung.

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e) Der Beklagte kann auch keinen Vertrauensschutz in Anspruch nehmen. In den Jahren 2008 und 2009 galt bereits das am 18. August 2006 in Kraft getretene AGG. Dieses nimmt Dauerschuldverhältnisse und damit auch Arbeitsverhältnisse ebenso wenig wie Tarifverträge aus, die vor dem Inkrafttreten des AGG bereits abgeschlossen waren. Übergangsvorschriften oder Vertrauensschutzregelungen sind insoweit in § 33 AGG nicht vorgesehen. Gemäß § 1 AGG ist ua. Ziel dieses Gesetzes, Benachteiligungen aus Gründen des Alters nicht nur zu verhindern, sondern auch zu beseitigen. Die damit einhergehende unechte Rückwirkung ist zulässig. Der zeitliche Geltungsbereich wird je nach Lage der Verhältnisse im Einzelfall nur durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes beschränkt (vgl. so bereits zu § 81 Abs. 2 SGB IX aF: BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 38, BAGE 129, 72). Dies setzt jedoch in jedem Fall das Vorliegen eines schutzwürdigen Vertrauens voraus, das vorliegend nicht gegeben ist, selbst wenn man die Grundsätze zum Vertrauensschutz bei unechter Rückwirkung von Gesetzen anwendet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Grundsatz des Vertrauensschutzes nur dann verletzt, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (vgl. BVerfG 10. August 2006 - 2 BvR 563/05  - Rn. 14, BVerfGK 9, 28). Zum einen dient das AGG der Umsetzung von EU-Richtlinien zum Schutz vor Diskriminierung im Bereich Beschäftigung und Beruf und enthält insoweit insbesondere im Bereich der Altersdiskriminierung unionsrechtlich verankerte notwendige und bedeutende Regelungen. Zum anderen wäre ein Vertrauen in den Fortbestand der angewandten tarifvertraglichen Regelungen nicht schutzwürdig. Denn die Richtlinie 2000/78/EG wurde schon im Jahr 2000 erlassen und stellt in Art. 16 Buchst. b ausdrücklich klar, dass die Diskriminierungsverbote auch auf tarifvertragliche Bestimmungen Anwendung finden. Nach Art. 18 der Richtlinie 2000/78/EG war diese zudem spätestens zum 2. Dezember 2006 in nationales Recht umzusetzen. Der Beklagte musste ebenso wie die Tarifvertragsparteien damit rechnen, dass tarifvertragliche Regelungen auch am Verbot der Altersdiskriminierung gemessen werden. Deshalb konnte der Beklagte nicht darauf vertrauen, dass auch nach Inkrafttreten des AGG die Urlaubsstaffelregelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD zulässig war, zumal in der Gesetzesbegründung zum AGG die Anknüpfung an das bloße Lebensalter als Mindestgrenze für mit der Beschäftigung verbundener Vorteile nicht unkritisch gesehen wurde(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 36) und im Schrifttum nicht nur vereinzelt die Unwirksamkeit des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD wegen Verstoßes gegen das Verbot der Altersdiskriminierung angenommen wurde (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22 mwN; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdtle ZTR 2006, 622, 623 mwN; so bereits zu § 48 Abs. 1 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156).

33

6. Die Klägerin hat Anspruch auf Ersatzurlaub gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB. Die Resturlaubsansprüche für die Jahre 2008 und 2009 waren mangels Vorliegens eines Übertragungsgrundes nach § 26 Abs. 1 Satz 6 TVöD iVm. § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG zum 31. Dezember des jeweiligen Jahres verfallen. Diesen Untergang hat der Beklagte zu vertreten, weil er sich mit der Gewährung des Urlaubs in Verzug befand.

34

a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus Verzug gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB liegen vor. Die Klägerin hatte in den Jahren 2008 und 2009 Anspruch auf jeweils 30 Urlaubstage. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wandelt sich der Urlaubsanspruch in einen Schadensersatzanspruch um, der auf Gewährung von Ersatzurlaub als Naturalrestitution gerichtet ist, wenn der Arbeitgeber den rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt und der Urlaub aufgrund seiner Befristung verfällt ( BAG 11. April 2006 - 9 AZR 523/05  - Rn. 24, AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116).

35

b) Die Klägerin machte mit Schreiben vom 5. November 2008 unter der Überschrift „Geltendmachung von Urlaubsansprüchen“ Urlaub in Höhe von 30 Tagen nach dem TVöD geltend und bat zudem, den Urlaubsanspruch auch für die Zukunft entsprechend anzupassen. Dahingestellt bleiben kann, ob dies schon ein konkretes Verlangen beinhaltet hat, den Urlaub in den Jahren 2008 und 2009 zu gewähren. Nach der Rechtsprechung des Senats ist hierfür zumindest erforderlich, dass der Arbeitgeber nach den Grundsätzen des § 133 BGB davon ausgehen muss, der Arbeitnehmer wünsche ab einem bestimmten Zeitpunkt Erholungsurlaub(vgl. BAG 17. November 2009 - 9 AZR 745/08 - Rn. 45; 11. April 2006 -  9 AZR 523/05  - Rn. 28, AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116). Maßgebend ist, dass der Beklagte mit Schreiben vom 28. November 2008 erklärt hat, er lehne den Antrag auf Verlängerung des Urlaubs „auf 30 Tage vor Erreichen des 41. Lebensjahres“ ab, weil der Klägerin nach dem für ihn verbindlichen § 26 Abs. 1 TVöD derzeit nur 29 Urlaubstage zustünden. Aus objektiver Empfängersicht lag darin eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung des Beklagten als Schuldner des Urlaubsanspruchs, die gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine Mahnung der Klägerin entbehrlich machte(vgl. BAG 31. Januar 1991 - 8 AZR 462/89  - zu II der Gründe). Denn der Beklagte gab mit diesem Schreiben vor Ablauf des Urlaubsjahres 2008 klar zu erkennen, dass er nicht bereit sei, im laufenden Jahr mehr als 29 Tage Urlaub zu gewähren. Hinsichtlich des weiteren Urlaubstags für das Jahr 2009 folgt der Verzug des Beklagten zudem daraus, dass er jedenfalls mit dem Antrag auf Klageabweisung vom 24. April 2009 und somit vor Ablauf des Urlaubsjahres 2009 zu erkennen gegeben hat, den weiteren Urlaubstag auch im Jahr 2009 nicht gewähren zu wollen. Darin lag ebenso seine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung als Schuldner des Urlaubsanspruchs, die gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine Mahnung der Klägerin ebenfalls entbehrlich machte(vgl. BAG 17. Mai 2011 - 9 AZR 197/10 - Rn. 14, EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 138; 31. Januar 1991 - 8 AZR 462/89  - zu II der Gründe).

36

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

        

        

    Preuß    

        

    Neumann-Redlin    

        

        

(1) Der Arbeitgeber hat Jugendlichen für jedes Kalenderjahr einen bezahlten Erholungsurlaub zu gewähren.

(2) Der Urlaub beträgt jährlich

1.
mindestens 30 Werktage, wenn der Jugendliche zu Beginn des Kalenderjahrs noch nicht 16 Jahre alt ist,
2.
mindestens 27 Werktage, wenn der Jugendliche zu Beginn des Kalenderjahrs noch nicht 17 Jahre alt ist,
3.
mindestens 25 Werktage, wenn der Jugendliche zu Beginn des Kalenderjahrs noch nicht 18 Jahre alt ist.
Jugendliche, die im Bergbau unter Tage beschäftigt werden, erhalten in jeder Altersgruppe einen zusätzlichen Urlaub von drei Werktagen.

(3) Der Urlaub soll Berufsschülern in der Zeit der Berufsschulferien gegeben werden. Soweit er nicht in den Berufsschulferien gegeben wird, ist für jeden Berufsschultag, an dem die Berufsschule während des Urlaubs besucht wird, ein weiterer Urlaubstag zu gewähren.

(4) Im übrigen gelten für den Urlaub der Jugendlichen § 3 Abs. 2, §§ 4 bis 12 und § 13 Abs. 3 des Bundesurlaubsgesetzes. Der Auftraggeber oder Zwischenmeister hat jedoch abweichend von § 12 Nr. 1 des Bundesurlaubsgesetzes den jugendlichen Heimarbeitern für jedes Kalenderjahr einen bezahlten Erholungsurlaub entsprechend Absatz 2 zu gewähren; das Urlaubsentgelt der jugendlichen Heimarbeiter beträgt bei einem Urlaub von 30 Werktagen 11,6 vom Hundert, bei einem Urlaub von 27 Werktagen 10,3 vom Hundert und bei einem Urlaub von 25 Werktagen 9,5 vom Hundert.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 7. September 2012 - 6 Sa 709/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe des jährlichen Urlaubsanspruchs.

2

Die Beklagte stellt Schuhe her. Die am 10. April 1960 geborene Klägerin ist bei ihr seit dem 1. Juli 1994 als Produktionsmitarbeiterin beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 13. November 2000 ist ua. vereinbart, dass der jährliche Urlaubsanspruch 34 Arbeitstage beträgt. Die Beklagte gewährt allen Arbeitnehmern, die das 58. Lebensjahr vollendet haben, 36 Arbeitstage Jahresurlaub, ohne dass individuelle Vereinbarungen über einen höheren Jahresurlaub vorliegen. Die übrigen Beschäftigten erhalten jährlich 34 Urlaubstage.

3

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Urlaubsregelung sei altersdiskriminierend. Die Behauptung, ältere Mitarbeiter benötigten im Produktionsbetrieb längere Erholungsphasen, sei durch die darlegungsbelastete Beklagte nicht dargetan. Das Bundesurlaubsgesetz stelle bezüglich der Dauer des Urlaubs weder auf die physische Belastung noch auf das Alter der Arbeitnehmer ab. Die Beklagte habe keinen Grund genannt, warum ein gesteigertes Erholungsbedürfnis ausgerechnet mit 58 Jahren eintrete. Zudem könne mit lediglich zwei zusätzlichen Urlaubstagen ein etwaiger höherer Erholungsbedarf nicht ausgeglichen werden. Bei einem stetig steigenden Erholungsbedarf müsste jedenfalls auch die Urlaubsdauer gestaffelt werden. Bei anderen Arbeitnehmergruppen sei ein erhöhter Erholungsbedarf nachvollziehbar. Diese würden jedoch nicht begünstigt. So seien jüngere Arbeitnehmer durch Familie und Beruf oftmals stärker beansprucht als ältere. Die Beklagte habe ihr zur Beseitigung der Diskriminierung jährlich zwei weitere Urlaubstage zu gewähren.

4

Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr 36 Arbeitstage Erholungsurlaub zu gewähren.

5

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, ihre Urlaubsregelung beinhalte keine Diskriminierung. Nach der Lebenserfahrung benötigten ältere Arbeitnehmer, die körperlich ermüdende und schwere Arbeiten verrichten, längere Erholungszeiten als jüngere. Zwei zusätzliche Urlaubstage seien angemessen.

6

Das Arbeitsgericht hat die Klage - soweit für die Revision von Bedeutung - abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Feststellungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, der Klägerin auch schon vor der Vollendung der 58. Lebensjahres insgesamt 36 Arbeitstage Erholungsurlaub pro Jahr zu gewähren.

8

I. Die Klage ist in der gebotenen Auslegung zulässig, insbesondere besteht das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.

9

1. Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer den Umfang des ihm zustehenden Urlaubs gerichtlich festgestellt wissen will, nicht entgegen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 9, BAGE 141, 73; 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - Rn. 13 ff., BAGE 137, 328).

10

2. Die am 10. April 1960 geborene Klägerin hat ein rechtlich anerkennenswertes Interesse daran, alsbald zu erfahren, ob ihr bereits vor der Vollendung ihres 58. Lebensjahres zwei weitere Urlaubstage pro Jahr zustehen. Ihr Antrag bezieht sich dem Wortlaut nach zwar auf den gesamten Jahresurlaub. Er kann jedoch so ausgelegt werden, dass er sich nur auf zwei weitere Urlaubstage im Kalenderjahr bezieht. Zwischen den Parteien besteht kein Streit, dass der Klägerin die vertraglich vereinbarten 34 Urlaubstage pro Jahr zustehen. Die Klägerin hat im Laufe des Verfahrens deutlich gemacht, dass der Antrag auf die Feststellung des Bestehens zweier zusätzlicher Urlaubstage gerichtet ist. Darüber hinaus hat das Landesarbeitsgericht den Klageantrag zutreffend so verstanden, dass er vergangene Urlaubsjahre nicht erfasst. Es handelt sich um einen gegenwartsbezogenen Feststellungsantrag, für dessen Entscheidung grundsätzlich auf die Sachlage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht abzustellen ist (vgl. BAG 15. Mai 2013 - 7 AZR 494/11 - Rn. 15 ff.).

11

II. Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen vor Vollendung ihres 58. Lebensjahres nicht gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 iVm. § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG zwei weitere Urlaubstage zu. Die Urlaubsregelung ist nicht gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam und führt somit bezüglich der Dauer des Urlaubs der Klägerin nicht zu einer „Anpassung nach oben“(siehe dazu BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 27 ff., BAGE 141, 73; vgl. aber auch BAG 14. Mai 2013 - 1 AZR 44/12 - Rn. 25, BAGE 145, 113).

12

1. Es liegt zwar eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor. Diese ist jedoch gemäß § 10 Satz 1, 2 und Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt.

13

a) Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Unter Alter iSd. § 1 AGG ist das Lebensalter zu verstehen. Dies folgt aus dem Wortlaut des Gesetzes und aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/1780 S. 31; BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 14, BAGE 141, 73; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 36, BAGE 129, 181). Eine unmittelbare Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 1 AGG gegeben, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Der für eine unmittelbare Benachteiligung erforderliche Kausalzusammenhang ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere in § 1 AGG genannte Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - aaO mwN).

14

b) Daran gemessen liegt eine unmittelbare Ungleichbehandlung wegen des Alters vor. Die Urlaubsregelung knüpft die Gewährung von zwei weiteren Urlaubstagen an die Vollendung des 58. Lebensjahres und damit unmittelbar an das Lebensalter der Beschäftigten. Arbeitnehmer, die diese Altersgrenze nicht erreicht haben, werden wegen ihres Alters ungünstiger behandelt.

15

c) Die Ungleichbehandlung ist jedoch gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt. Die Regelung bezweckt bei Berücksichtigung eines Gestaltungs- und Ermessensspielraums der Beklagten den in dieser Bestimmung genannten Schutz älterer Beschäftigter und ist geeignet, erforderlich und angemessen im Sinne von § 10 Satz 2 AGG.

16

aa) Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG konkretisiert ua. das legitime Ziel der Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter, wobei dieser Schutz auch die Festlegung besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließen kann (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73).

17

bb) § 10 AGG dient der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16) in das nationale Recht (BAG 18. März 2014 - 3 AZR 69/12 - Rn. 21). Der Gesetzgeber hat bei der Umsetzung den Text der Richtlinie nahezu wörtlich in das nationale Recht übernommen. Dessen Regelungen sind unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszulegen (vgl. BAG 14. März 2012 - 7 AZR 480/08 - Rn. 30).

18

cc) Dem Arbeitgeber steht bei freiwilligen zusätzlichen Leistungen - wozu auch die Gewährung von übergesetzlichem Mehrurlaub gehört - ein von den Gerichten zu respektierender Gestaltungs- und Ermessensspielraum zu (vgl. zu Leistungen der betrieblichen Altersversorgung: BAG 12. November 2013 - 3 AZR 356/12 - Rn. 28; 12. Februar 2013 - 3 AZR 100/11 - Rn. 31 mwN, BAGE 144, 231). Auch in der Rechtsprechung des EuGH ist anerkannt, dass die Mitgliedstaaten und gegebenenfalls die Sozialpartner auf nationaler Ebene beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts nicht nur bei der Entscheidung, welches konkrete Ziel von mehreren im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik sie verfolgen wollen, sondern auch bei der Festlegung der Maßnahmen zu seiner Erreichung über einen weiten Gestaltungsspielraum verfügen (EuGH 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Rn. 68, Slg. 2007, I-8531). Diese Erwägungen gelten nach dem EuGH auch für Ziele, die der Arbeitgeber mit einer vertraglichen Regelung verfolgt (vgl. EuGH 26. September 2013 - C-476/11 - [HK Danmark] Rn. 61).

19

dd) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Benachteiligung der Arbeitnehmer der Beklagten, die das 58. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, gerechtfertigt.

20

(1) Die Beklagte gewährt den Arbeitnehmern in ihrem Produktionsbetrieb nach der Vollendung des 58. Lebensjahres aufgrund ihres gesteigerten Erholungsbedürfnisses zwei weitere Urlaubstage im Kalenderjahr und bezweckt damit die Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. Da dieser Schutz die Festlegung besonderer Arbeitsbedingungen einschließt (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73), unterfallen ihm auch zusätzliche Urlaubstage.

21

(a) Das AGG definiert in § 10 Satz 3 Nr. 1 - ebenso wie Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG - nicht, wann ein Beschäftigter „älter“ im Sinne der Norm ist (vgl. zum herkömmlichen Verständnis: BAG 18. September 2014 - 6 AZR 636/13 - Rn. 44). Nach dem Sinn und Zweck des Benachteiligungsverbots reicht es ohne das Vorliegen anderer Differenzierungsgründe nicht aus, dass das Alter der begünstigten Arbeitnehmer höher ist als das Alter der nicht begünstigten. Dementsprechend hat der Senat angenommen, ein Arbeitnehmer sei nach der Vollendung seines 31. Lebensjahres offensichtlich noch kein älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 55, BAGE 132, 210). Aus dem systematischen Zusammenhang mit § 10 Satz 1 AGG und aus dem Regelungszweck folgt, dass die begünstigten Arbeitnehmer aufgrund ihres Alters der Förderung bei der beruflichen Eingliederung oder des Schutzes bedürfen müssen.

22

(aa) Der Senat ist in seiner Entscheidung vom 20. März 2012 nicht davon ausgegangen, dass mit zunehmenden Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steige. Er hat allerdings ab einem bestimmten Alter - konkret: bei über 50- oder über 60-jährigen Beschäftigten - ein altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis für „eher nachvollziehbar“ gehalten (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 24 f., BAGE 141, 73).

23

(bb) Das Landesarbeitsgericht hat in Übereinstimmung mit der überwiegenden Auffassung im Schrifttum als Erfahrungssatz angenommen, dass mit zunehmenden Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steigt (so auch Tempelmann/Stenslik DStR 2011, 1183, 1185 f.; Lingemann/Gotham NZA 2007, 663, 666; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 143 f.; Waltermann NZA 2005, 1265, 1269; Over Das Verbot der Altersdiskriminierung im Arbeitsrecht nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz S. 231; Küttner/Kania Personalbuch 2014 Diskriminierung Rn. 90; vgl. auch Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 - zu II 2 b cc (3) (a) der Gründe mwN). Diese Ansicht ist allerdings nicht unumstritten. So wird auf die Individualität der Alterungsprozesse und den fehlenden Nachweis von Altersklassen mit spezifischem Erholungsbedarf hingewiesen (Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 1 Rn. 822). Die Aufstellung eines generellen Erfahrungssatzes soll dem traditionellen Bild vom „alten Arbeitnehmer“ entsprechen (Däubler/Bertzbach/Brors 3. Aufl. § 10 Rn. 43). Auch wird hervorgehoben, dass der Gesetzgeber in § 3 BUrlG bezüglich der Dauer des Urlaubs nicht nach dem Lebensalter der Arbeitnehmer unterscheide und demnach nicht von einem unterschiedlichen Erholungsbedürfnis ausgehe(Bertelsmann in Rust/Falke AGG § 10 Rn. 93). Auch auf europäischer Ebene sehe Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG vier Wochen Urlaub einheitlich für alle Berufsgruppen altersunabhängig vor(v. Roetteken AGG Stand September 2014 § 10 Rn. 262). Verlangt wird zumindest die Darlegung eines empirischen Befunds zum steigenden Erholungsbedarf unter Beachtung der Tätigkeit bevorzugter Arbeitnehmer (Däubler/Bertzbach/Brors aaO; aA Kasprzyk Altersdiskriminierung im deutschen Arbeitsrecht S. 185).

24

(b) Erfahrungssätze sind Hilfsmittel. Die Feststellung von allgemein anerkannten Erfahrungssätzen ist als Tatfrage den Tatsachengerichten vorbehalten. Dabei ist es diesen nicht verwehrt, das Bestehen oder Nichtbestehen eines Erfahrungssatzes zu beurteilen, wenn sie dazu über ausreichende Sachkunde und Lebenserfahrung verfügen. Andernfalls haben sie sich der Hilfe eines Sachverständigen zu bedienen. Die Zuziehung eines Sachverständigen zur Unterstützung des Gerichts ist gemäß § 144 Abs. 1 ZPO durch die Tatsachengerichte stets nach pflichtgemäßen Ermessen zu prüfen(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 65 mwN, BAGE 132, 210; vgl. allg. zu Erfahrungssätzen: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 73. Aufl. Einf. § 284 Rn. 22).

25

(c) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Landesarbeitsgericht von der Zuziehung eines Sachverständigen abgesehen hat. Dieses durfte aufgrund der von ihm festgestellten körperlich anstrengenden Tätigkeiten im Produktionsbetrieb der Beklagten auch ohne Sachverständigengutachten annehmen, dass das Erholungsbedürfnis der dort beschäftigten Arbeitnehmer mit zunehmenden Alter steigt. Ob es einen tätigkeitsunabhängigen generellen Zusammenhang zwischen dem Erholungsbedarf und dem Alter gibt (so etwa Kamanabrou aaO), kann dahinstehen.

26

(aa) Die Annahme eines Erfahrungssatzes dahin gehend, dass bei körperlich belastenden Berufen das Erholungsbedürfnis im höheren Alter steigt, begegnet keinen Bedenken. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die physische Belastbarkeit mit zunehmendem Alter abnimmt (etwa BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 67 mwN, BAGE 132, 210; Bayerischer VGH 24. Oktober 2011 - 3 ZB 08.721 - zu II 1 b der Gründe). Dieser Erfahrungssatz betrifft auch den Wirkungszusammenhang von erreichtem Lebensalter und Krankheitsanfälligkeit (Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 - zu II 2 b cc (3) (a) der Gründe mwN). Alle bekannten privaten und öffentlichen Systeme der Kranken-, Renten- und Lebensversicherung beruhen auf dieser Erwartung (BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 54, BAGE 128, 238). Entgegen der Ansicht der Klägerin kommen auch nicht lediglich Studien älteren Datums - wie etwa die ILO-Empfehlung Nr. 162 vom 23. Juni 1980 oder der WHO Technical Report Series 835 „Aging and Working Capacity” (dt. Übersetzung: „Altern und Arbeit“ 1994) - zu diesem Ergebnis. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden bestätigt zB durch den „Fortschrittsreport ‚Altersgerechte Arbeitswelt“, Ausgabe 3 des Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Stand September 2013). Nach diesem hat sich zwar die körperliche Konstitution besonders für die Altersgruppe der 45- bis 64-Jährigen verbessert (Ziff. 3.1). Dennoch zeigt die Studie weiterhin ein Ansteigen der Anzahl der krankheitsbedingten Fehltage sowie eine Verschlechterung des Gesundheitszustands mit fortschreitendem Lebensalter (Ziff. 4.2, Tabelle 2). Insbesondere bei belastenden Berufen nimmt die Anzahl krankheitsbedingter Fehltage im Alter überproportional zu und der Gesundheitszustand verschlechtert sich überproportional (vgl. Ziff. 4.2). Auch bei einfachen Dienstleistungen und einfachen manuellen Berufen verschlechtert sich der „selbstberichtete Gesundheitszustand in der Altersgruppe 55 bis 64 Jahre im Vergleich zum Durchschnitt“ immer noch deutlich (Ziff. 3.4). Zumindest hinsichtlich dieser Berufe erscheint die Annahme eines größeren Erholungsbedarfs im erhöhten Alter als nicht fehlerhaft (ebenso Reinhard ArbRB 2012, 342, 343). Auch Gegner eines allgemeinen Erfahrungssatzes gestehen zu, dass bei gesundheitlich besonders belastenden Tätigkeiten ein gesteigerter Erholungsbedarf mit zunehmendem Alter angenommen werden kann (v. Roetteken aaO; Däubler/Bertzbach/Brors aaO; Löwisch/Rieble § 1 Rn. 823).

27

Soweit das Landesarbeitsgericht auf die teilweise geforderte Darlegung spezifischer empirischer Untersuchungen bezogen auf die Tätigkeiten im Produktionsbetrieb der Beklagten verzichtet hat, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Durchführung derartiger Untersuchungen wäre praktisch aufwändig und schwierig (weiter gehend Kasprzyk aaO: „unmöglich“). Eine übersteigerte Darlegungslast würde die Einführung freiwilliger Leistungen unzumutbar erschweren. Die Feststellungen durch das Landesarbeitsgericht, dass die Beschäftigten der Beklagten bei der Schuhfertigung körperlich ermüdende und teils schwere Arbeiten leisten, verstärkt durch einen besonderen, prämienbezogenen Zeit- und Qualitätsdruck im Sinne eines Teamakkords, genügt danach als Tatsachenbasis für die Bejahung des dargestellten Erfahrungssatzes.

28

(bb) Der Hinweis auf die fehlende Altersstaffelung in § 3 BUrlG und Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG hilft der Klägerin für die Frage der Legitimität des Zwecks nicht weiter. Die Vorschriften regeln nur die Dauer des Mindesturlaubs und damit das unterste Maß dessen, was nach deutschem und europäischem Urlaubsrecht unabhängig von individuellen Besonderheiten zur Erholung erforderlich ist. Spezifische Charakteristika - wie das Alter oder der physische oder psychische Gesundheitszustand - bleiben bei der Setzung eines einheitlichen Minimalstandards naturgemäß außer Betracht. Auf nationaler Ebene kommt hinzu, dass der Gesetzgeber durchaus gesehen hat, dass es altersabhängig einen unterschiedlichen Erholungsbedarf geben kann, wie etwa § 57 Abs. 2 SeeArbG und § 19 Abs. 2 JArbSchG zeigen(siehe dazu v. Roetteken § 10 Rn. 263).

29

(d) Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Sicherstellung des Schutzes ihrer Arbeitnehmer nach Vollendung des 58. Lebensjahres als Zweck der zwei weiteren Urlaubstage vorgeschoben hat.

30

(aa) Allerdings ist dieser Zweck nicht unmittelbar der - nicht schriftlich fixierten - Regelung zu entnehmen. Nennt eine Regelung oder Maßnahme kein Ziel, müssen zumindest aus dem Kontext abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter der Regelung oder der Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, um die Legitimität des Ziels sowie die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüfen zu können (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 19 mwN, BAGE 141, 73; vgl. zur Richtlinie 2000/78/EG: EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 39 mwN, Slg. 2011, I-6919).

31

(bb) Wenn eine Tarifregelung die Urlaubsdauer nach dem Lebensalter staffelt, liegt die Annahme nahe, die Tarifvertragsparteien hätten einem mit zunehmendem Alter gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 23, BAGE 141, 73). Diese Annahme darf freilich nicht durch die konkrete Wahl der Altersgrenze(n) widerlegt werden, wie dies bei § 26 TVöD aF, der zusätzliche Urlaubstage bereits ab dem 30. Lebensjahr vorsah, der Fall war (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 24 ff., aaO).

32

(cc) Es ist kein Grund ersichtlich, bei einer individualrechtlichen Regelung nicht ebenfalls grundsätzlich davon auszugehen, dass mit einer Altersgrenze für die Gewährung zusätzlichen Urlaubs einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer Rechnung getragen werden soll. Diese Annahme erscheint umso mehr gerechtfertigt, wenn sie wie hier mit der Anerkennung eines Erfahrungssatzes bezüglich des gesteigerten Erholungsbedarfs bei körperlich belastenden Berufen korreliert. Hinzu kommt, dass die ständige Übung der Beklagten inhaltlich einer einschlägigen tarifvertraglichen Regelung entspricht. So sah der persönlich, fachlich und räumlich einschlägige Manteltarifvertrag vom 23. April 1997, abgeschlossen zwischen dem Hauptverband der Deutschen Schuhindustrie e. V. und der Gewerkschaft Leder sowie der IG BCE, für gewerbliche Arbeitnehmer in § 17 Ziff. 4 Buchst. a ab dem 58. Lebensjahr ebenfalls zwei zusätzliche Urlaubstage vor. Diese Regelung war im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht nicht durch eine neue Bestimmung abgeändert.

33

(dd) Schließlich widerlegt die Altersgrenze von 58 Lebensjahren nicht den Zweck, mit zwei weiteren Urlaubstagen im Kalenderjahr dem gesteigerten Erholungsbedürfnis Rechnung zu tragen. Dabei kann dahinstehen, ab welchem Alter die Annahme, der zusätzliche Urlaub diene dem höheren Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG, nicht mehr ohne Weiteres aufrechterhalten bzw. als widerlegt erachtet werden kann. Der Senat hat in der Entscheidung vom 20. März 2012 gemäß dem Rechtsgedanken aus § 417 Abs. 1 SGB III eine Altersgrenze von 50 Lebensjahren für die Einordnung als älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG in Betracht gezogen(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73; vgl. zu einer solchen Altersgrenze für die Gewährung zusätzlicher Urlaubstage: Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 -). Das Landesarbeitsgericht hat ergänzend darauf verwiesen, dass Leitlinie 17 der Entscheidung des Rates vom 12. Juli 2005 über Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten (2005/600/EG) Arbeitskräfte ab Vollendung des 55. Lebensjahres als ältere Arbeitnehmer erachtet und die WHO-Studiengruppe „Altern und Arbeit“ aus arbeitsmedizinischer Sicht wegen auftretender Schwierigkeiten in Arbeit und Beruf eine Grenze ab dem 45. Lebensjahr angenommen hat (zu A II 15 b bb (3) (b) der Gründe). Das Berufungsgericht hat damit nachvollziehbar begründet, warum es davon ausgeht, dass die Urlaubsregelung einem legitimen Zweck iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG dient und es diesen Zweck nicht lediglich als von der Beklagten vorgeschoben erachtet.

34

(2) Die Regelung ist geeignet, den in § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG beschriebenen Zweck zu fördern. Insbesondere kann die Klägerin nicht mit dem Argument gehört werden, dass die Gewährung von lediglich zwei Urlaubstagen ungeeignet sei, einen altersbedingt erhöhten Erholungsbedarf auszugleichen. Die Geeignetheit ist nicht deshalb zu verneinen, weil ein gestiegener Erholungsbedarf unter Umständen nicht vollständig, sondern nur partiell ausgeglichen wird. Gerade angesichts des vom Arbeitgeber bei einer freiwilligen Leistung selbst gesetzten Dotierungsrahmens wäre die Beschränkung auf einen Teilausgleich nachvollziehbar und zulässig. Zudem haben auch die Tarifvertragsparteien angesichts der Tätigkeit eines Produktionsmitarbeiters in der Schuhbranche zwei Tage Urlaub für geeignet und ausreichend erachtet. Dass die Beklagte sich die von den Sozialpartnern ausgehandelte Regelung zu eigen macht und im Rahmen ihres Ermessensspielraums eine entsprechende Regelung trifft, ist unter dem Aspekt der Geeignetheit der Regelung nicht zu beanstanden.

35

(3) Die Regelung ist auch erforderlich und angemessen (§ 10 Satz 2 AGG). Mildere Mittel, die in gleicher Weise den Schutz älterer Arbeitnehmer verwirklichen könnten, sind nicht ersichtlich.

36

(a) Die Wahl einer anderen, niedrigeren Altersgrenze stellte kein gleich wirksames, milderes Mittel mit geringerem altersspezifischen Effekt dar. Es handelte sich vielmehr um eine andere Maßnahme mit einem erhöhtem Dotierungsrahmen.

37

(b) Eine niedrigere Altersgrenze verbunden mit nur einem weiteren Urlaubstag im Kalenderjahr müsste zwar nicht zwingend zu einer Erhöhung des Dotierungsrahmens führen. Allerdings hätten dann Arbeitnehmer nach Vollendung des 58. Lebensjahres nicht mehr Anspruch auf den zweiten weiteren Urlaubstag, den die Beklagte im Einklang mit dem einschlägigen Tarifvertrag angesichts des gesteigerten Erholungsbedarfs im höheren Alter in der Schuhproduktion für notwendig erachtet. Der Gestaltungs- und Ermessensspielraum der Beklagten lässt auch im Rahmen der Erforderlichkeit und Angemessenheit die von ihr angewandte Regelung zu. Die Interessen der Beteiligten werden hinreichend berücksichtigt. Es werden lediglich in Übereinstimmung mit dem Abwägungsergebnis der Tarifvertragsparteien die Interessen der über 58-Jährigen an einem zusätzlichen Urlaubstag höher gewichtet als die Interessen der übrigen Beschäftigten, schon im jüngeren Alter einen zusätzlichen Urlaubstag zu erhalten.

38

(c) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Beklagte nicht verpflichtet, zusätzliche Urlaubstage nur nach dem individuell ermittelten Erholungsbedarf unter Einbeziehung altersunabhängiger Belastungsfaktoren, wie der Pflege und Betreuung von Kindern, sowie unter Berücksichtigung des individuellen Alterungsprozesses zu gewähren. Zwar mag es zutreffen, dass es weitere Belastungsfaktoren gibt, die zu einem gesteigerten Erholungsbedarf führen können. Jedoch wäre eine solche individuelle Regelung in vielerlei Hinsicht praktisch nicht oder nur mit großen Schwierigkeiten handhabbar. Dies gilt nicht nur bezüglich der Gewichtung der einzelnen (persönlichen) Belastungsfaktoren untereinander, sondern vor allem auch für deren Ermittlung durch die Beklagte. Auch der Gerichtshof der Europäischen Union hat anerkannt, dass bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Regelung im Hinblick auf das Verbot der Altersdiskriminierung zu beachten ist, dass die fragliche Regelung in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht handhabbar bleiben müsse, und deshalb nicht generell verlangt werden könne, dass immer jeder Einzelfall individuell geprüft werde (EuGH 19. Juni 2014 - C-501/12 ua. - [Specht ua.] Rn. 78). Unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten darf der Arbeitgeber daher im Sinne einer typisierenden Betrachtung in Ausübung seines Gestaltungsspielraums auch einen Grund für ein gesteigertes Erholungsbedürfnis - wie etwa das Alter in belastenden Berufen - als Differenzierungskriterium heranziehen. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG enthält kein Gebot, die dort genannten typischerweise besonders schutzbedürftigen Personengruppen (Jugendliche, ältere Beschäftigte und Personen mit Fürsorgepflichten) hinsichtlich besonderer Arbeitsbedingungen gleich zu behandeln.

39

2. Aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz folgt ebenfalls kein Anspruch der Klägerin auf die begehrten zwei zusätzlichen Urlaubstage. Ist - wie hier - die unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmergruppen aus einem in § 1 AGG genannten Grund unter den im AGG normierten Voraussetzungen zulässig, ist auch der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt(ebenso bezüglich des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes: BAG 17. September 2013 - 3 AZR 686/11 - Rn. 25 mwN). Eine sachwidrige Ungleichbehandlung kommt angesichts der Rechtfertigung gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG nicht in Betracht.

40

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

        

        

    M. Lücke    

        

    Kranzusch    

                 

(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.

(2) Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, sind unwirksam.

(3) Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 7. September 2012 - 6 Sa 709/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe des jährlichen Urlaubsanspruchs.

2

Die Beklagte stellt Schuhe her. Die am 10. April 1960 geborene Klägerin ist bei ihr seit dem 1. Juli 1994 als Produktionsmitarbeiterin beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 13. November 2000 ist ua. vereinbart, dass der jährliche Urlaubsanspruch 34 Arbeitstage beträgt. Die Beklagte gewährt allen Arbeitnehmern, die das 58. Lebensjahr vollendet haben, 36 Arbeitstage Jahresurlaub, ohne dass individuelle Vereinbarungen über einen höheren Jahresurlaub vorliegen. Die übrigen Beschäftigten erhalten jährlich 34 Urlaubstage.

3

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Urlaubsregelung sei altersdiskriminierend. Die Behauptung, ältere Mitarbeiter benötigten im Produktionsbetrieb längere Erholungsphasen, sei durch die darlegungsbelastete Beklagte nicht dargetan. Das Bundesurlaubsgesetz stelle bezüglich der Dauer des Urlaubs weder auf die physische Belastung noch auf das Alter der Arbeitnehmer ab. Die Beklagte habe keinen Grund genannt, warum ein gesteigertes Erholungsbedürfnis ausgerechnet mit 58 Jahren eintrete. Zudem könne mit lediglich zwei zusätzlichen Urlaubstagen ein etwaiger höherer Erholungsbedarf nicht ausgeglichen werden. Bei einem stetig steigenden Erholungsbedarf müsste jedenfalls auch die Urlaubsdauer gestaffelt werden. Bei anderen Arbeitnehmergruppen sei ein erhöhter Erholungsbedarf nachvollziehbar. Diese würden jedoch nicht begünstigt. So seien jüngere Arbeitnehmer durch Familie und Beruf oftmals stärker beansprucht als ältere. Die Beklagte habe ihr zur Beseitigung der Diskriminierung jährlich zwei weitere Urlaubstage zu gewähren.

4

Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr 36 Arbeitstage Erholungsurlaub zu gewähren.

5

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, ihre Urlaubsregelung beinhalte keine Diskriminierung. Nach der Lebenserfahrung benötigten ältere Arbeitnehmer, die körperlich ermüdende und schwere Arbeiten verrichten, längere Erholungszeiten als jüngere. Zwei zusätzliche Urlaubstage seien angemessen.

6

Das Arbeitsgericht hat die Klage - soweit für die Revision von Bedeutung - abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Feststellungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, der Klägerin auch schon vor der Vollendung der 58. Lebensjahres insgesamt 36 Arbeitstage Erholungsurlaub pro Jahr zu gewähren.

8

I. Die Klage ist in der gebotenen Auslegung zulässig, insbesondere besteht das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.

9

1. Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer den Umfang des ihm zustehenden Urlaubs gerichtlich festgestellt wissen will, nicht entgegen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 9, BAGE 141, 73; 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - Rn. 13 ff., BAGE 137, 328).

10

2. Die am 10. April 1960 geborene Klägerin hat ein rechtlich anerkennenswertes Interesse daran, alsbald zu erfahren, ob ihr bereits vor der Vollendung ihres 58. Lebensjahres zwei weitere Urlaubstage pro Jahr zustehen. Ihr Antrag bezieht sich dem Wortlaut nach zwar auf den gesamten Jahresurlaub. Er kann jedoch so ausgelegt werden, dass er sich nur auf zwei weitere Urlaubstage im Kalenderjahr bezieht. Zwischen den Parteien besteht kein Streit, dass der Klägerin die vertraglich vereinbarten 34 Urlaubstage pro Jahr zustehen. Die Klägerin hat im Laufe des Verfahrens deutlich gemacht, dass der Antrag auf die Feststellung des Bestehens zweier zusätzlicher Urlaubstage gerichtet ist. Darüber hinaus hat das Landesarbeitsgericht den Klageantrag zutreffend so verstanden, dass er vergangene Urlaubsjahre nicht erfasst. Es handelt sich um einen gegenwartsbezogenen Feststellungsantrag, für dessen Entscheidung grundsätzlich auf die Sachlage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht abzustellen ist (vgl. BAG 15. Mai 2013 - 7 AZR 494/11 - Rn. 15 ff.).

11

II. Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen vor Vollendung ihres 58. Lebensjahres nicht gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 iVm. § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG zwei weitere Urlaubstage zu. Die Urlaubsregelung ist nicht gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam und führt somit bezüglich der Dauer des Urlaubs der Klägerin nicht zu einer „Anpassung nach oben“(siehe dazu BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 27 ff., BAGE 141, 73; vgl. aber auch BAG 14. Mai 2013 - 1 AZR 44/12 - Rn. 25, BAGE 145, 113).

12

1. Es liegt zwar eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor. Diese ist jedoch gemäß § 10 Satz 1, 2 und Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt.

13

a) Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Unter Alter iSd. § 1 AGG ist das Lebensalter zu verstehen. Dies folgt aus dem Wortlaut des Gesetzes und aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/1780 S. 31; BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 14, BAGE 141, 73; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 36, BAGE 129, 181). Eine unmittelbare Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 1 AGG gegeben, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Der für eine unmittelbare Benachteiligung erforderliche Kausalzusammenhang ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere in § 1 AGG genannte Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - aaO mwN).

14

b) Daran gemessen liegt eine unmittelbare Ungleichbehandlung wegen des Alters vor. Die Urlaubsregelung knüpft die Gewährung von zwei weiteren Urlaubstagen an die Vollendung des 58. Lebensjahres und damit unmittelbar an das Lebensalter der Beschäftigten. Arbeitnehmer, die diese Altersgrenze nicht erreicht haben, werden wegen ihres Alters ungünstiger behandelt.

15

c) Die Ungleichbehandlung ist jedoch gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt. Die Regelung bezweckt bei Berücksichtigung eines Gestaltungs- und Ermessensspielraums der Beklagten den in dieser Bestimmung genannten Schutz älterer Beschäftigter und ist geeignet, erforderlich und angemessen im Sinne von § 10 Satz 2 AGG.

16

aa) Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG konkretisiert ua. das legitime Ziel der Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter, wobei dieser Schutz auch die Festlegung besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließen kann (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73).

17

bb) § 10 AGG dient der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16) in das nationale Recht (BAG 18. März 2014 - 3 AZR 69/12 - Rn. 21). Der Gesetzgeber hat bei der Umsetzung den Text der Richtlinie nahezu wörtlich in das nationale Recht übernommen. Dessen Regelungen sind unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszulegen (vgl. BAG 14. März 2012 - 7 AZR 480/08 - Rn. 30).

18

cc) Dem Arbeitgeber steht bei freiwilligen zusätzlichen Leistungen - wozu auch die Gewährung von übergesetzlichem Mehrurlaub gehört - ein von den Gerichten zu respektierender Gestaltungs- und Ermessensspielraum zu (vgl. zu Leistungen der betrieblichen Altersversorgung: BAG 12. November 2013 - 3 AZR 356/12 - Rn. 28; 12. Februar 2013 - 3 AZR 100/11 - Rn. 31 mwN, BAGE 144, 231). Auch in der Rechtsprechung des EuGH ist anerkannt, dass die Mitgliedstaaten und gegebenenfalls die Sozialpartner auf nationaler Ebene beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts nicht nur bei der Entscheidung, welches konkrete Ziel von mehreren im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik sie verfolgen wollen, sondern auch bei der Festlegung der Maßnahmen zu seiner Erreichung über einen weiten Gestaltungsspielraum verfügen (EuGH 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Rn. 68, Slg. 2007, I-8531). Diese Erwägungen gelten nach dem EuGH auch für Ziele, die der Arbeitgeber mit einer vertraglichen Regelung verfolgt (vgl. EuGH 26. September 2013 - C-476/11 - [HK Danmark] Rn. 61).

19

dd) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Benachteiligung der Arbeitnehmer der Beklagten, die das 58. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, gerechtfertigt.

20

(1) Die Beklagte gewährt den Arbeitnehmern in ihrem Produktionsbetrieb nach der Vollendung des 58. Lebensjahres aufgrund ihres gesteigerten Erholungsbedürfnisses zwei weitere Urlaubstage im Kalenderjahr und bezweckt damit die Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. Da dieser Schutz die Festlegung besonderer Arbeitsbedingungen einschließt (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73), unterfallen ihm auch zusätzliche Urlaubstage.

21

(a) Das AGG definiert in § 10 Satz 3 Nr. 1 - ebenso wie Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG - nicht, wann ein Beschäftigter „älter“ im Sinne der Norm ist (vgl. zum herkömmlichen Verständnis: BAG 18. September 2014 - 6 AZR 636/13 - Rn. 44). Nach dem Sinn und Zweck des Benachteiligungsverbots reicht es ohne das Vorliegen anderer Differenzierungsgründe nicht aus, dass das Alter der begünstigten Arbeitnehmer höher ist als das Alter der nicht begünstigten. Dementsprechend hat der Senat angenommen, ein Arbeitnehmer sei nach der Vollendung seines 31. Lebensjahres offensichtlich noch kein älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 55, BAGE 132, 210). Aus dem systematischen Zusammenhang mit § 10 Satz 1 AGG und aus dem Regelungszweck folgt, dass die begünstigten Arbeitnehmer aufgrund ihres Alters der Förderung bei der beruflichen Eingliederung oder des Schutzes bedürfen müssen.

22

(aa) Der Senat ist in seiner Entscheidung vom 20. März 2012 nicht davon ausgegangen, dass mit zunehmenden Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steige. Er hat allerdings ab einem bestimmten Alter - konkret: bei über 50- oder über 60-jährigen Beschäftigten - ein altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis für „eher nachvollziehbar“ gehalten (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 24 f., BAGE 141, 73).

23

(bb) Das Landesarbeitsgericht hat in Übereinstimmung mit der überwiegenden Auffassung im Schrifttum als Erfahrungssatz angenommen, dass mit zunehmenden Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steigt (so auch Tempelmann/Stenslik DStR 2011, 1183, 1185 f.; Lingemann/Gotham NZA 2007, 663, 666; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 143 f.; Waltermann NZA 2005, 1265, 1269; Over Das Verbot der Altersdiskriminierung im Arbeitsrecht nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz S. 231; Küttner/Kania Personalbuch 2014 Diskriminierung Rn. 90; vgl. auch Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 - zu II 2 b cc (3) (a) der Gründe mwN). Diese Ansicht ist allerdings nicht unumstritten. So wird auf die Individualität der Alterungsprozesse und den fehlenden Nachweis von Altersklassen mit spezifischem Erholungsbedarf hingewiesen (Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 1 Rn. 822). Die Aufstellung eines generellen Erfahrungssatzes soll dem traditionellen Bild vom „alten Arbeitnehmer“ entsprechen (Däubler/Bertzbach/Brors 3. Aufl. § 10 Rn. 43). Auch wird hervorgehoben, dass der Gesetzgeber in § 3 BUrlG bezüglich der Dauer des Urlaubs nicht nach dem Lebensalter der Arbeitnehmer unterscheide und demnach nicht von einem unterschiedlichen Erholungsbedürfnis ausgehe(Bertelsmann in Rust/Falke AGG § 10 Rn. 93). Auch auf europäischer Ebene sehe Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG vier Wochen Urlaub einheitlich für alle Berufsgruppen altersunabhängig vor(v. Roetteken AGG Stand September 2014 § 10 Rn. 262). Verlangt wird zumindest die Darlegung eines empirischen Befunds zum steigenden Erholungsbedarf unter Beachtung der Tätigkeit bevorzugter Arbeitnehmer (Däubler/Bertzbach/Brors aaO; aA Kasprzyk Altersdiskriminierung im deutschen Arbeitsrecht S. 185).

24

(b) Erfahrungssätze sind Hilfsmittel. Die Feststellung von allgemein anerkannten Erfahrungssätzen ist als Tatfrage den Tatsachengerichten vorbehalten. Dabei ist es diesen nicht verwehrt, das Bestehen oder Nichtbestehen eines Erfahrungssatzes zu beurteilen, wenn sie dazu über ausreichende Sachkunde und Lebenserfahrung verfügen. Andernfalls haben sie sich der Hilfe eines Sachverständigen zu bedienen. Die Zuziehung eines Sachverständigen zur Unterstützung des Gerichts ist gemäß § 144 Abs. 1 ZPO durch die Tatsachengerichte stets nach pflichtgemäßen Ermessen zu prüfen(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 65 mwN, BAGE 132, 210; vgl. allg. zu Erfahrungssätzen: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 73. Aufl. Einf. § 284 Rn. 22).

25

(c) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Landesarbeitsgericht von der Zuziehung eines Sachverständigen abgesehen hat. Dieses durfte aufgrund der von ihm festgestellten körperlich anstrengenden Tätigkeiten im Produktionsbetrieb der Beklagten auch ohne Sachverständigengutachten annehmen, dass das Erholungsbedürfnis der dort beschäftigten Arbeitnehmer mit zunehmenden Alter steigt. Ob es einen tätigkeitsunabhängigen generellen Zusammenhang zwischen dem Erholungsbedarf und dem Alter gibt (so etwa Kamanabrou aaO), kann dahinstehen.

26

(aa) Die Annahme eines Erfahrungssatzes dahin gehend, dass bei körperlich belastenden Berufen das Erholungsbedürfnis im höheren Alter steigt, begegnet keinen Bedenken. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die physische Belastbarkeit mit zunehmendem Alter abnimmt (etwa BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 67 mwN, BAGE 132, 210; Bayerischer VGH 24. Oktober 2011 - 3 ZB 08.721 - zu II 1 b der Gründe). Dieser Erfahrungssatz betrifft auch den Wirkungszusammenhang von erreichtem Lebensalter und Krankheitsanfälligkeit (Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 - zu II 2 b cc (3) (a) der Gründe mwN). Alle bekannten privaten und öffentlichen Systeme der Kranken-, Renten- und Lebensversicherung beruhen auf dieser Erwartung (BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 54, BAGE 128, 238). Entgegen der Ansicht der Klägerin kommen auch nicht lediglich Studien älteren Datums - wie etwa die ILO-Empfehlung Nr. 162 vom 23. Juni 1980 oder der WHO Technical Report Series 835 „Aging and Working Capacity” (dt. Übersetzung: „Altern und Arbeit“ 1994) - zu diesem Ergebnis. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden bestätigt zB durch den „Fortschrittsreport ‚Altersgerechte Arbeitswelt“, Ausgabe 3 des Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Stand September 2013). Nach diesem hat sich zwar die körperliche Konstitution besonders für die Altersgruppe der 45- bis 64-Jährigen verbessert (Ziff. 3.1). Dennoch zeigt die Studie weiterhin ein Ansteigen der Anzahl der krankheitsbedingten Fehltage sowie eine Verschlechterung des Gesundheitszustands mit fortschreitendem Lebensalter (Ziff. 4.2, Tabelle 2). Insbesondere bei belastenden Berufen nimmt die Anzahl krankheitsbedingter Fehltage im Alter überproportional zu und der Gesundheitszustand verschlechtert sich überproportional (vgl. Ziff. 4.2). Auch bei einfachen Dienstleistungen und einfachen manuellen Berufen verschlechtert sich der „selbstberichtete Gesundheitszustand in der Altersgruppe 55 bis 64 Jahre im Vergleich zum Durchschnitt“ immer noch deutlich (Ziff. 3.4). Zumindest hinsichtlich dieser Berufe erscheint die Annahme eines größeren Erholungsbedarfs im erhöhten Alter als nicht fehlerhaft (ebenso Reinhard ArbRB 2012, 342, 343). Auch Gegner eines allgemeinen Erfahrungssatzes gestehen zu, dass bei gesundheitlich besonders belastenden Tätigkeiten ein gesteigerter Erholungsbedarf mit zunehmendem Alter angenommen werden kann (v. Roetteken aaO; Däubler/Bertzbach/Brors aaO; Löwisch/Rieble § 1 Rn. 823).

27

Soweit das Landesarbeitsgericht auf die teilweise geforderte Darlegung spezifischer empirischer Untersuchungen bezogen auf die Tätigkeiten im Produktionsbetrieb der Beklagten verzichtet hat, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Durchführung derartiger Untersuchungen wäre praktisch aufwändig und schwierig (weiter gehend Kasprzyk aaO: „unmöglich“). Eine übersteigerte Darlegungslast würde die Einführung freiwilliger Leistungen unzumutbar erschweren. Die Feststellungen durch das Landesarbeitsgericht, dass die Beschäftigten der Beklagten bei der Schuhfertigung körperlich ermüdende und teils schwere Arbeiten leisten, verstärkt durch einen besonderen, prämienbezogenen Zeit- und Qualitätsdruck im Sinne eines Teamakkords, genügt danach als Tatsachenbasis für die Bejahung des dargestellten Erfahrungssatzes.

28

(bb) Der Hinweis auf die fehlende Altersstaffelung in § 3 BUrlG und Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG hilft der Klägerin für die Frage der Legitimität des Zwecks nicht weiter. Die Vorschriften regeln nur die Dauer des Mindesturlaubs und damit das unterste Maß dessen, was nach deutschem und europäischem Urlaubsrecht unabhängig von individuellen Besonderheiten zur Erholung erforderlich ist. Spezifische Charakteristika - wie das Alter oder der physische oder psychische Gesundheitszustand - bleiben bei der Setzung eines einheitlichen Minimalstandards naturgemäß außer Betracht. Auf nationaler Ebene kommt hinzu, dass der Gesetzgeber durchaus gesehen hat, dass es altersabhängig einen unterschiedlichen Erholungsbedarf geben kann, wie etwa § 57 Abs. 2 SeeArbG und § 19 Abs. 2 JArbSchG zeigen(siehe dazu v. Roetteken § 10 Rn. 263).

29

(d) Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Sicherstellung des Schutzes ihrer Arbeitnehmer nach Vollendung des 58. Lebensjahres als Zweck der zwei weiteren Urlaubstage vorgeschoben hat.

30

(aa) Allerdings ist dieser Zweck nicht unmittelbar der - nicht schriftlich fixierten - Regelung zu entnehmen. Nennt eine Regelung oder Maßnahme kein Ziel, müssen zumindest aus dem Kontext abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter der Regelung oder der Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, um die Legitimität des Ziels sowie die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüfen zu können (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 19 mwN, BAGE 141, 73; vgl. zur Richtlinie 2000/78/EG: EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 39 mwN, Slg. 2011, I-6919).

31

(bb) Wenn eine Tarifregelung die Urlaubsdauer nach dem Lebensalter staffelt, liegt die Annahme nahe, die Tarifvertragsparteien hätten einem mit zunehmendem Alter gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 23, BAGE 141, 73). Diese Annahme darf freilich nicht durch die konkrete Wahl der Altersgrenze(n) widerlegt werden, wie dies bei § 26 TVöD aF, der zusätzliche Urlaubstage bereits ab dem 30. Lebensjahr vorsah, der Fall war (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 24 ff., aaO).

32

(cc) Es ist kein Grund ersichtlich, bei einer individualrechtlichen Regelung nicht ebenfalls grundsätzlich davon auszugehen, dass mit einer Altersgrenze für die Gewährung zusätzlichen Urlaubs einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer Rechnung getragen werden soll. Diese Annahme erscheint umso mehr gerechtfertigt, wenn sie wie hier mit der Anerkennung eines Erfahrungssatzes bezüglich des gesteigerten Erholungsbedarfs bei körperlich belastenden Berufen korreliert. Hinzu kommt, dass die ständige Übung der Beklagten inhaltlich einer einschlägigen tarifvertraglichen Regelung entspricht. So sah der persönlich, fachlich und räumlich einschlägige Manteltarifvertrag vom 23. April 1997, abgeschlossen zwischen dem Hauptverband der Deutschen Schuhindustrie e. V. und der Gewerkschaft Leder sowie der IG BCE, für gewerbliche Arbeitnehmer in § 17 Ziff. 4 Buchst. a ab dem 58. Lebensjahr ebenfalls zwei zusätzliche Urlaubstage vor. Diese Regelung war im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht nicht durch eine neue Bestimmung abgeändert.

33

(dd) Schließlich widerlegt die Altersgrenze von 58 Lebensjahren nicht den Zweck, mit zwei weiteren Urlaubstagen im Kalenderjahr dem gesteigerten Erholungsbedürfnis Rechnung zu tragen. Dabei kann dahinstehen, ab welchem Alter die Annahme, der zusätzliche Urlaub diene dem höheren Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG, nicht mehr ohne Weiteres aufrechterhalten bzw. als widerlegt erachtet werden kann. Der Senat hat in der Entscheidung vom 20. März 2012 gemäß dem Rechtsgedanken aus § 417 Abs. 1 SGB III eine Altersgrenze von 50 Lebensjahren für die Einordnung als älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG in Betracht gezogen(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73; vgl. zu einer solchen Altersgrenze für die Gewährung zusätzlicher Urlaubstage: Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 -). Das Landesarbeitsgericht hat ergänzend darauf verwiesen, dass Leitlinie 17 der Entscheidung des Rates vom 12. Juli 2005 über Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten (2005/600/EG) Arbeitskräfte ab Vollendung des 55. Lebensjahres als ältere Arbeitnehmer erachtet und die WHO-Studiengruppe „Altern und Arbeit“ aus arbeitsmedizinischer Sicht wegen auftretender Schwierigkeiten in Arbeit und Beruf eine Grenze ab dem 45. Lebensjahr angenommen hat (zu A II 15 b bb (3) (b) der Gründe). Das Berufungsgericht hat damit nachvollziehbar begründet, warum es davon ausgeht, dass die Urlaubsregelung einem legitimen Zweck iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG dient und es diesen Zweck nicht lediglich als von der Beklagten vorgeschoben erachtet.

34

(2) Die Regelung ist geeignet, den in § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG beschriebenen Zweck zu fördern. Insbesondere kann die Klägerin nicht mit dem Argument gehört werden, dass die Gewährung von lediglich zwei Urlaubstagen ungeeignet sei, einen altersbedingt erhöhten Erholungsbedarf auszugleichen. Die Geeignetheit ist nicht deshalb zu verneinen, weil ein gestiegener Erholungsbedarf unter Umständen nicht vollständig, sondern nur partiell ausgeglichen wird. Gerade angesichts des vom Arbeitgeber bei einer freiwilligen Leistung selbst gesetzten Dotierungsrahmens wäre die Beschränkung auf einen Teilausgleich nachvollziehbar und zulässig. Zudem haben auch die Tarifvertragsparteien angesichts der Tätigkeit eines Produktionsmitarbeiters in der Schuhbranche zwei Tage Urlaub für geeignet und ausreichend erachtet. Dass die Beklagte sich die von den Sozialpartnern ausgehandelte Regelung zu eigen macht und im Rahmen ihres Ermessensspielraums eine entsprechende Regelung trifft, ist unter dem Aspekt der Geeignetheit der Regelung nicht zu beanstanden.

35

(3) Die Regelung ist auch erforderlich und angemessen (§ 10 Satz 2 AGG). Mildere Mittel, die in gleicher Weise den Schutz älterer Arbeitnehmer verwirklichen könnten, sind nicht ersichtlich.

36

(a) Die Wahl einer anderen, niedrigeren Altersgrenze stellte kein gleich wirksames, milderes Mittel mit geringerem altersspezifischen Effekt dar. Es handelte sich vielmehr um eine andere Maßnahme mit einem erhöhtem Dotierungsrahmen.

37

(b) Eine niedrigere Altersgrenze verbunden mit nur einem weiteren Urlaubstag im Kalenderjahr müsste zwar nicht zwingend zu einer Erhöhung des Dotierungsrahmens führen. Allerdings hätten dann Arbeitnehmer nach Vollendung des 58. Lebensjahres nicht mehr Anspruch auf den zweiten weiteren Urlaubstag, den die Beklagte im Einklang mit dem einschlägigen Tarifvertrag angesichts des gesteigerten Erholungsbedarfs im höheren Alter in der Schuhproduktion für notwendig erachtet. Der Gestaltungs- und Ermessensspielraum der Beklagten lässt auch im Rahmen der Erforderlichkeit und Angemessenheit die von ihr angewandte Regelung zu. Die Interessen der Beteiligten werden hinreichend berücksichtigt. Es werden lediglich in Übereinstimmung mit dem Abwägungsergebnis der Tarifvertragsparteien die Interessen der über 58-Jährigen an einem zusätzlichen Urlaubstag höher gewichtet als die Interessen der übrigen Beschäftigten, schon im jüngeren Alter einen zusätzlichen Urlaubstag zu erhalten.

38

(c) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Beklagte nicht verpflichtet, zusätzliche Urlaubstage nur nach dem individuell ermittelten Erholungsbedarf unter Einbeziehung altersunabhängiger Belastungsfaktoren, wie der Pflege und Betreuung von Kindern, sowie unter Berücksichtigung des individuellen Alterungsprozesses zu gewähren. Zwar mag es zutreffen, dass es weitere Belastungsfaktoren gibt, die zu einem gesteigerten Erholungsbedarf führen können. Jedoch wäre eine solche individuelle Regelung in vielerlei Hinsicht praktisch nicht oder nur mit großen Schwierigkeiten handhabbar. Dies gilt nicht nur bezüglich der Gewichtung der einzelnen (persönlichen) Belastungsfaktoren untereinander, sondern vor allem auch für deren Ermittlung durch die Beklagte. Auch der Gerichtshof der Europäischen Union hat anerkannt, dass bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Regelung im Hinblick auf das Verbot der Altersdiskriminierung zu beachten ist, dass die fragliche Regelung in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht handhabbar bleiben müsse, und deshalb nicht generell verlangt werden könne, dass immer jeder Einzelfall individuell geprüft werde (EuGH 19. Juni 2014 - C-501/12 ua. - [Specht ua.] Rn. 78). Unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten darf der Arbeitgeber daher im Sinne einer typisierenden Betrachtung in Ausübung seines Gestaltungsspielraums auch einen Grund für ein gesteigertes Erholungsbedürfnis - wie etwa das Alter in belastenden Berufen - als Differenzierungskriterium heranziehen. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG enthält kein Gebot, die dort genannten typischerweise besonders schutzbedürftigen Personengruppen (Jugendliche, ältere Beschäftigte und Personen mit Fürsorgepflichten) hinsichtlich besonderer Arbeitsbedingungen gleich zu behandeln.

39

2. Aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz folgt ebenfalls kein Anspruch der Klägerin auf die begehrten zwei zusätzlichen Urlaubstage. Ist - wie hier - die unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmergruppen aus einem in § 1 AGG genannten Grund unter den im AGG normierten Voraussetzungen zulässig, ist auch der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt(ebenso bezüglich des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes: BAG 17. September 2013 - 3 AZR 686/11 - Rn. 25 mwN). Eine sachwidrige Ungleichbehandlung kommt angesichts der Rechtfertigung gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG nicht in Betracht.

40

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

        

        

    M. Lücke    

        

    Kranzusch    

                 

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Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerpartei wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 18.10.2011 - Az. 8 Ca 1361/11 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise wie folgt abgeändert:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerpartei gemeinsam mit dem Gehalt für den Monat November ein jährliches Weihnachtsgeld, das in der Gehaltsmitteilung zuletzt als "Weihnachtsgeld 40 %" ausgewiesen war, zu zahlen, bei dem es sich nicht um eine freiwillige Leistung der Beklagten handelt und welches auch nicht von der Beklagten widerrufen werden kann.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerpartei ein jährliches Urlaubsgeld zu zahlen, welches in der Gehaltsmitteilung zuletzt als "Urlaubsgeld 23,25 %" ausgewiesen war und das jeweils gemeinsam mit dem Gehalt für die Monate Juni und Oktober gezahlt wird, dessen Zahlung nicht freiwillig erfolgt und welches von der Beklagten auch nicht widerrufen werden kann.

Die Beklagte wird verurteilt, gegenüber der klagenden Partei die Zusammensetzung und Höhe der mit der Klägerpartei vereinbarten stückzahlabhängigen Leistungsprämie sowie deren Fälligkeit schriftlich niederzulegen und die Niederschrift zu unterzeichnen.

Die Beklagte wird verurteilt, der klagenden Partei gegenüber Zusammensetzung und Höhe der der Klägerin zu zahlende Anwesenheitsprämie in Höhe von 5 % des Bruttolohnes, errechnet aus der Summe aus Arbeits- und Urlaubsstunden schriftlich niederzulegen und die Niederschrift zu unterzeichnen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die klagende Partei zu 74 %, die Beklagte zu 26 % zu tragen.

3. Die Revision wird - mit Ausnahme der Abweisung des Antrags zu Ziffer 8 bezüglich des Jahresurlaubs von 36 Arbeitstagen, für den die Revision für die Klägerseite zugelassen wird - nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Verbindlichkeit von vermögenswirksamen Leistungen, Urlaubs- und Weihnachtsgeldansprüchen, Anwesenheits- und Leistungsprämien sowie die Berücksichtigung von Schichtzulagen bei Urlaubs- und Arbeitsunfähigkeitsvergütung, weiter die Wirksamkeit der betrieblichen Gewährung von zwei Zusatzurlaubstagen für über 58-Jährige sowie daran anknüpfende Diskriminierungsentschädigung.

2

Die am 10. April 1960 geborene Klägerpartei ist bei der Beklagten seit 1. Juli 1994 als produktionsmitarbeitende Kraft beschäftigt. Die Beklagte wurde 1994 als Z GmbH gegründet und zum 25. Februar 2010 in ihre jetzige Firma überführt. Die von ihr betriebene Montage von Sandalen und Clogs vollzieht sich mit mehr als 150 Arbeitnehmern in Produktionsstraßen unter Einsatz von Maschinen. Die Größe der im Regelfall 10-12 Produktionsteams variiert je nach Schuhtyp sowie Art und Anzahl der verarbeiteten Teile.

3

Der Arbeitsvertrag der Klägerpartei stammt vom 13. November 2000 (Bl. 67 f d.A.) und sieht in Ziff. 2 und 3 vor:

4

„2. [Die Klägerpartei] erhält derzeit einen Stundenlohn von DM ... . Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt ... Stunden, der jährliche Urlaubsanspruch 34 Arbeitstage.

5

3. Bei Sonderzahlungen, Leistungs- und Anwesenheitsprämien handelt es sich um freiwillige, jederzeit widerrufliche Leistungen, auf die auch bei wiederholter Gewährung kein Rechtsanspruch für die Zukunft besteht.“

6

Die Beklagte leistete ihren Arbeitnehmern zurückliegend wiederholt einen - zuletzt gegenüber der Klägerpartei als „Weihnachtsgeld 40%“ in die Gehaltsmitteilung eingestellten- zusätzlichen Betrag mit der Novembervergütung. Aus den zur Akte gereichten Gehaltsmitteilungen des Beschäftigten V. H. Z ergeben sich bereits in 1994 und 1995 innerbetrieblich entsprechende Zahlungen. Die Klägerpartei hat eigene Abrechnungen seit Januar 2006 zur Gerichtsakte gereicht (Bl. 97-162 d.A.), in denen sich die Leistungen ebenso ausgewiesen finden.

7

Die Beklagte leistete in der Vergangenheit gegenüber der Klägerpartei wie auch der weiteren Belegschaft außerdem jährlich zwei gleich hohe Beträge, die mit dem Juni- und dem Oktobergehalt ausgewiesen wurden, und zwar als „Urlaubsgeld 23,5%“. Aus den Gehaltsmitteilungen des Beschäftigten V. H. Z ergeben sich Leistungsnachweise bereits für Juni und Oktober 1995. Für die Klägerpartei folgt gleiches aus den seit Januar 2006 zur Akte gereichten Abrechnungen.

8

Die Beklagte leistete zurückliegend des Weiteren Arbeitgeberanteile zu den vermögenswirksamen Leistungen. In den aktuelleren von der Beklagten verwendeten Arbeitsverträgen regelt sie diese explizit. Bei länger Beschäftigten - wie der Klägerpartei - existieren keine ausdrücklichen niedergelegten Vereinbarungen.

9

Die Beklagte arbeitet seit ihrer Gründung ferner - zumindest der Struktur nach - mit einer Leistungsprämie. Diese Prämie kann sich je nach Beschäftigten im Jahr auf bis zu ein Bruttomonatsgehalt summieren. Die Prämie wurde - nachdem sich das vorherige Schema als unzweckmäßig erwiesen hatte - zu Beginn des Jahres 2008 auf das gegenwärtigen System umgestellt, das die Beklagte i.S. einer „Steuerungsformel“ auffasst. Gegenüber dem Betriebsrat erläuterte sie dessen Grundlagen zuletzt Anfang 2012 durch Übermittlung von Blatt 1 und 2 einer vierseitigen Prämiensystembeschreibung (Ablichtung in Anlage des Klägerschriftsatzes vom 3.8.2012). Die einzelnen in die Berechnung eingestellten Stückzahlen gab sie (die Beklagte) den Mitarbeitenden ebenso wenig bekannt, wie die konkret in Ansatz gebrachten weiteren Berechnungsfaktoren.

10

Die Beklagte leistete in der Vergangenheit sodann monatlich Anwesenheitsprämien. Für die Klägerpartei ergaben sich Leistungen wie aus den zur Akte gereichten Gehaltsmitteilungen der Zeit zwischen 1/06 und 6/11 ersichtlich, die von einem Prämienansatz von 5% des Bruttolohns, errechnet aus der Summe von Arbeits- und Urlaubsstunden, ausgehen, vorausgesetzt in den Abrechnungen fielen nicht zugleich Entgeltfortzahlungsleistungen an.

11

Die Beklagte leistete in der Vergangenheit ferner einen Fahrtkostenzuschuss. In den zur Akte gereichten Gehaltsmitteilungen der Klägerpartei sind diese als „Fahrgelderstattung“ oder „Fahrgeld“ mit wechselnden Werten ausgewiesen.

12

Infolge der im Jahr 2006 von einer auf zwei Schichten umgestellten Produktion sowie der hieran anknüpfenden Änderung von Arbeitsverträgen (die im Fall der Klägerpartei nicht zur Akte gereicht wurden), gewährt die Beklagte zur Spätschicht eine Schichtzulage von 25% des Bruttostundenlohns. Die Beklagte behauptet, diese Zulage beruhe auf arbeitsgerichtlichen Vergleichen und komme nicht allen Beschäftigten zugute; zudem sei sie auf die zwischen 20 und 23 Uhr liegenden Arbeitszeiten beschränkt. In die Berechnung der Urlaubsvergütung wie auch die Entgeltfortzahlung wurde diese Zulage (zuletzt) zumindest nicht einbezogen.

13

Die Beklagte gewährt allen Arbeitnehmern, die das 58. Lebensjahr vollendet haben, ohne dass individuelle Vereinbarungen über einen höheren Jahresurlaub vorliegen, 36 Arbeitstage Jahresurlaub, während die übrigen Beschäftigten 34 Tage erhalten.

14

Anlass der vorliegenden Streitigkeit ist eine einseitige Zurückhaltung von Anwesenheitsprämien zu Beginn des Jahres 2010 gegenüber den Arbeitnehmern, die für angeordnete Betriebsferien wegen des verbrauchten Jahresurlaubs unbezahlten Urlaub nahmen, sowie die „Deckelung“ von Fahrtkostenerstattungen auf monatlich 20 Tage seit Oktober 2010 (mit der Folge dass bei Samstagsarbeiten - die im Betrieb zurückliegend wiederholt vorkamen - keine Erstattungen geleistet wurden). Dies alles ohne Ausspruch einer Kündigung, sondern unter Hinweis auf die Freiwilligkeit der zugrunde liegenden Leistungen. Außerdem wurden in den Gehaltsmitteilungen für Oktober 2010 das Urlaubsgeld und für November 2010 das Weihnachtsgeld mit dem Zusatz „(freiwillige Leistung)“ versehen. In einem Gespräch zwischen Mitarbeitern und der Beklagtengeschäftsführung am 6. Dezember 2010 meinte der Beklagtengeschäftsführer, das Weihnachtsgeld wie die übrigen Sonderzahlungen würden nur freiwillig - die Klägerpartei behauptet, er habe weiter gesagt: und widerruflich - erbracht.

15

Die Klägerpartei forderte die Beklagte daraufhin mit Schreiben vom 16. Februar 2011 unter zweiwöchiger Fristsetzung zum schriftlichen Nachweis sämtlicher arbeitsvertraglichen Bedingungen auf, soweit diese nicht schon schriftlich niedergelegt waren. Ferner erbat sie eine Bestätigung, dass es sich bei Urlaubs-, Weihnachtsgeld und Arbeitgeberanteilen an vermögenswirksamen Leistungen um verbindliche Ansprüche handele, ebenso dass Urlaubslohn und Entgeltsfortzahlung unter Berücksichtigung von Schichtzulagen gezahlt würden, sowie um Darlegung der Grundlagen für die Ermittlung von Leistungsprämien einschließlich deren Zusammensetzung im Einzelnen, sowie die Bestätigung, dass auch bei längerer als zweitägiger Arbeitsunfähigkeit die Phasen, in denen ein Arbeitnehmer im fraglichen Monat gearbeitet habe, nicht schmälernd in die Leistungsprämie eingingen. Die Beklagte kam dieser Zusicherungsforderung nicht im Einzelnen nach.

16

Die Klägerpartei hat erstinstanzlich vorgetragen:

17

Sie könne Weihnachtsgeld - nachdem es in den vergangenen Jahren ohne weiteres geleistet worden sei - verbindlich beanspruchen. Die Zahlungen ergäben sich aus den Gehaltsmitteilungen. Sie seien wiederholt ohne Freiwilligkeits- oder Widerrufszusatz ausgeführt worden. Weder in mündlicher noch in schriftlicher Form habe man sich beklagtenseits vorbehalten, Leistungsregelungen nur für das laufende Jahr zu statuieren. Dies gelte auch für das Urlaubsgeld und die Anwesenheitsprämie. Es habe auch keine gesonderte schriftliche oder mündliche Mitteilung an Mitarbeiter - auch nicht durch Aushänge im Betrieb - gegeben, welche die Freiwilligkeit von Sonderzahlungen kommuniziert hätten. Allein der arbeitsvertraglich gestellte pauschale Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt sei - weil nach der jüngeren Rechtsprechung unwirksam - nicht mehr tragfähig. Etwaige Voraussetzungen für einen Widerruf seien nicht erkennbar. Schon bei Arbeitsvertragsschluss habe im Übrigen festgestanden, dass ein vertraglicher Weihnachtsgeldanspruch entstehe.

18

Auch der Urlaubsgeldanspruch sei verbindlich. Er beruhe in gleicher Weise auf dem Arbeitsvertrag, zumindest aber auf betrieblicher Übung. Seit Arbeitsvertragsbeginn habe die Beklagte einschränkungslos und ohne Hinweise auf Freiwilligkeit oder Widerrufbarkeit zweimalig im Jahr Urlaubsgeld gezahlt. Zugunsten der Klägerpartei sei hinreichendes Vertrauen begründet, dass diese Zahlungen nicht nur für das konkrete Jahr, sondern stetig erfolgten.

19

Bezüglich der vermögenswirksamen Leistungen gelte gleiches. Die Beklagte habe auch diesbezüglich den Standpunkt eingenommen, es handele sich um eine freiwillige bzw. widerrufliche Leistung.

20

Auch die seit Gründung der Beklagten bzw. seit Bestand des Arbeitsverhältnisses zusätzlich zum Grundentgelt gewährte stückzahlabhängige Leistungsprämie, könne sie (die Klägerpartei) verbindlich beanspruchen. Die Prämie beruhe auf konkreten Produktionsleistungen und lasse sich als teambezogene Akkordprämie auffassen. Die Beklagte habe die jeweiligen Schuhmodelle (Sandalen [sog. Clogs], geschlossene Schuhe usw.) in entsprechende Herstellungsschwierigkeiten unterteilt und wolle den erfolgreich arbeitenden Produktionsteams Anreize. Neben der Herstellungsgeschwindigkeit („möglichst schnell“) werde auch die Qualität („möglichst wenig Ausschuss“) prämiert. Die Qualitätskontrolle prüfe insofern den Schuhstandard. Parameter der Leistungen im engeren Sinne seien - neben erreichten Stückzahlen und benötigten Teamstunden - die Faktoren: Obermaterial (Leder 1,45, Velour 1,4, Filz 1,1, Wolle 1,45, Nubuk 1,45), Sohlen (bspw. Anti-Sohle und Superlauf-Sohle 1,2), Größe (ab Größe 46 +0,2, weil größere Schuhe schwieriger zu produzieren seien), Modellschwierigkeit (zwischen 1,1 und 4,0; 1,1 etwa bei einfachen Modelle wie Madrid, mind. 2,0 bei Clogs, zw. 1,4 und 1,6 bei Sandalen, 4,0 bei besonders aufwendige Modelle wie Monterey oder Exquisit) und Klein- oder Mindermengen (Stückzahlen 1-6: 2,5, Stückzahlen 7-24: 2,0, Stückzahlen 25-48: 1,5). Ab einer Punktzahl von 20 erziele ein Team Prämien, die sich in 0,5 Punkte-Schritten steigerten. Zur Berechnung würden die Teamleiter (bzw. deren Stellvertreter in Abwesenheit) die Produktionszahlen und Teamstunden dokumentieren. Urlaubstage würden den Abwesenden abgezogen, indem das Ergebnis allein den Übrigen (Anwesenden) nach freiem Teamleiter- oder Stellvertreterermessen zugute käme (dauere der Urlaub z.B. bis 4,5 Tage, werde für den Monats noch eine Prämie gezahlt, ab 5,0 Tagen indes schon nicht mehr). Bei Erreichen der Zielvorgaben erhielten die stellvertretenden Teamleiter 150%, die Teamleiter 200% der auf die Mitarbeiter einzeln entfallenden Prämien. Bis ins Jahr 2000 sei noch keine Rede davon gewesen, dass diese Prämie freiwillig und unter Widerrufsvorbehalt gezahlt werde. Erst in den ab 2000 verwendeten Arbeitsverträgen habe die Beklagte derartiges eingefügt. Zugunsten der Betriebsmitarbeitenden bestehe folglich Vertrauen in den Prämienbestand wie in ein 13. Monatsgehalt (dessen Umfang die Prämie ausmachen könne). Unzulässig sei zudem die von Beklagtenseite zuletzt geübte Praxis, Prämien bei einer bis zweitägigen Arbeitsunfähigkeit wieder zu kürzen und ab einer dreitägigen Arbeitsunfähigkeit ganz zu streichen. Dies benachteilige erkrankte Arbeitnehmer entgegen § 612a BGB und lasse sich mit auch Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbaren.

21

Außerdem sei eine Anwesenheitsprämie seit Beginn des Arbeitsverhältnisses gezahlt worden. Einzelne Zahlungsvorbehalte habe es diesbezüglich gegenüber den Arbeitnehmern zu keiner Zeit gegeben. Bis zum Januar 2010 sei die Anwesenheitsprämie zudem bei bezahltem wie unbezahltem Urlaub gewährt worden. Auch hierzu sei die Beklagte (ebenfalls entgegen § 612a BGB bzw. Art. 3 Abs. 1 GG) inzwischen dazu übergegangen, bei eintretender Entgeltfortzahlung oder mit Vorkommen von Verspätungen an nur einem Tag im Monat Gewährungen auf Null zu setzen. Es bestehe indes keinerlei Freiwilligkeits- oder Widerrufbarkeitsvorbehalt, auch nicht kraft Vertrages.

22

Des Weiteren seien ehemals Fahrtkosten für jeden abgeleisteten Arbeitstag gezahlt worden. Diese müssten in der verabfolgten Weise auch weiter gezahlt werden.

23

Für die Spätschichtzulage gelte, dass sie nach § 11 Abs. 1 BUrlG in die Urlaubsvergütung einzubeziehen sei und gemäß § 4 Abs. 1, Abs. 1a EFZG auch hinsichtlich der Entgeltfortzahlung Beachtung zu finden habe, da die Schichtzulage turnusgemäß alle zwei Wochen anfalle.

24

Zur Beseitigung von Alterdiskriminierungen stünden sämtlichen Arbeitnehmern der Beklagten jährlich 36 Urlaubstage zu. Die Behauptung, ältere Mitarbeiter benötigten im Produktionsbetrieb längere Erholungsphasen, sei nicht belastbar. Das BUrlG unterscheide nicht nach körperlicher Anstrengung. Unerfindlich sei zudem, warum ein gesteigertes Erholungsbedürfnis ausgerechnet mit 58 eintrete. Außerdem seien jüngere Menschen durch Familie und Beruf sogar noch stärker beansprucht als Ältere. Aufgrund der Schwere des mit der altersbezogenen Urlaubsstaffel verbundenen Antidiskriminierungsverstoßes sei eine Entschädigung von wenigstens 2.000,00 EUR angemessen.

25

Die Klägerpartei hat erstinstanzlich (sinngemäß) beantragt,

26

1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerpartei gemeinsam mit dem Gehalt für den Monat November ein jährliches Weihnachtsgeld in Höhe von 40 % des Lohns zu zahlen, bei dem es sich nicht um eine freiwillige Leistung der Beklagten handelt und welches auch nicht von der Beklagten widerrufen werden kann;

27

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerpartei ein jährliches Urlaubsgeld in Höhe von 46,5 % des Lohns zu zahlen, welches in zwei Teilbeträgen à 23,25 % gemeinsam mit dem Gehalt für die Monate Juni und Oktober gezahlt wird, dessen Zahlung durch die Beklagte nicht freiwillig erfolgt und welches von der Beklagten auch nicht widerrufen werden kann;

28

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerpartei monatlich einen Arbeitgeberanteil an den vermögenswirksamen Leistungen in Höhe von 19,94 EUR zu zahlen, dessen Zahlung nicht freiwillig erfolgt und von der Beklagten nicht widerrufen werden kann;

29

4. die Beklagte zu verurteilen, die Zusammensetzung und Höhe der mit der Klägerpartei vereinbarten stückzahlabhängigen Leistungsprämien sowie deren Fälligkeit schriftlich niederzulegen und die Niederschrift zu unterzeichnen;

30

insofern wird festgestellt,

31

dass die Beklagte nicht berechtigt ist, die Leistungsprämien bei einer bis zu zweitägigen Arbeitsunfähigkeit im Abrechnungsmonats zu kürzen und ab einer dreitägigen Arbeitsunfähigkeit vollständig zu streichen;

32

5. Die Beklagte zu verurteilen, Zusammensetzung und Höhe der der Klägerpartei zu zahlenden Anwesenheitsprämie in Höhe von 5 % des Bruttolohns, errechnet aus der Summe aus Arbeits- und Urlaubsstunden schriftlich niederzulegen und die Niederschrift zu unterzeichnen;

33

1. insofern wird festgestellt,

34

a) dass die Beklagte verpflichtet ist, die Anwesenheitsprämie bei bezahltem Urlaub - wie in der Vergangenheit - fortzuzahlen;

35

b) dass die Beklagte verpflichtet ist, die Anwesenheitsprämie auch bei von ihr angeordneten oder bewilligtem unbezahlten Urlaub für die Zeit des Urlaubs zuzahlen;

36

c) dass die Beklagte verpflichtet ist, die Anwesenheitsprämie auch dann in ungeschmälerter Höhe zu zahlen, wenn die Klägerin während des Abrechnungszeitraums arbeitsunfähig erkrankt,

37

d) dass die Beklagte nicht berechtigt ist, die Anwesenheitsprämie für den jeweiligen Monat in voller Höhe zu streichen, wenn die Klägerpartei sich auch nur einmal im Monat bei der Arbeitsaufnahme verspätet, die Beklagte vielmehr verpflichtet ist, die Anwesenheitsprämie anteilig für die Tage zu zahlen, an den eine Verspätung nicht vorgelegen hat;

38

e) dass die Beklagte nicht berechtigt ist, die Anwesenheitsprämie zu widerrufen und dass es sich bei der Anwesenheitsprämie auch nicht um eine freiwillige Leistung der Beklagten handelt;

39

1. festzustellen, dass die Beklagte dazu verpflichtet ist, der Klägerpartei nicht nur pauschal für 20 Tage im Monat Fahrtkosten zu erstatten, sondern - insbesondere im Fall von Samstagsarbeit - Fahrtkosten für jeden Arbeitstag zu erstatten sind;

40

es wird weiter festgestellt, dass die Beklagte die Fahrtkostenerstattung nicht widerrufen kann und es sich auch nicht um eine freiwillige Leistung der Beklagten handelt;

41

die Beklagte wird verurteilt, die Zusammensetzung und Höhe der Fahrtkostenerstattung und deren Fälligkeit schriftlich niederzulegen und die Niederschrift zu unterzeichnen;

42

2. festzustellen, dass die Beklagte dazu verpflichtet ist, die gemäß Ziffer III der 2006 getroffenen Vereinbarung zur Änderung des Arbeitsvertrages zu zahlende Schichtzulage in Höhe von 25 % des Bruttolohns bei der Berechnung der Urlaubsvergütung und der Entgeltfortzahlungsansprüche zu berücksichtigen;

43

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerpartei 36 Arbeitstage Erholungsurlaub zu gewähren;

44

4. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerpartei wegen Verstoßes gegen das AG eine angemessene Entschädigung, die sich jedoch auf mindestens 2.000,00 EUR belaufen soll, zu zahlen.

45

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

46

die Klage abzuweisen.

47

Die Beklagte hat erstinstanzlich vorgetragen:

48

Die Anträge zu 1 bis 3 und 6 bis 8 sowie 4 und 5 seien - soweit sie Feststellungen beträfen - wegen Vorrangs der Leistungsklage unzulässig. Außer im Fall der Leistungsprämie könne die Klägerpartei jeden Anspruch exakt beziffern. Die Beklagte beabsichtige im Übrigen gegenwärtig nicht, einzelne freiwillige Leistungen zukünftig nicht mehr zu erbringen.

49

Die Klägerpartei gebe - in sachlicher Hinsicht - auch kein Beklagtenverhalten an, wonach sie schließen müsse, dass Leistungen auf Dauer gewährt würden. Der Klägervortrag sei hinsichtlich einer betrieblichen Übung unsubstantiiert. Sie (die Beklagte) bestreite deshalb das Vorliegen von Tatbestandsmomenten, die eine betriebliche Übung ergäben wie auch ein darauf beruhendes Vertrauen, mit Nichtwissen. Das bloße Gewähren nicht vertraglich geschuldeter Leistungen mache noch keine betriebliche Übung aus.

50

Eine ausdrückliche Vereinbarung bestehe weder hinsichtlich des Weihnachts- noch des Urlaubsgelds. Es sei vielmehr stets kommuniziert worden, es handele sich um freiwillige Leistungen. Sie (die Beklagte) habe das für sämtliche Sonderleistungen stets grundsätzlich hervorgehoben und im Rahmen betriebsinterner Kommunikation durchgängig klargestellt, jede Regelung für Sonderzahlungen gelte nur für das laufende Jahr und begründe keine künftigen Ansprüche. Eben dies folge auch aus der arbeitsvertraglichen Klausel, "dass bei wiederholter freiwilliger Gewährung von Sonderleistungen kein Rechtsanspruch für die Zukunft besteht". Die daneben enthaltenen Worte freiwillig und widerruflich (oder widerrufbar) seien nicht wesentlich. Es liege - kraft Auslegung - vielmehr ein wirksamer Freiwilligkeitsvorbehalt vor.

51

Bezüglich der vermögenswirksamen Leistungen habe sie zu keiner Zeit Zweifel aufkommen lassen, dass es sich nicht um einen festen Bestandteil des Arbeitsentgelts handele.

52

Hinsichtlich der Leistungsprämie bestehe weder eine Vergütungsvereinbarung, noch könnten hätten sich die Arbeitnehmer diesbezüglich auf künftige Gewährungen verlassen können. Dass Sonderleistungen grundsätzlich nur freiwillig erbracht würden, habe sie stets kommuniziert. Dies schließe einen Anspruch aus betrieblicher Übung aus, der im Übrigen nur unzulänglich dargestellt sei und hinsichtlich der vertrauensbegründenden Umstände mit Nichtwissen bestritten werde. Die Klägerpartei habe auch nicht für die gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses Leistungsprämien bezogen. Schon nach deren eigenem Vorbringen könne es sich bloß um Leistungen nach Gutdünken handeln. Die Klägerseite beanspruche der Sache nach erst Auskunft über Umstände, welche das Entstehen einer betrieblichen Übung ausmachten.

53

Auch bezüglich der Anwesenheitsprämie bestehe weder eine ausdrückliche Vereinbarung noch eine betriebliche Übung. Sie (die Beklagte) habe - auch diesbezüglich - Sonderleistungen grundsätzlich nur für den Abrechnungszeitraum gewährt (hier: den Kalendermonat). Das Klägervorbringen lasse offen, ob und aufgrund welcher Kriterien gemeint werde, Ansprüche auf die streitgegenständliche Leistung erworben haben zu können. Sie (die Beklagte) habe bei Erbringung der Leistung immerhin stets klar gestellt, dass es sich um freiwillige Leistungen handele. Im Übrigen sei das Vorbringen unsubstantiiert und werde abermals mit Nichtwissen bestritten.

54

Hinsichtlich des streitgegenständlichen Fahrtkostenzuschusses lasse die Klägerseite ebenfalls offen, aufgrund welcher Kriterien sie meine, einen festen Anspruch erworben zu haben. Diese Leistung sei ebenfalls als Sonderleistung freiwillig und nur auf den Abrechnungszeitraum bezogen gewährt worden. Im Übrigen sei das Vorbringen wiederum unsubstantiiert und werde nochmals mit Nichtwissen bestritten.

55

Die Mehrgewährung von 2 Urlaubstagen für ältere Beschäftigte beinhalte keine Diskriminierung. Sie (die Beklagte) komme damit lediglich ihrer Fürsorgeverpflichtung gegenüber Personen nach, die in einem Produktionsbetrieb bei der Fertigung von Schuhen körperlich ermüdende und teilweise schwere Arbeit leisteten (§ 10 Satz 2 AGG). Nach der Lebenserfahrung benötigten ältere Arbeitnehmer, die anstrengendere körperliche Arbeiten verrichteten, über das Jahr betrachtet, längere Erholungszeiten als Jüngere. Zwei Zusatzurlaubstage seien hierfür angemessen.

56

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 18. Oktober 2011 - auf dessen Inhalt sowohl zum Tatbestand wie auch zu den Entscheidungsgründen im Einzelnen Bezug genommen wird - im Antrag zu Ziff. 6 Abs. 3 (Niederschrift des Fahrtkostenzuschusses) entsprochen, sie im Übrigen jedoch abgewiesen. Es hat die Anträge zu 1 bis 7 als unzulässig beurteilt, soweit diese nicht Niederschriften betrafen. Nach Aufgabe der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur sog. gegenläufigen betrieblichen Übung könne jeder erhobene Anspruch auch ohne Gefährdung zu gegebener Zeit im Wege der Leistung eingefordert werden. Die nach den Anträgen zu 4 bis 7 weiter begehrten Einzelfeststellungen seien angesichts der Vielzahl von Umständen, die bei der Berechnung einzelner Anspruchspositionen in Betracht kämen, nicht geeignet, befriedigende Feststellungen herbeizuführen. Mit den Anträgen auf Niederschrift zu Ziff. 4, 5 und 6 seien Umstände einer betrieblichen Übung mit Ausnahme des Antrags zu 6 nicht dargetan, namentlich im Fall der Leistungsprämie seien Anpassungen nicht erläutert und vermeintliche Zahlen und Faktoren nicht schematisch nachvollziehbar gemacht worden. Gleiches gelte für die Anwesenheitsprämie. Zulässig, aber unbegründet sei schließlich auch der Antrag zu 8, da ein ca. 6%iger Mehrurlaub für ältere Mitarbeiter aus § 10 Satz 1 und 2 AGG gerechtfertigt sei. Die Gesundheitsfürsorge gegenüber älteren Mitarbeitern stelle ein legitimes Ziel dar. Vor diesem Hintergrund erweise sich auch der Antrag zu 9 als unbegründet.

57

Die Klägerpartei hat gegen das ihr am 21. November 2011 zugestellte Urteil am 21. Dezember 2011 Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 21. Februar 2012 verlängerten Frist mit Schriftsatz vom 15. Februar, eingegangen am 17. Februar 2012 begründet.

58

Die Klägerseite trägt im Wesentlichen vor:

59

Dem Antrag zu 3 liege ein Anerkenntnis zugrunde, sodass er bereits deshalb begründet sei. Im Übrigen beträfen die Feststellungsanträge soweit sie abgewiesen wurden, zukünftige Ansprüche, sodass keine generelle Subsidiarität gegenüber der Leistungsklage bestehe. Der Beklagtengeschäftsführer habe im arbeitsgerichtlichen Gütetermin außerdem erklärt, sich an das Ergebnis einer gerichtlichen Entscheidung halten zu wollen. Das Arbeitsgericht habe den Anträgen zu 4 Abs. 2, 5 Buchst. a bis d und 6 Abs. 2 ferner zumindest als Zwischenfeststellungsklagen entsprechen müssen. Die jahrelange Vergütungspraxis sei im Übrigen auch ausreichend dargelegt worden. Im Hinblick auf die Zusammensetzung von Anwesenheits- und Leistungsprämien könne nur eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast gelten. Der Umstand jeweiliger Zahlung sei mit den Gehaltsmitteilungen dargetan. Die vorgebrachte Leistungspraxis sei von Beklagtenseite auch zu keiner Zeit wirksam bestritten worden. Aus dem vertraglichen Freiwilligkeitsvorbehalt lasse sich die Verbindlichkeit nicht in Abrede stellen, denn dieser sei unzulässig. Wie die jüngere Rechtsprechung zeige, lasse sich auch kein Mehrurlaub für ältere Beschäftigter rechtfertigen. Es sei sachfremd für die Leistungsfähigkeit von Beschäftigten allein an das Alter anknüpfen zu wollen. Die ungerechtfertigte Ungleichbehandlung gebiete eine angemessene Entschädigung.

60

Die Klägerpartei beantragt sinngemäß zuletzt,

61

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 18. Oktober 2011 - 8 Ca 1361/11 - abzuändern und

62

1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin gemeinsam mit dem Gehalt für den Monat November ein jährliches Weihnachtsgeld, das in den letzten Gehaltsmitteilungen den Zusatz "Weihnachtsgeld 40 %" trug zu zahlen, bei dem es sich nicht um eine freiwillige Leistung der Beklagten handelt und welches auch nicht von der Beklagten widerrufen werden kann;

63

1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ein jährliches Urlaubsgeld zu zahlen, welches in zwei Teilbeträgen in den Gehaltsmitteilungen zuletzt ausgewiesen als Urlaubsgeld 23,25 % gemeinsam mit dem Gehalt für die Monate Juni und Oktober gezahlt wird, dessen Zahlung durch die Beklagte nicht freiwillig erfolgt und welches von der Beklagten auch nicht widerrufen werden kann;

64

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerpartei monatlich einen Arbeitgeberanteil an den vermögenswirksamen Leistungen in Höhe von 19,94 EUR zu zahlen, dessen Zahlung nicht freiwillig erfolgt und von der Beklagten nicht widerrufen werden kann;

65

3. die Beklagte zu verurteilen, die Zusammensetzung und Höhe der mit der Klägerpartei vereinbarten stückzahlabhängigen Leistungsprämien sowie deren Fälligkeit schriftlich niederzulegen und die Niederschrift zu unterzeichnen;

66

insofern wird festgestellt,

67

dass die Beklagte nicht berechtigt ist, die Leistungsprämien bei einer bis zu zweitägigen Arbeitsunfähigkeit im Abrechnungsmonats zu kürzen und ab einer dreitägigen Arbeitsunfähigkeit vollständig zu streichen;

68

4. Die Beklagte zu verurteilen, Zusammensetzung und Höhe der der Klägerpartei zu zahlenden Anwesenheitsprämie in Höhe von 5 % des Bruttolohns, errechnet aus der Summe aus Arbeits- und Urlaubsstunden schriftlich niederzulegen und die Niederschrift zu unterzeichnen;

69

   insofern wird festgestellt,

70

a) dass die Beklagte verpflichtet ist, die Anwesenheitsprämie bei bezahltem Urlaub - wie in der Vergangenheit - fortzuzahlen;

71

b) dass die Beklagte verpflichtet ist, die Anwesenheitsprämie auch bei von ihr angeordneten oder bewilligtem unbezahlten Urlaub für die Zeit des Urlaubs zuzahlen;

72

c) dass die Beklagte verpflichtet ist, die Anwesenheitsprämie auch dann in ungeschmälerter Höhe zu zahlen, wenn die Klägerin während des Abrechnungszeitraums arbeitsunfähig erkrankt,

73

d) dass die Beklagte nicht berechtigt ist, die Anwesenheitsprämie für den jeweiligen Monat in voller Höhe zu streichen, wenn die Klägerpartei sich auch nur einmal im Monat bei der Arbeitsaufnahme verspätet, die Beklagte vielmehr verpflichtet ist, die Anwesenheitsprämie anteilig für die Tage zu zahlen, an den eine Verspätung nicht vorgelegen hat;

74

e) dass die Beklagte nicht berechtigt ist, die Anwesenheitsprämie zu widerrufen und dass es sich bei der Anwesenheitsprämie auch nicht um eine freiwillige Leistung der Beklagten handelt;

75

2. festzustellen, dass die Beklagte dazu verpflichtet ist, der Klägerpartei nicht nur pauschal für 20 Tage im Monat Fahrtkosten zu erstatten, sondern - insbesondere im Fall von Samstagsarbeit - Fahrtkosten für jeden Arbeitstag zu erstatten sind;

76

3. es wird weiter festgestellt, dass die Beklagte die Fahrtkostenerstattung nicht widerrufen kann und es sich auch nicht um eine freiwillige Leistung der Beklagten handelt;

77

4. festzustellen, dass die Beklagte dazu verpflichtet ist, die gemäß Ziffer III der 2006 getroffenen Vereinbarung zur Änderung des Arbeitsvertrages zu zahlende Schichtzulage in Höhe von 25 % des Bruttolohns bei der Berechnung der Urlaubsvergütung und der Entgeltfortzahlungsansprüche zu berücksichtigen;

78

5. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerpartei 36 Arbeitstage Erholungsurlaub zu gewähren;

79

6. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerpartei wegen Verstoßes gegen das AG eine angemessene Entschädigung, die sich jedoch auf mindestens 2.000,00 EUR belaufen soll, zu zahlen.

80

Die Beklagte beantragt,

81

die Berufung zurückzuweisen.

82

Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und trägt ergänzend im Wesentlichen vor:

83

Sie habe keinen der Ansprüche anerkannt. Hinsichtlich der altersgemäßen Mehrgewähr von Urlaub folge aus der jüngeren Rechtsprechung auch kein apodiktisches Verbot.

84

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens zweiter Instanz wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Klägerseite vom 15. Februar 2012 und 3. August 2012 sowie der Beklagten vom 20. April 2012 und 5. Juli 2012 (nebst Anlagen), sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 10. August 2012 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

85

Die Berufung der Klägerseite ist zulässig, aber nur in Teilen begründet.

I.

86

Die Berufung ist zulässig. Sie ist aufgrund der überschrittenen Wertbeschwer nach § 8 Abs. 2, § 64 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a ArbGG statthaft und wurde sowohl form- und fristgerecht eingelegt (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 519 ZPO) sowie rechtzeitig und hinreichend begründet (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 64 Abs. 6 ArbGG, § 520 ZPO).

II.

87

Die Berufung ist nur in Teilen begründet. Lediglich hinsichtlich der Erwägungen des Arbeitsgerichts zur Zulässigkeit der Anträge zu 1 und 2 sowie zur Begründetheit der Anträge zu 4 Abs. 1 und 5 Abs. 1 kommt die Berufungskammer vor dem Hintergrund des gesamten Vorbringens der Klägerseite zu einem abändernden Ergebnis.

1.

88

Der das Weihnachtsgeld betreffende Antrag zu 1 ist zulässig und begründet.

a)

89

Der Antrag ist bei gebotener Auslegung zulässig.

aa)

90

Der Antrag genügt den auch für Feststellungen zu beachtenden Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (BAG 14.12.2011 - 4 AZR 242/10 - Rn. 19, juris).

(1)

91

Hiernach muss die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstands und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten. Der Kläger muss hierzu eindeutig festlegen, welche Entscheidung er begehrt. Er hat den Streitgegenstand so genau zu bezeichnen, dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis keinem Zweifel unterliegt (BAG 19.10.2011 - 7 AZR 743/10 - Rn. 18, juris). Das Gericht hat bei unklarer Formulierung den erklärten Willen zu erforschen, wie er aus der Klagebegründung, dem Prozessziel und der Interessenlage hervorgeht. Die für Willenserklärungen geltenden Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB sind für die Auslegung von Klageanträgen heranzuziehen. Für das Verständnis eines Klageantrags ist nicht am buchstäblichen Wortlaut des Antrags zu haften. Klageanträge sind so auszulegen, dass im Zweifel das gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der richtig verstandenen Interessenlage entspricht (BAG 19.10.2011 - 7 AZR 471/10 - Rn. 15, juris).

(2)

92

Den dargestellten Anforderungen ist genügt. Die Klägerpartei richtet sich gegen die Unsicherheit der Freiwilligkeit und/ oder Widerrufbarkeit des wiederholt mit dem Novembergehalt geleisteten und in der Gehaltsmitteilung mit dem Zusatz „40%“ versehenen Weihnachtsgelds. Zwischen den Parteien herrscht kein Streit, dass diese Zahlung in der Vergangenheit zutreffend bemessen war. Dies hat die Klägerpartei vor der Berufungskammer klarstellend bekundet, indem sie den Feststellungsinhalt auf den Gegenstand der zuletzt erbrachten Leistung mit Übernahme der in der Gehaltsmitteilung von der Beklagten gegebenen Beschreibung richtete. Auch herrscht über die weiteren Gewährungsvoraussetzungen kein Streit. Die erbetene Feststellung betrifft allein die Frage der Verbindlichkeit und „Widerrufsfestigkeit“ als solcher.

bb)

93

Für den so aufzufassenden Antrag besteht ein hinreichendes Feststellungsinteresse i.S.d. § 256 Abs. 1 ZPO.

(1)

94

Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann eine Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn die Klägerpartei ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Die Feststellung kann sich auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer einzelnen Leistungspflicht beschränken - sog. Elementenfeststellungsklage - (BAG 14.12.2011 - 4 AZR 242/10 - Rn. 18, juris). Hierzu muss eine gegenwärtige Gefahr oder Unsicherheit für das festzustellende Rechtsverhältnis drohen, und das erstrebte Urteil muss geeignet sein, diese Gefahr zu beseitigen (BAG 24.5.2006 - 7 AZR 365/05 - Rn. 14, juris). Das Feststellungsinteresse fehlt, wenn dem Antragsteller ein einfacherer Weg zur Verfügung steht, um sein Ziel zu erreichen, oder wenn die begehrte Feststellung zu keiner abschließenden Klärung des Streits geeignet ist. Ersteres ist in der Regel der Fall ist, wenn eine Leistungsklage erhoben werden kann. Allerdings kann auch dann noch ein Feststellungsinteresse bestehen, sofern das angestrebte Urteil mit seiner lediglich klärenden, der Vollstreckung indes nicht zugänglichen Wirkung geeignet ist, den Konflikt der Parteien endgültig zu lösen und weitere Prozesse zwischen ihnen hierzu zu verhindern (BAG 16.11.2011 - 4 AZR 834/09 - Rn. 23, juris). Darüber hinaus gilt der Vorrang der Leistungsklage bei streitigen künftigen Leistungen nicht ohne weiteres, namentlich wenn eine Klage auf künftige Leistung nicht erhoben werden kann (BAG 1.2.2006 - 5 AZR 187/05 - Rn. 18, NZA 2006, 2060; 9.11.2005 - 9 AZR 140/05 - Rn. 32, juris).

(2)

95

Vor diesem Hintergrund war das besondere Feststellungsinteresse für den Antrag zu 1 gegeben. Der Antrag betrifft die Weihnachtsgeldverbindlichkeit in ihrem rechtlichen Bestand sowie ihrer Widerrufsfestigkeit. Der Streit gilt der begrenzten Streitlage des „ob“ nicht des „wie“ der Leistung. Die begehrte Feststellung ist bei diesem begrenzten Streit geeignet, Klarheit über die Verbindlichkeit im Ganzen herzustellen. Auch besteht durch das Bestreiten der Verbindlichkeit durch die Beklagte eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit, die durch eine Feststellungsentscheidung beseitigt werden kann (BAG 11.4.2006 - 9 AZR 500/05 - Rn. 9, NZA 2006, 1089). Ein Verweis auf die Leistungsklage kommt in der Sondersituation der Klägerpartei, bei einstweilen beibehaltenen Zahlungen einen dauerhaft unsicheren und weder beleih- noch verfügbaren Anspruch im Umfang annähernd eines halben Monatsgehalts für die Zukunft zu besitzen, nicht in Betracht.

b)

96

Der Antrag ist begründet. Die Voraussetzungen einer Verbindlichkeit nichtwiderrufbarer Art sind von Klägerseite hinreichend dargetan.

aa)

97

Der Anspruch beruht nicht auf einer ausdrücklichen Vertragsabrede.

(1)

98

Für eine vertragliche Abrede auf Vergütungsansprüche sind arbeitnehmerseits die Tatbestände darzulegen und - im Bestreitensfall zu beweisen -, die eine Vergütungspflicht regeln (BAG 18.4.2012 - 5 AZR 248/11 - Rn. 14, juris). Für den Abschluss eines Arbeitsvertrags bedarf es der Darlegung korrespondierender d.h. sich deckender Willenserklärungen i.S.d. §§ 145 ff. BGB (BAG 19.3.2008 - 5 AZR 435/07 - Rn. 10, NZA 2008, 760; 20.7.2004 - 9 AZR 570/03 - zu B IV 2 a der Gründe, AP BGB § 611 Ärzte-Gehaltsansprüche Nr. 65).

(2)

99

Die Klägerpartei hat diesbezüglich keine greifbaren Tatsachen behauptet, nach denen auf explizite, sich inhaltlich deckende Willenserklärungen über die Leistung eines Weihnachtsgelds zu schließen gewesen wäre. Auch in der Vertragsniederschrift findet sich hierzu kein Anhalt. Die Freiwilligkeit/ Widerruflichkeit von Sonderzahlungen verhält sich zu etwaigen Weihnachtsgeldansprüchen nicht weiter. Die von Klägerseite pauschal vorgebrachte Behauptung, dass bereits bei Abschluss des Arbeitsvertrags ein Weihnachtsgeldanspruch festgestanden habe, war nicht substantiiert. Dem Vorbringen fehlt schon ein zur Abgrenzung von Wissens- gegenüber Willenserklärungen geeignetes Differenzierungsmoment (vgl. BAG 15.3.2011 - 1 AZR 808/09 - Rn. 16, AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 214).

bb)

100

Die Klägerpartei hat allerdings die Voraussetzungen einer betrieblichen Übung hinreichend, und ohne dass die Beklagte dem in erheblicher Weise entgegen getreten wäre, dargetan.

(1)

101

Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen der Arbeitgeberseite zu verstehen, aus denen Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus dem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist nicht der Verpflichtungswille, sondern wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste und durfte. Im Wege der Auslegung des Verhaltens des Arbeitgebers ist zu ermitteln, ob der Arbeitnehmer davon ausgehen musste, die Leistung werde nur unter bestimmten Voraussetzungen oder nur für eine bestimmte Zeit gewährt (BAG 19.10.2011 - 5 AZR 359/10 - Rn. 13, NZA-RR 2012, 344). Das Rechtsinstitut der betrieblichen Übung enthält ein kollektives Element. Eine betriebliche Übung bezieht sich auf eine Vielzahl von Arbeitnehmern oder zumindest eine abgrenzbare Gruppe, ohne dass individuelle Besonderheiten die vertraglichen Beziehungen gestalten (BAG 21.4.2010 - 10 AZR 163/09 - Rn. 11, NZA 2010, 808). Ein Anspruch kann auch entstehen, wenn die an eine Reihe von Arbeitnehmern geleisteten Zahlungen den übrigen Arbeitnehmern nicht mitgeteilt und im Betrieb nicht allgemein veröffentlicht werden. Eine verbindliche Regel, ab welcher Anzahl von Leistungen ein Arbeitnehmer auf die Verbindlichkeit der Zuwendung schließen darf, gibt es nicht. Hierfür ist auf Art, Dauer und Intensität der Leistungen abzustellen. Zu berücksichtigen ist ferner die Zahl der Leistungsfälle im Verhältnis zur Belegschaftsstärke oder zur Stärke einer begünstigten Gruppe (BAG 17.11.2009 - 9 AZR 765/08 - Rn. 26, NZA-RR 2010, 293). Bei einer für Arbeitnehmer weniger wichtigen Leistung sind an die Zahl der Wiederholungen höhere Anforderungen zu stellen als bei bedeutsameren Leistungsinhalten. Will ein Arbeitgeber die Vergünstigung von einer Entscheidung im jeweiligen Einzelfall abhängig machen, muss er das nach außen erkennbar zum Ausdruck bringen (BAG 18.5.2008 - 10 AZR 274/07 - Rn. 18 f., NZA 2008, 941). Ein Freiwilligkeitsvorbehalt, der sich nicht im bloßen Hinweis erschöpft, der Arbeitgeber verpflichte sich „freiwillig“ zur Erbringung der Leistung, ohne dazu durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Gesetz gezwungen zu sein, kann wirksam das Entstehen eines Rechtsanspruchs des Zuwendungsempfängers auf künftige Sonderleistungen hindern. Ein formularvertragsgemäßer Freiwilligkeitsvorbehalt muss klar und verständlich sein, um einen Rechtsanspruch auszuschließen und die grundsätzliche Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers zu wahren, ob und unter welchen Voraussetzungen zum laufenden Arbeitsentgelt zusätzliche Leistung zu gewähren (BAG 21.1.2009 - 10 AZR 219/08 - Rn. 14, NZA 2009, 310).

(2)

102

Die Anforderungen an die Darlegung einer betrieblichen Übung dürfen nicht unzumutbar sein. Ein Arbeitnehmer, der keinen Einblick in die Betriebsinterna seines Arbeitgebers hat, kann nicht im Einzelnen anführen, welche Erwägungen des Arbeitgebers über Jahre hinweg eine Rolle gespielt haben. Es genügt, dass der Arbeitnehmer die Umstände darlegt, die den Eindruck einer festen Übung erwecken. Danach obliegt es dem Arbeitgeber nach § 138 Abs. 2 ZPO, dem Anschein einer betrieblichen Übung entgegenzutreten (BAG 17.11.2009 - 9 AZR 765/08 - Rn. 31, a.a.O.). Ergibt sich ein Anspruch dem Grunde nach, ist der Arbeitgeber im Rahmen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast gehalten, dazu vorzutragen, nach welchen Kriterien die Höhe der Zahlung bestimmt wurde (BAG 21.4.2010 - 10 AZR 163/09 - Rn. 21, a.a.O.).

(3)

103

Die Klägerpartei hat vor diesem Hintergrund das Bestehen einer betrieblichen Übung zur Zahlung von Weihnachtsgeld - wie zuletzt mit den Novembergehalten verabfolgt - hinreichend dargetan. Mit den zur Akte gereichten Gehaltsmitteilungen des Beschäftigten V. H. Z war eine betriebliche Weihnachtsgeldzahlung in dem behaupteten Schema einer Leistung mit der Novembervergütung bereits für die Jahre 1994 und 1995 hinreichend konkretisiert. Aus Gehaltsmitteilungen ergibt sich ein für den Leistungszweck erbrachter Zahlungen maßgeblicher Anhalt (vgl. BAG 21.4.2010 - 10 AZR 163/09 - Rn. 19, a.a.O.; 24.3.2010 - 10 AZR 43/09 - Rn. 22, NZA 2010, 759). Ergänzend lassen sich die an die Klägerpartei geleisteten Zahlungen im Laufe des Arbeitsverhältnisses anhand der zur Akte gereichten Gehaltsmitteilungen ersehen. Die zusätzliche Einlassung der Klägerseite, das Weihnachtsgeld sei stets gleichförmig an sie wie auch die weitere Belegschaft gezahlt worden, war hiernach hinreichend substantiiert. All dies ergab eine nachvollziehbare und verbindliche arbeitnehmerbegünstigende Handlung, die seitens der Beschäftigten billigend entgegengenommen wurde. Für eine jährlich an die gesamte Belegschaft geleistete Gratifikation gilt hinsichtlich der Verabfolgungshäufigkeit die Regel, dass nach zumindest dreimalig vorbehaltloser Gewährung eine Verbindlichkeit erstarken kann, sofern nicht besondere Umstände dagegen sprechen oder der Arbeitgeber bei den Zahlungen einen Bindungswillen für die Zukunft ausschließt (BAG 8.12.2010 - 10 AZR 671/09 - Rn. 11, NZA 2011, 628). Ein solcher Ausschluss war für die Beklagte nicht zu erkennen. Sie konnte dem plausibel geschilderten Regelansatz auch nicht schon mit pauschalem Bestreiten oder mit Nichtwissen entgegentreten (§ 138 Abs. 1, 2, 4 ZPO). Die Zahlungen und Regelbildungen lagen vollständig in ihrem Wahrnehmungs- und Vornahmebereich. Es wäre stattdessen Sache der Beklagten gewesen, der aus dem Klägervorbringen folgenden Schematisierung durch Darlegung von Umständen, die den Anspruch konkret und im Einzelfall ausschlossen, entgegenzutreten, namentlich durch Substantiierung vermeintlicher Ausnahmen sowie deren Beweggründe. Mit der alljährlich regelhaften Weihnachtsgeldleistung an die Belegschaft zusammen mit dem Novembergehalt konnte sonach eine betriebliche Übung entstehen.

104

(4) Die erbrachten Leistungen waren - entgegen dem Einwand der Beklagten - auch von keinem bindungshindernden Vorbehalt belastet.

(a)

105

Soweit die Beklagte pauschal behauptete, zu jeder Zahlung Vorbehalte derart verbalisiert zu haben, dass die Leistung allein für das laufende Jahr oder die laufende Abrechnungsperiode galt, fehlte dem Vorbringen jeder greifbare Tatsachenhintergrund dazu, wer wann wem gegenüber welchen Vorbehalt formuliert haben mochte. Den zur Akte gereichten Abrechnungen war zu entnehmen, dass die Gehaltszahlungen jeweils via Banküberweisung stattfanden, sodass eine Vorbehaltsformulierung bei Aushändigung der Monatslöhne schon aufgrund der Abwicklung „übers Eck“ nicht in Betracht kam. Aus den Gehaltsmitteilungen waren - mit Ausnahme des Jahres 2010 - keinerlei Vorbehalte zu entnehmen. Die erst Ende 2010 eingefügte Wendung „freiwillig“ war aufgrund der vorangegangenen Verabfolgungen sowie der begrifflichen Unklarheit wegen nicht weiter geeignet, einen wirksamen Vorbehalt in Worte zu fassen (hieraus ergaben sich wortlautgemäß allenfalls Motivlagen, die keine Rückschlüsse auf einen künftige negative Leistungswillen zuließen; vgl. BAG 8.12.2010 - 10 AZR 671/09 - Rn. 19, NZA 2011, 628). Mangels hinreichender Konkretisierung war aus denselben Gründen auch dem weiteren Beklagteneinwand, die Freiwilligkeit sei innerbetrieblich stets kommuniziert worden, nicht weiter nachzugehen. Es fehlte an Anhalten, wer wann wem was kommuniziert haben mochte. Auch die „Vorbehaltserklärung“ des Beklagtengeschäftsführers vom 6. Dezember 2010, der nach die Sonderzahlungen freiwillig sein sollten, ging über die pauschale Freiwilligkeitskennzeichnung (die als solche nicht ausreichte nicht hinaus) nicht hinaus.

(b)

106

Kein wirksamer Freiwilligkeitsvorbehalt war auch aus der arbeitsvertraglichen Vorbehaltsregel in Ziff. 3 herzuleiten. Die hierin aufgenommene klauselgemäße Regelung hält der einer Rechtskontrolle nicht stand und ist - ohne die Möglichkeit der Aufrechterhaltung - rechtsunwirksam.

(aa)

107

Bei dem zur Akte gereichten Vertrag handelte es sich um einen in seinen Bedingungen von der Beklagten zur vielfachen Verwendung vorformulierten Regelungstatbestand i.S.d. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Allein unter den am selben Tag vor der Kammer verhandelten Verfahren fand sich die identische Vertragsfassung noch in den Verfahren 6 Sa 702/11, 6 Sa 709/11, 6 Sa 710/11, 6 Sa 721/11 und 6 Sa 724/11, ohne dass Anhaltspunkte für eine andere Urheberschaft als die der Beklagten bestanden (zur hinreichenden dreifachen Verwendung s. etwa BAG 25.4.2007 - 5 AZR 627/06 - Rn. 14, NZA 2007, 853).

(bb)

108

In der gebotenen Auslegung hält die Klausel einer Rechtskontrolle nicht stand.

109

(aaa)

110

Als allgemeine Arbeitsvertragsbedingung war Ziff. 3 des Arbeitsvertrags nach seinem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden wurde, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen waren (BAG 20.1.2010 - 10 AZR 914/08 - Rn. 12, NZA 2010, 445).

111

(bbb)

112

Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB sind Klauseln, die eine Kombination von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalten aufweisen intransparent. Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten werden kann. Eine solche Situation ist bei der Kombination von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalten regelmäßig gegeben. Es besteht die Gefahr, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders seine Rechte nicht wahrnimmt. Bei einem Freiwilligkeitsvorbehalt entsteht schon kein Anspruch auf die Leistung, während bei einem Widerrufsvorbehalt der Anspruch zwar entsteht, der andere Teil sich aber vorbehält, die versprochene Leistung einseitig zu ändern. Bei der Kombination von beidem wird auch für einen um Verständnis bemühten Vertragspartner nicht deutlich, ob nun jegliche zukünftige Bindung schon ausgeschlossen oder nur die Möglichkeit eingeräumt sein soll, sich später wieder von der Verbindlichkeit zu lösen. Selbiges gilt, wenn neben dem bloßen Wort „freiwillig“ noch der erläuternde Zusatz folgt, dass auch bei mehrmaliger und regelmäßiger Gewährung kein Rechtsanspruch für die Zukunft entsteht, wenn auch hierneben für dieselbe Leistung noch ein gleichstufiger Widerrufsvorbehalt ausgedrückt wird. Der Zusatz, dass Freiwilligkeit meine, ein Rechtsanspruch solle nicht entstehen, vervollständigt nämlich erst den aus sich heraus nicht hinreichend klaren Begriff „freiwillig“. Die Klausel kann in aller Regel auch nicht so geteilt werden, dass lediglich ein wirksamer Freiwilligkeitsvorbehalt erhalten bleibt, wenn sie nicht mehrere sachliche Regelungen aufweist, deren unzulässiger Teil sprachlich eindeutig abtrennbar bleibt (BAG 14.9.2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 21 ff., NZA 2012, 81).

113

(ccc)

114

Vor diesem Hintergrund war der Regelung in Ziff. 3 des Arbeitsvertrags insgesamt keine Wirksamkeit beizumessen. Die hierin enthaltene Verbindung von Freiwilligkeit und Widerruflichkeit war widersprüchlich und aus sich heraus geeignet, verständige Adressaten über die geltende Rechtslage im Unklaren zu lassen sowie daraus folgend von der Wahrnehmung ihrer Rechte abzuhalten. Dies führt zur Unwirksamkeit nach § 307 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 BGB, ohne dass der Umstand etwas ändert, dass die Freiwilligkeit weiter erläutert war. Die Regelung blieb auch so unteilbar. Dies ergab sich einerseits aus der komprimierten grammatikalischen Fassung in einem einzigen, durch bloße Relativsatzergänzung aufgelockerten, Satzbau, indem die Freiwilligkeit und die Widerruflichkeit auf einer Stufe und untrennbar miteinander verbunden zum Ausdruck gebracht waren. Zum anderen war auch allein mit der Wendung, dass selbst bei mehrfacher Gewährung kein Rechtsanspruch für die Zukunft entstehe, nichts weiter als die Erläuterung der Freiwilligkeit in Worte gefasst. Es fehlte im Übrigen auch jeder Anhaltspunkt, dass die Klausel im konkreten Fall ihrer Verwendung im vorliegenden Fall unter den Vertragspartnern des hiesigen Rechtskreises zu einer anderen Wertung Anhalt belassen haben konnten. Bei generalisierender Betrachtung war mithin davon auszugehen, dass die Geltendmachung von Ansprüchen auch vorliegend gehemmt oder gehindert werden konnte bzw. sogar sollte.

115

(ddd)

116

Auf sich beruhen konnte, ob die sämtliche Sonderzahlungen umfassende Klausel nicht zudem nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB i.V.m. § 305b BGB unwirksam sein mochte. Die Möglichkeit, eine nach Zeitabschnitten bemessene Vergütung grundlos und noch dazu ohne jegliche Erklärung einzustellen, beeinträchtigt die Interessen des Vertragspartners grundlegend. Dies gilt zumindest für unter Vorbehalt gewährte Leistungen im Arbeitsverhältnis, welche neben der eigentlichen Grundvergütung - vorliegend in Ziff. 2 des Arbeitsvertrags geregelt - eine ergänzende Abgeltungen der Arbeit in Form von Zulagen oder sonstigen laufenden Leistungen darstellen, weil damit ins vertragliche Synallagma eingreifen wird (BAG 11.2.2009 - 10 AZR 222/08 - Rn. 40 f., NZA 2009, 428; 25.4.2007 - 5 AZR 627/06 - Rn. 15 ff., NZA 2007, 853). Ein solcher Freiwilligkeitsvorbehalt ist kaum mit dem Vorrang von Individualabreden (§ 305b BGB) zu vereinbaren, wenn er so ausgelegt werden kann, dass er auch Rechtsansprüche aus späteren Individualabreden ausschließt. Darüber hinaus droht die Abweichung vom allgemeinen Grundsatz „pacta sunt servanda“ (Verträge sind einzuhalten), § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB (BAG 14.9.2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 32 ff., NZA 2012, 81).

(dd)

117

Auch eine reduzierende Aufrechterhaltung des vorliegend unwirksamen Freiwilligkeitsvorbehalts i.S. einer Widerrufsklausel kommt nicht in Betracht. Schon die sprachlich weitreichende Fassung „jederzeit“ lässt keinen Spielraum für eine ergänzende Vertragsauslegung, dass nur unter konkretisierbaren Bedingungen ein Widerruf der Leistungen erfolgen solle. Zudem meinte selbst die Beklagte in ihren Erwägungen zur Teilbarkeit, dass die Klausel sei nicht als Widerrufsklausel zu lesen sei. Außerdem dürfte auch bei Altverträgen, die der allgemeinen Vertragskontrolle i.S.d. §§ 305 ff. BGB seit dem 1.1.2003 unterliegen (Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB), eine ergänzende Vertragsauslegung in Fällen widersprüchlicher Freiwilligkeits-/ Widerruflichkeitsklauseln allenfalls in besonders gelagerten Ausnahmefällen noch in Betracht kommen (zum ersatzlosen Wegfall der Klausel etwa BAG 10.12.2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 18 f., NZA-RR 2009, 576). Für einen Ausnahmefall von der allgemeinen Unwirksamkeit fehlt vorliegend jeder Anhalt.

2.

118

Der das Urlaubsgeld betreffende Antrag zu 2 ist ebenfalls zulässig und begründet.

a)

119

Der Antrag ist zulässig. Die Klägerpartei richtet sich - wie im Zusammenhang des Weihnachtsgelds - gegen die Unsicherheit der Freiwilligkeit und Widerrufbarkeit des wiederholt mit dem Juni- und Oktobergehalt eines Jahres geleisteten, in der Gehaltsmitteilung mit dem (jeweiligen) Zusatz „23,5%“ versehenen und in der Vergangenheit unstreitig zutreffend bemessenen Urlaubsgelds. Dies hat die Klägerpartei vor der Berufungskammer klargestellt, indem sie den Feststellungsinhalt auf den Gegenstand der zuletzt erbrachten Leistung der Gehaltsmitteilung nach richtete. Die erbetene Feststellung betrifft - mangels Streits der Parteien über die Leistungsparameter im Übrigen - allein die Frage der Verbindlichkeit als solcher sowie daran anknüpfend deren „Widerrufsfestigkeit“. Die Anforderungen der §§ 253, 256 ZPO sind danach erfüllt.

b)

120

Der Antrag ist auch begründet.

aa)

121

Eine ausdrückliche Vertragsabrede über das (wann, warum, in welcher Höhe zu zahlende) Urlaubsgeld brachte die Klägerseite nicht weiter vor. Allein die Nennung von Sonderzahlungen in Ziff. 3 des Arbeitsvertrags ließ - unabhängig von der Frage der Freiwilligkeit und/oder Widerruflichkeit - mangels Konkretisierung von Voraussetzungen oder Gegenstand keinen Rechtsbindungswillen für eine zumindest bestimmbare Verbindlichkeit erkennen.

bb)

122

Die Klägerpartei hatte indes auch für das Urlaubsgeld das Bestehen einer betrieblichen Übung hinreichend ausgeführt. Aus deren Vorbringen ergab sich eine regelhafte Urlaubsgeldleistung, die - wie zuletzt mit dem Juni- und Oktobergehalt verabfolgt - ausgestaltet worden war. Die zur Akte gereichten Gehaltsmitteilungen des Beschäftigten V.H. Y ließen den Beginn der betrieblichen Urlaubsgeldzahlung mit der Juni- und gefolgt von der Oktobervergütung schon im Jahr 1995, und zwar nach dem klägerseits behaupteten Schema, erkennen. Auch die der Klägerpartei geleisteten Zahlungen fügten sich in dieses Schema, wie sich anhand der zur Akte gereichten Gehaltsmitteilungen ersehen ließ. Die Einlassung der Klägerpartei, dass das Urlaubsgeld stets gleichförmig an sie wie auch die weiteren Belegschaftsangehörigen gezahlt worden sei, war vor diesem Hintergrund hinreichend substantiiert. Die jährlich derart geleistete Gratifikation erstarkte nach dreijährig vorbehaltloser Gewährung zur Verbindlichkeit. Die Beklagte konnte dem mit pauschalem Bestreiten oder Bestreiten mit Nichtwissen nicht wirksam entgegen, da die Zahlungen ebenso wie die Regelbildung in ihrem eigenen Wahrnehmungs- und Vornahmekreis lagen. Auch bezüglich des Urlaubsgelds hätte es konkreter Einwände gegen die klägerseits behauptete Schematisierung bedurft, die - wie beim Weihnachtsgeld - zumindest bis Ende 2009 zu einem verbindlichen Anspruch geführt hatte (§§ 138 Abs. 2 bis 4 ZPO). Ein wirksamer Freiwilligkeitsvorbehalt war, weil das Beklagtenvorbringen hierzu über das zur Weihnachtsgeldzahlung nicht hinausging, aus den bereist dargestellten Gründen nicht gegeben: Der in der Gehaltsmitteilungen von Oktober 2010 sowie am 6. Dezember 2010 artikulierte Freiwilligkeitsvorbehalt war weder rechtzeitig noch in der Sache ausreichend erfolgt. Auch der Formularvertragsvorbehalt war weder als Freiwilligkeits- noch als Widerrufsvorbehalt wirksam (s.o. A II 1 b bb [3] [b]).

3.

123

Der Antrag zu 3 auf Feststellung einer Verpflichtung der Beklagten zur Erbringung von Arbeitgeberanteilen zu vermögenswirksamen Leistungen ist nicht zulässig.

a)

124

Dem Antrag war nicht bereits durch Anerkenntnisurteil gemäß § 307 Satz 1 ZPO zu entsprechen. Es fehlte ein prozessuales Anerkenntnis. Ein solches liegt nicht vor, soweit die Beklagtenpartei - wie vorliegend - die uneingeschränkte Klageabweisung begehrt (vgl. BAG 20.3.1974 - 4 AZR 266/73 - zu II der Gründe, AP MTB II § 29 Nr. 2).

b)

125

Der Antrag war zwar hinreichend bestimmt i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, da die festzustellende Zahlungspflicht (nach Höhe, Gegenstand und Leistungstermin sowie mangelnder Freiwilligkeit und Widerrufbarkeit) hinreichend konkretisiert war. Es fehlte aber an den Voraussetzungen eines streitigen Rechtsverhältnisses i.S.d. § 256 Abs. 1 ZPO. Entgegen dem pauschalen Vorbringen der Klägerseite hatte die Beklagte ihre Verpflichtung zur Leistung des Arbeitgeberanteils an den vermögenswirksamen Leistungen zu keiner Zeit ausdrücklich oder sinngemäß in Frage gestellt. Weder enthielten die Gehaltsmitteilungen zuallerletzt den im Zusammenhang von Weihnachts- und Urlaubsgeld für Unsicherheit sorgenden Zusatz Hinweise auf Freiwilligkeit, noch ergibt sich aus dem Klägervorbringen, dass beklagtenseits bei dem Gespräch vom 6. Dezember 2010 oder bei sonstiger Gelegenheit Zweifel an der Verbindlichkeit des in Rede stehenden Anspruchs geweckt sein konnten. Eine nur noch auf die Beantwortung abstrakter Rechtsfragen gerichtete Feststellungsklage ist nicht mehr zulässig (BAG 6.7.2011 - 4 AZR 501/09 - Rn. 76, juris; LAG Rheinland-Pfalz 29.9.2011 - 10 Sa 314/11 - zu II 1.1 der Gründe, ZTR 2012, 52).

4.

126

Der Antrag zu 4 Abs. 1 auf Erbringung eines Vertragsnachweises über Zusammensetzung, Höhe und Fälligkeit einer stückzahlabhängigen Leistungsprämie ist zulässig und begründet.

a)

127

Der Antrag ist zulässig. Den Bestimmtheitsanforderungen nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist genügt. Ein Anspruch auf Aushändigung von Niederschriften über wesentliche Arbeitsvertragsinhalte i.S.d. §§ 2, 3 NachwG kann auch auf einzelne Vertragselemente begrenzt sein (AnwKArbR/Nuria Schaub vor NachwG Rn. 3). Der Antrag ist bezüglich der Vornahmehandlung und des Adressaten der Auslegung zugänglich. Die Klägerpartei kann bei wohlverstandenem Verständnis nur meinen, dass die auszufertigende Niederschrift nicht nur herzustellen, sondern auch an sie i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz1, § 3 Satz 1 NachwG auszuhändigen sei. Hierfür spricht schon der Umstand, dass die Klägerseite die vom Arbeitsgericht hinsichtlich des rechtskräftig beschiedenen anfänglichen Antrags zu Ziff. 6 Abs. 3 ebenso beschied, ohne hiergegen Einwände erhoben wurden. Der Gegenstand der Niederschrift ist im Übrigen mit Aufnahme der gehaltsmitteilungsgemäßen Position: „Leistungsprämie Stückzahl“ hinreichend umschrieben. Für die Beklagtenseite folgt hieraus unmissverständlich, über welche Verbindlichkeit sie nach Zusammensetzung, Höhe und Fälligkeit Niederschrift erteilen soll. Der Hinweis auf die „vereinbarte“ Prämie stellt antragsgemäß lediglich klar, dass der Nachweis eine verbindliche Pflicht betreffen soll.

b)

128

Der Antrag ist begründet. Die Beklagte hat der Klägerpartei die gewünschte Niederschrift zu erteilen.

aa)

129

Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 6 NachwG hat der Arbeitgeber spätestens einen Monat nach Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und sie dem Arbeitnehmer auszuhändigen. Aufzunehmen sind dabei u.a. Zusammensetzung und Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Zuschläge, Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts nebst Fälligkeit. Bei einer Änderungen gebietet § 3 Satz 1 NachwG spätestens mit Ablauf eines Monats die (ergänzende) schriftliche Mitteilung. Bei Altverträgen, die vor Inkrafttreten des Nachweisgesetzes vom 20. Juli 1975 (BGBl. I S. 946) am 28. Juli 1995 begründet worden waren, gilt die Nachweisverpflichtung auf Verlangen und mit einem Fristlauf von zwei Monaten, § 4 Satz 1 NachwG. Die in Rede stehende Leistungsprämie betrifft eine Zulage i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 NachwG. Die Regelung umfasst insbesondere Leistungsentgelte (BT-Drucks 13/668 S. 10). Spätestens mit Ablauf des 16. April 2011 wäre der am 16. Februar 2011 angeforderte Nachweis bei Verbindlichkeit des Anspruchs zu erteilen gewesen. Die Klageerhebung erfolgte vorliegend erst anschließend, und zwar am 21. April 2011.

bb)

130

Die vom Antrag zur Niederschrift benannten Elemente sind verbindlicher Gegenstand des Arbeitsverhältnisses der Parteien. Die Klägerpartei hat ihrer hierzu obliegenden Darlegungs- und Beweislast genügt (AnwKArbR/Nuria Schaub vor NachwG Rn. 35).

(1)

131

Aus dem Klägervorbringen ergibt sich ein Anspruch auf eine „stückzahlabhängige Leistungsprämie“, ohne dass die Beklagteneinwände hiergegen durchgreifen.

(a)

132

Auf eine ausdrückliche Vereinbarung stützt sich die Klägerseite nicht weiter. Auch der Arbeitsvertrag nennt eine Leistungsprämie nur als möglichen Vertragsinhalt i.S. einer freiwilligen und widerrufbaren Leistung ohne dessen Inhalt näher zu kennzeichnen.

(b)

133

Der Anspruch beruht aber auf betrieblicher Übung.

(aa)

134

Für das Entstehen der betrieblichen Übung gelten die dargelegten Grundsätze (s.o. A II 1 b bb [1]).

135

(aaa)

136

Es ist für betriebliche Übungen nicht erforderlich, dass bestimmte Zahlungen immer in stets gleicher Höhe erfolgen. Auch bei periodisch wechselnden Zahlungen kann aufgrund des tatsächlichen Arbeitgeberverhaltens eine Arbeitnehmerannahme gerechtfertigt sein, die Gegenseite wolle sich hinsichtlich der Bonifizierung in irgendeiner Weise auf Dauer binden. Bei zielbezogene Bonifizierungen sind gleich hohe Zahlungen eher untypisch. Bonifizierungen erfolgen regelmäßig abhängig von verschiedenen Komponenten, wie dem Betriebsergebnis und / oder der persönlichen Leistung, sodass Schwankungen natürlicherweise vorkommen müssen.

137

(bbb)

138

Wenn über den Grund eines Anspruchs für jede Abrechnungsperiode neu entschieden werden soll, wird darauf typischerweise besonders hingewiesen (vgl. BAG 21.4.2010 - 10 AZR 163/09 - Rn. 17, NZA 2010, 808). Anders liegen die Dinge allenfalls, wenn Leistungen dem Grund und der Höhe nach ohne irgendwie geartetes System erfolgen (vgl. BAG 28.2.1996 - 10 AZR 516/95 - zu II 2 der Gründe, NJW 1996, 3166); wie etwa Leistungen nach Gutdünken (vgl. BAG 18.1.2012 - 10 AZR 612/10 - Rn. 16, NZA 2012, 561).

139

(ccc)

140

Wann bei schwankenden, leistungsbezogenen Gewährungen eine begründete Erwartung in die Dauerhaftigkeit erwächst, hängt - wie allgemein - von Art, Dauer und Intensität der Leistungen ab. D.h. bei Leistungen weniger gewichtigen Gegenstands können an die Zahl der Wiederholungen höhere Anforderungen gestellt werden, als bei bedeutsameren. Im Übrigen ist die Zahl der Begünstigten im Verhältnis zur Gesamtbelegschaft zu berücksichtigen (BAG 28.5.2008 - 10 AZR 274/07 - Rn. 18, NZA 2008, 941).

(bb)

141

Vorliegend folgt aus dem Klägervorbringen eine regelhafte, wiederholte und der Erwartung auch zukünftigen Leistungserhalts zugängliche Praxis der Beklagten.

142

(aaa)

143

Die Klägerseite hatte auf die seit Gründung der Beklagten bestehende Praxis, eine Leistungsprämie zu zahlen, hingewiesen. Sie hatte deren Struktur, soweit ihr erkennbar, konkretisiert und Anpassungen auf Modellwechsel zurückgeführt. Die Prämiezusammensetzung ergab sich danach aus verschiedenen Faktoren, wie Menge und Qualität je Produktionsteam, benötigte Arbeitszeiten, Obermaterial, Sohlen, Größe, Modellschwierigkeiten und eventuellen Mindermengen. Für die Ermittlung der Prämienbeträge war auf die Teamleitungen sowie - für der Qualität - auf die Qualitätskontrolle hingewiesen. Ferner waren Urlaubs- und Arbeitsunfähigkeitszeiten als Abzugspositionen geschildert. Aus all diese Daten lässt sich eine Regelhaftigkeit i.S. eines systembezogene Prämienprinzips ohne nennenswerten Eindruck von Gutdünken folgern. Sowohl Schwankungen als auch prämienfreie Abrechnungszeiten fügen darein bruchlos. Aufgrund des zu erreichenden Umfangs von bis zu einem Monatsgehalt, war eine Verabfolgung seit Unternehmensgründung (1994) zureichend, um eine gefestigte Erwartung der begünstigten Arbeitnehmer in die dauerhafte Prämiengewährung zu rechtfertigen. Für die Klägerpartei ergab sich der seit 2006 wiederholte Erhalt zudem aus den Ausweisungen in den zur Gerichtsakte gereichten Gehaltsmitteilungen, mit einer „Leistungsprämie Stückzahl“ zwischen Januar 2010 und Juni 2011 sowie zuvor in den Abrechnungen 1, 2 und 4/ 06, 3, 7, 12/07 als „Prämie“ und in 3, 4, 9/08 als „Prämie lfd“.

144

(bbb)

145

Die Beklagte hat die Angaben der Klägerpartei nicht konkret in Abrede gestellt. Bloß pauschales Bestreiten genügte den Darlegungslasten im eigenem Wahrnehmungs- und Regelungskreis ebenso wenig wie Bestreiten mit Nichtwissen, § 138 Abs. 1, 2, 4 ZPO. Ihrer Verfahrenspflicht, im Rahmen einer abgestufter Darlegungslast die behauptete Regelhaftigkeit zu wiederlegen und ggf. Gutdünken oder Einzelfallentscheidungen zu konkretisieren (BAG 21.4.2010 - 10 AZR 163/09 - Rn. 21, NZA 2010, 808), kam die Beklagte auch mit ihrer Einlassung vor der Berufungskammer nicht nach. Der hier erwähnte Umstand, dass es eine Leistungsprämie bis Ende des Jahres 2007 gegeben habe, bestätigte vielmehr das Klägervorbringen wesentlich. Das gleiche gilt auch für die ab 2008 zugestandene neue Formel entsprechend dem dem Betriebsrat mitgeteilten Schema. Selbst wenn dies kein starres Schema, sondern eine Grund- oder Steuerungsformel ist, von der Ausnahmen gemacht werden können und werden, handelt es sich immer noch um ein regelhaftes System. Auch die seit 2008 gebräuchliche Formel füllte mit mehr als 3 jähriger betrieblicher Gewährung einen Vornahmerahmen aus, der auf einen bindenden Beibehalt bei Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz schließen lässt. Der weitere Beklagten-Einwand einer stets kommunizierter Freiwilligkeit war abermals nicht hinreichend substantiiert, § 138 Abs. 1, 2 ZPO. Ein wirksamer vertraglicher Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt lag ohnehin nicht vor (s.o. A II 1 b bb [3] [b]).

5.

146

Der Antrag zu 4 Abs. 2 auf Feststellung, dass im Hinblick auf die Leistungsprämie keine Berechtigung der Beklagten bestehe, diese bei einer bis zu zweitägigen Arbeitsunfähigkeit im Abrechnungszeitraum zu kürzen und ab dreitägiger Arbeitsunfähigkeit im Abrechnungszeitraum zu streichen, ist nicht zulässig. Es fehlt an den Voraussetzungen des § 256 ZPO.

a)

147

Die begehrte Feststellung ist nicht schon nach § 256 Abs. 2 ZPO von hinreichendem Feststellungsinteresse getragen.

aa)

148

Nach dieser Regelung kann ein Kläger bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die ein Urteil ergeht, durch Erweiterung des Klageantrags beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt wird. Neben dem Umstand der Vorgreiflichkeit eines Rechtsverhältnisses setzt die Zwischenfeststellungklage weiter die Streitigkeit voraus, also den Umstand, dass die Rechtsbeziehung nach Bescheidung der „Hauptklage“ nicht schon erschöpfend geregelt ist (LAG Rheinland-Pfalz 26.8.2011 - 9 Sa 102/11 - zu II 2 der Gründe, juris). Des Weiteren setzt die Vorgreiflichkeit unausgesprochen voraus, dass über das Bestehen oder Nichtbestehen des Rechtsverhältnisses, welches die Zwischenfeststellung aufgreift, in der Entscheidung über die Hauptsache bereits befunden wurde (BGH 15.12.2009 - XI ZR 110/09 - Rn. 19, NJW-RR 2010, 640; BAG 29.3.2001 - 6 AZR 652/99 - zu B II 2 a der Gründe, ZTR 2002, 77).

bb)

149

Da vorliegend hinsichtlich der Hauptsache allein die vorbehaltsfreie Verbindlichkeit einer Leistungsprämie zu beschieden war, ohne dass die Nachweispflicht die streitigen Anspruchselemente (Einbeziehung von Krankheitszeiten) umfasste, war den genannten Voraussetzungen nicht genügt. Zudem klärte die Hauptsacheentscheidung die Rechtslage bezüglich des Bestehens einer Niederschriftsverbindlichkeit abschließend und vollständig. Die von Klägerseite herangezogene Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 28. März 2007 (- 10 AZR 720/05 - Rn. 22; parallel mit BAG 28.3.2007 - 10 AZR 385/05 - Rn. 26, NZA 2006, 1176) ergab hierzu keine andere Rechtslage.

b)

150

Die begehrte Feststellung ist auch nicht unter den Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO zu treffen.

aa)

151

Die Sachurteilsvoraussetzung eines rechtlichen Interesses an alsbaldiger richterlicher Entscheidung ist nur gegeben, wenn durch die Entscheidung ein akuter Streit insgesamt bereinigt wird. Deshalb können nicht nur einzelne Elemente eines Rechtsverhältnisses, abstrakte Rechtsfragen oder rechtliche Vorfragen zur gerichtlichen Entscheidung gestellt werden (BAG 14.12.2005 - 4 AZR 522/04 - Rn. 12, AP ZPO 1977 § 256 Nr. 94). Die Rechtskraft der Entscheidung muss weitere gerichtliche Auseinandersetzungen über die zwischen den Parteien strittigen Fragen um denselben Fragenkomplex ausschließen. Deshalb muss bei einem auf Feststellung einer Zahlungsverpflichtung gerichteten Antrag sichergestellt sein, dass über weitere Faktoren, die die Zahlungshöhe bestimmen, kein Streit besteht und die konkrete Bezifferung lediglich eine einfache Rechenaufgabe ist, die von den Parteien in einem unstreitigen Verfahren ebenso wie die weiteren Zahlungsmodalitäten selbst umgesetzt werden können. Anderenfalls müssen auch die weiteren Berechnungskriterien zum Gegenstand des Feststellungsantrages gemacht werden, damit nicht lediglich eine Vorfrage geklärt wird, die die Rechtsgrundlagen für den Entgeltanspruch im Übrigen offen lässt (BAG 14.12.2011 - 4 AZR 26/10 - Rn. 20, juris; 21.4.2010 - 4 AZR 755/08 - Rn. 21, AP ZPO 1977 § 256 Nr. 101).

bb)

152

Diesen Anforderungen ist vorliegend nicht genügt. Aus dem Vorbringend er Klägerseite sind nicht sämtliche Berechnungsfaktoren für die Leistungsprämie im Einzelnen abzuleiten. Die Klägerpartei selbst gesteht zu, dass ihr die erreichten Leistungswerte nicht eigens bekannt gegeben wurden. Bei Erlass eines Feststellungsurteils wären diese wie auch weitere Berechnungsfragen zur Zulage auch dann noch offen, wenn die von Klägerseite im Übrigen benannten Berechnungsfaktoren für Obermaterial, Sohle, Größe, Schwierigkeit und Losmenge einschließlich Prozentanteilen für Teamleitung und Stellvertreter usw. als zutreffend unterstellt würden. Das betrifft bspw. die teamweise ausgeschütteten Prämiensummen, einen anzusetzender Grundentgeltwert, von dem aus nach der Klägerbehauptung zu erreichende Leistungsfaktoren von mindestens 20 errechnet werden, etwaige Parameter der Qualitätsbemessung, wie auch Abrechnungszeiträume oder -Termine der Prämie (Woche, Monat, Quartal; gleichförmig oder wechselnd; dem Leistungserbringungszeitraum unmittelbar nachfolgend, wann wie korrigierbar usw. usf. - anders als im Antrag zu 5 Abs. 1 enthält der Antrag zu 4 Abs. 1 im Übrigen immerhin die Begehr zur Niederlegung des Fälligkeitstermins). Auch einer begrenzten Auslegung ist der Antrag aufgrund seiner präzisen und nicht beliebig ergänzbaren Fassung nicht zugänglich. Der von Klägerseite zur vermeintlichen Zulässigkeit gegebene Hinweis auf die Zulässigkeit von Eingruppierungsfeststellungsklagen, bei denen nach Feststellung der einschlägigen Vergütungsgruppe keine weiteren Streitfragen bestehen, ist für den vorliegenden Sachzusammenhang nicht weiterführend (vgl. LAG Schleswig-Holstein 11.8.2011 - 5 Sa 25/11 - zu II 1 a der Gründe, juris).

6.

153

Der zu 5 Abs. 1 gestellte Leistungsantrag auf Erteilung eines Vertragsnachweises über Zusammensetzung und Höhe der der Klägerpartei zu zahlenden Anwesenheitsprämie i.H.v. 5% berechnet aus der Summe aus Arbeits- und Urlaubsstunden ist zulässig und begründet.

a)

154

Der Antrag ist bei gebotener Auslegung zulässig, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Er zielt bei verständiger Würdigung (§§ 133, 157 BGB) ebenso wie der Antrag zu 4 Abs. 1 auf die Erteilung des Nachweises gegenüber der Klägerpartei. Da die Fälligkeit im Antragswortlaut im Unterschied zum Antrag 4 Abs. 1 und (ehemals) 6 Abs. 3 nicht enthalten ist, soll diese offenbar bewusst nicht in die Niederschrift einbezogen werden. Im Übrigen kann der Gegenstand der niederzulegenden Vertragsleistung „Anwesenheitsprämie i.H.v. 5% berechnet aus der Summe aus Arbeits- und Urlaubsstunden“ nach der Antragsbegründung nur als auf den Gegenstand der zuletzt gehaltsmitteilungsgemäß so verabfolgten Leistungen bezogen werden („Zulage 5% v. Brutto Anwesenheit“ ab 1/08 bzw. „Zulage 5% v. Brutto“ seit 4/10). Wie sich aus den Abrechnungen weiter ergibt, fallen Prämien und Abrechnungsmonate unter Entgeltfortzahlung nicht zusammen, was die Konkretisierung der Prämie aus der Summe von Lohn- und Urlaubslohnstunden entspricht. Ein konkreter Berechnungsmodus sollte - wie sich aus den Feststellungsbegehren zu 5 a bis e ergibt - mit dem reinen Niederschriftsbegehren zudem nicht verbunden sein.

b)

155

Der Antrag ist aus § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6, § 3 Satz 1, § 4 Satz 1 NachwG begründet. Die mit § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 NachwG zu verbindenden Vergütungsbestandteile können neben Leistungsprämien auch Anwesenheitsprämien sein (HWK/Kliemt 4. Aufl. § 2 NachwG Rn. 29). Aus dem Klägervorbringen folgt diesbezüglich auch eine regelhafte Leistung i.S. einer betrieblichen Übung.

aa)

156

Eine ausdrückliche Vereinbarung ist klägerseits nicht weiter behauptet. Die Vertragsausfertigung nennt die Anwesenheitsprämie nur als möglichen Vertragsgegenstand i.S. einer freiwilligen und widerrufbaren Leistungen ohne deren denkbaren Inhalt in irgendeiner Weise näher zu konkretisieren.

bb)

157

Der Anspruch beruht auf betrieblicher Übung.

(1)

158

Die klägerische Behauptung, aus den zur Akte gereichten Gehaltsmitteilungen ergäbe sich, dass die Leistung sukzessive erbracht worden sei, trifft zwar auf die Abrechnungen für den Mitarbeiter V. H. Z aus 1994/ 95 noch nicht zu, die - soweit lesbar - keinen Ausweis von Anwesenheitsprämien enthalten. Er ist jedoch aufgrund der ab 2006 vorgelegten Gehaltsmitteilungen nachvollziehbar. Diese enthalten jedenfalls ab 1/08 eine monatlich ausgewiesene „Zulage 5% v. Brutto Anwesenheit“ bzw. seit 4/10 „Zulage 5% v. Brutto“. Die einzelnen Zahlenwerte entsprechen in den Abrechnungsmonaten ohne Entgeltfortzahlung auch den Summen aus Lohn und Urlaubslohn.

(2)

159

Die Beklagte hat diese Angaben nicht weiter bestritten; ebenso wenig die hierzu verabfolgten Zahlungen. Ihr pauschaler Einwand, die Zahlungen hätten nur für den Abrechnungszeitraum gegolten, sind nicht weiter erheblich. Hieraus folgt nicht, dass und inwieweit die Klägerseite auf die Einmaligkeit der jeweiligen Gewährung hingewiesen worden sein sollte (vgl. hierzu BAG 21.4.2010 - 10 AZR 163/09 - Rn. 17, NZA 2010, 808). Unsubstantiiert i.S.d. § 138 Abs. 1 und 2 ZPO ist auch die weitere Behauptung der Beklagten, bei Leistungserbringung sei stets klar gestellt worden, es handele sich um freiwillige Zahlungen. Die Benennung des Zeugen V ersetzt insofern keinen konkreten Vortrag. Auch die behauptete Regelhaftigkeit einer kollektiven Gewährung („Praxis“) war nicht wirksam bestritten. Es wäre Sache der Beklagten gewesen, im Rahmen abgestufter Darlegungslast dazu vorzutragen, aus welchen Gründen und mit welchen Maßgaben die Zahlungen in bestimmten (für das Gericht nicht ersichtlichen Fällen) abweichend erfolgt sein mochten (BAG 21.4.2010 - 10 AZR 163/09 - Rn. 21, a.a.O.).

(3)

160

Aufgrund des jährlichen Umfangs von (12 x 5% =) 60% eines Bruttolohns war bei nachvollziehbarer betrieblicher Gewährung für mindestens 3,5 Jahre ab Beginn des Jahres 2008 ein Erstarken zum Anspruch anzunehmen (BAG 28.5.2008 - 10 AZR 274/07 - Rn. 18, NZA 2008, 941). Ein wirksamer vertraglicher Freiwilligkeits- und Widerrufbarkeitsvorbehalt bestand abermals nicht (s.o. A II 4 b bb [1] [b] [cc]).

7.

161

Der Antrag zu 5 Buchst. a ist nicht zulässig.

a)

162

Der Antrag ist bei gebotener Auslegung noch hinreichend bestimmt i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Er zielt - wortlautgemäß - auf die Feststellung eines Faktors der Anwesenheitsprämienbemessung und nicht etwa des Urlaubsentgelts („die ‚Anwesenheitsprämie’ ... fortzuzahlen“). Mangels Einschränkung kann zusammenhangsgemäß als bezahlter Urlaub nicht nur der (im Antrag zu 8 ausdrücklich als solcher bezeichnete) Erholungs-, sondern überhaupt jeder bezahlte Urlaub, sei es als Zusatz-, Mehr- oder Sonderurlaub verstanden, gemeint sein.

b)

163

Dem Antrag fehlt das notwendige Feststellungsinteresse.

aa)

164

Voraussetzung nach § 256 Abs. 2 ZPO wäre, dass nach Bescheidung der „Hauptklage“ das beschiedene Rechtsverhältnis weiter streitig blieb, ist schon aufgrund des Zugeständnisses in der Antragstellung zu 5 Buchst. a („- wie in der Vergangenheit -“) nicht ersichtlich. Es fehlt auch im Übrigen an Darlegungen dazu, dass bezüglich der in die Prämie einzubeziehenden bezahlten Urlaubsstunden überhaupt Streit herrscht.

bb)

165

Auch den Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO ist nicht genügt. Allein mit der Klärung einzubeziehender Urlaubsstunden ist die Anwesenheitsprämie nicht abschließend zu klären. Der Kläger nennt selbst in den Anträgen zu 5 Buchst. b bis d weitere Streitpunkte zur Berechnung, während die Beklagte Regelhaftigkeiten insgesamt in Abrede stellt. Auch die in Buchstabe b bis d genannten Fragen sind weder abschließend, noch zur vollständigen Klärung des Anspruchs geeignet sind (Buchst b -„unbezahlter Urlaub“- ist im Hinblick auf nur vereinbarten unbezahlten Urlaub, Fälle kraft Gesetzes suspendierter Hauptleistungspflichten, wie Pflegezeit, Elternzeit, Freistellung zur Kindesbetreuung nach § 45 Abs. 3 bis 5 SGB V, ArbPlSchG o.ä. oder kraft Vereinbarung suspendierter Pflichten i.S. ruhender Arbeitsverhältnisse nicht hinreichend abgrenzbar; gleiches gilt für Buchst. c, zu dem offen ist, ob nur entgeltfortzahlungspflichtige oder überhaupt alle Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen Erkrankung gemeint seien [Wartezeit, 6-Wochen-Grenze, o.ä.]; unklar bleibt auch, inwiefern Akzessorietät zur Erfüllung der Entgeltfortzahlungsvoraussetzungen gelten soll [Verschulden, Kausalität, Anknüpfung an Anzeige- und Nachweispflichten, Sterilisation, Schwangerschaftsabbruch usw.]; ebenso unklar bleibt auch Buchst. d, da offen ist, was „Verspätung“ i.S.d. Antrags meint; ferner ist offen, ob auch Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation i.S.d. § 9 EFZG erfasst sein sollen, Arbeitsausfälle an Feiertagen, Fälle des § 616 BGB, der Aussperrung und/ oder Suspendierung hineinfallen usw.).

8.

166

Der Antrag zu 5 Buchst b ist sodann ebenfalls nicht zulässig.

a)

167

Der Antrag ist nicht hinreichend bestimmt i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Antrag umfasst wortlautgemäß angeordneten wie vereinbarten unbezahlten Urlaub und geht damit über den begründungshalber ausgeführten Fall angeordneter unbezahlter Urlaubszeit während der Betriebsferien hinaus. Was als unbezahlter Urlaub gelten soll, ist mangels gesetzlich ableitbarem Inhalt auch nicht eindeutig bestimmbar, namentlich in Abgrenzung gesetzlich beanspruchbarer Sonderurlaubsfälle bei Pflegezeit, Elternzeit, Freistellung zur Kindesbetreuung nach § 45 Abs. 3 bis 5 SGB V, ArbPlSchG o.ä. zur vereinbarten oder aus sonstigen Gründen suspendierten Hauptleistungspflicht.

b)

168

Auch bei Begrenzung auf den zur Begründung aufgeführten Fall fehlt das nötige Feststellungsinteresse. I.S.d. § 256 Abs. 2 ZPO fehlt die Vorgreiflichkeit, da bei Entscheidung über die Hauptsache über die vermeintliche Praxis bezüglich unbezahlten Urlaubs während der Betriebsferien nicht weiter befunden werden musste. Bezüglich § 256 Abs. 1 ZPO führt die begehrte Feststellung aus den zu A II 7 b bb ausgeführten Gründen zu keiner Klärung des Anspruchs insgesamt.

9.

169

Der Antrag zu 5 Buchst c ist ebenso wenig zulässig.

a)

170

Dem Antrag fehlt die hinreichende Bestimmtheit i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Auslegbar erscheint zwar noch der antragsgemäß bezeichnete „Abrechnungszeitraum“. Die begründungsweise Bezugnahme auf die Gehaltsmitteilungen legt einen Bezug auf Monatszeiträumen nahe, welche die Mitteilungen betreffen. Auch die Wendung „in ungeschmälerter Höhe“ dürfte bestimmbar sein. Sie meint, weil in Zeiten der Entgeltfortzahlung ausweislich der Gehaltsmitteilungen keine Leistung erfolgte, entgegen dem allgemeinen Verständnis nicht die Feststellung der bisherigen Praxis als „ungeschmälert“, weil das nur die ungeschmälerte (Null-) Leistung ergäbe, sondern weitergehend gerade die Prämienpflicht auch für diese Zeit. Unklar und unbestimmt ist der Antrag jedoch deshalb, weil offen bleibt, mit welchem Ansatz die Einrechnung erfolgen soll. Eine Heranziehung des Zeitfaktors aus § 4 Abs. 1 EFZG ist nicht möglich, weil die Bemessung der Prämie und nicht der Entgeltfortzahlung in Rede steht. Zudem geht aus dem Klägervorbringen nicht hervorgeht, ob Gesichtspunkte des § 4a EFZG gegeben sein können. Darüber hinaus bleibt unklar, welche Zeiten als arbeitsunfähige Erkrankung gelten sollen, ob nur entgeltfortzahlungspflichtige oder überhaupt jegliche Arbeitsunfähigkeitserkrankungszeiten, und ob und inwiefern Akzessorietät zu den übrigen Voraussetzungen der Entgeltfortzahlung besteht.

b)

171

Aus den zu A II 8 b genannten Gründen fehlt dem Antrag auch das nötige Feststellungsinteresse.

10.

172

Der Antrag zu 5 Buchst. d ist gleichermaßen unzulässig.

a)

173

Der Anspruch ist nicht hinreichend bestimmt, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Begriff der Verspätung lässt keinen genauen Inhalt erkennen. Wortlautgemäß ist damit jedes spätere Eintreffen gemeint (Wahrig Deutsches Wörterbuch 8. Aufl. Stichwort Verspätung). Welcher Gegenstand sich nach dem Verständnis der Parteien hiermit jedoch verbinden soll, ist auch unter Berücksichtigung des in Früh- und Spätschicht unterteilten Arbeitszeitmodells nicht ohne weiteres ableitbar. Selbst wenn die jeweiligen Beginn und Endzeiten der Schichten gemeint sein sollten, bedürfte der Klärung, welcher Vorgang im Betrieb der Beklagten als Arbeitsaufnahme gilt und ab wann welche Zeiten als Arbeitszeiten erfasst werden bzw. ab welcher zeitlichen Verzögerung die von Klägerseite beanstandete Kürzung erfolgt (ob sekunden-, minuten-, viertel-, halb-, ganzstündig bemessen usw.). Des Weiteren unklar und dem Antrag nicht zu entnehmen ist, inwiefern Verschuldensfragen bei der Verspätung eine Rolle spielen, sowie weitergehend auch Fälle der Abweichungen von den vorgegebenen Zeitgrenzen am Ende der Arbeitszeit oder überhaupt jedes unberechtigte Verlassens des Arbeitsplatzes eine Rolle spielen kann.

b)

174

Aus den zu A II 8 b genannten Gründen fehlt dem Antrag darüber hinaus das nötige Feststellungsinteresse.

11.

175

Auch der Antrag zu 5 Buchst e ist unzulässig.

a)

176

Der Antrag ist hinreichend bestimmt i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Da kein konkreter Widerrufsfall in Rede steht, kann er nur die abstrakte Frage der mangelnden Widerruflichkeit und Freiwilligkeit betreffen.

b)

177

Der Antrag ist von keinem Feststellungsinteresse getragen. § 256 Abs. 2 ZPO setzt die Vorgreiflichkeit eines streitigen Rechtsverhältnisses voraus und greift nicht mehr durch, wenn die Rechtsbeziehung bereits nach der Entscheidung zur Hauptsache erschöpfend geregelt ist (LAG Rheinland-Pfalz 26.8.2011 - 9 Sa 102/11 - zu II 2 der Gründe, juris). Da vorliegend mit Bescheidung der mangels wirksamen Freiwilligkeits-/Widerrufsvorbehalts verbindlichen Prämienpflicht im Antrag zu 5 Abs. 1 die Hauptsache erschöpfend geklärt wurde, verbleibt kein zwischenfeststellbares, streitiges Rechtsverhältnis mehr. Wie zu A II 7 b bb ausgeführt fehlt dem Antrag auch das besondere Feststellungsinteresse i.S.d. § 256 Abs. 1 ZPO, da der Anspruch mit der begehrten Feststellung nicht abschließend geklärt wird.

12.

178

Der Antrag zu 6 Abs. 1 auf Feststellung einer über 20 Tage im Monat hinausgehenden Fahrtkostenerstattungspflicht ist weiterhin nicht zulässig.

a)

179

Der Antrag ist hinreichend bestimmt, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Wendung „nicht nur für 20 Tage im Monat“ meint, da die zur Akte gereichten Gehaltsmitteilungen auch weniger als 20 Arbeitstage im Monat erkennen lassen, bei wohlverstandener Auslegung keine Feststellung eines Mindestansatzes von 20-tägigem Fahrtkostenausgleich pro Monat, sondern (in Verknüpfung mit dem Nachsatz des Antrags „Fahrtkosten für jeden Arbeitstag zu erstatten sind“) vielmehr die Feststellung, dass der Fahrtkostenersatz nicht mit 20-fachem Tagesansatz erschöpft oder „gedeckelt“ wird.

b)

180

Dem Antrag fehlt indes das besondere Feststellungsinteresse. Die Privilegierung des § 256 Abs. 2 ZPO greift nicht durch, da das Arbeitsgericht in seiner (rechtskräftigen) Entscheidung über den Niederschriftsantrag zu 6 Abs. 3 nicht über die Frage geurteilt hat, ob eine Fahrtkostenerstattung auf maximal 20 Arbeitstage im Monat beschränkt ist. Es fehlt mithin die Vorgreiflichkeit. Im Übrigen sind die Voraussetzungen nach § 256 Abs. 1 ZPO nicht erfüllt. Nach den zu A II 7 b bb dargestellten Grundsätzen darf die Elementenfeststellungsklage nicht nur zu einer Teilklärung einzelner Anspruchsvoraussetzungen führen, sondern muss jeden Streit über den Anspruch insgesamt rechtskräftig beseitigen. Bei streitigen Zahlungsverpflichtungen müssen - damit nicht bloße Vorfragen geklärt werden - entweder sämtliche Berechnungskriterien zum Gegenstand des Feststellungsbegehrens gemacht werden, oder die Gewährleistung bestehen, dass über alle weiteren Faktoren, die die Zahlungspflicht ausmachen, kein Streit herrscht. Vorliegend ist indes nicht nur unklar, nach welchen Grundsätzen überhaupt Fahrtkosten erstattet werden und mit welchen Geldansätzen welche Entfernungen oder sonstigen Aufwände bemessen werden. Es fehlt vielmehr auch an jedem Anhalt, dass die partiell begehrte Klärung zur fehlenden tageweisen „Deckelung“ restlose Klarheit über den Anspruch erbringt, sei es zu Mindest- oder Höchstentfernungen, berücksichtigbaren Fahrten (per Kfz, Fahrrad, zu Fuß, mit öffentlichen Verkehrsmitteln usw.), Mitfahrten, Wohnungswechseln, Erst- und Zweitwohnsitzfällen oder sonstigen in der gerichtlichen Praxis nicht untypischen Fahrtausgleichsstreiten.

13.

181

Der Antrag zu 6 Abs. 2 ist nach den zu A II 11 dargelegten Gründen ebenfalls unzulässig. Er betrifft - wie jener - die feststellungsweise abstrakte Frage der mangelnden Freiwilligkeit und Widerrufbarkeit und ist nachdem das Arbeitsgericht über den Niederschriftsantrag zu 6 Abs. 3 rechtskräftig entschieden hat, ohne auf Frage der Freiwilligkeit und Widerrufbarkeit einzugehen, hierzu nicht bereits vorgreiflich i.S.d. § 256 Abs. 2 ZPO. Ihm fehlt im Übrigen das besondere Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO, da durch die begehrte Entscheidung kein akuter Streit insgesamt bereinigt wird.

14.

182

Auch der zu 7 hinsichtlich der Schichtzulagen gestellte Antrag ist nicht zulässig.

a)

183

Er bedarf der Auslegung um hinreichend bestimmt zu sein i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Da keine Vereinbarung aus 2006 mit einer nachvollziehbaren Ziffer III aus dem Klägervorbringen hervorgeht, kann der Antrag - wohlverstanden - nur so aufgefasst werden, als seien die Worte („die gem. Ziff. III der 20006 getroffenen Vereinbarung zur Änderung des Arbeitsvertrages“) nicht geschrieben. Mit der Wendung „bei der Berechnung“ lässt sich, da die Urlaubsvergütung wie die Entgeltfortzahlung ein Produkt aus Zeit- und Geldfaktor entsprechend § 11 Abs. 1 BUrlG (AnwK/Düwell § 11 Rn. 7 ff.) bzw. § 4 Abs. 1, Abs. 1a und Abs. 3 EFZG unter Berücksichtigung von § 4a EFZG (AnwK/Sievers § 4 EFZG Rn. 3 f.) darstellt, nur so verstehen, zu klären, ob im Fall des Urlaubs bei Beurteilung des Geldfaktors (AnwK/Düwell § 11 Rn. 51), im Fall der Entgeltfortzahlung je nach Schichteinteilung bei Beurteilung des Geld- und/ oder Zeitfaktors (AnwK/Sievers § 4 EFZG Rn. 23 ff.) auf die Zulage Rücksicht zu nehmen sei.

b)

184

Aus dieser Auslegung folgt unmissverständlich, dass es sich bei der begehrten Klärung nicht um ein Rechtsverhältnis i.S.d. § 256 Abs. 1 ZPO handelt, sondern dass bloß eine rechtsgutachtliche Beantwortung abstrakter Fragen in Rede steht, was den Antrag insgesamt unzulässig macht (BAG 6.7.2011 - 4 AZR 501/09 - Rn. 76, juris). Soweit konkrete Zahlungen in Streit stehen, können diese unschwer beziffert und in Leistungsklagen gefasst werden.

15.

185

Der zu 8 gestellte Antrag auf Feststellung eines um zwei Tage erhöhten Erholungsurlaubs ist zulässig, aber nicht begründet.

a)

186

Der Antrag ist zulässig.

aa)

187

Er ist bei gebotener Auslegung hinreichend bestimmt i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die begehrte Gewährung ist dem Antragswortlaut nach auf keinen Bezugszeitraum bezogen. Er kann der Begründung nach nur einen Erholungsurlaub pro Kalenderjahr meinen, da hierin ein „jährlich“ nur 34 Arbeitstage umfassender Urlaubsanspruchs für unzureichend bewertet wird. Da die Klage nicht auf eine konkrete Gewährung in oder für einzelne Kalenderjahre gerichtet ist, namentlich nicht auf zurückliegende, oder bis zum Eintritt der Rechtskraft abgeschlossene, kann das Begehren nur allgemein als in die Zukunft gerichtet aufgefasst werden.

bb)

188

Auch unter diesen Vorgaben ist der Antrag noch von hinreichendem Feststellungsinteresse i.S.d. § 256 Abs. 1 ZPO getragen. Im Fall streitiger Urlaubsdeputate gilt der Vorrang der Leistungsklage wegen i.d.R. kaum zu überwindender Vollstreckungsschwierigkeiten bei Leistungsklagen nur begrenzt (BAG 12.4.2011 - 9 AZR 80/10 - Rn. 12 ff. NZA 2011, 1050). Sofern Streitigkeiten allein die Frage des Urlaubsumfangs betreffen, ist die Feststellungsklage regelmäßig geeignet, eine einfache Erledigung der Streitpunkte insgesamt zu erreichen (BAG 20.3.2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 9, NZA 2012, 803).

b)

189

Der Antrag ist in der Sache nicht begründet. Der Klägerpartei hat kein Recht auf weitere zwei jährliche Erholungsurlaubstage in ergänzender Auslegung des Arbeitvertrags i.V.m. § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG.

aa)

190

Dabei kann zugunsten der Klägerseite unterstellt werden, dass die Gewährung von 34 Arbeitstagen jährlichen Urlaubs nach Ziff. 2 des Arbeitsvertrags im Fall einer ungerechtfertigt altersdiskriminierenden Jahresurlaubsbemessung in ergänzender Vertragsauslegung unter Berücksichtigung der § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG zu einer Anpassung nach oben führt (vgl. BAG 20.3.2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 29 f., NZA 2012, 803).

bb)

191

Entgegen der Annahme der Klägerseite liegt jedoch keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung vor.

(1)

192

Die Urlaubsregelung der Parteien unterfällt als Regelung über Beschäftigungs- und Arbeitsbedingung in den Anwendungsbereich des AGG, § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG. § 33 AGG enthält auch für zurückliegend abgeschlossenen Verträgen sieht keine Bereichsausnahme (BAG 20.3.2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 12, 32, a.a.O.).

(2)

193

Die Klägerseite hat hinreichende Anhaltspunkte für eine altersbezogenen Ungleichbehandlung i.S.d. §§ 3, 1, 7 und 22 AGG vorgebracht.

(a)

194

Geringere Urlaubsumfänge pro Jahr für jüngere gegenüber älteren Arbeitnehmern bedeuten eine unmittelbar benachteiligende, weil aus sich heraus weniger begünstigende Behandlung i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG als sie einer anderen Person widerfährt oder widerfahren würde, die allein auf dem Vorliegen des in § 1 AGG genannten Grundes i.S.d. Alters beruht (§ 7 Abs. AGG). Die Klägerseite hat insofern unbestritten vorgebracht, dass im Betrieb Arbeitnehmer ab Vollendung des 58. Lebensjahres 36 Arbeitstage Erholungsurlaub gewährt erhalten. Da sich die unterschiedliche Behandlung schon aus der im Betrieb geltenden Regelhaftigkeit ergibt, kommt es auf die Nennung konkreter Vergleichspersonen nicht weiter an (ErfK/Schlachter 11. Aufl. § 3 AGG Rn. 3).

(b)

195

Die klägerseits in der Berufungsverhandlung ergänzten Umstände ließen die Regelhaftigkeit nicht wieder in Zweifel gestellt erscheinen. Aus dem Urlaubsvollzug gegenüber der geringfügig beschäftigten Frau X war mangels konkreten Urlaubsbegehrens kein abweichendes Regelverhalten zu entnehmen. Auch die für Frau W geschilderte 35-tägige Urlaubsgewährung bei Vollendung des 58. Lebensjahres in der zweiten Kalenderjahrshälfte konnte mit dem klägerseits vorgebrachten Schema noch in Verbindung gebracht werden. Gleiches galt mangels konkreter Anhaltspunkte dazu, aufgrund welcher besonderen Umstände der von Klägerseite nicht weiter benannte Beschäftigte bei Vollendung des 57. Lebensjahres schon einen 35. Urlaubstag gewährt erhalten haben sollte, auch für jenen Fall.

(3)

196

Ein zweitägiger Mehrurlaub für über 58-Jährige dient der Sicherstellung des Schutzes der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer in objektiv, angemessen legitimer Weise i.S.d. § 10 Satz 1 und 3 Nr. 1 AGG.

(a)

197

Unterschiedliche Behandlungen Beschäftigter können durch besondere Beschäftigungs- und Arbeitsbedingen - wie vorliegend die Urlaubsgewährung - zur Sicherstellung des beruflichen Schutzes älterer Beschäftigter in legitimer Weise bezweckt werden. § 10 Satz 1, 3 Nr. 1 AGG dient dem generellen Beschäftigungs- nicht bloß einem eingeschränkten Eingliederungsschutz (Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 10 Rn. 26).

(b)

198

Ältere Arbeitnehmer sind nach Ziff. I Nr. 1 (1) und (3) der ILO-Empfehlung Nr. 162 vom 23. Juni 1980 Arbeitnehmer, die wegen ihres zunehmenden Alters auf Schwierigkeiten in Beschäftigung und Beruf stoßen können. Die Europäische Union hat in Leitlinie 17 der Entscheidung des Rates vom 12. Juli 2005 über Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten 2005/600/EG (Abl. L 205 S. 21) als ältere Arbeitnehmer i.d.S. Arbeitskräfte über 55 Jahre angesehen (Meinel/Heyn/Herms AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 25). Das Bundesarbeitsgericht verweist vor dem Hintergrund des zum Ausgleich eingeschränkter Chancen Älterer auf dem Arbeitsmarkt geltenden § 417 SGB III auf eine Grenze des vollendeten 50. Lebensjahres (BAG 20.3.2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, NZA 2012, 803). Die WHO-Studiengruppe Altern und Arbeit nahm aus 1991 aus arbeitsmedizinischer Sicht wegen auftretender Schwierigkeiten in Arbeit und Beruf eine Grenze ab dem 45. Lebensjahr an (WHO Technical Report Series 835 Aging and Working Capacity - dt. Übersetzung Altern und Arbeit 1994 S. 9 f.). Die gegenwärtigen Diskussionen um die arbeitspsychologische und -medizinische Beurteilung alternsgerechten Arbeitens bezeichnen Grenzwerte in gleicher Altersspanne (vgl. Lehr NZA-Beil 1 2008 S. 3, 4; Dunkel-Benz ebd. S. 25). Über 58-Jährige sind danach in jedem Fall ältere Arbeitnehmer.

(c)

199

Ein erhöhtes Jahresurlaubsdeputat sichert die berufliche Beschäftigung älterer Menschen.

200

(aa) Generell gilt ein gerichtlicher Erfahrungssatz, dass die physische Belastbarkeit eines Menschen mit zunehmendem Alter abnimmt (BAG 13.10.2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 47, NZA 2010, 327; BGH 7.5.1974 - VI ZR 10/73 - zu II 2 der Gründe, NJW 1974, 2280). Dieser Erfahrungssatz betrifft auch den Wirkungszusammenhang von erreichtem Lebensalter und Krankheitsanfälligkeit (BAG 6.11.2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 54, NZA 2009, 361).

201

(aaa)

202

Hinter einem solchen Erfahrungssatz steht die arbeitsmedizinische Erkenntnis eines um ca. 30% jenseits des 50. Lebensjahres verminderten Belastbarkeits- und Gesundheitszustands, namentlich aufgrund Skelett-, Muskel-, Lungen-, Herz- und Sinnesfunktionseinbußen (WHO Technical Report Series 835 Aging and Working Capacity - Altern und Arbeit 1994 S. 20 ff.; Dunkel-Benz NZA-Beil 1 2008 S. 25 ff.; Lehr ebd. S. 3, 7; Winkels Demographischer Wandel: Herausforderungen und Chancen für Personalentwicklung und betriebliche Weiterbildung S. 63 ff.; Lange Verhaltensdispositionen älterer Arbeitnehmer im Zeichen des demographischen Wandels S. 35 f.; u.a.). Trotz individueller Unterschiede handelt es sich um einen für jede Person lebensbegleitenden Prozess, der die Fähigkeit zu körperlicher Höchstleistung verringert, Hör- und Sehfähigkeit schmälert und Reaktionsfähigkeiten, Bewegungskoordination und Geschicklichkeiten mindert (Kollmer/Klindt/Schmidt ArbSchG Syst A Rn. 72 ff.).

203

(bbb)

204

Die Klägerseite stellt diesen Erfahrungssatz auch mit der Berufung nicht konkret in Abrede. Sie meint lediglich, die Erfahrungswerte seien vor dem Hintergrund einer Zäsur zwischen dem 55, 56, 57 und 58 Lebensjahr unergiebig und richtigerweise vor dem Hintergrund individuell unterschiedlicher Leistungsfähigkeit zu treffen. Da dies die allgemeine Erfahrung nicht in Abrede stellt und auch die dargelegten arbeitsmedizinischen Einschätzungen in der Sache nicht negiert, konnte es nur bei der Frage der Gebotenheit einer am konkreten Lebensjahr anknüpfenden Unterscheidung berücksichtigt werden. Weitere sachverständige Aufklärung des allgemeinen Befundes war zudem nach Einschätzung der Kammer für den allseits literarisch geteilten Erfahrungssatz nicht weiter geboten.

205

(ccc)

206

Die Beklagtenseite machte sich die schon vom Arbeitsgericht herangezogenen Erfahrungswerte spätestens mit Verteidigung des angegriffenen Urteils zu eigen und bezog ihn auf die Beschäftigungssituation im Betrieb aufgrund des, auch in zweiter Instanz unbestritten gebliebenen Beklagtenvorbringens, Beschäftigte leisten bei der Schuhfertigung körperlich ermüdende und teils schwere Arbeiten.

(bb)

207

Die von Beklagtenseite damit verbundene Folgerung, dass nach der Lebenserfahrung eine stärkere Ermüdung älterer Menschen über das Jahr betrachtet längere Erholungsphasen verlangt, als für jüngere, ist bei - im Hinblick auf die bei betrieblicher Normsetzung gebotener - typisierender und regelhafter Betrachtungsweise ein Fall ausnahmsweise hinreichender Rechtfertigung für verlängerte Erholungsurlaubszeiten, und zwar zum Schutz der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer vor übermäßiger Beanspruchung i.S.d. § 10 Satz 1 und 3 Nr. 1 AGG.

208

(aaa)

209

Die verlängerte Urlaubsgewährung verhilft älteren Beschäftigten bei genereller Betrachtung zur Absicherung ihrer Erwerbsfähigkeit. Es entspricht arbeitsmedizinischer Einschätzung, dass „langdauernde physische Überforderung“ und „chronischer Zeitdruck“ zu den „Killern“ älterer Mitarbeiter zählen (Dunkel-Benz NZA-Beil 1 2008 S. 25). Der Überforderung kann arbeitsmedizinischer Ansicht nach mit einer verringerten Dauer der Arbeitszeit abgeholfen werden (WHO Technical Report Series 835 Aging and Working Capacity - Altern und Arbeit 1994 S. 30). Eine elementare Entlastung von der Arbeitszeit geschieht dabei auch in Gestalt des bezahlten Erholungsurlaubs. Unionsrechtlich ist der Urlaub deshalb in die Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG einbezogen als eine Phase, die Arbeitnehmern ermöglichen soll, sich zu erholen und über einen Zeitraum der Entspannung und Freizeit zu verfügen (EuGH 21.6.2012 - C-78/11 - ANGED, Nr. 19). Die ILO-Empfehlung Nr. 162 vom 23.6.1980 nennt in Ziff. III Nr. 14 Buchst. b und c sowohl die Verkürzung der Arbeitszeit als auch die Verlängerung des bezahlten Jahresurlaub in Referenz zum zunehmenden Lebensalter als betrieblich probates Mittel zum Schutz der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer.

210

(bbb)

211

Diese Erwägungen erfassen auch die Begünstigung im Betrieb der Beklagten. Die produzierende Tätigkeit erfolgt dort unter körperlicher Anstrengung und Ermüdung sowie - auch nach Schilderung der Klägerseite - im Rahmen von besonderem, prämienbezogenem Zeit- und Qualitätsdruck i.S. eines Teamakkords. All dies lässt an physischen und psychischen Belastungsfaktoren im vorgenannten Sinn keinen nennenswerten Zweifel.

212

(ccc)

213

Die Schutzerwägungen sind auch nicht „sachfremd“, wie die Klägerseite meint, sondern fügen sich in eine vom Arbeitgeber nach § 241 BGB i.Vm. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 GG zu gewährleistende Gesundheitsfürsorge. Sie erscheint auch vor dem Hintergrund sozialer Belastungen jüngerer Menschen aus Familie und Beruf geboten. Denn weder lässt sich generalisierend annehmen, ältere Menschen seien mit Sozialbelastungen aus Großeltern- und / oder Witwenschaft, Pflegeverpflichtungen u.ä. nicht vergleichbar belastet wie jüngere Menschen, noch unterliegen Jüngere den physischen Einschränkungen des Alterungsprozesses.

(4)

214

Die sonach legitime Zielverfolgung geschieht mit zwei Mehrurlaubstagen im Kalenderjahr in angemessenem sowie erforderlichem Umfang i.S.d. § 10 Satz 2 AGG.

(a)

215

Die Altersgrenze von 58 Jahren ist nicht - wie von Klägerseite unter Hinweis auf ähnliche gesundheitliche Lagen mit 57, 56 oder 55 Jahren gemeint - willkürlich, sondern in normativer Betrachtung unter Anknüpfung an die bei vertragliche Verankerung der Urlaubsansprüche im Betrieb unter dem Jahr 2000 aufgrund der seinerzeit geltenden Altersbestimmungen zur Annahme einer besondere Gefährdungslage älterer Beschäftigter auf dem Arbeitsmarkt für geboten und angemessen zu erachten. Mit der Vollendung des 58. Lebensjahres waren Arbeitslose nach § 428 Abs. 1 i.V.m. § 119 SGB III in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches des Sozialgesetzbuchs und anderer Gesetzes vom 22.12.2005 (BGBl. I S. 3676) vom Merkmal des Nachweises der Verfügbarkeit und Arbeitsbereitschaft für den allgemeinen Arbeitsmarkt entbunden. Der Gesetzgeber ging davon aus, dass ab diesem Alter kaum mehr Vermittelbarkeitsaussichten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestanden (BT-Drucks 10/4211 S. 17). Ebenso galt ab gleichem Alter sowie unter der ähnlich gelagerten gesetzgeberischen Erwägung, dass der Anteil der Altersgruppe ab 58 bei Zugang in die Arbeitslosigkeit besonders groß sei, eine generelle Entbindung vom Sachgrunderfordernis bei befristeten Arbeitsverträgen gemäß § 14 Abs. 3 TzBfG a.F. (BT-Drucks 14/4374 S. 20). Da die Änderung beider Normenkomplexe nicht tragend auf veränderten Gefährdungslagen am Arbeitsmarkt, sondern veränderten versicherungs- wie befristungsrechtlichen Erwägungen verpflichtet war (vgl. Mutscheler/ Bartz/ Schmidt-de Caluwe/ Siefert SGB III 3. Aufl. § 428 Rn. 1 ff. einerseits; Dörner Der befristete Arbeitsvertrag 2. Aufl. Rn. 508 ff. andererseits), kann daraus für die normativen Richtigkeit der zugrunde liegenden Schutzpflichterwägung kein Anhalt entnommen werden. Auch die zuletzt beobachtbare Veränderung in der Beschäftigungslage über 58-Jähriger (BT-Drucks. 17/2271 S. 111 ff.) vermochten die allgemeine Gefährdungseinschätzung schon vor dem Hintergrund zeittypischer Varianzen am Arbeitsmarkt nicht entgegenzuwirken.

(b)

216

Eine Mehrurlaubsdauer von zwei Tagen verhält sich im angemessenen und nicht unverhältnismäßigen Umfang, um dem erstrebten Zweck zu dienen. Der Wert liegt in der Mitte zwischen der bei verminderter Erwerbsfähigkeit (ab GdE 25) in teilweise gesetzlichen wie tariflichen Urlaubsregelungen verordneten Mehrurlaubsdauern von drei zusätzlichen Tagen jährlich (Saarl ZUrlG i.d.F.v. 23.6.1999, Amtsbl. 1999, S. 1263; BZTV BW Nr. 2 gemäß BAG 24.2.2010 - 4 AZR 708/08 - AP TVÜ § 2 Nr. 2) - die dem gleichförmigen normativen Regelungsinteresse verpflichtet sind, naturbedingt verringerter Leistungsfähigkeit entgegenzuwirken -, sowie dem generell schon aus puren Sachgrunderwägungen für gerechtfertigt erachteten einem Tag (so etwa Wiedemann/Thüsing NZA 2002, 1234, 1239). Der von Klägerseite hiergegen angeführte Vergleich mit der einheitlichen Regelung im Bundesurlaubsgesetz verfängt schon aufgrund dessen Mindestcharakters nicht und übersieht namentlich Zusatzurlaubsrechte für schwerbehinderte Menschen in § 125 SGB IX (u.a.). Aufgrund der diversen alternativen Beurlaubungsmöglichkeit für jüngere, familiär verpflichtete Menschen (§§ 15 f. BEEG, § 45 SGB V, § 616 BGB usw.) liegt gegenüber älteren, die wegen gesundheitlich nachlassenden Kräften keine vergleichbaren Arbeitsbefreiungsmöglichkeiten besitzen, eine wesentliche Ungleichbehandlung gerade nicht vor. Im Übrigen wird die Marginalität des Mehrurlaubsumfang schon allein aus dem Vergleich der zwischen einzelnen Bundesländern unterschiedlich gestaffelten gesetzlichen Feiertagsumfänge ersichtlich.

16.

217

Der Antrag zu 9 ist zulässig, aber unbegründet.

a)

218

Der Antrag ist zulässig. Gegenstand und Grund des Anspruchs (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) sind aus dem Antrag nebst Begründung abzuleiten. Die Klägerpartei begehrt Entschädigung wegen zukünftig vorenthaltener Mehrurlaubstage aufgrund unzulässiger Unterscheidung nach dem Lebensalter. Die Klägerseite gibt die ungefähre Größenordnung des Anspruchs zulässigerweise in Gestalt einer Entschädigungsuntergrenze an (Bauer/Göpfert/Krieger AGG § 15 Rn. 37).

b)

219

Der Antrag ist nicht begründet. Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 AGG kann ein Beschäftigter wegen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbots für einen Schaden der nicht Vermögensschaden ist eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigungspflicht knüpft an eine - auch vor dem Hintergrund des § 10 AGG - unzulässige unterschiedliche Behandlung an, an der es vorliegend aus den zu A II 15 dargelegten Gründen fehlt. Sie wäre zudem auch bei unzulässiger Unterscheidung im Jahresurlaubsdeputat nicht geschuldet, da die Angleichung nach oben zumindest im konkret vorliegenden Fall zu ganz empfindlichen Mehrkosten und betrieblichen Belastungen im Wege des Arbeitsausfall führen würde. Über den materieller Ausgleich im Einzelfall hinaus wäre das in erheblicher Weise sanktionierend und hinreichend abschreckend, um zu einem dem Gleichheitsgebot entsprechenden Verhalten in der Zukunft anzureizen (vgl. MünchKommBGB/Thüsing 5. Aufl. § 15 AGG Rn. 32; krit. etwa Meinel/Heyn/Herms AGG § 15 Rn. 74). Zudem blieben die Unterschiede vor dem Hintergrund des sehr hohen Betriebsurlaubsumfangs von annähernd dem doppelten des gesetzlichen Umfangs allenfalls noch marginal, so dass eine weitergehende Sanktionierung zur Gewährleistung eines tatsächlichen und wirksamen Diskriminierungsschutzes auch aus diesem Grund nicht mehr geboten wäre.

B.

220

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über die Zulassung der Revision folgt hinsichtlich des (vorliegend zu A II 15 beschiedenen) Antrags zu 8 aus § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG. Darüber hinaus lagen die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vor.

Soweit die Bundesregierung die Umsetzung des Bundesprogramms „Ausbildungsplätze sichern“ der Bundesagentur überträgt, erstattet der Bund der Bundesagentur abweichend von § 363 Absatz 1 Satz 2 die durch die Umsetzung entstehenden Verwaltungskosten.

Die Förderhöhe und die Förderdauer richten sich nach dem Umfang der Einschränkung der Arbeitsleistung der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers und nach den Anforderungen des jeweiligen Arbeitsplatzes (Minderleistung). Der Eingliederungszuschuss kann bis zu 50 Prozent des zu berücksichtigenden Arbeitsentgelts und die Förderdauer bis zu zwölf Monate betragen. Bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, kann die Förderdauer bis zu 36 Monate betragen, wenn die Förderung bis zum 31. Dezember 2023 begonnen hat.

Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein. Derartige unterschiedliche Behandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:

1.
die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlohnung und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Beschäftigten und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen,
2.
die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile,
3.
die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung auf Grund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder auf Grund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand,
4.
die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen,
5.
eine Vereinbarung, die die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der oder die Beschäftigte eine Rente wegen Alters beantragen kann; § 41 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch bleibt unberührt,
6.
Differenzierungen von Leistungen in Sozialplänen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes, wenn die Parteien eine nach Alter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung geschaffen haben, in der die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigt worden sind, oder Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplans ausgeschlossen haben, die wirtschaftlich abgesichert sind, weil sie, gegebenenfalls nach Bezug von Arbeitslosengeld, rentenberechtigt sind.

(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.

(2) Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, sind unwirksam.

(3) Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten.

Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein. Derartige unterschiedliche Behandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:

1.
die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlohnung und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Beschäftigten und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen,
2.
die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile,
3.
die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung auf Grund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder auf Grund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand,
4.
die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen,
5.
eine Vereinbarung, die die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der oder die Beschäftigte eine Rente wegen Alters beantragen kann; § 41 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch bleibt unberührt,
6.
Differenzierungen von Leistungen in Sozialplänen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes, wenn die Parteien eine nach Alter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung geschaffen haben, in der die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigt worden sind, oder Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplans ausgeschlossen haben, die wirtschaftlich abgesichert sind, weil sie, gegebenenfalls nach Bezug von Arbeitslosengeld, rentenberechtigt sind.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 7. September 2012 - 6 Sa 709/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe des jährlichen Urlaubsanspruchs.

2

Die Beklagte stellt Schuhe her. Die am 10. April 1960 geborene Klägerin ist bei ihr seit dem 1. Juli 1994 als Produktionsmitarbeiterin beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 13. November 2000 ist ua. vereinbart, dass der jährliche Urlaubsanspruch 34 Arbeitstage beträgt. Die Beklagte gewährt allen Arbeitnehmern, die das 58. Lebensjahr vollendet haben, 36 Arbeitstage Jahresurlaub, ohne dass individuelle Vereinbarungen über einen höheren Jahresurlaub vorliegen. Die übrigen Beschäftigten erhalten jährlich 34 Urlaubstage.

3

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Urlaubsregelung sei altersdiskriminierend. Die Behauptung, ältere Mitarbeiter benötigten im Produktionsbetrieb längere Erholungsphasen, sei durch die darlegungsbelastete Beklagte nicht dargetan. Das Bundesurlaubsgesetz stelle bezüglich der Dauer des Urlaubs weder auf die physische Belastung noch auf das Alter der Arbeitnehmer ab. Die Beklagte habe keinen Grund genannt, warum ein gesteigertes Erholungsbedürfnis ausgerechnet mit 58 Jahren eintrete. Zudem könne mit lediglich zwei zusätzlichen Urlaubstagen ein etwaiger höherer Erholungsbedarf nicht ausgeglichen werden. Bei einem stetig steigenden Erholungsbedarf müsste jedenfalls auch die Urlaubsdauer gestaffelt werden. Bei anderen Arbeitnehmergruppen sei ein erhöhter Erholungsbedarf nachvollziehbar. Diese würden jedoch nicht begünstigt. So seien jüngere Arbeitnehmer durch Familie und Beruf oftmals stärker beansprucht als ältere. Die Beklagte habe ihr zur Beseitigung der Diskriminierung jährlich zwei weitere Urlaubstage zu gewähren.

4

Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr 36 Arbeitstage Erholungsurlaub zu gewähren.

5

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, ihre Urlaubsregelung beinhalte keine Diskriminierung. Nach der Lebenserfahrung benötigten ältere Arbeitnehmer, die körperlich ermüdende und schwere Arbeiten verrichten, längere Erholungszeiten als jüngere. Zwei zusätzliche Urlaubstage seien angemessen.

6

Das Arbeitsgericht hat die Klage - soweit für die Revision von Bedeutung - abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Feststellungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, der Klägerin auch schon vor der Vollendung der 58. Lebensjahres insgesamt 36 Arbeitstage Erholungsurlaub pro Jahr zu gewähren.

8

I. Die Klage ist in der gebotenen Auslegung zulässig, insbesondere besteht das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.

9

1. Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer den Umfang des ihm zustehenden Urlaubs gerichtlich festgestellt wissen will, nicht entgegen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 9, BAGE 141, 73; 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - Rn. 13 ff., BAGE 137, 328).

10

2. Die am 10. April 1960 geborene Klägerin hat ein rechtlich anerkennenswertes Interesse daran, alsbald zu erfahren, ob ihr bereits vor der Vollendung ihres 58. Lebensjahres zwei weitere Urlaubstage pro Jahr zustehen. Ihr Antrag bezieht sich dem Wortlaut nach zwar auf den gesamten Jahresurlaub. Er kann jedoch so ausgelegt werden, dass er sich nur auf zwei weitere Urlaubstage im Kalenderjahr bezieht. Zwischen den Parteien besteht kein Streit, dass der Klägerin die vertraglich vereinbarten 34 Urlaubstage pro Jahr zustehen. Die Klägerin hat im Laufe des Verfahrens deutlich gemacht, dass der Antrag auf die Feststellung des Bestehens zweier zusätzlicher Urlaubstage gerichtet ist. Darüber hinaus hat das Landesarbeitsgericht den Klageantrag zutreffend so verstanden, dass er vergangene Urlaubsjahre nicht erfasst. Es handelt sich um einen gegenwartsbezogenen Feststellungsantrag, für dessen Entscheidung grundsätzlich auf die Sachlage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht abzustellen ist (vgl. BAG 15. Mai 2013 - 7 AZR 494/11 - Rn. 15 ff.).

11

II. Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen vor Vollendung ihres 58. Lebensjahres nicht gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 iVm. § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG zwei weitere Urlaubstage zu. Die Urlaubsregelung ist nicht gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam und führt somit bezüglich der Dauer des Urlaubs der Klägerin nicht zu einer „Anpassung nach oben“(siehe dazu BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 27 ff., BAGE 141, 73; vgl. aber auch BAG 14. Mai 2013 - 1 AZR 44/12 - Rn. 25, BAGE 145, 113).

12

1. Es liegt zwar eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor. Diese ist jedoch gemäß § 10 Satz 1, 2 und Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt.

13

a) Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Unter Alter iSd. § 1 AGG ist das Lebensalter zu verstehen. Dies folgt aus dem Wortlaut des Gesetzes und aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/1780 S. 31; BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 14, BAGE 141, 73; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 36, BAGE 129, 181). Eine unmittelbare Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 1 AGG gegeben, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Der für eine unmittelbare Benachteiligung erforderliche Kausalzusammenhang ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere in § 1 AGG genannte Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - aaO mwN).

14

b) Daran gemessen liegt eine unmittelbare Ungleichbehandlung wegen des Alters vor. Die Urlaubsregelung knüpft die Gewährung von zwei weiteren Urlaubstagen an die Vollendung des 58. Lebensjahres und damit unmittelbar an das Lebensalter der Beschäftigten. Arbeitnehmer, die diese Altersgrenze nicht erreicht haben, werden wegen ihres Alters ungünstiger behandelt.

15

c) Die Ungleichbehandlung ist jedoch gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt. Die Regelung bezweckt bei Berücksichtigung eines Gestaltungs- und Ermessensspielraums der Beklagten den in dieser Bestimmung genannten Schutz älterer Beschäftigter und ist geeignet, erforderlich und angemessen im Sinne von § 10 Satz 2 AGG.

16

aa) Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG konkretisiert ua. das legitime Ziel der Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter, wobei dieser Schutz auch die Festlegung besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließen kann (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73).

17

bb) § 10 AGG dient der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16) in das nationale Recht (BAG 18. März 2014 - 3 AZR 69/12 - Rn. 21). Der Gesetzgeber hat bei der Umsetzung den Text der Richtlinie nahezu wörtlich in das nationale Recht übernommen. Dessen Regelungen sind unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszulegen (vgl. BAG 14. März 2012 - 7 AZR 480/08 - Rn. 30).

18

cc) Dem Arbeitgeber steht bei freiwilligen zusätzlichen Leistungen - wozu auch die Gewährung von übergesetzlichem Mehrurlaub gehört - ein von den Gerichten zu respektierender Gestaltungs- und Ermessensspielraum zu (vgl. zu Leistungen der betrieblichen Altersversorgung: BAG 12. November 2013 - 3 AZR 356/12 - Rn. 28; 12. Februar 2013 - 3 AZR 100/11 - Rn. 31 mwN, BAGE 144, 231). Auch in der Rechtsprechung des EuGH ist anerkannt, dass die Mitgliedstaaten und gegebenenfalls die Sozialpartner auf nationaler Ebene beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts nicht nur bei der Entscheidung, welches konkrete Ziel von mehreren im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik sie verfolgen wollen, sondern auch bei der Festlegung der Maßnahmen zu seiner Erreichung über einen weiten Gestaltungsspielraum verfügen (EuGH 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Rn. 68, Slg. 2007, I-8531). Diese Erwägungen gelten nach dem EuGH auch für Ziele, die der Arbeitgeber mit einer vertraglichen Regelung verfolgt (vgl. EuGH 26. September 2013 - C-476/11 - [HK Danmark] Rn. 61).

19

dd) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Benachteiligung der Arbeitnehmer der Beklagten, die das 58. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, gerechtfertigt.

20

(1) Die Beklagte gewährt den Arbeitnehmern in ihrem Produktionsbetrieb nach der Vollendung des 58. Lebensjahres aufgrund ihres gesteigerten Erholungsbedürfnisses zwei weitere Urlaubstage im Kalenderjahr und bezweckt damit die Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. Da dieser Schutz die Festlegung besonderer Arbeitsbedingungen einschließt (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73), unterfallen ihm auch zusätzliche Urlaubstage.

21

(a) Das AGG definiert in § 10 Satz 3 Nr. 1 - ebenso wie Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG - nicht, wann ein Beschäftigter „älter“ im Sinne der Norm ist (vgl. zum herkömmlichen Verständnis: BAG 18. September 2014 - 6 AZR 636/13 - Rn. 44). Nach dem Sinn und Zweck des Benachteiligungsverbots reicht es ohne das Vorliegen anderer Differenzierungsgründe nicht aus, dass das Alter der begünstigten Arbeitnehmer höher ist als das Alter der nicht begünstigten. Dementsprechend hat der Senat angenommen, ein Arbeitnehmer sei nach der Vollendung seines 31. Lebensjahres offensichtlich noch kein älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 55, BAGE 132, 210). Aus dem systematischen Zusammenhang mit § 10 Satz 1 AGG und aus dem Regelungszweck folgt, dass die begünstigten Arbeitnehmer aufgrund ihres Alters der Förderung bei der beruflichen Eingliederung oder des Schutzes bedürfen müssen.

22

(aa) Der Senat ist in seiner Entscheidung vom 20. März 2012 nicht davon ausgegangen, dass mit zunehmenden Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steige. Er hat allerdings ab einem bestimmten Alter - konkret: bei über 50- oder über 60-jährigen Beschäftigten - ein altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis für „eher nachvollziehbar“ gehalten (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 24 f., BAGE 141, 73).

23

(bb) Das Landesarbeitsgericht hat in Übereinstimmung mit der überwiegenden Auffassung im Schrifttum als Erfahrungssatz angenommen, dass mit zunehmenden Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steigt (so auch Tempelmann/Stenslik DStR 2011, 1183, 1185 f.; Lingemann/Gotham NZA 2007, 663, 666; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 143 f.; Waltermann NZA 2005, 1265, 1269; Over Das Verbot der Altersdiskriminierung im Arbeitsrecht nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz S. 231; Küttner/Kania Personalbuch 2014 Diskriminierung Rn. 90; vgl. auch Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 - zu II 2 b cc (3) (a) der Gründe mwN). Diese Ansicht ist allerdings nicht unumstritten. So wird auf die Individualität der Alterungsprozesse und den fehlenden Nachweis von Altersklassen mit spezifischem Erholungsbedarf hingewiesen (Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 1 Rn. 822). Die Aufstellung eines generellen Erfahrungssatzes soll dem traditionellen Bild vom „alten Arbeitnehmer“ entsprechen (Däubler/Bertzbach/Brors 3. Aufl. § 10 Rn. 43). Auch wird hervorgehoben, dass der Gesetzgeber in § 3 BUrlG bezüglich der Dauer des Urlaubs nicht nach dem Lebensalter der Arbeitnehmer unterscheide und demnach nicht von einem unterschiedlichen Erholungsbedürfnis ausgehe(Bertelsmann in Rust/Falke AGG § 10 Rn. 93). Auch auf europäischer Ebene sehe Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG vier Wochen Urlaub einheitlich für alle Berufsgruppen altersunabhängig vor(v. Roetteken AGG Stand September 2014 § 10 Rn. 262). Verlangt wird zumindest die Darlegung eines empirischen Befunds zum steigenden Erholungsbedarf unter Beachtung der Tätigkeit bevorzugter Arbeitnehmer (Däubler/Bertzbach/Brors aaO; aA Kasprzyk Altersdiskriminierung im deutschen Arbeitsrecht S. 185).

24

(b) Erfahrungssätze sind Hilfsmittel. Die Feststellung von allgemein anerkannten Erfahrungssätzen ist als Tatfrage den Tatsachengerichten vorbehalten. Dabei ist es diesen nicht verwehrt, das Bestehen oder Nichtbestehen eines Erfahrungssatzes zu beurteilen, wenn sie dazu über ausreichende Sachkunde und Lebenserfahrung verfügen. Andernfalls haben sie sich der Hilfe eines Sachverständigen zu bedienen. Die Zuziehung eines Sachverständigen zur Unterstützung des Gerichts ist gemäß § 144 Abs. 1 ZPO durch die Tatsachengerichte stets nach pflichtgemäßen Ermessen zu prüfen(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 65 mwN, BAGE 132, 210; vgl. allg. zu Erfahrungssätzen: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 73. Aufl. Einf. § 284 Rn. 22).

25

(c) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Landesarbeitsgericht von der Zuziehung eines Sachverständigen abgesehen hat. Dieses durfte aufgrund der von ihm festgestellten körperlich anstrengenden Tätigkeiten im Produktionsbetrieb der Beklagten auch ohne Sachverständigengutachten annehmen, dass das Erholungsbedürfnis der dort beschäftigten Arbeitnehmer mit zunehmenden Alter steigt. Ob es einen tätigkeitsunabhängigen generellen Zusammenhang zwischen dem Erholungsbedarf und dem Alter gibt (so etwa Kamanabrou aaO), kann dahinstehen.

26

(aa) Die Annahme eines Erfahrungssatzes dahin gehend, dass bei körperlich belastenden Berufen das Erholungsbedürfnis im höheren Alter steigt, begegnet keinen Bedenken. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die physische Belastbarkeit mit zunehmendem Alter abnimmt (etwa BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 67 mwN, BAGE 132, 210; Bayerischer VGH 24. Oktober 2011 - 3 ZB 08.721 - zu II 1 b der Gründe). Dieser Erfahrungssatz betrifft auch den Wirkungszusammenhang von erreichtem Lebensalter und Krankheitsanfälligkeit (Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 - zu II 2 b cc (3) (a) der Gründe mwN). Alle bekannten privaten und öffentlichen Systeme der Kranken-, Renten- und Lebensversicherung beruhen auf dieser Erwartung (BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 54, BAGE 128, 238). Entgegen der Ansicht der Klägerin kommen auch nicht lediglich Studien älteren Datums - wie etwa die ILO-Empfehlung Nr. 162 vom 23. Juni 1980 oder der WHO Technical Report Series 835 „Aging and Working Capacity” (dt. Übersetzung: „Altern und Arbeit“ 1994) - zu diesem Ergebnis. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden bestätigt zB durch den „Fortschrittsreport ‚Altersgerechte Arbeitswelt“, Ausgabe 3 des Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Stand September 2013). Nach diesem hat sich zwar die körperliche Konstitution besonders für die Altersgruppe der 45- bis 64-Jährigen verbessert (Ziff. 3.1). Dennoch zeigt die Studie weiterhin ein Ansteigen der Anzahl der krankheitsbedingten Fehltage sowie eine Verschlechterung des Gesundheitszustands mit fortschreitendem Lebensalter (Ziff. 4.2, Tabelle 2). Insbesondere bei belastenden Berufen nimmt die Anzahl krankheitsbedingter Fehltage im Alter überproportional zu und der Gesundheitszustand verschlechtert sich überproportional (vgl. Ziff. 4.2). Auch bei einfachen Dienstleistungen und einfachen manuellen Berufen verschlechtert sich der „selbstberichtete Gesundheitszustand in der Altersgruppe 55 bis 64 Jahre im Vergleich zum Durchschnitt“ immer noch deutlich (Ziff. 3.4). Zumindest hinsichtlich dieser Berufe erscheint die Annahme eines größeren Erholungsbedarfs im erhöhten Alter als nicht fehlerhaft (ebenso Reinhard ArbRB 2012, 342, 343). Auch Gegner eines allgemeinen Erfahrungssatzes gestehen zu, dass bei gesundheitlich besonders belastenden Tätigkeiten ein gesteigerter Erholungsbedarf mit zunehmendem Alter angenommen werden kann (v. Roetteken aaO; Däubler/Bertzbach/Brors aaO; Löwisch/Rieble § 1 Rn. 823).

27

Soweit das Landesarbeitsgericht auf die teilweise geforderte Darlegung spezifischer empirischer Untersuchungen bezogen auf die Tätigkeiten im Produktionsbetrieb der Beklagten verzichtet hat, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Durchführung derartiger Untersuchungen wäre praktisch aufwändig und schwierig (weiter gehend Kasprzyk aaO: „unmöglich“). Eine übersteigerte Darlegungslast würde die Einführung freiwilliger Leistungen unzumutbar erschweren. Die Feststellungen durch das Landesarbeitsgericht, dass die Beschäftigten der Beklagten bei der Schuhfertigung körperlich ermüdende und teils schwere Arbeiten leisten, verstärkt durch einen besonderen, prämienbezogenen Zeit- und Qualitätsdruck im Sinne eines Teamakkords, genügt danach als Tatsachenbasis für die Bejahung des dargestellten Erfahrungssatzes.

28

(bb) Der Hinweis auf die fehlende Altersstaffelung in § 3 BUrlG und Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG hilft der Klägerin für die Frage der Legitimität des Zwecks nicht weiter. Die Vorschriften regeln nur die Dauer des Mindesturlaubs und damit das unterste Maß dessen, was nach deutschem und europäischem Urlaubsrecht unabhängig von individuellen Besonderheiten zur Erholung erforderlich ist. Spezifische Charakteristika - wie das Alter oder der physische oder psychische Gesundheitszustand - bleiben bei der Setzung eines einheitlichen Minimalstandards naturgemäß außer Betracht. Auf nationaler Ebene kommt hinzu, dass der Gesetzgeber durchaus gesehen hat, dass es altersabhängig einen unterschiedlichen Erholungsbedarf geben kann, wie etwa § 57 Abs. 2 SeeArbG und § 19 Abs. 2 JArbSchG zeigen(siehe dazu v. Roetteken § 10 Rn. 263).

29

(d) Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Sicherstellung des Schutzes ihrer Arbeitnehmer nach Vollendung des 58. Lebensjahres als Zweck der zwei weiteren Urlaubstage vorgeschoben hat.

30

(aa) Allerdings ist dieser Zweck nicht unmittelbar der - nicht schriftlich fixierten - Regelung zu entnehmen. Nennt eine Regelung oder Maßnahme kein Ziel, müssen zumindest aus dem Kontext abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter der Regelung oder der Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, um die Legitimität des Ziels sowie die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüfen zu können (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 19 mwN, BAGE 141, 73; vgl. zur Richtlinie 2000/78/EG: EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 39 mwN, Slg. 2011, I-6919).

31

(bb) Wenn eine Tarifregelung die Urlaubsdauer nach dem Lebensalter staffelt, liegt die Annahme nahe, die Tarifvertragsparteien hätten einem mit zunehmendem Alter gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 23, BAGE 141, 73). Diese Annahme darf freilich nicht durch die konkrete Wahl der Altersgrenze(n) widerlegt werden, wie dies bei § 26 TVöD aF, der zusätzliche Urlaubstage bereits ab dem 30. Lebensjahr vorsah, der Fall war (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 24 ff., aaO).

32

(cc) Es ist kein Grund ersichtlich, bei einer individualrechtlichen Regelung nicht ebenfalls grundsätzlich davon auszugehen, dass mit einer Altersgrenze für die Gewährung zusätzlichen Urlaubs einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer Rechnung getragen werden soll. Diese Annahme erscheint umso mehr gerechtfertigt, wenn sie wie hier mit der Anerkennung eines Erfahrungssatzes bezüglich des gesteigerten Erholungsbedarfs bei körperlich belastenden Berufen korreliert. Hinzu kommt, dass die ständige Übung der Beklagten inhaltlich einer einschlägigen tarifvertraglichen Regelung entspricht. So sah der persönlich, fachlich und räumlich einschlägige Manteltarifvertrag vom 23. April 1997, abgeschlossen zwischen dem Hauptverband der Deutschen Schuhindustrie e. V. und der Gewerkschaft Leder sowie der IG BCE, für gewerbliche Arbeitnehmer in § 17 Ziff. 4 Buchst. a ab dem 58. Lebensjahr ebenfalls zwei zusätzliche Urlaubstage vor. Diese Regelung war im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht nicht durch eine neue Bestimmung abgeändert.

33

(dd) Schließlich widerlegt die Altersgrenze von 58 Lebensjahren nicht den Zweck, mit zwei weiteren Urlaubstagen im Kalenderjahr dem gesteigerten Erholungsbedürfnis Rechnung zu tragen. Dabei kann dahinstehen, ab welchem Alter die Annahme, der zusätzliche Urlaub diene dem höheren Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG, nicht mehr ohne Weiteres aufrechterhalten bzw. als widerlegt erachtet werden kann. Der Senat hat in der Entscheidung vom 20. März 2012 gemäß dem Rechtsgedanken aus § 417 Abs. 1 SGB III eine Altersgrenze von 50 Lebensjahren für die Einordnung als älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG in Betracht gezogen(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73; vgl. zu einer solchen Altersgrenze für die Gewährung zusätzlicher Urlaubstage: Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 -). Das Landesarbeitsgericht hat ergänzend darauf verwiesen, dass Leitlinie 17 der Entscheidung des Rates vom 12. Juli 2005 über Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten (2005/600/EG) Arbeitskräfte ab Vollendung des 55. Lebensjahres als ältere Arbeitnehmer erachtet und die WHO-Studiengruppe „Altern und Arbeit“ aus arbeitsmedizinischer Sicht wegen auftretender Schwierigkeiten in Arbeit und Beruf eine Grenze ab dem 45. Lebensjahr angenommen hat (zu A II 15 b bb (3) (b) der Gründe). Das Berufungsgericht hat damit nachvollziehbar begründet, warum es davon ausgeht, dass die Urlaubsregelung einem legitimen Zweck iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG dient und es diesen Zweck nicht lediglich als von der Beklagten vorgeschoben erachtet.

34

(2) Die Regelung ist geeignet, den in § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG beschriebenen Zweck zu fördern. Insbesondere kann die Klägerin nicht mit dem Argument gehört werden, dass die Gewährung von lediglich zwei Urlaubstagen ungeeignet sei, einen altersbedingt erhöhten Erholungsbedarf auszugleichen. Die Geeignetheit ist nicht deshalb zu verneinen, weil ein gestiegener Erholungsbedarf unter Umständen nicht vollständig, sondern nur partiell ausgeglichen wird. Gerade angesichts des vom Arbeitgeber bei einer freiwilligen Leistung selbst gesetzten Dotierungsrahmens wäre die Beschränkung auf einen Teilausgleich nachvollziehbar und zulässig. Zudem haben auch die Tarifvertragsparteien angesichts der Tätigkeit eines Produktionsmitarbeiters in der Schuhbranche zwei Tage Urlaub für geeignet und ausreichend erachtet. Dass die Beklagte sich die von den Sozialpartnern ausgehandelte Regelung zu eigen macht und im Rahmen ihres Ermessensspielraums eine entsprechende Regelung trifft, ist unter dem Aspekt der Geeignetheit der Regelung nicht zu beanstanden.

35

(3) Die Regelung ist auch erforderlich und angemessen (§ 10 Satz 2 AGG). Mildere Mittel, die in gleicher Weise den Schutz älterer Arbeitnehmer verwirklichen könnten, sind nicht ersichtlich.

36

(a) Die Wahl einer anderen, niedrigeren Altersgrenze stellte kein gleich wirksames, milderes Mittel mit geringerem altersspezifischen Effekt dar. Es handelte sich vielmehr um eine andere Maßnahme mit einem erhöhtem Dotierungsrahmen.

37

(b) Eine niedrigere Altersgrenze verbunden mit nur einem weiteren Urlaubstag im Kalenderjahr müsste zwar nicht zwingend zu einer Erhöhung des Dotierungsrahmens führen. Allerdings hätten dann Arbeitnehmer nach Vollendung des 58. Lebensjahres nicht mehr Anspruch auf den zweiten weiteren Urlaubstag, den die Beklagte im Einklang mit dem einschlägigen Tarifvertrag angesichts des gesteigerten Erholungsbedarfs im höheren Alter in der Schuhproduktion für notwendig erachtet. Der Gestaltungs- und Ermessensspielraum der Beklagten lässt auch im Rahmen der Erforderlichkeit und Angemessenheit die von ihr angewandte Regelung zu. Die Interessen der Beteiligten werden hinreichend berücksichtigt. Es werden lediglich in Übereinstimmung mit dem Abwägungsergebnis der Tarifvertragsparteien die Interessen der über 58-Jährigen an einem zusätzlichen Urlaubstag höher gewichtet als die Interessen der übrigen Beschäftigten, schon im jüngeren Alter einen zusätzlichen Urlaubstag zu erhalten.

38

(c) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Beklagte nicht verpflichtet, zusätzliche Urlaubstage nur nach dem individuell ermittelten Erholungsbedarf unter Einbeziehung altersunabhängiger Belastungsfaktoren, wie der Pflege und Betreuung von Kindern, sowie unter Berücksichtigung des individuellen Alterungsprozesses zu gewähren. Zwar mag es zutreffen, dass es weitere Belastungsfaktoren gibt, die zu einem gesteigerten Erholungsbedarf führen können. Jedoch wäre eine solche individuelle Regelung in vielerlei Hinsicht praktisch nicht oder nur mit großen Schwierigkeiten handhabbar. Dies gilt nicht nur bezüglich der Gewichtung der einzelnen (persönlichen) Belastungsfaktoren untereinander, sondern vor allem auch für deren Ermittlung durch die Beklagte. Auch der Gerichtshof der Europäischen Union hat anerkannt, dass bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Regelung im Hinblick auf das Verbot der Altersdiskriminierung zu beachten ist, dass die fragliche Regelung in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht handhabbar bleiben müsse, und deshalb nicht generell verlangt werden könne, dass immer jeder Einzelfall individuell geprüft werde (EuGH 19. Juni 2014 - C-501/12 ua. - [Specht ua.] Rn. 78). Unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten darf der Arbeitgeber daher im Sinne einer typisierenden Betrachtung in Ausübung seines Gestaltungsspielraums auch einen Grund für ein gesteigertes Erholungsbedürfnis - wie etwa das Alter in belastenden Berufen - als Differenzierungskriterium heranziehen. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG enthält kein Gebot, die dort genannten typischerweise besonders schutzbedürftigen Personengruppen (Jugendliche, ältere Beschäftigte und Personen mit Fürsorgepflichten) hinsichtlich besonderer Arbeitsbedingungen gleich zu behandeln.

39

2. Aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz folgt ebenfalls kein Anspruch der Klägerin auf die begehrten zwei zusätzlichen Urlaubstage. Ist - wie hier - die unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmergruppen aus einem in § 1 AGG genannten Grund unter den im AGG normierten Voraussetzungen zulässig, ist auch der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt(ebenso bezüglich des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes: BAG 17. September 2013 - 3 AZR 686/11 - Rn. 25 mwN). Eine sachwidrige Ungleichbehandlung kommt angesichts der Rechtfertigung gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG nicht in Betracht.

40

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

        

        

    M. Lücke    

        

    Kranzusch    

                 

Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein. Derartige unterschiedliche Behandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:

1.
die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlohnung und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Beschäftigten und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen,
2.
die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile,
3.
die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung auf Grund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder auf Grund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand,
4.
die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen,
5.
eine Vereinbarung, die die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der oder die Beschäftigte eine Rente wegen Alters beantragen kann; § 41 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch bleibt unberührt,
6.
Differenzierungen von Leistungen in Sozialplänen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes, wenn die Parteien eine nach Alter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung geschaffen haben, in der die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigt worden sind, oder Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplans ausgeschlossen haben, die wirtschaftlich abgesichert sind, weil sie, gegebenenfalls nach Bezug von Arbeitslosengeld, rentenberechtigt sind.

(1) In der schriftlichen Vereinbarung zwischen dem Träger der Eingliederungshilfe und dem Leistungserbringer sind zu regeln:

1.
Inhalt, Umfang und Qualität einschließlich der Wirksamkeit der Leistungen der Eingliederungshilfe (Leistungsvereinbarung) und
2.
die Vergütung der Leistungen der Eingliederungshilfe (Vergütungsvereinbarung).

(2) In die Leistungsvereinbarung sind als wesentliche Leistungsmerkmale mindestens aufzunehmen:

1.
der zu betreuende Personenkreis,
2.
die erforderliche sächliche Ausstattung,
3.
Art, Umfang, Ziel und Qualität der Leistungen der Eingliederungshilfe,
4.
die Festlegung der personellen Ausstattung,
5.
die Qualifikation des Personals sowie
6.
soweit erforderlich, die betriebsnotwendigen Anlagen des Leistungserbringers.
Soweit die Erbringung von Leistungen nach § 116 Absatz 2 zu vereinbaren ist, sind darüber hinaus die für die Leistungserbringung erforderlichen Strukturen zu berücksichtigen.

(3) Mit der Vergütungsvereinbarung werden unter Berücksichtigung der Leistungsmerkmale nach Absatz 2 Leistungspauschalen für die zu erbringenden Leistungen unter Beachtung der Grundsätze nach § 123 Absatz 2 festgelegt. Förderungen aus öffentlichen Mitteln sind anzurechnen. Die Leistungspauschalen sind nach Gruppen von Leistungsberechtigten mit vergleichbarem Bedarf oder Stundensätzen sowie für die gemeinsame Inanspruchnahme durch mehrere Leistungsberechtigte (§ 116 Absatz 2) zu kalkulieren. Abweichend von Satz 1 können andere geeignete Verfahren zur Vergütung und Abrechnung der Fachleistung unter Beteiligung der Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderungen vereinbart werden.

(4) Die Vergütungsvereinbarungen mit Werkstätten für behinderte Menschen und anderen Leistungsanbietern berücksichtigen zusätzlich die mit der wirtschaftlichen Betätigung in Zusammenhang stehenden Kosten, soweit diese Kosten unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse beim Leistungserbringer und der dort beschäftigten Menschen mit Behinderungen nach Art und Umfang über die in einem Wirtschaftsunternehmen üblicherweise entstehenden Kosten hinausgehen. Können die Kosten im Einzelfall nicht ermittelt werden, kann hierfür eine Vergütungspauschale vereinbart werden. Das Arbeitsergebnis des Leistungserbringers darf nicht dazu verwendet werden, die Vergütung des Trägers der Eingliederungshilfe zu mindern.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 29. Mai 2008 - 19 Sa 69/07 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 18. Oktober 2007, ausgefertigt unter dem 13. September 2007, - 3 Ca 175/07 - abgeändert:

Es wird festgestellt, dass dem Kläger für die Jahre 2006 und 2007 jeweils drei Arbeitstage Zusatzurlaub zustehen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Fortgeltung der tariflichen Zusatzurlaubsregelung wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach § 5 Abs. 1 des Bezirkszusatztarifvertrages Nr. 2 zum BMT-G II vom 29. November 1974 über die Erhaltung von Besitzständen gemäß § 68 Abs. 2 BMT-G in der Fassung des 2. Änderungstarifvertrages vom 22. März 1991(nachfolgend BZTV Nr. 2), der zwischen dem Kommunalen Arbeitgeberverband Baden-Württemberg e.V. (KAV) und der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) abgeschlossen wurde.

2

Der Kläger, dessen Behinderung mit einem Grad von 40 anerkannt wurde, ist Mitglied der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft(ver.di) und seit dem 10. November 1980 bei der Beklagten als Kraftfahrer zuletzt im Eigenbetrieb für Abfallwirtschaft und Stadtreinigung beschäftigt. Die Beklagte ist Mitglied im KAV, der wiederum Mitglied der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände (VKA) ist.

3

Bis zum Ende des Jahres 2005 gewährte die Beklagte dem Kläger auf der Grundlage von § 5 BZTV Nr. 2 jährlich drei Zusatzurlaubstage. Diese Vorschrift hat folgenden Wortlaut:

        

„Zu § 42 BMT-G

        

Zusatzurlaub für anerkannte Opfer des Nationalsozialismus sowie für Erwerbsbeschränkte mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 30 v.H.

        

(1)

Für die Bewilligung von Zusatzurlaub für

                 

a)   

anerkannte Opfer des Nationalsozialismus,

                 

b)   

Erwerbsbeschränkte mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 30 v.H.

                 

gelten die Vorschriften und Bestimmungen für die Beamten des Arbeitgebers. Sind Beamte bei dem Arbeitgeber nicht beschäftigt, so gelten die landesrechtlichen Vorschriften und Bestimmungen für Gemeindebeamte.

        

(2)

...“

4

Zum Geltungsbereich des BZTV Nr. 2 bestimmt sein § 1:

        

„(1)

Der räumliche Geltungsbereich dieses Tarifvertrages erstreckt sich auf das gemeinsame Tarifgebiet des (…) KAV Baden-Württemberg (…) und der Gewerkschaft (…) ÖTV Baden-Württemberg.

        

(2)

In den betrieblichen und fachlichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrages sind die unter den BMT-G fallenden Verwaltungen und Betriebe der Mitglieder des KAV Baden-Württemberg einbezogen, soweit sich aus einzelnen Vorschriften dieses Tarifvertrages nichts anderes ergibt.

                 

...“

5

In § 23 der zum 1. Januar 2006 in Kraft getretenen Verordnung der Landesregierung Baden-Württemberg über die Arbeitszeit, den Urlaub, den Mutterschutz, die Elternzeit und den Arbeitsschutz der Beamtinnen, Beamten, Richterinnen und Richter vom 29. November 2005 (Arbeitszeit- und Urlaubsverordnung - AzUVO -, GBl. 2005, 716) ist bestimmt:

        

„Zusatzurlaub in sonstigen Fällen

        

(1)

Einen Zusatzurlaub von drei Arbeitstagen erhalten Beamtinnen und Beamte,

                 

1.   

deren Grad der Behinderung weniger als 50, aber mindestens 30 oder

                 

2.   

deren Minderung der Erwerbsfähigkeit weniger als 50 v.H., aber mindestens 25 v.H.

        

beträgt. …

        

…“   

6

Zum 1. Oktober 2005 sind die Neuregelungen des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst vom 13. September 2005 (TVöD) wirksam geworden. Zur Überleitung in diesen Tarifvertrag hatte die VKA, mit der Gewerkschaft ver.di den Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts vom 13. September 2005 (TVÜ-VKA) geschlossen. In § 2 TVÜ-VKA heißt es:

        

„Ablösung der bisherigen Tarifverträge durch den TVöD

        

(1)

Der TVöD ersetzt in Verbindung mit diesem Tarifvertrag bei tarifgebundenen Arbeitgebern, die Mitglied eines Mitgliedverbandes der VKA sind, den

                 

-       

Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961,

                 

-       

Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts - Manteltarifliche Vorschriften - (BAT-O) vom 10. Dezember 1990,

                 

-       

Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts - Manteltarifliche Vorschriften - (BAT-Ostdeutsche Sparkassen) vom 21. Januar 1991,

                 

-       

Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe - BMT-G II - vom 31. Januar 1962,

                 

-       

Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts - Manteltarifliche Vorschriften für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe - (BMT-G-O) vom 10. Dezember 1990,

                 

-       

Tarifvertrag über die Anwendung von Tarifverträgen auf Arbeiter (TV Arbeiter-Ostdeutsche Sparkassen) vom 25. Oktober 1990

        

sowie die diese Tarifverträge ergänzenden Tarifverträge der VKA, soweit in diesem Tarifvertrag oder im TVöD nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist. Die Ersetzung erfolgt mit Wirkung vom 1. Oktober 2005, soweit kein abweichender Termin bestimmt ist.

        

Protokollerklärung zu Abs. 1:

        

Von der ersetzenden Wirkung werden von der VKA abgeschlossene ergänzende Tarifverträge nicht erfasst, soweit diese anstelle landesbezirklicher Regelungen vereinbart sind.

        

…       

        

(2)

Die von den Mitgliedverbänden der VKA abgeschlossenen Tarifverträge sind durch die landesbezirklichen Tarifvertragsparteien hinsichtlich ihrer Weitergeltung zu prüfen und bei Bedarf bis zum 31. Dezember 2006 an den TVöD anzupassen; die landesbezirklichen Tarifvertragsparteien können diese Frist verlängern. Das Recht zur Kündigung der in Satz 1 genannten Tarifverträge bleibt unberührt.

        

Protokollerklärung zu Abs. 2:

        

Entsprechendes gilt hinsichtlich der von der VKA abgeschlossenen Tarifverträge, soweit diese anstelle landesbezirklicher Regelungen vereinbart sind.

        

...“

7

Der KAV und die Rechtsnachfolgerin der Gewerkschaft ÖTV, die Gewerkschaft ver.di, haben durch den Landesbezirklichen Tarifvertrag zur Verlängerung der Frist des § 2 Abs. 2 des Tarifvertrages zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts vom 13. September 2005(TVÜ-VKA) vom 20. November 2006 die Frist des § 2 Abs. 2 TVÜ-VKA bis zum 31. Dezember 2007 verlängert.

8

Der Kläger verlangte von der Beklagten mit Schreiben vom 14. Dezember 2006 erfolglos, ihm drei Zusatzurlaubstage zu gewähren. Mit Zustellung vom 12. Juni 2007 erhob er die vorliegende Klage, mit der er zudem die Gewährung von weiteren drei Zusatzurlaubstagen für das Jahr 2007 verlangt. Ab dem 30. Mai 2007 war der Kläger fortdauernd krankheitsbedingt arbeitsunfähig, wobei im Zeitraum vom 14. Januar bis zum 1. Februar 2007 eine Maßnahme der Wiedereingliederung mit vier Stunden täglich stattfand. Seit dem 4. Februar 2008 ist der Kläger wieder arbeitsfähig.

9

Er hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei auch nach Inkrafttreten von TVöD und TVÜ-VKA noch an den BZTV Nr. 2 gebunden. Dieser Tarifvertrag sei nicht durch das neue Tarifrecht abgelöst worden. Dies ergebe sich aus dem Inhalt und der Entstehungsgeschichte des § 2 Abs. 2 TVÜ-VKA. Die Beklagte habe aufgrund des zwischenzeitlich eingetretenen Zeitablaufs für den zu Unrecht verweigerten Urlaub Ersatz zu gewähren.

10

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass dem Kläger für die Jahre 2006 und 2007 jeweils drei Tage Sonderurlaub zustehen.

11

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Auffassung, die Zusatzurlaubsregelungen des § 27 TVöD seien für das seit dem 1. Oktober 2005 geltende neue Tarifrecht abschließend. Eine Öffnungsklausel für Bezirkstarifverträge enthalte der TVöD nicht. Auch sei keine Besitzstandsklausel für ehemalige landesbezirkliche Tarifverträge im TVÜ-VKA enthalten. § 2 Abs. 2 TVÜ-VKA erteile den Tarifparteien auf landesbezirklicher Ebene lediglich einen Prüfauftrag.

12

Das Arbeitsgericht wie auch das Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision ist begründet. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger den geltend gemachten Anspruch aus § 280 BGB iVm. § 5 BZTV Nr. 2.

14

I. Die Klage ist zulässig.

15

1. Der gestellte Antrag bedarf allerdings der - auch durch das Revisionsgericht noch vorzunehmenden(vgl. BAG 20. Mai 2009 - 4 AZR 230/08 - Rn. 19 mwN) - Auslegung, weil er allein nach Maßgabe seines Wortlauts zu unbestimmt wäre. Wie sich aus der Klagebegründung ergibt, geht es dem Kläger um Urlaub nach § 5 BZTV Nr. 2 iVm. § 23 AzUVO. Die hiernach mögliche Urlaubsgewährung umfasst „Arbeitstage“ und ist Arbeitsbefreiung in Form von Zusatzurlaub iSv. § 42 BMT-G II bzw. § 27 TVöD. Ausgelegt mit der Maßgabe, dass der Antrag in der Sache auf „drei Arbeitstage Zusatzurlaub“ gerichtet ist, ist er zulässig (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

16

2. Der Kläger erstrebt auch nicht die - unzulässige - Feststellung eines vergangenen Rechtsverhältnisses, sondern verfolgt die Durchsetzung von Ansprüchen auf Schadensersatz wegen des mit dem Ende des Urlaubsjahres und der anschließenden Übertragungszeit untergegangenen Erfüllungsanspruchs(vgl. BAG 8. Mai 2001 - 9 AZR 240/00 - zu I der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Blumenbinder Nr. 1 = EzA BUrlG § 3 Nr. 22; 19. November 1996 - 9 AZR 712/95 - zu I 1 der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Krankenanstalten Nr. 1 = EzA TVG § 4 Privatkrankenanstalten Nr. 1). Der Feststellungsantrag ist dabei geeignet, den zwischen den Parteien seit dem Jahr 2006 bestehenden Streit über die Frage des fortbestehenden Zusatzurlaubsrechts einfach, sachgemäß und unter Erledigung sämtlicher offener Streitpunkte zu klären.

17

II. Die Klage ist begründet. Der Kläger hatte nach § 5 BZTV Nr. 2 iVm. § 23 AzUVO jeweils drei Arbeitstage Zusatzurlaub für die Jahre 2006 und 2007, den er nach Ablauf der jeweiligen Übertragungszeiträume im Wege des Schadensersatzes (§ 280 BGB) als Ersatzurlaub beanspruchen kann.

18

1. Der BZTV Nr. 2 ist für die Jahre 2006 und 2007 auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anzuwenden. Er wurde weder durch die neu abgeschlossenen Tarifverträge im öffentlichen Dienst (hier TVöD, TVÜ-VKA) abgelöst, noch wurde er gekündigt oder auf andere Weise seines Geltungsgrundes enthoben.

19

a) Die Regelung des § 5 BZTV Nr. 2 wurde nicht durch die Neuordnung des Tarifrechts im öffentlichen Dienst zum 1. Oktober 2005 abgelöst.

20

aa) Regelt ein Tarifvertrag einen bestimmten Komplex von Arbeitsbedingungen insgesamt neu, ersetzt er nach dem Ablösungsprinzip den vorangehenden Tarifvertrag insoweit grundsätzlich insgesamt. Dieser Grundsatz gilt für aufeinanderfolgende Tarifregeln derselben Normgeber und damit grundsätzlich auch für die vorliegende Fallkonstellation. Tarifpartner des BZTV Nr. 2 waren die Gewerkschaft ÖTV und der der VKA angehörende KAV, also dieselben Tarifvertragsparteien oder ihre Rechtsvorgänger - die Gewerkschaft ÖTV anstelle der Gewerkschaft ver.di -, die den TVöD und den TVÜ-VKA geschlossen haben(vgl. BAG 17. Juli 2007 - 9 AZR 1089/06 - Rn. 13, ZTR 2008, 161).

21

Die Tarifvertragsparteien können aber abweichend von diesem Grundsatz vereinbaren, dass trotz der von ihnen geschaffenen Neuregelung bisher geltende Bestimmungen weiter gelten sollen. In diesem Fall löst der neue Tarifvertrag die alte Ordnung nur in dem tarifautonom festgelegten Umfang ab(vgl. ua. BAG 30. Januar 2002 - 10 AZR 359/01 - zu II 1 der Gründe, EzA TVG § 4 Ablösungsprinzip Nr. 2; 6. Juni 2007 - 4 AZR 382/06 - Rn. 18 mwN, EzA TVG § 4 Luftfahrt Nr. 15; 21. Oktober 2009 - 4 AZR 477/08 - Rn. 29).

22

bb) Hiervon ausgehend haben, wie das Landesarbeitsgericht insoweit zu Recht angenommen hat, der TVöD-VKA und TVÜ-VKA § 5 BZTV Nr. 2 nicht abgelöst. Die Tarifvertragsparteien dieser Tarifverträge haben vielmehr vereinbart, dass die bisher geltende landesbezirkliche Regelung über den Zusatzurlaub nicht durch die Neuregelung des Tarifvertragsrechts im öffentlichen Dienst abgelöst werden soll, sondern weitergilt. Insbesondere aus § 2 Abs. 2 iVm. § 2 Abs. 1 TVÜ-VKA folgt, dass die Tarifvertragsparteien landesbezirkliche Tarifverträge wie den BZTV Nr. 2 jedenfalls soweit bewusst von der ablösenden Wirkung des TVÜ-VKA und des TVöD ausgenommen haben, als sie nicht in Widerspruch zum Regelungsgehalt des TVöD stehen.

23

(1) Eine Ablösung des BZTV Nr. 2 ergibt sich nicht aus § 2 Abs. 1 Satz 1 4. Spiegelstrich TVÜ-VKA.

24

Danach ersetzen der TVöD und der TVÜ-VKA den BMT-G II und die diesen ergänzenden Tarifverträge der VKA. Davon ist der BZTV Nr. 2 nicht betroffen. Er ist weder Bestandteil des BMT-G II, noch ein ergänzender Tarifvertrag der VKA und wurde nicht von dieser geschlossen, sondern von einem der tariffähigen Mitgliedsverbände der VKA im Rahmen seiner Tarifzuständigkeit. Nach dem eindeutigen Wortlaut von § 2 Abs. 1 TVÜ-VKA ist es ausgeschlossen, dessen Ersetzungsanordnung auf ergänzende Tarifverträge der einzelnen Mitgliedsverbände zu beziehen. Zudem zeigt die Protokollerklärung zu § 2 Abs. 1 TVÜ-VKA, nach der sogar ergänzende Tarifverträge der VKA, die anstelle von landesbezirklichen Tarifverträgen stehen, von der ersetzenden Wirkung ausgenommen bleiben, dass landesbezirksbezogene Regelungen, selbst wenn sie nicht von den landesbezirklichen Tarifvertragsparteien selbst vereinbart worden sind, der generellen Ablösung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 4. Spiegelstrich TVÜ-VKA nicht unterfallen sollen.

25

(2) Aus § 2 Abs. 2 TVÜ-VKA ergibt sich vielmehr die Weitergeltung des BZTV Nr. 2.

26

§ 2 TVÜ-VKA enthält neben der Auflistung der Tarifverträge, die durch den TVöD ersetzt werden(§ 2 Abs. 1 TVÜ-VKA), in Abs. 2 eine eigenständige Regelung hinsichtlich der Weitergeltung der von den Mitgliedsverbänden der VKA - wozu der KAV gehört - abgeschlossenen Tarifverträge. Diese landesbezirklichen Regelungen sind nach dem Willen der Tarifvertragsparteien des TVÜ-VKA durch die landesbezirklichen Tarifvertragsparteien hinsichtlich ihrer Weitergeltung zu prüfen und bei Bedarf anzupassen. Damit haben die tarifschließenden Parteien des TVÜ-VKA die landesbezirklichen Tarifverträge nicht abgelöst. Das gilt zumindest, soweit sie nicht im Widerspruch zum Regelungsgehalt des TVöD stehen. Aus der in § 2 Abs. 2 TVÜ-VKA gesetzten Frist „bis zum 31. Dezember 2006“ und der diesbezüglichen Verlängerungsmöglichkeit folgt nichts anderes.

27

(a) Aus dem Wortlaut von § 2 Abs. 2 Satz 1 TVÜ-VKA folgt zunächst, dass die tarifschließenden Parteien des TVÜ-VKA landesbezirkliche Tarifverträge nicht selbst abgelöst und auch keine dahingehende pauschale Automatik vereinbart haben(im Ergebnis ebenso Winter in Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr TVöD § 2 TVÜ-VKA Rn. 3; Litschen in Adam/ua. Das Tarifrecht der Beschäftigten im öffentlichen Dienst § 2 TVÜ-VKA Rn. 7; Brennecker/Hock TVöD 105 Gruppe 3 S. 17). Landesbezirkliche Tarifverträge, von denen eine Vielzahl existiert (Brennecker/Hock TVöD 105 Gruppe 3 S. 17), sind Tarifverträge, die mit einem kommunalen Arbeitgeberverband mit Wirkung nur für die eigenen Verbandsmitglieder abgeschlossen worden sind (vgl. auch Litschen in Adam/ua. Das Tarifrecht der Beschäftigten im öffentlichen Dienst § 2 TVÜ-VKA Rn. 7). Sie enthalten spezielle Regelungen in Ergänzung zu den zum Zeitpunkt ihres Abschlusses geltenden Manteltarifverträgen. Den Parteien der landesbezirklichen Tarifverträge wird überlassen, selbst zu prüfen, ob und inwieweit das von ihnen vereinbarte und durch den TVöD iVm. dem TVÜ-VKA nicht abgelöste Tarifrecht weitergelten, also in Kraft bleiben soll. Ihnen obliegt es, diese bei Bedarf selbst an das neue Tarifwerk anzupassen, beispielsweise redaktionell durch anknüpfende Bezugnahme auf den neuen statt auf die bisherigen Manteltarifverträge.

28

(b) Auch § 2 Abs. 2 Satz 2 TVÜ-VKA zeigt, dass die tarifschließenden Parteien des TVÜ-VKA die Handlungsbefugnis der landesbezirklichen Tarifvertragsparteien hinsichtlich der Weitergeltung der landesbezirklichen Regelungen nicht einschränken wollten. Denn soweit die landesbezirklichen Tarifvertragsparteien sich nicht im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 TVÜ-VKA auf dem Verhandlungsweg einigen und gemeinsam tätig werden, stellt § 2 Abs. 2 Satz 2 TVÜ-VKA klar, dass das Recht zur Kündigung durch jede von ihnen unberührt bleibt. Dies ergibt nur dann einen Sinn, wenn die landesbezirklichen Regelungen zur Beendigung ihrer Geltung überhaupt gekündigt werden müssen, bis dahin also noch gelten.

29

(c) Die in § 2 Abs. 2 Satz 1 TVÜ-VKA gesetzte Frist „bis zum 31. Dezember 2006“ und deren Verlängerungsmöglichkeit führt zu keinem anderen Ergebnis. Beides beinhaltet lediglich einen schuldrechtlichen Appell an die Tarifvertragsparteien. Für den Fall eines fruchtlosen Verstreichens der Fristen sind nach dem Wortlaut der Regelung - die in diesem Zusammenhang schweigt -, keine Folgen vorgesehen(vgl. auch Brennecker/Hock TVöD 105 Gruppe 3 S. 17; Winter in Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr TVöD § 2 TVÜ-VKA Rn. 1 und 3; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVÜ-Bund/TVÜ-VKA Stand Juli 2006 Rn. 14).

30

Der Appellcharakter der Fristsetzung zeigt sich auch deutlich am Unterschied zu der nicht verabschiedeten Entwurfsfassung vom 1. Juni 2005 zu § 2 Abs. 2 TVÜ-VKA(vgl. auch Brennecker/Hock TVöD 105 Gruppe 3 S. 17). Darin heißt es:

        

„(2)

Die von den Mitgliedsverbänden der VKA abgeschlossenen Tarifverträge sind durch die landesbezirklichen Tarifvertragsparteien hinsichtlich ihrer Weitergeltung zu prüfen und bei Bedarf an den TVöD anzupassen, sofern nicht in diesem Tarifvertrag (TVÜ) ihre vorübergehende Weitergeltung ausdrücklich bestimmt ist. Soweit nicht bis zum 31. Dezember 2006 anders vereinbart, ersetzt der TVöD auch diese Tarifverträge ab dem 1. Januar 2007. Die landesbezirklichen Tarifvertragsparteien können die Frist nach Satz 2 verlängern.

                 

Protokollerklärung zu § 2 Abs. 2:

                 

Entsprechendes gilt hinsichtlich der von der VKA abgeschlossenen Tarifverträge, soweit diese anstelle landesbezirklicher Regelungen vereinbart sind.“

31

Danach war in Satz 2 eine Ablösungsautomatik bei fruchtlosem Fristablauf vorgesehen, die jedoch nicht vereinbart worden ist, also nicht dem übereinstimmenden Willen der Tarifvertragsparteien entspricht. Dabei kann dahinstehen, ob ungeachtet des geänderten Wortlauts des § 2 Abs. 2 TVÜ-VKA bei landesbezirklichen Regelungen, die noch nach dem 1. Januar 2007 im Widerspruch zum Regelungsgehalt des TVöD standen, seither der TVöD gilt(dazu auch BAG 17. Dezember 2009 - 6 AZR 729/08 - Rn. 29, ZTR 2010, 192). Denn selbst im Falle eines Widerspruchs (der hier nicht gegeben ist, vgl. dazu unten unter [3]) haben die bezirklichen Tarifvertragsparteien einvernehmlich bis zum 31. Dezember 2007 - also bis zum Ende des Streitzeitraums - die ursprüngliche Überprüfungsfrist, die am 31. Dezember 2006 abgelaufen wäre, verlängert.

32

(d) Auch der Regelungszusammenhang von § 2 Abs. 2 TVÜ-VKA im Gesamtgefüge des § 2 TVÜ-VKA unterstreicht, dass die Tarifparteien keine eigene, ablösende Geltungsregelung für landesbezirkliche Tarifverträge schaffen, sondern diese vielmehr weiter gelten lassen wollten. In § 2 Abs. 1 TVÜ-VKA finden sich die konkreten Fälle, in denen die Neuregelungen an die Stelle bisher geltender Tarifverträge treten sollen. In § 2 Abs. 2 bis 6 TVÜ-VKA sind die Ausnahmen hiervon behandelt(Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD § 2 TVÜ-VKA Rn. 2, 9 ff.; Winter in Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr TVöD § 2 TVÜ-VKA vor Rn. 1, Rn. 6 f., 10 ff.; Brennecker/Hock TVöD 105 Gruppe 3 S. 14 f.). Hierzu gehört die Frage der Weitergeltung landesbezirklicher Regelungen. Auch aufgrund dieser Sonderstellung ist eine Ersetzung der in Abs. 2 bis 6 aufgeführten Tarifverträge durch die Neuregelungen grundsätzlich ausgeschlossen.

33

(3) § 5 BZTV Nr. 2 wurde entgegen der Auffassung der Revision auch nicht deshalb abgelöst, weil diese Regelung im Widerspruch zu im TVöD und im TVÜ-VKA getroffenen Urlaubsregelungen stünde und deshalb von diesen verdrängt werde. Eine solche Ablösung trotz entgegenstehender Vereinbarung der Tarifvertragsparteien ist nicht ersichtlich.

34

(a) Die Ablösung einer bestimmten tariflichen Regelung trotz vereinbarter, Anordnung der Weitergeltung kommt zwar unter ganz besonderen Umständen in Betracht. Maßgebend ist dabei aber nicht nur - wie generell beim Ablösungsprinzip -, ob ein bestimmter Komplex von Arbeitsbedingungen insgesamt neu geregelt worden ist, der bislang Gegenstand eines anderen Tarifvertrages war(vgl. ua. BAG 30. Januar 2002 - 10 AZR 359/01 - zu II 1 b aa der Gründe, EzA TVG § 4 Ablösungsprinzip Nr. 2; 21. Oktober 2009 - 4 AZR 477/08 - Rn. 23) und damit derselbe Regelungsbereich oder dieselben Regelungsgegenstände betroffen sind. Im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit kann eine solche „Abweichung von der Abweichung vom Ablösungsprinzip“ grundsätzlich nicht stillschweigend erfolgen, sondern bedarf einer besonderen Bestimmtheit und Deutlichkeit. Ein entsprechender, durch Auslegung zu ermittelnder Wille der Tarifvertragsparteien ist nur anzunehmen, wenn er in den tariflichen Normen selbst einen hinreichend deutlichen Niederschlag gefunden hat (vgl. bei der Abweichung vom Ablösungsprinzip BAG 30. Januar 2002 - 10 AZR 359/01 - zu II 1 b aa der Gründe, aaO; 19. September 2007 - 4 AZR 670/06 - Rn. 32 mwN, BAGE 124, 110; weiterhin auch Wiedemann/Wank TVG 7. Aufl. § 4 Rn. 261, 262; Däubler/Zwanziger TVG 4. Aufl. § 4 Rn. 937).

35

(b) Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich ein solcher Ablösungswille der Tarifvertragsparteien des TVöD nicht daraus, dass dieser selbst einen Anspruch auf Zusatzurlaub vorsieht, ihn aber nur Beschäftigten einräumt, die ständig Schicht- oder Wechselschichtarbeit leisten(§ 27 TVöD).

36

(aa) Gegen eine solche Annahme spricht bereits, dass auch im bisher maßgeblichen BMT-G II, insbesondere § 42 BMT-G II, ein Rechtsanspruch auf Zusatzurlaub eingeräumt worden, für Beschäftigte mit verminderter Erwerbsfähigkeit aber nicht vorgesehen war. Ein solcher Anspruch ist ergänzend zum BMT-G II für den Zuständigkeitsbereich des KAV allein durch den BZTV Nr. 2 begründet worden. Da davon auszugehen ist, dass, solange nichts anderes bestimmt ist, die Ablösung den Rahmen des vormaligen Regelungskomplexes einhält, deutet der Hinweis auf die Regelung in § 27 TVöD nicht auf einen Willen der Tarifvertragsparteien, mit dieser Bestimmung die Zusatzurlaubsregelung des BZTV Nr. 2 abzulösen.

37

(bb) Gegen eine solche abschließende Regelung von Zusatzurlaub durch § 27 TVöD, woraus sich der Wille der Tarifvertragsparteien des TVöD ergeben könnte, den Anspruch auf Zusatzurlaub nach BZTV Nr. 2 abzulösen und im Ergebnis aufzuheben, spricht im Übrigen § 27 Abs. 4 TVöD. Dort wird der Umfang des Gesamturlaubs bei „Zusatzurlaub nach diesem Tarifvertrag und sonstigen Bestimmungen mit Ausnahme von § 125 SGB IX“ geregelt. Die Tarifvertragsparteien selbst gehen also davon aus, dass neben dem Anspruch auf „Zusatzurlaub nach diesem Tarifvertrag“ - also dem TVöD - auch Ansprüche auf „Zusatzurlaub nach sonstigen Bestimmungen“ bestehen können, womit andere Tarifverträge für den öffentlichen Dienst außerhalb des TVöD oder sonstige Normen mit Ausnahme des § 125 SGB IX für andere Arten von Zusatzurlaub, nicht aber einzelvertragliche Regelungen gemeint sind(vgl. auch Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVöD Stand März 2006 § 27 Rn. 34: „z.B.“).

38

(cc) Gegen eine abschließende Regelung des Zusatzurlaubs in § 27 TVöD mit der von der Beklagten angeführten Rechtsfolge spricht auch die inhaltliche und strukturelle Ähnlichkeit dieser Bestimmung mit § 42 BMT-G II, neben dem bezirkstarifliche Zusatzurlaubsregelungen möglich waren und erfolgt sind. Dies gilt insbesondere für § 27 Abs. 4 TVöD im Vergleich zu § 42 Abs. 6 BMT-G II. In beiden Bestimmungen wird die Dauer des Gesamturlaubs teilweise wortgleich geregelt, wenn verschiedene Zusatzurlaubsarten mit einer Rechtsgrundlage innerhalb und außerhalb des jeweiligen Tarifvertrages aufeinandertreffen.

39

(dd) Die Beklagte beruft sich in diesem Zusammenhang schließlich zu Unrecht auf eine Verdrängung des BZTV Nr. 2 nach den Regeln bei einer Tarifkonkurrenz. Mit ihrer Rechtsauffassung, die zeitlich jüngere Sachregelung des TVöD und TVÜ-VKA verdränge die pauschale Weitergeltungsbestimmung in § 2 Abs. 2 TVÜ-VKA übersieht sie, dass es im TVöD oder TVÜ-VKA an einer Sachregelung zum Zusatzurlaub wegen verminderter Erwerbsfähigkeit fehlt. Mangels Sachregelung zu diesem Punkt kommt es deshalb nicht zu einer Tarifkonkurrenz, so dass sich die Frage von deren Auflösung nicht stellt.

40

(c) Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich auch nichts anderes aus der Übergangsregelung zum Zusatzurlaub für gesundheitsgefährdende Arbeiten in § 15 Abs. 3 TVÜ-VKA(„§ 42 Abs. 1 BMT-G/BMT-G-O i.V.m. bezirklichen Tarifverträgen zu § 42 Abs. 2 BMT-G und der Tarifvertrag zu § 42 Abs. 2 BMT-G-O [Zusatzurlaub für Arbeiter] gelten bis zum In-Kraft-Treten entsprechender landesbezirklicher Tarifverträge fort. …“). Auch hier gilt, dass eine tarifliche Regelung zum Zusatzurlaub für einen anderen Beschäftigtenkreis grundsätzlich begrenzt auf diesen auszulegen ist. Sie lässt ohne zusätzliche Anhaltspunkte keine Auslegung dahin zu, für andere Materien wie den Zusatzurlaub für vermindert Erwerbsfähige sei damit entgegen der getroffenen allgemeinen Regelung die Fortgeltung bezirkstariflicher Regelungen ausgeschlossen. An solchen zusätzlichen Anhaltspunkten fehlt es vorliegend jedoch.

41

(d) Auch die Hinweise der Beklagten auf weitere konkrete Regelungen im TVöD, die punktuell die Fortgeltung landesbezirklicher Tarifverträge anordnen, wie die zu den den Schulhausmeistern obliegenden Aufgaben und zur Zahlung von Erschwerniszulagen, ergeben nichts anderes. Es fehlt an einer hinreichend bestimmten und deutlichen Regelung dazu, dass die vorliegende einschlägige bezirkstarifvertragliche Regelung über den Zusatzurlaub für Erwerbsgeminderte nicht weiter gelten soll.

42

(e) Aus denselben Gründen folgt auch kein anderes Ergebnis aus dem Umstand, dass neben § 2 Abs. 3 bis Abs. 6 TVÜ-VKA noch an verschiedenen anderen Stellen im TVÜ-VKA(zB § 17 Abs. 1 und Abs. 9, § 23 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 sowie § 24 Abs. 1) Regelungen zum Fortbestand landesbezirklicher Regelungen enthalten sind. Diese Bestimmungen mögen der Verdeutlichung im Einzelfall dienen, weisen aber nicht auf einen Willen der Tarifvertragsparteien hin, sonstige landesbezirkliche Regelungen, deren grundsätzliche Fortgeltung allgemein angeordnet ist, sollen ausnahmsweise nicht mehr gelten.

43

(4) Die Beklagte beruft sich letztlich zu Unrecht auf einen etwaigen Gleichheitsverstoß, der sich bei einer Weitergeltung des BZTV Nr. 2 ergeben soll. Wenn unter Weitergeltung des § 5 BZTV Nr. 2 bei verminderter Erwerbsfähigkeit nur ein Teil der Beschäftigten, nämlich Beschäftigte aus dem ehemaligen Arbeiterbereich, nach tariflichen Regeln einen Zusatzurlaub beanspruchen kann, weil die entsprechende Regelung im ehemaligen Angestelltenbereich(§ 49 Abs. 1 BAT) mit Inkrafttreten des TVöD entfallen ist, kann sich zwar die Frage eines Gleichheitsverstoßes durch die Tarifvertragsparteien stellen. Eine möglicherweise gleichheitswidrige tarifvertragliche Regelung führt jedoch nicht dazu, dass die Gerichte für Arbeitssachen der bevorzugten Gruppe den tariflichen Anspruch entziehen könnten.

44

b) § 5 BZTV Nr. 2 hat auch nicht auf andere Weise seine Geltung verloren.

45

aa) Für den vorliegenden Zeitraum der Jahre 2006 und 2007 ist § 5 BZTV Nr. 2 weder durch eine landesbezirkliche Regelung ersetzt noch gekündigt oder anderweitig der Wirkung enthoben worden. Im Gegenteil haben die Tarifparteien des hier betroffenen Landesbezirks die Frist des § 2 Abs. 2 TVÜ-VKA bis zum 31. Dezember 2007 verlängert, womit der Streitzeitraum abgedeckt ist.

46

bb) Die Weitergeltung des § 5 BZTV Nr. 2 hängt weder von den sachlichen Tarifregelungen des BMT-G II ab, so dass sie nicht mit deren Ablösung durch den TVöD entfallen ist, noch von einer besonderen Öffnungs- oder Ermächtigungsklausel für eine solche Regelung, die im novellierten Tarifrecht des öffentlichen Dienstes fehlt.

47

(1) § 5 BZTV Nr. 2 stellt keinen bloßen Annex zu den materiellen Bestimmungen des BMT-G II dar. Für die weitere Anwendung von § 5 BZTV Nr. 2 bedarf es nicht der Fortgeltung des durch den TVöD abgelösten BMT-G II.

48

Entgegen der Auffassung der Beklagten kann weder aus der Überschrift des BZTV Nr. 2(„Bezirkszusatztarifvertrag … zum BMT-G II“) noch aus der Überschrift zu § 5 BZTV Nr. 2(„Zu § 42 BMT-G“)gefolgert werden, dass mit der Ablösung des BMT-G II durch den TVöD der notwendige sachliche Zusammenhang für die Anwendung des BZTV Nr. 2 weggefallen wäre. Die Regelung hängt auch inhaltlich nicht von den Regelungen des BMT-G II ab.

49

Zwar nimmt der BZTV Nr. 2 und insbesondere dessen § 5 Bezug auf § 42 BMT-G II. Dies ist jedoch nicht Voraussetzung und Grund für die Geltung des BZTV Nr. 2, sondern ordnet die betreffenden Regelungen nur nach ihrem Inhalt einem auch im BMT-G II - zu anderen Einzelfragen - behandelten Regelungsbereich zu. § 5 BZTV Nr. 2 konkretisiert weder § 42 Abs. 1 BMT-G II, der den Zusatzurlaub für Arbeiter regelte, die unter erheblichen gesundheitlichen Gefahren arbeiten, noch § 42 Abs. 5 BMT-G II, der vom Anspruch auf Zusatzurlaub für Arbeiter handelte, die aus dienstlichen oder betrieblichen Gründen ihren gesamten Urlaub in einer bestimmten Zeit nehmen müssen. Die sachliche Regelung betrifft einen Zusatzurlaub, der so in § 42 BMT-G II gar nicht vorgesehen ist.

50

Der BZTV Nr. 2 ist gegenüber dem BMT-G II aufgrund seiner eigenständigen Geltungsbereichsbestimmung in § 1 und aufgrund der für sich subsumtionsfähigen Tatbestandsmerkmale in § 5 Abs. 1 gegenüber den Zusatzurlaubstatbeständen des BMT-G II unabhängig. Der Einbeziehung des Inhalts von § 42 BMT-G II bedarf es zur Anwendung von § 5 BZTV Nr. 2 nicht.

51

(2) Die Fortgeltung von § 5 BZTV Nr. 2 ist auch nicht von der Existenz einer über § 2 Abs. 2 TVÜ-VKA hinausgehenden tariflichen Öffnungsklausel für landesbezirkliche Tarifverträge abhängig.

52

(a) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts beruhte § 5 BZTV Nr. 2 nicht selbst auf einer Öffnungsklausel im BMT-G II. Die im BZTV Nr. 2 in Bezug genommene Regelung des § 68 BMT-G II lautete:

        

„§ 68 Übergangsvorschriften

        

Die Mitgliedsverbände der VKA können mit den vertragsschließenden Gewerkschaften vereinbaren, dass Vorschriften in bezirklichen Tarifverträgen, die für den Arbeiter günstiger sind als die entsprechenden Vorschriften dieses Tarifvertrags, erhalten bleiben.“

53

Diese Bestimmung beinhaltet keine allgemeine Öffnung für landesbezirkliche Tarifverträge. Sie gibt vielmehr die Möglichkeit zur Sicherung eines bezirkstarifvertraglich begründeten Besitzstands, der ohne die Regelung möglicherweise der Ablösung durch den damals neuen Tarifvertrag, den BMT-G II, anheim gefallen wäre(vgl. dazu auch Scheuring/Lang/Hoffmann BMT-G Stand September 2001 § 68 Anm. 4). Da mit § 2 Abs. 2 TVÜ-VKA eine - zumindest vorübergehend - ähnlich wie § 68 BMT-G II wirkende Ausnahmeregelung zum Ablösungsprinzip, wie es in § 2 Abs. 1 TVÜ-VKA allgemein niedergelegt ist, für den Übergang der bezirkstariflichen Regelungen in das neue Tarifrecht des TVöD-VKA übernommen worden ist, kann aus der Bezugnahme des BZTV Nr. 2 auf den nunmehr ersetzten § 68 BMT-G II nicht gefolgert werden, dass mit dem Wegfall des BMT-G II der Geltungsgrund des BZTV Nr. 2 entfallen wäre.

54

(b) Zudem lässt sich aus § 27 Abs. 4 Satz 1 TVöD entnehmen, dass die Tarifparteien von geschützten Besitzständen bei der Überführung in den TVöD ausgegangen sind, indem dort für die Berechnung des Gesamturlaubs auch auf einen Zusatzurlaub „nach sonstigen Bestimmungen“ abgestellt wird, ohne hierbei landesbezirkliche Tarifregelungen auszunehmen.

55

(c) Nichts anderes folgt schließlich aus der in § 1 Abs. 2 BZTV Nr. 2 enthaltenen Bereichsbestimmung des BZTV. Indem die Landesbezirksparteien dort auf „die unter den BMT-G fallenden Verwaltungen und Betriebe der Mitglieder des KAV Baden-Württemberg“ verweisen, binden sie sich nicht an die Geltung des BMT-G, in welcher Fassung auch immer, sondern es gelten die in Bezug genommenen Bestimmungen des BMT-G - in der letzten Fassung, also des BMT-G II - zum betrieblichen und fachlichen Geltungsbereich(also insbesondere die in §§ 1a und 3 BMT-G II normierten Ausnahmen vom Geltungsbereich) unmittelbar und zwingend, als wären sie wörtlich im BZTV Nr. 2 enthalten (vgl. auch BAG 30. Januar 1990 - 1 ABR 98/88 - zu II 1 der Gründe, BAGE 64, 94, 98).

56

2. Der Kläger kann aufgrund des nach alledem fortgeltenden BZTV Nr. 2 jeweils drei Arbeitstage Zusatzurlaub für die Jahre 2006 und 2007 als Ersatzurlaub beanspruchen. Zwar ist sein nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b BZTV Nr. 2 iVm. § 23 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a AzUVO entstandener Anspruch mit Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres und der sich anschließenden Übertragungszeit erloschen. Da er diesen Anspruch jedoch rechtzeitig geltend gemacht hat, steht ihm Ersatzurlaub unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes zu.

57

a) Der streitgegenständliche Zusatzurlaubsanspruch des Klägers ist dem Grunde nach entstanden. Darüber, dass der Kläger, dem die Beklagte bis Ende des Jahres 2005 auf der Grundlage von § 5 BZTV Nr. 2 jährlich drei Zusatzurlaubstage gewährte, bei Fortgeltung des BZTV Nr. 2 die dort geregelten Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt, herrscht zwischen den Parteien kein Streit.

58

aa) Die Geltungsvoraussetzungen nach § 1 Abs. 1 bis 3 BZTV Nr. 2 iVm. § 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 TVG sind erfüllt.

59

Der Kläger gehört zu den Beschäftigten, die unter dem BMT-G II als Arbeiter bezeichnet wurden, ist gewerkschaftlich bei der Rechtsnachfolgerin der ÖTV organisiert, im Betrieb eines Mitglieds des KAV und innerhalb des gemeinsamen Tarifgebietes beschäftigt. Abfallwirtschafts- und Reinigungsbetriebe, wie der, in dem der Kläger beschäftigt war und ist, fallen in den Geltungsbereich des BZTV Nr. 2, weil sie nicht zu den Ausnahmebereichen nach § 1 Abs. 2 BZTV Nr. 2 iVm. §§ 1a, 3 BMT-G II zählen, für die der BZTV Nr. 2 nicht gilt.

60

bb) Der Kläger erfüllt mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 40 die personenbezogenen Anspruchsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b BZTV Nr. 2.

61

(1) Diese erfüllen erwerbsbeschränkte Personen mit einer „Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 30 v.H.“. Der damit in diesem - ursprünglich im Jahre 1974 geschlossenen - Tarifvertrag angesprochene Begriff der „Minderung der Erwerbsfähigkeit“(MdE) knüpft an die damals gebräuchlichen Begrifflichkeiten im Schwerbeschädigten- und Schwerbehindertenrecht an, die im Jahre 1986 in einigen Gesetzesbereichen des Schwerbehindertenrechts durch den Begriff „Grad der Behinderung“ (GdB) abgelöst worden sind (Welti Behinderung und Rehabilitation im sozialen Rechtsstaat 2005 S. 67). Bei der MdE, die im Jahre 2008 durch den „GdS - Grad der Schädigungsfolgen“ abgelöst wurden, handelt es sich um einen Begriff aus dem Unfallversicherungs- und Versorgungsrecht, der zwar verwandt, jedoch nicht immer identisch mit dem „GdB“ im Schwerbehindertenrecht ist, der dem Kläger mit dem Faktor 40 bescheinigt wurde.

62

Beide Begriffe unterscheiden sich dadurch, dass die MdE kausal nur auf Schädigungsfolgen und der GdB final auf alle Gesundheitsstörungen unabhängig von ihrer Ursache bezogen sind. Auch wenn hiernach die Begriffe und Konzepte nicht identisch sind, so wurden MdE und GdB doch nach den gleichen Grundsätzen bemessen, und zwar nach den „Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP)“. In der Praxis wirken sich Bewertungsunterschiede kaum aus(vgl. Dau in Dau/Düwell/Haines Sozialgesetzbuch IX 2. Aufl. § 69 Rn. 16; Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 11. Aufl. § 69 Rn. 24; Münch-ArbR/Cramer 2. Aufl. § 235 Rn. 11; weiterhin Scheuring/Steingen/Bansen/Thivessen MTArb § 3 Anm. 8; s. außerdem die faktische Gleichsetzung in § 69 Abs. 2 SGB IX).

63

(2) Im vorliegenden Fall geht aus dem Vortrag der Parteien nichts hervor, das dagegen spräche, dass der Kläger mit einem GdB von 40 im Streitzeitraum der Jahre 2006 und 2007 die Voraussetzung der MdE von „mindestens 30“ erfüllt. Hiervon ist auch die Beklagte in den Vorjahren ausgegangen, als sie ihm den entsprechenden Zusatzurlaub gewährte.

64

cc) Dem Kläger steht jährlich ein Zusatzurlaub von drei Arbeitstagen zu. In § 5 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b BZTV Nr. 2 wird zwar die Dauer des Zusatzurlaubs nicht bestimmt. Sie ergibt sich aber aus der zulässigen dynamischen Bezugnahme auf das Beamtenrecht in Gestalt der „Vorschriften und Bestimmungen für die Beamten des Arbeitgebers“. Maßgeblich ist für den streitgegenständlichen Zeitraum § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der seit dem 1. Januar 2006 geltenden AzUVO. Dass der Kläger den erforderlichen GdB/MdE-Nachweis erbracht hat, steht zwischen den Parteien angesichts der langjährigen Praxis der Gewährung von Zusatzurlaub außer Streit.

65

b) Der Erfüllungsanspruch des Klägers bezüglich des geltend gemachten und ihm zustehenden Zusatzurlaubsanspruchs für die Jahre 2006 und 2007 ist zwar jeweils mit Ende des Kalenderjahres und den sich anschließenden Übertragungszeiten nach § 27 Abs. 5 iVm. § 26 Abs. 2 Buchst. a TVöD untergegangen(vgl. nur BAG 24. Oktober 2006 - 9 AZR 669/05 - Rn. 14 ff., BAGE 120, 50). Zum jeweils maßgebenden Zeitpunkt befand sich jedoch die Beklagte im Schuldnerverzug gemäß § 286 BGB, weil der Kläger den Urlaub rechtzeitig verlangt hatte. Der Kläger hat sein Zusatzurlaubsverlangen für das Jahr 2006 am 12. Juni 2006 schriftlich gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Für das Jahr 2007 war das Verlangen sodann Gegenstand der am 22. Juni 2007 zugestellten Klage. Damit ist den verzugsbegründenden Anforderungen genügt. Die Beklagte hat daher die mit Zeitablauf eingetretene Unmöglichkeit der Erfüllung des Urlaubsanspruchs zu vertreten und für den verfallenen Zusatzurlaub Ersatzurlaub zu gewähren (§ 275 Abs. 1, § 280 Abs. 1, § 283 Satz 1, § 286 Abs. 1 Satz 1, § 249 Abs. 1 BGB; BAG 5. September 2002 - 9 AZR 355/01 - BAGE 102, 294; 15. November 2005 - 9 AZR 633/04 - Rn. 39, EzBAT BAT § 49 Nr. 16).

66

c) Die Krankheitszeit des Klägers im Urlaubsjahr 2007 steht der Gewährung von Ersatzurlaub bereits deshalb nicht entgegen, weil der Kläger noch im Übertragungszeitraum dieses Urlaubsjahres wieder arbeitsfähig geworden ist.

67

III. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen, weil sie unterlegen ist (§ 91 Abs. 1 ZPO).

        

    Bepler    

        

    Treber    

        

    Winter    

        

        

        

    Vorderwülbecke    

        

    Bredendiek    

                 

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 7. September 2012 - 6 Sa 709/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe des jährlichen Urlaubsanspruchs.

2

Die Beklagte stellt Schuhe her. Die am 10. April 1960 geborene Klägerin ist bei ihr seit dem 1. Juli 1994 als Produktionsmitarbeiterin beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 13. November 2000 ist ua. vereinbart, dass der jährliche Urlaubsanspruch 34 Arbeitstage beträgt. Die Beklagte gewährt allen Arbeitnehmern, die das 58. Lebensjahr vollendet haben, 36 Arbeitstage Jahresurlaub, ohne dass individuelle Vereinbarungen über einen höheren Jahresurlaub vorliegen. Die übrigen Beschäftigten erhalten jährlich 34 Urlaubstage.

3

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Urlaubsregelung sei altersdiskriminierend. Die Behauptung, ältere Mitarbeiter benötigten im Produktionsbetrieb längere Erholungsphasen, sei durch die darlegungsbelastete Beklagte nicht dargetan. Das Bundesurlaubsgesetz stelle bezüglich der Dauer des Urlaubs weder auf die physische Belastung noch auf das Alter der Arbeitnehmer ab. Die Beklagte habe keinen Grund genannt, warum ein gesteigertes Erholungsbedürfnis ausgerechnet mit 58 Jahren eintrete. Zudem könne mit lediglich zwei zusätzlichen Urlaubstagen ein etwaiger höherer Erholungsbedarf nicht ausgeglichen werden. Bei einem stetig steigenden Erholungsbedarf müsste jedenfalls auch die Urlaubsdauer gestaffelt werden. Bei anderen Arbeitnehmergruppen sei ein erhöhter Erholungsbedarf nachvollziehbar. Diese würden jedoch nicht begünstigt. So seien jüngere Arbeitnehmer durch Familie und Beruf oftmals stärker beansprucht als ältere. Die Beklagte habe ihr zur Beseitigung der Diskriminierung jährlich zwei weitere Urlaubstage zu gewähren.

4

Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr 36 Arbeitstage Erholungsurlaub zu gewähren.

5

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, ihre Urlaubsregelung beinhalte keine Diskriminierung. Nach der Lebenserfahrung benötigten ältere Arbeitnehmer, die körperlich ermüdende und schwere Arbeiten verrichten, längere Erholungszeiten als jüngere. Zwei zusätzliche Urlaubstage seien angemessen.

6

Das Arbeitsgericht hat die Klage - soweit für die Revision von Bedeutung - abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Feststellungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, der Klägerin auch schon vor der Vollendung der 58. Lebensjahres insgesamt 36 Arbeitstage Erholungsurlaub pro Jahr zu gewähren.

8

I. Die Klage ist in der gebotenen Auslegung zulässig, insbesondere besteht das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.

9

1. Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer den Umfang des ihm zustehenden Urlaubs gerichtlich festgestellt wissen will, nicht entgegen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 9, BAGE 141, 73; 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - Rn. 13 ff., BAGE 137, 328).

10

2. Die am 10. April 1960 geborene Klägerin hat ein rechtlich anerkennenswertes Interesse daran, alsbald zu erfahren, ob ihr bereits vor der Vollendung ihres 58. Lebensjahres zwei weitere Urlaubstage pro Jahr zustehen. Ihr Antrag bezieht sich dem Wortlaut nach zwar auf den gesamten Jahresurlaub. Er kann jedoch so ausgelegt werden, dass er sich nur auf zwei weitere Urlaubstage im Kalenderjahr bezieht. Zwischen den Parteien besteht kein Streit, dass der Klägerin die vertraglich vereinbarten 34 Urlaubstage pro Jahr zustehen. Die Klägerin hat im Laufe des Verfahrens deutlich gemacht, dass der Antrag auf die Feststellung des Bestehens zweier zusätzlicher Urlaubstage gerichtet ist. Darüber hinaus hat das Landesarbeitsgericht den Klageantrag zutreffend so verstanden, dass er vergangene Urlaubsjahre nicht erfasst. Es handelt sich um einen gegenwartsbezogenen Feststellungsantrag, für dessen Entscheidung grundsätzlich auf die Sachlage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht abzustellen ist (vgl. BAG 15. Mai 2013 - 7 AZR 494/11 - Rn. 15 ff.).

11

II. Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen vor Vollendung ihres 58. Lebensjahres nicht gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 iVm. § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG zwei weitere Urlaubstage zu. Die Urlaubsregelung ist nicht gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam und führt somit bezüglich der Dauer des Urlaubs der Klägerin nicht zu einer „Anpassung nach oben“(siehe dazu BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 27 ff., BAGE 141, 73; vgl. aber auch BAG 14. Mai 2013 - 1 AZR 44/12 - Rn. 25, BAGE 145, 113).

12

1. Es liegt zwar eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor. Diese ist jedoch gemäß § 10 Satz 1, 2 und Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt.

13

a) Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Unter Alter iSd. § 1 AGG ist das Lebensalter zu verstehen. Dies folgt aus dem Wortlaut des Gesetzes und aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/1780 S. 31; BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 14, BAGE 141, 73; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 36, BAGE 129, 181). Eine unmittelbare Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 1 AGG gegeben, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Der für eine unmittelbare Benachteiligung erforderliche Kausalzusammenhang ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere in § 1 AGG genannte Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - aaO mwN).

14

b) Daran gemessen liegt eine unmittelbare Ungleichbehandlung wegen des Alters vor. Die Urlaubsregelung knüpft die Gewährung von zwei weiteren Urlaubstagen an die Vollendung des 58. Lebensjahres und damit unmittelbar an das Lebensalter der Beschäftigten. Arbeitnehmer, die diese Altersgrenze nicht erreicht haben, werden wegen ihres Alters ungünstiger behandelt.

15

c) Die Ungleichbehandlung ist jedoch gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt. Die Regelung bezweckt bei Berücksichtigung eines Gestaltungs- und Ermessensspielraums der Beklagten den in dieser Bestimmung genannten Schutz älterer Beschäftigter und ist geeignet, erforderlich und angemessen im Sinne von § 10 Satz 2 AGG.

16

aa) Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG konkretisiert ua. das legitime Ziel der Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter, wobei dieser Schutz auch die Festlegung besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließen kann (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73).

17

bb) § 10 AGG dient der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16) in das nationale Recht (BAG 18. März 2014 - 3 AZR 69/12 - Rn. 21). Der Gesetzgeber hat bei der Umsetzung den Text der Richtlinie nahezu wörtlich in das nationale Recht übernommen. Dessen Regelungen sind unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszulegen (vgl. BAG 14. März 2012 - 7 AZR 480/08 - Rn. 30).

18

cc) Dem Arbeitgeber steht bei freiwilligen zusätzlichen Leistungen - wozu auch die Gewährung von übergesetzlichem Mehrurlaub gehört - ein von den Gerichten zu respektierender Gestaltungs- und Ermessensspielraum zu (vgl. zu Leistungen der betrieblichen Altersversorgung: BAG 12. November 2013 - 3 AZR 356/12 - Rn. 28; 12. Februar 2013 - 3 AZR 100/11 - Rn. 31 mwN, BAGE 144, 231). Auch in der Rechtsprechung des EuGH ist anerkannt, dass die Mitgliedstaaten und gegebenenfalls die Sozialpartner auf nationaler Ebene beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts nicht nur bei der Entscheidung, welches konkrete Ziel von mehreren im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik sie verfolgen wollen, sondern auch bei der Festlegung der Maßnahmen zu seiner Erreichung über einen weiten Gestaltungsspielraum verfügen (EuGH 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Rn. 68, Slg. 2007, I-8531). Diese Erwägungen gelten nach dem EuGH auch für Ziele, die der Arbeitgeber mit einer vertraglichen Regelung verfolgt (vgl. EuGH 26. September 2013 - C-476/11 - [HK Danmark] Rn. 61).

19

dd) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Benachteiligung der Arbeitnehmer der Beklagten, die das 58. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, gerechtfertigt.

20

(1) Die Beklagte gewährt den Arbeitnehmern in ihrem Produktionsbetrieb nach der Vollendung des 58. Lebensjahres aufgrund ihres gesteigerten Erholungsbedürfnisses zwei weitere Urlaubstage im Kalenderjahr und bezweckt damit die Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. Da dieser Schutz die Festlegung besonderer Arbeitsbedingungen einschließt (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73), unterfallen ihm auch zusätzliche Urlaubstage.

21

(a) Das AGG definiert in § 10 Satz 3 Nr. 1 - ebenso wie Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG - nicht, wann ein Beschäftigter „älter“ im Sinne der Norm ist (vgl. zum herkömmlichen Verständnis: BAG 18. September 2014 - 6 AZR 636/13 - Rn. 44). Nach dem Sinn und Zweck des Benachteiligungsverbots reicht es ohne das Vorliegen anderer Differenzierungsgründe nicht aus, dass das Alter der begünstigten Arbeitnehmer höher ist als das Alter der nicht begünstigten. Dementsprechend hat der Senat angenommen, ein Arbeitnehmer sei nach der Vollendung seines 31. Lebensjahres offensichtlich noch kein älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 55, BAGE 132, 210). Aus dem systematischen Zusammenhang mit § 10 Satz 1 AGG und aus dem Regelungszweck folgt, dass die begünstigten Arbeitnehmer aufgrund ihres Alters der Förderung bei der beruflichen Eingliederung oder des Schutzes bedürfen müssen.

22

(aa) Der Senat ist in seiner Entscheidung vom 20. März 2012 nicht davon ausgegangen, dass mit zunehmenden Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steige. Er hat allerdings ab einem bestimmten Alter - konkret: bei über 50- oder über 60-jährigen Beschäftigten - ein altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis für „eher nachvollziehbar“ gehalten (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 24 f., BAGE 141, 73).

23

(bb) Das Landesarbeitsgericht hat in Übereinstimmung mit der überwiegenden Auffassung im Schrifttum als Erfahrungssatz angenommen, dass mit zunehmenden Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steigt (so auch Tempelmann/Stenslik DStR 2011, 1183, 1185 f.; Lingemann/Gotham NZA 2007, 663, 666; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 143 f.; Waltermann NZA 2005, 1265, 1269; Over Das Verbot der Altersdiskriminierung im Arbeitsrecht nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz S. 231; Küttner/Kania Personalbuch 2014 Diskriminierung Rn. 90; vgl. auch Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 - zu II 2 b cc (3) (a) der Gründe mwN). Diese Ansicht ist allerdings nicht unumstritten. So wird auf die Individualität der Alterungsprozesse und den fehlenden Nachweis von Altersklassen mit spezifischem Erholungsbedarf hingewiesen (Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 1 Rn. 822). Die Aufstellung eines generellen Erfahrungssatzes soll dem traditionellen Bild vom „alten Arbeitnehmer“ entsprechen (Däubler/Bertzbach/Brors 3. Aufl. § 10 Rn. 43). Auch wird hervorgehoben, dass der Gesetzgeber in § 3 BUrlG bezüglich der Dauer des Urlaubs nicht nach dem Lebensalter der Arbeitnehmer unterscheide und demnach nicht von einem unterschiedlichen Erholungsbedürfnis ausgehe(Bertelsmann in Rust/Falke AGG § 10 Rn. 93). Auch auf europäischer Ebene sehe Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG vier Wochen Urlaub einheitlich für alle Berufsgruppen altersunabhängig vor(v. Roetteken AGG Stand September 2014 § 10 Rn. 262). Verlangt wird zumindest die Darlegung eines empirischen Befunds zum steigenden Erholungsbedarf unter Beachtung der Tätigkeit bevorzugter Arbeitnehmer (Däubler/Bertzbach/Brors aaO; aA Kasprzyk Altersdiskriminierung im deutschen Arbeitsrecht S. 185).

24

(b) Erfahrungssätze sind Hilfsmittel. Die Feststellung von allgemein anerkannten Erfahrungssätzen ist als Tatfrage den Tatsachengerichten vorbehalten. Dabei ist es diesen nicht verwehrt, das Bestehen oder Nichtbestehen eines Erfahrungssatzes zu beurteilen, wenn sie dazu über ausreichende Sachkunde und Lebenserfahrung verfügen. Andernfalls haben sie sich der Hilfe eines Sachverständigen zu bedienen. Die Zuziehung eines Sachverständigen zur Unterstützung des Gerichts ist gemäß § 144 Abs. 1 ZPO durch die Tatsachengerichte stets nach pflichtgemäßen Ermessen zu prüfen(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 65 mwN, BAGE 132, 210; vgl. allg. zu Erfahrungssätzen: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 73. Aufl. Einf. § 284 Rn. 22).

25

(c) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Landesarbeitsgericht von der Zuziehung eines Sachverständigen abgesehen hat. Dieses durfte aufgrund der von ihm festgestellten körperlich anstrengenden Tätigkeiten im Produktionsbetrieb der Beklagten auch ohne Sachverständigengutachten annehmen, dass das Erholungsbedürfnis der dort beschäftigten Arbeitnehmer mit zunehmenden Alter steigt. Ob es einen tätigkeitsunabhängigen generellen Zusammenhang zwischen dem Erholungsbedarf und dem Alter gibt (so etwa Kamanabrou aaO), kann dahinstehen.

26

(aa) Die Annahme eines Erfahrungssatzes dahin gehend, dass bei körperlich belastenden Berufen das Erholungsbedürfnis im höheren Alter steigt, begegnet keinen Bedenken. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die physische Belastbarkeit mit zunehmendem Alter abnimmt (etwa BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 67 mwN, BAGE 132, 210; Bayerischer VGH 24. Oktober 2011 - 3 ZB 08.721 - zu II 1 b der Gründe). Dieser Erfahrungssatz betrifft auch den Wirkungszusammenhang von erreichtem Lebensalter und Krankheitsanfälligkeit (Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 - zu II 2 b cc (3) (a) der Gründe mwN). Alle bekannten privaten und öffentlichen Systeme der Kranken-, Renten- und Lebensversicherung beruhen auf dieser Erwartung (BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 54, BAGE 128, 238). Entgegen der Ansicht der Klägerin kommen auch nicht lediglich Studien älteren Datums - wie etwa die ILO-Empfehlung Nr. 162 vom 23. Juni 1980 oder der WHO Technical Report Series 835 „Aging and Working Capacity” (dt. Übersetzung: „Altern und Arbeit“ 1994) - zu diesem Ergebnis. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden bestätigt zB durch den „Fortschrittsreport ‚Altersgerechte Arbeitswelt“, Ausgabe 3 des Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Stand September 2013). Nach diesem hat sich zwar die körperliche Konstitution besonders für die Altersgruppe der 45- bis 64-Jährigen verbessert (Ziff. 3.1). Dennoch zeigt die Studie weiterhin ein Ansteigen der Anzahl der krankheitsbedingten Fehltage sowie eine Verschlechterung des Gesundheitszustands mit fortschreitendem Lebensalter (Ziff. 4.2, Tabelle 2). Insbesondere bei belastenden Berufen nimmt die Anzahl krankheitsbedingter Fehltage im Alter überproportional zu und der Gesundheitszustand verschlechtert sich überproportional (vgl. Ziff. 4.2). Auch bei einfachen Dienstleistungen und einfachen manuellen Berufen verschlechtert sich der „selbstberichtete Gesundheitszustand in der Altersgruppe 55 bis 64 Jahre im Vergleich zum Durchschnitt“ immer noch deutlich (Ziff. 3.4). Zumindest hinsichtlich dieser Berufe erscheint die Annahme eines größeren Erholungsbedarfs im erhöhten Alter als nicht fehlerhaft (ebenso Reinhard ArbRB 2012, 342, 343). Auch Gegner eines allgemeinen Erfahrungssatzes gestehen zu, dass bei gesundheitlich besonders belastenden Tätigkeiten ein gesteigerter Erholungsbedarf mit zunehmendem Alter angenommen werden kann (v. Roetteken aaO; Däubler/Bertzbach/Brors aaO; Löwisch/Rieble § 1 Rn. 823).

27

Soweit das Landesarbeitsgericht auf die teilweise geforderte Darlegung spezifischer empirischer Untersuchungen bezogen auf die Tätigkeiten im Produktionsbetrieb der Beklagten verzichtet hat, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Durchführung derartiger Untersuchungen wäre praktisch aufwändig und schwierig (weiter gehend Kasprzyk aaO: „unmöglich“). Eine übersteigerte Darlegungslast würde die Einführung freiwilliger Leistungen unzumutbar erschweren. Die Feststellungen durch das Landesarbeitsgericht, dass die Beschäftigten der Beklagten bei der Schuhfertigung körperlich ermüdende und teils schwere Arbeiten leisten, verstärkt durch einen besonderen, prämienbezogenen Zeit- und Qualitätsdruck im Sinne eines Teamakkords, genügt danach als Tatsachenbasis für die Bejahung des dargestellten Erfahrungssatzes.

28

(bb) Der Hinweis auf die fehlende Altersstaffelung in § 3 BUrlG und Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG hilft der Klägerin für die Frage der Legitimität des Zwecks nicht weiter. Die Vorschriften regeln nur die Dauer des Mindesturlaubs und damit das unterste Maß dessen, was nach deutschem und europäischem Urlaubsrecht unabhängig von individuellen Besonderheiten zur Erholung erforderlich ist. Spezifische Charakteristika - wie das Alter oder der physische oder psychische Gesundheitszustand - bleiben bei der Setzung eines einheitlichen Minimalstandards naturgemäß außer Betracht. Auf nationaler Ebene kommt hinzu, dass der Gesetzgeber durchaus gesehen hat, dass es altersabhängig einen unterschiedlichen Erholungsbedarf geben kann, wie etwa § 57 Abs. 2 SeeArbG und § 19 Abs. 2 JArbSchG zeigen(siehe dazu v. Roetteken § 10 Rn. 263).

29

(d) Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Sicherstellung des Schutzes ihrer Arbeitnehmer nach Vollendung des 58. Lebensjahres als Zweck der zwei weiteren Urlaubstage vorgeschoben hat.

30

(aa) Allerdings ist dieser Zweck nicht unmittelbar der - nicht schriftlich fixierten - Regelung zu entnehmen. Nennt eine Regelung oder Maßnahme kein Ziel, müssen zumindest aus dem Kontext abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter der Regelung oder der Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, um die Legitimität des Ziels sowie die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüfen zu können (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 19 mwN, BAGE 141, 73; vgl. zur Richtlinie 2000/78/EG: EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 39 mwN, Slg. 2011, I-6919).

31

(bb) Wenn eine Tarifregelung die Urlaubsdauer nach dem Lebensalter staffelt, liegt die Annahme nahe, die Tarifvertragsparteien hätten einem mit zunehmendem Alter gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 23, BAGE 141, 73). Diese Annahme darf freilich nicht durch die konkrete Wahl der Altersgrenze(n) widerlegt werden, wie dies bei § 26 TVöD aF, der zusätzliche Urlaubstage bereits ab dem 30. Lebensjahr vorsah, der Fall war (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 24 ff., aaO).

32

(cc) Es ist kein Grund ersichtlich, bei einer individualrechtlichen Regelung nicht ebenfalls grundsätzlich davon auszugehen, dass mit einer Altersgrenze für die Gewährung zusätzlichen Urlaubs einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer Rechnung getragen werden soll. Diese Annahme erscheint umso mehr gerechtfertigt, wenn sie wie hier mit der Anerkennung eines Erfahrungssatzes bezüglich des gesteigerten Erholungsbedarfs bei körperlich belastenden Berufen korreliert. Hinzu kommt, dass die ständige Übung der Beklagten inhaltlich einer einschlägigen tarifvertraglichen Regelung entspricht. So sah der persönlich, fachlich und räumlich einschlägige Manteltarifvertrag vom 23. April 1997, abgeschlossen zwischen dem Hauptverband der Deutschen Schuhindustrie e. V. und der Gewerkschaft Leder sowie der IG BCE, für gewerbliche Arbeitnehmer in § 17 Ziff. 4 Buchst. a ab dem 58. Lebensjahr ebenfalls zwei zusätzliche Urlaubstage vor. Diese Regelung war im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht nicht durch eine neue Bestimmung abgeändert.

33

(dd) Schließlich widerlegt die Altersgrenze von 58 Lebensjahren nicht den Zweck, mit zwei weiteren Urlaubstagen im Kalenderjahr dem gesteigerten Erholungsbedürfnis Rechnung zu tragen. Dabei kann dahinstehen, ab welchem Alter die Annahme, der zusätzliche Urlaub diene dem höheren Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG, nicht mehr ohne Weiteres aufrechterhalten bzw. als widerlegt erachtet werden kann. Der Senat hat in der Entscheidung vom 20. März 2012 gemäß dem Rechtsgedanken aus § 417 Abs. 1 SGB III eine Altersgrenze von 50 Lebensjahren für die Einordnung als älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG in Betracht gezogen(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73; vgl. zu einer solchen Altersgrenze für die Gewährung zusätzlicher Urlaubstage: Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 -). Das Landesarbeitsgericht hat ergänzend darauf verwiesen, dass Leitlinie 17 der Entscheidung des Rates vom 12. Juli 2005 über Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten (2005/600/EG) Arbeitskräfte ab Vollendung des 55. Lebensjahres als ältere Arbeitnehmer erachtet und die WHO-Studiengruppe „Altern und Arbeit“ aus arbeitsmedizinischer Sicht wegen auftretender Schwierigkeiten in Arbeit und Beruf eine Grenze ab dem 45. Lebensjahr angenommen hat (zu A II 15 b bb (3) (b) der Gründe). Das Berufungsgericht hat damit nachvollziehbar begründet, warum es davon ausgeht, dass die Urlaubsregelung einem legitimen Zweck iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG dient und es diesen Zweck nicht lediglich als von der Beklagten vorgeschoben erachtet.

34

(2) Die Regelung ist geeignet, den in § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG beschriebenen Zweck zu fördern. Insbesondere kann die Klägerin nicht mit dem Argument gehört werden, dass die Gewährung von lediglich zwei Urlaubstagen ungeeignet sei, einen altersbedingt erhöhten Erholungsbedarf auszugleichen. Die Geeignetheit ist nicht deshalb zu verneinen, weil ein gestiegener Erholungsbedarf unter Umständen nicht vollständig, sondern nur partiell ausgeglichen wird. Gerade angesichts des vom Arbeitgeber bei einer freiwilligen Leistung selbst gesetzten Dotierungsrahmens wäre die Beschränkung auf einen Teilausgleich nachvollziehbar und zulässig. Zudem haben auch die Tarifvertragsparteien angesichts der Tätigkeit eines Produktionsmitarbeiters in der Schuhbranche zwei Tage Urlaub für geeignet und ausreichend erachtet. Dass die Beklagte sich die von den Sozialpartnern ausgehandelte Regelung zu eigen macht und im Rahmen ihres Ermessensspielraums eine entsprechende Regelung trifft, ist unter dem Aspekt der Geeignetheit der Regelung nicht zu beanstanden.

35

(3) Die Regelung ist auch erforderlich und angemessen (§ 10 Satz 2 AGG). Mildere Mittel, die in gleicher Weise den Schutz älterer Arbeitnehmer verwirklichen könnten, sind nicht ersichtlich.

36

(a) Die Wahl einer anderen, niedrigeren Altersgrenze stellte kein gleich wirksames, milderes Mittel mit geringerem altersspezifischen Effekt dar. Es handelte sich vielmehr um eine andere Maßnahme mit einem erhöhtem Dotierungsrahmen.

37

(b) Eine niedrigere Altersgrenze verbunden mit nur einem weiteren Urlaubstag im Kalenderjahr müsste zwar nicht zwingend zu einer Erhöhung des Dotierungsrahmens führen. Allerdings hätten dann Arbeitnehmer nach Vollendung des 58. Lebensjahres nicht mehr Anspruch auf den zweiten weiteren Urlaubstag, den die Beklagte im Einklang mit dem einschlägigen Tarifvertrag angesichts des gesteigerten Erholungsbedarfs im höheren Alter in der Schuhproduktion für notwendig erachtet. Der Gestaltungs- und Ermessensspielraum der Beklagten lässt auch im Rahmen der Erforderlichkeit und Angemessenheit die von ihr angewandte Regelung zu. Die Interessen der Beteiligten werden hinreichend berücksichtigt. Es werden lediglich in Übereinstimmung mit dem Abwägungsergebnis der Tarifvertragsparteien die Interessen der über 58-Jährigen an einem zusätzlichen Urlaubstag höher gewichtet als die Interessen der übrigen Beschäftigten, schon im jüngeren Alter einen zusätzlichen Urlaubstag zu erhalten.

38

(c) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Beklagte nicht verpflichtet, zusätzliche Urlaubstage nur nach dem individuell ermittelten Erholungsbedarf unter Einbeziehung altersunabhängiger Belastungsfaktoren, wie der Pflege und Betreuung von Kindern, sowie unter Berücksichtigung des individuellen Alterungsprozesses zu gewähren. Zwar mag es zutreffen, dass es weitere Belastungsfaktoren gibt, die zu einem gesteigerten Erholungsbedarf führen können. Jedoch wäre eine solche individuelle Regelung in vielerlei Hinsicht praktisch nicht oder nur mit großen Schwierigkeiten handhabbar. Dies gilt nicht nur bezüglich der Gewichtung der einzelnen (persönlichen) Belastungsfaktoren untereinander, sondern vor allem auch für deren Ermittlung durch die Beklagte. Auch der Gerichtshof der Europäischen Union hat anerkannt, dass bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Regelung im Hinblick auf das Verbot der Altersdiskriminierung zu beachten ist, dass die fragliche Regelung in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht handhabbar bleiben müsse, und deshalb nicht generell verlangt werden könne, dass immer jeder Einzelfall individuell geprüft werde (EuGH 19. Juni 2014 - C-501/12 ua. - [Specht ua.] Rn. 78). Unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten darf der Arbeitgeber daher im Sinne einer typisierenden Betrachtung in Ausübung seines Gestaltungsspielraums auch einen Grund für ein gesteigertes Erholungsbedürfnis - wie etwa das Alter in belastenden Berufen - als Differenzierungskriterium heranziehen. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG enthält kein Gebot, die dort genannten typischerweise besonders schutzbedürftigen Personengruppen (Jugendliche, ältere Beschäftigte und Personen mit Fürsorgepflichten) hinsichtlich besonderer Arbeitsbedingungen gleich zu behandeln.

39

2. Aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz folgt ebenfalls kein Anspruch der Klägerin auf die begehrten zwei zusätzlichen Urlaubstage. Ist - wie hier - die unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmergruppen aus einem in § 1 AGG genannten Grund unter den im AGG normierten Voraussetzungen zulässig, ist auch der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt(ebenso bezüglich des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes: BAG 17. September 2013 - 3 AZR 686/11 - Rn. 25 mwN). Eine sachwidrige Ungleichbehandlung kommt angesichts der Rechtfertigung gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG nicht in Betracht.

40

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

        

        

    M. Lücke    

        

    Kranzusch    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. März 2010 - 20 Sa 2058/09 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Eberswalde vom 8. Juli 2009 - 3 Ca 140/09 - wird zurückgewiesen und der Tenor dieses Urteils zur Klarstellung neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass der Klägerin für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein weiterer Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht.

3. Der Beklagte hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin in den Jahren 2008 und 2009 Anspruch auf jeweils 29 oder 30 Urlaubstage hatte.

2

Die am 27. Oktober 1971 geborene Klägerin ist seit dem 1. September 1988 bei dem beklagten Landkreis als Angestellte mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden in der Fünftagewoche beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13. September 2005 in der Fassung des Änderungstarifvertrags Nr. 2 vom 31. März 2008 (TVöD) Anwendung. Dieser bestimmt ua.:

        

§ 26 

        

Erholungsurlaub

        

(1)     

Beschäftigte haben in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts (§ 21). Bei Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf fünf Tage in der Kalenderwoche beträgt der Urlaubsanspruch in jedem Kalenderjahr

                 

bis zum vollendeten 30. Lebensjahr

26 Arbeitstage,

                 

bis zum vollendeten 40. Lebensjahr

29 Arbeitstage und

                 

nach dem vollendeten 40. Lebensjahr

30 Arbeitstage.

                 

Maßgebend für die Berechnung der Urlaubsdauer ist das Lebensjahr, das im Laufe des Kalenderjahres vollendet wird. Bei einer anderen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit als auf fünf Tage in der Woche erhöht oder vermindert sich der Urlaubsanspruch entsprechend. Verbleibt bei der Berechnung des Urlaubs ein Bruchteil, der mindestens einen halben Urlaubstag ergibt, wird er auf einen vollen Urlaubstag aufgerundet; Bruchteile von weniger als einem halben Urlaubstag bleiben unberücksichtigt. Der Erholungsurlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und kann auch in Teilen genommen werden.

        

…       

        
        

§ 27   

        

Zusatzurlaub

        

(1)     

Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit nach § 7 Abs. 1 oder ständig Schichtarbeit nach § 7 Abs. 2 leisten und denen die Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 1 oder Abs. 6 Satz 1 zusteht, erhalten

                 

a)    

bei Wechselschichtarbeit für je zwei zusammenhängende Monate und

                 

b)    

bei Schichtarbeit für je vier zusammenhängende Monate

                 

einen Arbeitstag Zusatzurlaub.

        

(2)     

Im Falle nicht ständiger Wechselschicht- oder Schichtarbeit (z. B. ständige Vertreter) erhalten Beschäftigte des Bundes, denen die Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 2 oder Abs. 6 Satz 2 zusteht, einen Arbeitstag Zusatzurlaub für

                 

a)    

je drei Monate im Jahr, in denen sie überwiegend Wechselschichtarbeit geleistet haben, und

                 

b)    

je fünf Monate im Jahr, in denen sie überwiegend Schichtarbeit geleistet haben.

        

…       

                 
        

(4)     

Zusatzurlaub nach diesem Tarifvertrag und sonstigen Bestimmungen mit Ausnahme von § 125 SGB IX wird nur bis zu insgesamt sechs Arbeitstagen im Kalenderjahr gewährt. Erholungsurlaub und Zusatzurlaub (Gesamturlaub) dürfen im Kalenderjahr zusammen 35 Arbeitstage nicht überschreiten. Satz 2 ist für Zusatzurlaub nach den Absätzen 1 und 2 hierzu nicht anzuwenden. Bei Beschäftigten, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, gilt abweichend von Satz 2 eine Höchstgrenze von 36 Arbeitstagen; § 26 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

        

…“    

        
3

Mit Schreiben vom 5. November 2008 machte die Klägerin gegenüber dem Beklagten einen jährlichen Gesamturlaub in Höhe von 30 Tagen für das Jahr 2008 und die Zukunft nach dem TVöD geltend. Der Beklagte lehnte die Gewährung von 30 Urlaubstagen vor der Vollendung des 40. Lebensjahres der Klägerin unter Hinweis auf die Verbindlichkeit der Regelung des § 26 Abs. 1 TVöD mit Schreiben vom 28. November 2008 ab. Die Klägerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 11. Februar 2009 die vorliegende Klage erhoben.

4

Sie hat die Ansicht vertreten, sie habe auch vor der Vollendung ihres 40. Lebensjahres Anspruch auf jährlich 30 und nicht nur 29 Urlaubstage. Die an das Lebensalter anknüpfende Staffelung des tariflichen Urlaubsanspruchs sei eine Diskriminierung wegen des Alters. Die in der Tarifregelung enthaltene Ungleichbehandlung jüngerer Arbeitnehmer sei nicht durch § 10 AGG gerechtfertigt. Im Übrigen würden die gesundheitlichen Wirkungen zusätzlichen Urlaubs zur Vermeidung beispielsweise von Stresserscheinungen am Arbeitsplatz auch in der medizinischen Literatur kontrovers diskutiert.

5

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass ihr für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht.

6

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Diese sei bereits unzulässig, da das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO nötige Feststellungsinteresse fehle. Schließlich sei die Klage auch unbegründet. Die Altersstufenregelung des § 26 Abs. 1 TVöD sei durch einen sachlichen Grund nach § 10 AGG gerechtfertigt. Die Festlegung eines Mindestalters für die Gewährung von 30 Urlaubstagen pro Kalenderjahr stelle eine besondere Beschäftigungsbedingung zum Schutz älterer Beschäftigter bzw. eine Mindestanforderung an das Alter für einen mit der Beschäftigung verbundenen Vorteil dar, der zur Erreichung eines legitimen Ziels angemessen und erforderlich sei. Ältere Arbeitnehmer seien mit zunehmendem Alter aufgrund beruflicher Belastungen länger krank. Um diesen Umstand Rechnung zu tragen, hätten die Tarifvertragsparteien mit der Regelung in § 26 Abs. 1 TVöD auf das verstärkte Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer reagiert und deren Leistungsfähigkeit stärken wollen. Der Aspekt des Gesundheitsschutzes älterer Arbeitnehmer sei daher geeignet, die Ungleichbehandlung jüngerer Beschäftigter zu rechtfertigen. Schließlich würde auch eine Diskriminierung keine Angleichung „nach oben“ zur Folge haben.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die Wiederherstellung der stattgebenden Entscheidung des Arbeitsgerichts. Der Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

A. Die zulässige Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf die geltend gemachten Ersatzurlaubstage.

9

I. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Feststellungsklage zulässig ist. Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse daran, durch das Gericht feststellen zu lassen, ob ihr für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht ( § 256 Abs. 1 ZPO ). Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer den Umfang des ihm zustehenden Urlaubs gerichtlich festgestellt haben will, nicht entgegen (vgl. BAG 12. April 2011 - 9 AZR 80/10  - Rn. 13 bis 15, EzA BUrlG § 7 Nr. 123).

10

II. Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten für den ihr in den Jahren 2008 und 2009 jeweils verweigerten 30. Urlaubstag gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB Anspruch auf jeweils einen Tag Ersatzurlaub. Die Urlaubsstaffelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD verstößt gegen die §§ 1, 3 Abs. 1 AGG. Denn sie gewährt Beschäftigten, die das 30., aber noch nicht das 40. Lebensjahr vollendet haben, einen um einen Tag kürzeren Urlaub. Sie ist deshalb nach § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG iVm. § 134 BGB unwirksam. Dies hat zur Folge, dass die Klägerin auch vor der Vollendung ihres 40. Lebensjahres in jedem Kalenderjahr Anspruch auf 30 Urlaubstage hatte. Ihr steht für die Jahre 2008 und 2009 jeweils noch ein Tag Ersatzurlaub zu, weil der Beklagte ihr in diesen Jahren nur jeweils 29 Urlaubstage gewährte.

11

1. Nach § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD standen der am 27. Oktober 1971 geborenen Klägerin in den Jahren 2008 und 2009 jeweils 29 Urlaubstage zu. Erst nach dem vollendeten 40. Lebensjahr gewährt ihr diese Tarifregelung einen jährlichen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen. Diese an das Lebensalter anknüpfende Staffelung der Urlaubsdauer verstößt gegen das Verbot der Altersdiskriminierung in § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG. Sie ist als sachlich nicht nach den §§ 8, 10 AGG gerechtfertigte unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters gemäß § 7 Abs. 2 AGG iVm. § 134 BGB unwirksam. Zur Beseitigung dieser Diskriminierung ist eine Anpassung auf 30 Urlaubstage erforderlich.

12

2. Zutreffend haben die Vorinstanzen die Regelung in § 26 Abs. 1 TVöD am AGG gemessen. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG gelten die Diskriminierungsverbote der §§ 1, 7 AGG auch für die in kollektivrechtlichen Vereinbarungen geregelten Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen. Unter solchen Bedingungen sind alle Umstände zu verstehen, aufgrund derer und unter denen die Arbeitsleistung zu erbringen ist (vgl. BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 54, BAGE 132, 210). Zu den Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen gehört damit auch der Urlaub. Der Umstand, dass die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b TVöD bereits am 1. Januar 2006 und somit schon vor dem AGG vom 14. August 2006 in Kraft getreten ist, steht dem nicht entgegen. Die für die Jahre 2008 und 2009 geltend gemachte Benachteiligung durch § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD ist erst nach Inkrafttreten des AGG am 18. August 2006 eingetreten. Da § 33 Abs. 1 AGG insoweit keine Übergangsregelung enthält, findet dieses Gesetz auch dann Anwendung, wenn die Benachteiligung auf einem vor Inkrafttreten des AGG abgeschlossenen Tarifvertrag beruht. Es kommt allein auf den Zeitpunkt der Benachteiligungshandlung an (BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 33, BAGE 129, 72).

13

3. Die Urlaubsstaffelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD enthält eine auf dem Merkmal des Alters beruhende Ungleichbehandlung der Beschäftigten, die das 30. bzw. das 40. Lebensjahr nicht vollendet haben. Das ist eine unmittelbare Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer wegen des Alters iSv. § 3 Abs. 1 AGG.

14

a) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Beim Alter handelt es sich um einen in § 1 AGG genannten Grund, wobei unter Alter das Lebensalter zu verstehen ist. Dies folgt aus dem gesetzlichen Wortlaut und auch aus der Gesetzesbegründung ( BT-Drucks. 16/1780 S. 31; BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 49, BAGE 132, 210; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07  - Rn. 36, BAGE 129, 181). Der für eine unmittelbare Benachteiligung erforderliche Kausalzusammenhang ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere in § 1 AGG genannte Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 32; BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 50, aaO).

15

b) Diese Voraussetzung ist erfüllt. § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD sieht für Beschäftigte bei einer Fünftagewoche in jedem Kalenderjahr einen Urlaubsanspruch bis zum vollendeten 30. Lebensjahr in Höhe von 26 Arbeitstagen, bis zum vollendeten 40. Lebensjahr in Höhe von 29 Arbeitstagen und erst nach dem vollendeten 40. Lebensjahr in Höhe von 30 Arbeitstagen vor. Die Höhe des Urlaubsanspruchs nach § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD knüpft damit in allen Stufen unmittelbar an das Lebensalter der Beschäftigten an. Danach haben Beschäftigte wie die Klägerin, die zwar das 30. Lebensjahr, aber noch nicht das 40. Lebensjahr vollendet haben, in jedem Jahr nur Anspruch auf 29 statt auf 30 Urlaubstage. Sie werden ebenso wie die unter 30-Jährigen im Vergleich zu den Beschäftigten, die das 40. Lebensjahr vollendet haben, hinsichtlich der Höhe des Urlaubsanspruchs wegen ihres geringeren Alters ungünstiger behandelt.

16

4. Diese Ungleichbehandlung ist nicht gerechtfertigt.

17

a) Bei ihr handelt es sich nicht um eine nach § 8 AGG zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen. Die Urlaubsstaffel des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD knüpft nicht an die Art der auszuübenden Tätigkeit oder die Bedingungen ihrer Ausübung an. Sie stellt nicht auf die Art der auszuübenden Tätigkeit ab und beansprucht damit Geltung für alle dem TVöD unterfallenden Beschäftigten.

18

b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Ungleichbehandlung auch nicht nach § 10 AGG sachlich gerechtfertigt(so ebenfalls die herrschende Meinung in der Literatur, vgl. Linck/Schütz FS Leinemann, S. 181 f.; Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV Stand Januar 2012 E § 26 TVöD Rn. 22; AGG/Voigt 3. Aufl. § 10 Rn. 33; Meinel/Heyn/Herms AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 42b; Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 105; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdtle ZTR 2006, 622, 623 mwN; Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 478; vgl. ferner bereits zu § 48 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). § 10 Satz 1 AGG lässt eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters ungeachtet der Regelung des § 8 AGG zu, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Zudem müssen die Mittel zur Erreichung dieses Ziels nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist die an das Lebensalter anknüpfende Differenzierung in § 26 Abs. 1 TVöD nicht sachlich gerechtfertigt, weil sie einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung trägt und deren Gesundheit schützen will. Dabei kann dahinstehen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen das Ziel des Gesundheitsschutzes eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen würde. Die Tarifvorschrift verfolgt dieses Ziel schon nicht.

19

aa) Die Tarifvertragsparteien haben das mit der in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD geregelten Urlaubsstaffelung verfolgte Ziel nicht ausdrücklich genannt. Nennt eine Regelung oder Maßnahme kein Ziel, müssen zumindest aus dem Kontext abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter der Regelung oder der Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, um die Legitimität des Ziels sowie die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüfen zu können. Dabei können nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die sozialpolitischen Ziele als legitim angesehen werden, die im allgemeinen Interesse stehen. Derjenige, der eine Ungleichbehandlung vornimmt, muss den nationalen Gerichten in geeigneter Weise die Möglichkeit zur Prüfung einräumen, ob mit der Ungleichbehandlung ein Ziel angestrebt wird, das die Ungleichbehandlung unter Beachtung der Ziele der Richtlinie 2000/78/EG rechtfertigt (vgl. EuGH 5. März 2009 - C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 45 ff., Slg. 2009, I-1569; BAG 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08  - Rn. 36 ff., BAGE 131, 61). Denn das nationale Gericht hat zu prüfen, ob die Regelung oder Maßnahme ein rechtmäßiges Ziel iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgt. Gleiches gilt für die Frage, ob die Tarifvertragsparteien als Normgeber angesichts des vorhandenen Wertungsspielraums davon ausgehen durften, dass die gewählten Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich waren (vgl. EuGH 5. März 2009 -  C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 49 ff., aaO; vgl. auch BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 57, BAGE 132, 210).

20

bb) Die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD dient nicht dem Schutz älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. Diese gesetzliche Regelung konkretisiert das legitime Ziel, nämlich ua. die Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter, wobei dieser Schutz auch die Festlegung besonderer Arbeitsbedingungen einschließen kann. Aus einer tariflichen Urlaubsstaffelung, die - wie die in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD - den Beschäftigten bereits nach Vollendung des 30. Lebensjahres drei weitere Urlaubstage und dann nach Vollendung des 40. Lebensjahres letztmals einen zusätzlichen Urlaubstag gewährt, lässt sich nicht ableiten, dass die Tarifvertragsparteien einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollten und das Ziel verfolgten, den Schutz älterer Beschäftigter iSd. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG sicherzustellen. Wenn sich auch eine genaue Schwelle für die Zuordnung zu den älteren Arbeitnehmern weder dieser Regelung selbst noch Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG entnehmen lässt, so ist diese freilich an der Zielsetzung (vgl. zu dieser Däubler/Bertzbach/Brors 2. Aufl. § 10 Rn. 42) auszurichten. Einen arbeitsmarktpolitischen Zweck verfolgt zB § 417 Abs. 1 SGB III, wonach Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die das 50. Lebensjahr vollendet haben und ihre Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung beenden oder vermeiden, unter den in der Vorschrift genannten Voraussetzungen Anspruch auf Leistungen der Entgeltsicherung haben. Diese Regelung der Entgeltsicherung bezweckt, die Arbeitslosigkeit älterer Arbeitnehmer abzubauen und ihren Anteil an der erwerbstätigen Bevölkerung zu erhöhen (vgl. BT-Drucks. 17/1945 S. 17). Im Vergleich zu der in § 417 Abs. 1 SGB III genannten Altersgruppe setzt sich die durch die Urlaubsstaffel in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD begünstigte Beschäftigtengruppe, der ein Urlaubsanspruch von jährlich 30 Arbeitstagen eingeräumt wird, nicht ausnahmslos aus älteren Beschäftigten zusammen. Vielmehr gehören ihr alle Beschäftigten ab Vollendung des 40. Lebensjahres an. Der Senat hat bereits entschieden, dass ein Arbeitnehmer jedenfalls ab Vollendung des 31. Lebensjahres offensichtlich kein älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG ist(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 55, BAGE 132, 210).

21

cc) Ein legitimes Ziel iSd. § 10 AGG ergibt sich entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts auch nicht aus § 10 Satz 3 Nr. 2 AGG. Danach kann eine zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile einschließen. Diese Regelung bestimmt selbst kein legitimes Ziel, sondern beschreibt nur ein mögliches Mittel, mit der ein auf andere Weise zu legitimierendes Ziel gerechtfertigt werden kann (vgl. ErfK/Schlachter 12. Aufl. § 10 AGG Rn. 6), sofern es erforderlich und angemessen iSd. § 10 Satz 2 AGG ist.

22

dd) Die Tarifvertragsparteien verfolgen entgegen der Auffassung des Beklagten nicht das Ziel des Gesundheitsschutzes älterer Arbeitnehmer.

23

(1) Das mit der Urlaubsstaffelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD verfolgte Ziel lässt sich nicht mit ausreichender Deutlichkeit aus dem Wortlaut des § 26 TVöD entnehmen. § 26 TVöD normiert ausweislich seiner Überschrift den Erholungsurlaub. Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 TVöD haben Beschäftigte in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts. § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD legt die Dauer dieses Erholungsurlaubs fest. Der Begriff des Erholungsurlaubs wird dabei nicht näher definiert und ist dem BUrlG entlehnt, auf das § 26 Abs. 2 TVöD im Übrigen verweist. Der Erholungsurlaub nach dem BUrlG soll nach der Gesetzesbegründung dem sozialpolitischen Anliegen der Erhaltung und Wiederauffrischung der Arbeitskraft der Arbeitnehmer dienen (vgl. den schriftlichen Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit, BT-Drucks. IV/785; Begründung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Bundesurlaubsgesetzes, BT-Drucks. IV/207). Durch den Erholungsurlaub wird dem Arbeitnehmer die Möglichkeit gesichert, für eine bestimmte Dauer im Jahr, die ihm eingeräumte Freizeit zur selbstbestimmten Erholung zu nutzen (st. Rspr., vgl. BAG 20. Juni 2000 - 9 AZR 405/99 - zu II 2 b bb 1 der Gründe, BAGE 95, 104; 8. März 1984 - 6 AZR 600/82 - zu II 5 b der Gründe, BAGE 45, 184; ebenso st. Rspr. des EuGH zum Jahresurlaub nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG , EuGH 22. No-vember 2011 - C-214/10 - [KHS] Rn. 31, AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 6 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 7; 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06  - [Schultz-Hoff] Rn. 25, Slg. 2009, I-179). Wenn eine Tarifregelung die Urlaubsdauer nach dem Lebensalter staffelt, liegt die Annahme nahe, die Tarifvertragsparteien hätten einem mit zunehmendem Alter gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollen. Die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD rechtfertigt eine solche Annahme freilich nicht, sondern schließt sie aus.

24

(2) Das folgt bereits aus dem Inhalt der Regelung. Die Tarifvorschrift räumt den Beschäftigten schon ab dem 30. Lebensjahr drei weitere Urlaubstage ein. Dafür, dass die Tarifvertragsparteien von einem so deutlich gesteigertem Erholungsbedürfnis bereits nach der Vollendung des 30. Lebensjahres ausgegangen sind, fehlt jeder Anhaltspunkt. Gegen eine solche Annahme spricht auch, dass die Tarifvertragsparteien den Beschäftigten nach der Vollendung des 40. Lebensjahres letztmals nur einen weiteren Urlaubstag gewährt und davon abgesehen haben, ein gesteigertes Erholungsbedürfnis des Beschäftigten in der Zeit bis zum Erreichen des gesetzlich festgelegten Alters für den Bezug der Regelaltersrente (§ 33 Abs. 1 Buchst. a TVöD) zu berücksichtigen. Hätten die Tarifvertragsparteien ein gesteigertes Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter vor Augen gehabt, hätten sie nicht einem 30-Jährigen einen gegenüber einem 29-jährigen Beschäftigten um drei Tage längeren Urlaub gewährt, nach der Vollendung des 40. Lebensjahres des Beschäftigten eine wesentlich geringere Steigerung des Erholungsbedürfnisses angenommen und für die Zeit danach bis zum Erreichen des gesetzlich festgelegten Alters für den Bezug der Regelaltersrente ein zunehmendes Erholungsbedürfnis des Beschäftigten überhaupt nicht mehr berücksichtigt (vgl. Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 478). Auch das Schrifttum nimmt ganz überwiegend an, dass eine tarifliche Urlaubsstaffelung nicht schon auf die Vollendung des 30. bzw. des 40. Lebensjahres abstellen darf, wenn sie einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen will (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22; Tempelmann/Stenslik DStR 2011, 1183, 1186; Richter Benachteiligung wegen des Alters im Erwerbsleben S. 170; Meinel/Heyn/Herms § 10 Rn. 42b; AGG/Voigt § 10 Rn. 33; Hey AGG § 10 Rn. 28; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdle ZTR 2006, 622, 623; Linck/Schütz FS Leinemann S. 181 f.; Senne Auswirkungen des europäischen Verbots der Altersdiskriminierung auf das deutsche Arbeitsrecht S. 269; Bertelsmann ZESAR 2005, 242, 246). Selbst wenn die Erholungsbedürftigkeit von Arbeitnehmern mit zunehmendem Lebensalter steigen sollte (zweifelnd Däubler/Bertzbach/Brors § 10 Rn. 50; aA Waltermann NZA 2005, 1265, 1269), hätte es mit dem Schutz älterer Arbeitnehmer nichts zu tun, bereits mit dem 30. Lebensjahr eine erste Verlängerung des Urlaubsanspruchs um drei Tage und die zweite und zugleich letzte Verlängerung um einen weiteren Urlaubstag bereits mit Vollendung des 40. Lebensjahres vorzusehen (so auch Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22; Adomeit/Mohr § 10 Rn. 105; so bereits zu § 48 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). Es fehlt in beiden Stufen an dem erkennbaren Schutz Älterer. Die Verlängerung des Urlaubsanspruchs bereits mit dem vollendeten 30. Lebensjahr lässt sich kaum mit der Erhaltung der Leistungsfähigkeit Älterer begründen. Auch mit der Vollendung des 40. Lebensjahres hat ein Beschäftigter regelmäßig allenfalls die Mitte seines Erwerbsalters erreicht (vgl. auch Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). Hätten die Tarifvertragsparteien gemäß der Ansicht des Beklagten ein gesteigertes Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter berücksichtigen wollen, hätten sich die gewählten Altersgrenzen nicht an dem mit dem Alter zunehmenden Erholungsbedürfnis orientiert und wären willkürlich.

25

(3) Gerade dieser Umstand bestätigt, dass die Tarifvertragsparteien mit der Regelung in § 26 TVöD weder den Schutz der Gesundheit bezweckten noch einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollten. Hätten sie diese Ziele verfolgt, hätte es nahe gelegen, gerade für die älteren Beschäftigten, zB die Gruppe der über 50- oder über 60-jährigen Beschäftigten, die Dauer des Erholungsurlaubs zu verlängern. Bei dieser Personengruppe ist ein altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis eher nachvollziehbar. Ein solches Schutzbedürfnis für die über 50-Jährigen haben die Tarifvertragsparteien aber nur hinsichtlich der Beschränkung der Höchstdauer des Gesamturlaubs bei besonders belastenden Arbeiten (Schicht- und Wechselschicht) gesehen. Das folgt aus § 27 Abs. 4 Satz 4 TVöD. Danach erhöht sich ab diesem Lebensalter die maximal erreichbare Gesamturlaubsdauer von jährlich 35 auf 36 Arbeitstage.

26

(4) Die Tarifgeschichte bestätigt, dass die Tarifvertragsparteien mit der Urlaubsstaffel nicht einem mit dem Lebensalter steigenden Erholungsbedürfnis Rechnung tragen wollten. Bereits seit dem Inkrafttreten des BAT wurde die Urlaubsdauer an das Lebensalter geknüpft (§ 48 Abs. 1 BAT). Sie steigerte sich auch nach dem vollendeten 30. Lebensjahr und nach dem vollendeten 40. Lebensjahr. Innerhalb der Lebensaltersstufen verlängerte sich die Urlaubsdauer teilweise nach Vergütungsgruppen. Je höher der Angestellte eingruppiert war, je länger war sein Urlaubsanspruch. Dies zeigt, dass nicht der Erholungszweck maßgebend für die Urlaubsdauer sein sollte. Der Urlaub wurde vielmehr als Quasi-Gegenleistung für die Arbeitsleistung geregelt. Nur so lässt sich die normierte Abhängigkeit der Urlaubsdauer von der Vergütungsgruppe erklären. Es kann deshalb nicht angenommen werden, die Tarifvertragsparteien hätten bei Angestellten in höheren Vergütungsgruppen ein gesteigertes Erholungsbedürfnis ausgleichen wollen. Die Differenzierung resultiert vielmehr aus der überkommenen Auffassung, der Urlaub werde „verdient“.

27

5. Die Diskriminierung der Klägerin kann nur durch die Verpflichtung des Beklagten beseitigt werden, der Klägerin für die Jahre 2008 und 2009 jeweils einen Ersatzurlaubstag zu gewähren. Zwar folgt aus § 7 Abs. 2 AGG nur, dass die diskriminierende Regelung unwirksam ist. Auch wird vom Senat nicht verkannt, dass es sich bei § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD um ein Stufensystem handelt, sodass grundsätzlich keine Stufe als die von den Tarifvertragsparteien als „übliche“ Urlaubsdauer gewollte angesehen werden kann. Jedoch kann die Beseitigung der Diskriminierung vorliegend nur durch eine Anpassung „nach oben“ erfolgen.

28

a) Grundsätzlich ist es Aufgabe der Tarifvertragsparteien, eine benachteiligungsfreie Regelung zu treffen, wofür ihnen verschiedene Möglichkeiten zu Verfügung stehen. Doch scheidet eine Aussetzung des Rechtsstreits unter Fristsetzung zur Lückenschließung durch die Tarifvertragsparteien selbst von vornherein aus (aM Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 23). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind für den Fall, dass gesetzliche oder tarifvertragliche Regelungen eine mit der Richtlinie unvereinbare Diskriminierung vorsehen, die nationalen Gerichte gehalten, die Diskriminierung auf jede denkbare Weise und insbesondere dadurch auszuschließen, dass sie die Regelung für die nicht benachteiligte Gruppe auch auf die benachteiligte Gruppe anwenden, ohne die Beseitigung der Diskriminierung durch den Gesetzgeber, die Tarifvertragsparteien oder in anderer Weise abzuwarten (vgl. so bereits zur Richtlinie 76/207/EWG: EuGH 20. März 2003 - C-187/00 - [Kutz-Bauer] Rn. 75, Slg. 2003, I-2741). Auch nach Art. 9 Abs. 3 GG in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wäre eine Aussetzung grundsätzlich allenfalls zur Beseitigung einer Diskriminierung für die Zukunft geboten(vgl. BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 28, NZA 2012, 161). Vorliegend geht es jedoch um die Beseitigung einer Diskriminierung in der Vergangenheit.

29

b) Die Benachteiligung der Klägerin kann nicht auf andere Weise für die Jahre 2008 und 2009 ausgeschlossen werden. Ein Rückgriff auf den noch unterhalb der Eingangstufe des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD liegenden gesetzlichen Mindesturlaub gemäß den §§ 1, 3 BUrlG in Höhe von 20 Arbeitstagen bei einer Fünftagewoche ist hierzu nicht geeignet(aM Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 483; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand Februar 2012, § 26 Rn. 163.5). Der von den §§ 1, 7 AGG bzw. Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgte Zweck, Benachteiligungen zu verhindern oder zu beseitigen, würde nicht erreicht. Da diskriminierende Maßnahmen oder Vereinbarungen nicht hingenommen und ihre Fortwirkung nicht akzeptiert werden darf (vgl. ErfK/Schlachter § 7 AGG Rn. 5), ist auch nicht auf die Eingangsstufe des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD mit 26 Urlaubstagen abzustellen. Hätte die Klägerin nur Anspruch auf die erste Stufe der Urlaubsstaffel, fehlte es an einer Sanktion, die einen tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutz gewährt und abschreckende Wirkung hat (vgl. zu diesem Aspekt: BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 18 ff., NZA 2012, 161).

30

c) Hingegen ist eine Anpassung „nach oben“ zur Beseitigung einer Altersdiskriminierung im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gerechtfertigt, wenn auf andere Weise die Diskriminierung nicht behoben werden kann, weil der Arbeitgeber den Begünstigten für die Vergangenheit die Leistung nicht mehr entziehen kann (vgl. ausführlich: BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 20 ff., NZA 2012, 161). Dies ist vorliegend der Fall. Der den begünstigten Beschäftigten in den Jahren 2008 und 2009 gewährte Urlaub von jährlich 30 Arbeitstagen kann nicht rückwirkend auf 29 oder 26 Arbeitstage begrenzt werden. Die als Urlaub bereits gewährte Freizeit ist nicht kondizierbar.

31

d) Schließlich steht der Anpassung „nach oben“ auch nicht § 15 Abs. 3 AGG entgegen. Danach ist der Arbeitgeber bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fährlässig handelt. Diese Bestimmung bezieht sich allein auf die immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG(vgl. BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 38, NZA 2012, 161; ErfK/Schlachter § 15 AGG Rn. 13) und verhält sich nicht zur Beseitigung einer Diskriminierung durch eine den Diskriminierungsverboten genügende Regelung.

32

e) Der Beklagte kann auch keinen Vertrauensschutz in Anspruch nehmen. In den Jahren 2008 und 2009 galt bereits das am 18. August 2006 in Kraft getretene AGG. Dieses nimmt Dauerschuldverhältnisse und damit auch Arbeitsverhältnisse ebenso wenig wie Tarifverträge aus, die vor dem Inkrafttreten des AGG bereits abgeschlossen waren. Übergangsvorschriften oder Vertrauensschutzregelungen sind insoweit in § 33 AGG nicht vorgesehen. Gemäß § 1 AGG ist ua. Ziel dieses Gesetzes, Benachteiligungen aus Gründen des Alters nicht nur zu verhindern, sondern auch zu beseitigen. Die damit einhergehende unechte Rückwirkung ist zulässig. Der zeitliche Geltungsbereich wird je nach Lage der Verhältnisse im Einzelfall nur durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes beschränkt (vgl. so bereits zu § 81 Abs. 2 SGB IX aF: BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 38, BAGE 129, 72). Dies setzt jedoch in jedem Fall das Vorliegen eines schutzwürdigen Vertrauens voraus, das vorliegend nicht gegeben ist, selbst wenn man die Grundsätze zum Vertrauensschutz bei unechter Rückwirkung von Gesetzen anwendet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Grundsatz des Vertrauensschutzes nur dann verletzt, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (vgl. BVerfG 10. August 2006 - 2 BvR 563/05  - Rn. 14, BVerfGK 9, 28). Zum einen dient das AGG der Umsetzung von EU-Richtlinien zum Schutz vor Diskriminierung im Bereich Beschäftigung und Beruf und enthält insoweit insbesondere im Bereich der Altersdiskriminierung unionsrechtlich verankerte notwendige und bedeutende Regelungen. Zum anderen wäre ein Vertrauen in den Fortbestand der angewandten tarifvertraglichen Regelungen nicht schutzwürdig. Denn die Richtlinie 2000/78/EG wurde schon im Jahr 2000 erlassen und stellt in Art. 16 Buchst. b ausdrücklich klar, dass die Diskriminierungsverbote auch auf tarifvertragliche Bestimmungen Anwendung finden. Nach Art. 18 der Richtlinie 2000/78/EG war diese zudem spätestens zum 2. Dezember 2006 in nationales Recht umzusetzen. Der Beklagte musste ebenso wie die Tarifvertragsparteien damit rechnen, dass tarifvertragliche Regelungen auch am Verbot der Altersdiskriminierung gemessen werden. Deshalb konnte der Beklagte nicht darauf vertrauen, dass auch nach Inkrafttreten des AGG die Urlaubsstaffelregelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD zulässig war, zumal in der Gesetzesbegründung zum AGG die Anknüpfung an das bloße Lebensalter als Mindestgrenze für mit der Beschäftigung verbundener Vorteile nicht unkritisch gesehen wurde(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 36) und im Schrifttum nicht nur vereinzelt die Unwirksamkeit des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD wegen Verstoßes gegen das Verbot der Altersdiskriminierung angenommen wurde (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22 mwN; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdtle ZTR 2006, 622, 623 mwN; so bereits zu § 48 Abs. 1 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156).

33

6. Die Klägerin hat Anspruch auf Ersatzurlaub gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB. Die Resturlaubsansprüche für die Jahre 2008 und 2009 waren mangels Vorliegens eines Übertragungsgrundes nach § 26 Abs. 1 Satz 6 TVöD iVm. § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG zum 31. Dezember des jeweiligen Jahres verfallen. Diesen Untergang hat der Beklagte zu vertreten, weil er sich mit der Gewährung des Urlaubs in Verzug befand.

34

a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus Verzug gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB liegen vor. Die Klägerin hatte in den Jahren 2008 und 2009 Anspruch auf jeweils 30 Urlaubstage. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wandelt sich der Urlaubsanspruch in einen Schadensersatzanspruch um, der auf Gewährung von Ersatzurlaub als Naturalrestitution gerichtet ist, wenn der Arbeitgeber den rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt und der Urlaub aufgrund seiner Befristung verfällt ( BAG 11. April 2006 - 9 AZR 523/05  - Rn. 24, AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116).

35

b) Die Klägerin machte mit Schreiben vom 5. November 2008 unter der Überschrift „Geltendmachung von Urlaubsansprüchen“ Urlaub in Höhe von 30 Tagen nach dem TVöD geltend und bat zudem, den Urlaubsanspruch auch für die Zukunft entsprechend anzupassen. Dahingestellt bleiben kann, ob dies schon ein konkretes Verlangen beinhaltet hat, den Urlaub in den Jahren 2008 und 2009 zu gewähren. Nach der Rechtsprechung des Senats ist hierfür zumindest erforderlich, dass der Arbeitgeber nach den Grundsätzen des § 133 BGB davon ausgehen muss, der Arbeitnehmer wünsche ab einem bestimmten Zeitpunkt Erholungsurlaub(vgl. BAG 17. November 2009 - 9 AZR 745/08 - Rn. 45; 11. April 2006 -  9 AZR 523/05  - Rn. 28, AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116). Maßgebend ist, dass der Beklagte mit Schreiben vom 28. November 2008 erklärt hat, er lehne den Antrag auf Verlängerung des Urlaubs „auf 30 Tage vor Erreichen des 41. Lebensjahres“ ab, weil der Klägerin nach dem für ihn verbindlichen § 26 Abs. 1 TVöD derzeit nur 29 Urlaubstage zustünden. Aus objektiver Empfängersicht lag darin eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung des Beklagten als Schuldner des Urlaubsanspruchs, die gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine Mahnung der Klägerin entbehrlich machte(vgl. BAG 31. Januar 1991 - 8 AZR 462/89  - zu II der Gründe). Denn der Beklagte gab mit diesem Schreiben vor Ablauf des Urlaubsjahres 2008 klar zu erkennen, dass er nicht bereit sei, im laufenden Jahr mehr als 29 Tage Urlaub zu gewähren. Hinsichtlich des weiteren Urlaubstags für das Jahr 2009 folgt der Verzug des Beklagten zudem daraus, dass er jedenfalls mit dem Antrag auf Klageabweisung vom 24. April 2009 und somit vor Ablauf des Urlaubsjahres 2009 zu erkennen gegeben hat, den weiteren Urlaubstag auch im Jahr 2009 nicht gewähren zu wollen. Darin lag ebenso seine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung als Schuldner des Urlaubsanspruchs, die gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine Mahnung der Klägerin ebenfalls entbehrlich machte(vgl. BAG 17. Mai 2011 - 9 AZR 197/10 - Rn. 14, EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 138; 31. Januar 1991 - 8 AZR 462/89  - zu II der Gründe).

36

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

        

        

    Preuß    

        

    Neumann-Redlin    

        

        

Tenor

1. Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. September 2008 - 20 Sa 2244/07 - wird zurückgewiesen.

2. Das beklagte Land hat die Kosten der Revision einschließlich des Zwischenstreits vor dem Gerichtshof der Europäischen Union zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, welche Lebensaltersstufe der Berechnung der tariflichen Vergütung des Klägers zugrunde zu legen ist.

2

Der 1967 geborene Kläger war vom 16. März 1998 bis zum 31. März 2009 beim beklagten Land als Angestellter beschäftigt. Im Arbeitsvertrag war vereinbart, dass auf das Arbeitsverhältnis die für das beklagte Land geltenden Tarifverträge Anwendung finden. Am 31. Juli 2003 schloss das beklagte Land mit mehreren Gewerkschaften den Tarifvertrag zur Anwendung von Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes (Anwendungs-TV). Dieser Tarifvertrag regelt ua., dass sich die Arbeitsverhältnisse der beim beklagten Land beschäftigten Angestellten mit bestimmten Maßgaben nach den Vorschriften des Bundes-Angestelltentarifvertrags (BAT) vom 23. Februar 1961 in der Fassung vom 31. Januar 2003 und den Anlagen zum Vergütungstarifvertrag Nr. 35 zum BAT für den Bereich des Bundes und für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) vom 31. Januar 2003 richten.

3

Das beklagte Land hat mit den verschiedenen Gewerkschaften ver.di, GEW, GdP und IG Bau am 12. März 2010 eine Eckpunktevereinbarung getroffen. In Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 dieser Vereinbarung ist geregelt, dass grundsätzlich das Tarifrecht der TdL in dynamischer Form mit Wirkung zum 1. April 2010 übernommen wird.

4

In Nr. 8 der Eckpunktevereinbarung heißt es:

        

„8.     

Es besteht Einvernehmen, dass die Überleitung in den TV-L entsprechend der nach dem BAT/BAT-O maßgeblichen Lebensaltersstufe, die im Einzelfall erreicht war, erfolgt. Der Schutz dieses bestehenden, auf den bisherigen individuellen Lebensaltersstufen basierenden Besitzstandes wird durch die Anknüpfung der Überleitungsregelungen an das Vergleichsentgelt gem. § 5 TVÜ-Länder geregelt. Die Tarifvertragsparteien sind sich - unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das laufende Revisionsverfahren vor dem BAG - 6 AZR 148/09 - darüber einig, kollektiv eine verbindliche Regelung für das Überleitungs- und Übergangsrecht zu treffen.

                 

Etwaige Rechtsfolgen, die ggf. bis zum 31.03.2010 aus der Rechtsprechung zu ziehen wären, werden von den Überleitungsregelungen nicht betroffen und bleiben unberührt.“

5

Der Kläger hat mit seiner dem beklagten Land am 8. Februar 2007 zugestellten Klage vom 25. Januar 2007 ua. verlangt, dass er ab dem 1. September 2006 in die Vergütungsgruppe I a BAT, Lebensaltersstufe 47, eingeordnet wird. Er hat die Auffassung vertreten, die Staffelung der Grundvergütung nach Lebensaltersstufen stelle eine nicht zulässige Benachteiligung wegen des Alters dar.

6

Der Kläger hat, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, vor dem Landesarbeitsgericht beantragt festzustellen,

        

dass das beklagte Land verpflichtet ist, ihn ab dem 1. September 2006 gemäß der Vergütungsgruppe I a BAT in Verbindung mit dem Tarifvertrag zur Anwendung von Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes (Anwendungs-Tarifvertrag Land Berlin vom 21. Juni 2003) entsprechend der Lebensaltersstufe 47 zu vergüten.

7

Das beklagte Land hat zu seinem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, die Bemessung der Grundvergütungen in den Vergütungsgruppen des BAT nach Lebensaltersstufen stelle keine unmittelbare Benachteiligung des Klägers wegen des Alters dar. Die Grundvergütung knüpfe nicht in erster Linie an das Lebensalter, sondern an die Berufserfahrung an. Eine etwaige Benachteiligung sei deshalb jedenfalls gerechtfertigt. Selbst wenn eine nichtgerechtfertigte Benachteiligung wegen des Alters anzunehmen wäre, müsste ihm jedenfalls Vertrauensschutz gewährt werden. Es dürfe keine Anpassung „nach oben“ erfolgen und dem Kläger nicht das Endgrundgehalt seiner Vergütungsgruppe zugesprochen werden. Eine Zahlung des jeweiligen Endgrundgehalts an alle bei ihm beschäftigten Angestellten (Anpassung „nach oben“) würde ohne Berücksichtigung der Zuschussempfänger einschließlich der Lohnnebenkosten zu Mehrkosten von jährlich ca. 28 Millionen Euro führen. Bei einem Vergütungsaufwand für die Angestellten im unmittelbaren Berliner Landesdienst von jährlich 1,566 Milliarden Euro machten die Mehrkosten damit ca. 1,8 vH aus. Es liege auf der Hand, dass eine „Tariflohnerhöhung“ dieses Ausmaßes einen eklatanten Eingriff in die Tarifautonomie darstellen würde.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und der Klage stattgegeben, soweit der Kläger die Verpflichtung des beklagten Landes festgestellt haben wollte, ihn nach Maßgabe des Anwendungs-TV unter Zugrundelegung der Lebensaltersstufe 47 der Vergütungsgruppe I a BAT zu vergüten. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt das beklagte Land die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Der Kläger beantragt, die Revision des beklagten Landes zurückzuweisen. Der Senat hat mit Beschluss vom 20. Mai 2010 - 6 AZR 148/09 (A) - das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV folgende Frage vorgelegt:

        

Verstößt eine tarifliche Entgeltregelung für die Angestellten im öffentlichen Dienst, die wie § 27 Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) in Verbindung mit dem Vergütungstarifvertrag Nr. 35 zum BAT die Grundvergütungen in den einzelnen Vergütungsgruppen nach Lebensaltersstufen bemisst, auch unter Berücksichtigung des primärrechtlich gewährleisteten Rechts der Tarifvertragsparteien auf Kollektivverhandlungen (jetzt Art. 28 GRC) gegen das primärrechtliche Verbot der Diskriminierung wegen des Alters (jetzt Art. 21 Abs. 1 GRC) in seiner Konkretisierung durch die Richtlinie 2000/78/EG?

9

Nach der Entscheidung der Zweiten Kammer des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 8. September 2011 (- C-298/10 -) über die Vorlagefrage haben die Parteien in der Revisionsverhandlung am 10. November 2011 die Hauptsache hinsichtlich des noch streitbefangenen Feststellungsantrags für erledigt erklärt, soweit sich der Antrag auf die Zeit nach dem 31. März 2009 erstreckte.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision des beklagten Landes ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Dem Kläger steht für die Monate September 2006 bis März 2009 die beanspruchte Vergütung nach der Vergütungsgruppe I a BAT unter Zugrundelegung der Lebensaltersstufe 47 nach Maßgabe des Anwendungs-TV zu.

11

I. Die Feststellungsklage ist zulässig. Trotz des Vergangenheitsbezugs der Feststellungsklage liegt das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse vor. Der verlangte Gegenwartsbezug wird dadurch hergestellt, dass der Kläger die Erfüllung konkreter Vergütungsansprüche aus einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum und damit einen gegenwärtigen rechtlichen Vorteil erstrebt. Das angestrebte Feststellungsurteil ist geeignet, den Konflikt der Parteien endgültig beizulegen und weitere Prozesse zwischen ihnen zu vermeiden. Es kann vom beklagten Land als Körperschaft des öffentlichen Rechts erwartet werden, dass es einem stattgebenden Feststellungsurteil nachkommen wird und dem Kläger die Endgrundvergütung seiner Vergütungsgruppe zahlt (vgl. BAG 21. Januar 2010 - 6 AZR 449/09 - Rn. 14 mwN, AP BGB § 611 Dienstordnungs-Angestellte Nr. 78 = EzTöD 100 TVöD-AT § 2 Dienstordnungs-Angestellte Nr. 3).

12

II. Das beklagte Land ist aufgrund der Vereinbarung im Arbeitsvertrag, wonach auf das Arbeitsverhältnis die für das beklagte Land geltenden Tarifverträge Anwendung finden, verpflichtet, dem Kläger für die Monate September 2006 bis März 2009 Vergütung gemäß der Vergütungsgruppe I a BAT, Lebensaltersstufe 47, nach Maßgabe des Anwendungs-TV zu zahlen. Nur so kann die Diskriminierung des Klägers beseitigt werden.

13

1. Mit der Entscheidung der Zweiten Kammer des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 8. September 2011 (- C-297/10 und C-298/10 - NZA 2011, 1100) über die Vorlagefrage des Senats ist geklärt, dass die in § 27 Abschn. A BAT angeordnete Bemessung der Grundvergütungen in den Vergütungsgruppen des BAT nach Lebensaltersstufen gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters, das in Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union(GRC) vom 12. Dezember 2007 verankert und durch die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (RL 2000/78) konkretisiert worden ist, verstößt und eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters im Sinne von Art. 2 RL 2000/78 darstellt, die nicht nach Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78 gerechtfertigt ist. Damit ist nur noch darüber zu entscheiden, auf welche Art und Weise der Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot zu beseitigen ist.

14

2. Dem Kläger steht aufgrund der Unwirksamkeit der in § 27 Abschn. A BAT angeordneten Bemessung der Grundvergütungen in den Vergütungsgruppen des BAT nach Lebensaltersstufen nicht nur in entsprechender Anwendung von § 612 Abs. 2 BGB die übliche Vergütung zu(Henssler/Tillmanns FS Rolf Birk S. 179, 193; Meinel/Heyn/Herms AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 45c). Bei einer arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf ein unwirksames tarifliches Vergütungssystem kommt zwar in Betracht, in entsprechender Anwendung von § 612 Abs. 2 BGB auf die übliche Vergütung abzustellen(vgl. Behrendt/Gaumann/Liebermann ZTR 2009, 614, 620 f.). Betrifft die Nichtigkeit allein die Vergütungsvereinbarung, fingiert § 612 Abs. 1 BGB die Vergütungsvereinbarung, während sich die Höhe der Vergütung nach § 612 Abs. 2 BGB bestimmt(MünchKommBGB/Müller-Glöge 5. Aufl. § 612 Rn. 7). Jedoch würde dadurch, dass dem Kläger die übliche Vergütung gezahlt wird, die Diskriminierung des Klägers wegen seines Alters nicht beseitigt. Die Diskriminierung eines Arbeitnehmers wegen seines Alters wird noch nicht dadurch aufgehoben, dass ihm die übliche Vergütung gezahlt wird. Diese könnte sogar niedriger sein als das Arbeitsentgelt, das der aufgrund seines Alters diskriminierte Arbeitnehmer bisher erhalten hat. Zur Beseitigung der Benachteiligung ist vielmehr erforderlich, dass der Arbeitnehmer die Vergütung erhält, die sein Arbeitgeber den nicht wegen ihres Alters diskriminierten Arbeitnehmern gezahlt hat.

15

3. Allerdings ist dem beklagten Land einzuräumen, dass mit dem Urteil der Zweiten Kammer des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 8. September 2011 in den verbundenen Rechtssachen - C-297/10 und C-298/10 - (NZA 2011, 1100) nur geklärt ist, dass die in § 27 Abschn. A BAT angeordnete Bemessung der Grundvergütungen in den Vergütungsgruppen des BAT nach Lebensaltersstufen unwirksam ist, jedoch noch nicht entschieden ist, ob der Verstoß gegen das primärrechtliche Verbot der Ungleichbehandlung wegen des Alters nur durch eine Anpassung „nach oben“ oder auch auf andere Art und Weise beseitigt werden kann.

16

a) Wenngleich überwiegend bei einem Verstoß eines tarifvertraglichen Vergütungssystems gegen das primärrechtliche Verbot der Ungleichbehandlung wegen des Alters eine Anpassung „nach oben“ befürwortet wird und diese Anpassung auch der allgemeinen Systematik entspricht (vgl. Henssler/Tillmanns FS Rolf Birk S. 179, 187; Meinel/Heyn/Herms AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 45c; Schleusener/Suckow/Voigt AGG/Schleusener 3. Aufl. § 7 Rn. 52 mwN), besteht doch keine völlige Einigkeit, wie der Verstoß des Vergütungssystems des BAT gegen das Diskriminierungsverbot zu beheben ist. Dies ist der Besonderheit geschuldet, dass nicht einzelne Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen von einer Leistung des Arbeitgebers ausgenommen und dadurch benachteiligt werden, sondern ein tarifliches Vergütungssystem insgesamt gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam ist und dies zu einem Regelungsvakuum führt(vgl. Lingemann/Gotham NZA 2007, 663, 667; Kamanabrou ZfA 2006, 327, 333).

17

aa) So wird im Schrifttum die Auffassung vertreten, das Dogma einer generellen Anpassung „nach oben“ hätte absurde praktische Konsequenzen (Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 7 Rn. 29). Auch soll das Anfangsgrundgehalt in den Vergütungsgruppen des BAT die Regelleistung sein, von der Stufe für Stufe gleichheitswidrige Ausnahmen vorgesehen werden (Krebber EuZA 2009, 200, 213). Dies soll zur Folge haben, dass sich der Anspruch aller Angestellten auf diese Regelleistung beschränkt, wenn die Tarifvertragsparteien nicht innerhalb einer ihnen einzuräumenden Übergangsfrist die diskriminierenden Regelungen ersetzen.

18

bb) Die Annahme, die Anfangsgrundvergütung sei die Regelleistung, überzeugt jedoch nicht. Die Bemessung der Grundvergütungen in den Vergütungsgruppen des BAT nach Lebensaltersstufen ist nach § 27 Abschn. A Abs. 1 BAT die Regel. Die höheren Grundvergütungen werden nicht nur „ausnahmsweise“ gezahlt. Vielmehr ist dies bei der Anfangsgrundvergütung der Fall. Im Übrigen wird Angestellten nie die Anfangsgrundvergütung gezahlt, wenn sie bei ihrer Einstellung bereits das 23. bzw. 25. Lebensjahr vollendet haben. Hinzu kommt, dass nach Art. 16 Buchst. b RL 2000/78 die verbotswidrigen Regelungen entweder für nichtig erklärt werden müssen oder erklärt werden können oder sichergestellt werden muss, dass sie geändert werden. Hätten alle Angestellten nur Anspruch auf die Anfangsgrundvergütung ihrer Vergütungsgruppe, wenn die Tarifvertragsparteien keine diskriminierungsfreie Regelung treffen, fehlte es an einer Sanktion, die einen tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutz gewährt und abschreckende Wirkung hat (vgl. Kamanabrou ZfA 2006, 327, 330; Henssler/Tillmanns FS Rolf Birk S. 179, 191).

19

b) Die Ungleichbehandlung kann nur durch eine Anpassung „nach oben“ beseitigt werden.

20

aa) Stellt das Bundesverfassungsgericht einen Gleichheitsverstoß fest, hat der Gesetzgeber in der Regel mehrere Möglichkeiten, diesen zu beheben. Das Bundesverfassungsgericht überlässt ihm aus kompetenzrechtlichen Gründen deshalb grundsätzlich die Entscheidung, in welcher Weise er den Anforderungen des Gleichheitssatzes genügen will, sieht regelmäßig vom Nichtigkeitsausspruch ab und beschränkt sich auf eine Unvereinbarkeitserklärung (ErfK/Schmidt 11. Aufl. Art. 3 GG Rn. 52). Bei gleichheitswidrigen Tarifverträgen haben die Gerichte für Arbeitssachen zwar die Verwerfungskompetenz, auch hier stellt sich jedoch die Frage, ob die Entscheidung, auf welche Art und Weise die Benachteiligung beseitigt wird, aufgrund der Gewährleistung der Tarifautonomie des Art. 9 Abs. 3 GG den Tarifvertragsparteien obliegt oder ob die Gerichte für Arbeitssachen eine Anpassung „nach oben“ vornehmen dürfen, indem sie die für die Bessergestellten geltenden Tarifbestimmungen auf die Benachteiligten erstrecken(Wiedemann/Peters RdA 1997, 100, 107). Eine Anpassung „nach oben“ für die Vergangenheit ist bisher grundsätzlich nur bei Nichtigkeit einer Ausnahmeregelung erfolgt, wenn nach dem Regelungstatbestand unter Berücksichtigung der Zusatzbelastung des Arbeitgebers anzunehmen war, dass die Tarifvertragsparteien die Regelung auch mit erweitertem Anwendungsbereich getroffen hätten (vgl. BAG 7. März 1995 - 3 AZR 282/94 - BAGE 79, 236), oder die Benachteiligung für die Vergangenheit nur durch eine Anpassung „nach oben“ beseitigt werden konnte (vgl. BAG 22. April 2010 - 6 AZR 966/08 - Rn. 43, AP GG Art. 3 Nr. 322 = EzTöD 320 TVÜ-VKA § 5 Abs. 2 Ortszuschlag Nr. 20; 18. März 2010 - 6 AZR 156/09 - Rn. 54, BAGE 133, 354; 18. März 2010 - 6 AZR 434/07 - Rn. 58, AP GG Art. 3 Nr. 321 = EzTöD 100 TVöD-AT § 2 Diskriminierung sexuelle Orientierung Nr. 1; 18. Dezember 2008 - 6 AZR 287/07 - Rn. 37, BAGE 129, 93; 13. November 1985 - 4 AZR 234/84 - BAGE 50, 137). Im Urteil vom 28. Mai 1996 (- 3 AZR 752/95 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr. 143 = EzA GG Art. 3 Nr. 55) hat der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts angenommen, dass die benachteiligten Arbeitnehmer für zurückliegende Zeiten einen Anspruch auf den ihnen vorenthaltenen Zuschuss haben, wenn der Arbeitgeber nicht sichergestellt hat, dass seine Rückforderungsansprüche gegen diejenigen Arbeitnehmer, denen er den Zuschuss gewährt hat, nicht verfallen und wenn ihm bewusst war, dass die Zuschussregelung möglicherweise insgesamt unwirksam ist.

21

bb) Für die Zeit bis zum 31. März 2010 ist eine Angleichung „nach oben“ schon deshalb gerechtfertigt, weil der Anspruch auf ein höheres Grundgehalt den älteren Angestellten nicht rückwirkend entzogen werden kann, so dass nur diese Möglichkeit besteht (vgl. Wank FS Wißmann S. 599, 617; Kittner/Däubler/Zwanziger/Zwanziger KSchR 8. Aufl. Art. 3 GG Rn. 35).

22

(1) Das beklagte Land wäre bereits aufgrund der tariflichen sechsmonatigen Ausschlussfrist des § 70 BAT bzw. des § 37 Abs. 1 Satz 1 TV-L gehindert, bereits verfallene Gehaltsrückforderungsansprüche gegenüber älteren Angestellten mit Erfolg geltend zu machen.

23

(2) Auch soweit die tarifliche Ausschlussfrist nicht entgegensteht, muss die Beseitigung von in der Vergangenheit liegenden Folgen der Benachteiligung das Vertrauen der älteren Angestellten auf die Wirksamkeit des Vergütungssystems des BAT schützen (Schlachter FS Schaub S. 651, 662). Die Normunterworfenen und damit auch die älteren Angestellten dürfen grundsätzlich auf den Fortbestand der tariflichen Ordnung vertrauen. Nur so kann der Tarifvertrag seiner Aufgabe gerecht werden und den Individualparteien beiderseits Planungssicherheit gewähren (Däubler/Deinert TVG 2. Aufl. § 4 Rn. 35). In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist deshalb anerkannt, dass die Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien zur rückwirkenden Änderung tarifvertraglicher Regelungen durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes der Normunterworfenen begrenzt ist (BAG 23. November 1994 - 4 AZR 879/93 - BAGE 78, 309; 18. März 2010 - 6 AZR 434/07 - Rn. 58, AP GG Art. 3 Nr. 321 = EzTöD 100 TVöD-AT § 2 Diskriminierung sexuelle Orientierung Nr. 1). Jedenfalls vor Bekanntwerden des Vorlagebeschlusses des Senats mussten ältere Angestellte nicht davon ausgehen, dass ihre Grundvergütung rückwirkend neu berechnet wird und sie eine niedrigere Vergütung erhalten. Deshalb hilft dem beklagten Land auch sein Hinweis nicht weiter, die nachträgliche Regelungslücke sei im Rahmen einer ergänzenden Auslegung in Anlehnung an die entsprechenden Regelungen im TV-L und TVöD durch eine pauschalierte Berücksichtigung der Berufserfahrung in Form von Dienstaltersstufen zu schließen.

24

cc) Entscheidend kommt hinzu, dass das beklagte Land und die Gewerkschaften ver.di, GEW, GdP und IG Bau weder für die Zeit vor dem 1. April 2010 eine vom Vergütungssystem des BAT abweichende, dem Verbot der Diskriminierung wegen des Alters gerecht werdende Regelung rückwirkend getroffen haben noch bereit sind, eine solche rückwirkende Ersatzregelung zu vereinbaren.

25

(1) In Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 der Eckpunktevereinbarung vom 12. März 2010 ist geregelt, dass das Vergütungssystem des BAT ersetzt wird und grundsätzlich das Tarifrecht der anderen Länder in dynamischer Form mit Wirkung ab dem 1. April 2010 übernommen wird. In Nr. 8 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 der Eckpunktevereinbarung vom 12. März 2010 haben das beklagte Land und die Gewerkschaften ver.di, GEW, GdP und IG Bau festgehalten, dass Einvernehmen besteht, dass die Überleitung in den TV-L entsprechend der nach dem BAT/BAT-O maßgeblichen Lebensaltersstufe, die im Einzelfall erreicht war, erfolgt und dass der Schutz dieses bestehenden, auf den bisherigen individuellen Lebensaltersstufen basierenden Besitzstandes durch die Anknüpfung der Überleitungsregelungen an das Vergleichsentgelt gemäß § 5 TVÜ-Länder geregelt wird. Gemäß Nr. 8 Abs. 1 Satz 3 der Eckpunktevereinbarung vom 12. März 2010 waren sich die Tarifvertragsparteien unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das vorliegende Revisionsverfahren darüber einig, kollektiv eine verbindliche Regelung für das Überleitungs- und Übergangsrecht zu treffen. Etwaige Rechtsfolgen, die gegebenenfalls bis zum 31. März 2010 aus der Rechtsprechung zu ziehen wären, werden nach Nr. 8 Abs. 2 der Eckpunktevereinbarung vom 12. März 2010 von den Überleitungsregelungen nicht betroffen und bleiben unberührt. Dies zeigt, dass die Tarifvertragsparteien eine abschließende Regelung treffen wollten und nicht bereit sind, das vor dem 1. April 2010 bestehende Vergütungssystem rückwirkend zu ändern oder durch ein anderes Vergütungssystem zu ersetzen oder den Zeitpunkt der grundsätzlichen Übernahme des Tarifrechts der TdL ab dem 1. April 2010 vorzuverlegen. Dies hätte nämlich zur Folge, dass die Überleitung nicht mehr entsprechend den nach dem BAT maßgeblichen Lebensaltersstufen erfolgen könnte, sondern die Vergleichsentgelte neu ermittelt werden müssten. Bei einer Vorverlegung des Überleitungszeitpunkts könnten bei der Ermittlung des Vergleichsentgelts nicht mehr in Anknüpfung an die Regelung in § 5 TVÜ-Länder die den Beschäftigten im März 2010 zustehenden Bezüge nebst den ehegattenbezogenen Entgeltbestandteilen zugrunde gelegt werden. Wenn die Tarifvertragsparteien im Falle einer Unwirksamkeit des auf Lebensaltersstufen abstellenden Vergütungssystems des BAT an den am 1. April 2010 von ihnen in Kraft gesetzten Entgeltregelungen nicht hätten festhalten wollen, hätten sie in Nr. 8 Abs. 1 Satz 3 der Eckpunktevereinbarung vom 12. März 2010 nicht unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das laufende Revisionsverfahren vor dem Bundesarbeitsgericht - 6 AZR 148/09 - formulieren dürfen, dass sie sich darüber einig sind, kollektiv eine verbindliche Regelung für das Überleitungs- und Übergangsrecht zu treffen. Diese von den Tarifvertragsparteien bekundete Einigkeit hindert die Annahme, die Tarifvertragsparteien würden für die Zeit bis zum 31. März 2010 ein neues Vergütungssystem vereinbaren, das nicht gegen das primärrechtliche Verbot der Ungleichbehandlung wegen des Alters verstößt, sondern eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a RL 2000/78 vermeidet.

26

(2) Den Tarifvertragsparteien darf auch nicht unterstellt werden, dass sie nicht vor Augen hatten, dass sie durch eine rückwirkende tarifliche Regelung eine Beseitigung der Diskriminierung nur erreichen können, wenn sie entweder alle Beschäftigten der jeweils höchsten Lebensaltersstufe ihrer Vergütungsgruppe zuordnen oder die Grundvergütungen der den höchsten Lebensaltersstufen zugeordneten Beschäftigten vermindern. Letztere Möglichkeit schied aber aufgrund des auch von Tarifvertragsparteien zu achtenden Vertrauensschutzes aus.

27

(3) Aufgrund des übereinstimmenden, eindeutigen Willens der Tarifvertragsparteien, unabhängig von der Wirksamkeit des Vergütungssystems des BAT keine Ersatzregelung zu treffen, überzeugt das Argument nicht, eine Ersatzregelung für die Zeit bis zum 31. März 2010 sei den Tarifvertragsparteien vorbehalten. Korrekturen des Tarifrechts durch den Senat für die Zeit vor dem 1. April 2010 bedeuten angesichts des in Nr. 8 der Eckpunktevereinbarung vom 12. März 2010 deutlich zum Ausdruck gekommenen Willens der Tarifvertragsparteien, keine tarifliche Ersatzregelung für die Vergangenheit mehr zu treffen, keinen unzulässigen Eingriff in die Tarifautonomie. Ein solcher Eingriff setzt voraus, dass die Tarifvertragsparteien bereit sind, eine unwirksame tarifliche Regelung durch eine wirksame zu ersetzten. Ein solcher Wille der Tarifvertragsparteien fehlt für die Zeit vor dem 1. April 2010 und damit auch für den Klagezeitraum. Der gegenteilige Wille der Tarifvertragsparteien ist zu achten. Die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie beinhaltet auch das Recht der Tarifvertragsparteien, von einer tariflichen Regelung abzusehen, wenn sie dies für angemessen halten. Könnten die Tarifvertragsparteien zum Abschluss von Tarifverträgen gezwungen werden, wäre dies mit der Tarifautonomie nicht zu vereinbaren. Erfolgt aber keine kollektivrechtliche Neuregelung, findet regelmäßig eine Angleichung „nach oben“ statt (Erman/Belling BGB 13. Aufl. § 7 AGG Rn. 7).

28

(4) Deshalb trägt auch das Argument nicht, der Gesetzgeber habe bewusst von der im Entwurf für die Regelung in § 7 Abs. 2 AGG vorgesehenen Bestimmung zur ergänzenden Auslegung unwirksamer kollektivrechtlicher Regelungen abgesehen und sich damit dafür entschieden, der besonderen Rechtsstellung der Tarifvertragsparteien im Rahmen von § 7 Abs. 2 AGG Rechnung zu tragen. Im Übrigen könnte Art. 9 Abs. 3 GG in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz grundsätzlich nur dann eine befristete Aussetzung gebieten, um den Tarifvertragsparteien den Vortritt zu lassen, damit diese regeln können, auf welche Art und Weise die Diskriminierung beseitigt werden soll, wenn es um die Beseitigung der Diskriminierung für die Zukunft geht(vgl. ErfK/Schmidt 11. Aufl. Art. 3 GG Rn. 58 f.; Kamanabrou ZfA 2006, 327, 332; Wank FS Wißmann S. 599, 617; Schlachter FS Schaub S. 651, 668 ff.; Wiedemann/Peters RdA 1997, 100, 107).

29

(5) Im Hinblick auf den aus Nr. 8 der Eckpunktevereinbarung vom 12. März 2010 erkennbaren gegenteiligen Willen der Tarifvertragsparteien kann der Senat ebenso wenig statt der Anpassung „nach oben“ als mildere Maßnahme die Überleitung der Beschäftigten „vorziehen“, indem er bis zum 31. März 2010 das Vergütungssystem des TV-L unter Besitzstandswahrung anwendet. Es geht hier nicht um die Überleitung in ein diskriminierungsfreies System - diese haben die Tarifvertragsparteien mit der Übernahme des Tarifrechts der TdL geregelt -, sondern um die Beseitigung der Diskriminierung innerhalb eines diskriminierenden Systems.

30

dd) Für eine Anpassung „nach oben“ für die Vergangenheit spricht auch, dass eine solche Anpassung mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Benachteiligung beim Entgelt im Einklang steht.

31

(1) Nach der bisherigen Entscheidungspraxis des Gerichtshofs der Europäischen Union kann man davon ausgehen, dass sich im Falle einer Diskriminierung die Unwirksamkeit nur auf die benachteiligenden Regelungen bezieht (vgl. Henssler/Tillmanns FS Rolf Birk S. 179, 188). Im Urteil vom 7. Februar 1991 (- C-184/89 - [Nimz] Slg. 1991, I-297) hat der Gerichtshof der Europäischen Union angenommen, dass im Falle einer mittelbaren Diskriminierung durch eine Bestimmung eines Tarifvertrags das nationale Gericht verpflichtet ist, diese Bestimmung - ohne dass es ihre vorherige Beseitigung durch Tarifverhandlungen oder auf anderen Wegen beantragen oder abwarten müsste - außer Acht zu lassen und auf die Angehörigen der durch diese Diskriminierung benachteiligten Gruppe die gleiche Regelung wie auf die übrigen Arbeitnehmer anzuwenden, wobei diese Regelung, „solange Art. 119 EWG-Vertrag im nationalen Recht nicht ordnungsgemäß durchgeführt ist, das einzig gültige Bezugssystem bleibt“(vgl. dazu Wiedemann NZA 2007, 950, 951). An diesem Grundsatz hat der Gerichshof der Europäischen Union ua. im Urteil vom 26. Januar 1999 (- C-18/95 - [Terhoeve] Slg. 1999, I-345) ausdrücklich festgehalten und er hat jüngst im Urteil vom 22. Juni 2011 (- C-399/09 - [Landtová]) nochmals wiederholt, dass die Regelung für die nicht benachteiligten Arbeitnehmer das einzige gültige Bezugssystem bleibt, solange das Gemeinschaftsrecht nicht richtig durchgeführt ist. Damit betrifft die Anforderung des Unionsrechts, die Diskriminierung durch eine Anpassung „nach oben“ zu beseitigen, nicht nur die Vergangenheit, sondern sogar die Zukunft, weil sie das höhere Entgelt auch zukunftsbezogen solange zugesteht, bis eine unionsrechtskonforme Neuregelung getroffen ist (ErfK/Schlachter 11. Aufl. § 7 AGG Rn. 6; aA Krebber EuZA 2009, 200, 209, der die Auffassung vertritt, der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu den Anti-Diskriminierungsrichtlinien lasse sich ein Gebot der Angleichung „nach oben“ nicht entnehmen).

32

(2) Die Vorgabe des Gerichtshofs der Europäischen Union einer Anpassung „nach oben“ ist allerdings anhand von Fällen entwickelt worden, in denen eine kleinere Beschäftigtengruppe von einer begünstigenden Norm ausgenommen worden ist (ErfK/Schlachter 11. Aufl. § 7 AGG Rn. 6). Wie zu verfahren ist, wenn eine tarifliche Vergütungsregelung insgesamt wegen Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot wegen des Alters unwirksam ist und nur die höchste Grundvergütung in den Vergütungsgruppen als Bezugssystem in Betracht kommt, hat der Gerichtshof der Europäischen Union zwar noch nicht entschieden. Jedoch wird eine Anpassung „nach oben“ auch in diesem Fall der Vorgabe des Gerichtshofs der Europäischen Union, die diskriminierende Regelung außer Acht zu lassen und auf die durch die Diskriminierung benachteiligten Arbeitnehmer die gleiche Regelung wie auf die nicht benachteiligen Arbeitnehmer anzuwenden, jedenfalls dann am ehesten gerecht, wenn die Tarifvertragsparteien von einer rückwirkenden Ersatzregelung absehen und von den nicht diskriminierten Arbeitnehmern deshalb und aufgrund tariflicher Ausschlussfristen sowie aus Gründen des Vertrauensschutzes Leistungen nicht mehr mit Aussicht auf Erfolg zurückgefordert werden können.

33

ee) Finanzielle Belange des beklagten Landes hindern eine Anpassung „nach oben“ nicht.

34

(1) Eine uneingeschränkte Anwendung des Grundsatzes einer Anpassung „nach oben“ bei Verstößen gegen Benachteiligungsverbote kann allerdings zu erheblichen finanziellen Belastungen eines Arbeitgebers führen. Dies gilt auch dann, wenn entsprechende Ansprüche jüngerer Angestellter auf das Endgrundgehalt ihrer Vergütungsgruppe Verjährungs- und Ausschlussfristen unterliegen (Kamanabrou ZfA 2006, 327, 334). Eine Anpassung „nach oben“, die zu einer nachhaltigen Erweiterung des Dotierungs- oder Kostenrahmens führt, kann freilich auch dann vorliegen, wenn eine benachteiligte Gruppe von Arbeitnehmern groß und der Kreis der gleichheitswidrig Begünstigten klein ist. Auch in diesem Fall steht aber den gleichheitswidrig ausgeschlossenen Arbeitnehmern für die Vergangenheit grundsätzlich die ihnen vorenthaltene Leistung zu, wenn nur auf diesem Weg dem Gleichheitssatz Rechnung getragen werden kann (ErfK/Schmidt 11. Aufl. Art. 3 GG Rn. 58).

35

(2) Die Frage, ob eine unangemessene Kostenbelastung des Arbeitgebers überhaupt geeignet sein kann, die gebotene Beseitigung der Diskriminierungsfolgen zu hindern, oder bewirken kann, dass dem Kosteninteresse des Arbeitgebers gegenüber dem Vertrauen der Begünstigten auf die Wirksamkeit der Regelung Vorrang gebührt, bedarf hier keiner Entscheidung. Nach dem Vorbringen des beklagten Landes würde eine Anpassung „nach oben“ ohne Berücksichtigung der Zuschussempfänger einschließlich der Lohnnebenkosten zu Mehrkosten von jährlich ca. 28 Millionen Euro führen. Bei einem Vergütungsaufwand für die Angestellten im unmittelbaren Berliner Landesdienst von jährlich 1,566 Milliarden Euro machten die Mehrkosten ca. 1,8 vH aus. Da das beklagte Land mit seinen Angestellten grundsätzlich vereinbart hat, dass sich das Arbeitsverhältnis nach den Bestimmungen des BAT bestimmt, und somit die tarifliche Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit (§ 70 BAT) greift, fehlen ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass das beklagte Land für die Zeit bis zur grundsätzlichen Übernahme des Tarifrechts der TdL zum 1. April 2010 bei einer Anpassung „nach oben“ mit unverhältnismäßig hohen Mehrkosten belastet wird. Die Zeit bis zum 31. März 2010 ist maßgebend. Mit dem Urteil der Zweiten Kammer des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 8. September 2011 in den verbundenen Rechtssachen - C-297/10 und C 298/10 - (NZA 2011, 1100) ist geklärt, dass Art. 2 und Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78 sowie Art. 28 GRC nicht entgegenstehen, wenn ein Vergütungssystem, das zu einer Diskriminierung wegen des Alters führt, durch ein auf objektive Kriterien gestütztes Vergütungssystem ersetzt wird und zugleich für einen befristeten Übergangszeitraum einige der diskriminierenden Auswirkungen des erstgenannten Systems bestehen bleiben, um für die bereits in einem Beschäftigungsverhältnis stehenden Arbeitnehmer den Übergang zum neuen System ohne Einkommensverluste zu gewährleisten.

36

ff) Ohne Erfolg beruft sich das beklagte Land auf Vertrauensschutz. Im Klagezeitraum galt schon das am 18. August 2006 in Kraft getretene AGG, das Dauerschuldverhältnisse und damit auch Arbeitsverhältnisse nicht ausnimmt. Gemäß § 1 AGG ist ua. Ziel dieses Gesetzes, Benachteiligungen aus Gründen des Alters nicht nur zu verhindern, sondern auch zu beseitigen. Der BAT und der Vergütungstarifvertrag Nr. 35 zum BAT waren für den Bereich des Bundes bereits mit Wirkung vom 1. Oktober 2005 durch andere tarifliche Regelungen ersetzt worden. Für den Bereich der TdL war dies kurze Zeit nach dem Inkrafttreten des AGG ab dem 1. November 2006 der Fall. Im Schrifttum wurde nicht nur vereinzelt die Auffassung vertreten, die Bemessung der Grundvergütung in den Vergütungsgruppen des BAT verstoße gegen das Diskriminierungsverbot wegen des Alters (vgl. Schleusener/Suckow/Voigt AGG/Schleusener 3. Aufl. § 7 Rn. 53 mwN). Ein Vertrauen des beklagten Landes auf die Wirksamkeit des Vergütungssystems des BAT wäre deshalb nicht schützenswert. Auch der Hinweis des beklagten Landes auf sein Haushaltsrecht hilft ihm nicht weiter. Dieses hebt das Diskriminierungsverbot wegen des Alters nicht auf und privilegiert das beklagte Land insoweit nicht gegenüber einem privaten Arbeitgeber.

37

gg) Der Umstand, dass die in § 27 Abschn. A BAT angeordnete Bemessung der Grundvergütungen in den Vergütungsgruppen des BAT nach Lebensaltersstufen gegen das primärrechtliche Verbot der Ungleichbehandlung wegen des Alters verstößt und eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a RL 2000/78 darstellt, führt nicht dazu, dass es an einer Bezugsgröße für die Anpassung „nach oben“ fehlt. Es trifft zwar zu, dass die Tarifvertragsparteien des BAT angesichts der von ihnen vereinbarten Lebensalterstufen offensichtlich nicht wollten, dass alle Angestellten in derselben Vergütungsgruppe eine gleich hohe Grundvergütung erhalten. Dies rechtfertigt es jedoch nicht, den wegen ihres Alters benachteiligten Angestellten die Vergütung vorzuenthalten, die den nicht benachteiligten Angestellten zustand. Insoweit besteht kein entscheidender Unterschied zwischen einer gleichheitswidrigen Benachteiligung und einer unzulässigen Diskriminierung, wenn dem Gleichheitssatz bzw. dem Diskriminierungsverbot nur dadurch Rechnung getragen werden kann, dass den Benachteiligten derselbe Anspruch auf Vergütung eingeräumt wird wie den gleichheitswidrig begünstigten bzw. nicht diskriminierten Angestellten (vgl. zum Gleichheitssatz ErfK/Schmidt 11. Aufl. Art. 3 GG Rn. 58 mwN). Bei einer Entgeltstaffelung nach dem Alter in einem Tarifvertrag bedeutet dies, dass bis auf die höchste alle Entgeltstufen benachteiligend sind (Henssler/Tillmanns FS Rolf Birk S. 179, 190; Meinel/Heyn/Herms AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 45c).

38

c) Entgegen der Ansicht des beklagten Landes schützt es die Regelung in § 15 Abs. 3 AGG, wonach der Arbeitgeber bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet ist, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt, nicht vor einer Anpassung „nach oben“. Die Vorschrift bezieht sich auf Schadensersatzansprüche und begrenzt nur Ansprüche auf Entschädigungsleistung (Löwisch DB 2006, 1729, 1731; ErfK/Schlachter 11. Aufl. § 7 AGG Rn. 6). Zur Beseitigung einer Diskriminierung durch eine den Diskriminierungsverboten genügende Regelung verhält sie sich nicht.

39

III. Das beklagte Land hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision einschließlich des Zwischenstreits vor dem Gerichtshof der Europäischen Union zu tragen. Dies gilt gemäß § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO auch, soweit die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben.

        

    Fischermeier    

        

    Brühler    

        

    Spelge    

        

        

        

    Lauth    

        

    M. Jostes    

                 

Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein. Derartige unterschiedliche Behandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:

1.
die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlohnung und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Beschäftigten und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen,
2.
die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile,
3.
die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung auf Grund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder auf Grund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand,
4.
die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen,
5.
eine Vereinbarung, die die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der oder die Beschäftigte eine Rente wegen Alters beantragen kann; § 41 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch bleibt unberührt,
6.
Differenzierungen von Leistungen in Sozialplänen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes, wenn die Parteien eine nach Alter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung geschaffen haben, in der die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigt worden sind, oder Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplans ausgeschlossen haben, die wirtschaftlich abgesichert sind, weil sie, gegebenenfalls nach Bezug von Arbeitslosengeld, rentenberechtigt sind.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 7. September 2012 - 6 Sa 709/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe des jährlichen Urlaubsanspruchs.

2

Die Beklagte stellt Schuhe her. Die am 10. April 1960 geborene Klägerin ist bei ihr seit dem 1. Juli 1994 als Produktionsmitarbeiterin beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 13. November 2000 ist ua. vereinbart, dass der jährliche Urlaubsanspruch 34 Arbeitstage beträgt. Die Beklagte gewährt allen Arbeitnehmern, die das 58. Lebensjahr vollendet haben, 36 Arbeitstage Jahresurlaub, ohne dass individuelle Vereinbarungen über einen höheren Jahresurlaub vorliegen. Die übrigen Beschäftigten erhalten jährlich 34 Urlaubstage.

3

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Urlaubsregelung sei altersdiskriminierend. Die Behauptung, ältere Mitarbeiter benötigten im Produktionsbetrieb längere Erholungsphasen, sei durch die darlegungsbelastete Beklagte nicht dargetan. Das Bundesurlaubsgesetz stelle bezüglich der Dauer des Urlaubs weder auf die physische Belastung noch auf das Alter der Arbeitnehmer ab. Die Beklagte habe keinen Grund genannt, warum ein gesteigertes Erholungsbedürfnis ausgerechnet mit 58 Jahren eintrete. Zudem könne mit lediglich zwei zusätzlichen Urlaubstagen ein etwaiger höherer Erholungsbedarf nicht ausgeglichen werden. Bei einem stetig steigenden Erholungsbedarf müsste jedenfalls auch die Urlaubsdauer gestaffelt werden. Bei anderen Arbeitnehmergruppen sei ein erhöhter Erholungsbedarf nachvollziehbar. Diese würden jedoch nicht begünstigt. So seien jüngere Arbeitnehmer durch Familie und Beruf oftmals stärker beansprucht als ältere. Die Beklagte habe ihr zur Beseitigung der Diskriminierung jährlich zwei weitere Urlaubstage zu gewähren.

4

Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr 36 Arbeitstage Erholungsurlaub zu gewähren.

5

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, ihre Urlaubsregelung beinhalte keine Diskriminierung. Nach der Lebenserfahrung benötigten ältere Arbeitnehmer, die körperlich ermüdende und schwere Arbeiten verrichten, längere Erholungszeiten als jüngere. Zwei zusätzliche Urlaubstage seien angemessen.

6

Das Arbeitsgericht hat die Klage - soweit für die Revision von Bedeutung - abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Feststellungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, der Klägerin auch schon vor der Vollendung der 58. Lebensjahres insgesamt 36 Arbeitstage Erholungsurlaub pro Jahr zu gewähren.

8

I. Die Klage ist in der gebotenen Auslegung zulässig, insbesondere besteht das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.

9

1. Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer den Umfang des ihm zustehenden Urlaubs gerichtlich festgestellt wissen will, nicht entgegen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 9, BAGE 141, 73; 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - Rn. 13 ff., BAGE 137, 328).

10

2. Die am 10. April 1960 geborene Klägerin hat ein rechtlich anerkennenswertes Interesse daran, alsbald zu erfahren, ob ihr bereits vor der Vollendung ihres 58. Lebensjahres zwei weitere Urlaubstage pro Jahr zustehen. Ihr Antrag bezieht sich dem Wortlaut nach zwar auf den gesamten Jahresurlaub. Er kann jedoch so ausgelegt werden, dass er sich nur auf zwei weitere Urlaubstage im Kalenderjahr bezieht. Zwischen den Parteien besteht kein Streit, dass der Klägerin die vertraglich vereinbarten 34 Urlaubstage pro Jahr zustehen. Die Klägerin hat im Laufe des Verfahrens deutlich gemacht, dass der Antrag auf die Feststellung des Bestehens zweier zusätzlicher Urlaubstage gerichtet ist. Darüber hinaus hat das Landesarbeitsgericht den Klageantrag zutreffend so verstanden, dass er vergangene Urlaubsjahre nicht erfasst. Es handelt sich um einen gegenwartsbezogenen Feststellungsantrag, für dessen Entscheidung grundsätzlich auf die Sachlage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht abzustellen ist (vgl. BAG 15. Mai 2013 - 7 AZR 494/11 - Rn. 15 ff.).

11

II. Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen vor Vollendung ihres 58. Lebensjahres nicht gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 iVm. § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG zwei weitere Urlaubstage zu. Die Urlaubsregelung ist nicht gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam und führt somit bezüglich der Dauer des Urlaubs der Klägerin nicht zu einer „Anpassung nach oben“(siehe dazu BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 27 ff., BAGE 141, 73; vgl. aber auch BAG 14. Mai 2013 - 1 AZR 44/12 - Rn. 25, BAGE 145, 113).

12

1. Es liegt zwar eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor. Diese ist jedoch gemäß § 10 Satz 1, 2 und Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt.

13

a) Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Unter Alter iSd. § 1 AGG ist das Lebensalter zu verstehen. Dies folgt aus dem Wortlaut des Gesetzes und aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/1780 S. 31; BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 14, BAGE 141, 73; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 36, BAGE 129, 181). Eine unmittelbare Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 1 AGG gegeben, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Der für eine unmittelbare Benachteiligung erforderliche Kausalzusammenhang ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere in § 1 AGG genannte Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - aaO mwN).

14

b) Daran gemessen liegt eine unmittelbare Ungleichbehandlung wegen des Alters vor. Die Urlaubsregelung knüpft die Gewährung von zwei weiteren Urlaubstagen an die Vollendung des 58. Lebensjahres und damit unmittelbar an das Lebensalter der Beschäftigten. Arbeitnehmer, die diese Altersgrenze nicht erreicht haben, werden wegen ihres Alters ungünstiger behandelt.

15

c) Die Ungleichbehandlung ist jedoch gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt. Die Regelung bezweckt bei Berücksichtigung eines Gestaltungs- und Ermessensspielraums der Beklagten den in dieser Bestimmung genannten Schutz älterer Beschäftigter und ist geeignet, erforderlich und angemessen im Sinne von § 10 Satz 2 AGG.

16

aa) Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG konkretisiert ua. das legitime Ziel der Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter, wobei dieser Schutz auch die Festlegung besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließen kann (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73).

17

bb) § 10 AGG dient der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16) in das nationale Recht (BAG 18. März 2014 - 3 AZR 69/12 - Rn. 21). Der Gesetzgeber hat bei der Umsetzung den Text der Richtlinie nahezu wörtlich in das nationale Recht übernommen. Dessen Regelungen sind unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszulegen (vgl. BAG 14. März 2012 - 7 AZR 480/08 - Rn. 30).

18

cc) Dem Arbeitgeber steht bei freiwilligen zusätzlichen Leistungen - wozu auch die Gewährung von übergesetzlichem Mehrurlaub gehört - ein von den Gerichten zu respektierender Gestaltungs- und Ermessensspielraum zu (vgl. zu Leistungen der betrieblichen Altersversorgung: BAG 12. November 2013 - 3 AZR 356/12 - Rn. 28; 12. Februar 2013 - 3 AZR 100/11 - Rn. 31 mwN, BAGE 144, 231). Auch in der Rechtsprechung des EuGH ist anerkannt, dass die Mitgliedstaaten und gegebenenfalls die Sozialpartner auf nationaler Ebene beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts nicht nur bei der Entscheidung, welches konkrete Ziel von mehreren im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik sie verfolgen wollen, sondern auch bei der Festlegung der Maßnahmen zu seiner Erreichung über einen weiten Gestaltungsspielraum verfügen (EuGH 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Rn. 68, Slg. 2007, I-8531). Diese Erwägungen gelten nach dem EuGH auch für Ziele, die der Arbeitgeber mit einer vertraglichen Regelung verfolgt (vgl. EuGH 26. September 2013 - C-476/11 - [HK Danmark] Rn. 61).

19

dd) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Benachteiligung der Arbeitnehmer der Beklagten, die das 58. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, gerechtfertigt.

20

(1) Die Beklagte gewährt den Arbeitnehmern in ihrem Produktionsbetrieb nach der Vollendung des 58. Lebensjahres aufgrund ihres gesteigerten Erholungsbedürfnisses zwei weitere Urlaubstage im Kalenderjahr und bezweckt damit die Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. Da dieser Schutz die Festlegung besonderer Arbeitsbedingungen einschließt (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73), unterfallen ihm auch zusätzliche Urlaubstage.

21

(a) Das AGG definiert in § 10 Satz 3 Nr. 1 - ebenso wie Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG - nicht, wann ein Beschäftigter „älter“ im Sinne der Norm ist (vgl. zum herkömmlichen Verständnis: BAG 18. September 2014 - 6 AZR 636/13 - Rn. 44). Nach dem Sinn und Zweck des Benachteiligungsverbots reicht es ohne das Vorliegen anderer Differenzierungsgründe nicht aus, dass das Alter der begünstigten Arbeitnehmer höher ist als das Alter der nicht begünstigten. Dementsprechend hat der Senat angenommen, ein Arbeitnehmer sei nach der Vollendung seines 31. Lebensjahres offensichtlich noch kein älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 55, BAGE 132, 210). Aus dem systematischen Zusammenhang mit § 10 Satz 1 AGG und aus dem Regelungszweck folgt, dass die begünstigten Arbeitnehmer aufgrund ihres Alters der Förderung bei der beruflichen Eingliederung oder des Schutzes bedürfen müssen.

22

(aa) Der Senat ist in seiner Entscheidung vom 20. März 2012 nicht davon ausgegangen, dass mit zunehmenden Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steige. Er hat allerdings ab einem bestimmten Alter - konkret: bei über 50- oder über 60-jährigen Beschäftigten - ein altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis für „eher nachvollziehbar“ gehalten (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 24 f., BAGE 141, 73).

23

(bb) Das Landesarbeitsgericht hat in Übereinstimmung mit der überwiegenden Auffassung im Schrifttum als Erfahrungssatz angenommen, dass mit zunehmenden Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steigt (so auch Tempelmann/Stenslik DStR 2011, 1183, 1185 f.; Lingemann/Gotham NZA 2007, 663, 666; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 143 f.; Waltermann NZA 2005, 1265, 1269; Over Das Verbot der Altersdiskriminierung im Arbeitsrecht nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz S. 231; Küttner/Kania Personalbuch 2014 Diskriminierung Rn. 90; vgl. auch Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 - zu II 2 b cc (3) (a) der Gründe mwN). Diese Ansicht ist allerdings nicht unumstritten. So wird auf die Individualität der Alterungsprozesse und den fehlenden Nachweis von Altersklassen mit spezifischem Erholungsbedarf hingewiesen (Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 1 Rn. 822). Die Aufstellung eines generellen Erfahrungssatzes soll dem traditionellen Bild vom „alten Arbeitnehmer“ entsprechen (Däubler/Bertzbach/Brors 3. Aufl. § 10 Rn. 43). Auch wird hervorgehoben, dass der Gesetzgeber in § 3 BUrlG bezüglich der Dauer des Urlaubs nicht nach dem Lebensalter der Arbeitnehmer unterscheide und demnach nicht von einem unterschiedlichen Erholungsbedürfnis ausgehe(Bertelsmann in Rust/Falke AGG § 10 Rn. 93). Auch auf europäischer Ebene sehe Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG vier Wochen Urlaub einheitlich für alle Berufsgruppen altersunabhängig vor(v. Roetteken AGG Stand September 2014 § 10 Rn. 262). Verlangt wird zumindest die Darlegung eines empirischen Befunds zum steigenden Erholungsbedarf unter Beachtung der Tätigkeit bevorzugter Arbeitnehmer (Däubler/Bertzbach/Brors aaO; aA Kasprzyk Altersdiskriminierung im deutschen Arbeitsrecht S. 185).

24

(b) Erfahrungssätze sind Hilfsmittel. Die Feststellung von allgemein anerkannten Erfahrungssätzen ist als Tatfrage den Tatsachengerichten vorbehalten. Dabei ist es diesen nicht verwehrt, das Bestehen oder Nichtbestehen eines Erfahrungssatzes zu beurteilen, wenn sie dazu über ausreichende Sachkunde und Lebenserfahrung verfügen. Andernfalls haben sie sich der Hilfe eines Sachverständigen zu bedienen. Die Zuziehung eines Sachverständigen zur Unterstützung des Gerichts ist gemäß § 144 Abs. 1 ZPO durch die Tatsachengerichte stets nach pflichtgemäßen Ermessen zu prüfen(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 65 mwN, BAGE 132, 210; vgl. allg. zu Erfahrungssätzen: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 73. Aufl. Einf. § 284 Rn. 22).

25

(c) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Landesarbeitsgericht von der Zuziehung eines Sachverständigen abgesehen hat. Dieses durfte aufgrund der von ihm festgestellten körperlich anstrengenden Tätigkeiten im Produktionsbetrieb der Beklagten auch ohne Sachverständigengutachten annehmen, dass das Erholungsbedürfnis der dort beschäftigten Arbeitnehmer mit zunehmenden Alter steigt. Ob es einen tätigkeitsunabhängigen generellen Zusammenhang zwischen dem Erholungsbedarf und dem Alter gibt (so etwa Kamanabrou aaO), kann dahinstehen.

26

(aa) Die Annahme eines Erfahrungssatzes dahin gehend, dass bei körperlich belastenden Berufen das Erholungsbedürfnis im höheren Alter steigt, begegnet keinen Bedenken. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die physische Belastbarkeit mit zunehmendem Alter abnimmt (etwa BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 67 mwN, BAGE 132, 210; Bayerischer VGH 24. Oktober 2011 - 3 ZB 08.721 - zu II 1 b der Gründe). Dieser Erfahrungssatz betrifft auch den Wirkungszusammenhang von erreichtem Lebensalter und Krankheitsanfälligkeit (Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 - zu II 2 b cc (3) (a) der Gründe mwN). Alle bekannten privaten und öffentlichen Systeme der Kranken-, Renten- und Lebensversicherung beruhen auf dieser Erwartung (BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 54, BAGE 128, 238). Entgegen der Ansicht der Klägerin kommen auch nicht lediglich Studien älteren Datums - wie etwa die ILO-Empfehlung Nr. 162 vom 23. Juni 1980 oder der WHO Technical Report Series 835 „Aging and Working Capacity” (dt. Übersetzung: „Altern und Arbeit“ 1994) - zu diesem Ergebnis. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden bestätigt zB durch den „Fortschrittsreport ‚Altersgerechte Arbeitswelt“, Ausgabe 3 des Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Stand September 2013). Nach diesem hat sich zwar die körperliche Konstitution besonders für die Altersgruppe der 45- bis 64-Jährigen verbessert (Ziff. 3.1). Dennoch zeigt die Studie weiterhin ein Ansteigen der Anzahl der krankheitsbedingten Fehltage sowie eine Verschlechterung des Gesundheitszustands mit fortschreitendem Lebensalter (Ziff. 4.2, Tabelle 2). Insbesondere bei belastenden Berufen nimmt die Anzahl krankheitsbedingter Fehltage im Alter überproportional zu und der Gesundheitszustand verschlechtert sich überproportional (vgl. Ziff. 4.2). Auch bei einfachen Dienstleistungen und einfachen manuellen Berufen verschlechtert sich der „selbstberichtete Gesundheitszustand in der Altersgruppe 55 bis 64 Jahre im Vergleich zum Durchschnitt“ immer noch deutlich (Ziff. 3.4). Zumindest hinsichtlich dieser Berufe erscheint die Annahme eines größeren Erholungsbedarfs im erhöhten Alter als nicht fehlerhaft (ebenso Reinhard ArbRB 2012, 342, 343). Auch Gegner eines allgemeinen Erfahrungssatzes gestehen zu, dass bei gesundheitlich besonders belastenden Tätigkeiten ein gesteigerter Erholungsbedarf mit zunehmendem Alter angenommen werden kann (v. Roetteken aaO; Däubler/Bertzbach/Brors aaO; Löwisch/Rieble § 1 Rn. 823).

27

Soweit das Landesarbeitsgericht auf die teilweise geforderte Darlegung spezifischer empirischer Untersuchungen bezogen auf die Tätigkeiten im Produktionsbetrieb der Beklagten verzichtet hat, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Durchführung derartiger Untersuchungen wäre praktisch aufwändig und schwierig (weiter gehend Kasprzyk aaO: „unmöglich“). Eine übersteigerte Darlegungslast würde die Einführung freiwilliger Leistungen unzumutbar erschweren. Die Feststellungen durch das Landesarbeitsgericht, dass die Beschäftigten der Beklagten bei der Schuhfertigung körperlich ermüdende und teils schwere Arbeiten leisten, verstärkt durch einen besonderen, prämienbezogenen Zeit- und Qualitätsdruck im Sinne eines Teamakkords, genügt danach als Tatsachenbasis für die Bejahung des dargestellten Erfahrungssatzes.

28

(bb) Der Hinweis auf die fehlende Altersstaffelung in § 3 BUrlG und Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG hilft der Klägerin für die Frage der Legitimität des Zwecks nicht weiter. Die Vorschriften regeln nur die Dauer des Mindesturlaubs und damit das unterste Maß dessen, was nach deutschem und europäischem Urlaubsrecht unabhängig von individuellen Besonderheiten zur Erholung erforderlich ist. Spezifische Charakteristika - wie das Alter oder der physische oder psychische Gesundheitszustand - bleiben bei der Setzung eines einheitlichen Minimalstandards naturgemäß außer Betracht. Auf nationaler Ebene kommt hinzu, dass der Gesetzgeber durchaus gesehen hat, dass es altersabhängig einen unterschiedlichen Erholungsbedarf geben kann, wie etwa § 57 Abs. 2 SeeArbG und § 19 Abs. 2 JArbSchG zeigen(siehe dazu v. Roetteken § 10 Rn. 263).

29

(d) Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Sicherstellung des Schutzes ihrer Arbeitnehmer nach Vollendung des 58. Lebensjahres als Zweck der zwei weiteren Urlaubstage vorgeschoben hat.

30

(aa) Allerdings ist dieser Zweck nicht unmittelbar der - nicht schriftlich fixierten - Regelung zu entnehmen. Nennt eine Regelung oder Maßnahme kein Ziel, müssen zumindest aus dem Kontext abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter der Regelung oder der Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, um die Legitimität des Ziels sowie die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüfen zu können (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 19 mwN, BAGE 141, 73; vgl. zur Richtlinie 2000/78/EG: EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 39 mwN, Slg. 2011, I-6919).

31

(bb) Wenn eine Tarifregelung die Urlaubsdauer nach dem Lebensalter staffelt, liegt die Annahme nahe, die Tarifvertragsparteien hätten einem mit zunehmendem Alter gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 23, BAGE 141, 73). Diese Annahme darf freilich nicht durch die konkrete Wahl der Altersgrenze(n) widerlegt werden, wie dies bei § 26 TVöD aF, der zusätzliche Urlaubstage bereits ab dem 30. Lebensjahr vorsah, der Fall war (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 24 ff., aaO).

32

(cc) Es ist kein Grund ersichtlich, bei einer individualrechtlichen Regelung nicht ebenfalls grundsätzlich davon auszugehen, dass mit einer Altersgrenze für die Gewährung zusätzlichen Urlaubs einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer Rechnung getragen werden soll. Diese Annahme erscheint umso mehr gerechtfertigt, wenn sie wie hier mit der Anerkennung eines Erfahrungssatzes bezüglich des gesteigerten Erholungsbedarfs bei körperlich belastenden Berufen korreliert. Hinzu kommt, dass die ständige Übung der Beklagten inhaltlich einer einschlägigen tarifvertraglichen Regelung entspricht. So sah der persönlich, fachlich und räumlich einschlägige Manteltarifvertrag vom 23. April 1997, abgeschlossen zwischen dem Hauptverband der Deutschen Schuhindustrie e. V. und der Gewerkschaft Leder sowie der IG BCE, für gewerbliche Arbeitnehmer in § 17 Ziff. 4 Buchst. a ab dem 58. Lebensjahr ebenfalls zwei zusätzliche Urlaubstage vor. Diese Regelung war im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht nicht durch eine neue Bestimmung abgeändert.

33

(dd) Schließlich widerlegt die Altersgrenze von 58 Lebensjahren nicht den Zweck, mit zwei weiteren Urlaubstagen im Kalenderjahr dem gesteigerten Erholungsbedürfnis Rechnung zu tragen. Dabei kann dahinstehen, ab welchem Alter die Annahme, der zusätzliche Urlaub diene dem höheren Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG, nicht mehr ohne Weiteres aufrechterhalten bzw. als widerlegt erachtet werden kann. Der Senat hat in der Entscheidung vom 20. März 2012 gemäß dem Rechtsgedanken aus § 417 Abs. 1 SGB III eine Altersgrenze von 50 Lebensjahren für die Einordnung als älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG in Betracht gezogen(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73; vgl. zu einer solchen Altersgrenze für die Gewährung zusätzlicher Urlaubstage: Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 -). Das Landesarbeitsgericht hat ergänzend darauf verwiesen, dass Leitlinie 17 der Entscheidung des Rates vom 12. Juli 2005 über Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten (2005/600/EG) Arbeitskräfte ab Vollendung des 55. Lebensjahres als ältere Arbeitnehmer erachtet und die WHO-Studiengruppe „Altern und Arbeit“ aus arbeitsmedizinischer Sicht wegen auftretender Schwierigkeiten in Arbeit und Beruf eine Grenze ab dem 45. Lebensjahr angenommen hat (zu A II 15 b bb (3) (b) der Gründe). Das Berufungsgericht hat damit nachvollziehbar begründet, warum es davon ausgeht, dass die Urlaubsregelung einem legitimen Zweck iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG dient und es diesen Zweck nicht lediglich als von der Beklagten vorgeschoben erachtet.

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(2) Die Regelung ist geeignet, den in § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG beschriebenen Zweck zu fördern. Insbesondere kann die Klägerin nicht mit dem Argument gehört werden, dass die Gewährung von lediglich zwei Urlaubstagen ungeeignet sei, einen altersbedingt erhöhten Erholungsbedarf auszugleichen. Die Geeignetheit ist nicht deshalb zu verneinen, weil ein gestiegener Erholungsbedarf unter Umständen nicht vollständig, sondern nur partiell ausgeglichen wird. Gerade angesichts des vom Arbeitgeber bei einer freiwilligen Leistung selbst gesetzten Dotierungsrahmens wäre die Beschränkung auf einen Teilausgleich nachvollziehbar und zulässig. Zudem haben auch die Tarifvertragsparteien angesichts der Tätigkeit eines Produktionsmitarbeiters in der Schuhbranche zwei Tage Urlaub für geeignet und ausreichend erachtet. Dass die Beklagte sich die von den Sozialpartnern ausgehandelte Regelung zu eigen macht und im Rahmen ihres Ermessensspielraums eine entsprechende Regelung trifft, ist unter dem Aspekt der Geeignetheit der Regelung nicht zu beanstanden.

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(3) Die Regelung ist auch erforderlich und angemessen (§ 10 Satz 2 AGG). Mildere Mittel, die in gleicher Weise den Schutz älterer Arbeitnehmer verwirklichen könnten, sind nicht ersichtlich.

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(a) Die Wahl einer anderen, niedrigeren Altersgrenze stellte kein gleich wirksames, milderes Mittel mit geringerem altersspezifischen Effekt dar. Es handelte sich vielmehr um eine andere Maßnahme mit einem erhöhtem Dotierungsrahmen.

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(b) Eine niedrigere Altersgrenze verbunden mit nur einem weiteren Urlaubstag im Kalenderjahr müsste zwar nicht zwingend zu einer Erhöhung des Dotierungsrahmens führen. Allerdings hätten dann Arbeitnehmer nach Vollendung des 58. Lebensjahres nicht mehr Anspruch auf den zweiten weiteren Urlaubstag, den die Beklagte im Einklang mit dem einschlägigen Tarifvertrag angesichts des gesteigerten Erholungsbedarfs im höheren Alter in der Schuhproduktion für notwendig erachtet. Der Gestaltungs- und Ermessensspielraum der Beklagten lässt auch im Rahmen der Erforderlichkeit und Angemessenheit die von ihr angewandte Regelung zu. Die Interessen der Beteiligten werden hinreichend berücksichtigt. Es werden lediglich in Übereinstimmung mit dem Abwägungsergebnis der Tarifvertragsparteien die Interessen der über 58-Jährigen an einem zusätzlichen Urlaubstag höher gewichtet als die Interessen der übrigen Beschäftigten, schon im jüngeren Alter einen zusätzlichen Urlaubstag zu erhalten.

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(c) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Beklagte nicht verpflichtet, zusätzliche Urlaubstage nur nach dem individuell ermittelten Erholungsbedarf unter Einbeziehung altersunabhängiger Belastungsfaktoren, wie der Pflege und Betreuung von Kindern, sowie unter Berücksichtigung des individuellen Alterungsprozesses zu gewähren. Zwar mag es zutreffen, dass es weitere Belastungsfaktoren gibt, die zu einem gesteigerten Erholungsbedarf führen können. Jedoch wäre eine solche individuelle Regelung in vielerlei Hinsicht praktisch nicht oder nur mit großen Schwierigkeiten handhabbar. Dies gilt nicht nur bezüglich der Gewichtung der einzelnen (persönlichen) Belastungsfaktoren untereinander, sondern vor allem auch für deren Ermittlung durch die Beklagte. Auch der Gerichtshof der Europäischen Union hat anerkannt, dass bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Regelung im Hinblick auf das Verbot der Altersdiskriminierung zu beachten ist, dass die fragliche Regelung in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht handhabbar bleiben müsse, und deshalb nicht generell verlangt werden könne, dass immer jeder Einzelfall individuell geprüft werde (EuGH 19. Juni 2014 - C-501/12 ua. - [Specht ua.] Rn. 78). Unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten darf der Arbeitgeber daher im Sinne einer typisierenden Betrachtung in Ausübung seines Gestaltungsspielraums auch einen Grund für ein gesteigertes Erholungsbedürfnis - wie etwa das Alter in belastenden Berufen - als Differenzierungskriterium heranziehen. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG enthält kein Gebot, die dort genannten typischerweise besonders schutzbedürftigen Personengruppen (Jugendliche, ältere Beschäftigte und Personen mit Fürsorgepflichten) hinsichtlich besonderer Arbeitsbedingungen gleich zu behandeln.

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2. Aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz folgt ebenfalls kein Anspruch der Klägerin auf die begehrten zwei zusätzlichen Urlaubstage. Ist - wie hier - die unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmergruppen aus einem in § 1 AGG genannten Grund unter den im AGG normierten Voraussetzungen zulässig, ist auch der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt(ebenso bezüglich des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes: BAG 17. September 2013 - 3 AZR 686/11 - Rn. 25 mwN). Eine sachwidrige Ungleichbehandlung kommt angesichts der Rechtfertigung gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG nicht in Betracht.

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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

        

        

    M. Lücke    

        

    Kranzusch    

                 

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.