Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 19. Jan. 2016 - 6 Sa 173/15

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2016:0119.6SA173.15.0A
bei uns veröffentlicht am19.01.2016

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach vom 05. März 2015 - 6 Ca 993/14 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Abfindungszahlung.

2

Der am 21. Juni 1951 geborene, langjährig am Standort S beschäftigte Kläger schloss mit der wie er tarifgebundenen Beklagten unter dem 02. Juli 2009 einen Arbeitsvertrag für eine verblockte Altersteilzeit (im Folgenden: ATZ-V), aufgrund dessen das Arbeitsverhältnis vom 01. November 2009 bis 30. Juni 2014 als Altersteilzeitarbeitsverhältnis mit der Hälfte der bisher vereinbarten wöchentlichen regelmäßigen Arbeitszeit von 35 Stunden fortgeführt wurde. §§ 10 und 14 ATZ-V lauten:

3

㤠10

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Abfindung

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Endet das Arbeitsverhältnis auf Wunsch des Arbeitgebers vor Vollendung des 65. Lebensjahres, so erhält dieser Arbeitnehmer eine Brutto-Abfindung zum Ende der Altersteilzeitruhephase entsprechen der Gesamtbetriebsvereinbarung Altersteilzeit (siehe Arbeitspapier Punkt 16). Ein früherer oder späterer Renteneintritt führt zu einer entsprechenden Anpassung des Brutto-Abfindungsbetrages.

6

Die Abfindung beträgt unter Anrechnung auf die tarifvertraglichen Ansprüche aus § 9 des Tarifvertrages Altersteilzeit und zum Zwecke der Kompensation für die zu erwartende Rentenminderung wegen des vorzeitigen Rentenbeginns15.000,00 EUR brutto zahlbar in Abrechnung 06/2014.

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§ 14

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Schlussbestimmungen

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Mündliche Nebenabreden bestehen nicht. Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform. Im Übrigen gelten die Bestimmungen des bisherigen Arbeitsvertrages vom 22. September 1997 soweit sie nicht durch diesen Vertrag abgeändert werden, des Tarifvertrages, sowie des Altersteilzeitgesetzes. Auf Wunsch kann jeder ATZ-Mitarbeiter eine Kopie des TV-ATZ von der Personalabteilung erhalten.“

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Bei der im ATZ-V in Bezug genommenen Gesamtbetriebsvereinbarung handelt es sich um die Freiwillige Gesamtbetriebsvereinbarung vom 08. April 1999 (im Folgenden: GBV ATZ), hinsichtlich deren Inhaltes im Einzelnen auf Bl. 58 ff. d. A. Bezug genommen wird. Unter dem 29. November 2005 haben Geschäftsführung und Gesamtbetriebsrat eine von beiden Seite unterzeichnete Protokollnotiz zur GBV ATZ (Bl. 66 d. A.; im Folgenden: Protokollnotiz GBV ATZ) beschlossen, ausweislich derer ab diesem Zeitpunkt im Zusammenhang mit Altersteilzeit ua. am Standort S folgende Abfindungsregelungen zur Geltung kommen:

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„1. Endet das Arbeitsverhältnis auf Wunsch des Arbeitgebers mit Vollendung des 63. Lebensjahres, so erhält dieser Arbeitnehmer/ -in eine Brutto-Abfindung in Höhe von 15.000 Euro zum Ende der Altersteilzeitruhephase.

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Für Schwerbehinderte, die vor der Vollendung des 63. Lebensjahres in Rente gehen und entsprechende Rentenabschläge erhalten, gilt als Ausgangsbasis für die ATZ-Brutto-Abfindung in Höhe von 15.000 Euro das vollendete 61. Lebensjahr.

13

Ein früherer oder späterer Renteneintritt führt zu einer entsprechenden Anpassung des Bruttoabfindungsbetrages um monatlich 625 Euro.

14

Grundsätzlich gilt, dass für das Entstehen eines Anspruchs auf eine ATZ-Abfindung das Vorliegen von Rentenabschlägen erforderlich ist.

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…“

16

Unter dem 11. September 2009 erstellte die Beklagte auf der Basis einer Besprechung mit dem Gesamtbetriebsrat zum Zwecke der Übersicht und Arbeitserleichterung das im ATZ-V benannte Arbeitspapier als Zusammenfassung der GBV ATZ und aller bestehenden und gültigen Protokollnotizen sowie Anlagen über die Altersteilzeitbeschäftigung (Bl. 97 ff. d. A.; im Folgenden: Arbeitspapier ATZ). Ziff. 16 Arbeitspapier ATZ entspricht - soweit vorliegend von Interesse - dem zitierten Wortlaut der Protokollnotiz GBV ATZ.

17

Vor Abschluss des Altersteilzeitvertrages hatte der Kläger der Beklagten eine bei der Deutschen Rentenversicherung eingeholte Rentenauskunft vom 14. November 2008 vorgelegt, nach der bei einem Rentenbeginn ab 01. Juli 2016 kein Rentenabschlag erfolge und mit einem Rentenabschlag von 7,2% frühester Rentenbeginn der 01. Juli 2014 sei. Der Kläger leistete in der Folge die Arbeitszeit vereinbarungsgemäß in der ersten Hälfte des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses (Arbeitsphase) voll und wurde in der zweiten Hälfte (Freistellungsphase) von der Arbeitsleistung freigestellt. Seit dem 01. Juli 2014 bezieht der Kläger auf Antrag eine abschlagsfreie Altersrente für besonders langjährig Versicherte nach § 236 b SGB VI.

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Nach erfolgloser außergerichtlicher Aufforderung unter dem 28. Juli 2014 hat der Kläger mit am 03. November 2014 beim Arbeitsgericht Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - eingegangener Klage, die der Beklagten am 07. November 2014 zugestellt worden ist, die Zahlung einer Abfindung nach § 10 ATZ-V verlangt.

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Der Kläger hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, auch wenn er aufgrund der gesetzlichen Neuregelung keine Rentenabschläge mehr hinnehmen müsse, erleide er eine durch die Abfindung nach § 10 ATZ-V zu kompensierende Rentenminderung, da er Rente bereits ab dem 63. Lebensjahr beziehe, weshalb ihm bis zum Eintritt der Regelaltersrente Beitragspunkte für zwei weitere Arbeitsjahre fehlten und sich für die Zeit seines Lebens die Rente verringere.

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Der Kläger hat beantragt,

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die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 15.000,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten ab dem 01. Juli 2014 zu zahlen.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

24

Sie hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, die Voraussetzungen für einen Abfindungsanspruch nach dem der Auslegung zuzuführenden § 10 ATZ-V lägen mangels zu kompensierender Rentenminderung nicht vor, da ausweislich der auf die einschlägigen Tarifverträge zur Altersteilzeit zurückgehenden GBV ATZ, der Protokollnotiz GBV ATZ und dem Arbeitspapier ATZ grundsätzliche Voraussetzung für das Entstehen eines Abfindungsanspruchs das Vorliegen von Rentenabschlägen sei. Da der Kläger sich jedoch statt für den Bezug einer Altersrente nach § 237 SGB VI mit Abschlägen für eine solche nach § 236 b SGB VI ohne Abschläge entschieden habe, könne ihm der geltend gemachte Anspruch nicht zustehen. Gleiches ergebe sich aus dem ATV FlexÜ.

25

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 05. März 2015 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen angeführt, die Beklagte habe dem Kläger in § 10 ATZ-V weder ausdrücklich, noch konkludent zugesagt, eine Abfindung unabhängig von den Voraussetzungen der ausdrücklich in Bezug genommenen und auf dem TV FlexÜ basierenden GBV Altersteilzeit und ohne Rentenminderung wegen vorzeitigen Rentenbeginns zu zahlen. Sowohl die Betriebspartner als auch die Tarifvertragsparteien im TV FlexÜ hätten klargestellt, dass der Altersrentenbezug gemäß § 236 b SGB VI ein ungeminderter Rentenbezug iSd. der Abfindungsregelungen nach §§ 8, 14.2.2. TV FlexÜ sei. Damit habe der Kläger aufgrund der gesetzgeberischen Neuregelung „Rente mit 63“ keine nach den Vereinbarungen durch eine Abfindung auszugleichenden Nachteile. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf Bl. 121 ff. d. A. Bezug genommen.

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Der Kläger hat gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 25. März 2015 zugestellte Urteil mit am 13. April 2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 22. Mai 2015, der bei Gericht am 28. Mai 2015 eingegangen ist, begründet. Nach Hinweis des Gerichts auf den Eingang der Berufungsbegründungsschrift nach Ablauf der - wegen eines Feiertags am 25. Mai 2015 - am 26. Mai 2015 endenden Berufungsbegründungsfrist hat der Kläger mit Schriftsatz vom 09. Juni 2015, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag, unter Vorlage einer Eidesstattlichen Versicherung des zuständigen Rechtssekretärs und der handelnden Verwaltungsangestellten einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt.

27

Der Kläger macht zur Begründung seiner Berufung und seines Wiedereinsetzungsantrages nach Maßgabe seiner Berufungsbegründungsschrift vom 22. Mai 2015 und seines Schriftsatzes vom 09. Juni 2015, auf die jeweils ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 151 ff. d. A. und Bl. 159 ff. d. A.) zweitinstanzlich im Wesentlichen geltend,

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ihn treffe an der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist kein Verschulden. Im Büro M seiner Prozessbevollmächtigten werde täglich gegen 17.00 Uhr die Gerichtspost aus dem in M auch fristgebundene Schriftsätze enthaltenden Gerichtspostfach von einem Rechtsekretär zu Gericht gebracht und persönlich eingeworfen, während im Büro B K sämtliche fristgebundenen Schriftsätze - auch an das Gericht - vorab gefaxt und die Gerichtspost sodann per normaler Post (nach-) gesendet werde. Am Tag des Fristablaufs, dem 26. Mai 2015, habe der Prozessbevollmächtigte des Klägers aufgrund seiner Teilzeittätigkeit bereits um 12 Uhr das Büro verlassen und die zum damaligen Zeitpunkt im Büro M beschäftigte Kollegin H ausdrücklich gebeten, die auch Fristen enthaltende Post zu Gericht zu bringen. Tatsächlich habe dann die üblicherweise im Büro B K langjährig beschäftigte und nur zur Vertretung in M eingesetzte Verwaltungsangestellte W, die zuverlässig und regelmäßig geschult sei, die Schriftsätze im Fristenfach gefaxt, die im Gerichtspostfach befindlichen Schriftsätze, unter denen sich auch der Berufungsbegründungsschriftsatz in vorliegendem Verfahren befunden habe, per Post versandt und der Kollegin H mitgeteilt, sie habe die Fristen gefaxt und im Übrigen alles zur Post gegeben. Dementsprechend seien bei der abendlichen Kontrolle des Postausgangsfaxes durch die Kollegin H alle Fächer leer gewesen. In der Sache habe das Arbeitsgericht, das § 10 ATZ-TV nicht vollständig im Urteil zitiere, durch regelmäßiges Hin- und Herspringen zwischen Arbeitsvertrag und Betriebsvereinbarung unzulässig Anspruchsgrundlagen vermischt, obwohl der Anspruch schlicht vertraglich sei, wobei zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Voraussetzungen einer 7,2 %-igen Rentenminderung vorgelegen hätten. Abfindungen dienten nach ihrem Sinn und Zweck der Kompensation des Verlustes des Arbeitsplatzes und nicht einer möglichen wie auch immer ausfallenden Rentenminderung. Der Kläger weise die erforderlichen Rentenabschläge von überschlägig 250,00 Euro wegen des Rentenbeginns vor der Regelaltersrente auf. Es sei auch zu berücksichtigen, dass die Einbußen, die aus der kürzeren Dauer des Versicherungspflichtverhältnisses resultierten, nicht durch die Zahlung zusätzlicher Beträge ausgeglichen werden könnten und dass der Kläger bereits durch den Altersteilzeitvertrag Nachteile erlitten habe. Auch die Tarifvertragsparteien hätten den neuen gesetzlichen Änderungen in der Präambel durch erhebliche Differenzierungen, wann ein ungeminderter Rentenzugang vorliege, im Übrigen Rechnung getragen.

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Der Kläger beantragt,

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1. dem Kläger wird wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt,
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2. das Urteils des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach vom 05. März 2015 - 6 Ca 993/14 - wird abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 15.000,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten ab dem 01. Juli 2014 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Sie verteidigt das vom Kläger angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 01. Juli 2015, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 173 ff. d. A.) und trägt zweitinstanzlich - auch zum Antrag auf Wiedereinsetzung - im Wesentlichen vor,

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die Berufung sei bereits verfristet begründet worden und dem Kläger keine Wiedereinsetzung zu gewähren, da dieser Umstand auf ein Organisationsverschulden zurückzuführen sei, nachdem die vertretungsweise tätige Mitarbeiterin W nicht darauf hingewiesen worden sei, dass im Büro der Klägervertreter in M eine im Vergleich zu ihrer üblichen Praxis im Büro B K abweichende Handhabung der Gerichtspost üblich und zudem wegen eines damals herrschenden Poststreiks eine Übersendung per einfacher Post ohnehin nicht ausreichend gewesen sei. Das Arbeitsgericht habe § 10 ATZ-V zutreffend ausgelegt. Eventuelle Minderungen durch den Altersteilzeitvertrag seien nicht zu berücksichtigen. Die Abfindung habe klar eventuellen Rentenminderungen entgegenwirken sollen, die beim Kläger angesichts der deutlichen im Zusammenhang mit dem Arbeitsvertrag zu sehenden Regelungen in der GBV ATZ und dem TV FlexÜ nicht vorlägen.

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Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift vom 19. Januar 2016 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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A Die zulässige Berufung ist in der Sache nicht erfolgreich.

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I. Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b ArbGG statthafte Berufung ist zulässig.

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1. Der Zulässigkeit der Berufung steht die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nach § 66 Abs. 1 ArbGG nicht entgegen, obwohl der Berufungsbegründungsschriftsatz nicht bis zum Ablauf der Frist am 26. Mai 2015 bei Gericht eingegangen ist. Dem Kläger, der die für den Wiedereinsetzungsantrag erforderlichen Förmlichkeiten nach §§ 234, 236 ZPO eingehalten hat, ist gemäß § 233 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

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1.1. Nach § 233 ZPO ist einer Partei auf ihren Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn sie ohne ihr Verschulden die Frist zur Begründung der Berufung nicht eingehalten hat. Dabei steht nach § 85 Abs. 2 ZPO das Verschulden des Bevollmächtigten dem Verschulden der Partei gleich.

41

Eine Partei ist ohne ihr Verschulden verhindert, eine der in § 233 ZPO genannten Fristen einzuhalten, wenn der Säumige diejenige Sorgfalt aufgewendet hat, die von ihm verständigerweise erwartet werden konnte. Dabei ist auf die Person des Säumigen und die gesamten Umstände abzustellen. Hinsichtlich der Sorgfaltspflichten eines Prozessbevollmächtigten bedeutet dies, dass ein Verschulden entsprechend § 276 BGB dann zu verneinen ist, wenn er die von einem Rechtsanwalt üblicherweise zu fordernde Sorgfalt aufgewendet hat. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist daher nicht erst dann zu gewähren, wenn der Prozessbevollmächtigte trotz Aufwendung der äußersten nach Sachlage erforderlichen und zumutbaren Sorgfalt die Frist versäumt hat. Für die Annahme eines Verschuldens genügt es nicht, eine lediglich objektiv mögliche Sorgfalt zu beschreiben, durch die der Fehler hätte verhindert werden können. Vielmehr muss die Beachtung dieser Sorgfalt im Einzelfall auch zumutbar sein, dh. noch den nach der konkreten Sachlage zu stellenden Erwartungen entsprechen (BAG 07. November 2012 - 7 AZR 314/12 - Rn. 24 mwN, zitiert nach juris). Dabei ist zu berücksichtigen, dass das grundrechtsgleiche Recht auf rechtliches Gehör, das in Art. 103 Abs. 1 GG garantiert ist, in einem funktionellen Zusammenhang mit der Rechtsschutzgarantie steht. Die Gerichte dürfen durch ihre Auslegung und Anwendung des Prozessrechts den Beteiligten den Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren. Daher dürfen die Anforderungen daran, was der Betroffene veranlasst haben muss, um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erlangen, nicht überspannt werden (BVerfG 26. Februar 2008 - 1 BvR 2327/07 - Rn. 22 mwN, zitiert nach juris, BAG 07. November 2012 - 7 AZR 314/12 - Rn. 25 aaO).

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1.2. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand liegen vor, da die Prozessbevollmächtigten des Klägers nach diesen Grundsätzen keine Schuld an der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist trifft. Zu den Aufgaben eines Prozessbevollmächtigten gehört es, dafür Sorge zu tragen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig erstellt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Zu diesem Zweck muss der Prozessbevollmächtigte nicht nur sicherstellen, dass ihm die Akten von Verfahren, in denen Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsfristen laufen, rechtzeitig vorgelegt werden. Er muss vielmehr zusätzlich eine Ausgangskontrolle schaffen, durch die zuverlässig gewährleistet wird, dass fristwahrende Schriftsätze auch tatsächlich rechtzeitig hinausgehen (LAG Rheinland-Pfalz 12. Dezember 2007 - Rn. 37 - 7 Sa 570/07 - mwN, zitiert nach juris). Mit der Einlegung fristwahrender Schriftsätze in ein Postausgangsfach hat die Erreichung bei dem Adressaten nur begonnen, wenn diese Post anschließend unmittelbar zum Adressaten verbracht wird und bürointern das Postausgangsfach dann die "letzte Station" ist (BGH 09. September 1997 - IX ZB 80/97 - Rn. 10, LAG Köln 08. Mai 2009 - 4 Sa 1063/08 - Rn. 30, jeweils zitiert nach juris). Dem hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers vorliegend genüge getan, indem er den Berufungsbegründungsschriftsatz ins Gerichtspostfach als „letzte Station“ innerhalb des Büros eingelegt und die Kollegin H angesichts seiner persönlichen Abwesenheit am Nachmittag des 26. Mai 2015 darum gebeten hat, die im Gerichtspostfach befindlichen - auch fristgebundenen - Schriftsätze statt seiner zu Gericht zu bringen. Die Versäumung der Frist ist damit allein der Tatsache geschuldet, dass die vertretungsweise eingesetzte Verwaltungsbeschäftigte W versehentlich fristgebundene Schriftsätze aus dem Gerichtspostfach per Post übersandt hat, ohne zu kontrollieren, dass hierin tatsächlich keine fristgebundenen Schriftsätze enthalten sind. Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt angesichts seiner ausdrücklichen Bitte zur Verbringung der Post zum Gericht an die Kollegin kein Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten des Klägers vor. Die Tatsache, dass die Frist versäumt wurde, geht auf ein individuelles Versehen der geschulten und zuverlässigen Mitarbeiterin W zurück, ohne dass im Übrigen der von der Beklagten angeführte zeitgleich anhaltende Poststreik hierfür in irgendeiner Weise ursächlich geworden wäre. Dass der Fehler objektiv möglicherweise vermieden worden wäre, wenn ein vorab geführtes Gespräch zur Funktion der Postfächer im Büro M die Unterschiede zur Handhabung im Büro B K zu Tage gefördert hätte, kann angesichts der unter Berücksichtigung von Art. 103 Abs. 1 GG nicht zu überspannenden Anforderungen an das vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu Veranlassende dahinstehen.

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2. Anderweitige Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Berufung bestehen nicht, insbesondere hat der Kläger die Berufung hinreichend begründet, da er sich in der Berufungsbegründungsschrift hinreichend mit den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung auseinandergesetzt hat (§ 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 520 ZPO).

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II. Die Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass dem Kläger der geltend gemachte Abfindungsanspruch in Höhe von 15.000,00 Euro nicht zusteht.

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1. Der Kläger kann seinen Anspruch nicht auf die Regelungen der GBV ATZ idF. der Protokollnotiz GBV ATZ stützen.

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1.1. Die Bestimmungen der GBV ATZ vom 08. April 1999 idF. der § 77 Abs. 2 BetrVG entsprechenden Protokollnotiz GBV ATZ vom 29. November 2005 zur Zahlung einer Abfindung sind nicht bereits gemäß § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG unwirksam, nach dem Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein können. Zwar enthält der - zudem zwischen den beidseits tarifgebundenen Parteien anwendbare - Tarifvertrag zur Altersteilzeit vom 23. November 2004, geschlossen zwischen dem Verband der Metall- und Elektroindustrie Rheinland-Rheinhessen e.V. K und dem Verband der Pfälzischen Metall- und Elektroindustrie e.V. N/W einerseits und der IG Metall Bezirksleitung F andererseits (im Folgenden: TV ATZ Metall Rheinland-Rheinhessen-Pfalz) eigene Regelungen zur Gestaltung von Altersteilzeitverhältnissen. § 3 TV ATZ Rheinland-Rheinhessen-Pfalz eröffnet jedoch unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit der Einführung von Altersteilzeitregelungen durch freiwillige Betriebsvereinbarung, soweit das Altersteilzeitverhältnis einzelvertraglich unter Beachtung der Bestimmungen des Tarifvertrages und der Betriebsvereinbarung schriftlich vereinbart wird. Abweichende Regelungen zur Altersteilzeit können nach § 13 TV ATZ Rheinland-Rheinhessen-Pfalz im Wege der freiwilligen Betriebsvereinbarung ua. durch insgesamt wertgleiche Regelungen vereinbart werden. Dass die Abfindungsregelung der GBV ATZ idF. der Protokollnotiz ATZ den tarifvertraglichen Regelungen entgegenstehen oder von diesen wertfremd abweichen würde, ist weder vorgetragen, noch ersichtlich. Anderes ergibt sich auch nicht aus dem zwischen den gleichen Tarifpartnern abgeschlossenen Tarifvertrag zum flexiblen Übergang in die Rente (im Folgenden TV FlexÜ Rheinland-Rheinhessen-Pfalz), ausweislich dessen § 3 Abs. 4 Betriebsvereinbarungen zur Altersteilzeit, wie die vorliegend in Rede stehende, die am 31. Dezember 2009 Bestand hatten, auf der Basis der bis dahin geltenden tarifvertraglichen Bestimmungen unverändert fortgeführt werden und die Regelungen des TV FlexÜ Rheinland-Rheinhessen-Pfalz verdrängen.

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1.2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung der begehrten Abfindung nach der GBV ATZ idF. der Protokollnotiz GBV ATZ. Dies ergibt eine Auslegung der betriebsverfassungsrechtlichen Bestimmungen.

48

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Berufungskammer anschließt, sind Betriebsvereinbarungen wegen ihres normativen Charakters nach den für Tarifverträge und Gesetze geltenden Regeln auszulegen. Auszugehen ist dabei vom Wortlaut der Bestimmung und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei unbestimmtem Wortsinn sind der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (BAG 18. September 2012, Rn. 55, mwN, vgl. 10. November 2015 - 3 AZR 576/14 - zitiert nach juris).

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b) Der Wortlaut der Protokollnotiz GBV ATZ sieht vorliegend zwar zunächst vor, dass jeder Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis auf Wunsch des Arbeitgebers mit Vollendung des 63. Lebensjahresaus zum Ende der Altersteilzeitruhephase endet, eine Abfindung in Höhe von 15.000,00 Euro beanspruchen können soll. In der Folge regelt die Protokollnotiz GBV ATZ jedoch eindeutig, dass weitere Voraussetzung für jeglichen Abfindungsanspruch grundsätzlich das Vorliegen von Rentenabschlägen ist und daher ohne derartige Abschläge ein Abfindungsanspruch ausgeschlossen ist. Für diese Auslegung sprechen auch der Gesamtzusammenhang und der Sinn und Zweck der Regelung. Die Fallgestaltungen der Protokollnotiz GBV ATZ sehen einen Abfindungsanspruch für eine vorzeitige Inanspruchnahme von Rentenansprüchen vor, die mit einer entsprechenden Kürzung der Rente („Rentenabschläge“) verbunden sind. Die Abfindung dient damit nach ihrem Sinn und Zweck ersichtlich der Kompensation von Renteneinbußen, die der Arbeitnehmer durch den vorzeitigen Renteneintritt durch Rentenabschläge erleidet (ähnlich zu § 5 Abs. 7 TV ATZ- LBV: LAG Schleswig-Holstein 19. Mai 2015 - 1 Sa 370 b/14 - Rn. 84 ff., Rn. 66 ff, zitiert nach juris). Dies haben die Betriebspartner durch die Formulierung, dass Rentenabschläge grundsätzlich Voraussetzung für den Abfindungsanspruch sein sollen, deutlich klargestellt. Auch die Parteien sind offensichtlich davon ausgegangen, dass zu erwartende Rentenabschläge des Klägers von Interesse sind, da der Kläger eine entsprechende Rentenauskunft vom 14. November 2008 eingeholt und der Beklagten vorgelegt hat. Anhaltspunkte dafür, dass die Abfindung (auch) für den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlt werden soll - wie dies beispielsweise die Formulierung in § 9 TV ATZ Metall Rheinland-Rheinhessen-Pfalz nahelegt, finden sich in der freiwilligen betrieblichen Regelung ebenso wenig wie solche, die dafür sprechen könnten, dass die Abfindung die - wie der Kläger meint: bestehenden - allgemeinen „Nachteile“ des früheren Ausscheidens aus dem Arbeitsleben im Rahmen der verblockten Altersteilzeit ausgleichen soll. Damit erfüllt der Kläger die Voraussetzungen für den Bezug einer Abfindung iSd. GBV ATZ idF. Protokollnotiz GBV ATZ nicht, da er infolge Inanspruchnahme einer abschlagsfreien Altersrente für besonders langjährig Versicherte nach § 236 b SGB VI seit dem 01. Juli 2014 Rentenabschläge bei allein maßgeblichem Renteneintritt unstreitig nicht erleidet. Soweit der Kläger meint, er weise die erforderlichen Rentenabschläge nach den genannten Regelungen bereits wegen des Rentenbeginns vor der Regelaltersrente und wegen der Einbußen infolge der kürzeren Dauer des Versicherungspflichtverhältnisses auf, vermochte die Berufungskammer sich dieser Auffassung vor dem Hintergrund des Auslegungsergebnisses nicht anzuschließen. Unabhängig davon, dass Zweifel am Bestehen tatsächlicher finanzieller Einbußen durch den früheren, jedoch dadurch potentiell auch längeren Rentenbezug bestehen, spricht schon der eindeutige Wortlaut der betriebsverfassungsrechtlichen Bestimmung dagegen, auch andere Einbußen unter den Begriff „Rentenabschläge“ zu fassen.

50

2. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung einer Abfindung auch nicht nach § 10 ATZ-V zu. Diese Regelung gibt nur wieder, was aufgrund der GBV ATZ idF. der Protokollnotiz GBV ATZ für das Arbeitsverhältnis der Parteien ohnehin gilt. § 10 ATZ-V stellt lediglich einen Hinweis auf die betriebsverfassungsrechtlichen Regelungen dar, ohne dass ihm ein abweichender rechtsgeschäftlicher Regelungsgehalt zukäme.

51

2.1. Bei den von der Beklagten nicht lediglich für den Fall des Klägers verwendeten Regelungen des Vertrages über eine verblockte Altersteilzeit der Parteien und damit auch bei § 10 ATZ-V handelt es sich bereits nach ihrem äußeren Erscheinungsbild - wie von den Parteien in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer ausdrücklich klargestellt - um Allgemeine Geschäftsbedingungen (§ 305 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB). Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (BAG 18. Februar 2014 - 9 AZR 821/12 - Rn. 20; 5. März 2013 - 1 AZR 417/12 - Rn. 59 mwN; vgl. auch 16. Dezember 2015 - 5 AZR 567/14 - Rn. 12, mwN, jeweils zitiert nach juris). Diese Grundsätze sind auch für die Frage anzuwenden, ob der Verwender nur eine beschreibende Aussage gemacht oder eine Willenserklärung mit Rechtsbindungswillen abgegeben hat (vgl. BAG 18. Februar 2014 - 9 AZR 821/12 - Rn. 20; 18. Mai 2010 - 3 AZR 373/08 - Rn. 53, aaO).

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2.2. Es kann dahinstehen, ob die Parteien durch die Formulierungen in § 10 ATZ-V lediglich auf die Regelungen der GBV ATZ idF. der Protokollnotiz hinweisen wollten oder ob es sich um eine konstitutive Bezugnahme der betriebsverfassungsrechtlichen Bestimmungen handelt. Da die arbeitsvertragliche Klausel mit Ausnahme der ausdrücklichen Erwähnung der Höhe des Anspruchs in § 10 Abs. 2 ATZ-V vollständig auf die Regelungen der GB -ATZ und die der Protokollnotiz GBV ATZ entsprechenden Ziff. 16 Arbeitspapier ATZ verwiesen haben, sollte § 10 ATZ-V jedenfalls inhaltlich keine andere Bedeutung zukommen als den kollektivrechtlichen Vorschriften. Ein durchschnittlicher Arbeitnehmer, dem eine Vertragsklausel vorgelegt wird, die weitgehend auf den Inhalt einer Betriebsvereinbarung verweist und sie im Übrigen wortgleich wiederholt, muss grundsätzlich davon ausgehen, dass der Klausel dieselbe Bedeutung zukommen soll, wie sie die kollektive Regelung hat (BAG 18. Februar 2014 - 9 AZR 821/12 - Rn. 21, zitiert nach juris).

53

2.3. Danach kann der Kläger aus den bereits dargelegten Gründen die geltend gemachte Abfindung nach Auffassung der Berufungskammer nicht beanspruchen. Selbst wenn man - angesichts des Regelungskonzeptes der Betriebspartner und damit auch der Parteien anders als die Berufungskammer - annehmen wollte, dass die arbeitsvertragliche Bestimmung in § 10 ATZ-V eine planwidrige Regelungslücke enthält, weil zum Zeitpunkt des Abschlusses der Protokollnotiz GBV ATZ die erst zum 01. Juli 2014 eröffnete Möglichkeit der vorzeitigen Inanspruchnahme einer Altersrente nach § 236 b SGB VI nicht bestanden hat, könnte eine solche Regelungslücke jedenfalls nicht zu Gunsten des Klägers geschlossen werden.

54

a) Weist ein vorformulierter Vertrag unter Zugrundelegung des Regelungskonzepts der Parteien eine Lücke auf, die geschlossen werden muss, um den Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen, und beruht eine solche Lücke - wie unterstellt hier - nicht auf AGB-rechtlichen Einbeziehungs- oder Inhaltskontrollschranken, ist nach allgemeiner Meinung eine ergänzende Vertragsauslegung zulässig. Die ergänzende Auslegung hat unter Zugrundelegung eines objektiv-generalisierenden Maßstabs zu erfolgen, der nicht am Willen und den Interessen der konkret beteiligten Parteien, sondern der typischerweise beteiligten Verkehrskreise ausgerichtet sein muss. Die Vertragsergänzung muss für den betroffenen Vertragstyp als allgemeine Lösung eines stets wiederkehrenden Interessengegensatzes angemessen sein. Maßgeblich ist, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Parteien vereinbart hätten. Lassen sich nach diesen Kriterien hinreichende Anhaltspunkte für einen hypothetischen Parteiwillen nicht finden, etwa weil mehrere gleichwertige Möglichkeiten der Lückenschließung in Betracht kommen, scheidet eine ergänzende Vertragsauslegung grundsätzlich aus. So sind die Vertragsparteien vor einer mit dem Grundsatz der Privatautonomie nicht zu vereinbarenden Auswahl der Möglichkeit der Lückenschließung durch das Gericht nach dessen eigenen Kriterien geschützt (BAG 25. Juni 2015 - 6 AZR 383/14 Rn. 39, mwN, zitiert nach juris).

55

b) Selbst bei unterstelltem Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke kommt nach diesen Grundsätzen deren Schließung durch die Gewährung des vom Kläger geltend gemachten Abfindungsanspruchs nicht in Betracht. Ersichtlich haben sich die Betriebsparteien und ihnen folgend auch die Parteien des Arbeitsvertrags in Anbetracht der Öffnungsklausel nach § 13 TV ATZ Metall Rheinland-Rheinhessen-Pfalz und der Anrechnungsvereinbarung in § 10 Abs. 2 ATZ-V zur tarifvertraglichen Abfindung gemäß § 9 TV ATZ Metall Rheinland-Rheinhessen-Pfalz an den Regelungszielen der Tarifvertragsparteien orientiert. Bei der Ermittlung des hypothetischen Willens der Parteien ist daher davon auszugehen, dass diese, wenn ihnen bei Vertragsschluss die Möglichkeit der vorzeitigen Inanspruchnahme einer abschlagsfreien Altersrente nach § 236 b SGB VI bekannt gewesen wäre, eine der Regelung der Tarifpartner vergleichbare Lösung für diese Form der Altersrente gefunden hätten. Die Tarifvertragsparteien habe im Hinblick auf § 236 b SGB VI einen Anpassungstarifvertrag in Ergänzung der regionalen Tarifverträge zum flexiblen Übergang in die Rente vom 04. Juni 2014 (im Folgenden ATV FlexÜ) geschlossen, dessen § 3 mit Wirkung zum 30. Juni 2014 ausdrücklich vorsieht, dass der Altersrentenzugang gemäß § 236 b SGB VI einen ungeminderter Rentenzugang im Sinne der tariflichen Abfindungsregelungen darstellt und damit eine tarifliche Abfindung ausschließt. Vor diesem Hintergrund ist - auch bei unterstellter planwidriger Regelungslücke - davon auszugehen, dass auch die Arbeitsvertragsparteien die vom Kläger in Anspruch genommene Rente nicht als abfindungsauslösend hätten betrachten wollen.

56

3. Der Klage kann nicht unter Berücksichtigung tariflicher Anspruchsgrundlagen stattgegeben werden, da ein Abfindungsanspruch auf tarifrechtlicher Grundlage vorliegend nicht Streitgegenstand ist. Der Kläger hat im Rahmen seiner Berufungsbegründung klargestellt, dass er vorliegend einen vertraglichen Anspruch verfolgt. Auch wenn die Berufungskammer den Prozessvortrag des Klägers noch dahingehend ausgelegt hat, dass er hinsichtlich seines Abfindungsanspruchs auch auf betriebsverfassungsrechtliche Vorschriften zurückgreifen will, nachdem die arbeitsvertragliche Regelung in § 10 ATZ-V ohne die kollektivrechtlichen Bestimmungen nicht denkbar ist, fehlen jegliche Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger darüber hinausgehend einen von anderen, weder dem Grunde, noch der Höhe nach dargelegten Voraussetzungen abhängigen tarifvertraglichen Abfindungsanspruch nach § 9 TV ATZ Metall Rheinland-Rheinhessen-Pfalz geltend machen wollte. Darauf, dass aus den dargestellten Gründen nach § 3 ATV FlexÜ ein tariflicher Abfindungsanspruch wegen eines ungeminderten Rentenzugangs des Klägers ohnehin ausscheiden würde, kam es daher nicht entscheidungserheblich an.

57

B Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

58

Gründe die eine Zulassung der Revision iSd § 72 Abs. 2 ArbGG veranlasst hätten, bestehen nicht.

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(1) Versicherte haben Anspruch auf Altersrente, wenn sie

1.
vor dem 1. Januar 1952 geboren sind,
2.
das 60. Lebensjahr vollendet haben,
3.
entweder
a)
bei Beginn der Rente arbeitslos sind und nach Vollendung eines Lebensalters von 58 Jahren und 6 Monaten insgesamt 52 Wochen arbeitslos waren oder Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus bezogen haben
oder
b)
die Arbeitszeit aufgrund von Altersteilzeitarbeit im Sinne der §§ 2 und 3 Abs. 1 Nr. 1 des Altersteilzeitgesetzes für mindestens 24 Kalendermonate vermindert haben,
4.
in den letzten zehn Jahren vor Beginn der Rente acht Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben, wobei sich der Zeitraum von zehn Jahren um Anrechnungszeiten, Berücksichtigungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente aus eigener Versicherung, die nicht auch Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit sind, verlängert, und
5.
die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt haben.

(2) Anspruch auf diese Altersrente haben auch Versicherte, die

1.
während der Arbeitslosigkeit von 52 Wochen nur deshalb der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung standen, weil sie nicht arbeitsbereit waren und nicht alle Möglichkeiten nutzten und nutzen wollten, um ihre Beschäftigungslosigkeit zu beenden,
2.
nur deswegen nicht 52 Wochen arbeitslos waren, weil sie im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit mit Entschädigung für Mehraufwendungen nach dem Zweiten Buch eine Tätigkeit von 15 Stunden wöchentlich oder mehr ausgeübt haben, oder
3.
während der 52 Wochen und zu Beginn der Rente nur deswegen nicht als Arbeitslose galten, weil sie erwerbsfähige Leistungsberechtigte waren, die nach Vollendung des 58. Lebensjahres mindestens für die Dauer von zwölf Monaten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende bezogen haben, ohne dass ihnen eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung angeboten worden ist.
Der Zeitraum von zehn Jahren, in dem acht Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vorhanden sein müssen, verlängert sich auch um
1.
Arbeitslosigkeitszeiten nach Satz 1,
2.
Ersatzzeiten,
soweit diese Zeiten nicht auch Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit sind. Vom 1. Januar 2008 an werden Arbeitslosigkeitszeiten nach Satz 1 Nr. 1 nur berücksichtigt, wenn die Arbeitslosigkeit vor dem 1. Januar 2008 begonnen hat und die Versicherten vor dem 2. Januar 1950 geboren sind.

(3) Die Altersgrenze von 60 Jahren wird bei Altersrenten wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit für Versicherte, die nach dem 31. Dezember 1936 geboren sind, angehoben. Die vorzeitige Inanspruchnahme einer solchen Altersrente ist möglich. Die Anhebung der Altersgrenzen und die Möglichkeit der vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrenten bestimmen sich nach Anlage 19.

(4) Die Altersgrenze von 60 Jahren bei der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit wird für Versicherte, die

1.
bis zum 14. Februar 1941 geboren sind und
a)
am 14. Februar 1996 arbeitslos waren oder Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus bezogen haben oder
b)
deren Arbeitsverhältnis aufgrund einer Kündigung oder Vereinbarung, die vor dem 14. Februar 1996 erfolgt ist, nach dem 13. Februar 1996 beendet worden ist,
2.
bis zum 14. Februar 1944 geboren sind und aufgrund einer Maßnahme nach Artikel 56 § 2 Buchstabe b des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS-V), die vor dem 14. Februar 1996 genehmigt worden ist, aus einem Betrieb der Montanindustrie ausgeschieden sind oder
3.
vor dem 1. Januar 1942 geboren sind und 45 Jahre mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben, wobei § 55 Abs. 2 nicht für Zeiten anzuwenden ist, in denen Versicherte wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Arbeitslosengeld II versicherungspflichtig waren, wie folgt angehoben:

Versicherte
Geburtsjahr
Geburtsmonat
Anhebung
um
Monate
auf Altervorzeitige
Inanspruchnahme
möglich
ab Alter
JahrMonatJahrMonat
vor 19410600600
1941
Januar-April1601600
Mai-August2602600
September-Dezember3603600
1942
Januar-April4604600
Mai-August5605600
September-Dezember6606600
1943
Januar-April7607600
Mai-August8608600
September-Dezember9609600
1944
Januar-Februar106010600

Einer vor dem 14. Februar 1996 abgeschlossenen Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses steht eine vor diesem Tag vereinbarte Befristung des Arbeitsverhältnisses oder Bewilligung einer befristeten arbeitsmarktpolitischen Maßnahme gleich. Ein bestehender Vertrauensschutz wird insbesondere durch die spätere Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses oder den Eintritt in eine neue arbeitsmarktpolitische Maßnahme nicht berührt.

(5) Die Altersgrenze von 60 Jahren für die vorzeitige Inanspruchnahme wird für Versicherte,

1.
die am 1. Januar 2004 arbeitslos waren,
2.
deren Arbeitsverhältnis aufgrund einer Kündigung oder Vereinbarung, die vor dem 1. Januar 2004 erfolgt ist, nach dem 31. Dezember 2003 beendet worden ist,
3.
deren letztes Arbeitsverhältnis vor dem 1. Januar 2004 beendet worden ist und die am 1. Januar 2004 beschäftigungslos im Sinne des § 138 Abs. 1 Nr. 1 des Dritten Buches waren,
4.
die vor dem 1. Januar 2004 Altersteilzeitarbeit im Sinne der §§ 2 und 3 Abs. 1 Nr. 1 des Altersteilzeitgesetzes vereinbart haben oder
5.
die Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus bezogen haben,
nicht angehoben. Einer vor dem 1. Januar 2004 abgeschlossenen Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses steht eine vor diesem Tag vereinbarte Befristung des Arbeitsverhältnisses oder Bewilligung einer befristeten arbeitsmarktpolitischen Maßnahme gleich. Ein bestehender Vertrauensschutz wird insbesondere durch die spätere Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses oder den Eintritt in eine neue arbeitsmarktpolitische Maßnahme nicht berührt.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten.

(2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Prozesshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. Die Vorschriften der §§ 827 und 828 finden entsprechende Anwendung.

(2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.

(3) Die Haftung wegen Vorsatzes kann dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 24. Februar 2012 - 3 Sa 552/10 - aufgehoben, soweit es die gegen die Abweisung des Klagantrags zu 4. gerichtete Berufung des Klägers als unzulässig verworfen hat.

Im Umfang der Aufhebung wird dem Kläger gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Wiedereinstellungsanspruch.

2

Der Kläger war seit dem 11. September 1977 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängern in einem Arbeitsverhältnis tätig. Ab dem 1. Oktober 1999 war er im Zusammenhang mit der Ausgliederung des Breitbandkabelgeschäfts zur K D GmbH bei dieser beschäftigt und von der Beklagten beurlaubt. Am 30. April 2005 schlossen die Parteien einen Aufhebungsvertrag. Danach wurde das Arbeitsverhältnis einvernehmlich zum 31. Dezember 2005 beendet, um den Abschluss eines Arbeitsvertrages mit der K D Vertrieb & Service GmbH & Co. KG S zu ermöglichen. Zuletzt bestand das Arbeitsverhältnis zur K D Vertrieb & Service GmbH & Co. KG (KDVS).

3

Gleichzeitig regelte der Aufhebungsvertrag mit der Beklagten ein Rückkehrrecht des Klägers zur Beklagten auf der Grundlage einer „Schuldrechtlichen Vereinbarung“, die am 8. April 2005 zwischen der Beklagten, mehreren Kabelgesellschaften, darunter auch der KDVS, und dem Bundesvorstand der Gewerkschaft ver.di geschlossen wurde. Nachdem die KDVS das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 9. Dezember 2008 zum 31. Juli 2009 gekündigt hatte, berief sich der Kläger gegenüber der Beklagten auf sein Rückkehrrecht. Diese reagierte darauf nicht. Gegen die Kündigung erhob der Kläger rechtzeitig Kündigungsschutzklage. Das Verfahren endete mit einem Vergleich, nach dem die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Juli 2009 bestehen blieb.

4

Mit seiner Klage hat der Kläger sein Rückkehrrecht gerichtlich weiterverfolgt.

5

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass ihm ein Rückkehrrecht zur Beklagten aufgrund des Auflösungsvertrages vom 30. April 2005 iVm. der Anlage (Schuldrechtliche Vereinbarung vom 8. April 2005) zum 1. August 2009 zusteht;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, ihn im gelernten Beruf als Facharbeiter für Nachrichtentechnik im Betrieb im Raum D zu betriebsüblichen Bedingungen mit Wirkung zum 1. August 2009 wieder einzustellen, wobei er hinsichtlich der zu vereinbarenden Arbeitsvertragsbedingungen und anzuwendenden tariflichen Regelungen so gestellt wird, als wäre er ohne Unterbrechung bei der Beklagten seit 1977 durchgehend beschäftigt worden;

        

3.    

die Beklagte zu verurteilen, ihn im gelernten Beruf als Facharbeiter für Nachrichtentechnik zu unveränderten Arbeitsbedingungen im Betrieb im Raum D mit Wirkung vom 1. August 2009 weiter zu beschäftigen, wobei er hinsichtlich der zu vereinbarenden Arbeitsvertragsbedingungen und anzuwendenden tariflichen Regelungen so gestellt wird, als wäre er ohne Unterbrechung bei der Beklagten seit 1977 durchgehend beschäftigt worden;

        

4.    

hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, ihm mit Wirkung vom 1. August 2009 ein Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrages zu unterbreiten, wonach er als vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer in Vergütungsgruppe T 3 Stufe 4 nach § 10 des Entgeltrahmentarifvertrages zu beschäftigen ist und die Tarifverträge der T AG in ihrer jeweiligen Fassung als unmittelbar zwischen den Parteien vereinbart gelten.

6

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

7

Mit Urteil vom 30. Juli 2010 hat das Arbeitsgericht die Klage hinsichtlich der Anträge zu 1. und 2. als unzulässig und im Übrigen als unbegründet abgewiesen. Das Urteil ist dem Kläger am 12. August 2010 zugestellt worden. Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt. Die Berufungsschrift ist am 8. September 2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangen. Auf Antrag des Klägers vom 29. September 2010 hat das Landesarbeitsgericht mit Beschluss vom 30. September 2010 die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 11. November 2010 verlängert. Der Beschluss schließt mit dem Satz: „Eine nochmalige Verlängerung ist nicht möglich.“

8

Mit Schriftsatz vom 10. November 2010 hat die seinerzeitige Prozessbevollmächtigte des Klägers unter Bezugnahme auf ein geführtes Telefonat vom selben Tage mit der Vertreterin des Vorsitzenden der zuständigen Kammer eine Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung bis einschließlich 25. November 2010 wegen Erkrankung beantragt. Mit diesem Antrag hat sie ein vom Prozessbevollmächtigten der Beklagten unterschriebenes Anschreiben vorgelegt, wonach „diesseits mit dem zweiten Fristverlängerungsantrag der Berufungsbegründungsfrist um zwei Wochen, dh. bis zum 25.11.2010, Einverständnis besteht“. Daraufhin hat die Vertreterin des Vorsitzenden die Frist zur Begründung der Berufung durch Beschluss vom 11. November 2010 antragsgemäß bis zum 25. November 2010 verlängert. Auch dieser Beschluss enthält die Aussage, eine nochmalige Verlängerung der Frist sei nicht möglich. Die Berufungsbegründung des Klägers ist am 25. November 2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangen.

9

Mit Beschluss vom 16. August 2011, der dem Kläger am 19. August 2011 zu Händen seiner Prozessbevollmächtigten zugestellt worden ist, hat das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, die Frist zur Berufungsbegründung sei nicht eingehalten. Die zweite Fristverlängerung sei wegen Verstoßes gegen § 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG nichtig. Hierauf hat der Kläger mit Schriftsatz seiner nunmehrigen Prozessbevollmächtigten, der am 19. September 2011 beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist, beantragt, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren. Das hat er auf eine seelische Erkrankung seiner früheren Prozessbevollmächtigten gestützt. Er hat dazu eidesstattliche Versicherungen der früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers und des mit ihr in Kanzleigemeinschaft tätigen Ehemanns im Original sowie in Ablichtung eine auf den 10. März 2011 datierte ärztliche Stellungnahme des Assistenzarztes Dr. med. B im Department für Psychische Gesundheit, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in L, die dieser für das Versorgungswerk der Rechtsanwälte in B erstellt hat, und einen Bescheid der Rechtsanwaltskammer Sachsen vom 4. Mai 2011, wonach der seinerzeitige Ehemann der früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers wegen deren andauernder Erkrankung zu ihrem amtlich bestellten Vertreter bestellt wurde, vorgelegt.

10

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung nach mündlicher Verhandlung durch Urteil als unzulässig verworfen. Es hat dies zum einen darauf gestützt, dass die Berufungsbegründung nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist eingegangen sei. Eine zweifache Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist sei unzulässig und rechtlich unerheblich. Den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat das Landesarbeitsgericht abgewiesen. Hinsichtlich der Hauptanträge des Klägers hat das Landesarbeitsgericht die Berufung zudem deshalb als unzulässig verworfen, weil sich die Berufungsbegründung auch inhaltlich nicht mit tragenden Argumenten des Arbeitsgerichts hinsichtlich dieser Anträge auseinandergesetzt hatte.

11

Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seinen zu 4. gestellten Hilfsantrag weiter. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist zulässig und begründet. Sie führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht.

13

A. Die Revision ist zulässig, insbesondere statthaft. Das Landesarbeitsgericht hat durch Urteil nach mündlicher Verhandlung entschieden. Das ist gemäß § 522 Abs. 1 ZPO iVm. § 66 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 ArbGG zulässig. Nach dieser Vorschrift kann das Landesarbeitsgericht als Berufungsgericht über die Verwerfung der Berufung zwar durch Beschluss - und damit außerhalb der mündlichen Verhandlung (§ 128 Abs. 4 ZPO) - entscheiden, es muss dies aber nicht, kann also auch durch Urteil entscheiden. Nur wenn eine mündliche Verhandlung unterbleibt, ergeht die Entscheidung deshalb durch Beschluss, den der Vorsitzende erlässt (§ 66 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 ArbGG; vgl. HWK/Kalb 5. Aufl. § 66 ArbGG Rn. 21; Schwab/Weth/Schwab ArbGG 3. Aufl. § 66 Rn. 87; aA entgegen dem Gesetzeswortlaut GMP/Germelmann 7. Aufl. § 66 Rn. 43: Entscheidung durch Beschluss des Vorsitzenden auch bei mündlicher Verhandlung). Ergeht danach die Entscheidung - wie hier - durch Urteil, richtet sich die Statthaftigkeit des Rechtsmittels auch nach den für Urteile geltenden Regeln. Danach ist hier im Hinblick auf die Zulassung durch das Landesarbeitsgericht die Revision statthaft (§ 72 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, Abs. 3 ArbGG).

14

B. Die Revision ist begründet und führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht. Zu Recht ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger die Frist zur Begründung der Berufung versäumt hat. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht dem Kläger hinsichtlich des Hilfsantrages keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt und deshalb die Berufung als unzulässig verworfen. Dem Kläger ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist hinsichtlich des in der Revision allein noch anhängigen zu 4. gestellten Hilfsantrages zu gewähren. Mangels Feststellungen in der Sache selbst ist der Rechtsstreit insoweit an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.

15

I. Der Kläger hat die Frist zur Begründung der Berufung versäumt.

16

1. Das arbeitsgerichtliche Urteil wurde dem Kläger am 12. August 2010 zugestellt. Die zweimonatige Frist zur Begründung der Berufung lief daher mit dem 12. Oktober 2010 ab (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ArbGG, § 221 ZPO iVm. § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB).

17

2. Diese Frist hat das Landesarbeitsgericht durch seinen ersten Beschluss vom 30. September 2010 nach § 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG wirksam bis zum 11. November 2010 verlängert. Der nach dieser Bestimmung erforderliche Antrag des Klägers stammt vom 29. September 2010 und ging innerhalb der gesetzlichen Frist zur Begründung der Berufung und damit rechtzeitig beim Landesarbeitsgericht ein (vgl. BAG 4. Juni 2003 - 10 AZR 586/02 - zu I 1 der Gründe, AP InsO § 209 Nr. 2 = EzA InsO § 209 Nr. 1).

18

3. Demgegenüber war die weitere Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist durch Beschluss vom 11. November 2010 bis zum 25. November 2010 unwirksam.

19

Nach § 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG kann die Frist zur Begründung der Berufung „einmal“ auf Antrag verlängert werden. Aufgrund einer bewussten Entscheidung des historischen Gesetzgebers (dazu BT-Drucks. 8/1567 S. 34) weicht diese Regelung von der entsprechenden Regelung in der Zivilprozessordnung ab. Nach § 520 Abs. 2 ZPO ist die Verlängerung der Frist zur Begründung der Berufung bei Einwilligung des Gegners ohne Einschränkungen und damit auch mehrfach möglich. Eine mehrfache Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist ist im arbeitsgerichtlichen Verfahren deshalb unwirksam (BAG 13. September 1995 - 2 AZR 855/94 - zu II 2 der Gründe mwN, AP ArbGG 1979 § 66 Nr. 12 = EzA ArbGG 1979 § 66 Nr. 22). Dass der Beklagtenvertreter der mehrfachen Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist zugestimmt hat, steht dem wegen der Unterschiedlichkeit der Rechtslage zwischen dem Arbeitsgerichtsgesetz und der Zivilprozessordnung nicht entgegen (vgl. Schwab/Weth/Schwab § 66 Rn. 83).

20

4. Die Begründung der Berufung ist erst am 25. November 2010, und damit nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist am 11. November 2010 und damit verspätet beim Landesarbeitsgericht eingegangen.

21

II. Rechtsfehlerhaft ist das Landesarbeitsgericht jedoch davon ausgegangen, dass dem Kläger auf seinen Antrag keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren war. Die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung liegen vor.

22

1. Das Landesarbeitsgericht hat dem Kläger mit fehlerhafter Begründung die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand versagt.

23

a) Nach § 233 ZPO ist einer Partei auf ihren Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn sie ohne ihr Verschulden ua. die Frist zur Begründung der Berufung nicht eingehalten hat. Dabei steht nach § 85 Abs. 2 ZPO das Verschulden des Bevollmächtigten dem Verschulden der Partei gleich.

24

Eine Partei ist ohne ihr Verschulden verhindert, eine der in § 233 ZPO genannten Fristen einzuhalten, wenn der Säumige diejenige Sorgfalt aufgewendet hat, die von ihm verständigerweise erwartet werden konnte. Dabei ist auf die Person des Säumigen und die gesamten Umstände abzustellen. Hinsichtlich der Sorgfaltspflichten eines Prozessbevollmächtigten bedeutet dies, dass ein Verschulden entsprechend § 276 BGB dann zu verneinen ist, wenn er die von einem Rechtsanwalt üblicherweise zu fordernde Sorgfalt aufgewendet hat. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist daher nicht erst dann zu gewähren, wenn der Prozessbevollmächtigte trotz Aufwendung der äußersten nach Sachlage erforderlichen und zumutbaren Sorgfalt die Frist versäumt hat (vgl. BAG 8. Juni 1982 - 7 AZB 3/82 - zu II 2 der Gründe mwN, AP ZPO 1977 § 233 Nr. 6 = EzA ZPO § 233 Nr. 3). Für die Annahme eines Verschuldens genügt es nicht, eine lediglich objektiv mögliche Sorgfalt zu beschreiben, durch die der Fehler hätte verhindert werden können. Vielmehr muss die Beachtung dieser Sorgfalt im Einzelfall auch zumutbar sein, dh. noch den nach der konkreten Sachlage zu stellenden Erwartungen entsprechen (vgl. BGH 22. November 1984 - VII ZR 160/84 - zu 2 a der Gründe mwN, NJW 1985, 1710).

25

Dabei ist zu berücksichtigen, dass das grundrechtsgleiche Recht auf rechtliches Gehör, das in Art. 103 Abs. 1 GG garantiert ist, in einem funktionellen Zusammenhang mit der Rechtsschutzgarantie steht. Die Gerichte dürfen durch ihre Auslegung und Anwendung des Prozessrechts den Beteiligten den Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren. Daher dürfen die Anforderungen daran, was der Betroffene veranlasst haben muss, um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erlangen, nicht überspannt werden (BVerfG 26. Februar 2008 - 1 BvR 2327/07 - Rn. 22 mwN, NJW 2008, 2167).

26

b) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Rechtsirrtum der vormaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers sei nicht unvermeidbar gewesen. Auch wenn zu Gunsten des Klägers unterstellt würde, die vormalige Prozessbevollmächtigte des Klägers sei aufgrund einer psychischen Erkrankung nicht mehr zu einer vertieften selbständigen Prüfung der Rechtslage in der Lage gewesen, so hätte sie - so das Landesarbeitsgericht - doch aufgrund des Inhalts des ersten Beschlusses des Landesarbeitsgerichts vom 30. September 2010 erkennen müssen, dass eine nochmalige Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nicht in Betracht komme. Sie habe sich daher ohne vertiefte Prüfung der Rechtslage durch einen Blick in § 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG Klarheit verschaffen können. Dass ihr einfache Überlegungen aufgrund ihrer Erkrankung unmöglich gewesen seien, habe der Kläger nicht behauptet. Vielmehr ergebe sich aus der eidesstattlichen Versicherung der früheren Prozessbevollmächtigten, dass sie in der Lage gewesen sei, unter Fristendruck in Einzelfällen noch inhaltliche Schriftsätze zu fertigen. Sie habe auch die verspätet eingegangene Berufungsbegründung tatsächlich gefertigt.

27

Der Rechtsirrtum sei auch nicht entschuldbar. Ein Rechtsanwalt müsse die Gesetze kennen. Aus dem Umstand, dass die frühere Prozessbevollmächtigte es überhaupt für möglich hielt, die Berufungsbegründungsfrist um ein weiteres Mal zu verlängern, sei zu schließen, dass ihr nicht bekannt gewesen sei, dass die Berufungsbegründungsfrist nach dem Arbeitsgerichtsgesetz nur einmal verlängert werden könne. Es seien keine Tatsachen vorgetragen, die belegen, dass die Prozessbevollmächtigte krankheitsbedingt dermaßen eingeschränkt gewesen sei, dass sie aus diesem Grund die ihr eigentlich bekannte Vorschrift nicht habe interpretieren können.

28

Eventuelle Fehler des Gerichts seien unerheblich. Sie seien nicht die alleinige Ursache für die Fristversäumung. Diese beruhten vielmehr maßgeblich darauf, dass die frühere Prozessbevollmächtigte die einschlägige Verfahrensvorschrift nicht kannte bzw. sie nicht erinnerte und zudem den Hinweis im ersten Beschluss nicht beachtet habe. Ohne diese Fehler wäre es - so das Landesarbeitsgericht - zu den Fehlern des Gerichts nicht gekommen. Dass gerichtliche Fehler die frühere Prozessbevollmächtigte in ihrem Irrtum bestärkt hätten, spiele daher keine entscheidende Rolle.

29

Zudem liege im vorliegenden Fall ein Organisationsverschulden vor. Im Fristenkalender habe ein Hinweis dahingehend angebracht werden müssen, dass eine nochmalige Fristverlängerung ausgeschlossen sei.

30

c) Diese Begründung wird entgegen den einfachgesetzlichen Vorgaben den vorgetragenen Umständen des Einzelfalles nicht gerecht und überspannt zudem entgegen den Vorgaben der Verfassungsnorm des Art. 103 GG die Anforderungen an die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

31

aa) Das Landesarbeitsgericht ist - wie die Revision zu Recht rügt - fälschlicherweise davon ausgegangen, der Kläger habe keine Tatsachen vorgetragen, die darauf hindeuteten, dass seine vormalige Prozessbevollmächtigte krankheitsbedingt nicht in der Lage war, eine an sich ihr bekannte Vorschrift anzuwenden. Damit hat das Landesarbeitsgericht die Stoßrichtung der Begründung und die Glaubhaftmachung des Wiedereinsetzungsantrages außer Acht gelassen und nicht alle vorgetragenen Umstände in die rechtliche Würdigung einbezogen.

32

Mit seinem Antrag hat der Kläger vorgebracht, seine seinerzeitige Prozessbevollmächtigte habe aufgrund einer ständig schwerer werdenden Depression unter einer Antriebslosigkeit gelitten und sei zunehmend nur noch unter großer und extremer Überwindung in der Lage gewesen, kurzzeitig einzelne berufliche und auch private Tätigkeiten wahrzunehmen. Seit Ende Oktober / Anfang November 2010 habe sie sich kaum mehr und im Einzelfall nur nach extremer Überwindung in der Lage gesehen, sich auf berufliche Tätigkeiten auch nur ansatzweise zu konzentrieren, rechtliche Fragestellungen und Problemstellungen zu erkennen, anzudenken oder gar eine umfassende rechtliche Prüfung vorzunehmen. Anfang November 2010 habe sich der Zustand weiter verschlechtert. Eine Bearbeitung der Berufungsbegründung im vorliegenden Fall sei wegen der Antriebslosigkeit zunächst nicht erfolgt. Auf den drohenden Fristablauf durch das Sekretariat hingewiesen, habe die frühere Prozessbevollmächtigte einen weiteren Fristverlängerungsantrag gestellt, nachdem sie sich mit dem Beklagtenvertreter und dem Sächsischen Landesarbeitsgericht in Verbindung gesetzt habe. Durch die erfolgte Fristverlängerung sei der früheren Prozessbevollmächtigten der unmittelbare Belastungsdruck genommen worden und nur dies sei zu diesem Zeitpunkt für die frühere Prozessbevollmächtigte maßgeblich gewesen. Damit sei die bestehende Unfähigkeit zur Prüfung und Bearbeitung der Berufungsbegründung überwunden gewesen. Im Zustand der früheren Prozessbevollmächtigten habe sie keine Veranlassung gehabt, an der rechtlichen Zulässigkeit einer weiteren Fristverlängerung zu zweifeln.

33

Damit geht der Sachvortrag des Klägers im Wiedereinsetzungsverfahren dahin, dass es seiner Prozessbevollmächtigten aus krankheitsbedingten Gründen nicht oder jedenfalls nur nach erheblicher Überwindung möglich gewesen sei, die Rechtslage hinsichtlich der Zulässigkeit von Fristverlängerungsanträgen zu prüfen. Der Kläger hat also genau das vorgebracht, was das Landesarbeitsgericht in seinem Vortrag vermisst hat.

34

bb) Soweit das Landesarbeitsgericht davon ausgeht, es liege ein Organisationsverschulden der früheren Prozessbevollmächtigten vor, weil nicht im Fristenkalender notiert worden sei, dass es sich bei der verlängerten Berufungsbegründungsfrist um eine nicht mehr verlängerbare Frist handele, so überspannt das Landesarbeitsgericht die Anforderungen an die Kanzleiorganisation in unzumutbarer Weise. Ein Rechtsanwalt ist verpflichtet, Fristen und angemessene Vorfristen zu notieren (vgl. BGH 25. März 1992 - XII ZR 268/91 - AP ZPO 1977 § 233 Nr. 21 und 5. Oktober 1999 - VI ZB 22/99 - zu II 1 der Gründe, AP ZPO 1977 § 233 Nr. 63), nicht jedoch sie zu kommentieren. Dass wegen unzureichender Notierung von Vorfristen in der Kanzlei der früheren Prozessbevollmächtigten eine sachgemäße Bearbeitung von Berufungssachen nicht gewährleistet war, hat das Landesarbeitsgericht seiner Entscheidung nicht zugrunde gelegt. Darauf gibt es auch keine Hinweise.

35

2. Die Entscheidung erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Das Landesarbeitsgericht hätte dem Wiedereinsetzungsantrag stattgeben müssen. Er ist zulässig. Er erweist sich auch in der Sache als begründet. Der Senat kann über den Wiedereinsetzungsantrag auch in der Revisionsinstanz selbst entscheiden.

36

a) Der Antrag ist zulässig. Der Kläger hat ihn eingehend beim Landesarbeitsgericht am 19. September 2011 gestellt und damit innerhalb eines Monats, nachdem seine seinerzeitige Prozessvertretung durch die Zustellung des Hinweisbeschlusses vom 16. August 2011 am 19. August 2011 von der Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung Kenntnis erlangt hat; das ist rechtzeitig (§ 234 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO). Er hat mit dem Antrag alle Tatsachen, auf die er ihn stützt, angeführt und die Mittel der Glaubhaftmachung dieser Tatsachen im Laufe des Verfahrens eingeführt (§ 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Soweit der Kläger lediglich Kopien vorgelegt hat, ist dies unschädlich; auch insoweit handelt es sich um Mittel der Glaubhaftmachung. Zum Zeitpunkt der Antragstellung war die Berufung bereits begründet und damit die versäumte Prozesshandlung nachgeholt (§ 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO).

37

b) Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg. Der Kläger hat glaubhaft gemacht, dass weder ein ihm zurechenbares Verschulden seiner ehemaligen Prozessbevollmächtigten noch ihres als Kanzleikollegen tätigen Ehemanns vorliegt.

38

aa) Es ist davon auszugehen, dass die ehemalige Prozessbevollmächtigte des Klägers an der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wegen ihrer Erkrankung kein Verschulden trifft.

39

(1) Eine Erkrankung kann eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand grundsätzlich rechtfertigen. Sie muss jedoch ursächlich dafür geworden sein, dass die Frist nicht eingehalten wurde. Die Erkrankung muss ihrer Art nach in verfahrensrelevanter Form Einfluss auf Entschluss-, Urteils- und Handlungsfähigkeit der für die Fristeinhaltung verantwortlichen Person gehabt haben (vgl. BVerfG 17. Juli 2007 - 2 BvR 1164/07 - NJW-RR 2007, 1717; BGH 24. März 1994 - X ZB 24/93 - NJW-RR 1994, 957). Auch eine starke krankheitsbedingte seelische Belastungssituation kann die Wiedereinsetzung rechtfertigen (vgl. BGH 6. Juli 2009 - II ZB 1/09 - NJW 2009, 3037).

40

Die Voraussetzungen der Wiedereinsetzung sind dabei zweifelsfrei vorzutragen (BAG 11. August 2011 - 9 AZN 806/11 - Rn. 6, AP BGB § 613a Nr. 410). Sie sind zudem glaubhaft zu machen. Dafür kann sich der Antragsteller aller Beweismittel, einschließlich der Versicherung an Eides statt bedienen (§ 294 ZPO). Zudem ist - anders als in Konstellationen, in denen eine Partei den vollen Beweis für eine Behauptung zu erbringen hat - eine Glaubhaftmachung selbst bei Vorliegen vernünftiger Zweifel nicht ausgeschlossen. Zur Glaubhaftmachung genügt ein geringerer Grad der richterlichen Überzeugungsbildung. An Stelle des Vollbeweises tritt eine Wahrscheinlichkeitsfeststellung. Die Behauptung ist schon dann glaubhaft gemacht, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass sie zutrifft. Das ist der Fall, wenn bei der umfassenden Würdigung der Umstände des jeweiligen Falles mehr für das Vorliegen der in Rede stehenden Behauptung spricht als dagegen (BGH 21. Oktober 2010 - V ZB 210/09 - Rn. 7 mwN, NJW-RR 2011, 136).

41

(2) Der Kläger hat in seinem Antrag einen Sachverhalt dargelegt, der zweifelsfrei ein ihm zurechenbares Verschulden seiner früheren Prozessbevollmächtigten ausschließt.

42

Der Kläger hat vorgetragen, dass seine frühere Prozessbevollmächtigte aufgrund einer sich verschlimmernden Depression an Antriebshemmungen gelitten habe, die sie nur noch unter großer und extremer Überwindung in die Lage versetzt hätten, sich mit rechtlichen Fragestellungen und Problemstellungen zu befassen. Das habe im konkreten Fall dazu geführt, dass es ihr nur noch um Abwendung des unmittelbaren Belastungsdruckes gegangen sei. Diese Vermeidungsstrategie habe dazu geführt, dass sie keine Veranlassung gehabt habe, an der rechtlichen Zulässigkeit einer weiteren Fristverlängerung zu zweifeln.

43

Damit hat der Kläger dargelegt, dass seine Prozessbevollmächtigte aufgrund ihrer seelischen Erkrankung das Ziel gehabt hat, sich den beruflichen Belastungen und Anforderungen zu entziehen und dieses Ziel aufgrund ihrer Erkrankung ihr Verhalten dominierte. Selbst wenn man davon ausgeht, dass es der früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers auf der Basis dieses Sachvortrages möglich gewesen wäre, im Einzelfall tatsächlich ihre krankheitsbedingte Antriebslosigkeit zu überwinden und entgegen ihrem Bedürfnis, Druck von sich zu nehmen, rechtliche Erwägungen anzustellen, wäre dies jedenfalls nur unter großem persönlichen Aufwand möglich gewesen.

44

Legt man dies zugrunde, liegen Wiedereinsetzungsgründe vor. Angesichts der vorgetragenen seelischen Erkrankung und der damit verbundenen Belastung war es der früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers unzumutbar zu problematisieren, ob der von ihr beschrittene Ausweg einer Fristverlängerung tatsächlich gangbar war. Dafür hätte sie unter erheblichen Anstrengungen, die ein gesunder Mensch nicht aufbringen muss, entgegen ihrer krankheitsbedingten Tendenz handeln müssen.

45

(3) Den so vorgetragenen Sachverhalt hat der Kläger auch glaubhaft gemacht. Der Sachverhalt ist überwiegend wahrscheinlich.

46

Der Kläger hat Kopien, an deren Authentizität keine Zweifel bestehen, eines Bescheides der Rechtsanwaltskammer Sachsen vom 4. Mai 2011 und eines Arztberichtes des Assistenzarztes Dr. med. B vom 10. März 2011 an das Versorgungswerk der Rechtsanwälte in B vorgelegt. Aus dem Bescheid der Anwaltskammer ergibt sich, dass der Ehemann der früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers wegen deren langfristiger Arbeitsunfähigkeit zu deren amtlichen Vertreter bestellt wurde. Aus der ärztlichen Stellungnahme ergibt sich, dass bei der ehemaligen Prozessbevollmächtigen des Klägers mindestens seit Dezember 2010, als sie sich zuerst in der Ambulanz der Klinik vorstellte, eine aktuell schwere depressive Episode bei rezidivierender depressiver Störung bestand zusammen mit einer sozialen Phobie und dass die ehemalige Prozessbevollmächtigte ab diesem Zeitpunkt für mindestens die nächsten drei Monate zur Ausübung ihres Berufs vollständig unfähig war. Angesichts dessen besteht kein Zweifel, dass die ehemalige Prozessbevollmächtigte des Klägers tatsächlich seit Dezember 2010 an einer schweren Depression litt, die Krankheitswert hat.

47

Darüber hinausgehend hat der Kläger eidesstattliche Versicherungen seiner früheren Prozessbevollmächtigten und ihres Ehemanns und Kanzleikollegen vorgelegt. Die ehemalige Prozessbevollmächtigte schildert darin den Krankheitsverlauf seit Ende Oktober / Anfang November 2010 sowie die Beobachtungen des Ehemanns und Kanzleikollegen der früheren Prozessbevollmächtigten hinsichtlich dieses Krankheitsverlaufs. Sie geben dabei an, dass die Symptome der schweren Erkrankung nicht erst zum Zeitpunkt der Vorstellung in der Ambulanz der psychiatrischen Klinik im Dezember 2010 aufgetreten sind, sondern bereits früher ab Ende Oktober. Es bestehen keine Zweifel, die die Annahme begründen würden, die darin gemachten Angaben seien unrichtig. Es ist überwiegend wahrscheinlich, dass eine schwere Erkrankung, die Anfang Dezember schon vorgelegen hat, sich jedenfalls seit Ende Oktober entwickelt hat. Es ist ebenso überwiegend wahrscheinlich, dass sie die von dem Kläger vorgetragenen Auswirkungen hatte, wie dies seine ehemalige Prozessbevollmächtigte ebenfalls an Eides statt versichert. Sie schildert, dass sie sich nur noch schwer überwinden konnte, wenn es um die Vermeidung von Forderungen ging und dass sie deshalb keine Veranlassung sah, den von ihr gewählten Weg auf seine rechtliche Richtigkeit zu überprüfen.

48

Angesichts dessen ist es auch überwiegend wahrscheinlich, dass die Außerachtlassung der rechtlichen Regelung des § 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG, wonach eine Berufungsfrist nur einmal verlängert werden kann, auf der Erkrankung der früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers beruht. Dabei mag mit dem Landesarbeitsgericht davon ausgegangen werden, dass die Prozessbevollmächtigte kein aktuelles Wissen über die Abweichung der Rechtslage im Arbeitsgerichtsgesetz von der in der Zivilprozessordnung hatte. Entscheidend ist, dass gerade vor dem Hintergrund des eindeutigen Hinweises im ersten Verlängerungsbeschluss, wonach eine nochmalige Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nicht möglich ist, es überwiegend wahrscheinlich ist, dass ohne die schwere Depression und die sich daraus ergebende Vermeidungsstrategie die Prozessbevollmächtigte diesen Hinweis wahrgenommen hätte. Dann wäre es der Prozessbevollmächtigten ohne weiteres möglich gewesen, die tatsächliche Rechtslage durch den vom Landesarbeitsgericht geforderten Blick in die gesetzliche Vorschrift festzustellen.

49

Gegen die überwiegende Wahrscheinlichkeit der Kausalität der Erkrankung der ehemaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers für die Fristversäumnis spricht entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht, dass die Prozessbevollmächtigte in der Lage war, innerhalb der verlängerten Frist eine Berufsbegründung zu erstellen, die dann unterzeichnet durch ihren Ehemann und Kanzleikollegen bei Gericht einging. Die ehemalige Prozessbevollmächtigte des Klägers hat insoweit an Eides statt versichert, dass, soweit sie sich doch überwunden hat, anwaltlich tätig zu werden, sie sich im Wesentlichen darauf beschränkte, früheres Vorbringen zu wiederholen. Aus dieser Glaubhaftmachung ergibt sich, dass auch dort, wo die frühere Prozessbevollmächtigte tätig wurde, sie nicht mehr in der Lage war, in vollem Umfange die Anforderungen an eine anwaltliche Arbeit zu erfüllen. Dies wird dadurch bestätigt, dass die Berufungsbegründung nicht die gesetzlichen Anforderungen erfüllte und die Berufung vom Landesarbeitsgericht auch aus diesem Grunde hinsichtlich der Klageanträge zu 1. und 2. als unzulässig verworfen wurde.

50

Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Kausalität, wie es die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angeregt hat, war nicht möglich. Im Verfahren der Glaubhaftmachung verbietet § 294 Abs. 2 ZPO eine Beweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen kann.

51

bb) Ebenso ist davon auszugehen, dass auch die berufliche Verbindung zwischen der ehemaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers und ihrem Ehemann sowie dessen Verhalten kein dem Kläger zurechenbares Verschulden begründen (§ 85 Abs. 2, § 233 ZPO).

52

Selbst wenn man mit der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerten Ansicht davon ausgeht, dass die berufliche Verbindung zu einer Mithaftung des früheren Ehemanns der Prozessbevollmächtigten des Klägers im Außenverhältnis führt, setzt eine solche Haftung einen Haftungstatbestand voraus. Der Ehemann der früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers würde deshalb lediglich für ein schuldhaftes Verhalten der früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers haften, ein dem Kläger zurechenbares Verschulden bei der Bearbeitung des vorliegenden Verfahrens läge jedoch nur vor, wenn dem Ehemann und Kanzleikollegen der ehemaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers selbst ein Verschulden vorzuwerfen wäre. Es ist überwiegend wahrscheinlich, dass ein solches nicht vorliegt:

53

Zwar ergibt sich aus dem Vortrag des Klägers, dass der Ehemann seiner früheren Prozessbevollmächtigten die von dieser gefertigte Berufungsbegründung unterzeichnet hat. Zu diesem Zeitpunkt war die Frist zur Begründung der Berufung jedoch schon verstrichen. Es gibt auch keine Pflicht zur ständigen gegenseitigen Überwachung beruflich miteinander verbundener Anwälte.

54

Im Übrigen hat der Kläger vorgetragen, dass der Ehemann seiner früheren Prozessbevollmächtigten die Probleme seiner Ehefrau zunächst als „Burnout“ eingeordnet und die tatsächliche Schwere der Erkrankung erst Mitte Dezember 2010 und damit nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist im vorliegenden Verfahren erkannt habe. Anlass war danach, dass ihm zufällig ein Faltblatt der Deutschen Depressionsliga in die Hände fiel, aus dem sich ergab, dass die dort für eine Depression genannten Symptome auch bei seiner Ehefrau vorlagen. Vorher habe er für die Verhaltensänderungen seiner Ehefrau lediglich die allgemeine Belastungssituation verantwortlich gemacht. Hierin ein Verschulden des Ehemanns und früheren Kanzleikollegen der Prozessbevollmächtigten des Klägers zu sehen, würde die Anforderungen an das Zumutbare übersteigen.

55

Seinen Vortrag hat der Kläger durch Vorlage eidesstattlicher Versicherungen seiner ehemaligen Prozessbevollmächtigten und ihres Ehemanns und Kanzleikollegen glaubhaft gemacht. Die Richtigkeit dieser Versicherungen ist zumindest überwiegend wahrscheinlich.

56

cc) Der Senat war befugt, die Voraussetzungen der Glaubhaftmachung selbst zu überprüfen.

57

Allerdings ist die Würdigung im Rahmen des Verfahrens der Glaubhaftmachung - ebenso wie bei einer Beweiswürdigung nach § 286 ZPO - grundsätzlich Sache des Tatrichters(BGH 21. Oktober 2010 - V ZB 210/09 - Rn. 7, NJW-RR 2011, 136 für die Überprüfung einer Entscheidung über einen Befangenheitsantrag). Jedoch geht es hier um die Frage, ob eine Prozessfortführungsvoraussetzung, nämlich die Zulässigkeit der Berufung, vorliegt. Dies von Amts wegen zu prüfen, obliegt auch dem Revisionsgericht (vgl. nur BAG 16. Mai 2012 - 4 AZR 245/10 - Rn. 9, NZA-RR 2012, 599). Es kann dahingestellt bleiben, ob dies immer eine Prüfung auch der erfolgreichen Glaubhaftmachung von Tatsachen im Rahmen eines Wiedereinsetzungsantrages durch das Revisionsgericht erfordert. Jedenfalls berechtigt es das Revisionsgericht in Fällen wie dem vorliegenden, in dem das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerhaft die Voraussetzungen der Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand verneint hat, zu prüfen, ob diese Voraussetzungen nicht nur vorgetragen, sondern auch glaubhaft gemacht sind, soweit - wie hier - alle Mittel der Glaubhaftmachung vorliegen.

58

III. Damit war das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 542 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Mangels Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist die Sache auch nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das Landesarbeitsgericht wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben. Dabei ist § 238 Abs. 4 ZPO zu berücksichtigen(vgl. dazu BAG 9. Januar 1990 - 3 AZR 528/89 - zu III der Gründe mwN, AP ZPO 1977 § 233 Nr. 16 = EzA ZPO § 233 Nr. 12).

        

    Zwanziger    

        

    Kiel    

        

    Schmidt    

        

        

        

    R. Gmoser    

        

    Glock    

                 

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 24. Februar 2012 - 3 Sa 552/10 - aufgehoben, soweit es die gegen die Abweisung des Klagantrags zu 4. gerichtete Berufung des Klägers als unzulässig verworfen hat.

Im Umfang der Aufhebung wird dem Kläger gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Wiedereinstellungsanspruch.

2

Der Kläger war seit dem 11. September 1977 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängern in einem Arbeitsverhältnis tätig. Ab dem 1. Oktober 1999 war er im Zusammenhang mit der Ausgliederung des Breitbandkabelgeschäfts zur K D GmbH bei dieser beschäftigt und von der Beklagten beurlaubt. Am 30. April 2005 schlossen die Parteien einen Aufhebungsvertrag. Danach wurde das Arbeitsverhältnis einvernehmlich zum 31. Dezember 2005 beendet, um den Abschluss eines Arbeitsvertrages mit der K D Vertrieb & Service GmbH & Co. KG S zu ermöglichen. Zuletzt bestand das Arbeitsverhältnis zur K D Vertrieb & Service GmbH & Co. KG (KDVS).

3

Gleichzeitig regelte der Aufhebungsvertrag mit der Beklagten ein Rückkehrrecht des Klägers zur Beklagten auf der Grundlage einer „Schuldrechtlichen Vereinbarung“, die am 8. April 2005 zwischen der Beklagten, mehreren Kabelgesellschaften, darunter auch der KDVS, und dem Bundesvorstand der Gewerkschaft ver.di geschlossen wurde. Nachdem die KDVS das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 9. Dezember 2008 zum 31. Juli 2009 gekündigt hatte, berief sich der Kläger gegenüber der Beklagten auf sein Rückkehrrecht. Diese reagierte darauf nicht. Gegen die Kündigung erhob der Kläger rechtzeitig Kündigungsschutzklage. Das Verfahren endete mit einem Vergleich, nach dem die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Juli 2009 bestehen blieb.

4

Mit seiner Klage hat der Kläger sein Rückkehrrecht gerichtlich weiterverfolgt.

5

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass ihm ein Rückkehrrecht zur Beklagten aufgrund des Auflösungsvertrages vom 30. April 2005 iVm. der Anlage (Schuldrechtliche Vereinbarung vom 8. April 2005) zum 1. August 2009 zusteht;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, ihn im gelernten Beruf als Facharbeiter für Nachrichtentechnik im Betrieb im Raum D zu betriebsüblichen Bedingungen mit Wirkung zum 1. August 2009 wieder einzustellen, wobei er hinsichtlich der zu vereinbarenden Arbeitsvertragsbedingungen und anzuwendenden tariflichen Regelungen so gestellt wird, als wäre er ohne Unterbrechung bei der Beklagten seit 1977 durchgehend beschäftigt worden;

        

3.    

die Beklagte zu verurteilen, ihn im gelernten Beruf als Facharbeiter für Nachrichtentechnik zu unveränderten Arbeitsbedingungen im Betrieb im Raum D mit Wirkung vom 1. August 2009 weiter zu beschäftigen, wobei er hinsichtlich der zu vereinbarenden Arbeitsvertragsbedingungen und anzuwendenden tariflichen Regelungen so gestellt wird, als wäre er ohne Unterbrechung bei der Beklagten seit 1977 durchgehend beschäftigt worden;

        

4.    

hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, ihm mit Wirkung vom 1. August 2009 ein Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrages zu unterbreiten, wonach er als vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer in Vergütungsgruppe T 3 Stufe 4 nach § 10 des Entgeltrahmentarifvertrages zu beschäftigen ist und die Tarifverträge der T AG in ihrer jeweiligen Fassung als unmittelbar zwischen den Parteien vereinbart gelten.

6

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

7

Mit Urteil vom 30. Juli 2010 hat das Arbeitsgericht die Klage hinsichtlich der Anträge zu 1. und 2. als unzulässig und im Übrigen als unbegründet abgewiesen. Das Urteil ist dem Kläger am 12. August 2010 zugestellt worden. Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt. Die Berufungsschrift ist am 8. September 2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangen. Auf Antrag des Klägers vom 29. September 2010 hat das Landesarbeitsgericht mit Beschluss vom 30. September 2010 die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 11. November 2010 verlängert. Der Beschluss schließt mit dem Satz: „Eine nochmalige Verlängerung ist nicht möglich.“

8

Mit Schriftsatz vom 10. November 2010 hat die seinerzeitige Prozessbevollmächtigte des Klägers unter Bezugnahme auf ein geführtes Telefonat vom selben Tage mit der Vertreterin des Vorsitzenden der zuständigen Kammer eine Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung bis einschließlich 25. November 2010 wegen Erkrankung beantragt. Mit diesem Antrag hat sie ein vom Prozessbevollmächtigten der Beklagten unterschriebenes Anschreiben vorgelegt, wonach „diesseits mit dem zweiten Fristverlängerungsantrag der Berufungsbegründungsfrist um zwei Wochen, dh. bis zum 25.11.2010, Einverständnis besteht“. Daraufhin hat die Vertreterin des Vorsitzenden die Frist zur Begründung der Berufung durch Beschluss vom 11. November 2010 antragsgemäß bis zum 25. November 2010 verlängert. Auch dieser Beschluss enthält die Aussage, eine nochmalige Verlängerung der Frist sei nicht möglich. Die Berufungsbegründung des Klägers ist am 25. November 2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangen.

9

Mit Beschluss vom 16. August 2011, der dem Kläger am 19. August 2011 zu Händen seiner Prozessbevollmächtigten zugestellt worden ist, hat das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, die Frist zur Berufungsbegründung sei nicht eingehalten. Die zweite Fristverlängerung sei wegen Verstoßes gegen § 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG nichtig. Hierauf hat der Kläger mit Schriftsatz seiner nunmehrigen Prozessbevollmächtigten, der am 19. September 2011 beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist, beantragt, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren. Das hat er auf eine seelische Erkrankung seiner früheren Prozessbevollmächtigten gestützt. Er hat dazu eidesstattliche Versicherungen der früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers und des mit ihr in Kanzleigemeinschaft tätigen Ehemanns im Original sowie in Ablichtung eine auf den 10. März 2011 datierte ärztliche Stellungnahme des Assistenzarztes Dr. med. B im Department für Psychische Gesundheit, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in L, die dieser für das Versorgungswerk der Rechtsanwälte in B erstellt hat, und einen Bescheid der Rechtsanwaltskammer Sachsen vom 4. Mai 2011, wonach der seinerzeitige Ehemann der früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers wegen deren andauernder Erkrankung zu ihrem amtlich bestellten Vertreter bestellt wurde, vorgelegt.

10

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung nach mündlicher Verhandlung durch Urteil als unzulässig verworfen. Es hat dies zum einen darauf gestützt, dass die Berufungsbegründung nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist eingegangen sei. Eine zweifache Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist sei unzulässig und rechtlich unerheblich. Den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat das Landesarbeitsgericht abgewiesen. Hinsichtlich der Hauptanträge des Klägers hat das Landesarbeitsgericht die Berufung zudem deshalb als unzulässig verworfen, weil sich die Berufungsbegründung auch inhaltlich nicht mit tragenden Argumenten des Arbeitsgerichts hinsichtlich dieser Anträge auseinandergesetzt hatte.

11

Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seinen zu 4. gestellten Hilfsantrag weiter. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist zulässig und begründet. Sie führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht.

13

A. Die Revision ist zulässig, insbesondere statthaft. Das Landesarbeitsgericht hat durch Urteil nach mündlicher Verhandlung entschieden. Das ist gemäß § 522 Abs. 1 ZPO iVm. § 66 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 ArbGG zulässig. Nach dieser Vorschrift kann das Landesarbeitsgericht als Berufungsgericht über die Verwerfung der Berufung zwar durch Beschluss - und damit außerhalb der mündlichen Verhandlung (§ 128 Abs. 4 ZPO) - entscheiden, es muss dies aber nicht, kann also auch durch Urteil entscheiden. Nur wenn eine mündliche Verhandlung unterbleibt, ergeht die Entscheidung deshalb durch Beschluss, den der Vorsitzende erlässt (§ 66 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 ArbGG; vgl. HWK/Kalb 5. Aufl. § 66 ArbGG Rn. 21; Schwab/Weth/Schwab ArbGG 3. Aufl. § 66 Rn. 87; aA entgegen dem Gesetzeswortlaut GMP/Germelmann 7. Aufl. § 66 Rn. 43: Entscheidung durch Beschluss des Vorsitzenden auch bei mündlicher Verhandlung). Ergeht danach die Entscheidung - wie hier - durch Urteil, richtet sich die Statthaftigkeit des Rechtsmittels auch nach den für Urteile geltenden Regeln. Danach ist hier im Hinblick auf die Zulassung durch das Landesarbeitsgericht die Revision statthaft (§ 72 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, Abs. 3 ArbGG).

14

B. Die Revision ist begründet und führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht. Zu Recht ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger die Frist zur Begründung der Berufung versäumt hat. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht dem Kläger hinsichtlich des Hilfsantrages keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt und deshalb die Berufung als unzulässig verworfen. Dem Kläger ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist hinsichtlich des in der Revision allein noch anhängigen zu 4. gestellten Hilfsantrages zu gewähren. Mangels Feststellungen in der Sache selbst ist der Rechtsstreit insoweit an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.

15

I. Der Kläger hat die Frist zur Begründung der Berufung versäumt.

16

1. Das arbeitsgerichtliche Urteil wurde dem Kläger am 12. August 2010 zugestellt. Die zweimonatige Frist zur Begründung der Berufung lief daher mit dem 12. Oktober 2010 ab (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ArbGG, § 221 ZPO iVm. § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB).

17

2. Diese Frist hat das Landesarbeitsgericht durch seinen ersten Beschluss vom 30. September 2010 nach § 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG wirksam bis zum 11. November 2010 verlängert. Der nach dieser Bestimmung erforderliche Antrag des Klägers stammt vom 29. September 2010 und ging innerhalb der gesetzlichen Frist zur Begründung der Berufung und damit rechtzeitig beim Landesarbeitsgericht ein (vgl. BAG 4. Juni 2003 - 10 AZR 586/02 - zu I 1 der Gründe, AP InsO § 209 Nr. 2 = EzA InsO § 209 Nr. 1).

18

3. Demgegenüber war die weitere Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist durch Beschluss vom 11. November 2010 bis zum 25. November 2010 unwirksam.

19

Nach § 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG kann die Frist zur Begründung der Berufung „einmal“ auf Antrag verlängert werden. Aufgrund einer bewussten Entscheidung des historischen Gesetzgebers (dazu BT-Drucks. 8/1567 S. 34) weicht diese Regelung von der entsprechenden Regelung in der Zivilprozessordnung ab. Nach § 520 Abs. 2 ZPO ist die Verlängerung der Frist zur Begründung der Berufung bei Einwilligung des Gegners ohne Einschränkungen und damit auch mehrfach möglich. Eine mehrfache Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist ist im arbeitsgerichtlichen Verfahren deshalb unwirksam (BAG 13. September 1995 - 2 AZR 855/94 - zu II 2 der Gründe mwN, AP ArbGG 1979 § 66 Nr. 12 = EzA ArbGG 1979 § 66 Nr. 22). Dass der Beklagtenvertreter der mehrfachen Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist zugestimmt hat, steht dem wegen der Unterschiedlichkeit der Rechtslage zwischen dem Arbeitsgerichtsgesetz und der Zivilprozessordnung nicht entgegen (vgl. Schwab/Weth/Schwab § 66 Rn. 83).

20

4. Die Begründung der Berufung ist erst am 25. November 2010, und damit nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist am 11. November 2010 und damit verspätet beim Landesarbeitsgericht eingegangen.

21

II. Rechtsfehlerhaft ist das Landesarbeitsgericht jedoch davon ausgegangen, dass dem Kläger auf seinen Antrag keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren war. Die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung liegen vor.

22

1. Das Landesarbeitsgericht hat dem Kläger mit fehlerhafter Begründung die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand versagt.

23

a) Nach § 233 ZPO ist einer Partei auf ihren Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn sie ohne ihr Verschulden ua. die Frist zur Begründung der Berufung nicht eingehalten hat. Dabei steht nach § 85 Abs. 2 ZPO das Verschulden des Bevollmächtigten dem Verschulden der Partei gleich.

24

Eine Partei ist ohne ihr Verschulden verhindert, eine der in § 233 ZPO genannten Fristen einzuhalten, wenn der Säumige diejenige Sorgfalt aufgewendet hat, die von ihm verständigerweise erwartet werden konnte. Dabei ist auf die Person des Säumigen und die gesamten Umstände abzustellen. Hinsichtlich der Sorgfaltspflichten eines Prozessbevollmächtigten bedeutet dies, dass ein Verschulden entsprechend § 276 BGB dann zu verneinen ist, wenn er die von einem Rechtsanwalt üblicherweise zu fordernde Sorgfalt aufgewendet hat. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist daher nicht erst dann zu gewähren, wenn der Prozessbevollmächtigte trotz Aufwendung der äußersten nach Sachlage erforderlichen und zumutbaren Sorgfalt die Frist versäumt hat (vgl. BAG 8. Juni 1982 - 7 AZB 3/82 - zu II 2 der Gründe mwN, AP ZPO 1977 § 233 Nr. 6 = EzA ZPO § 233 Nr. 3). Für die Annahme eines Verschuldens genügt es nicht, eine lediglich objektiv mögliche Sorgfalt zu beschreiben, durch die der Fehler hätte verhindert werden können. Vielmehr muss die Beachtung dieser Sorgfalt im Einzelfall auch zumutbar sein, dh. noch den nach der konkreten Sachlage zu stellenden Erwartungen entsprechen (vgl. BGH 22. November 1984 - VII ZR 160/84 - zu 2 a der Gründe mwN, NJW 1985, 1710).

25

Dabei ist zu berücksichtigen, dass das grundrechtsgleiche Recht auf rechtliches Gehör, das in Art. 103 Abs. 1 GG garantiert ist, in einem funktionellen Zusammenhang mit der Rechtsschutzgarantie steht. Die Gerichte dürfen durch ihre Auslegung und Anwendung des Prozessrechts den Beteiligten den Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren. Daher dürfen die Anforderungen daran, was der Betroffene veranlasst haben muss, um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erlangen, nicht überspannt werden (BVerfG 26. Februar 2008 - 1 BvR 2327/07 - Rn. 22 mwN, NJW 2008, 2167).

26

b) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Rechtsirrtum der vormaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers sei nicht unvermeidbar gewesen. Auch wenn zu Gunsten des Klägers unterstellt würde, die vormalige Prozessbevollmächtigte des Klägers sei aufgrund einer psychischen Erkrankung nicht mehr zu einer vertieften selbständigen Prüfung der Rechtslage in der Lage gewesen, so hätte sie - so das Landesarbeitsgericht - doch aufgrund des Inhalts des ersten Beschlusses des Landesarbeitsgerichts vom 30. September 2010 erkennen müssen, dass eine nochmalige Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nicht in Betracht komme. Sie habe sich daher ohne vertiefte Prüfung der Rechtslage durch einen Blick in § 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG Klarheit verschaffen können. Dass ihr einfache Überlegungen aufgrund ihrer Erkrankung unmöglich gewesen seien, habe der Kläger nicht behauptet. Vielmehr ergebe sich aus der eidesstattlichen Versicherung der früheren Prozessbevollmächtigten, dass sie in der Lage gewesen sei, unter Fristendruck in Einzelfällen noch inhaltliche Schriftsätze zu fertigen. Sie habe auch die verspätet eingegangene Berufungsbegründung tatsächlich gefertigt.

27

Der Rechtsirrtum sei auch nicht entschuldbar. Ein Rechtsanwalt müsse die Gesetze kennen. Aus dem Umstand, dass die frühere Prozessbevollmächtigte es überhaupt für möglich hielt, die Berufungsbegründungsfrist um ein weiteres Mal zu verlängern, sei zu schließen, dass ihr nicht bekannt gewesen sei, dass die Berufungsbegründungsfrist nach dem Arbeitsgerichtsgesetz nur einmal verlängert werden könne. Es seien keine Tatsachen vorgetragen, die belegen, dass die Prozessbevollmächtigte krankheitsbedingt dermaßen eingeschränkt gewesen sei, dass sie aus diesem Grund die ihr eigentlich bekannte Vorschrift nicht habe interpretieren können.

28

Eventuelle Fehler des Gerichts seien unerheblich. Sie seien nicht die alleinige Ursache für die Fristversäumung. Diese beruhten vielmehr maßgeblich darauf, dass die frühere Prozessbevollmächtigte die einschlägige Verfahrensvorschrift nicht kannte bzw. sie nicht erinnerte und zudem den Hinweis im ersten Beschluss nicht beachtet habe. Ohne diese Fehler wäre es - so das Landesarbeitsgericht - zu den Fehlern des Gerichts nicht gekommen. Dass gerichtliche Fehler die frühere Prozessbevollmächtigte in ihrem Irrtum bestärkt hätten, spiele daher keine entscheidende Rolle.

29

Zudem liege im vorliegenden Fall ein Organisationsverschulden vor. Im Fristenkalender habe ein Hinweis dahingehend angebracht werden müssen, dass eine nochmalige Fristverlängerung ausgeschlossen sei.

30

c) Diese Begründung wird entgegen den einfachgesetzlichen Vorgaben den vorgetragenen Umständen des Einzelfalles nicht gerecht und überspannt zudem entgegen den Vorgaben der Verfassungsnorm des Art. 103 GG die Anforderungen an die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

31

aa) Das Landesarbeitsgericht ist - wie die Revision zu Recht rügt - fälschlicherweise davon ausgegangen, der Kläger habe keine Tatsachen vorgetragen, die darauf hindeuteten, dass seine vormalige Prozessbevollmächtigte krankheitsbedingt nicht in der Lage war, eine an sich ihr bekannte Vorschrift anzuwenden. Damit hat das Landesarbeitsgericht die Stoßrichtung der Begründung und die Glaubhaftmachung des Wiedereinsetzungsantrages außer Acht gelassen und nicht alle vorgetragenen Umstände in die rechtliche Würdigung einbezogen.

32

Mit seinem Antrag hat der Kläger vorgebracht, seine seinerzeitige Prozessbevollmächtigte habe aufgrund einer ständig schwerer werdenden Depression unter einer Antriebslosigkeit gelitten und sei zunehmend nur noch unter großer und extremer Überwindung in der Lage gewesen, kurzzeitig einzelne berufliche und auch private Tätigkeiten wahrzunehmen. Seit Ende Oktober / Anfang November 2010 habe sie sich kaum mehr und im Einzelfall nur nach extremer Überwindung in der Lage gesehen, sich auf berufliche Tätigkeiten auch nur ansatzweise zu konzentrieren, rechtliche Fragestellungen und Problemstellungen zu erkennen, anzudenken oder gar eine umfassende rechtliche Prüfung vorzunehmen. Anfang November 2010 habe sich der Zustand weiter verschlechtert. Eine Bearbeitung der Berufungsbegründung im vorliegenden Fall sei wegen der Antriebslosigkeit zunächst nicht erfolgt. Auf den drohenden Fristablauf durch das Sekretariat hingewiesen, habe die frühere Prozessbevollmächtigte einen weiteren Fristverlängerungsantrag gestellt, nachdem sie sich mit dem Beklagtenvertreter und dem Sächsischen Landesarbeitsgericht in Verbindung gesetzt habe. Durch die erfolgte Fristverlängerung sei der früheren Prozessbevollmächtigten der unmittelbare Belastungsdruck genommen worden und nur dies sei zu diesem Zeitpunkt für die frühere Prozessbevollmächtigte maßgeblich gewesen. Damit sei die bestehende Unfähigkeit zur Prüfung und Bearbeitung der Berufungsbegründung überwunden gewesen. Im Zustand der früheren Prozessbevollmächtigten habe sie keine Veranlassung gehabt, an der rechtlichen Zulässigkeit einer weiteren Fristverlängerung zu zweifeln.

33

Damit geht der Sachvortrag des Klägers im Wiedereinsetzungsverfahren dahin, dass es seiner Prozessbevollmächtigten aus krankheitsbedingten Gründen nicht oder jedenfalls nur nach erheblicher Überwindung möglich gewesen sei, die Rechtslage hinsichtlich der Zulässigkeit von Fristverlängerungsanträgen zu prüfen. Der Kläger hat also genau das vorgebracht, was das Landesarbeitsgericht in seinem Vortrag vermisst hat.

34

bb) Soweit das Landesarbeitsgericht davon ausgeht, es liege ein Organisationsverschulden der früheren Prozessbevollmächtigten vor, weil nicht im Fristenkalender notiert worden sei, dass es sich bei der verlängerten Berufungsbegründungsfrist um eine nicht mehr verlängerbare Frist handele, so überspannt das Landesarbeitsgericht die Anforderungen an die Kanzleiorganisation in unzumutbarer Weise. Ein Rechtsanwalt ist verpflichtet, Fristen und angemessene Vorfristen zu notieren (vgl. BGH 25. März 1992 - XII ZR 268/91 - AP ZPO 1977 § 233 Nr. 21 und 5. Oktober 1999 - VI ZB 22/99 - zu II 1 der Gründe, AP ZPO 1977 § 233 Nr. 63), nicht jedoch sie zu kommentieren. Dass wegen unzureichender Notierung von Vorfristen in der Kanzlei der früheren Prozessbevollmächtigten eine sachgemäße Bearbeitung von Berufungssachen nicht gewährleistet war, hat das Landesarbeitsgericht seiner Entscheidung nicht zugrunde gelegt. Darauf gibt es auch keine Hinweise.

35

2. Die Entscheidung erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Das Landesarbeitsgericht hätte dem Wiedereinsetzungsantrag stattgeben müssen. Er ist zulässig. Er erweist sich auch in der Sache als begründet. Der Senat kann über den Wiedereinsetzungsantrag auch in der Revisionsinstanz selbst entscheiden.

36

a) Der Antrag ist zulässig. Der Kläger hat ihn eingehend beim Landesarbeitsgericht am 19. September 2011 gestellt und damit innerhalb eines Monats, nachdem seine seinerzeitige Prozessvertretung durch die Zustellung des Hinweisbeschlusses vom 16. August 2011 am 19. August 2011 von der Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung Kenntnis erlangt hat; das ist rechtzeitig (§ 234 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO). Er hat mit dem Antrag alle Tatsachen, auf die er ihn stützt, angeführt und die Mittel der Glaubhaftmachung dieser Tatsachen im Laufe des Verfahrens eingeführt (§ 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Soweit der Kläger lediglich Kopien vorgelegt hat, ist dies unschädlich; auch insoweit handelt es sich um Mittel der Glaubhaftmachung. Zum Zeitpunkt der Antragstellung war die Berufung bereits begründet und damit die versäumte Prozesshandlung nachgeholt (§ 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO).

37

b) Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg. Der Kläger hat glaubhaft gemacht, dass weder ein ihm zurechenbares Verschulden seiner ehemaligen Prozessbevollmächtigten noch ihres als Kanzleikollegen tätigen Ehemanns vorliegt.

38

aa) Es ist davon auszugehen, dass die ehemalige Prozessbevollmächtigte des Klägers an der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wegen ihrer Erkrankung kein Verschulden trifft.

39

(1) Eine Erkrankung kann eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand grundsätzlich rechtfertigen. Sie muss jedoch ursächlich dafür geworden sein, dass die Frist nicht eingehalten wurde. Die Erkrankung muss ihrer Art nach in verfahrensrelevanter Form Einfluss auf Entschluss-, Urteils- und Handlungsfähigkeit der für die Fristeinhaltung verantwortlichen Person gehabt haben (vgl. BVerfG 17. Juli 2007 - 2 BvR 1164/07 - NJW-RR 2007, 1717; BGH 24. März 1994 - X ZB 24/93 - NJW-RR 1994, 957). Auch eine starke krankheitsbedingte seelische Belastungssituation kann die Wiedereinsetzung rechtfertigen (vgl. BGH 6. Juli 2009 - II ZB 1/09 - NJW 2009, 3037).

40

Die Voraussetzungen der Wiedereinsetzung sind dabei zweifelsfrei vorzutragen (BAG 11. August 2011 - 9 AZN 806/11 - Rn. 6, AP BGB § 613a Nr. 410). Sie sind zudem glaubhaft zu machen. Dafür kann sich der Antragsteller aller Beweismittel, einschließlich der Versicherung an Eides statt bedienen (§ 294 ZPO). Zudem ist - anders als in Konstellationen, in denen eine Partei den vollen Beweis für eine Behauptung zu erbringen hat - eine Glaubhaftmachung selbst bei Vorliegen vernünftiger Zweifel nicht ausgeschlossen. Zur Glaubhaftmachung genügt ein geringerer Grad der richterlichen Überzeugungsbildung. An Stelle des Vollbeweises tritt eine Wahrscheinlichkeitsfeststellung. Die Behauptung ist schon dann glaubhaft gemacht, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass sie zutrifft. Das ist der Fall, wenn bei der umfassenden Würdigung der Umstände des jeweiligen Falles mehr für das Vorliegen der in Rede stehenden Behauptung spricht als dagegen (BGH 21. Oktober 2010 - V ZB 210/09 - Rn. 7 mwN, NJW-RR 2011, 136).

41

(2) Der Kläger hat in seinem Antrag einen Sachverhalt dargelegt, der zweifelsfrei ein ihm zurechenbares Verschulden seiner früheren Prozessbevollmächtigten ausschließt.

42

Der Kläger hat vorgetragen, dass seine frühere Prozessbevollmächtigte aufgrund einer sich verschlimmernden Depression an Antriebshemmungen gelitten habe, die sie nur noch unter großer und extremer Überwindung in die Lage versetzt hätten, sich mit rechtlichen Fragestellungen und Problemstellungen zu befassen. Das habe im konkreten Fall dazu geführt, dass es ihr nur noch um Abwendung des unmittelbaren Belastungsdruckes gegangen sei. Diese Vermeidungsstrategie habe dazu geführt, dass sie keine Veranlassung gehabt habe, an der rechtlichen Zulässigkeit einer weiteren Fristverlängerung zu zweifeln.

43

Damit hat der Kläger dargelegt, dass seine Prozessbevollmächtigte aufgrund ihrer seelischen Erkrankung das Ziel gehabt hat, sich den beruflichen Belastungen und Anforderungen zu entziehen und dieses Ziel aufgrund ihrer Erkrankung ihr Verhalten dominierte. Selbst wenn man davon ausgeht, dass es der früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers auf der Basis dieses Sachvortrages möglich gewesen wäre, im Einzelfall tatsächlich ihre krankheitsbedingte Antriebslosigkeit zu überwinden und entgegen ihrem Bedürfnis, Druck von sich zu nehmen, rechtliche Erwägungen anzustellen, wäre dies jedenfalls nur unter großem persönlichen Aufwand möglich gewesen.

44

Legt man dies zugrunde, liegen Wiedereinsetzungsgründe vor. Angesichts der vorgetragenen seelischen Erkrankung und der damit verbundenen Belastung war es der früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers unzumutbar zu problematisieren, ob der von ihr beschrittene Ausweg einer Fristverlängerung tatsächlich gangbar war. Dafür hätte sie unter erheblichen Anstrengungen, die ein gesunder Mensch nicht aufbringen muss, entgegen ihrer krankheitsbedingten Tendenz handeln müssen.

45

(3) Den so vorgetragenen Sachverhalt hat der Kläger auch glaubhaft gemacht. Der Sachverhalt ist überwiegend wahrscheinlich.

46

Der Kläger hat Kopien, an deren Authentizität keine Zweifel bestehen, eines Bescheides der Rechtsanwaltskammer Sachsen vom 4. Mai 2011 und eines Arztberichtes des Assistenzarztes Dr. med. B vom 10. März 2011 an das Versorgungswerk der Rechtsanwälte in B vorgelegt. Aus dem Bescheid der Anwaltskammer ergibt sich, dass der Ehemann der früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers wegen deren langfristiger Arbeitsunfähigkeit zu deren amtlichen Vertreter bestellt wurde. Aus der ärztlichen Stellungnahme ergibt sich, dass bei der ehemaligen Prozessbevollmächtigen des Klägers mindestens seit Dezember 2010, als sie sich zuerst in der Ambulanz der Klinik vorstellte, eine aktuell schwere depressive Episode bei rezidivierender depressiver Störung bestand zusammen mit einer sozialen Phobie und dass die ehemalige Prozessbevollmächtigte ab diesem Zeitpunkt für mindestens die nächsten drei Monate zur Ausübung ihres Berufs vollständig unfähig war. Angesichts dessen besteht kein Zweifel, dass die ehemalige Prozessbevollmächtigte des Klägers tatsächlich seit Dezember 2010 an einer schweren Depression litt, die Krankheitswert hat.

47

Darüber hinausgehend hat der Kläger eidesstattliche Versicherungen seiner früheren Prozessbevollmächtigten und ihres Ehemanns und Kanzleikollegen vorgelegt. Die ehemalige Prozessbevollmächtigte schildert darin den Krankheitsverlauf seit Ende Oktober / Anfang November 2010 sowie die Beobachtungen des Ehemanns und Kanzleikollegen der früheren Prozessbevollmächtigten hinsichtlich dieses Krankheitsverlaufs. Sie geben dabei an, dass die Symptome der schweren Erkrankung nicht erst zum Zeitpunkt der Vorstellung in der Ambulanz der psychiatrischen Klinik im Dezember 2010 aufgetreten sind, sondern bereits früher ab Ende Oktober. Es bestehen keine Zweifel, die die Annahme begründen würden, die darin gemachten Angaben seien unrichtig. Es ist überwiegend wahrscheinlich, dass eine schwere Erkrankung, die Anfang Dezember schon vorgelegen hat, sich jedenfalls seit Ende Oktober entwickelt hat. Es ist ebenso überwiegend wahrscheinlich, dass sie die von dem Kläger vorgetragenen Auswirkungen hatte, wie dies seine ehemalige Prozessbevollmächtigte ebenfalls an Eides statt versichert. Sie schildert, dass sie sich nur noch schwer überwinden konnte, wenn es um die Vermeidung von Forderungen ging und dass sie deshalb keine Veranlassung sah, den von ihr gewählten Weg auf seine rechtliche Richtigkeit zu überprüfen.

48

Angesichts dessen ist es auch überwiegend wahrscheinlich, dass die Außerachtlassung der rechtlichen Regelung des § 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG, wonach eine Berufungsfrist nur einmal verlängert werden kann, auf der Erkrankung der früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers beruht. Dabei mag mit dem Landesarbeitsgericht davon ausgegangen werden, dass die Prozessbevollmächtigte kein aktuelles Wissen über die Abweichung der Rechtslage im Arbeitsgerichtsgesetz von der in der Zivilprozessordnung hatte. Entscheidend ist, dass gerade vor dem Hintergrund des eindeutigen Hinweises im ersten Verlängerungsbeschluss, wonach eine nochmalige Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nicht möglich ist, es überwiegend wahrscheinlich ist, dass ohne die schwere Depression und die sich daraus ergebende Vermeidungsstrategie die Prozessbevollmächtigte diesen Hinweis wahrgenommen hätte. Dann wäre es der Prozessbevollmächtigten ohne weiteres möglich gewesen, die tatsächliche Rechtslage durch den vom Landesarbeitsgericht geforderten Blick in die gesetzliche Vorschrift festzustellen.

49

Gegen die überwiegende Wahrscheinlichkeit der Kausalität der Erkrankung der ehemaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers für die Fristversäumnis spricht entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht, dass die Prozessbevollmächtigte in der Lage war, innerhalb der verlängerten Frist eine Berufsbegründung zu erstellen, die dann unterzeichnet durch ihren Ehemann und Kanzleikollegen bei Gericht einging. Die ehemalige Prozessbevollmächtigte des Klägers hat insoweit an Eides statt versichert, dass, soweit sie sich doch überwunden hat, anwaltlich tätig zu werden, sie sich im Wesentlichen darauf beschränkte, früheres Vorbringen zu wiederholen. Aus dieser Glaubhaftmachung ergibt sich, dass auch dort, wo die frühere Prozessbevollmächtigte tätig wurde, sie nicht mehr in der Lage war, in vollem Umfange die Anforderungen an eine anwaltliche Arbeit zu erfüllen. Dies wird dadurch bestätigt, dass die Berufungsbegründung nicht die gesetzlichen Anforderungen erfüllte und die Berufung vom Landesarbeitsgericht auch aus diesem Grunde hinsichtlich der Klageanträge zu 1. und 2. als unzulässig verworfen wurde.

50

Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Kausalität, wie es die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angeregt hat, war nicht möglich. Im Verfahren der Glaubhaftmachung verbietet § 294 Abs. 2 ZPO eine Beweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen kann.

51

bb) Ebenso ist davon auszugehen, dass auch die berufliche Verbindung zwischen der ehemaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers und ihrem Ehemann sowie dessen Verhalten kein dem Kläger zurechenbares Verschulden begründen (§ 85 Abs. 2, § 233 ZPO).

52

Selbst wenn man mit der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerten Ansicht davon ausgeht, dass die berufliche Verbindung zu einer Mithaftung des früheren Ehemanns der Prozessbevollmächtigten des Klägers im Außenverhältnis führt, setzt eine solche Haftung einen Haftungstatbestand voraus. Der Ehemann der früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers würde deshalb lediglich für ein schuldhaftes Verhalten der früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers haften, ein dem Kläger zurechenbares Verschulden bei der Bearbeitung des vorliegenden Verfahrens läge jedoch nur vor, wenn dem Ehemann und Kanzleikollegen der ehemaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers selbst ein Verschulden vorzuwerfen wäre. Es ist überwiegend wahrscheinlich, dass ein solches nicht vorliegt:

53

Zwar ergibt sich aus dem Vortrag des Klägers, dass der Ehemann seiner früheren Prozessbevollmächtigten die von dieser gefertigte Berufungsbegründung unterzeichnet hat. Zu diesem Zeitpunkt war die Frist zur Begründung der Berufung jedoch schon verstrichen. Es gibt auch keine Pflicht zur ständigen gegenseitigen Überwachung beruflich miteinander verbundener Anwälte.

54

Im Übrigen hat der Kläger vorgetragen, dass der Ehemann seiner früheren Prozessbevollmächtigten die Probleme seiner Ehefrau zunächst als „Burnout“ eingeordnet und die tatsächliche Schwere der Erkrankung erst Mitte Dezember 2010 und damit nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist im vorliegenden Verfahren erkannt habe. Anlass war danach, dass ihm zufällig ein Faltblatt der Deutschen Depressionsliga in die Hände fiel, aus dem sich ergab, dass die dort für eine Depression genannten Symptome auch bei seiner Ehefrau vorlagen. Vorher habe er für die Verhaltensänderungen seiner Ehefrau lediglich die allgemeine Belastungssituation verantwortlich gemacht. Hierin ein Verschulden des Ehemanns und früheren Kanzleikollegen der Prozessbevollmächtigten des Klägers zu sehen, würde die Anforderungen an das Zumutbare übersteigen.

55

Seinen Vortrag hat der Kläger durch Vorlage eidesstattlicher Versicherungen seiner ehemaligen Prozessbevollmächtigten und ihres Ehemanns und Kanzleikollegen glaubhaft gemacht. Die Richtigkeit dieser Versicherungen ist zumindest überwiegend wahrscheinlich.

56

cc) Der Senat war befugt, die Voraussetzungen der Glaubhaftmachung selbst zu überprüfen.

57

Allerdings ist die Würdigung im Rahmen des Verfahrens der Glaubhaftmachung - ebenso wie bei einer Beweiswürdigung nach § 286 ZPO - grundsätzlich Sache des Tatrichters(BGH 21. Oktober 2010 - V ZB 210/09 - Rn. 7, NJW-RR 2011, 136 für die Überprüfung einer Entscheidung über einen Befangenheitsantrag). Jedoch geht es hier um die Frage, ob eine Prozessfortführungsvoraussetzung, nämlich die Zulässigkeit der Berufung, vorliegt. Dies von Amts wegen zu prüfen, obliegt auch dem Revisionsgericht (vgl. nur BAG 16. Mai 2012 - 4 AZR 245/10 - Rn. 9, NZA-RR 2012, 599). Es kann dahingestellt bleiben, ob dies immer eine Prüfung auch der erfolgreichen Glaubhaftmachung von Tatsachen im Rahmen eines Wiedereinsetzungsantrages durch das Revisionsgericht erfordert. Jedenfalls berechtigt es das Revisionsgericht in Fällen wie dem vorliegenden, in dem das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerhaft die Voraussetzungen der Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand verneint hat, zu prüfen, ob diese Voraussetzungen nicht nur vorgetragen, sondern auch glaubhaft gemacht sind, soweit - wie hier - alle Mittel der Glaubhaftmachung vorliegen.

58

III. Damit war das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 542 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Mangels Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist die Sache auch nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das Landesarbeitsgericht wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben. Dabei ist § 238 Abs. 4 ZPO zu berücksichtigen(vgl. dazu BAG 9. Januar 1990 - 3 AZR 528/89 - zu III der Gründe mwN, AP ZPO 1977 § 233 Nr. 16 = EzA ZPO § 233 Nr. 12).

        

    Zwanziger    

        

    Kiel    

        

    Schmidt    

        

        

        

    R. Gmoser    

        

    Glock    

                 

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, auch soweit sie auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen, führt der Arbeitgeber durch, es sei denn, dass im Einzelfall etwas anderes vereinbart ist. Der Betriebsrat darf nicht durch einseitige Handlungen in die Leitung des Betriebs eingreifen.

(2) Betriebsvereinbarungen sind von Betriebsrat und Arbeitgeber gemeinsam zu beschließen und schriftlich niederzulegen. Sie sind von beiden Seiten zu unterzeichnen; dies gilt nicht, soweit Betriebsvereinbarungen auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen. Werden Betriebsvereinbarungen in elektronischer Form geschlossen, haben Arbeitgeber und Betriebsrat abweichend von § 126a Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dasselbe Dokument elektronisch zu signieren. Der Arbeitgeber hat die Betriebsvereinbarungen an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen.

(3) Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt.

(4) Betriebsvereinbarungen gelten unmittelbar und zwingend. Werden Arbeitnehmern durch die Betriebsvereinbarung Rechte eingeräumt, so ist ein Verzicht auf sie nur mit Zustimmung des Betriebsrats zulässig. Die Verwirkung dieser Rechte ist ausgeschlossen. Ausschlussfristen für ihre Geltendmachung sind nur insoweit zulässig, als sie in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung vereinbart werden; dasselbe gilt für die Abkürzung der Verjährungsfristen.

(5) Betriebsvereinbarungen können, soweit nichts anderes vereinbart ist, mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden.

(6) Nach Ablauf einer Betriebsvereinbarung gelten ihre Regelungen in Angelegenheiten, in denen ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann, weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird - unter Zurückweisung der Revision im Übrigen - das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 16. Mai 2014 - 6 Sa 451/13 - teilweise aufgehoben.

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 20. Februar 2013 - 3 Ca 5067/12 - teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger bei Eintritt des Versorgungsfalls eine Betriebsrente zu zahlen, bei deren Berechnung die Dauer der Freistellungsphase während der Altersteilzeit in vollem Umfang zur rentenfähigen Dienstzeit zählt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 10/11 und die Beklagte zu 1/11 zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe der dem Kläger zu zahlenden Altersrente.

2

Der im August 1951 geborene Kläger war von Oktober 1983 bis Ende August 2014 bei der Beklagten bzw. ihren Rechtsvorgängerinnen in deren Werk in Düsseldorf beschäftigt. Bei der Beklagten und ihren Rechtsvorgängerinnen fanden die jeweils geltenden Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie für das Land Nordrhein-Westfalen Anwendung.

3

Für vor dem 31. Dezember 2003 in die Dienste der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerinnen eingetretene Mitarbeiter richten sich - zuletzt aufgrund Nr. 1.3 einer Betriebsvereinbarung vom 19. November 2007 - die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach der von der Rechtsvorgängerin der Beklagten mit Wirkung zum 1. Oktober 1992 abgeschlossenen Gesamtbetriebsvereinbarung „Versorgungsordnung“ idF vom 26. November 1992 (im Folgenden VO 1992). Die VO 1992 sieht ua. die Gewährung einer Altersrente vor (§ 2 VO 1992), deren Berechnung sich gemäß § 9 Abs. 1 VO 1992 nach der für den Mitarbeiter gültigen Versorgungsgruppe und der Anzahl der rentenfähigen Dienstjahre richtet. Hierzu enthält die VO 1992 ua. folgende Regelungen:

        

§ 6 Berechnung der rentenfähigen Dienstzeit

        

…       

        
        

(2)     

Die rentenfähige Dienstzeit beginnt frühestens mit Vollendung des 20. Lebensjahres. Sie endet spätestens mit dem Ablauf des 6. Monats nach Vollendung des 65. Lebensjahres.

        

(3)     

Die höchste erreichbare rentenfähige Dienstzeit beträgt 35 Jahre.

        

(4)     

Zum Ende des Kalenderjahres wird für jeden Mitarbeiter der Dienstzeitfaktor errechnet. Für Teilzeitbeschäftigte ergibt sich der Dienstzeitfaktor aus dem Verhältnis der vertraglichen zur Regelarbeitszeit.

        

(5)     

Wenn die Addition der Dienstzeitfaktoren in der Summe zu einem Bruchteil führt, werden mindestens 0,5 Jahre zu einem vollen Jahr aufgerundet; weniger als 0,5 Jahre bleiben unberücksichtigt.

        

§ 7 Versorgungsgruppe

        

(1)     

Jeder Mitarbeiter wird auf der Grundlage seiner Rangstufe bzw. seines Arbeitswertes einer der Versorgungsgruppen nach folgender Tabelle zugeordnet:

                 

Versorgungsgruppe (VG)

Angestellte Rangstufe

Arbeiter AW:
Zeitlohn

Arbeiter AW: Prämien- und Standardlohn

                 
                 

1       

-       

- 9     

-       

                 

2       

1       

10 - 18

- 8     

                 

3       

2       

19 - 21

9 - 12

                 

4       

3       

22 - 24

13 - 15

                 

5       

4       

25 - 27

16 - 18

                 

6       

5       

28 + 29

19 - 21

                 

7       

6       

30 + 31

22 - 24

                 

8       

7       

32 - 34

25 - 27

                 

9       

8       

35 - 37

28 - 30

                 

10    

9       

38 - 41

31 - 33

                 

11    

10    

42 - 45

34 - 37

                 

12    

11 + 12

46 - 49

38 - 42

                 

13    

13 + 14

50 - 52

43 - 47

                 

14    

15 - 17

        

48 - und mehr

                 

15    

18 - 20

                 
                 

16    

21 - 23

                 
                 

17    

24 + 26

                 
                 

18    

28 + 30

                 
                 

19    

32 + 34

                 
                 

20    

36 + 38

                 
                 

21    

Verkäufer

                 
        

…“    

        
4

Die Höhe der je nach Versorgungsgruppe und Dienstjahren zu zahlenden Altersrente ist in einer sog. Rententabelle festgelegt. Die Rententabelle, die letztmalig im Jahr 1999 angepasst wurde (im Folgenden Rententabelle 1999), weist für jede der 21 Versorgungsgruppen und für jedes rentenfähige Dienstjahr von 10 bis 35 einen bestimmten Betrag aus.

5

Die Entlohnung der Arbeiter im Werk Düsseldorf erfolgte aufgrund einer von der Rechtsvorgängerin der Beklagten mit dem Betriebsrat abgeschlossenen Betriebsvereinbarung vom 29. März 1968 (im Folgenden BV 1968) nach dem im Tarifvertrag über die analytische Arbeitsbewertung vom 26. September 1967 idF der Änderungsvereinbarung vom 11. Januar 1973 (im Folgenden TV Arbeitsbewertung) geregelten Verfahren der analytischen Arbeitsbewertung. Gegenstand der Arbeitsbewertung ist nach Nr. 2 des TV Arbeitsbewertung die Arbeitsaufgabe. Gemäß Nr. 3 TV Arbeitsbewertung geht die Bewertung von den sachlichen Anforderungen aus, die die Arbeitsaufgabe an den ausführenden Arbeitnehmer bei menschlicher Normalleistung stellt. Anhand der in Nr. 4 TV Arbeitsbewertung aufgeführten Bewertungsmerkmale - Können, Belastung, Verantwortung und Umgebungseinflüsse - ist ein Arbeitswert zu ermitteln, nach dessen Höhe sich die Vergütung der Arbeiter richtet.

6

Die Beklagte und ihre Rechtsvorgängerinnen vergüteten seit den 1970er Jahren die im Werk Düsseldorf beschäftigten Arbeiter entweder mit einem Zeitlohn oder einem sog. Standardlohn. Die Zeitlohnarbeiter erhielten - neben ihrem sich nach dem Arbeitswert richtenden Monatsgrundlohn - eine Leistungszulage iHv. bis zu 12 %. Die Höhe des Standardlohns war aus dem Gruppen- und Einzelakkord entwickelt worden. Auf der Grundlage damaliger Akkordwerte legten die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerinnen pauschal für jeden Arbeitswert einen bestimmten Betrag als Standardlohn zugrunde und zahlten diesen - nach Ablauf einer Einarbeitungsphase - üblicherweise mit einem Verdienstgrad von 102 % aus.

7

Die bei der Beklagten und ihren Rechtsvorgängerinnen beschäftigten Angestellten wurden dagegen nach dem Gehaltsrahmenabkommen für die Angestellten der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens vom 19. Februar 1975 (im Folgenden GRA 1975) entsprechend ihrer ausgeübten Tätigkeit in die einzelnen Gehaltsgruppen eingestuft (§ 2 Nr. 1 GRA 1975). § 3 GRA 1975 sieht in seinem Teil A sechs Gehaltsgruppen für kaufmännische Angestellte (K1 bis K6), in seinem Teil B sechs Gehaltsgruppen für technische Angestellte (T1 bis T6) und in seinem Teil C vier Gehaltsgruppen (M1 bis M4) für Meister vor. Zudem wandte die Beklagte für die Angestellten eine von ihrer Rechtsvorgängerin und dem Gesamtbetriebsrat abgeschlossene und zum 1. April 1979 in Kraft getretene „Betriebsvereinbarung über das Richtwertsystem für außertarifliche Zulagen“ (im Folgenden BV Richtwertsystem) an. Die BV Richtwertsystem sah ua. Folgendes vor:

        

„2. Voraussetzungen und Ziele

        

2.1     

Das Richtwertsystem dient der Differenzierung der außertariflichen Zulage. Die tarifliche Eingruppierung sowie das Tarifgehalt, die tarifliche Leistungszulage und andere tarifliche Gehaltsbestandteile richten sich nach den entsprechenden Tarifverträgen und werden daher durch diese Vereinbarung nicht berührt.

        

…       

        
        

3. Grundlagen des Richtwertsystems

        

3.1     

Die Richtwerte bauen auf der Arbeitsschwierigkeit und der individuellen Leistung auf.

        

3.2     

(1) Grundlagen des Richtwertsystems sind betriebliche Richtbeispiele, die von Stellenbeschreibungen abgeleitet sind. Die Richtbeispiele sind in eine Rangreihe nach Arbeitsschwierigkeit gebracht. Richtbeispiele vergleichbaren Schwierigkeitsgrades sind jeweils in einer Rangstufe zusammengefaßt.

                 

(2) Die Zuordnung der einzelnen Richtbeispiele zu den Rangstufen ergibt sich aus der Anlage 1.

                 

(3) Alle Richtbeispiele sind im MB/DB-Tätigkeitskatalog aufgeführt. Die Tätigkeitsbezeichnungen sind im Tätigkeitsverzeichnis aufgelistet.

        

…       

        
        

3.4     

Den einzelnen Rangstufen sind Leistungsstufen zugeordnet. Der jeweiligen Leistungsstufe entspricht der sich aus der Leistungsbeurteilung ergebende individuelle Gesamtbeurteilungswert ...

        

3.5     

Der Richtwert für die außertarifliche Zulage ergibt sich damit aus der zugeordneten Rangstufe und der Leistungsstufe im Rahmen der Leistungsbeurteilung.

        

4. Richtwerte

        

4.1     

Die Richtwerte werden von GPS für jedes Werk und jede Niederlassung aufgrund der jeweiligen tariflichen Voraussetzungen und der örtlichen Arbeitsmarktlage festgelegt.

        

4.2     

Die Richtwerte und die aufgrund der jeweiligen tarifvertraglichen Bestimmungen geltenden tariflichen Gehaltsbestandteile ergeben das angestrebte Gesamtgehalt. Der Verlauf der angestrebten Gesamtgehälter ergibt sich aus der Anlage 2.“

8

Die Anlage 2 zur BV Richtwertsystem weist insgesamt 31 Rangstufen mit unterschiedlicher Arbeitswertigkeit und 11 Leistungsstufen auf. Die Leistungsstufe 11 entspricht einem Gesamtgehalt iHv. 100 %, die Leistungsstufe 16 einem Gesamtgehalt iHv. 136 %.

9

Der Kläger wurde von der Beklagten als Arbeiter im Standardlohn vergütet. Seine zuletzt ausgeführten Arbeitsaufgaben waren mit dem Arbeitswert 27 bewertet. Dies entspricht der Versorgungsgruppe 8. Zum 1. Juli 2008 führte die Beklagte das Entgeltrahmenabkommen der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen vom 18. Dezember 2003 (im Folgenden ERA) in ihrem Betrieb ein. Der Kläger wurde zum 1. Juli 2008 in die Entgeltgruppe 9 des ERA eingruppiert.

10

Die Beklagte schloss mit ihrem Gesamtbetriebsrat am 19. Dezember 2000 eine „Gesamtbetriebsvereinbarung über die Inanspruchnahme von Altersteilzeit in der M GmbH“ (im Folgenden GBV 2000). In der GBV 2000 ist ua. geregelt:

        

10. Berücksichtigung der Altersteilzeit in der betrieblichen Altersversorgung

        

Für die Dauer der Altersteilzeit gilt in der betrieblichen Altersversorgung in Abweichungen von den Bestimmungen der gültigen Versorgungsordnung für Teilzeitbeschäftigung der unveränderte Dienstzeitfaktor vor Beginn der Altersteilzeit für die Dauer der Arbeitsphase und ein Dienstzeitfaktor von 0,33 für die Dauer der Freistellungsphase.“

11

Seit Ende 2003 gehört die Beklagte dem T Konzern an. Die T AG - als Konzernmutter - hatte mit dem Konzernbetriebsrat am 7. März 2000 eine „Rahmenkonzernbetriebsvereinbarung zwischen dem Vorstand der T AG und dem Konzernbetriebsrat der T AG zur Altersteilzeit“ (im Folgenden KBV) geschlossen. Die KBV enthält in Nr. 6.2 folgende Bestimmung:

        

„6.2   

Betriebliche Altersversorgung

                 

So weit im Rahmen der jeweils gültigen Leistungsordnung zur betrieblichen Altersversorgung eine Kürzung um den versicherungsmathematischen Abschlag vorgesehen ist, wird dieser nur für den Zeitraum zwischen dem 63. und 65. Lebensjahr vorgenommen.

                 

Für die betriebliche Altersversorgung bleibt die Reduzierung der Arbeitszeit und ggf. des monatlichen Entgeltes aufgrund der Altersteilzeitvereinbarung unberücksichtigt.“

12

Am 26. September 2007 vereinbarte die Beklagte mit ihrem Betriebsrat eine „Betriebsvereinbarung über die Einführung von Alterszeit auf der Grundlage der Rahmenkonzernbetriebsvereinbarung zwischen dem Vorstand der T AG und dem Konzernbetriebsrat der T AG zur Altersteilzeit“ (im Folgenden BV 2007). Die BV 2007 lautet ua.:

        

3.    

Einführung

                 

Die Betriebsparteien haben sich anlässlich der Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen betreffend die geplante Schließung des Betriebes in Düsseldorf zum Jahresende 2012 darauf verständigt, dass der Arbeitgeber als eine Alternative zum Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile, die durch die Betriebsänderung eintreten werden, den Abschluss von Altersteilzeitverträgen anbietet, ohne dass man hierauf jedoch einen Anspruch erheben kann.

                 

Zu diesem Zwecke wird die bisher geltende ,Gesamtbetriebsvereinbarung über die Inanspruchnahme von Altersteilzeit in der M GmbH‘ vom 19.12.2000 durch die ‚Rahmenkonzernbetriebsvereinbarung zwischen dem Vorstand der T AG und dem Konzernbetriebsrat der T AG zur Altersteilzeit‘ in der derzeit gültigen Fassung abgelöst.

        

4.      

Inkrafttreten

                 

Diese Betriebsvereinbarung tritt mit Unterzeichnung in Kraft.“

13

Zum Zeitpunkt des Abschlusses der BV 2007 unterhielt die Beklagte nur noch den Betrieb in Düsseldorf. Ein Gesamtbetriebsrat existierte nicht mehr.

14

Am 20. Dezember 2007 vereinbarte der Kläger mit der Beklagten „auf Grundlage“ der KBV sowie der BV 2007 einen Altersteilzeit-Arbeitsvertrag (im Folgenden Altersteilzeitvertrag). Nach § 3 Satz 1 des Altersteilzeitvertrags betrug die wöchentliche Arbeitszeit des Klägers die Hälfte der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden, mithin 17,5 Stunden pro Woche. Gemäß § 3 Satz 2 des Altersteilzeitvertrags wurde die Arbeitszeit so verteilt, dass der Kläger in der ersten Hälfte des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses vom 1. September 2008 bis 31. August 2011 im Durchschnitt die bisherige wöchentliche Arbeitszeit erbrachte (Arbeitsphase); anschließend erfolgte in der Zeit vom 1. September 2011 bis 31. August 2014 eine Freistellung von der Arbeitsleistung (Freistellungsphase). In § 13 des Altersteilzeitvertrags war Folgendes geregelt:

        

§ 13 

        

Betriebliche Altersversorgung

        

Während der Altersteilzeit zählt die Dauer der Freistellungsphase nur zu 1/3 zur Betriebszugehörigkeit.

        

...     

        

Die übrigen Bestimmungen der Versorgungsordnung, insbesondere zu den Voraussetzungen einer D Rente, gelten unverändert.

        

Für die betriebliche Altersversorgung bleibt die Reduzierung der Arbeitszeit und ggf. des monatlichen Entgeltes aufgrund dieses Vertrages unberücksichtigt.“

15

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, bei der Berechnung seiner zukünftigen Altersrente die Versorgungsgruppe 14 oder zumindest die jeweils niedrigere Versorgungsgruppe, mindestens aber die Versorgungsgruppe 9 zugrunde zu legen. Die VO 1992 benachteilige die Arbeiter gegenüber den Angestellten in sachlich nicht gerechtfertigter Weise. Die Arbeiter könnten keine höhere Versorgungsgruppe als - im Zeitlohn - die 14 bzw. - im Prämien- und Standardlohn - die Versorgungsgruppe 15 erreichen. Zudem seien bei den Arbeitern mehrere Arbeitswerte einer Versorgungsgruppe zugeordnet, während bei den Angestellten bis zur Versorgungsgruppe 11 jeweils nur eine Rangstufe einer Versorgungsgruppe und ab der Versorgungsgruppe 12 nur zwei Rangstufen einer Versorgungsgruppe zugeordnet seien. Auch stiegen die in der Rententabelle 1999 für jedes rentenfähige Dienstjahr festgelegten Beträge in den oberen Versorgungsgruppen höher an als in den unteren Versorgungsgruppen. Darüber hinaus führe die Zuordnung der Rangstufen und Arbeitswerte in § 7 Abs. 1 VO 1992 dazu, dass Angestellte, deren Arbeitsentgelt ebenso hoch sei wie das der Arbeiter, in eine höhere Versorgungsgruppe eingestuft seien und daher auch eine höhere Betriebsrente erhielten. Die Zuordnung bewirke, dass sich Arbeiter mit höherwertigen Arbeitsaufgaben und Angestellte mit geringerwertigen Arbeitsaufgaben in einer Versorgungsgruppe befänden. Da sich die Zuordnung zu den Versorgungsgruppen allein nach den an die jeweiligen Tätigkeiten zu stellenden Anforderungen und nicht nach den individuellen Leistungen der Arbeitnehmer richte, komme es für die Wertigkeit der Arbeitsaufgaben nicht auf die nach dem Richtwertsystem möglichen Leistungsstufen bei den Angestellten und die an die Arbeiter im Zeitlohn gezahlten Leistungszulagen an. Zudem sei die Beklagte verpflichtet, die Dauer seiner Freistellungsphase während der Altersteilzeit vollständig als rentenfähige Dienstzeit und nicht lediglich mit einem Dienstzeitfaktor von 0,33 zu berücksichtigen.

16

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an ihn bei Eintritt des Versorgungsfalls eine Betriebsrente zu zahlen, bei deren Berechnung die Dauer der Freistellungsphase während der Altersteilzeit in vollem Umfang zur Betriebszugehörigkeit zählt und deren Berechnung die Versorgungsgruppe 14, hilfsweise 13, 12, 11, 10, 9 nach der Tabelle in § 7 Abs. 1 der Versorgungsordnung der D AG und der D Unterstützungskasse GmbH in der Fassung vom 26. November 1992 sowie die Rententabelle des Jahres 1999 gemäß § 9 der vorgenannten Versorgungsordnung zugrunde zu legen ist,

        

hilfsweise

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an ihn bei Eintritt des Versorgungsfalls eine Betriebsrente zu zahlen, bei deren Berechnung ab dem 1. Juli 1993 die Versorgungsgruppe 14, hilfsweise 13, 12, 11, 10, 9 nach der Tabelle in § 7 Abs. 1 der Versorgungsordnung der D AG und der D Unterstützungskasse GmbH in der Fassung vom 26. November 1992 sowie die Rententabelle des Jahres 1999 gemäß § 9 der vorgenannten Versorgungsordnung zugrunde zu legen ist.

17

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat geltend gemacht, die VO 1992 enthalte keine sachlich ungerechtfertigte Ungleichbehandlung zwischen Arbeitern und Angestellten. Die unterschiedliche Zuordnung beider Arbeitnehmergruppen zu den Versorgungsgruppen ergebe sich aus den bei Erlass der VO 1992 geltenden unterschiedlichen Vergütungssystemen für Arbeiter und Angestellte. Die VO 1992 führe auch nicht zu einer Benachteiligung der Arbeiter, insbesondere seien die Arbeiter durch die Zuordnung der Arbeitswerte zu den jeweiligen Versorgungsgruppen nicht schlechter gestellt als die Angestellten. Die Vergütungen der in einer Versorgungsgruppe zusammengefassten Arbeiter und Angestellten seien in der Höhe vergleichbar gewesen. Dabei seien auch die nach dem Richtwertsystem für die Angestellten maßgeblichen Leistungsstufen sowie die den Arbeitern im Zeitlohn gezahlten Leistungszulagen zu berücksichtigen. Zudem sei die Dauer der Freistellungsphase des Klägers während der Altersteilzeit nur mit einem Dienstzeitfaktor von 0,33 als rentenfähige Dienstzeit zu berücksichtigen.

18

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

19

Die Revision des Klägers ist teilweise begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger eine Altersrente nach der VO 1992 zu zahlen, bei deren Berechnung die Dauer der Freistellungsphase während der Altersteilzeit in vollem Umfang zur rentenfähigen Dienstzeit zählt. Die weiter gehenden Klageanträge des Klägers bleiben hingegen erfolglos. Der Kläger kann nicht verlangen, dass die Beklagte bei der Berechnung seiner Altersrente nach der VO 1992 eine höhere Versorgungsgruppe als die Versorgungsgruppe 8 zugrunde legt.

20

I. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, bei der Berechnung der dem Kläger zu zahlenden Altersrente eine höhere Versorgungsgruppe als die Versorgungsgruppe 8 nach der VO 1992 zugrunde zu legen. Entgegen der Ansicht des Klägers verstoßen weder § 7 Abs. 1 VO 1992 noch die Rententabelle 1999 gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 75 BetrVG.

21

1. Nach § 75 Abs. 1 BetrVG haben die Betriebsparteien darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden. Zu diesen Grundsätzen gehört der Gleichbehandlungsgrundsatz, dem der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zugrunde liegt. Der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Sind für verschiedene Arbeitnehmergruppen unterschiedliche Rechte oder Pflichten vorgesehen, verlangt der Gleichheitssatz, dass diese Differenzierung sachlich gerechtfertigt ist. Bei einer personenbezogenen Ungleichbehandlung ist der Gleichheitssatz bereits dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. etwa BAG 30. September 2014 - 1 AZR 1083/12 - Rn. 15 mwN, BAGE 149, 195). Dementsprechend bildet der bloße Statusunterschied zwischen gewerblichen Arbeitnehmern und Angestellten keine Rechtfertigung für eine Ungleichbehandlung beider Personengruppen. Die daran anknüpfende Unterscheidung beruht für sich genommen nicht auf sachgerechten Erwägungen. Eine unterschiedliche Behandlung von gewerblichen Arbeitnehmern und Angestellten kann allerdings dann zulässig sein, wenn mit der Anknüpfung an den Statusunterschied gleichzeitig auf einen Lebenssachverhalt abgestellt wird, der geeignet ist, die Ungleichbehandlung sachlich zu rechtfertigen. Das ist am Regelungszweck und dem aus ihm folgenden Differenzierungsgrund zu messen (vgl. BAG 17. Juni 2014 - 3 AZR 757/12 - Rn. 24 mwN).

22

2. Danach verstoßen weder § 7 Abs. 1 VO 1992 noch die Rententabelle 1999 gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 75 Abs. 1 BetrVG.

23

a) Zwar unterscheidet die Tabelle in § 7 Abs. 1 VO 1992 bei der Zuordnung der Mitarbeiter zu den Versorgungsgruppen zwischen Arbeitern und Angestellten. Bei Angestellten richtet sich die Zuordnung nach der Rangstufe, während sie sich für Arbeiter - sowohl im Zeitlohn als auch im Standard- und Prämienlohn - nach dem Arbeitswert bestimmt. Die darin liegende unterschiedliche Behandlung beider Arbeitnehmergruppen ist jedoch sachlich gerechtfertigt. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt. Mit der Regelung in § 7 Abs. 1 VO 1992 haben die Betriebsparteien nicht allein an den unterschiedlichen Status von Arbeitern und Angestellten angeknüpft. Vielmehr nimmt die Bestimmung auf die gruppenspezifisch unterschiedlich ausgestalteten Vergütungssysteme Bezug, die vor der Einführung von ERA im Betrieb der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerinnen bestanden. Damit stellt § 7 Abs. 1 VO 1992 auf einen Lebenssachverhalt ab, der geeignet ist, eine unterschiedliche Behandlung von Arbeitern und Angestellten bei der Zuordnung zu den Versorgungsgruppen sachlich zu rechtfertigen.

24

aa) Vor der Einführung des ERA bestimmte sich die Entlohnung der Arbeiter im Betrieb der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerinnen aufgrund der BV 1968 nach dem Verfahren der analytischen Arbeitsbewertung. Nach Nr. 2 und Nr. 3 TV Arbeitsbewertung wurden die sachlichen Anforderungen, die an die Arbeitsaufgabe des einzelnen Arbeiters gestellt wurden, durch die in Nr. 4 TV Arbeitsbewertung genannten Bewertungsmerkmale erfasst und mit dem im TV Arbeitsbewertung festgelegten Verfahren bewertet. Die Höhe der den Arbeitern zu zahlenden Vergütung bestimmte sich nach dem jeweiligen Arbeitswert. Dies galt sowohl für die im Zeitlohn vergüteten Arbeiter als auch für die im Betrieb der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerinnen mit einem Standardlohn vergüteten Arbeiter.

25

bb) Demgegenüber richtete sich die Vergütung der Angestellten bei der Beklagten und ihren Rechtsvorgängerinnen bis zu der Einführung des ERA nicht nach Arbeitswerten, sondern nach Rangstufen. Zwar bestimmte sich die Höhe der tariflichen Vergütung der Angestellten entsprechend dem GRA 1975 nach deren Eingruppierung in eine der Gehaltsgruppen für kaufmännische und technische Angestellte oder für Meister. Jedoch zahlte die Beklagte bzw. ihre jeweilige Rechtsvorgängerin den Angestellten über die tariflichen Entgeltbestandteile hinaus noch eine außertarifliche Zulage nach der BV Richtwertsystem. Zur Differenzierung der Höhe der außertariflichen Zulage sah die BV Richtwertsystem die Bildung eines in insgesamt 31 Rangstufen und jeweils 11 Leistungsstufen unterteilten Richtwertsystems vor (vgl. Nr. 2.1 Satz 1 und Nr. 3.4 BV Richtwertsystem). Die angestrebten Richtwerte für die außertarifliche Zulage richteten sich nach der zugeordneten Rangstufe und der jeweiligen - von der Leistungsbeurteilung des Angestellten abhängigen - Leistungsstufe (vgl. Nr. 3.5 BV Richtwertsystem). Die Richtwerte und die tariflichen Gehaltsbestandteile ergaben zusammen das für die Angestellten im Betrieb angestrebte Gesamtgehalt. Maßgeblich für dessen Höhe war dabei insbesondere die jeweilige Rangstufe. Diese bestimmte sich nach der Arbeitsschwierigkeit. Nach Nr. 3.2 BV Richtwertsystem waren aus den Stellenbeschreibungen der Angestellten betriebliche Richtbeispiele abgeleitet und diese in eine Rangreihe je nach Arbeitsschwierigkeit gesetzt worden. Die sich nach dieser Rangreihe ergebenden einzelnen 31 Rangstufen entsprachen der Rangstufe in der Tabelle zu § 7 Abs. 1 VO 1992.

26

cc) Entgegen der Rechtsauffassung der Revision hat das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen, dass die Unterschiede zwischen den beiden Vergütungssystemen für Angestellte und Arbeiter von solcher Art und solchem Gewicht waren, dass sie die unterschiedliche Behandlung bei der Zuordnung der Arbeiter und Angestellten in § 7 Abs. 1 VO 1992 rechtfertigten. Eine Entlohnung, deren Höhe sich nach den Arbeitswerten richtete, galt im Betrieb der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerinnen nur für die Gruppe der Arbeiter. Die Bildung von Rangstufen nach der BV Richtwertsystem fand bei ihnen nicht statt. Umgekehrt galt für die Vergütung der Angestellten ein außertarifliches Vergütungsmodell - das Richtwertsystem - welches zur Ermittlung des angestrebten und damit erreichbaren Gesamtgehalts eine Zuordnung der Angestellten nach Rangstufen vorsah. Eine Vergütung der Angestellten nach Arbeitswerten unter Zugrundelegung des TV Arbeitsbewertung erfolgte demgegenüber nicht.

27

dd) Es begegnet auch keinen rechtlichen Bedenken, dass die Betriebsparteien im Rahmen der Zuordnung zu den Versorgungsgruppen nach § 7 Abs. 1 VO 1992 bei den Arbeitern an die Arbeitswerte und bei den Angestellten an die nach dem BV Richtwertsystem ermittelten Rangstufen angeknüpft haben. Damit haben sie im Rahmen des ihnen zustehenden Beurteilungs- und Gestaltungsspielraums einen für beide Arbeitnehmergruppen grundsätzlich gleichwertigen Maßstab zugrunde gelegt. Die Höhe der Vergütung beider Arbeitnehmergruppen bestimmte sich bei der Beklagten bzw. ihren Rechtsvorgängerinnen maßgeblich nach den Arbeitswerten bzw. den Rangstufen. Für die Arbeiter spiegelte der nach dem analytischen Verfahren ermittelte Arbeitswert die Wertigkeit der Anforderungen wider, die die Arbeitsaufgabe an den ausführenden Arbeitnehmer stellte (vgl. Nr. 2 und Nr. 3 TV Arbeitsbewertung). Für die Angestellten ergab sich demgegenüber ein gleichartiges Modell aus der BV Richtwertsystem. Die danach ermittelte Rangreihe sah insgesamt 31 Rangstufen vor, wobei die jeweilige Schwierigkeit der zu erledigenden Arbeit für die jeweilige Rangstufe maßgeblich war (vgl. Nr. 3.2 BV Richtwertsystem).

28

b) Entgegen der Ansicht des Klägers wurde die Gruppe der Arbeiter bei der Zuordnung der Arbeitswerte zu den einzelnen Versorgungsgruppen in § 7 Abs. 1 VO 1992 auch nicht in unzulässiger Weise gegenüber der Gruppe der Angestellten benachteiligt. Jedenfalls in Bezug auf den Kläger liegt eine unzulässige Schlechterstellung gegenüber vergleichbaren Angestellten nicht vor.

29

aa) Eine etwaige Benachteiligung der Arbeiter gegenüber den Angestellten ergibt sich nicht daraus, dass nach der Regelung in § 7 Abs. 1 VO 1992 die Arbeiter im Gegensatz zu den Angestellten keine höhere Versorgungsgruppe als - im Zeitlohn - die 14 bzw. - im Prämien- und Standardlohn - die Versorgungsgruppe 15 erzielen können. Der Umstand, dass nur die Angestellten in eine höhere Versorgungsgruppe als die Versorgungsgruppe 14 eingestuft werden können, lässt - für sich genommen - keinen Rückschluss darauf zu, ob die Regelung zu einer Ungleichbehandlung von vergleichbaren Arbeitern und Angestellten führt. Ein solcher könnte nur gezogen werden, wenn die Arbeitsaufgaben beider Arbeitnehmergruppen hinsichtlich ihrer Wertigkeit das gleiche Spektrum ausschöpfen. Dies ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

30

bb) Die Zuordnung mehrerer Arbeitswerte zu einer Versorgungsgruppe in § 7 Abs. 1 VO 1992 lässt, anders als vom Kläger angenommen, ebenfalls nicht darauf schließen, dass die Gruppe der Arbeiter im Vergleich zu der Gruppe der Angestellten in unzulässiger Weise benachteiligt wird. Zwar haben die Betriebsparteien bei den Angestellten bis zur Versorgungsgruppe 11 jeweils nur eine Rangstufe einer Versorgungsgruppe und ab der Versorgungsgruppe 12 nur zwei Rangstufen einer Versorgungsgruppe zugeordnet. Eine unzulässige Ungleichbehandlung der Arbeiter gegenüber den Angestellten würde dies indes nur dann darstellen, wenn der einzelne Arbeitswert uneingeschränkt mit einer Rangstufe gleichgesetzt werden könnte. Dies scheidet schon deshalb aus, weil die nach der BV Richtwertsystem aufgestellte Rangreihe insgesamt nur 31 Rangstufen umfasste, wohingegen sich nach dem TV Arbeitsbewertung eine erheblich größere Anzahl an möglichen Arbeitswerten ergeben konnte. Nach der Tabelle in § 7 Abs. 1 VO 1992 sind die Betriebsparteien davon ausgegangen, dass zumindest 52 - jeweils aufgerundete - Arbeitswerte bei der Beklagten bzw. ihren Rechtsvorgängerinnen erreichbar sein konnten. Damit waren bei den Angestellten weniger Rangstufen zu den Versorgungsgruppen zuzuordnen als Arbeitswerte bei den Arbeitern.

31

cc) Die Regelung in § 7 Abs. 1 VO 1992 beinhaltet auch nicht deshalb eine Benachteiligung der Arbeiter gegenüber den Angestellten, weil - so der Kläger - bei der Zuordnung der Arbeitswerte und Rangstufen zu den einzelnen Versorgungsgruppen Arbeiter mit „höherwertigen“ Arbeitsaufgaben und Angestellte mit „geringerwertigen“ Arbeitsaufgaben in einer Versorgungsgruppe zusammengefasst wurden.

32

(1) Entgegen der Annahme des Klägers war für die Zuordnung der jeweiligen Rangstufen und Arbeitswerte zu den einzelnen Versorgungsgruppen in § 7 Abs. 1 VO 1992 durch die Betriebsparteien nicht die Schwierigkeit der zu erledigenden Aufgaben maßgebend. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Tabelle in § 7 Abs. 1 VO 1992 nicht nur zwischen Arbeitern und Angestellten unterscheidet, sondern innerhalb der Gruppe der Arbeiter eine weitere Differenzierung nach der Art der Vergütung - Arbeiter mit Zeitlohn einerseits und Arbeiter mit Prämien- und Standardlohn andererseits - vornimmt. Bei einer Zuordnung zu den Versorgungsgruppen ausschließlich nach der Wertigkeit der zu erledigenden Tätigkeiten hätte es einer solchen Differenzierung nicht bedurft. Auch wäre in diesem Fall kein Grund dafür ersichtlich, warum die Arbeiter im Prämien- und Standardlohn bei gleichem Arbeitswert und damit gleicher Wertigkeit der von ihnen zu erfüllenden Arbeitsaufgaben im Rahmen des § 7 Abs. 1 VO 1992 immer einer höheren Versorgungsgruppe zugewiesen wurden als die Arbeiter im Zeitlohn.

33

(2) Die unterschiedliche Zuordnung der Arbeitswerte von Arbeitern im Zeitlohn und der Arbeiter im Standard- und Prämienlohn zeigt vielmehr, dass sich die Betriebsparteien bei der konkreten Zuordnung der Arbeitswerte und Rangstufen zu den einzelnen Versorgungsgruppen in § 7 Abs. 1 VO 1992 an der Höhe der erreichbaren Vergütungen der Arbeitnehmer orientiert haben. Arbeiter im Zeitlohn und die im Betrieb der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerinnen beschäftigten Arbeiter im Standardlohn konnten - trotz gleicher Arbeitswerte - eine unterschiedlich hohe Vergütung erzielen. Denn die Arbeiter im Zeitlohn erhielten nicht nur den sich nach der Höhe des Arbeitswerts richtenden Monatsgrundlohn, sondern auch eine monatliche Leistungszulage, deren Höhe 1 % bis maximal 12 % des Monatsgrundlohns betrug. Arbeitern im Standardlohn wurde demgegenüber keine Leistungszulage, sondern nur ein fester monatlicher Lohn gezahlt, der nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts üblicherweise mit einem Verdienstgrad von 102 % ausgezahlt wurde. Der Standardlohn war - wie die von der Beklagten eingereichten Vergütungstabellen für die Arbeiter im Zeitlohn und die Arbeiter im Standardlohn aus den Jahren 1995 und 2007 zeigen - bei gleichem Arbeitswert erheblich höher als der Monatsgrundlohn für die Arbeiter im Zeitlohn und entsprach bezogen auf die einzelnen Arbeitswerte in etwa der Vergütung, die ein Arbeiter im Zeitlohn mit einer im Durchschnitt erreichbaren Leistungszulage von 7 % erhielt.

34

dd) Der Kläger kann ebenfalls nicht mit Erfolg geltend machen, die Zuordnung der Arbeitswerte zu den Versorgungsgruppen in § 7 Abs. 1 VO 1992 führe dazu, dass Angestellte, deren Arbeitsentgelt ebenso hoch war wie das Entgelt der Arbeiter, in höhere Versorgungsgruppen eingestuft wurden. In Bezug auf den Kläger liegt insoweit keine unzulässige Schlechterstellung gegenüber vergleichbaren Angestellten vor.

35

(1) Den von der Beklagten eingereichten Vergütungstabellen für die Arbeiter im Zeitlohn, die Arbeiter im Standardlohn und die Angestellten aus dem Jahr 1995 lässt sich entnehmen, dass die jeweilige Zuordnung der Arbeitswerte für die beiden Arbeitergruppen und der Rangstufen für die Angestellten zu den einzelnen Versorgungsgruppen - zumindest bis einschließlich zur Versorgungsgruppe 12 - der Vergütungshöhe entsprach, die von den Arbeitnehmern nach dem für die drei Gruppen jeweils geltenden Vergütungssystem im Durchschnitt erreichbar war. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt. Während die Arbeiter im Standardlohn einen festen Monatslohn erhielten, konnten die Arbeiter im Zeitlohn neben ihrem Monatsgrundlohn eine Leistungszulage erzielen, deren Höhe sich auf durchschnittlich ca. 7 % belief. Für die Angestellten galten nach dem Richtwertsystem insgesamt 11 Leistungsstufen zwischen 11 und 16; dadurch konnten sie bis zu 136 % des in der jeweiligen Rangstufe maßgeblichen Ausgangsgehalts beziehen. Damit ergab sich für die Angestellten - bei einem durchschnittlichen Wert von etwa 116 % - eine je Rangstufe durchschnittlich erreichbare Leistungsstufe von 13,5. Sowohl die Vergütung der in einer Versorgungsgruppe zusammengefassten Arbeiter im Standardlohn als auch die - unter Berücksichtigung einer Leistungszulage iHv. 7 % - durchschnittlich erreichbare Vergütung der Arbeiter im Zeitlohn entsprach danach in etwa dem Entgelt, das auch die der gleichen Versorgungsgruppe zugeordneten Angestellten bei einer durchschnittlich erreichbaren Leistungsstufe von 13,5 erhielten.

36

Dass sich die für den Vergütungsvergleich maßgeblichen Vergütungstabellen erst auf das Jahr 1995 beziehen, während die VO 1992 bereits aus dem Jahr 1992 stammt, ist insoweit unerheblich. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hatte sich seit Abschluss der VO 1992 im Jahr 1992 an dem Verhältnis der einzelnen Vergütungen zueinander nichts mehr geändert, da diese gleichmäßig angepasst wurden. Daher sind die von der Beklagten eingereichten Zahlen, die vom Kläger nicht bestritten wurden, insoweit auch für die Zeit davor aussagekräftig.

37

(2) Die Zuordnung der Rangstufen und Arbeitswerte zu den einzelnen Versorgungsgruppen anhand der durchschnittlich erreichbaren Vergütungen der Arbeitnehmer begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Betriebsparteien waren nicht gehalten, die Zuordnung anhand der konkret von den Arbeitnehmern erreichten Vergütung vorzunehmen. Vielmehr durften sie im Rahmen des ihnen zustehenden Gestaltungs- und Beurteilungsspielraums bei der Normsetzung typisieren und pauschalieren (vgl. dazu nur BAG 16. Februar 2010 - 3 AZR 216/09 - Rn. 34, BAGE 133, 158; 9. Dezember 2014 - 1 AZR 102/13 - Rn. 23 mwN; 22. März 2005 - 1 AZR 49/04 - zu 3 a der Gründe, BAGE 114, 179). Infolge der unterschiedlichen Vergütungsstrukturen im Betrieb differierte die Bandbreite bei der Höhe der tatsächlich erreichbaren Vergütungen bei den einzelnen Arbeitnehmergruppen erheblich. Während der Grad der erreichbaren Gesamtvergütung bei den Angestellten in der höchsten Leistungsstufe bis zu 136 % betragen konnte, umfasste das Spektrum bei Arbeitern im Zeitlohn lediglich 101 % bis 112 % des Monatsgrundlohns und bei Arbeitnehmern im Standardlohn - nach Ablauf der Einarbeitungszeit - sogar nur 100 % bis 102 % des Standardlohns. Angesichts dieser erheblich unterschiedlichen Bandbreiten ist eine Zuordnung der Arbeitswerte und Rangstufen zu den Versorgungsgruppen anhand von Durchschnittswerten nicht zu beanstanden. Auch wurde hierdurch vermieden, dass sich ein etwaiger von den leistungsbezogenen Vergütungsbestandteilen ausgehender Leistungsdruck auf die Arbeitnehmer noch weiter erhöhte. Die individuell erbrachte Leistung war damit nur für das laufende Entgelt, nicht jedoch für die Höhe der späteren Betriebsrente von unmittelbarer Bedeutung.

38

(3) Ausgehend hiervon ist nicht ersichtlich, dass der Kläger, der als Arbeiter im Standardlohn der Versorgungsgruppe 8 zugeordnet war, gegenüber einem Angestellten, der der Versorgungsgruppe 9 bis einschließlich der Versorgungsgruppe 14 zugeordnet wurde, in unzulässiger Weise benachteiligt wurde. Die durchschnittlich erreichbaren Vergütungen der Arbeiter im Standardlohn mit der Versorgungsgruppe 8 lag unterhalb der durchschnittlich erreichbaren Vergütung von Angestellten der Versorgungsgruppen 9 bis 14. Auf die tatsächlich von den einzelnen Arbeitnehmern erreichte Vergütung kam es nach der nicht zu beanstandenden Grundentscheidung der Betriebsparteien insoweit nicht an.

39

ee) An der Wirksamkeit der in § 7 Abs. 1 VO 1992 enthaltenen Differenzierungen hat sich nichts dadurch geändert, dass die Beklagte zum 1. Juli 2008 das ERA in ihrem Betrieb eingeführt hat. Zwar erfolgte die tarifliche Vergütung der Arbeiter und Angestellten seitdem nach einheitlichen Entgeltgruppen. Dies ist jedoch unschädlich, da die VO 1992 nur für Mitarbeiter gilt, die bereits vor dem 31. Dezember 2003 bei der Beklagten beschäftigt waren und die damit bis zur Einführung des ERA noch nach den früheren unterschiedlichen Vergütungssystemen für Arbeiter und Angestellte bezahlt und deren Arbeitsaufgaben entsprechend bewertet wurden. Die Weiterführung eines für diesen Personenkreis eingerichteten und rechtlich nicht zu beanstandenden Systems zur Berechnung der Betriebsrente ist trotz Änderung des Vergütungssystems schon aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig.

40

c) Der Kläger kann auch nicht erfolgreich geltend machen, die in der Rententabelle 1999 für jedes rentenfähige Dienstjahr festgelegten Beträge stiegen in den oberen Versorgungsgruppen höher an als in den unteren Versorgungsgruppen und führten damit zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung zwischen Arbeitern und Angestellten. Es kann dahinstehen, ob ein Verstoß der in der Rententabelle 1999 festgelegten Steigerungsbeträge gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 75 Abs. 1 BetrVG überhaupt zur Folge hätte, dass die Altersrente des Klägers nach einer höheren Versorgungsgruppe als der Versorgungsgruppe 8 zu berechnen wäre. Denn die in der Rententabelle 1999 für jedes rentenfähige Dienstjahr festgelegten Beträge sind zumindest soweit es die Versorgungsgruppen 8 bis 14 betrifft mit § 75 Abs. 1 BetrVG vereinbar. Die Steigerungen der Rentenbeträge in den Versorgungsgruppen 9 bis 14 entsprechen - prozentual betrachtet - in etwa den Steigerungen in der Versorgungsgruppe 8. Zu einer für jedes Dienstjahr und jede Versorgungsgruppe prozentual exakt gleichen Anhebung waren die Betriebsparteien aufgrund des ihnen zustehenden Gestaltungsspielraums nicht verpflichtet.

41

II. Der Kläger kann jedoch verlangen, dass die Beklagte ihm eine Altersrente nach der für ihn geltenden VO 1992 zahlt, bei deren Berechnung die Dauer der Freistellungsphase während der Altersteilzeit in vollem Umfang zur rentenfähigen Dienstzeit zählt. Es bedarf keiner Entscheidung, ob sich ein Anspruch des Klägers auf Berücksichtigung der Zeit seiner altersteilzeitbedingten Freistellung vom 1. September 2011 bis zum 31. August 2014 mit einem Dienstzeitfaktor iSd. § 6 Abs. 4 Satz 1 VO 1992 von 1,0 - wie vom Kläger angenommen - bereits aus der VO 1992 ergibt. Die Beklagte ist jedenfalls aufgrund der Regelungen in Nr. 3 Satz 2 BV 2007 iVm. Nr. 6.2 Satz 2 KBV verpflichtet, den Zeitraum der Freistellung des Klägers während der Altersteilzeit uneingeschränkt als rentenfähige Dienstzeit zu berücksichtigen. Denn nach Nr. 6.2 Satz 2 KBV bleibt die aufgrund einer Altersteilzeitvereinbarung vereinbarte Reduzierung der Arbeitszeit und ggf. des monatlichen Entgelts für die betriebliche Altersversorgung unberücksichtigt. Damit scheidet die Bildung eines Dienstzeitfaktors nach § 6 Abs. 4 Satz 2 VO 1992 für die Dauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses des Klägers aus.

42

1. Entgegen der Ansicht der Beklagten gelten für den Kläger und das von ihm vereinbarte Altersteilzeitarbeitsverhältnis nicht die Bestimmungen der GBV 2000, sondern die Regelungen der KBV und damit auch Nr. 6.2 Satz 2 KBV. Es kann offenbleiben, ob die GBV 2000 bereits Ende 2003 von der denselben Regelungsgegenstand - die Altersteilzeit - betreffenden KBV verdrängt wurde, weil die Beklagte zu einem dem T Konzern angehörenden Unternehmen wurde. Ebenfalls dahinstehen kann, ob die KBV in den Betrieben der zum T Konzern gehörenden Unternehmen unmittelbar zur Anwendung gelangte oder ob ihre Geltung - als Rahmenbetriebsvereinbarung - einer auf ihre Anwendung gerichteten Betriebsvereinbarung bedurfte. Selbst wenn man zugunsten der Beklagten davon ausgeht, dass die GBV 2000 auch nach der Eingliederung der Beklagten in den T Konzern im Dezember 2003 normativ weiter gegolten und die Geltung der KBV in den Betrieben der konzernangehörenden Unternehmen einer Betriebsvereinbarung bedurft hätte, wäre die GBV 2000 jedenfalls zum 26. September 2007 durch die BV 2007 abgelöst worden. In Nr. 3 BV 2007 haben die Betriebsparteien ausdrücklich vereinbart, dass die Beklagte anlässlich der geplanten Schließung ihres Betriebs in Düsseldorf zum Jahresende 2012 den Abschluss von Altersteilzeitverträgen anbietet und zu diesem Zweck die GBV 2000 durch die KBV in der derzeit gültigen Fassung abgelöst wird. Damit sollten für die von der Beklagten nach Unterzeichnung der BV 2007 am 26. September 2007 abgeschlossenen Altersteilzeitvereinbarungen der im Betrieb Düsseldorf beschäftigten Mitarbeiter nur noch die Regelungen der KBV Anwendung finden. Da der Kläger seinen Altersteilzeitvertrag im Dezember 2007 mit der Beklagten vereinbart hat, gelten für ihn gemäß Nr. 3 Satz 2 BV 2007 die Bestimmungen der KBV und damit auch die Regelungen in Nr. 6.2 Satz 2 KBV.

43

2. Der Betriebsrat besaß auch die Kompetenz die mit dem früheren Gesamtbetriebsrat der Beklagten abgeschlossene GBV 2000 abzulösen. Zwar kann eine mit dem Gesamtbetriebsrat getroffene Vereinbarung grundsätzlich nicht durch eine mit dem örtlichen Betriebsrat geschlossene abgelöst werden. Dies ist Folge der den jeweiligen Betriebsverfassungsorganen gesetzlich zugewiesenen Regelungskompetenz (vgl. BAG 17. April 2012 - 1 AZR 119/11 - Rn. 25, BAGE 141, 101). Nach den übereinstimmenden Erklärungen der Parteivertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unterhielt die Beklagte zum Zeitpunkt der Abschlusses der BV 2007 am 26. September 2007 jedoch nur noch einen Betrieb, in dem ein Betriebsrat gebildet war. Ihr zweiter Betrieb in Esslingen war an ein anderes Unternehmen übertragen worden. Nach dessen Übertragung galt die GBV damit als Betriebsvereinbarung im verbliebenen Betrieb Düsseldorf weiter; ein Gesamtbetriebsrat konnte für diesen nicht mehr errichtet werden (vgl. zur Weitergeltung einer Gesamtbetriebsvereinbarung als Betriebsvereinbarung, wenn nach einer Übertragung von Betrieben auf einen anderen Rechtsträger beim bisherigen Rechtsträger nur noch ein Betrieb verbleibt BAG 5. Mai 2015 - 1 AZR 763/13 - Rn. 53). Der im Betrieb in Düsseldorf gebildete Betriebsrat war daher für die inhaltliche Abänderung der GBV 2000 und damit auch für ihre Ablösung zuständig.

44

3. Die durch Nr. 3 Satz 2 BV 2007 in Bezug genommene Bestimmung des Nr. 6.2 Satz 2 KBV bezieht sich - anders als von der Beklagten geltend gemacht - nicht nur auf das ursprünglich bei der T AG bestehende Versorgungssystem, sondern erfasst auch die durch die VO 1992 zugesagten Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Dies ergibt die Auslegung (zu den Auslegungsgrundsätzen bei Betriebsvereinbarungen vgl. etwa BAG 18. September 2012 - 3 AZR 431/10 - Rn. 55).

45

a) Bereits der Wortlaut der Nr. 6.2 KBV lässt keinen Schluss auf die von der Beklagten angenommene Einschränkung der Bestimmung zu. Nach Nr. 6.2 Satz 2 KBV bleibt die Reduzierung der Arbeitszeit und ggf. des monatlichen Entgelts aufgrund der Altersteilzeitvereinbarung „für die betriebliche Altersversorgung“ unberücksichtigt. Damit bezieht sich die Bestimmung nach ihrer unmissverständlichen sprachlichen Fassung nicht auf ein bestimmtes Versorgungswerk. Auch Nr. 6.2 Satz 1 KBV nimmt lediglich auf die jeweils gültige Leistungsordnung zur betrieblichen Altersversorgung Bezug, ohne diese konkret zu benennen. Die Formulierung „im Rahmen der jeweils gültigen Leistungsordnung“ verdeutlicht vielmehr, dass es sich nicht lediglich um eine einzige Versorgungsordnung handelt, sondern um diejenige Versorgungsordnung, die für den sich in Altersteilzeit befindlichen Mitarbeiter des konzernanhängigen Unternehmens „jeweils“ gilt.

46

b) Dieses Verständnis belegt auch die Systematik. Ausweislich der Überschrift gilt Nr. 6.2 für die „betriebliche Altersversorgung“. Eine Bezugnahme auf ein bestimmtes Versorgungswerk findet sich hier nicht. Der Regelungsinhalt von Nr. 6.2 Satz 1 KBV spricht ebenfalls dafür, dass sich die gesamte Bestimmung nicht nur auf das Versorgungswerk der T AG bezieht. Denn die Parteien der KBV haben damit erkennbar eine Regelung gerade für den Fall getroffen, dass die für den Mitarbeiter jeweils maßgebende Versorgungsordnung einen versicherungsmathematischen Abschlag bei vorgezogener Inanspruchnahme der betrieblichen Altersrente anordnet.

47

c) Der Gesamtzusammenhang zeigt ebenfalls, dass sich die Bestimmung in Nr. 6.2 Satz 2 KBV nicht nur auf das bei der T AG bestehende Versorgungssystem, sondern auch auf die VO 1992 bezieht. Die Betriebsparteien der BV 2007 wollten mit deren Abschluss und der darin geregelten Ablösung der GBV 2000 die Regelungen der KBV auf die von der damals geplanten Schließung des Betriebs Düsseldorf betroffenen Arbeitnehmer, die mit der Beklagten eine Altersteilzeitvereinbarung vereinbaren, zur Anwendung bringen. Die betriebliche Altersversorgung der langjährig beschäftigten Mitarbeiter der Beklagten in Düsseldorf richtete sich indes nach der VO 1992. Bei diesem Personenkreis handelte es sich typischerweise um Arbeitnehmer, die angesichts ihres Alters in den Genuss eines Altersteilzeitvertrags kommen konnten und damit unter die Bestimmungen der BV 2007 und damit auch die Regelungen der KBV fallen sollten.

48

d) Diese Auslegung entspricht auch dem Sinn und Zweck von Nr. 6.2 KBV. Die Arbeitnehmer sollten nicht durch Nachteile, die sich aus ihrer Versorgungsordnung ergeben, davon abgehalten werden, Altersteilzeit in Anspruch zu nehmen. Der mit der Regelung verfolgte Zweck greift unabhängig davon ein, nach welcher Versorgungsordnung sich die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung richten.

49

e) Der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gehaltene Vortrag, die Betriebsparteien hätten bei Abschluss der BV 2007 den übereinstimmenden Willen gehabt, mit der Bestimmung in Nr. 6.2 KBV lediglich auf das bei der T AG bestehende Versorgungssystem und nicht auf die - vorteilhaftere Leistungen zusagende - VO 1992 Bezug zu nehmen, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Selbst wenn die Betriebsparteien einen entsprechenden Willen gehabt haben sollten, wäre dieser unbeachtlich, da er weder in der BV 2007 noch in den Regelungen der Nr. 6.2 KBV Anklang gefunden hat. Wegen des Rechtsnormcharakters dieser Bestimmungen kann ein etwaiger anderweitiger Wille der Betriebsparteien nur berücksichtigt werden, wenn er im Text in irgendeiner Art und Weise seinen Niederschlag gefunden hat. Ist dagegen - wie hier - die Auslegung nach Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck bereits eindeutig, kann auf den wirklichen Willen der Betriebsparteien nicht mehr zurückgegriffen werden (vgl. zur Tarifauslegung BAG 10. Februar 2015 - 3 AZR 904/13 - Rn. 38; zum Gleichlauf der Auslegungsregeln BAG 17. September 2013 - 3 AZR 418/11 - Rn. 28).

50

4. § 13 des Altersteilzeitvertrags steht dem Anspruch des Klägers auf vollständige Berücksichtigung der Dauer seiner Freistellungsphase während der Altersteilzeit als rentenfähige Dienstzeit nicht entgegen. Es kann dahinstehen, ob die Regelung wegen eines möglichen Widerspruchs von Satz 1 und Satz 4 bereits intransparent iSd. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und damit nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam ist. Jedenfalls verstößt § 13 Satz 1 des Altersteilzeitvertrags, wonach die Dauer der Freistellungsphase nur zu einem Drittel zur Betriebszugehörigkeit zählt, gegen die aufgrund von Nr. 3 Satz 2 BV 2007 für den Kläger unmittelbar und zwingend geltende Bestimmung des Nr. 6.2 Satz 2 KBV (vgl. § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG) und ist damit unwirksam.

51

III. Der Senat war nicht gehalten, entsprechend dem in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgebrachten Begehren der Parteien den Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen, um ihnen Gelegenheit zu weiterem Vortrag zu geben. Die für den Ausgang des Rechtsstreits maßgeblichen Aspekte sind von den Parteien in das Verfahren eingeführt und, soweit der Kläger unterlegen ist, auch vom Landesarbeitsgericht gewürdigt worden. Auf einen weiter gehenden Vortrag der Beklagten zu dem Willen der Betriebsparteien, die Regelung des Nr. 6.2 KBV nicht auf die VO 1992 beziehen zu wollen, kam es - wie dargelegt - nicht an. Die insoweit maßgeblichen Rechtsfragen wurden in der Verhandlung vor dem Senat erörtert.

        

    Zwanziger    

        

    Spinner    

        

    Ahrendt    

        

        

        

    Knüttel    

        

    Xaver Aschenbrenner    

                 

(1) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Gleichgültig ist, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat. Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind.

(2) Allgemeine Geschäftsbedingungen werden nur dann Bestandteil eines Vertrags, wenn der Verwender bei Vertragsschluss

1.
die andere Vertragspartei ausdrücklich oder, wenn ein ausdrücklicher Hinweis wegen der Art des Vertragsschlusses nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich ist, durch deutlich sichtbaren Aushang am Ort des Vertragsschlusses auf sie hinweist und
2.
der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise, die auch eine für den Verwender erkennbare körperliche Behinderung der anderen Vertragspartei angemessen berücksichtigt, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen,
und wenn die andere Vertragspartei mit ihrer Geltung einverstanden ist.

(3) Die Vertragsparteien können für eine bestimmte Art von Rechtsgeschäften die Geltung bestimmter Allgemeiner Geschäftsbedingungen unter Beachtung der in Absatz 2 bezeichneten Erfordernisse im Voraus vereinbaren.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 5. Juni 2012 - 8 Sa 16/12 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten nach der Beendigung ihres Altersteilzeitarbeitsverhältnisses über die Höhe des dem Kläger im Austrittsjahr zu zahlenden Jahresbonus.

2

Der am 20. November 1950 geborene Kläger war langjährig bei der Beklagten, einem Unternehmen der chemischen Industrie, und deren Rechtsvorgängerinnen als sog. AT-Mitarbeiter beschäftigt.

3

Die Gesamtbetriebsparteien schlossen am 10. Januar 2001 eine „Vereinbarung über Altersteilzeit für außertarifliche Mitarbeiter und Leitende Angestellte“ (GBV ATZ), die für alle Altersteilzeitarbeitsverhältnisse, die nach dem 30. Juni 2000 begonnen haben, galt und auszugsweise wie folgt lautet:

        

§ 5   

        

Jährliche Einmalzahlungen

        

Die variablen Boni (Individueller Bonus, Konzernbonus und Bereichsbonus) werden in der Höhe von 60 % derjenigen Beträge gezahlt, die der Mitarbeiter ohne Eintritt in die Altersteilzeit erhalten hätte. Sie sind nicht in die Aufstockungszahlung einzubeziehen.

        

In der Freistellungsphase … wird der Individuelle Bonus mit dem in der Arbeitsphase im Durchschnitt erzielten Prozentsatz berechnet. Für die Berechnung des Konzern- und des Bereichsbonus sind die jeweiligen aktuellen Werte des Geschäftsjahres maßgebend, für das der Bonus gezahlt wird.“

4

Am 17. Dezember 2003 schloss der Kläger mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten einen von dieser vorformulierten Altersteilzeitarbeitsvertrag (ATZV), der ua. wie folgt lautet:

        

§ 1   

        

Beginn und Ende der Altersteilzeit

        

1.    

Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis wird unter Abänderung und Ergänzung des Arbeitsvertrages mit Wirkung vom 01.12.2008 als Altersteilzeitarbeitsverhältnis fortgeführt.

        

2.    

Die Altersteilzeit - und damit das Arbeitsverhältnis insgesamt - endet ohne Kündigung am 30.11.2010. Sie werden im unmittelbaren Anschluss hieran eine gesetzliche Altersrente oder eine ihr vergleichbare Leistung unter Inkaufnahme gegebenenfalls eintretender Abschläge in Anspruch nehmen.

        

…       

        
        

§ 3     

        

Arbeitszeit

        

…       

        

2.    

Lage und Verteilung der Arbeitszeit werden wie folgt festgelegt:

                 

In der ersten Hälfte, d. h. ab 01.12.2008 bis voraussichtlich zum 30.11.2009 = bisherige Arbeitszeit, d. h. grundsätzlich 37,5 Stunden/Woche.

                 

In der zweiten Hälfte, d. h. voraussichtlich ab 01.12.2009 bis zum 30.11.2010 = bezahlte Freistellung.

                 

…       

        

§ 4     

        

Vergütung

        

1.    

Für die Dauer der Altersteilzeitarbeit wird Ihr monatliches Grundentgelt (einschließlich eines etwaigen monatlichen Besitzstandes) auf 50 % desjenigen Betrages reduziert, den Sie ohne Eintritt in die Altersteilzeit erhalten hätten.

                 

In der Freistellungsphase wird das Leistungsentgelt mit dem in der Arbeitsphase im Durchschnitt erzielten Prozentsatz berechnet.

        

…       

        
        

3.    

Die variablen Boni (Individueller Bonus, Konzernbonus und Bereichsbonus) werden in Höhe von 60 % derjenigen Beträge gezahlt, die Ihnen ohne Eintritt in die Altersteilzeit zugestanden hätten. Auch sie sind nicht in die Aufstockungszahlung einzubeziehen.

                 

In der Freistellungsphase wird der Individuelle Bonus mit dem in der Arbeitsphase im Durchschnitt erzielten Prozentsatz berechnet. Für die Berechnung des Konzern- und des Bereichsbonus sind die jeweiligen aktuellen Werte des Geschäftsjahres maßgebend, für das der Bonus gezahlt wird.

        

…       

        
        

§ 11   

        

Vertragsänderungen und Rechtsgrundlagen

        

…       

        

5.    

Im Übrigen gelten die Bestimmungen des Arbeitsvertrages, die mit den Arbeitnehmervertretern vereinbarten betrieblichen Regelungen zur Altersteilzeit und die Bestimmungen des Tarifvertrages zur Förderung der Altersteilzeit in ihrer jeweils geltenden Fassung sowie das Altersteilzeitgesetz in der bei Beginn der Altersteilzeit geltenden Fassung.“

5

Ab dem Jahr 2005 war die Zahlung eines Jahresbonus, der aus einem Konzern- und einem Bereichsbonus besteht, in einer „Rahmenvereinbarung über ein Management Compensation System für außertarifliche und leitende Angestellte“ vom 6. April 2005 (KBV MCS) zwischen der Rechtsvorgängerin der Beklagten, dem Konzernbetriebsrat und dem Konzernsprecherausschuss geregelt. Diese KBV MCS trat rückwirkend zum 1. Januar 2005 in Kraft und lautet auszugsweise wie folgt:

        

§ 6   

        

Jahresbonus

        

Der Jahresbonus verknüpft die Führungskräftevergütung mit dem Erreichen von konzern- und geschäftsbezogenen Zielen. Er setzt sich aus einem Konzernbonus und einem geschäftsbezogenen Bonus zusammen. Der Konzernbonus reflektiert die konzernbezogene Ausrichtung des Unternehmens und unterstützt die Integration der Geschäftseinheiten. Der geschäftsbezogene Bonus knüpft an den Erfolg der eigenen unternehmerischen Einheit und den individuellen Erfolg und Wertbeitrag im eigenen Verantwortungsbereich an.

        

§ 6.1 

        

Anspruchsvoraussetzungen für den Jahresbonus

        

1.    

Anspruchsberechtigt sind Mitarbeiter, die während des gesamten Geschäftsjahres, für das die Leistung gezahlt wird, und bei Geschäftsjahresende, das heißt jeweils am 31.12., in einem Arbeitsverhältnis zu einem von dieser Vereinbarung erfassten Unternehmen stehen. Arbeitsunfähigkeitszeiten von bis zu drei Monaten lassen den Anspruch unberührt.

        

2.    

Bei über drei Monate hinausgehenden Arbeitsunfähigkeitszeiten, bei im Laufe des Geschäftsjahres ganz oder teilweise ruhenden Arbeitsverhältnissen, bei Versetzungen innerhalb des D-Konzerns sowie bei ruhestandsbedingten Austritten vor dem 31.12. des jeweiligen Geschäftsjahres wegen Inanspruchnahme einer Alters- oder Erwerbsminderungs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente sowie im Todesfall besteht für jeden vollen Kalendermonat, den der Mitarbeiter während des Geschäftsjahres tatsächlich und mit Anspruch auf Entgelt beschäftigt war, ein anteiliger Bonusanspruch nach dem Zwölftelungsprinzip.

        

…       

        
        

5.    

Im Jahr des Ein- und Austritts in den Konzern besteht, sofern der Ein- bzw. Austritt nicht auf einem der in Ziffer 2 genannten Gründe beruht, kein, auch kein zeitanteiliger Leistungsanspruch nach dieser Vereinbarung.

                 

Einzelfälle können bei Bedarf einzelvertraglich geregelt werden. In diesem Fall wird die Sonderregelung den Arbeitnehmervertretern auf Verlangen erläutert.

        

…       

        

§ 6.3 

        

Bonuszusammensetzung

        

1.    

Der Jahresbonus besteht aus dem Konzernbonus und dem geschäftsbezogenen Bonus.

                 

…       

        

§ 6.5 

        

Höhe der Bonusauszahlung

        

…       

        

3.    

Die Zielerreichungsgrade und die damit verbundene Bonushöhe der Konzern- und Bereichsziele werden vom Vorstand auf Grundlage der Jahresergebnisse … festgelegt.

        

4.    

…“    

6

Der Kläger erhielt während der Dauer seiner Vollzeitbeschäftigung vor Eintritt in die Altersteilzeit seine jährlichen Boni auf Basis der KBV MCS ausgezahlt.

7

Die Gesamtbetriebsparteien schlossen am 20. Dezember 2006 eine Änderungs- und Ergänzungsvereinbarung zur GBV ATZ, die allerdings deren § 5 inhaltlich unverändert ließ. Am 31. Mai 2010 trafen die Konzernbetriebsparteien eine am selben Tag in Kraft getretene Änderungsvereinbarung zur KBV MCS. Mit dieser wurde ua. § 6.5 KBV MCS um folgende Ziffer ergänzt:

        

„5.     

Bei ruhestandsbedingten Austritten sowie im Todesfall ist der anteilige Individualbonus für das Austrittsjahr auf Basis des bei 100 %iger Zielerreichung geltenden Wertes zu berechnen. Sonderregelungen im Rahmen von Altersteilzeitvereinbarungen (zum Beispiel Berechnung mit dem in der Arbeitsphase im Durchschnitt erzielten Prozentsatz) bleiben hiervon unberührt.

                 

Für die Berechnung des anteiligen Konzern- und des anteiligen Bereichsbonus sind die vom Vorstand (heute: Geschäftsführung der D GmbH) festgelegten Zielerreichungsgrade gemäß Absatz [wohl: Ziffer] 3 maßgebend. Liegt die Feststellung der Zielerreichung und der Höhe der Bonusauszahlung bei den Konzern- und Bereichszielen durch den Vorstand (heute: die Geschäftsführung der D GmbH) noch nicht vor, werden Konzern- und Bereichsbonus auf Basis der bei 100 %iger Zielerreichung geltenden Werte berechnet; dies gilt sowohl für das Austrittsjahr als auch ggfs. für das dem Austrittsjahr vorangegangene Geschäftsjahr.“

8

Wie vertraglich vereinbart, begann ab 1. Dezember 2008 die Altersteilzeit im Blockmodell. Im Anschluss an die einjährige Freistellungsphase bis zum 30. November 2010 trat der Kläger in den Ruhestand. Als Konzern- und Bereichsbonus für das Jahr 2010 zahlte die Beklagte dem Kläger in Anwendung von § 6.5 Ziff. 5 KBV MCS, dh. unter Berechnung auf Basis 100 %iger Zielerreichung, 13.662,00 Euro brutto.

9

Die tatsächlichen Zielerreichungsgrade für das Jahr 2010 wurden von der Geschäftsführung der Beklagten erst im Frühjahr 2011 für den Konzernbonus auf 150 % von 6 % des Jahresgrundgehalts und für den Bereichsbonus auf 143,8 % von 12 % des Jahresgrundgehalts festgelegt. Bei Zugrundelegung dieser Zielerreichungsgrade stünde dem Kläger ein Jahresbonus für das Jahr 2010 - bestehend aus Konzern- und Bereichsbonus - iHv. 19.928,00 Euro brutto zu. Dieser Betrag steht rechnerisch zwischen den Parteien nicht im Streit.

10

Der Kläger hat gemeint, die Beklagte habe ihm aufgrund der tatsächlich festgelegten Zielerreichungsgrade 19.928,00 Euro brutto zahlen müssen. § 4 Ziff. 3 ATZV enthalte eine konstitutive Regelung des Inhalts, dass immer die tatsächlichen Werte des Geschäftsjahres und damit auch die tatsächlichen Zielerreichungsgrade für die Bonusberechnung maßgeblich seien. Kollektivrechtliche Regelungen kämen nach § 11 Ziff. 5 ATZV nur „im Übrigen“ zur Anwendung. Das einschlägige kollektive Regelwerk sei ihm zudem unbekannt gewesen. Es sei Sache der Beklagten gewesen, den durch die Formulierung von § 4 Ziff. 3 ATZV verursachten Transparenzmangel durch eine klare Verweisung auf die jeweils geltenden Betriebs- und Konzernvereinbarungen zu beheben.

11

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.266,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17. August 2011 zu zahlen.

12

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, sie habe den Bonusanspruch des Klägers für das Jahr 2010 vollumfänglich erfüllt. § 4 Ziff. 3 ATZV besitze ersichtlich rein deklaratorischen Charakter. Maßgeblich für die Bonusberechnung sei allein die KBV MCS.

13

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsanspruch weiter.

Entscheidungsgründe

14

Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte den Bonusanspruch für das Jahr 2010 erfüllt hat. Der Kläger hat keinen Anspruch, entgegen § 6.5 Ziff. 5 KBV MCS einen Bonus auf der Grundlage der von der Geschäftsführung erst nach dem Ausscheiden des Klägers festgelegten Zielerreichungsgrade zu erhalten.

15

I. Ein solcher Anspruch folgt nicht aus § 5 GBV ATZ. Durch § 5 Abs. 2 Satz 2 GBV ATZ soll nur klargestellt werden, dass für die Berechnung des Konzern- und Bereichsbonus - anders als für den „Individuellen Bonus“ - nicht auf die Arbeitsphase abgestellt wird.

16

1. Die Auslegung von Betriebsvereinbarungen richtet sich wegen ihres normativen Charakters nach den Grundsätzen der Gesetzesauslegung. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmungen und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei unbestimmtem Wortsinn ist der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (BAG 5. März 2013 - 1 AZR 417/12 - Rn. 14 mwN; 27. Juli 2010 - 1 AZR 874/08 - Rn. 31 mwN). Die Vorschriften der §§ 305 ff. BGB über Allgemeine Geschäftsbedingungen und damit auch die Zweifelsfall-Regelung des § 305c Abs. 2 BGB finden auf Betriebsvereinbarungen keine Anwendung(§ 310 Abs. 4 Satz 1 BGB).

17

2. Dem Kläger ist zuzugestehen, dass der Wortlaut des § 5 Abs. 2 Satz 2 GBV ATZ bei isolierter Betrachtung nicht eindeutig ist. Vom Wortlaut würde auch ein Verständnis gedeckt, wonach es nicht zulässig wäre, die Berechnung des Konzern- und Bereichsbonus anhand einer festen Prozentzahl anstelle der tatsächlichen Geschäftsentwicklung zu berechnen. Ein solches Verständnis ist jedoch mit den vorangehenden Regelungen nicht zu vereinbaren. Nach § 5 Abs. 1 GBV ATZ sind alle variablen Boni iHv. 60 % derjenigen Beträge zu zahlen, die der Mitarbeiter ohne Eintritt in die Altersteilzeit erhalten hätte. Sie sind nicht in die Aufstockungszahlung einzubeziehen. Soll der Arbeitnehmer in Altersteilzeit jedoch einen solchen „Hätte-Bonus“ erhalten, so ist für die Altersteilzeit im Blockmodell zu klären, anhand welcher Maßstäbe der Bonus für die Zeiten der Freistellung zu berechnen ist. § 5 Abs. 2 Satz 1 beantwortet diese Frage für den „Individuellen Bonus“ dahin gehend, dass er mit dem in der Arbeitsphase im Durchschnitt erzielten Prozentsatz berechnet wird. Damit bedurfte noch die Frage der Klärung, ob die Arbeitsphase auch für die Berechnung des Konzern- und Bereichsbonus als Referenzzeitraum herangezogen werden soll. Hierfür würde sprechen, dass der Arbeitnehmer in der Freistellungsphase durch seine Arbeitskraft weder unmittelbar noch mittelbar auf das Geschäftsergebnis Einfluss nehmen kann. § 5 Abs. 2 Satz 2 GBV ATZ stellt jedoch klar, dass dennoch für die Berechnung des Konzern- und Bereichsbonus nicht auf die Arbeitsphase zurückgegriffen werden soll. In dieser Klarstellung gegenüber der vorangegangenen Bestimmung erschöpft sich der Regelungsgegenstand der Vorschrift. Über die konkrete Berechnung des Bonus enthält § 5 Abs. 2 Satz 2 GBV ATZ ebenso wenig wie Satz 1 eine eigene Regelung. Die Bestimmungen zur Berechnung des Bonus finden sich vielmehr in der KBV MCS.

18

Für dieses enge Verständnis des § 5 Abs. 2 Satz 2 GBV ATZ streitet auch, dass ansonsten eine Regelung fehlen würde, wie der Konzern- und Bereichsbonus im Falle des unterjährigen Ausscheidens während der Freistellungsphase berechnet werden soll. So existiert keine Definition, welche im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aktuellen Werte herangezogen werden sollen. Im Übrigen bedarf es nach § 6.5 Ziff. 3 der KBV MCS zur Bestimmung der Höhe der Bonusauszahlung zunächst einer Festlegung der Zielerreichungsgrade durch den Vorstand bzw. die Geschäftsführung. Dies erfolgt nach der KBV MCS auf der Grundlage der Jahresergebnisse und nicht aufgrund irgendwelcher aktueller Geschäftszahlen im Zeitpunkt des individuellen Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis. Vor dem Hintergrund dieses Auslegungsergebnisses bedarf es im Übrigen keiner Erörterung, ob die Festlegung der Höhe der Bonusauszahlung von vornherein allein in die Zuständigkeit des Konzernsprecherausschusses bzw. des Konzernbetriebsrats fiel (vgl. § 18 Abs. 1, § 23 Abs. 1 SprAuG bzw. § 50 Abs. 1, § 58 Abs. 1 BetrVG).

19

II. Ein Anspruch auf Berechnung des Konzern- und Bereichsbonus für das Jahr 2010 auf der Grundlage der von der Geschäftsführung der Beklagten im Frühjahr 2011 festgelegten Zielerreichungsgrade ergibt sich auch nicht aus § 4 Ziff. 3 ATZV. Diese Regelung gibt nur wieder, was aufgrund von § 5 GBV ATZ für das Arbeitsverhältnis der Parteien ohnehin gilt(§ 77 Abs. 4 BetrVG, § 28 Abs. 2 SprAuG). § 4 Ziff. 3 ATZV stellt nur einen Hinweis auf die Gesamtbetriebs- und Gesamtsprecherausschussvereinbarung zur Altersteilzeit dar, dem kein abweichender rechtsgeschäftlicher Regelungsgehalt zukommt.

20

1. Bei den Regelungen des § 4 ATZV handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nochmals klargestellt, dass hierüber kein Streit besteht. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (st. Rspr., vgl. BAG 5. März 2013 - 1 AZR 417/12 - Rn. 59 mwN; 18. Mai 2010 - 3 AZR 373/08 - Rn. 50 mwN, BAGE 134, 269). Diese Grundsätze sind auch für die Frage anzuwenden, ob der Verwender nur eine beschreibende Aussage gemacht oder eine Willenserklärung mit Rechtsbindungswillen abgegeben hat (vgl. BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 373/08 - Rn. 53, aaO; vgl. auch MüKoBGB/Busche 6. Aufl. § 133 Rn. 50; Palandt/Ellenberger 73. Aufl. § 133 BGB Rn. 9).

21

2. Unabhängig von der Frage, ob es sich um einen bloßen Hinweis auf die Geltung der Regelung des § 5 GBV ATZ oder um eine konstitutive Bezugnahme des § 5 GBV ATZ handelt, ergibt sich bereits aus der fast wortgleichen Übernahme der kollektiven Regelung, dass ihr inhaltlich keine andere Bedeutung zukommen sollte. Ein durchschnittlicher Arbeitnehmer, dem eine Vertragsklausel vorgelegt wird, die den Inhalt einer Betriebsvereinbarung oder einer Vereinbarung des Sprecherausschusses weitgehend wortgleich wiederholt, muss grundsätzlich davon ausgehen, dass der Klausel dieselbe Bedeutung zukommen soll, wie sie die kollektive Regelung hat. Dabei kommt es auf die individuelle Kenntnis einzelner Arbeitnehmer vom Wortlaut der Kollektivvereinbarung nicht an. Da der Arbeitgeber nach § 77 Abs. 2 Satz 3 BetrVG Betriebsvereinbarungen an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen hat, ist davon auszugehen, dass der durchschnittliche Arbeitnehmer die einschlägigen Betriebsvereinbarungen zur Kenntnis nimmt, bevor er einen Änderungsvertrag schließt. Das gilt jedenfalls dann, wenn - wie vorliegend - in dem Vertrag ausdrücklich auf die einschlägigen betrieblichen Regelungen Bezug genommen wird.

22

Aus der Bezugnahme in § 11 Ziff. 5 ATZV folgt entgegen der Ansicht der Klägers nicht, dass § 5 Abs. 2 GBV ATZ keine Anwendung finden soll. Nach dieser Bestimmung gelten „im Übrigen“ ua. die „mit den Arbeitnehmervertretern vereinbarten betrieblichen Regelungen zur Altersteilzeit“. Der Formulierung „im Übrigen“ kommt nicht die Bedeutung zu, dass die anderen Regelungen des ATZV zwingend inhaltlich von den in § 11 Ziff. 5 ATZV genannten Bestimmungen abweichen. § 11 Ziff. 5 ATZV bringt nur den Willen der Vertragsparteien zum Ausdruck, dass überall dort, wo der ATZV keine ausdrückliche Regelung enthält, der ATZV iVm. den aufgeführten sonstigen Regelungen zur Altersteilzeit gelten sollen. Die damit bezweckte Lückenfüllung schließt es nicht aus, dass auch dort, wo der ATZV eine Regelung enthält, in der Sache das gelten soll, was in einer der in § 11 Ziff. 5 ATZV genannten Kollektivvereinbarungen geregelt ist. Für dieses Verständnis streitet im vorliegenden Fall auch die Überschrift des § 11 ATZV „Vertragsänderungen und Rechtsgrundlagen“. Mit § 11 Ziff. 5 sollte danach zum Ausdruck gebracht werden, welche sonstigen Bestimmungen Rechtsgrundlagen für das Altersteilzeitarbeitsverhältnis sind. Es handelt sich nicht um eine Regelung, durch die die Geltung bestimmter Regelungen für das Altersteilzeitarbeitsverhältnis ausgeschlossen werden sollte. Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob die von der Beklagten bzw. der Rechtsvorgängerin vorgegebenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen hinsichtlich der Berechnung der Boni ohnehin betriebsvereinbarungsoffen gestaltet waren (vgl. zu dieser Möglichkeit: BAG 5. März 2013 - 1 AZR 417/12 - Rn. 60).

23

III. Aufgrund einer etwaigen Unwirksamkeit der Änderungsvereinbarung zur KBV MCS vom 31. Mai 2010 kann der Klage nicht stattgegeben werden. Ohne revisiblen Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht das Prozessvorbringen des Klägers dahin gehend ausgelegt, dass der Kläger den „Lebenssachverhalt ‚kollektivrechtlicher Anspruch aus der KBV MCS in ihrer bis zum 30.05.2010 geltenden Fassung wegen Unwirksamkeit der Änderungsvereinbarung vom 31.05.2010‘ nicht“ zum Gegenstand des Rechtsstreits gemacht hat.

24

IV. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

        

        

    Spiekermann    

        

    Leitner    

                 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 7. März 2012 - 16 Sa 809/11 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer durch Betriebsvereinbarung geregelten Altersgrenze.

2

Der Kläger war seit April 1980 bei der Beklagten aufgrund einer von beiden Seiten unterzeichneten „Einstellmeldung“ beschäftigt. In dieser heißt es:

        

„1.     

Das Arbeitsverhältnis unterliegt den Bestimmungen des Manteltarifvertrages für Lohnempfänger, des Lohntarifvertrages und der Arbeitsordnung der V AG in der jeweils gültigen Fassung.

        

…       

        
        

3.    

Es wird eine Probezeit von 4 Wochen vereinbart. Wird die Weiterbeschäftigung nicht mindestens 7 Tage vor Ablauf der Probezeit schriftlich abgelehnt, so gilt das Arbeitsverhältnis als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen.

        

…       

        
        

6.    

Es wurden ausgehändigt:

Mantel-Tarif-Vertrag für Lohnempfänger

                          

Lohntarifvertrag

                          

Arbeitsordnung

                          

Satzung der Betriebskrankenkasse (mit Krankenordnung)

                          

Unfallverhütungs-Vorschriften

                          

Versorgungsrichtlinien“

3

In der als Versorgungsordnung bezeichneten Gesamtbetriebsvereinbarung Nr. 6/76 vom 21. Dezember 1976 (GBV 6/76) ist bestimmt:

        

㤠3

        

V-Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit

        

(1) V-Rente wegen Erwerbsunfähigkeit wird an einen V-Mitarbeiter gezahlt, der nach Erfüllung der Wartezeit (§ 2) aus dem Arbeitsverhältnis mit der V AG ausscheidet, weil ein Träger der gesetzlichen Rentenversicherung bei ihm den Eintritt der Erwerbsunfähigkeit festgestellt hat und deswegen Rente gewährt (= vorzeitiger Versorgungsfall). …

        

…       

        

§ 4

        

V-Altersrente

        

(1) V-Altersrente wird gezahlt, wenn ein V-Mitarbeiter nach Vollendung des 65. Lebensjahres aus dem Arbeitsverhältnis mit der V AG ausscheidet (= Versorgungsfall bei fester Altersgrenze).

        

(2) V-Altersrente wird vorzeitig gezahlt, wenn ein V-Mitarbeiter nach Vollendung des 63. - bei Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit oder bei Schwerbehinderung nach Vollendung des 62. Lebensjahres -, eine V-Mitarbeiterin nach Vollendung des 60. Lebensjahres aus dem Arbeitsverhältnis mit der V AG ausscheidet (= Versorgungsfall bei flexibler Altersgrenze).

        

(3) V-Altersrente wird vom Beginn des Monats an gezahlt, der auf den Zeitpunkt des altersbedingten Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis mit der V AG folgt, frühestens jedoch nach Ablauf der Zeit, für die noch Zahlungen aus dem beendeten Arbeitsverhältnis geleistet werden. …

        

…       

        

§ 8

        

Vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses

        

...     

        

(3) Die V-Rente wird wie folgt berechnet: Es wird ermittelt, welche V-Rente bei angenommener Fortdauer des Arbeitsverhältnisses mit der V AG bis zum Eintritt der nach Absatz 2 maßgebenden Voraussetzungen nach § 7 zu zahlen wäre (= fiktive Vollrente). Hierbei wird das Bruttoarbeitsentgelt in den letzten zwölf vollen Kalendermonaten des Arbeitsverhältnisses mit der V AG nach Maßgabe des § 6 zugrunde gelegt. Diese Rente wird in dem Verhältnis ermäßigt, in dem die erreichte Dauer des Arbeitsverhältnisses mit der V AG zur erreichbar gewesenen Dauer steht (bis zur Vollendung des 65. Lebensjahrs = feste Altersgrenze).

        

…“    

4

Die GBV 6/76 wurde durch die Gesamtbetriebsvereinbarung Nr. 2/92 vom 11. Dezember 1992 (GBV 2/92) neu gefasst. Nach deren § 4 Abs. 1 Satz 2 endet das Arbeitsverhältnis - ohne dass es einer Kündigung bedarf - mit Ablauf des Monats, in dem das 65. Lebensjahr vollendet wird. Die GBV 2/92 trat am 31. Dezember 1992 in Kraft und galt für alle Versorgungsfälle, die auf einem Arbeitsverhältnis beruhten, das vor dem 1. Januar 1987, aber nach dem 1. Dezember 1976 begründet worden war.

5

Der Kläger vollendete im August 2007 sein 65. Lebensjahr und schied zum 31. August 2007 bei der Beklagten aus.

6

Die für die Beklagte geltenden Firmentarifverträge enthielten zum Zeitpunkt der Einstellung des Klägers keine Altersgrenzenregelungen. Erst am 14. Oktober 2009 vereinbarte die IG Metall mit der Beklagten eine Ergänzung des Manteltarifvertrags vom 15. Dezember 2008, wonach das Arbeitsverhältnis ohne Kündigung mit Ablauf des Kalendermonats endet, in dem der Beschäftigte die jeweilige individuelle Regelaltersgrenze in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung erreicht. Diese Regelung trat mit Wirkung zum 1. August 2009 in Kraft.

7

Mit seiner am 5. Juli 2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, sein Arbeitsverhältnis sei nicht durch die in den Gesamtbetriebsvereinbarungen enthaltenen Altersgrenzenregelungen beendet worden. Diese führten zu nach dem AGG unzulässigen Benachteiligungen wegen des Lebensalters. Eine auf das Erreichen des Regelrentenalters bezogene Befristung könne in Betriebsvereinbarungen nicht vereinbart werden. Bei der Einstellung sei ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet worden. Diese Abrede gehe als günstigere Absprache etwaigen Altersgrenzenregelungen in den Gesamtbetriebsvereinbarungen vor.

8

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis über den 31. August 2007 hinaus als unbefristetes Arbeitsverhältnis fortbesteht,

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Bedingungen des Arbeitsvertrags auch über den 31. August 2007 hinaus in der Montage zu beschäftigen.

9

Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Anträge weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Befristungskontrollklage zu Recht abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis des Klägers hat nach § 4 Abs. 1 GBV 6/76 mit Ablauf des Kalendermonats geendet, in dem er das 65. Lebensjahr vollendet hat, also am 31. August 2007. Die in der GBV 6/76 enthaltene Altersgrenze ist wirksam. Günstigere vertragliche Vereinbarungen bestehen nicht. Der Weiterbeschäftigungsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an.

12

I. Das Arbeitsverhältnis des Klägers hat mit Ablauf des 31. August 2007 geendet. Dies folgt aus § 4 Abs. 1 GBV 6/76, der eine auf das Erreichen des 65. Lebensjahres bezogene Altersgrenze enthält. Die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG greift nicht ein. Die Beklagte und der Gesamtbetriebsrat konnten eine Befristung des Arbeitsvertrags durch eine auf das Regelrentenalter bezogene Altersgrenze in der GBV 6/76 regeln. Die Altersgrenzenregelung verstößt nicht gegen § 75 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BetrVG und das Verbot der Altersdiskriminierung in § 7 Abs. 1, § 1 AGG.

13

1. Anders als vom Landesarbeitsgericht angenommen, enthält bereits § 4 Abs. 1 GBV 6/76 eine auf das Erreichen des gesetzlichen Rentenalters bezogene Altersgrenze. Dies folgt aus dem Wortlaut, der Systematik und dem Normzweck der Vorschrift.

14

a) Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge oder Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmung und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei unbestimmtem Wortsinn sind der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen verfolgte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen sowie die von den Betriebsparteien praktizierte Handhabung der Betriebsvereinbarung. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Regelung führt (BAG 18. Oktober 2011 - 1 AZR 376/10 - Rn. 15).

15

b) Der Wortlaut von § 4 Abs. 1 GBV 6/76 ist nicht eindeutig. Er kann dahingehend verstanden werden, dass er ausschließlich die Ruhegeldbezugsberechtigung eines Arbeitnehmers bei Erreichen der festen Altersgrenze regelt. Ein Verständnis, wonach er nicht nur diese, sondern auch die Beendigung der Arbeitsverhältnisse der ruhegeldberechtigten Arbeitnehmer regelt, wird durch den Wortlaut jedoch nicht ausgeschlossen.

16

c) Für die Auslegung von § 4 Abs. 1 GBV 6/76 als Beendigungsnorm spricht der systematische Zusammenhang der Vorschrift. Denn auch an anderer Stelle in der GBV 6/76 wird die Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Zusammenhang mit dem Bezug einer gesetzlichen Rente geregelt. § 3 Abs. 1 GBV 6/76 enthält eine auflösende Bedingung, nach der ein Arbeitnehmer bei Feststellung seiner Erwerbsunfähigkeit und einer entsprechenden Rentengewährung aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Dem entspricht § 4 Abs. 3 GBV 6/76, wonach V-Altersrente vom Beginn des Monats an gezahlt wird, der auf den Zeitpunkt des „altersbedingten Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis mit der V AG“ folgt. Diese Norm, die an die Regelung der festen sowie der flexiblen Altersgrenze in § 4 Abs. 1 und Abs. 2 GBV 6/76 anknüpft, geht von einem „altersbedingten Ausscheiden“ aus dem Arbeitsverhältnis aus und nicht aufgrund eines eigenständigen Beendigungstatbestands. Hierfür spricht auch die Berechnungsregel für die Höhe des Ruhegeldes bei vorzeitigem Ausscheiden in § 8 Abs. 3 GBV 6/76. Nach dieser ist die Dauer des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres begrenzt. Dies kann nur dahingehend verstanden werden, dass das Arbeitsverhältnis jedenfalls bei Erreichen der in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 bestimmten Altersgrenze endet.

17

d) Dies entspricht dem Normzweck. Durch die Regelungen der GBV 6/76 wird den Arbeitnehmern der Beklagten neben ihrer gesetzlichen Altersrente eine weitere Versorgung gewährt, die an die Stelle der entfallenden Arbeitsvergütung tritt. Da die GBV 6/76 nicht regelt, dass das betriebliche Ruhegeld nach Erreichen des Versorgungsfalls auch zusätzlich zum Arbeitsentgelt gezahlt werden kann, ist davon auszugehen, dass durch die Versorgungsordnung zugleich das Arbeitsverhältnis bei Erreichen der festen Altersgrenze beendet werden soll. Dies haben die Betriebsparteien in der GBV 2/92 durch § 4 Abs. 1 Satz 2 GBV 2/92 klargestellt.

18

2. Die Altersgrenzenregelung der GBV 6/76 verstößt nicht gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG.

19

a) Danach können Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein (§ 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG). Arbeitsbedingungen sind dann durch Tarifvertrag geregelt, wenn sie in einem Tarifvertrag enthalten sind und der Betrieb in den räumlichen, betrieblichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrags fällt (BAG 16. August 2011 - 1 AZR 314/10 - Rn. 12). Tarifüblich ist eine Regelung, wenn der Regelungsgegenstand in der Vergangenheit in einem einschlägigen Tarifvertrag enthalten war und die Tarifvertragsparteien über ihn Verhandlungen führen. Bloße zeitliche Geltungslücken zwischen einem abgelaufenen und einem zu erwartenden Tarifvertrag führen nicht zum Wegfall der Sperrwirkung. Keine Tarifüblichkeit liegt allerdings vor, wenn es in der Vergangenheit noch keinen einschlägigen Tarifvertrag gab und die Tarifvertragsparteien lediglich beabsichtigen, die Angelegenheit künftig tariflich zu regeln. Das gilt selbst dann, wenn sie bereits Tarifverhandlungen aufgenommen haben (BAG 26. August 2008 - 1 AZR 354/07 - Rn. 11, BAGE 127, 297).

20

b) Die Voraussetzungen des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG liegen nicht vor. Bis zu der am 14. Oktober 2009 vereinbarten Ergänzung des Manteltarifvertrags vom 15. Dezember 2008 enthielten die für die Beklagte geltenden Tarifverträge keine Altersgrenzenregelungen. Zu welchem Zeitpunkt die Tarifvertragsparteien hierüber Verhandlungen aufgenommen haben, ist unerheblich.

21

3. Die Altersgrenzenregelung in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 ist von der Regelungskompetenz der Betriebsparteien umfasst.

22

a) Bei der GBV 6/76 handelt es sich um eine teilmitbestimmte Betriebsvereinbarung. Soweit diese den Anspruch auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung ausgestaltet hat, unterlag sie dem Beteiligungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Hiervon nicht erfasst war die Festlegung einer Altersgrenze bei Erreichen des Regelrentenalters. Für diesen Regelungsgegenstand folgt die Zuständigkeit der Betriebsparteien aus § 88 BetrVG.

23

b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können die Betriebsparteien durch Betriebsvereinbarungen Regelungen über den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen treffen. Dem Betriebsverfassungsgesetz liegt seiner Konzeption nach eine grundsätzlich umfassende Kompetenz der Betriebsparteien zur Regelung von materiellen und formellen Arbeitsbedingungen zugrunde (grundlegend BAG GS 7. November 1989 - GS 3/85 - zu C I 2 der Gründe, BAGE 63, 211). Dies folgt insbesondere aus § 77 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 BetrVG. Zwar dient diese Regelung in erster Linie der Sicherung der ausgeübten und aktualisierten Tarifautonomie. Zugleich zeigt sie aber, dass der Gesetzgeber dort, wo die Tarifvertragsparteien ihre Befugnis zur Regelung von Arbeitsbedingungen nicht wahrnehmen oder den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen zulassen, von einer Regelungskompetenz der Betriebsparteien ausgeht. Hierfür spricht ferner, dass freiwillige Betriebsvereinbarungen nach § 88 BetrVG nicht auf die dort ausdrücklich genannten Gegenstände beschränkt sind, sondern, wie sich aus dem Wort „insbesondere“ ergibt, auch über andere Gegenstände möglich sein sollen(BAG 12. April 2011 - 1 AZR 412/09 - Rn. 19, BAGE 137, 300).

24

c) Diese Normsetzungsbefugnis für Regelungsgegenstände außerhalb der zwingenden Mitbestimmung des Betriebsrats ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Die betriebliche Normsetzung unterliegt allerdings Binnenschranken. Die Vereinbarkeit der in freiwilligen Betriebsvereinbarungen getroffenen Regelungen mit höherrangigem Recht ist zudem im Individualprozess gerichtlich voll überprüfbar (BAG 12. Dezember 2006 - 1 AZR 96/06 - Rn. 13 ff., 22, BAGE 120, 308).

25

4. Die Altersgrenzenregelung in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 verstößt nicht gegen § 75 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BetrVG. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Erreichen des Regelrentenalters ist sachlich gerechtfertigt iSv. § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG.

26

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats sind die Betriebsparteien beim Abschluss von Betriebsvereinbarungen gemäß § 75 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BetrVG zur Wahrung der grundrechtlich geschützten Freiheitsrechte verpflichtet(BAG 17. Juli 2012 - 1 AZR 476/11 - Rn. 36). Dazu gehört die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit der Arbeitnehmer(BAG 12. April 2011 - 1 AZR 412/09 - Rn. 20, BAGE 137, 300).

27

b) Im Bereich des arbeitsvertraglichen Bestandsschutzes ist im Interesse der Gewährleistung der durch Art. 12 Abs. 1 GG garantierten Berufsfreiheit der Arbeitnehmer ein staatlicher Mindestschutz unverzichtbar. Das folgt aus der Schutzpflichtfunktion der Grundrechte, die staatliche Grundrechtsadressaten dazu verpflichten, einzelne Grundrechtsträger vor einer unangemessenen Beschränkung ihrer Grundrechte zu bewahren. Bei der Befristung von Arbeitsverhältnissen schützen seit dem 1. Januar 2001 die Bestimmungen des TzBfG vor einer unangemessenen Beeinträchtigung des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG(BAG 8. Dezember 2010 - 7 AZR 438/09 - Rn. 29, BAGE 136, 270). Von den zwingenden Regelungen in § 14 TzBfG kann nach § 22 Abs. 1 TzBfG nicht zuungunsten der Arbeitnehmer abgewichen werden. Demzufolge bedürfen auch Befristungsregelungen in Betriebsvereinbarungen zu ihrer Wirksamkeit eines sie rechtfertigenden Sachgrunds iSv. § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG.

28

c) Der zeitliche Anwendungsbereich des § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG ist eröffnet. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer in einer Betriebsvereinbarung enthaltenen Befristung unterliegt seit dem 1. Januar 2001 der Befristungskontrolle nach den Vorschriften des TzBfG. Dies gilt auch für vor diesem Zeitpunkt abgeschlossene Betriebsvereinbarungen.

29

d) Die Altersgrenze in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 ist nach § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG sachlich gerechtfertigt.

30

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann eine mit Erreichen des Regelrentenalters verknüpfte Altersgrenzenregelung in Kollektivnormen die Befristung des Arbeitsverhältnisses iSv. § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG sachlich rechtfertigen. Zwar verfolgt der Arbeitnehmer mit seinem Wunsch nach einer dauerhaften Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses über das Regelrentenalter hinaus legitime wirtschaftliche und ideelle Anliegen. Das Arbeitsverhältnis sichert seine wirtschaftliche Existenzgrundlage und bietet ihm die Möglichkeit beruflicher Selbstverwirklichung. Jedoch hat der Arbeitnehmer bei Erreichen der Regelaltersgrenze regelmäßig ein langes Berufsleben hinter sich. Daneben war er typischerweise von der Anwendung der Altersgrenzenregelung durch seinen Arbeitgeber selbst begünstigt, weil sich seine Einstellungs- und Aufstiegschancen durch das altersbedingte Ausscheiden anderer Arbeitnehmer verbessert haben. Dem gegenüber steht das Bedürfnis des Arbeitgebers nach einer sachgerechten und berechenbaren Personal- und Nachwuchsplanung. Dem Interesse des Arbeitgebers, beizeiten geeigneten Nachwuchs einzustellen oder bereits beschäftigte Arbeitnehmer fördern zu können, ist Vorrang vor dem Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer durch den Bezug der Regelaltersrente wirtschaftlich abgesichert ist. Endet das Arbeitsverhältnis durch die vereinbarte Altersgrenze, verliert der Arbeitnehmer den Anspruch auf die Arbeitsvergütung, die ihm bisher zum Bestreiten seines Lebensunterhalts zur Verfügung gestanden hat. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Altersgrenzenregelung ist verfassungsrechtlich nur zu rechtfertigen, wenn an die Stelle der Arbeitsvergütung der dauerhafte Bezug von Leistungen aus einer Altersversorgung tritt. Die Anbindung an eine rentenrechtliche Versorgung bei Ausscheiden durch eine Altersgrenze ist damit Bestandteil des Sachgrunds. Die Wirksamkeit der Befristung ist allerdings auch nicht von der konkreten wirtschaftlichen Absicherung des Arbeitnehmers bei Erreichen der Altersgrenze abhängig (BAG 21. September 2011 - 7 AZR 134/10 - Rn. 22).

31

bb) Nach diesen Grundsätzen ist die Altersgrenzenregelung in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 jedenfalls für Arbeitsverhältnisse mit Arbeitnehmern, die - wie der Kläger - vor dem 1. Januar 1947 geboren sind, nicht zu beanstanden. Die Regelung knüpft zwar an die Vollendung des 65. Lebensjahrs an und stellt nicht ausdrücklich auf das Erreichen des Regelrentenalters ab. Jedoch wurde dieses bei Ausscheiden des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis mit der Vollendung des 65. Lebensjahrs erreicht (§ 35 Nr. 1 SGB VI idF der Bekanntmachung vom 19. Februar 2002 [BGBl. I S. 754]). Erst mit dem Rentenversicherungs-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007 (BGBl. I S. 554) wurde die Regelaltersgrenze für die Geburtsjahrgänge ab 1947 nach § 35 Satz 2, § 235 Abs. 2 SGB VI schrittweise auf die Vollendung des 67. Lebensjahrs angehoben.

32

5. Der durch § 4 Abs. 1 GBV 6/76 bewirkten Beendigung von Arbeitsverhältnissen bei Erreichen der Regelaltersgrenze steht das Verbot der Altersdiskriminierung aus § 75 Abs. 1 BetrVG, § 7 Abs. 1, § 1 AGG nicht entgegen. Die Altersgrenze führt zwar zu einer unmittelbaren Benachteiligung wegen des Alters. Diese ist aber nach § 10 Satz 3 Nr. 5, Satz 1 und Satz 2 AGG zulässig. Weder diese gesetzliche Bestimmung noch die sie ausgestaltende Betriebsvereinbarung sind unionsrechtlich zu beanstanden.

33

a) Arbeitgeber und Betriebsrat haben nach § 75 Abs. 1 BetrVG darüber zu wachen, dass jede Benachteiligung von Personen aus den in der Vorschrift genannten Gründen unterbleibt. § 75 Abs. 1 BetrVG enthält nicht nur ein Überwachungsgebot, sondern verbietet zugleich Vereinbarungen, durch die Arbeitnehmer aufgrund der dort aufgeführten Merkmale benachteiligt werden. Der Gesetzgeber hat die in § 1 AGG geregelten Benachteiligungsverbote in § 75 Abs. 1 BetrVG übernommen. Die unterschiedliche Behandlung der Betriebsangehörigen aus einem in § 1 AGG genannten Grund ist daher nur unter den im AGG normierten Voraussetzungen zulässig(BAG 23. März 2010 - 1 AZR 832/08 - Rn. 14).

34

b) Der zeitliche Anwendungsbereich des AGG ist eröffnet.

35

aa) Die Regelungen des AGG sind auch auf Altersgrenzen anzuwenden, die vor Inkrafttreten des AGG einzelvertraglich oder in Kollektivnormen vereinbart wurden, wenn die Altersgrenze im Einzelfall erst mit oder nach Inkrafttreten des AGG erreicht wird. Nur wenn diese bereits vor dem 18. August 2006 erreicht wurde, gilt nach § 33 Abs. 1 AGG altes Recht(BAG 17. Juni 2009 - 7 AZR 112/08 (A) - Rn. 36, BAGE 131, 113).

36

bb) Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Kläger vollendete sein 65. Lebensjahr am 12. August 2007 und erreichte die in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 normierte Altersgrenze am 31. August 2007.

37

c) Die Altersgrenzenregelung in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 enthält eine unmittelbar auf dem Merkmal des Alters beruhende Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer, die das 65. Lebensjahr vollendet haben.

38

Das Erreichen des in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 festgesetzten Lebensalters führt automatisch zur Auflösung des Arbeitsvertrags. Arbeitnehmer, die dieses Alter erreicht haben, erfahren somit eine weniger günstige Behandlung als alle anderen Erwerbstätigen. Eine solche Regelung hat daher eine unmittelbar auf dem Alter beruhende Ungleichbehandlung bei den Entlassungsbedingungen iSd. § 7 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Satz 1, § 1 AGG zur Folge.

39

d) Die unterschiedliche Behandlung in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 ist nach § 10 Satz 3 Nr. 5, Satz 1 und Satz 2 AGG zulässig.

40

aa) § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG erlauben die in einer Vereinbarung nach § 10 Satz 3 Nr. 5 Halbs. 1 AGG enthaltene unterschiedliche Behandlung wegen des Alters, wenn diese objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Mit diesen Regelungen hat der Gesetzgeber die sich aus Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (Richtlinie 2000/78/EG) in nationales Recht umgesetzt (BT-Drucks. 16/1780 S. 1 bis 3 und S. 20 bis 27). Die Prüfung der Zulässigkeit einer auf dem Alter beruhenden unterschiedlichen Behandlung hat daher unter Beachtung der Richtlinie 2000/78/EG und der zu ihrer Auslegung ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu erfolgen.

41

bb) Die Regelung in § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG verfolgt ein legitimes Ziel iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG.

42

Der Europäische Gerichtshof hat Altersgrenzenvereinbarungen iSv. § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG, die an das Alter und die Beitragszahlung betreffenden Voraussetzungen für den Bezug einer Altersrente anknüpfen, grundsätzlich als solche angesehen, die eine Ungleichbehandlung wegen des Alters iSd. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG als objektiv und angemessen erscheinen lassen und im Rahmen des nationalen Rechts rechtfertigen können. Bei diesen handele es sich um Instrumente der nationalen Arbeitsmarktpolitik, mit denen über eine bessere Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen der Zugang zur Beschäftigung gefördert werden soll (EuGH 5. Juli 2012 - C-141/11 - [Hörnfeldt] Rn. 29; 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 62, Slg. 2010, I-9391). Mit solchen Maßnahmen verfolgen die Mitgliedstaaten ein legitimes Ziel im Bereich der Sozial- oder Beschäftigungspolitik. Die automatische Beendigung der Arbeitsverhältnisse von Beschäftigten, die die Voraussetzungen für den Bezug einer Altersrente erfüllen, ist seit längerer Zeit Teil des Arbeitsrechts zahlreicher Mitgliedstaaten und in den Beziehungen des Arbeitslebens weithin üblich. Dieser Mechanismus - so der Gerichtshof - beruht auf einem Ausgleich zwischen politischen, wirtschaftlichen, sozialen, demografischen und/oder haushaltsbezogenen Erwägungen und betrifft die Entscheidung der Mitgliedstaaten über die Dauer der Lebensarbeitszeit der Arbeitnehmer (EuGH 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 44, aaO). Die beschäftigungs- und arbeitsmarktpolitischen Ziele können sich dabei entweder auf den gesamten Arbeitsmarkt oder auf die Beschäftigungssituation in bestimmten Branchen erstrecken (EuGH 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Rn. 69 f., Slg. 2007, I-8531). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs steht die Regelung über die Zulässigkeit von Altersgrenzen in § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG wegen des mit ihr verfolgten arbeits- und beschäftigungspolitischen Ziels im Einklang mit Unionsrecht(EuGH 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 51, aaO). Die Nutzung dieser Ermächtigung durch eine Kollektivvereinbarung müsse allerdings ebenfalls in angemessener und erforderlicher Weise ein legitimes Ziel iSd. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgen(EuGH 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 53, aaO). Die Prüfung, ob mit einer solchen Altersgrenzenvereinbarung legitime Ziele iSv. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgt werden und die Mittel hierzu angemessen und erforderlich sind, obliegt dabei dem nationalen Gericht(EuGH 18. November 2010 - C-250/09 und C-268/09 - [Georgiev] Rn. 43, Slg. 2010, I-11869).

43

cc) Die Voraussetzungen des § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG liegen vor.

44

(1) Die Altersgrenzenregelung in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 sieht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt vor, zu dem der betroffene Arbeitnehmer die Regelaltersrente beanspruchen kann.

45

(2) Der Berücksichtigung der beschäftigungspolitischen Zielsetzung als einem legitimen Ziel iSd. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG steht nicht entgegen, dass diese nicht in der GBV 6/76 ausdrücklich genannt ist. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist es ausreichend, wenn andere aus dem allgemeinen Kontext der betreffenden Maßnahme abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter dieser Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, damit dessen Rechtmäßigkeit sowie die Angemessenheit und Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüft werden können (EuGH 5. Juli 2012 - C-141/11 - [Hörnfeldt] Rn. 24).

46

(3) Nach den nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffenen und den Senat bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wollten die Betriebsparteien mit den seit dem 1. Dezember 1976 bei der Beklagten geltenden Altersgrenzen eine zusätzliche soziale Absicherung der Arbeitnehmer im Zeitpunkt ihres Renteneintritts erreichen sowie einen geordneten Rahmen für die Personalplanung, eine ausgewogene Altersstruktur der Belegschaft und für die Nachwuchsförderung schaffen. Hierbei handelt es sich um beschäftigungspolitische Ziele iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG.

47

(4) Die Rechtsqualität der GBV 6/76 als Betriebsvereinbarung steht dem nicht entgegen.

48

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs können auch auf dem Alter beruhende Ungleichbehandlungen in betrieblichen Vereinbarungen zulässig sein, wenn die Betriebsparteien mit ihren Regelungen sozial- und beschäftigungspolitische Ziele iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgen, sofern die zur Erreichung dieser Ziele eingesetzten Mittel angemessen und erforderlich sind und nicht über das zur Erreichung des verfolgten Ziels Erforderliche hinausgehen (EuGH 6. Dezember 2012 - C-152/11 - [Odar] Rn. 43, 46, 49). Der Gerichtshof sieht Arbeitgeber und Betriebsrat als Sozialpartner an (vgl. EuGH 9. Dezember 2004 - C-19/02 - [Hlozek] Rn. 38, Slg. 2004, I-11491), denen bei der Entscheidung über die Verfolgung eines bestimmten sozial- und beschäftigungspolitischen Ziels sowie bei der Festlegung der für seine Erreichung geeigneten Maßnahmen ein weiter Ermessenspielraum zusteht (EuGH 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 69, Slg. 2010, I-9391).

49

dd) Die in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 enthaltene Altersgrenze ist erforderlich und angemessen iSd. § 10 Satz 2 AGG.

50

Die Regelung ist zur Erreichung der mit ihr verfolgten beschäftigungspolitischen Ziele erforderlich. Es ist jedenfalls nicht unvernünftig, wenn die Betriebsparteien davon ausgehen, dass das Ausscheiden von rentenbezugsberechtigten Arbeitnehmern eine sichere Personalplanung ermöglicht, zur Gewährleistung einer ausgewogenen Altersstruktur der Belegschaft beiträgt und die Einstellungschancen von jüngeren Arbeitnehmern fördert. Die Altersgrenze in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 erweist sich in Bezug auf die von ihr betroffenen Arbeitnehmer auch nicht als unangemessen. Die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses trifft sie nicht unvorbereitet. Die Regelung führt nicht zu ihrem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben. Sie enthält kein Verbot einer bestimmten beruflichen Tätigkeit, sondern beendet nur das in der Vergangenheit begründete Arbeitsverhältnis. Der mit dem Wegfall des Arbeitsentgelts verbundene wirtschaftliche Nachteil wird durch die Bezugsmöglichkeit der Regelaltersrente zumindest teilweise ausgeglichen.

51

e) Der Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV bedarf es nicht.

52

Die für die Beurteilung von auf das Regelrentenalter bezogenen Altersgrenzen geltenden unionsrechtlichen Anforderungen sind durch die angeführte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH 5.  Juli 2012 - C-141/11 - [Hörnfeldt]; 18. November 2010 - C-250/09 und C-268/09 - [Georgiev] Slg. 2010, I-11869; 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Slg. 2010, I-9391; 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Slg. 2007, I-8531) als geklärt anzusehen. Nach den Entscheidungen des Gerichtshofs in den Rs. Odar (EuGH 6. Dezember 2012 - C-152/11 - [Odar]) und Hlozek (EuGH 9. Dezember 2004 - C-19/02 - [Hlozek] Slg. 2004, I-11491) steht zudem fest, dass in Betriebsvereinbarungen enthaltene Ungleichbehandlungen aufgrund des Alters durch sozial- und beschäftigungspolitische Ziele iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG gerechtfertigt werden können.

53

6. Weitere Unwirksamkeitsgründe gegenüber der durch § 4 Abs. 1 GBV 6/76 bewirkten Befristung seines Arbeitsvertrags hat der Kläger nicht geltend gemacht(§ 17 Satz 1 und Satz 2 TzBfG iVm. § 6 Satz 1 KSchG).

54

II. Die Altersgrenzenregelung in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 wird nicht durch eine für den Kläger günstigere Abrede verdrängt.

55

1. Nach § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG gelten Betriebsvereinbarungen zwar unmittelbar und zwingend. Diese gesetzliche Regelung ist jedoch unvollständig. Sie wird durch das Günstigkeitsprinzip ergänzt. Das in § 4 Abs. 3 TVG nur unvollkommen geregelte Günstigkeitsprinzip ist Ausdruck eines umfassenden Grundsatzes, der unabhängig von der Art der Rechtsquelle und auch außerhalb des Tarifvertragsgesetzes Geltung beansprucht. Es gilt auch für das Verhältnis von vertraglichen Ansprüchen zu den Inhaltsnormen einer Betriebsvereinbarung (BAG GS 16. September 1986 - GS 1/82 - zu C II 3 a, b der Gründe, BAGE 53, 42). Günstigere einzelvertragliche Vereinbarungen gehen daher den belastenden Regelungen einer Betriebsvereinbarung vor (BAG 6. November 2007 - 1 AZR 862/06 - Rn. 23, BAGE 124, 323).

56

2. Mit der in Nr. 3 der Einstellungsmeldung vom 8. April 1980 enthaltenen Formulierung, nach der das Arbeitsverhältnis auf „unbestimmte Zeit“ abgeschlossen gilt, haben die Parteien keine für den Kläger gegenüber der GBV 6/76 günstigere Vereinbarung getroffen.

57

Die vertragliche Regelung enthält eine auflösende Bedingung, wonach das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der vierwöchigen Probezeit endet, wenn die Beklagte die Weiterbeschäftigung nicht mindestens sieben Tage vor deren Ablauf ablehnt. Verzichtet sie hierauf, wird das Arbeitsverhältnis nach dem Ablauf der Probezeit als unbefristetes fortgesetzt. Nach dem für die Auslegung von Verträgen maßgeblichen Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) konnte der Kläger die bei seiner Einstellung im Jahr 1980 getroffene Vereinbarung nicht dahingehend verstehen, das Arbeitsverhältnis könne bis zu seinem Ableben nur durch eine Kündigung oder einen Aufhebungsvertrag beendet werden. Hiergegen spricht insbesondere die bei Vertragsschluss erfolgte Übergabe der GBV 6/76, in der die bei der Beklagten geltende Altersgrenze enthalten war. Durch Nr. 3 der Einstellungsmeldung sollte nicht eine auf das Regelrentenalter bezogene Altersgrenze abbedungen werden, sondern vielmehr nur klargestellt werden, dass das Arbeitsverhältnis nicht nur für eine im Voraus konkret bestimmte Frist abgeschlossen wird (BAG 8. Dezember 2010 - 7 AZR 438/09 - Rn. 23, BAGE 136, 270).

58

3. Ungeachtet dessen haben die Parteien ihre arbeitsvertraglichen Beziehungen hinsichtlich einer Altersgrenzenregelung in den von der Beklagten vorgegebenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen betriebsvereinbarungsoffen gestaltet.

59

a) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Maßgebend für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gemäß § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders(BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 19, BAGE 139, 156).

60

b) Die Arbeitsvertragsparteien können ihre vertraglichen Absprachen dahingehend gestalten, dass sie einer Abänderung durch betriebliche Normen unterliegen. Das kann ausdrücklich oder bei entsprechenden Begleitumständen konkludent erfolgen und ist nicht nur bei betrieblichen Einheitsregelungen und Gesamtzusagen möglich, sondern auch bei einzelvertraglichen Abreden. Eine solche konkludente Vereinbarung ist regelmäßig anzunehmen, wenn der Vertragsgegenstand in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten ist und einen kollektiven Bezug hat. Mit der Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen macht der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer erkennbar deutlich, dass im Betrieb einheitliche Vertragsbedingungen gelten sollen. Eine betriebsvereinbarungsfeste Gestaltung der Arbeitsbedingungen stünde dem entgegen. Die Änderung und Umgestaltung von betriebseinheitlich gewährten Leistungen wäre nur durch den Ausspruch von Änderungskündigungen möglich. Der Abschluss von betriebsvereinbarungsfesten Abreden würde zudem den Gestaltungsraum der Betriebsparteien für zukünftige Anpassungen von Arbeitsbedingungen mit kollektivem Bezug einschränken. Da Allgemeine Geschäftsbedingungen ebenso wie Bestimmungen in einer Betriebsvereinbarung auf eine Vereinheitlichung der Regelungsgegenstände gerichtet sind, kann aus Sicht eines verständigen und redlichen Arbeitnehmers nicht zweifelhaft sein, dass es sich bei den vom Arbeitgeber gestellten Arbeitsbedingungen um solche handelt, die einer Änderung durch Betriebsvereinbarung zugänglich sind. Etwas anderes gilt nur dann, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausdrücklich Vertragsbedingungen vereinbaren, die unabhängig von einer für den Betrieb geltenden normativen Regelung Anwendung finden sollen.

61

c) Dem steht die Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB nicht entgegen. Danach muss der die Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendende Arbeitgeber bei Unklarheiten die ihm ungünstigste Auslegungsmöglichkeit gegen sich gelten lassen. Diese Auslegungsregel kommt allerdings erst dann zur Anwendung, wenn der Klauselinhalt nicht bereits durch Auslegung zweifelsfrei festgestellt werden kann. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht (BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 20, BAGE 139, 156).

62

d) Nach diesen Grundsätzen ist der Arbeitsvertrag der Parteien in Bezug auf eine Altersgrenzenregelung betriebsvereinbarungsoffen ausgestaltet. Bei den in der Einstellungsmeldung enthaltenen Vertragsinhalten handelt es sich um von der Beklagten gestellte Allgemeine Geschäftsbedingungen mit kollektivem Bezug. Dass der Vereinbarung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses in Nr. 3 der Einstellungsmeldung eine betriebsvereinbarungsfeste Individualvereinbarung zugrunde liegt, die zur Verdrängung der Altersgrenzenregelung in § 4 Abs. 3 GBV 6/76 führt, hat der Kläger selbst nicht behauptet.

63

III. Der Weiterbeschäftigungsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an, da er, wie seine Auslegung ergibt, nur bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits gestellt ist.

        

    Schmidt    

        

    Linck    

        

    Koch    

        

        

        

    Manfred Gentz    

        

    Berg    

                 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 23. Juli 2014 - 11 Sa 200/14 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe des Entgelts im Transferarbeitsverhältnis (Transferentgelt) sowie über Abrechnung- und Freistellung.

2

Der Kläger war bis zum 31. August 2012 bei der N S N GmbH & Co. KG (im Folgenden NSN) in deren Betrieb Region S-W beschäftigt. Die beklagte N S N Tg mbH (NSN TG) ist eine von NSN finanzierte Transfergesellschaft, zu der der Kläger seit dem 1. September 2012 in einem Transferarbeitsverhältnis stand.

3

Zu Beginn des Jahres 2012 plante NSN Restrukturierungsmaßnahmen, von denen ua. der Betrieb Region S-W betroffen sein sollte. NSN und der Betriebsrat der Region S-W vereinbarten am 2. August 2012 einen Sozialplan, in dem ua. geregelt ist:

        

„Präambel

        

…       

        
        

(2)     

Dieser Sozialplan soll die Bedingungen dafür schaffen, dass mit Hilfe einer Auffangstruktur die von Entlassung bedrohten Beschäftigten der NSN bei ihrer notwendigen beruflichen Neuorientierung unterstützt werden. Zu diesem Zweck soll den von Arbeitslosigkeit bedrohten Beschäftigten der NSN nach Maßgabe dieses Sozialplans der Abschluss von Transferarbeitsverhältnissen angeboten werden.

        

…       

        
        

§ 5

        

Mindestbedingungen der Transferarbeitsverhältnisse

        

Der Übertritt in die Transfergesellschaft erfolgt auf Basis eines dreiseitigen Vertrages (= drei Vertragsparteien), der die Beendigung des mit NSN bestehenden Arbeitsvertrages und die Begründung eines befristeten Transferarbeitsverhältnisses bei der NSN Tg mbH beinhaltet.

        

Wesentliche Bestandteile dieses dreiseitigen Vertrages sind:

        

…       

        

(3)     

Die Beschäftigten erhalten innerhalb der BeE - unter Anrechnung der Zahlungen der Agentur für Arbeit - ein BeE-Monatsentgelt von monatlich 75 Prozent ihres Bruttomonatseinkommens. Das Bruttomonatseinkommen umfasst alle tariflichen sowie alle sonstigen individuellen monatlichen Entgeltbestandteile. Es ist das 13,5-fache des bisherigen Bruttomonatsgehaltes dividiert durch zwölf.

        

…“    

        
4

Am 6. /13. August 2012 schlossen NSN, der Kläger und die Beklagte einen dreiseitigen Vertrag (im Folgenden DV), der auszugsweise lautet:

        

„Präambel

        

1.    

Am 02.08.2012 wurden ein Interessenausgleich und ein Sozialplan mit dem Betriebsrat der Region S-W der NSN abgeschlossen. Die Bestimmungen dieser Vereinbarungen sind dem Arbeitnehmer bekannt. Dem Arbeitnehmer ist auch bekannt, dass sein Arbeitsplatz bei NSN entfällt und insoweit das Arbeitsverhältnis bei NSN mit Wirkung zum 31.08.2012 aus betriebsbedingten Gründen beendet werden muss. Aus diesem Grund wird dem Arbeitnehmer ein befristetes Vermittlungs- und Qualifizierungsverhältnis mit der NSN TG angeboten, um eine betriebsbedingte Kündigung zu vermeiden.

        

2.    

Die NSN TG wird für den Arbeitnehmer Transferkurzarbeitergeld im Sinne des § 111 SGB III beantragen.

        

3.    

Die NSN TG bildet eine betriebsorganisatorische eigenständige Einheit (beE) im Sinne des § 111 SGB III. Sie trägt die Bezeichnung beE NSN Region S-W.

        

4.    

Durch die Bildung der beE sollen Maßnahmen zur beruflichen Qualifizierung die Vermittlungschancen auf dem externen Arbeitsmarkt erhöhen.

                 

Auf dieser Grundlage werden folgende Regelungen getroffen:

        

Abschnitt A: Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit NSN

        

1.    

Beendigung des Arbeitsverhältnisses

                 

Das zwischen dem Arbeitnehmer und NSN bestehende Arbeitsverhältnis wird aus betriebsbedingten Gründen mit Ablauf des 31.08.2012 enden, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Der Arbeitnehmer tritt zum 01.09.2012 in die NSN TG über.

        

…       

        
        

Abschnitt B: Begründung eines Vermittlungs- und Qualifizierungsverhältnisses mit NSN TG

        

1.    

Vertragsdauer / Kurzarbeit Null

                 

Der Arbeitnehmer und die NSN TG vereinbaren den Abschluss eines befristeten Vermittlungs- und Qualifizierungsvertrages ab dem 01.09.2012. Das Vermittlungs- und Qualifizierungsverhältnis endet mit Austritt aus der beE NSN Region S-W, spätestens am 28.02.2014, ohne dass es einer Kündigung bedarf.

                 

Es wird Kurzarbeit Null angeordnet und der Beschäftigungsanspruch entfällt. Der Arbeitnehmer erklärt mit seiner Unterschrift unter diesem Vertrag sein Einverständnis zu Kurzarbeit Null.

        

…       

        
        

3.    

Pflichten

                 

3.1 Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, an allen von der beE NSN Region S-W angebotenen Bewerbungs- und Vermittlungsmaßnahmen und -veranstaltungen teilzunehmen, den Anweisungen des beE-Teams oder beauftragter Personen Folge zu leisten und sich aktiv um einen neuen Arbeitsplatz zu bemühen.

                 

…       

        
        

4.    

Monatliche Vergütung

                 

Der Arbeitnehmer erhält auf der Basis der von NSN an die NSN TG zur Verfügung gestellten Gehaltsdaten, ab Eintritt in die NSN TG - unter Anrechnung von Zahlungen der Agentur für Arbeit - bis zu seinem Ausscheiden monatlich 75 % seines Bruttomonatseinkommens. Das Bruttomonatseinkommen ist das 13,5-fache des bisherigen Bruttomonatseinkommens dividiert durch zwölf. Während des Zeitraumes des Bezuges von Transfer-Kurzarbeitergeld besteht das Entgelt aus zwei Auszahlungskomponenten, der ‚KuG-Leistung‘ und dem ‚KuG-Zuschuss‘, die als Nettoentgelt gezahlt werden, welches sich aus 75 % des Bruttomonatseinkommens errechnet.

                 

Die Entgeltzahlung am Monatsultimo erfolgt bargeldlos auf das bekannte Girokonto. …

        

11.     

Ausschlussfrist

                 

Alle Ansprüche aus diesem Vermittlungs- und Qualifizierungsverhältnis sind innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen.

        

Abschnitt C: Allgemeine Regelungen

        

1.    

Hinweis auf steuer- und sozialversicherungsrechtliche Konsequenzen

                 

1.1.   

Sofern im Rahmen der Jahressteuererklärung (Progressionsvorbehalt) Nachzahlungsverpflichtungen gegenüber dem Finanzamt entstehen sollten, hat der Arbeitnehmer gegenüber NSN und/oder NSN TG keinen Erstattungsanspruch.

                 

1.2.   

Verbindliche Auskunft über die steuer- und sozialrechtlichen Konsequenzen dieser Vereinbarung kann nur das zuständige Finanzamt bzw. der zuständige Sozialversicherungsträger erteilen. Auf die Möglichkeit des Eintritts einer Sperrzeit und deren Folgen sowie ein mögliches Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld und ggf. auf einen möglichen Verlust der Versorgungsanwartschaft wurde der Arbeitnehmer hingewiesen.

                          

Bei privat versicherten Arbeitnehmern kann dieser Vertrag Auswirkungen auf eine bestehende private Krankenversicherung haben und einen Wechsel in die gesetzliche Krankenversicherung erforderlich machen.

        

…       

                 
        

3.    

Geltung von Tarifverträgen

                 

In der NSN TG gelten keine tarifvertraglichen Regelungen.

        

4.    

Erledigungserklärung / Doppelansprüche

                 

4.1 Mit Abschluss der vorliegenden Vereinbarung und nach ordnungsgemäßer Abrechnung und Auszahlung der Vergütung bis zum 31.08.2012 durch NSN sind sämtliche Ansprüche und Rechte der Parteien aus oder im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis sowie dessen Beendigung abgegolten und erledigt, soweit ein Verzicht hierauf rechtlich zulässig ist. Ausgenommen sind etwaige Ansprüche aus Arbeitgeberdarlehen.

                 

…       

        

5.    

Bedingung

                 

Dieser Dreiseitige Vertrag steht unter dem Vorbehalt, dass die schriftliche Annahme des Vertragsangebots durch den Arbeitnehmer spätestens am 16.08.2012, 12.00 Uhr vorliegt.

                 

Weiter steht dieser Dreiseitige Vertrag unter dem Vorbehalt, dass die Transfergesellschaft durch die Agentur für Arbeit gefördert wird.

        

…“    

        
5

Die Beklagte berechnete für den Zeitraum der Bewilligung von Transferkurzarbeitergeld das monatliche Transferentgelt des Klägers, indem sie zunächst nach B.4. Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 DV das Referenzbruttoentgelt (75 vH des 13,5-fachen Betrags des zuletzt bei NSN bezogenen Bruttomonatseinkommens dividiert durch zwölf) und hieraus unter Berücksichtigung steuer- und sozialversicherungsrechtlicher Vorgaben ein fiktives Nettoentgelt ermittelte. Davon zog sie das Transferkurzarbeitergeld ab und zahlte den verbleibenden Betrag als Zuschuss zum Transferkurzarbeitergeld an den Kläger aus. Zu entrichtende Steuern und Sozialversicherungsbeiträge führte sie ab. Die Summe von Transferkurzarbeitergeld und Zuschuss entsprach dem Betrag, den der Kläger auf Basis des Referenzbruttoentgelts nach Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen als Nettoentgelt erhalten hätte.

6

Mit der Klage verlangt der Kläger, soweit im Revisionsverfahren noch von Bedeutung, für die Monate November 2012 bis April 2013 und von Juni bis August 2013 unter Berufung auf B.4. Abs. 1 Satz 1 DV ein Bruttotransferentgelt in Höhe des Referenzbruttoentgelts. Hiervon dürfe das bezogene Transferkurzarbeitergeld in Abzug gebracht werden. Jedenfalls nach der Unklarheitenregelung des § 305c BGB habe er Anspruch auf eine monatliche Vergütung in Höhe des Referenzbruttoentgelts. Auf Basis des zutreffend ermittelten Transferentgelts stünden ihm neue Abrechnungen zu. Die Beklagte sei wegen ihres vertragswidrigen Verhaltens verpflichtet, ihn von den Nachteilen freizustellen, die ihm durch die unzutreffende Berechnung und Zahlung der Vergütung entstünden.

7

Der Kläger hat, soweit für die Revision von Bedeutung, zuletzt sinngemäß beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weiteres BeE Gehalt für November 2012 bis April 2013 und von Juni bis August 2013 in Höhe von 59.952,51 Euro brutto abzüglich gezahlter 36.250,43 Euro netto nebst Zinsen in gestaffelter Höhe zu zahlen;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, die Lohnabrechnungen ab dem Monat September 2012 zu korrigieren und eine monatliche Neuberechnung des BeE Gehalts vorzunehmen unter der Maßgabe, dass die Beklagte 75 % des Bruttomonatseinkommens schuldet, wobei Bruttomonatseinkommen in diesem Sinne das 13,5-fache des bisherigen Bruttomonatseinkommens bei der NSN dividiert durch zwölf ist;

        

3.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von jeglichen Nachteilen gegenüber Dritten freizustellen, die ihm aus der seit 1. September 2012 gewählten Lohnabrechnungsweise auf Basis des geleisteten KuG-Zuschusses in Folge des Progressionsvorbehalts gemäß § 32b EStG erwachsen;

        

4.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von jeglichen Nachteilen gegenüber Dritten freizustellen, die ihm aus der seit 1. September 2012 gewählten Lohnabrechnungsweise auf Basis des geleisteten KuG-Zuschusses in Folge unterzahlter Sozialversicherungsabgaben erwachsen.

8

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, aus dem dreiseitigen Vertrag ergebe sich kein Anspruch des Klägers auf ein höheres Bruttoentgelt. Während des Bezugs von Transferkurzarbeitergeld sei das Referenzbruttoentgelt nur als Rechengröße heranzuziehen.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageforderungen weiter.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht kein höheres Transferentgelt zu. Die Beklagte hat die Vergütungsansprüche des Klägers erfüllt (I.). Er kann weder neue Abrechnungen (II.) noch die begehrten Freistellungen verlangen (III.).

11

I. Der Kläger hat nach B.4. Abs. 1 DV keinen Anspruch auf Aufstockung des Transferkurzarbeitergelds auf das monatliche Referenzbruttoentgelt. Das Referenzbruttoentgelt stellt für den Zeitraum des Bezugs von Transferkurzarbeitergeld lediglich eine Rechengröße dar, die als Bezugsbasis für die Berechnung des Transferkurzarbeitergelds und der von der Beklagten zu erbringenden Aufstockungsleistung heranzuziehen ist. Dies ergibt die Auslegung des dreiseitigen Vertrags.

12

1. Bei den Klauseln des dreiseitigen Vertrags handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen (§ 305 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB). Allgemeine Geschäftsbedingungen sind - ausgehend vom Vertragswortlaut - nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (st. Rspr., vgl. BAG 13. März 2013 - 5 AZR 954/11 - Rn. 38 mwN, BAGE 144, 306). Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Parteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (vgl. BAG 13. November 2012 - 3 AZR 557/10 - Rn. 20 mwN). Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist durch das Revisionsgericht uneingeschränkt überprüfbar (st. Rspr., vgl. BAG 21. August 2013 - 5 AZR 581/11 - Rn. 19 mwN).

13

2. Danach ist die Beklagte Schuldnerin der in B.4. Abs. 1 DV vereinbarten Vergütung. Sie hat sich eigenständig zur Entgeltleistung verpflichtet und nicht nur die technische Abwicklung der Entgeltzahlung übernommen (vgl. zu einer solchen Fallgestaltung BAG 19. März 2014 - 5 AZR 299/13 (F) - Rn. 19 ff.), auch wenn das Transferentgelt eine von NSN finanzierte Überbrückungsleistung anlässlich einer Betriebsänderung sowie der damit verbundenen Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit NSN (vgl. BAG 15. April 2015 - 4 AZR 796/13 - Rn. 73) darstellt.

14

3. Die Auslegung ergibt weiter, dass die Parteien für den Zeitraum des Bezugs von Transferkurzarbeitergeld kein Bruttomonatsentgelt in Höhe des Referenzbruttoentgelts vereinbart haben.

15

a) Hierfür spricht bereits der Wortlaut des dreiseitigen Vertrags.

16

aa) Die Präambel des dreiseitigen Vertrags weist auf die Regelungen des Sozialplans hin. Nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 Sozialplan erhalten die Beschäftigten „innerhalb der BeE - unter Anrechnung der Zahlungen der Agentur für Arbeit - ein BeE-Monatsentgelt von 75 Prozent ihres Bruttomonatseinkommens“ bei NSN. Als eine der für das Transferarbeitsverhältnis maßgeblichen Mindestbedingungen nennt der Sozialplan mit der Formulierung „BeE-Monatsentgelt“ gerade nicht ein Bruttomonatseinkommen. Dieses ist lediglich Referenzgröße bei der Berechnung der Höhe des BeE-Monatsentgelts (vgl. BAG 15. April 2015 - 4 AZR 796/13 - Rn. 78, 79 zu den - abgesehen von der Anspruchshöhe - weitgehend wortgleichen Bestimmungen des Transfer- und Sozialtarifvertrags und des Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrags vom 4. April 2012, abgeschlossen zwischen der NSN und der IG Metall für den Betrieb St-Straße M der NSN).

17

bb) Dem entspricht die in B.4. Abs. 1 DV getroffene Vereinbarung. Die Klausel differenziert ausdrücklich zwischen „Bruttomonatseinkommen“ (Satz 1) und dem Entgelt während des Bezugs von Transfer - Kurzarbeitergeld (Satz 3). Dieses besteht aus zwei Auszahlungskomponenten, der „KuG-Leistung“ und dem „KuG-Zuschuss“, „die als Nettoentgelt gezahlt werden, welches sich aus 75 % des Bruttoeinkommens errechnet“.

18

b) Die Auslegung des Wortlauts wird durch den sich aus dem vertraglichen Gesamtzusammenhang ergebenden Regelungszweck bestätigt.

19

aa) Der Vergütungsvereinbarung des dreiseitigen Vertrags liegt die Erwartung zugrunde, den in ein Vermittlungs- und Qualifizierungsverhältnis mit der beklagten Transfergesellschaft übergewechselten Arbeitnehmern werde nach Maßgabe von § 111 SGB III Transferkurzarbeitergeld bewilligt. Die Begründung eines Transferarbeitsverhältnisses mit der Beklagten als Träger der Transfermaßnahme und damit einem „Dritten“ iSv. § 110 Abs. 1 Satz 1 SGB III schafft die betrieblichen Voraussetzungen für den Anspruch auf Transferkurzarbeitergeld(vgl. BAG 15. April 2015 - 4 AZR 796/13 - Rn. 75). Die Beklagte hat sich für den Bewilligungszeitraum verpflichtet, an die Arbeitnehmer eine Aufstockungsleistung iSv. § 106 Abs. 2 Satz 2 SGB III in Form eines Zuschusses zum Transferkurzarbeitergeld zu zahlen. Dies entspricht dem Vertragsverständnis beider Parteien und folgt aus der an § 106 Abs. 2 Satz 2 SGB III angelehnten Formulierung in B.4. Abs. 1 Satz 1 DV, das Entgelt werde „unter Anrechnung von Zahlungen der Agentur für Arbeit“ geleistet.

20

bb) Aufgrund der gleichgerichteten Funktion von Transferkurzarbeitergeld und Aufstockungsleistung ist bei einer derartigen Zusage regelmäßig von einem Zuschuss zum Nettoentgelt auszugehen.

21

(1) Das Transferkurzarbeitergeld ist eine beitragsfinanzierte Entgeltersatzleistung für den durch den Arbeitsausfall erlittenen Nettoentgeltverlust (vgl. Gagel/Bieback SGB II/SGB III Stand Juni 2015 § 106 SGB III Rn. 20; Mutschler in Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu SGB III 5. Aufl. § 106 Rn. 9). Seine Funktion besteht in der Überbrückung des arbeitsausfallbedingten Nettoentgeltausfalls (vgl. Müller-Grune in Schlegel/Voelzke jurisPK-SGB III 1. Aufl. § 106 Rn. 15, 37; vgl. Gagel/Bieback SGB II/SGB III Stand Juni 2015 § 106 SGB III Rn. 1). Dem entsprechend wird die Höhe des Transferkurzarbeitergelds durch den Leistungssatz (§ 111 Abs. 10, § 105 SGB III) und die Nettoentgeltdifferenz als berücksichtigungsfähiger Entgeltausfall bestimmt (§ 111 Abs. 10, § 106 Abs. 1 Satz 1 SGB III).

22

(2) Die von einer Transfergesellschaft auf individual- oder kollektivrechtlicher Grundlage zu erbringenden Aufstockungsleistungen sind in ihrer Funktion mit dem Transferkurzarbeitergeld gleichgerichtet. Das Transferkurzarbeitergeld gleicht den durch Arbeitsausfall erlittenen Nettoentgeltverlust nicht vollständig aus, sondern nur in prozentualer Höhe nach Maßgabe des Leistungssatzes, § 111 Abs. 10, § 105 SGB III(vgl. Mutschler in Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu SGB III 5. Aufl. § 106 Rn. 9). Die Aufstockungsleistungen knüpfen hieran an. Sie sollen die arbeitsausfallbedingte Nettoentgeltdifferenz verringern. Vorbehaltlich einer abweichenden Zusage dient das mit der Transfergesellschaft vereinbarte Bruttoentgelt im Hinblick auf die Aufstockungsleistung - ebenso wie für das Transferkurzarbeitergeld (vgl. hierzu BSG 4. Juli 2012 - B 11 AL 9/11 R - Rn. 26 zu § 179 Abs. 1 Satz 2 SGB III aF, BSGE 111, 177) - lediglich als Bezugsbasis: Es ist bei der Ermittlung der verbleibenden Nettoentgeltdifferenz als „Soll-Entgelt“ (§ 106 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SGB III) zu Grunde zu legen.

23

(3) Anhaltspunkte für eine abweichende, auf den Ausgleich der Bruttoentgeltdifferenz gerichtete Zusage, sind weder dem dreiseitigen Vertrag noch dem Sozialplan zu entnehmen. Es bedarf deshalb keiner Entscheidung, ob die vom Kläger begehrte Aufstockung auf das Referenzbruttoentgelt zu einer Erhöhung des Ist-Entgelts (§ 106 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 3 SGB III) und damit - wie die Beklagte meint - zu einem Verlust oder einer wesentlichen Verringerung des Anspruchs auf Transferkurzarbeitergeld führte (so Brand/Kühl SGB III 6. Aufl. § 106 Rn. 23; Bundesagentur für Arbeit - Geschäftsanweisung Kurzarbeitergeld - Stand Januar 2012 zu § 179 SGB III)oder ob sie nach § 106 Abs. 2 Satz 2 SGB III bei der Berechnung des Ist-Entgelts außer Betracht bliebe(so Mutschler in Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu SGB III 5. Aufl. § 106 Rn. 35; unklar Gagel/Bieback SGB II/SGB III Stand Juni 2015 § 106 SGB III Rn. 53, 54).

24

c) Für ein Verständnis des Referenzbruttoentgelts lediglich als Berechnungsgröße spricht auch die bei Vertragsabschluss für einen verständigen Arbeitnehmer erkennbare Interessenlage der Beklagten.

25

aa) Transferkurzarbeitergeld ist nach § 3 Nr. 2a EStG nicht steuerpflichtig. Soweit es gewährt wird, gelten gemäß § 232a Abs. 2 SGB V, § 57 Abs. 1 SGB XI, § 163 Abs. 6 SGB VI als sozialversicherungsbeitragspflichtige Einnahmen 80 vH des Unterschiedsbetrags zwischen dem Soll-Entgelt und dem Ist-Entgelt nach § 106 SGB III. Die Sozialversicherungsbeiträge sind allein vom Arbeitgeber zu tragen, § 249 Abs. 2 SGB V, § 58 Abs. 5 SGB XI, § 168 Abs. 1 Nr. 1a SGB VI.

26

Demgegenüber unterliegen Zuschüsse des Arbeitgebers zum Kurzarbeitergeld nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG der Einkommensteuer. Sie sind nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 SvEV dem sozialversicherungsrechtlichen Arbeitsentgelt nicht zuzurechnen, soweit sie - zusammen mit dem Kurzarbeitergeld - 80 vH des Unterschiedsbetrags zwischen dem Soll-Entgelt und dem Ist-Entgelt nach § 106 SGB III nicht übersteigen.

27

bb) Ist im Transferarbeitsverhältnis ein Zuschuss zum Transferkurzarbeitergeld iSv. § 106 Abs. 2 Satz 2 SGB III vorgesehen, muss ein redlicher und verständiger Arbeitnehmer die Vergütungsvereinbarung als darauf gerichtet verstehen, die gesetzlich vorgesehenen Vergünstigungen für die Leistung von Transferentgelt in vollem Umfang zum Tragen zu bringen. Das Vertragsverständnis des Klägers ist damit nicht in Einklang zu bringen. Es führte zu einer höheren Abgaben- und Beitragslast der Beklagten als Transfergesellschaft und wäre mit dem Ziel, die Lohnnebenkosten für Transfermaßnahmen möglichst gering zu halten, nicht zu vereinbaren.

28

d) Der Kläger kann sich nicht auf die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB stützen. Auf sie kann nur zurückgegriffen werden, wenn nach Ausschöpfung der anerkannten Auslegungsmethoden nicht behebbare Zweifel verbleiben (st. Rspr., vgl. BAG 14. November 2012 - 5 AZR 107/11 - Rn. 19; 19. März 2014 - 10 AZR 622/13 - Rn. 30, BAGE 147, 322). Derartige Zweifel bestehen, wie die Auslegung zeigt, im Streitfall nicht.

29

4. Die Beklagte hat die Höhe des dem Kläger zustehenden Zuschusses zutreffend ermittelt. Seinen Anspruch auf Transferentgelt hat sie durch die geleisteten Zahlungen erfüllt.

30

II. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung weiterer Lohnabrechnungen.

31

1. Der Antrag ist bei der gebotenen Auslegung hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

32

a) Der Kläger begehrt - trotz der missverständlichen Formulierung „die Beklagte zu verurteilen, die … fehlerhaften BeE Lohnabrechnungen … zu korrigieren“ - nicht die „Berichtigung“ der erteilten Abrechnungen, sondern nach Maßgabe von § 108 Abs. 1 GewO neue Abrechnungen auf der Basis der von ihm beanspruchten Vergütungshöhe.

33

b) Im Antrag selbst ist zwar nicht angegeben, für welche Monate „ab September 2012“ der Kläger Abrechnungen begehrt. Der Klagebegründung kann jedoch entnommen werden, dass er sich auf den Zeitraum des Bezugs von Transferkurzarbeitergeld bezieht.

34

2. Der Antrag ist unbegründet. Abrechnungen über geleistete Zahlungen hat die Beklagte erteilt. Der Kläger hat gegen die Beklagte bereits deshalb keinen Anspruch auf Erteilung weiterer Abrechnungen, weil der Abrechnungsanspruch nach § 108 Abs. 1 GewO „vor Zahlung“ nicht erfolgreich klagbar ist.

35

Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 GewO ist dem Arbeitnehmer „bei Zahlung“ des Arbeitsentgelts eine Abrechnung in Textform zu erteilen. Der Abrechnungsanspruch entsteht danach erst, wenn Arbeitsentgelt gezahlt wird. Die Regelung dient der Transparenz. Der Arbeitnehmer soll erkennen können, warum er gerade den ausgezahlten Betrag erhält. Deshalb entfällt die Verpflichtung zur Abrechnung, wenn sich die Angaben gegenüber der letzten ordnungsgemäßen Abrechnung nicht geändert haben, § 108 Abs. 2 GewO(vgl. BAG 12. Juli 2006 - 5 AZR 646/05 - Rn. 13, BAGE 119, 62; 10. Januar 2007 - 5 AZR 665/06 - Rn. 18, BAGE 120, 373).

36

Die Transparenz erfordert dabei nicht, dass dem Arbeitnehmer eine Abrechnung darüber erteilt wird, wie sein Arbeitsentgelt richtigerweise zu berechnen wäre. Es kommt vielmehr darauf an, wie es der Arbeitgeber tatsächlich berechnet hat und insbesondere, welche Abzüge er aus welchen Gründen tatsächlich vorgenommen und welche Beträge er abgeführt hat (vgl. BAG 7. September 2009 - 3 AZB 19/09 - Rn. 17). Die Abrechnung bezweckt die Information über die erfolgte Zahlung. Einen Abrechnungsanspruch „vor Zahlung“ begründet § 108 Abs. 1 GewO nicht. Gerade einen solchen macht der Kläger jedoch geltend.

37

III. Die Freistellungsanträge des Klägers sind unbegründet.

38

1. Die Anträge sind hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger verlangt, wirtschaftlich so gestellt zu werden, wie er bei einer nach seiner Ansicht zutreffenden Berechnung und Zahlung des Transferentgelts stehen würde.

39

2. Es kann dahinstehen, ob hinsichtlich der Anträge ein Feststellungsinteresse des Klägers nach § 256 ZPO gegeben ist, denn dieses ist Prozessvoraussetzung nur für das stattgebende Urteil(vgl. BAG 24. September 2008 - 6 AZR 76/07 - Rn. 13 mwN, BAGE 128, 73; 15. Juli 2009 - 5 AZR 921/08 - Rn. 12). Deshalb ist das Revisionsgericht auch bei Fehlen des Feststellungsinteresses jedenfalls dann zu einer Sachentscheidung befugt, wenn gewichtige prozessökonomische Gründe gegen eine Prozessabweisung sprechen, etwa wenn die Klage eindeutig und unzweifelhaft abweisungsreif ist (vgl. BAG 24. September 2008 - 6 AZR 76/07 - aaO; 6. Oktober 2011 - 6 AZR 172/10 - Rn. 16).

40

3. Letzteres ist hier der Fall. Die Zahlungsklage unterliegt, wie unter I. ausgeführt, materiell der Abweisung. Die Beklagte hat das Entgelt des Klägers vertragsgemäß berechnet. Sie hat Steuern und Sozialversicherungsbeiträge in gesetzlicher Höhe entrichtet. Möglicherweise entstehende steuer- und sozialversicherungsrechtliche Nachteile sind als Folge der gesetzlichen Regelungen und der vertraglichen Abreden vom Kläger hinzunehmen. Dem haben die Parteien in C.1.1. und 1.2. DV Rechnung getragen. Bei einer solchen Konstellation ist dem Ziel der Feststellungsklage, den Rechtsfrieden unter Beachtung des Gebots prozessökonomischen Verhaltens zu sichern, mit einer Abweisung der Feststellungsklage durch das Revisionsgericht besser gedient als mit einem Prozessurteil (vgl. BAG 24. September 2008 - 6 AZR 76/07 - Rn. 14, BAGE 128, 73; 6. Oktober 2011 - 6 AZR 172/10 - Rn. 17).

41

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Biebl    

        

    Weber     

        

    Volk     

        

        

        

    Zoller     

        

    Jungbluth    

                 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 5. Juni 2012 - 8 Sa 16/12 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten nach der Beendigung ihres Altersteilzeitarbeitsverhältnisses über die Höhe des dem Kläger im Austrittsjahr zu zahlenden Jahresbonus.

2

Der am 20. November 1950 geborene Kläger war langjährig bei der Beklagten, einem Unternehmen der chemischen Industrie, und deren Rechtsvorgängerinnen als sog. AT-Mitarbeiter beschäftigt.

3

Die Gesamtbetriebsparteien schlossen am 10. Januar 2001 eine „Vereinbarung über Altersteilzeit für außertarifliche Mitarbeiter und Leitende Angestellte“ (GBV ATZ), die für alle Altersteilzeitarbeitsverhältnisse, die nach dem 30. Juni 2000 begonnen haben, galt und auszugsweise wie folgt lautet:

        

§ 5   

        

Jährliche Einmalzahlungen

        

Die variablen Boni (Individueller Bonus, Konzernbonus und Bereichsbonus) werden in der Höhe von 60 % derjenigen Beträge gezahlt, die der Mitarbeiter ohne Eintritt in die Altersteilzeit erhalten hätte. Sie sind nicht in die Aufstockungszahlung einzubeziehen.

        

In der Freistellungsphase … wird der Individuelle Bonus mit dem in der Arbeitsphase im Durchschnitt erzielten Prozentsatz berechnet. Für die Berechnung des Konzern- und des Bereichsbonus sind die jeweiligen aktuellen Werte des Geschäftsjahres maßgebend, für das der Bonus gezahlt wird.“

4

Am 17. Dezember 2003 schloss der Kläger mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten einen von dieser vorformulierten Altersteilzeitarbeitsvertrag (ATZV), der ua. wie folgt lautet:

        

§ 1   

        

Beginn und Ende der Altersteilzeit

        

1.    

Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis wird unter Abänderung und Ergänzung des Arbeitsvertrages mit Wirkung vom 01.12.2008 als Altersteilzeitarbeitsverhältnis fortgeführt.

        

2.    

Die Altersteilzeit - und damit das Arbeitsverhältnis insgesamt - endet ohne Kündigung am 30.11.2010. Sie werden im unmittelbaren Anschluss hieran eine gesetzliche Altersrente oder eine ihr vergleichbare Leistung unter Inkaufnahme gegebenenfalls eintretender Abschläge in Anspruch nehmen.

        

…       

        
        

§ 3     

        

Arbeitszeit

        

…       

        

2.    

Lage und Verteilung der Arbeitszeit werden wie folgt festgelegt:

                 

In der ersten Hälfte, d. h. ab 01.12.2008 bis voraussichtlich zum 30.11.2009 = bisherige Arbeitszeit, d. h. grundsätzlich 37,5 Stunden/Woche.

                 

In der zweiten Hälfte, d. h. voraussichtlich ab 01.12.2009 bis zum 30.11.2010 = bezahlte Freistellung.

                 

…       

        

§ 4     

        

Vergütung

        

1.    

Für die Dauer der Altersteilzeitarbeit wird Ihr monatliches Grundentgelt (einschließlich eines etwaigen monatlichen Besitzstandes) auf 50 % desjenigen Betrages reduziert, den Sie ohne Eintritt in die Altersteilzeit erhalten hätten.

                 

In der Freistellungsphase wird das Leistungsentgelt mit dem in der Arbeitsphase im Durchschnitt erzielten Prozentsatz berechnet.

        

…       

        
        

3.    

Die variablen Boni (Individueller Bonus, Konzernbonus und Bereichsbonus) werden in Höhe von 60 % derjenigen Beträge gezahlt, die Ihnen ohne Eintritt in die Altersteilzeit zugestanden hätten. Auch sie sind nicht in die Aufstockungszahlung einzubeziehen.

                 

In der Freistellungsphase wird der Individuelle Bonus mit dem in der Arbeitsphase im Durchschnitt erzielten Prozentsatz berechnet. Für die Berechnung des Konzern- und des Bereichsbonus sind die jeweiligen aktuellen Werte des Geschäftsjahres maßgebend, für das der Bonus gezahlt wird.

        

…       

        
        

§ 11   

        

Vertragsänderungen und Rechtsgrundlagen

        

…       

        

5.    

Im Übrigen gelten die Bestimmungen des Arbeitsvertrages, die mit den Arbeitnehmervertretern vereinbarten betrieblichen Regelungen zur Altersteilzeit und die Bestimmungen des Tarifvertrages zur Förderung der Altersteilzeit in ihrer jeweils geltenden Fassung sowie das Altersteilzeitgesetz in der bei Beginn der Altersteilzeit geltenden Fassung.“

5

Ab dem Jahr 2005 war die Zahlung eines Jahresbonus, der aus einem Konzern- und einem Bereichsbonus besteht, in einer „Rahmenvereinbarung über ein Management Compensation System für außertarifliche und leitende Angestellte“ vom 6. April 2005 (KBV MCS) zwischen der Rechtsvorgängerin der Beklagten, dem Konzernbetriebsrat und dem Konzernsprecherausschuss geregelt. Diese KBV MCS trat rückwirkend zum 1. Januar 2005 in Kraft und lautet auszugsweise wie folgt:

        

§ 6   

        

Jahresbonus

        

Der Jahresbonus verknüpft die Führungskräftevergütung mit dem Erreichen von konzern- und geschäftsbezogenen Zielen. Er setzt sich aus einem Konzernbonus und einem geschäftsbezogenen Bonus zusammen. Der Konzernbonus reflektiert die konzernbezogene Ausrichtung des Unternehmens und unterstützt die Integration der Geschäftseinheiten. Der geschäftsbezogene Bonus knüpft an den Erfolg der eigenen unternehmerischen Einheit und den individuellen Erfolg und Wertbeitrag im eigenen Verantwortungsbereich an.

        

§ 6.1 

        

Anspruchsvoraussetzungen für den Jahresbonus

        

1.    

Anspruchsberechtigt sind Mitarbeiter, die während des gesamten Geschäftsjahres, für das die Leistung gezahlt wird, und bei Geschäftsjahresende, das heißt jeweils am 31.12., in einem Arbeitsverhältnis zu einem von dieser Vereinbarung erfassten Unternehmen stehen. Arbeitsunfähigkeitszeiten von bis zu drei Monaten lassen den Anspruch unberührt.

        

2.    

Bei über drei Monate hinausgehenden Arbeitsunfähigkeitszeiten, bei im Laufe des Geschäftsjahres ganz oder teilweise ruhenden Arbeitsverhältnissen, bei Versetzungen innerhalb des D-Konzerns sowie bei ruhestandsbedingten Austritten vor dem 31.12. des jeweiligen Geschäftsjahres wegen Inanspruchnahme einer Alters- oder Erwerbsminderungs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente sowie im Todesfall besteht für jeden vollen Kalendermonat, den der Mitarbeiter während des Geschäftsjahres tatsächlich und mit Anspruch auf Entgelt beschäftigt war, ein anteiliger Bonusanspruch nach dem Zwölftelungsprinzip.

        

…       

        
        

5.    

Im Jahr des Ein- und Austritts in den Konzern besteht, sofern der Ein- bzw. Austritt nicht auf einem der in Ziffer 2 genannten Gründe beruht, kein, auch kein zeitanteiliger Leistungsanspruch nach dieser Vereinbarung.

                 

Einzelfälle können bei Bedarf einzelvertraglich geregelt werden. In diesem Fall wird die Sonderregelung den Arbeitnehmervertretern auf Verlangen erläutert.

        

…       

        

§ 6.3 

        

Bonuszusammensetzung

        

1.    

Der Jahresbonus besteht aus dem Konzernbonus und dem geschäftsbezogenen Bonus.

                 

…       

        

§ 6.5 

        

Höhe der Bonusauszahlung

        

…       

        

3.    

Die Zielerreichungsgrade und die damit verbundene Bonushöhe der Konzern- und Bereichsziele werden vom Vorstand auf Grundlage der Jahresergebnisse … festgelegt.

        

4.    

…“    

6

Der Kläger erhielt während der Dauer seiner Vollzeitbeschäftigung vor Eintritt in die Altersteilzeit seine jährlichen Boni auf Basis der KBV MCS ausgezahlt.

7

Die Gesamtbetriebsparteien schlossen am 20. Dezember 2006 eine Änderungs- und Ergänzungsvereinbarung zur GBV ATZ, die allerdings deren § 5 inhaltlich unverändert ließ. Am 31. Mai 2010 trafen die Konzernbetriebsparteien eine am selben Tag in Kraft getretene Änderungsvereinbarung zur KBV MCS. Mit dieser wurde ua. § 6.5 KBV MCS um folgende Ziffer ergänzt:

        

„5.     

Bei ruhestandsbedingten Austritten sowie im Todesfall ist der anteilige Individualbonus für das Austrittsjahr auf Basis des bei 100 %iger Zielerreichung geltenden Wertes zu berechnen. Sonderregelungen im Rahmen von Altersteilzeitvereinbarungen (zum Beispiel Berechnung mit dem in der Arbeitsphase im Durchschnitt erzielten Prozentsatz) bleiben hiervon unberührt.

                 

Für die Berechnung des anteiligen Konzern- und des anteiligen Bereichsbonus sind die vom Vorstand (heute: Geschäftsführung der D GmbH) festgelegten Zielerreichungsgrade gemäß Absatz [wohl: Ziffer] 3 maßgebend. Liegt die Feststellung der Zielerreichung und der Höhe der Bonusauszahlung bei den Konzern- und Bereichszielen durch den Vorstand (heute: die Geschäftsführung der D GmbH) noch nicht vor, werden Konzern- und Bereichsbonus auf Basis der bei 100 %iger Zielerreichung geltenden Werte berechnet; dies gilt sowohl für das Austrittsjahr als auch ggfs. für das dem Austrittsjahr vorangegangene Geschäftsjahr.“

8

Wie vertraglich vereinbart, begann ab 1. Dezember 2008 die Altersteilzeit im Blockmodell. Im Anschluss an die einjährige Freistellungsphase bis zum 30. November 2010 trat der Kläger in den Ruhestand. Als Konzern- und Bereichsbonus für das Jahr 2010 zahlte die Beklagte dem Kläger in Anwendung von § 6.5 Ziff. 5 KBV MCS, dh. unter Berechnung auf Basis 100 %iger Zielerreichung, 13.662,00 Euro brutto.

9

Die tatsächlichen Zielerreichungsgrade für das Jahr 2010 wurden von der Geschäftsführung der Beklagten erst im Frühjahr 2011 für den Konzernbonus auf 150 % von 6 % des Jahresgrundgehalts und für den Bereichsbonus auf 143,8 % von 12 % des Jahresgrundgehalts festgelegt. Bei Zugrundelegung dieser Zielerreichungsgrade stünde dem Kläger ein Jahresbonus für das Jahr 2010 - bestehend aus Konzern- und Bereichsbonus - iHv. 19.928,00 Euro brutto zu. Dieser Betrag steht rechnerisch zwischen den Parteien nicht im Streit.

10

Der Kläger hat gemeint, die Beklagte habe ihm aufgrund der tatsächlich festgelegten Zielerreichungsgrade 19.928,00 Euro brutto zahlen müssen. § 4 Ziff. 3 ATZV enthalte eine konstitutive Regelung des Inhalts, dass immer die tatsächlichen Werte des Geschäftsjahres und damit auch die tatsächlichen Zielerreichungsgrade für die Bonusberechnung maßgeblich seien. Kollektivrechtliche Regelungen kämen nach § 11 Ziff. 5 ATZV nur „im Übrigen“ zur Anwendung. Das einschlägige kollektive Regelwerk sei ihm zudem unbekannt gewesen. Es sei Sache der Beklagten gewesen, den durch die Formulierung von § 4 Ziff. 3 ATZV verursachten Transparenzmangel durch eine klare Verweisung auf die jeweils geltenden Betriebs- und Konzernvereinbarungen zu beheben.

11

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.266,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17. August 2011 zu zahlen.

12

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, sie habe den Bonusanspruch des Klägers für das Jahr 2010 vollumfänglich erfüllt. § 4 Ziff. 3 ATZV besitze ersichtlich rein deklaratorischen Charakter. Maßgeblich für die Bonusberechnung sei allein die KBV MCS.

13

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsanspruch weiter.

Entscheidungsgründe

14

Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte den Bonusanspruch für das Jahr 2010 erfüllt hat. Der Kläger hat keinen Anspruch, entgegen § 6.5 Ziff. 5 KBV MCS einen Bonus auf der Grundlage der von der Geschäftsführung erst nach dem Ausscheiden des Klägers festgelegten Zielerreichungsgrade zu erhalten.

15

I. Ein solcher Anspruch folgt nicht aus § 5 GBV ATZ. Durch § 5 Abs. 2 Satz 2 GBV ATZ soll nur klargestellt werden, dass für die Berechnung des Konzern- und Bereichsbonus - anders als für den „Individuellen Bonus“ - nicht auf die Arbeitsphase abgestellt wird.

16

1. Die Auslegung von Betriebsvereinbarungen richtet sich wegen ihres normativen Charakters nach den Grundsätzen der Gesetzesauslegung. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmungen und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei unbestimmtem Wortsinn ist der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (BAG 5. März 2013 - 1 AZR 417/12 - Rn. 14 mwN; 27. Juli 2010 - 1 AZR 874/08 - Rn. 31 mwN). Die Vorschriften der §§ 305 ff. BGB über Allgemeine Geschäftsbedingungen und damit auch die Zweifelsfall-Regelung des § 305c Abs. 2 BGB finden auf Betriebsvereinbarungen keine Anwendung(§ 310 Abs. 4 Satz 1 BGB).

17

2. Dem Kläger ist zuzugestehen, dass der Wortlaut des § 5 Abs. 2 Satz 2 GBV ATZ bei isolierter Betrachtung nicht eindeutig ist. Vom Wortlaut würde auch ein Verständnis gedeckt, wonach es nicht zulässig wäre, die Berechnung des Konzern- und Bereichsbonus anhand einer festen Prozentzahl anstelle der tatsächlichen Geschäftsentwicklung zu berechnen. Ein solches Verständnis ist jedoch mit den vorangehenden Regelungen nicht zu vereinbaren. Nach § 5 Abs. 1 GBV ATZ sind alle variablen Boni iHv. 60 % derjenigen Beträge zu zahlen, die der Mitarbeiter ohne Eintritt in die Altersteilzeit erhalten hätte. Sie sind nicht in die Aufstockungszahlung einzubeziehen. Soll der Arbeitnehmer in Altersteilzeit jedoch einen solchen „Hätte-Bonus“ erhalten, so ist für die Altersteilzeit im Blockmodell zu klären, anhand welcher Maßstäbe der Bonus für die Zeiten der Freistellung zu berechnen ist. § 5 Abs. 2 Satz 1 beantwortet diese Frage für den „Individuellen Bonus“ dahin gehend, dass er mit dem in der Arbeitsphase im Durchschnitt erzielten Prozentsatz berechnet wird. Damit bedurfte noch die Frage der Klärung, ob die Arbeitsphase auch für die Berechnung des Konzern- und Bereichsbonus als Referenzzeitraum herangezogen werden soll. Hierfür würde sprechen, dass der Arbeitnehmer in der Freistellungsphase durch seine Arbeitskraft weder unmittelbar noch mittelbar auf das Geschäftsergebnis Einfluss nehmen kann. § 5 Abs. 2 Satz 2 GBV ATZ stellt jedoch klar, dass dennoch für die Berechnung des Konzern- und Bereichsbonus nicht auf die Arbeitsphase zurückgegriffen werden soll. In dieser Klarstellung gegenüber der vorangegangenen Bestimmung erschöpft sich der Regelungsgegenstand der Vorschrift. Über die konkrete Berechnung des Bonus enthält § 5 Abs. 2 Satz 2 GBV ATZ ebenso wenig wie Satz 1 eine eigene Regelung. Die Bestimmungen zur Berechnung des Bonus finden sich vielmehr in der KBV MCS.

18

Für dieses enge Verständnis des § 5 Abs. 2 Satz 2 GBV ATZ streitet auch, dass ansonsten eine Regelung fehlen würde, wie der Konzern- und Bereichsbonus im Falle des unterjährigen Ausscheidens während der Freistellungsphase berechnet werden soll. So existiert keine Definition, welche im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aktuellen Werte herangezogen werden sollen. Im Übrigen bedarf es nach § 6.5 Ziff. 3 der KBV MCS zur Bestimmung der Höhe der Bonusauszahlung zunächst einer Festlegung der Zielerreichungsgrade durch den Vorstand bzw. die Geschäftsführung. Dies erfolgt nach der KBV MCS auf der Grundlage der Jahresergebnisse und nicht aufgrund irgendwelcher aktueller Geschäftszahlen im Zeitpunkt des individuellen Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis. Vor dem Hintergrund dieses Auslegungsergebnisses bedarf es im Übrigen keiner Erörterung, ob die Festlegung der Höhe der Bonusauszahlung von vornherein allein in die Zuständigkeit des Konzernsprecherausschusses bzw. des Konzernbetriebsrats fiel (vgl. § 18 Abs. 1, § 23 Abs. 1 SprAuG bzw. § 50 Abs. 1, § 58 Abs. 1 BetrVG).

19

II. Ein Anspruch auf Berechnung des Konzern- und Bereichsbonus für das Jahr 2010 auf der Grundlage der von der Geschäftsführung der Beklagten im Frühjahr 2011 festgelegten Zielerreichungsgrade ergibt sich auch nicht aus § 4 Ziff. 3 ATZV. Diese Regelung gibt nur wieder, was aufgrund von § 5 GBV ATZ für das Arbeitsverhältnis der Parteien ohnehin gilt(§ 77 Abs. 4 BetrVG, § 28 Abs. 2 SprAuG). § 4 Ziff. 3 ATZV stellt nur einen Hinweis auf die Gesamtbetriebs- und Gesamtsprecherausschussvereinbarung zur Altersteilzeit dar, dem kein abweichender rechtsgeschäftlicher Regelungsgehalt zukommt.

20

1. Bei den Regelungen des § 4 ATZV handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nochmals klargestellt, dass hierüber kein Streit besteht. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (st. Rspr., vgl. BAG 5. März 2013 - 1 AZR 417/12 - Rn. 59 mwN; 18. Mai 2010 - 3 AZR 373/08 - Rn. 50 mwN, BAGE 134, 269). Diese Grundsätze sind auch für die Frage anzuwenden, ob der Verwender nur eine beschreibende Aussage gemacht oder eine Willenserklärung mit Rechtsbindungswillen abgegeben hat (vgl. BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 373/08 - Rn. 53, aaO; vgl. auch MüKoBGB/Busche 6. Aufl. § 133 Rn. 50; Palandt/Ellenberger 73. Aufl. § 133 BGB Rn. 9).

21

2. Unabhängig von der Frage, ob es sich um einen bloßen Hinweis auf die Geltung der Regelung des § 5 GBV ATZ oder um eine konstitutive Bezugnahme des § 5 GBV ATZ handelt, ergibt sich bereits aus der fast wortgleichen Übernahme der kollektiven Regelung, dass ihr inhaltlich keine andere Bedeutung zukommen sollte. Ein durchschnittlicher Arbeitnehmer, dem eine Vertragsklausel vorgelegt wird, die den Inhalt einer Betriebsvereinbarung oder einer Vereinbarung des Sprecherausschusses weitgehend wortgleich wiederholt, muss grundsätzlich davon ausgehen, dass der Klausel dieselbe Bedeutung zukommen soll, wie sie die kollektive Regelung hat. Dabei kommt es auf die individuelle Kenntnis einzelner Arbeitnehmer vom Wortlaut der Kollektivvereinbarung nicht an. Da der Arbeitgeber nach § 77 Abs. 2 Satz 3 BetrVG Betriebsvereinbarungen an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen hat, ist davon auszugehen, dass der durchschnittliche Arbeitnehmer die einschlägigen Betriebsvereinbarungen zur Kenntnis nimmt, bevor er einen Änderungsvertrag schließt. Das gilt jedenfalls dann, wenn - wie vorliegend - in dem Vertrag ausdrücklich auf die einschlägigen betrieblichen Regelungen Bezug genommen wird.

22

Aus der Bezugnahme in § 11 Ziff. 5 ATZV folgt entgegen der Ansicht der Klägers nicht, dass § 5 Abs. 2 GBV ATZ keine Anwendung finden soll. Nach dieser Bestimmung gelten „im Übrigen“ ua. die „mit den Arbeitnehmervertretern vereinbarten betrieblichen Regelungen zur Altersteilzeit“. Der Formulierung „im Übrigen“ kommt nicht die Bedeutung zu, dass die anderen Regelungen des ATZV zwingend inhaltlich von den in § 11 Ziff. 5 ATZV genannten Bestimmungen abweichen. § 11 Ziff. 5 ATZV bringt nur den Willen der Vertragsparteien zum Ausdruck, dass überall dort, wo der ATZV keine ausdrückliche Regelung enthält, der ATZV iVm. den aufgeführten sonstigen Regelungen zur Altersteilzeit gelten sollen. Die damit bezweckte Lückenfüllung schließt es nicht aus, dass auch dort, wo der ATZV eine Regelung enthält, in der Sache das gelten soll, was in einer der in § 11 Ziff. 5 ATZV genannten Kollektivvereinbarungen geregelt ist. Für dieses Verständnis streitet im vorliegenden Fall auch die Überschrift des § 11 ATZV „Vertragsänderungen und Rechtsgrundlagen“. Mit § 11 Ziff. 5 sollte danach zum Ausdruck gebracht werden, welche sonstigen Bestimmungen Rechtsgrundlagen für das Altersteilzeitarbeitsverhältnis sind. Es handelt sich nicht um eine Regelung, durch die die Geltung bestimmter Regelungen für das Altersteilzeitarbeitsverhältnis ausgeschlossen werden sollte. Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob die von der Beklagten bzw. der Rechtsvorgängerin vorgegebenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen hinsichtlich der Berechnung der Boni ohnehin betriebsvereinbarungsoffen gestaltet waren (vgl. zu dieser Möglichkeit: BAG 5. März 2013 - 1 AZR 417/12 - Rn. 60).

23

III. Aufgrund einer etwaigen Unwirksamkeit der Änderungsvereinbarung zur KBV MCS vom 31. Mai 2010 kann der Klage nicht stattgegeben werden. Ohne revisiblen Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht das Prozessvorbringen des Klägers dahin gehend ausgelegt, dass der Kläger den „Lebenssachverhalt ‚kollektivrechtlicher Anspruch aus der KBV MCS in ihrer bis zum 30.05.2010 geltenden Fassung wegen Unwirksamkeit der Änderungsvereinbarung vom 31.05.2010‘ nicht“ zum Gegenstand des Rechtsstreits gemacht hat.

24

IV. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

        

        

    Spiekermann    

        

    Leitner    

                 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. Januar 2008 - 25 Sa 888/07 - aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe eines Steuerzuschlages, der im Zusammenhang mit Beihilfeleistungen, die neben einer Betriebsrente gewährt werden, gezahlt wird.

2

Die Beklagte ist die Rechtsnachfolgerin der Deutschen Postgewerkschaft (hiernach: DPG). Für diese war der Kläger, der am 25. Januar 1938 geboren ist, seit dem 1. August 1961 als Gewerkschaftssekretär tätig. Seit dem 1. November 1997 erhält er gesetzliche Rente, zunächst als Erwerbsunfähigkeitsrente, ab dem 1. Februar 1998 als Altersrente. Nr. 5 des Arbeitsvertrages der Parteien vom 30. März 1979 lautet:

        

„Auf das Vertragsverhältnis finden die Bestimmungen der Tarifregelung für die Beschäftigten der Deutschen Postgewerkschaft Anwendung. Die Vertragschließenden erkennen durch ihre Unterschriften die Rechtsverbindlichkeit der Tarifregelung in der jeweils geltenden Fassung an.“

3

Bei der Deutschen Postgewerkschaft galt die vom Hauptvorstand erlassene „Tarifregelung für die Beschäftigten der Deutschen Postgewerkschaft“ (im Folgenden: TR DPG). Satz 1 des § 1 „Geltungsbereich“ lautet:

        

„Diese Tarifregelung gilt

        

a)   

räumlich

                 

für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland,

        

b)   

persönlich

                 

für die ständig Beschäftigten der Deutschen Postgewerkschaft.“

4

Nach § 17 „Beihilfen, Unterstützungen“ galten Rechtsstandswahrungen gem. Anhang II. Gleiches galt nach § 26 „Versorgung der Beschäftigten“ hinsichtlich der „Gewerkschaftssekretäre/innen“. Die insoweit maßgeblichen Regelungen lauten auszugsweise:

        

„§ 17 

        

Beihilfen, Unterstützungen

        

Die nachfolgende Regelung gilt für die bis 31.8.1995 eingestellten Beschäftigten.

        

1.   

Auf Antrag können Beihilfen und in besonderen Fällen Unterstützungen gewährt werden.

        

2.   

Die Behandlung der Anträge erfolgt unter Beachtung der im öffentlichen Dienst geltenden Beihilfevorschriften und Unterstützungsgrundsätze. …

        

6.   

Leistungen aus Beihilfen und Krankenkassen (privat oder gesetzlich) dürfen die tatsächlichen Aufwendungen nicht übersteigen. Der so errechnete Beihilfebetrag wird um den jeweils auf der Grundlage der Nettoberechnung in Frage kommenden Steuerzuschlag erhöht.

        

…       

        

§ 26   

        

Versorgung der Beschäftigten

        

Die nachfolgende Regelung gilt für die bis 31.08.1995 eingestellten Beschäftigten.

        

I.       

Gewerkschaftssekretäre/innen

        

…       

        
        

6.   

Die DPG leistet zur Gesamtversorgung der unter diese Versorgungsregelung fallenden Beschäftigten und ihrer Hinterbliebenen einen Zuschuss.

                 

…       

        

7.   

Bei der Berechnung der Gesamtversorgung ist davon auszugehen, dass die Gesamtversorgung nach einer Beschäftigungszeit bei der DPG … von 10 Jahren 35 v.H. der Bruttobezüge beträgt und mit jedem weiter zurückgelegten Beschäftigungsjahr bis zum vollendeten 25. Beschäftigungsjahr 2 v.H., von da ab um 1 v.H. bis zum Höchstsatz von 75 v.H. steigt. Bei kürzerer als 10jähriger Beschäftigungszeit bei der DPG betragen die Versorgungsbezüge 35 v.H.

                 

…       

        

10.

Die Gesamtversorgung besteht aus

                 

a)   

Rentenbezügen aus der gesetzlichen Rentenversicherung,

                 

b)   

Leistungen aus der Unterstützungskasse des DGB,

                 

c)   

…       

                 

d)   

…       

                 

Soweit diese Leistungen die unter Ziffer 7. genannten Prozentsätze nicht erreichen, wird von der DPG der unter Ziffer 6. genannte Zuschuss in Höhe der Differenz zwischen den anzurechnenden Leistungen aus der Gesamtversorgung und dem zu gewährenden Vomhundertsatz gezahlt.

                 

…“   

5

Hintergrund der Beihilferegelung in § 17 TR DPG war, dass bei der Deutschen Postgewerkschaft viele ehemalige und beurlaubte Beamte arbeiteten, denen im Vergleich zu den Regelungen im öffentlichen Dienst, wo Beihilfeleistungen steuerfrei sind, kein Nachteil entstehen sollte.

6

Der Kläger erhielt aus Anlass seiner Zurruhesetzung von der Abteilung Funktionäre/Personal des Hauptvorstandes der Deutschen Postgewerkschaft ein auf den 14. Juli 1998 datiertes Schreiben, das auszugsweise wie folgt lautet:

        

„…   

        

Lieber H,

        

entsprechend dem vorgelegten Rentenbescheid (Dir zugegangen am 04.04.1998) endete nach § 25 Abs. 2 der Tarifregelung für die Beschäftigten der DPG Dein Beschäftigungsverhältnis mit Ablauf des Monats April 1998. Deine Ansprüche aus § 17 (Beihilfen) und § 26 (Versorgung) a.a.O. bleiben bestehen.

        

Nachdem uns nunmehr auch der Leistungsbescheid der Unterstützungskasse des DGB (UK) vorliegt, haben wir Deine Gesamtversorgung berechnet und verweisen hierzu auf das beigefügte Berechnungsblatt. Maßgeblich für die Versorgung durch die DPG sind die Bestimmungen des § 26 I. der Tarifregelung. Auf die sich danach errechnende Gesamtversorgungszusage ab 01.05.1998 sind die Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der UK anzurechnen. Da die Summe beider Leistungen die Gesamtversorgungszusage durch die DPG übersteigt, kommt eine zusätzliche Zahlung durch die DPG derzeit und soweit sich dies absehen läßt, nicht in Betracht.

        

…       

        

Deine Steuerkarte VI für 1998 ist uns inzwischen zugegangen. Wir benötigen diese auch in den folgenden Jahren wegen möglicher Beihilfeansprüche. Die Steuerkarte III ist dagegen jährlich der Unterstützungskasse vorzulegen.

        

…“   

7

Der Kläger erhält - entgegen der Annahme in dem aus Anlass seines Ausscheidens formulierten Schreiben - nicht nur eine gesetzliche Altersrente und eine von der Unterstützungskasse des DGB gezahlte Rente, sondern auch einen von der Beklagten geleisteten Zuschuss, der im Jahre 2006 156,06 Euro monatlich betrug. Zur Errechnung des von ihr zu zahlenden Zuschusses zur Gesamtversorgung verfügt die Beklagte über Angaben zu den Zahlungen der DGB-Unterstützungskasse und zur Höhe der gesetzlichen Rente.

8

Die Beklagte gewährt dem Kläger Beihilfeleistungen im Krankheitsfall entsprechend § 17 TR DPG und einen Steuerzuschlag. Den errechnet sie so, dass sie am Ende des Jahres aus Anlass der Abführung der Steuer die von ihr gewährten Versorgungsleistungen um die Beihilfeleistungen hochrechnet, die sich aus dem so erhöhten Bruttobetrag ergebende erhöhte Steuerpflicht ermittelt und den Bruttobetrag weiter so erhöht, dass dem Kläger die Beihilfeleistungen netto verbleiben. Als eigene Versorgungsleistung legt die Beklagte dabei nur den von ihr gezahlten Anteil an der Gesamtversorgung zugrunde. Unberücksichtigt bleiben der Teil der Gesamtversorgung, der von der DGB-Unterstützungskasse gezahlt wird, und der steuerpflichtige Ertragsanteil der gesetzlichen Rente.

9

Das von der Beklagten angewandte Verfahren führt dazu, dass die Steuerprogression(§ 32a EStG), die durch die Leistungen der DGB-Unterstützungskasse und den steuerpflichtigen Ertragsanteil der gesetzlichen Rente (§ 22 EStG) entsteht, sich bei der Hochrechnung nicht widerspiegelt. Das führt zu Nachforderungen gegenüber dem Kläger bei der Jahressteuererklärung. Ein Verbleib des von der Beklagten ermittelten und ausgezahlten Nettobetrages beim Kläger ist daher nicht gewährleistet.

10

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte müsse als Grundlage der für den Steuerzuschlag notwendigen Nettoberechnung nicht nur die von ihr geleisteten Versorgungsleistungen berücksichtigen, sondern stattdessen den von ihr zugesagten Versorgungsgrad von 75 % der zuletzt bezogenen Bruttobezüge zugrunde legen, soweit dadurch eine Steuerpflicht ausgelöst wird.

11

Der Kläger hat - soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse - rückständige Zahlungsansprüche für 2004 iHv. 801,80 Euro, 2005 iHv. 212,09 Euro und 2006 iHv. 1.198,48 Euro geltend gemacht und eine Feststellung dahingehend begehrt, dass die Beklagte verpflichtet ist, entsprechend seiner Rechtsansicht zu verfahren.

12

Der Kläger hat insoweit zuletzt beantragt

        

1.   

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die durch Beihilfezahlungen erhöhte jährliche Einkommenssteuer des Einkommens des Klägers aufgrund des zugesagten Versorgungsgrades von 75 % der zuletzt bezogenen Bruttobezüge zu ersetzen,

        

2.   

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.212,37 Euro netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 801,80 Euro seit dem 1. Januar 2005, auf 212,09 Euro seit dem 1. Januar 2006 und auf 1.198,48 Euro seit dem 1. Januar 2007 zu zahlen.

13

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

14

Sie hat behauptet, ihre Abrechnungsweise entspreche der Praxis, wie sie bereits früher die DPG angewandt habe.

15

Das Arbeitsgericht hat die Klage - auch hinsichtlich einiger weitergehender Ansprüche - mit Urteil vom 14. Februar 2007 abgewiesen. Das Urteil wurde dem Kläger zu Händen seiner Prozessbevollmächtigten am 26. März 2007 zugestellt. Mit Schriftsatz derselben Prozessbevollmächtigten vom 24. April 2007, der per Fax am selben Tage und im Original am 25. April 2007 beim Landesarbeitsgericht einging, schrieb die Klägervertreterin Folgendes:

        

„In Sachen

        

C       

        

gegen

        

ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft

        

Az.: 48 Ca 17086/06, Arbeitsgericht Berlin

        

legen wir gegen das Urteil vom 14.02.2007

        

Berufung

        

ein.

        

Antragstellung und Begründung erfolgen mit gesondertem Schriftsatz.“

16

Weitere Angaben, insbesondere zur Parteirolle und darüber, wen die unterzeichnende Prozessbevollmächtigte vertrat, enthielt der Schriftsatz nicht. Auf Aktenanforderung vom 26. April 2007 gingen die erstinstanzlichen Akten am 3. Mai 2007 beim Landesarbeitsgericht ein.

17

Das Landesarbeitsgericht hat der Klage - soweit in der Revisionsinstanz noch von Interesse - stattgegeben. Entgegen der von den Parteien benutzten Parteibezeichnung hat es dabei als beklagt bezeichnet „Ver.di Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft - Landesbezirk B“, jedoch Mitglieder des Bundesvorstandes der Gewerkschaft ver.di als vertretungsberechtigt angegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zugelassen. Mit ihrer Revision, die die Parteibezeichnung des Landesarbeitsgerichts übernommen hat, erstrebt die Beklagte Klageabweisung insgesamt. Der Kläger begehrt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

18

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht.

19

I. Prozessuale Probleme stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen.

20

1. Die Revision ist zulässig. Die fehlerhafte Parteibezeichnung in der Revisionsschrift ist unschädlich. Aus der Revisionsschrift ging eindeutig hervor, dass für die Partei, die tatsächlich Beklagte des Verfahrens ist, Revision eingelegt werden sollte.

21

2. Auch die - in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfenden(vgl. BAG 23. März 2004 - 3 AZR 35/03 - zu I 1 der Gründe, AP ArbGG 1979 § 64 Nr. 36 = EzA ArbGG 1979 § 64 Nr. 38) - Prozessfortführungsvoraussetzungen liegen vor. Insbesondere hat der Kläger innerhalb der Frist zur Einlegung der Berufung, die einen Monat seit Zustellung des arbeitsgerichtlichen Urteils beträgt (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG) und damit am 26. April 2007 ablief, in ausreichender Weise Berufung eingelegt. Die notwendigen Angaben lagen dem Berufungsgericht vor.

22

Es entspricht einer ständigen, schon auf das Reichsgericht zurückgehenden Rechtsprechung sowohl des Bundesarbeitsgerichts als auch des Bundesgerichtshofs, dass zum notwendigen Inhalt einer Berufungsschrift die Erklärung gehört, für wen und gegen wen das Rechtsmittel eingelegt wird. Sowohl nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als auch des Bundesarbeitsgerichts muss diese Angabe allerdings nicht in der Rechtsmittelschrift selbst enthalten sein; es genügt, wenn sie sich innerhalb der Rechtsmittelfrist aus anderen, dem Gericht vorliegenden Unterlagen eindeutig entnehmen lässt(vgl. BAG 14. Juni 1989 - 2 AZB 5/89 - zu II 2 der Gründe, mit umfassenden Nachweisen). Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung ist die Berufung rechtzeitig eingelegt:

23

Allerdings ist die Berufungsschrift bei Anlegung dieser Grundsätze unvollständig. Sie enthält keinerlei Angaben darüber, wen die Prozessbevollmächtigte des Klägers vertreten hat und für wen sie in dem von ihr angeführten Verfahren Berufung einlegen wollte. Dass der Kläger in der Berufungsschrift als Erster genannt wurde, ändert daran nichts. Daraus wird nicht ersichtlich, ob dies der Parteistellung im erstinstanzlichen oder im zweitinstanzlichen Verfahren entspricht. Auch dass der Kläger zugleich Berufungskläger gewesen ist macht keinen Unterschied, denn gerade dies war(anders als im Fall BGH 19. Mai 1983 - V ZB 14/83 - VersR 1983, 778) aus der Berufungsschrift nicht ersichtlich. Auch gingen die erstinstanzlichen Akten, denen die erforderlichen Angaben hätten entnommen werden können, nicht mehr innerhalb der Berufungsfrist, sondern erst am 3. Mai 2007 beim Landesarbeitsgericht ein.

24

Die notwendigen Angaben ließen sich jedoch aus anderen, dem Landesarbeitsgericht vorliegenden Unterlagen eindeutig entnehmen. Unterlage in diesem Sinne sind nicht nur schriftliche Unterlagen wie die Verfahrensakten, sondern auch elektronisch gespeicherte Daten, wenn sie in vergleichbarer Weise verfügbar sind. Insoweit besteht kein sachlicher Unterschied. Im vorliegenden Fall lagen dem Landesarbeitsgericht in elektronischer Form Unterlagen vor, denen alle notwendigen Angaben zu entnehmen waren. Die Präsidentin des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg hat auf Anfrage des Senats mitgeteilt, dass sowohl die Richter als auch die Geschäftsstellenmitarbeiter des Landesarbeitsgerichts auf ein Geschäftsstellenprogramm für die gesamte Berliner Arbeitsgerichtsbarkeit Zugriff haben. Über eine Maske können sie, ohne dass es eines nennenswerten technischen Aufwandes bedarf, feststellen, welcher Prozessbevollmächtigte welche Partei erstinstanzlich vertreten hat. Feststellbar sind zudem das Datum der Entscheidung, gegen welche Partei die Entscheidung ergangen ist und der Tenor der Entscheidung. Voraussetzung für diese Feststellungen ist lediglich, dass - wie hier aufgrund der Angaben in der Berufungsschrift - das erkennende Gericht und das Aktenzeichen eines Verfahrens oder die Namen der Parteien bekannt sind.

25

3. Gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen keine Bedenken. Auch der Feststellungsantrag ist als Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO ohne Weiteres zulässig. Er ist auch bestimmt genug(§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die gebotene Auslegung ergibt, dass der Kläger den konkreten Steuernachteil erstattet haben möchte, der ihm durch die Leistung von Beihilfen entsteht, wenn man die Jahressteuerpflicht auf der Grundlage des steuerpflichtigen Teils seiner in die Berechnung der Gesamtversorgung einfließenden Bezüge errechnet.

26

II. Der Rechtsstreit ist an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Aufgrund der bisherigen Feststellungen steht nicht fest, ob dem Kläger der geltend gemachte Anspruch zusteht. Vielmehr bedarf es weiterer Aufklärung durch das Landesarbeitsgericht(§ 563 Abs. 1 und 3 ZPO).

27

1. Ein Anspruch kann dem Kläger lediglich aus dem Eingangsabsatz des Austrittsschreibens der Abteilung Funktionäre/Personal des Hauptvorstandes der DPG vom 14. Juli 1998 zustehen. § 17 der Tarifregelungen der DPG unmittelbar gibt keinen Anspruch, da diese Tarifregelungen nach ihrem § 1 Satz 1 lediglich für die Beschäftigten der DPG gelten. Sie enthalten zwar in § 26 auch Bestimmungen über die Versorgung der Beschäftigten. Diese Regelung gibt den ausgeschiedenen Beschäftigten jedoch keinen Beihilfeanspruch.

28

2. Dementsprechend hat das Landesarbeitsgericht dem Kläger den noch streitgegenständlichen Teil seiner Forderung nach einer Auslegung des Austrittsschreibens iVm. § 17 TR DPG zugesprochen. Es hat dabei im Wesentlichen darauf abgestellt, dass dem einzelnen Beschäftigten durch die Beihilfezahlungen kein steuerlicher Verlust entstehen, sondern die Beihilfe als Nettoleistung erhalten bleiben sollte. Grund sei gewesen, dass für Beschäftigte, die zuvor im Status eines Beamten gestanden hatten, durch die Beschäftigung bei der DPG keine Änderung der aus Krankenversicherung und Beihilfe bestehenden Absicherung eintreten sollte. Dies sei dem Kläger ua. mit dem Schreiben der DPG vom 14. Juli 1998 bestätigt worden.

29

Für die Aktivbeschäftigten hätten in dieser Hinsicht keine Schwierigkeiten bestanden, weil der Steuerzuschlag auf der Grundlage des von der Beklagten geschuldeten Jahresgehalts errechnet wurde. Lediglich dadurch, dass die Beklagte die Steuerschuld allein auf der Basis der von ihr geleisteten Zahlungen berechnet habe, hätten sich Probleme ergeben. Wegen der Steuerprogression sei der Steueranteil auf die Beihilfe als Teil der Gesamtbezüge höher als der, der sich aus den von der Beklagten unmittelbar geleisteten Zahlungen ergebe. Dadurch fließe dem Kläger die Beihilfe nicht netto zu und es tue sich eine Versorgungslücke auf, die er mit eigenen Mitteln schließen müsse. Das sei mit § 17 Nr. 6 TR DPG nicht vereinbar. Danach sei der Steuerzuschlag auf der Grundlage der Nettoberechnung zu errechnen.

30

Auch steuerrechtliche Argumente kämen der Beklagten nicht zugute. Auf die Praxis der DPG ist das Landesarbeitsgericht nicht eingegangen.

31

3. Damit ist die Auslegung durch das Landesarbeitsgericht revisionsrechtlich zu beanstanden und der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Das ist unabhängig davon, ob die Inbezugnahme von § 17 TR DPG eine individuelle oder eine typische Erklärung darstellt.

32

a) Die revisionsrechtliche Prüfdichte für eine vom Landesarbeitsgericht gefundene Auslegung hängt davon ab, ob eine individuelle Willenserklärung oder eine typische Erklärung vorliegt. Die Auslegung individueller Willenserklärungen kann das Revisionsgericht nur daraufhin überprüfen, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln verletzt, gegen Denk- und Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen hat. Die Auslegung typischer Erklärungen unterliegt dagegen einer unbeschränkten revisionsgerichtlichen Kontrolle(BAG 11. Dezember 2001 - 3 AZR 334/00 - zu I 2 a aa der Gründe, AP BetrAVG § 1 Unverfallbarkeit Nr. 11 = EzA BetrAVG § 1 Nr. 80). Diese Grundsätze gelten auch, wenn es um die Frage geht, ob mit einer Erklärung überhaupt eine rechtsgeschäftliche Bindung eingegangen werden soll (vgl. BGH 6. Dezember 2006 - XII ZR 97/04 - Rn. 26 ff., BGHZ 170, 152; ebenso wohl 14. Dezember 2006 - I ZR 34/04 - Rn. 26, NJW-RR 2007, 1530).

33

b) Im vorliegenden Fall steht nicht eindeutig fest, ob eine individuelle oder eine typische Erklärung vorliegt. Wurde von der DPG bei den Austrittsschreiben hinsichtlich des Weiterbestehens von Ansprüchen auf Beihilfe und Versorgung in drei oder mehr Fällen(dazu BAG 15. September 2009 - 3 AZR 173/08 - Rn. 30, EzA BGB 2002 § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 13) dieselbe Formulierung verwendet, handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung. Das gilt auch, wenn in den Austrittsschreiben weitere, auf den Einzelfall zugeschnittene Formulierungen enthalten sind (vgl. für den vergleichbaren Fall handschriftlich ergänzter Formulare BAG 15. März 2005 - 9 AZR 502/03 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 114, 97).

34

Die Frage kann jedoch für das Revisionsverfahren dahinstehen, da das Landesarbeitsgericht tatsächliches Vorbringen unbeachtet gelassen hat, das auf Umstände hindeutet, die bei der Auslegung sowohl individueller als auch typischer Erklärungen heranzuziehen wären.

35

c) Geht man davon aus, dass eine individuelle Willenserklärung vorliegt, gilt Folgendes:

36

aa) Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen, zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind jedoch auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Im Zweifel ist der Auslegung der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Vertragspartner gerecht werdenden Ergebnis führt. Haben alle Beteiligten eine Erklärung übereinstimmend in demselben Sinne verstanden, so geht der wirkliche Wille dem Wortlaut des Vertrages und jeder anderweitigen Interpretation vor und setzt sich auch gegenüber einem völlig eindeutigen Vertragswortlaut durch(BAG 2. Juli 2009 - 3 AZR 501/07 - Rn. 19 mwN, AP BetrAVG § 1b Nr. 9).

37

Dass auch arbeitsrechtliche Vereinbarungen, wenn sie - wie hier - vom Arbeitgeber gestellt sind, Verbraucherverträge darstellen(BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - zu V 1 der Gründe, BAGE 115, 19), ändert an diesen Auslegungsgrundsätzen nichts. § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB steht nicht entgegen. Diese Bestimmung weist zwar die den Vertragsschluss begleitenden Umstände der Wirksamkeitsprüfung zu und steht damit ihrer Berücksichtigung bei der Auslegung entgegen (vgl. BAG 7. Dezember 2005 - 5 AZR 535/04 - Rn. 22, BAGE 116, 267). Diese Folge der Regelung betrifft aber nur Allgemeine Geschäftsbedingungen, also für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen. Nur dann sind individuelle Umstände für die Bedeutung derartiger Regelungen nicht aussagekräftig (noch offengelassen BAG 19. Januar 2010 - 3 AZR 191/08 - Rn. 15).

38

Hat der Arbeitgeber - wie hier - eine Regelung geschaffen, gilt ergänzend die Unklarheitenregel. Er muss bei Unklarheiten die für ihn ungünstigste Auslegungsmöglichkeit gegen sich gelten lassen. Das ergibt sich nunmehr für Verbraucherverträge aus § 310 Abs. 3 Nr. 2 iVm. § 305c Abs. 2 BGB, galt aber auch bereits vor deren Inkrafttreten aufgrund des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes(vgl. BAG 12. Dezember 2006 - 3 AZR 388/05 - Rn. 17 ff., AP BetrAVG § 1 Zusatzversorgungskassen Nr. 67 = EzA BetrAVG § 1 Zusatzversorgung Nr. 18).

39

bb) Diesen Auslegungsregeln ist das Landesarbeitsgericht nicht in vollem Umfange gerecht geworden. Vielmehr ergibt sich weiterer Aufklärungsbedarf, weil das Landesarbeitsgericht Behauptungen der Beklagten über wesentliche Tatsachen bei seiner Auslegung außer Acht gelassen und den Sachverhalt nicht in vollem Umfange aufgeklärt hat.

40

(1) Das Landesarbeitsgericht ist ohne Weiteres davon ausgegangen, dass sich die DPG durch das Austrittsschreiben rechtsgeschäftlich binden wollte. Das ist möglich, aber nicht zwingend.

41

Die Formulierung, in der es heißt, die Ansprüche aus § 26 und § 17 TR DPG „bleiben bestehen“ ist zunächst deskriptiv, lediglich beschreibend. Hinsichtlich der Erwähnung von § 26 TR DPG über die Versorgung handelt es sich eindeutig lediglich um eine Darstellung des Rechtszustandes, wie er bereits aus den TR DPG folgte. Stellt man allerdings beim Verweis im Austrittsschreiben auf § 17 TR DPG allein auf die Tarifregelung ab, kommt eine lediglich beschreibende Bedeutung des Austrittsschreibens insoweit nicht in Betracht. § 17 TR DPG galt gerade nicht für Ruheständler. Eine Auslegung der Erklärung im Austrittsschreiben als lediglich beschreibende Formulierung wäre jedoch denkbar, wenn damit lediglich der Hinweis auf eine anderweitig begründete Praxis verbunden gewesen sein sollte.

42

In diesem Zusammenhang kommt der streitigen Behauptung der Beklagten, schon die DPG sei bei der Berechnung des Steuerzuschlages so vorgegangen wie sie, möglicherweise Bedeutung zu. Für die Frage, ob tatsächlich ein Rechtsbindungswille der DPG vorlag, kann entscheidend sein, ob unabhängig von konkreten Zusagen an die ausscheidenden Arbeitnehmer eine aus anderen Gründen rechtsverbindliche Praxis bestand, auf die die DPG beschreibend Bezug nehmen konnte und möglicherweise Bezug genommen hat. Darauf könnte die Behauptung der Beklagten, soweit sie sich bestätigen sollte, hindeuten. Die damit im Zusammenhang stehenden Fragen hat das Landesarbeitsgericht nicht ausreichend aufgeklärt.

43

(2) Auch wenn man zu dem Ergebnis kommt, die DPG als Rechtsvorgängerin der Beklagten habe sich durch das Austrittsschreiben binden wollen, kommt es für die Frage, in welcher Weise sie sich hat binden wollen, möglicherweise auf eine bestehende Praxis bei der DPG an. Denkbar erscheint, dass die Anwendung des § 17 TR DPG lediglich entsprechend der tatsächlichen Praxis verpflichtend werden sollte. Auch insoweit kann die streitige Behauptung der Beklagten über die Praxis bei der DPG von Bedeutung sein.

44

(3) Neben der noch aufzuklärenden Praxis bei der DPG kommen allerdings noch weitere Aspekte bei der Auslegung in Betracht. Die Überlegungen des Landesarbeitsgerichts sind insoweit nicht zu beanstanden.

45

Entgegen der Ansicht der Beklagten ergibt sich die Richtigkeit ihrer Berechnungsmethode nicht bereits aus dem Begriff „Nettoberechnung“. Zwar stellt der Begriff „netto“ regelmäßig lediglich auf die Abzüge von Entgeltzahlungen ab(vgl. nur BAG 24. Juni 2003 - 9 AZR 302/02 - zu A II 2 c aa der Gründe, BAGE 106, 345; 1. Oktober 2002 - 9 AZR 298/01 - zu II 1 a bb der Gründe). Gölte dies auch hier, wäre in der Tat auf die von der Beklagten vorzunehmenden Abzüge abzustellen. Eine derartige Auslegung gilt jedoch nicht ausnahmslos. Nach den Umständen des Falles können Regelungen, die auf einen Nettobetrag Bezug nehmen, auch anders auszulegen sein (BAG 26. August 2009 - 5 AZR 616/08 - Rn. 17, USK 2009-71).

46

Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht als Argument für eine andere Auslegung hier darauf abgestellt, dass § 17 Nr. 6 TR DPG dazu dient, die steuerlichen Nachteile der Beihilfezahlung beim Arbeitgeber, im Falle des Klägers also bei der Beklagten als Versorgungsschuldnerin, zu belassen. Die DPG war daran interessiert, ihren Arbeitnehmern, die aus einem Beamtenverhältnis kamen, Vergünstigungen wie in einem Beamtenverhältnis zu gewähren. Damit musste sie die Steuerfreiheit der Beihilfeleistungen sicherstellen. Soweit deshalb § 17 TR DPG den Begriff „Nettoberechnung“ verwendet, bedeutet dies vor dem Hintergrund dieses Zweckes lediglich, dass steuerliche Effekte außerhalb des Rechtsverhältnisses zwischen der Arbeitgeberin, nunmehr Versorgungsschuldnerin, und dem Berechtigten unberücksichtigt zu lassen sind. Dabei geht es um die Auswirkungen weiterer Einnahmen, die die Progression weiter erhöhen. Sie spielen bei der Berechnung keine Rolle.

47

Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht für seine Auslegung auch berücksichtigt, dass der so zugrunde gelegte Zweck von § 17 TR DPG im Rahmen eines Versorgungsverhältnisses nur erreicht werden kann, wenn alle bei der Gesamtversorgung zu berücksichtigenden steuerpflichtigen Altersbezüge in die Berechnung des Steuerzuschlages einbezogen werden.

48

Entgegen der Ansicht der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht auch zu Recht angenommen, dass einer Auslegung einkommenssteuerrechtliche Gründe nicht entgegenstehen. Das Einkommenssteuerrecht regelt lediglich die Verpflichtung des Versorgungsschuldners, von den geleisteten Zahlungen zunächst Abzüge zu machen und an die Finanzverwaltung abzuführen(§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, §§ 38 ff. EStG). Diese steuerrechtlichen Verpflichtungen sind den arbeitsrechtlichen Verpflichtungen nachgelagert. Die steuerrechtlichen Verpflichtungen bestimmen nicht, was arbeitsrechtlich gilt. Das Begehren des Klägers richtet sich nicht dahin, dass die Beklagte ihre einkommenssteuerrechtlichen Verpflichtungen als Versorgungsschuldner nicht einhalten soll.

49

d) Sollte es sich bei den fraglichen Erklärungen um typische Erklärungen handeln, gilt Folgendes:

50

aa) In diesem Fall gelten für die Auslegung die für Allgemeine Geschäftsbedingungen entwickelten Grundsätze. Diese sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Dabei sind die den Vertragsschluss begleitenden Umstände gem. § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB nicht bei der Auslegung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, sondern bei der Prüfung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB zu berücksichtigen(BAG 7. Dezember 2005 - 5 AZR 535/04 - Rn. 22, BAGE 116, 267).

51

Von den den Vertragsschluss begleitenden Umständen sind jedoch die äußeren Umstände, die zum Vertragsschluss geführt haben, zu unterscheiden. Dabei geht es um Umstände, die für einen verständigen und redlichen Vertragspartner Anhaltspunkte für eine bestimmte Auslegung des Vertrages gegeben haben(vgl. BAG 6. September 2006 - 5 AZR 644/05 - Rn. 14). Da Allgemeine Geschäftsbedingungen einheitlich auszulegen sind, kommen insoweit jedoch nur allgemeine Umstände in Betracht, die auf einen verallgemeinerbaren Willen des Verwenders schließen lassen. Umstände, die den konkreten Vertragsabschluss im Einzelfall betreffen, sind nur zu berücksichtigen, wenn es darum geht, zu ermitteln, ob im konkreten Einzelfall die Beteiligten eine Erklärung übereinstimmend in demselben Sinne verstanden haben (vgl. dazu BAG 15. September 2009 - 3 AZR 173/08 - Rn. 27, EzA BGB 2002 § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 13).

52

Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders. Diese Unklarheitenregel folgt nunmehr aus § 305c BGB. Sie galt aber auch bereits vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes(vgl. BAG 12. Dezember 2006 - 3 AZR 388/05 - Rn. 17 ff., AP BetrAVG § 1 Zusatzversorgungskassen Nr. 67 = EzA BetrAVG § 1 Zusatzversorgung Nr. 18).

53

bb) Auch bei Anlegung dieser Grundsätze bedarf es der Aufklärung, inwieweit durch die Verwendung der Formulierung, wie sie im vorliegenden und weiteren Austrittsschreiben gebraucht wurde, bei allgemeiner Betrachtung nur eine beschreibende Aussage zu entnehmen ist oder, falls von einem Rechtsbindungswillen auszugehen ist, dieser lediglich eine bereits geübte Praxis verpflichtend in Bezug nahm. Auch insoweit gibt der streitige Vortrag der Beklagten Anlass zu weiteren Aufklärungen. Entscheidend ist dabei jedoch nicht auf das konkrete Verständnis, das der Kläger haben konnte, abzustellen. Maßgeblich ist vielmehr, wie die allgemein von der Abteilung Personal/Funktionäre gebrauchte Formulierung generell zu verstehen ist.

54

Im Übrigen gilt hinsichtlich der Interessenlage das bereits oben - II. 3. c) bb) (3) - Gesagte auch hier.

55

e) Soweit das Landesarbeitsgericht die Anwendung der Unklarheitenregel in Betracht zieht, wird es Folgendes zu beachten haben: Eine Unklarheit in diesem Sinne besteht nur, wenn nach Ausschöpfung aller Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel bleibt. Sie setzt voraus, dass die Auslegung einer einzelnen Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen erhebliche Zweifel an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Unklarheitenregel nicht (vgl. BAG 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 14, BAGE 124, 259).

        

    VRiBAG Dr. Reinecke
ist in den Ruhestand getreten
und deshalb verhindert,
die Unterschrift zu leisten
Zwanziger    

        

    Zwanziger    

        

    Schlewing    

        

        

        

    H. Kappus    

        

    H. Frehse    

                 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 5. Juni 2012 - 8 Sa 16/12 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten nach der Beendigung ihres Altersteilzeitarbeitsverhältnisses über die Höhe des dem Kläger im Austrittsjahr zu zahlenden Jahresbonus.

2

Der am 20. November 1950 geborene Kläger war langjährig bei der Beklagten, einem Unternehmen der chemischen Industrie, und deren Rechtsvorgängerinnen als sog. AT-Mitarbeiter beschäftigt.

3

Die Gesamtbetriebsparteien schlossen am 10. Januar 2001 eine „Vereinbarung über Altersteilzeit für außertarifliche Mitarbeiter und Leitende Angestellte“ (GBV ATZ), die für alle Altersteilzeitarbeitsverhältnisse, die nach dem 30. Juni 2000 begonnen haben, galt und auszugsweise wie folgt lautet:

        

§ 5   

        

Jährliche Einmalzahlungen

        

Die variablen Boni (Individueller Bonus, Konzernbonus und Bereichsbonus) werden in der Höhe von 60 % derjenigen Beträge gezahlt, die der Mitarbeiter ohne Eintritt in die Altersteilzeit erhalten hätte. Sie sind nicht in die Aufstockungszahlung einzubeziehen.

        

In der Freistellungsphase … wird der Individuelle Bonus mit dem in der Arbeitsphase im Durchschnitt erzielten Prozentsatz berechnet. Für die Berechnung des Konzern- und des Bereichsbonus sind die jeweiligen aktuellen Werte des Geschäftsjahres maßgebend, für das der Bonus gezahlt wird.“

4

Am 17. Dezember 2003 schloss der Kläger mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten einen von dieser vorformulierten Altersteilzeitarbeitsvertrag (ATZV), der ua. wie folgt lautet:

        

§ 1   

        

Beginn und Ende der Altersteilzeit

        

1.    

Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis wird unter Abänderung und Ergänzung des Arbeitsvertrages mit Wirkung vom 01.12.2008 als Altersteilzeitarbeitsverhältnis fortgeführt.

        

2.    

Die Altersteilzeit - und damit das Arbeitsverhältnis insgesamt - endet ohne Kündigung am 30.11.2010. Sie werden im unmittelbaren Anschluss hieran eine gesetzliche Altersrente oder eine ihr vergleichbare Leistung unter Inkaufnahme gegebenenfalls eintretender Abschläge in Anspruch nehmen.

        

…       

        
        

§ 3     

        

Arbeitszeit

        

…       

        

2.    

Lage und Verteilung der Arbeitszeit werden wie folgt festgelegt:

                 

In der ersten Hälfte, d. h. ab 01.12.2008 bis voraussichtlich zum 30.11.2009 = bisherige Arbeitszeit, d. h. grundsätzlich 37,5 Stunden/Woche.

                 

In der zweiten Hälfte, d. h. voraussichtlich ab 01.12.2009 bis zum 30.11.2010 = bezahlte Freistellung.

                 

…       

        

§ 4     

        

Vergütung

        

1.    

Für die Dauer der Altersteilzeitarbeit wird Ihr monatliches Grundentgelt (einschließlich eines etwaigen monatlichen Besitzstandes) auf 50 % desjenigen Betrages reduziert, den Sie ohne Eintritt in die Altersteilzeit erhalten hätten.

                 

In der Freistellungsphase wird das Leistungsentgelt mit dem in der Arbeitsphase im Durchschnitt erzielten Prozentsatz berechnet.

        

…       

        
        

3.    

Die variablen Boni (Individueller Bonus, Konzernbonus und Bereichsbonus) werden in Höhe von 60 % derjenigen Beträge gezahlt, die Ihnen ohne Eintritt in die Altersteilzeit zugestanden hätten. Auch sie sind nicht in die Aufstockungszahlung einzubeziehen.

                 

In der Freistellungsphase wird der Individuelle Bonus mit dem in der Arbeitsphase im Durchschnitt erzielten Prozentsatz berechnet. Für die Berechnung des Konzern- und des Bereichsbonus sind die jeweiligen aktuellen Werte des Geschäftsjahres maßgebend, für das der Bonus gezahlt wird.

        

…       

        
        

§ 11   

        

Vertragsänderungen und Rechtsgrundlagen

        

…       

        

5.    

Im Übrigen gelten die Bestimmungen des Arbeitsvertrages, die mit den Arbeitnehmervertretern vereinbarten betrieblichen Regelungen zur Altersteilzeit und die Bestimmungen des Tarifvertrages zur Förderung der Altersteilzeit in ihrer jeweils geltenden Fassung sowie das Altersteilzeitgesetz in der bei Beginn der Altersteilzeit geltenden Fassung.“

5

Ab dem Jahr 2005 war die Zahlung eines Jahresbonus, der aus einem Konzern- und einem Bereichsbonus besteht, in einer „Rahmenvereinbarung über ein Management Compensation System für außertarifliche und leitende Angestellte“ vom 6. April 2005 (KBV MCS) zwischen der Rechtsvorgängerin der Beklagten, dem Konzernbetriebsrat und dem Konzernsprecherausschuss geregelt. Diese KBV MCS trat rückwirkend zum 1. Januar 2005 in Kraft und lautet auszugsweise wie folgt:

        

§ 6   

        

Jahresbonus

        

Der Jahresbonus verknüpft die Führungskräftevergütung mit dem Erreichen von konzern- und geschäftsbezogenen Zielen. Er setzt sich aus einem Konzernbonus und einem geschäftsbezogenen Bonus zusammen. Der Konzernbonus reflektiert die konzernbezogene Ausrichtung des Unternehmens und unterstützt die Integration der Geschäftseinheiten. Der geschäftsbezogene Bonus knüpft an den Erfolg der eigenen unternehmerischen Einheit und den individuellen Erfolg und Wertbeitrag im eigenen Verantwortungsbereich an.

        

§ 6.1 

        

Anspruchsvoraussetzungen für den Jahresbonus

        

1.    

Anspruchsberechtigt sind Mitarbeiter, die während des gesamten Geschäftsjahres, für das die Leistung gezahlt wird, und bei Geschäftsjahresende, das heißt jeweils am 31.12., in einem Arbeitsverhältnis zu einem von dieser Vereinbarung erfassten Unternehmen stehen. Arbeitsunfähigkeitszeiten von bis zu drei Monaten lassen den Anspruch unberührt.

        

2.    

Bei über drei Monate hinausgehenden Arbeitsunfähigkeitszeiten, bei im Laufe des Geschäftsjahres ganz oder teilweise ruhenden Arbeitsverhältnissen, bei Versetzungen innerhalb des D-Konzerns sowie bei ruhestandsbedingten Austritten vor dem 31.12. des jeweiligen Geschäftsjahres wegen Inanspruchnahme einer Alters- oder Erwerbsminderungs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente sowie im Todesfall besteht für jeden vollen Kalendermonat, den der Mitarbeiter während des Geschäftsjahres tatsächlich und mit Anspruch auf Entgelt beschäftigt war, ein anteiliger Bonusanspruch nach dem Zwölftelungsprinzip.

        

…       

        
        

5.    

Im Jahr des Ein- und Austritts in den Konzern besteht, sofern der Ein- bzw. Austritt nicht auf einem der in Ziffer 2 genannten Gründe beruht, kein, auch kein zeitanteiliger Leistungsanspruch nach dieser Vereinbarung.

                 

Einzelfälle können bei Bedarf einzelvertraglich geregelt werden. In diesem Fall wird die Sonderregelung den Arbeitnehmervertretern auf Verlangen erläutert.

        

…       

        

§ 6.3 

        

Bonuszusammensetzung

        

1.    

Der Jahresbonus besteht aus dem Konzernbonus und dem geschäftsbezogenen Bonus.

                 

…       

        

§ 6.5 

        

Höhe der Bonusauszahlung

        

…       

        

3.    

Die Zielerreichungsgrade und die damit verbundene Bonushöhe der Konzern- und Bereichsziele werden vom Vorstand auf Grundlage der Jahresergebnisse … festgelegt.

        

4.    

…“    

6

Der Kläger erhielt während der Dauer seiner Vollzeitbeschäftigung vor Eintritt in die Altersteilzeit seine jährlichen Boni auf Basis der KBV MCS ausgezahlt.

7

Die Gesamtbetriebsparteien schlossen am 20. Dezember 2006 eine Änderungs- und Ergänzungsvereinbarung zur GBV ATZ, die allerdings deren § 5 inhaltlich unverändert ließ. Am 31. Mai 2010 trafen die Konzernbetriebsparteien eine am selben Tag in Kraft getretene Änderungsvereinbarung zur KBV MCS. Mit dieser wurde ua. § 6.5 KBV MCS um folgende Ziffer ergänzt:

        

„5.     

Bei ruhestandsbedingten Austritten sowie im Todesfall ist der anteilige Individualbonus für das Austrittsjahr auf Basis des bei 100 %iger Zielerreichung geltenden Wertes zu berechnen. Sonderregelungen im Rahmen von Altersteilzeitvereinbarungen (zum Beispiel Berechnung mit dem in der Arbeitsphase im Durchschnitt erzielten Prozentsatz) bleiben hiervon unberührt.

                 

Für die Berechnung des anteiligen Konzern- und des anteiligen Bereichsbonus sind die vom Vorstand (heute: Geschäftsführung der D GmbH) festgelegten Zielerreichungsgrade gemäß Absatz [wohl: Ziffer] 3 maßgebend. Liegt die Feststellung der Zielerreichung und der Höhe der Bonusauszahlung bei den Konzern- und Bereichszielen durch den Vorstand (heute: die Geschäftsführung der D GmbH) noch nicht vor, werden Konzern- und Bereichsbonus auf Basis der bei 100 %iger Zielerreichung geltenden Werte berechnet; dies gilt sowohl für das Austrittsjahr als auch ggfs. für das dem Austrittsjahr vorangegangene Geschäftsjahr.“

8

Wie vertraglich vereinbart, begann ab 1. Dezember 2008 die Altersteilzeit im Blockmodell. Im Anschluss an die einjährige Freistellungsphase bis zum 30. November 2010 trat der Kläger in den Ruhestand. Als Konzern- und Bereichsbonus für das Jahr 2010 zahlte die Beklagte dem Kläger in Anwendung von § 6.5 Ziff. 5 KBV MCS, dh. unter Berechnung auf Basis 100 %iger Zielerreichung, 13.662,00 Euro brutto.

9

Die tatsächlichen Zielerreichungsgrade für das Jahr 2010 wurden von der Geschäftsführung der Beklagten erst im Frühjahr 2011 für den Konzernbonus auf 150 % von 6 % des Jahresgrundgehalts und für den Bereichsbonus auf 143,8 % von 12 % des Jahresgrundgehalts festgelegt. Bei Zugrundelegung dieser Zielerreichungsgrade stünde dem Kläger ein Jahresbonus für das Jahr 2010 - bestehend aus Konzern- und Bereichsbonus - iHv. 19.928,00 Euro brutto zu. Dieser Betrag steht rechnerisch zwischen den Parteien nicht im Streit.

10

Der Kläger hat gemeint, die Beklagte habe ihm aufgrund der tatsächlich festgelegten Zielerreichungsgrade 19.928,00 Euro brutto zahlen müssen. § 4 Ziff. 3 ATZV enthalte eine konstitutive Regelung des Inhalts, dass immer die tatsächlichen Werte des Geschäftsjahres und damit auch die tatsächlichen Zielerreichungsgrade für die Bonusberechnung maßgeblich seien. Kollektivrechtliche Regelungen kämen nach § 11 Ziff. 5 ATZV nur „im Übrigen“ zur Anwendung. Das einschlägige kollektive Regelwerk sei ihm zudem unbekannt gewesen. Es sei Sache der Beklagten gewesen, den durch die Formulierung von § 4 Ziff. 3 ATZV verursachten Transparenzmangel durch eine klare Verweisung auf die jeweils geltenden Betriebs- und Konzernvereinbarungen zu beheben.

11

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.266,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17. August 2011 zu zahlen.

12

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, sie habe den Bonusanspruch des Klägers für das Jahr 2010 vollumfänglich erfüllt. § 4 Ziff. 3 ATZV besitze ersichtlich rein deklaratorischen Charakter. Maßgeblich für die Bonusberechnung sei allein die KBV MCS.

13

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsanspruch weiter.

Entscheidungsgründe

14

Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte den Bonusanspruch für das Jahr 2010 erfüllt hat. Der Kläger hat keinen Anspruch, entgegen § 6.5 Ziff. 5 KBV MCS einen Bonus auf der Grundlage der von der Geschäftsführung erst nach dem Ausscheiden des Klägers festgelegten Zielerreichungsgrade zu erhalten.

15

I. Ein solcher Anspruch folgt nicht aus § 5 GBV ATZ. Durch § 5 Abs. 2 Satz 2 GBV ATZ soll nur klargestellt werden, dass für die Berechnung des Konzern- und Bereichsbonus - anders als für den „Individuellen Bonus“ - nicht auf die Arbeitsphase abgestellt wird.

16

1. Die Auslegung von Betriebsvereinbarungen richtet sich wegen ihres normativen Charakters nach den Grundsätzen der Gesetzesauslegung. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmungen und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei unbestimmtem Wortsinn ist der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (BAG 5. März 2013 - 1 AZR 417/12 - Rn. 14 mwN; 27. Juli 2010 - 1 AZR 874/08 - Rn. 31 mwN). Die Vorschriften der §§ 305 ff. BGB über Allgemeine Geschäftsbedingungen und damit auch die Zweifelsfall-Regelung des § 305c Abs. 2 BGB finden auf Betriebsvereinbarungen keine Anwendung(§ 310 Abs. 4 Satz 1 BGB).

17

2. Dem Kläger ist zuzugestehen, dass der Wortlaut des § 5 Abs. 2 Satz 2 GBV ATZ bei isolierter Betrachtung nicht eindeutig ist. Vom Wortlaut würde auch ein Verständnis gedeckt, wonach es nicht zulässig wäre, die Berechnung des Konzern- und Bereichsbonus anhand einer festen Prozentzahl anstelle der tatsächlichen Geschäftsentwicklung zu berechnen. Ein solches Verständnis ist jedoch mit den vorangehenden Regelungen nicht zu vereinbaren. Nach § 5 Abs. 1 GBV ATZ sind alle variablen Boni iHv. 60 % derjenigen Beträge zu zahlen, die der Mitarbeiter ohne Eintritt in die Altersteilzeit erhalten hätte. Sie sind nicht in die Aufstockungszahlung einzubeziehen. Soll der Arbeitnehmer in Altersteilzeit jedoch einen solchen „Hätte-Bonus“ erhalten, so ist für die Altersteilzeit im Blockmodell zu klären, anhand welcher Maßstäbe der Bonus für die Zeiten der Freistellung zu berechnen ist. § 5 Abs. 2 Satz 1 beantwortet diese Frage für den „Individuellen Bonus“ dahin gehend, dass er mit dem in der Arbeitsphase im Durchschnitt erzielten Prozentsatz berechnet wird. Damit bedurfte noch die Frage der Klärung, ob die Arbeitsphase auch für die Berechnung des Konzern- und Bereichsbonus als Referenzzeitraum herangezogen werden soll. Hierfür würde sprechen, dass der Arbeitnehmer in der Freistellungsphase durch seine Arbeitskraft weder unmittelbar noch mittelbar auf das Geschäftsergebnis Einfluss nehmen kann. § 5 Abs. 2 Satz 2 GBV ATZ stellt jedoch klar, dass dennoch für die Berechnung des Konzern- und Bereichsbonus nicht auf die Arbeitsphase zurückgegriffen werden soll. In dieser Klarstellung gegenüber der vorangegangenen Bestimmung erschöpft sich der Regelungsgegenstand der Vorschrift. Über die konkrete Berechnung des Bonus enthält § 5 Abs. 2 Satz 2 GBV ATZ ebenso wenig wie Satz 1 eine eigene Regelung. Die Bestimmungen zur Berechnung des Bonus finden sich vielmehr in der KBV MCS.

18

Für dieses enge Verständnis des § 5 Abs. 2 Satz 2 GBV ATZ streitet auch, dass ansonsten eine Regelung fehlen würde, wie der Konzern- und Bereichsbonus im Falle des unterjährigen Ausscheidens während der Freistellungsphase berechnet werden soll. So existiert keine Definition, welche im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aktuellen Werte herangezogen werden sollen. Im Übrigen bedarf es nach § 6.5 Ziff. 3 der KBV MCS zur Bestimmung der Höhe der Bonusauszahlung zunächst einer Festlegung der Zielerreichungsgrade durch den Vorstand bzw. die Geschäftsführung. Dies erfolgt nach der KBV MCS auf der Grundlage der Jahresergebnisse und nicht aufgrund irgendwelcher aktueller Geschäftszahlen im Zeitpunkt des individuellen Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis. Vor dem Hintergrund dieses Auslegungsergebnisses bedarf es im Übrigen keiner Erörterung, ob die Festlegung der Höhe der Bonusauszahlung von vornherein allein in die Zuständigkeit des Konzernsprecherausschusses bzw. des Konzernbetriebsrats fiel (vgl. § 18 Abs. 1, § 23 Abs. 1 SprAuG bzw. § 50 Abs. 1, § 58 Abs. 1 BetrVG).

19

II. Ein Anspruch auf Berechnung des Konzern- und Bereichsbonus für das Jahr 2010 auf der Grundlage der von der Geschäftsführung der Beklagten im Frühjahr 2011 festgelegten Zielerreichungsgrade ergibt sich auch nicht aus § 4 Ziff. 3 ATZV. Diese Regelung gibt nur wieder, was aufgrund von § 5 GBV ATZ für das Arbeitsverhältnis der Parteien ohnehin gilt(§ 77 Abs. 4 BetrVG, § 28 Abs. 2 SprAuG). § 4 Ziff. 3 ATZV stellt nur einen Hinweis auf die Gesamtbetriebs- und Gesamtsprecherausschussvereinbarung zur Altersteilzeit dar, dem kein abweichender rechtsgeschäftlicher Regelungsgehalt zukommt.

20

1. Bei den Regelungen des § 4 ATZV handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nochmals klargestellt, dass hierüber kein Streit besteht. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (st. Rspr., vgl. BAG 5. März 2013 - 1 AZR 417/12 - Rn. 59 mwN; 18. Mai 2010 - 3 AZR 373/08 - Rn. 50 mwN, BAGE 134, 269). Diese Grundsätze sind auch für die Frage anzuwenden, ob der Verwender nur eine beschreibende Aussage gemacht oder eine Willenserklärung mit Rechtsbindungswillen abgegeben hat (vgl. BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 373/08 - Rn. 53, aaO; vgl. auch MüKoBGB/Busche 6. Aufl. § 133 Rn. 50; Palandt/Ellenberger 73. Aufl. § 133 BGB Rn. 9).

21

2. Unabhängig von der Frage, ob es sich um einen bloßen Hinweis auf die Geltung der Regelung des § 5 GBV ATZ oder um eine konstitutive Bezugnahme des § 5 GBV ATZ handelt, ergibt sich bereits aus der fast wortgleichen Übernahme der kollektiven Regelung, dass ihr inhaltlich keine andere Bedeutung zukommen sollte. Ein durchschnittlicher Arbeitnehmer, dem eine Vertragsklausel vorgelegt wird, die den Inhalt einer Betriebsvereinbarung oder einer Vereinbarung des Sprecherausschusses weitgehend wortgleich wiederholt, muss grundsätzlich davon ausgehen, dass der Klausel dieselbe Bedeutung zukommen soll, wie sie die kollektive Regelung hat. Dabei kommt es auf die individuelle Kenntnis einzelner Arbeitnehmer vom Wortlaut der Kollektivvereinbarung nicht an. Da der Arbeitgeber nach § 77 Abs. 2 Satz 3 BetrVG Betriebsvereinbarungen an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen hat, ist davon auszugehen, dass der durchschnittliche Arbeitnehmer die einschlägigen Betriebsvereinbarungen zur Kenntnis nimmt, bevor er einen Änderungsvertrag schließt. Das gilt jedenfalls dann, wenn - wie vorliegend - in dem Vertrag ausdrücklich auf die einschlägigen betrieblichen Regelungen Bezug genommen wird.

22

Aus der Bezugnahme in § 11 Ziff. 5 ATZV folgt entgegen der Ansicht der Klägers nicht, dass § 5 Abs. 2 GBV ATZ keine Anwendung finden soll. Nach dieser Bestimmung gelten „im Übrigen“ ua. die „mit den Arbeitnehmervertretern vereinbarten betrieblichen Regelungen zur Altersteilzeit“. Der Formulierung „im Übrigen“ kommt nicht die Bedeutung zu, dass die anderen Regelungen des ATZV zwingend inhaltlich von den in § 11 Ziff. 5 ATZV genannten Bestimmungen abweichen. § 11 Ziff. 5 ATZV bringt nur den Willen der Vertragsparteien zum Ausdruck, dass überall dort, wo der ATZV keine ausdrückliche Regelung enthält, der ATZV iVm. den aufgeführten sonstigen Regelungen zur Altersteilzeit gelten sollen. Die damit bezweckte Lückenfüllung schließt es nicht aus, dass auch dort, wo der ATZV eine Regelung enthält, in der Sache das gelten soll, was in einer der in § 11 Ziff. 5 ATZV genannten Kollektivvereinbarungen geregelt ist. Für dieses Verständnis streitet im vorliegenden Fall auch die Überschrift des § 11 ATZV „Vertragsänderungen und Rechtsgrundlagen“. Mit § 11 Ziff. 5 sollte danach zum Ausdruck gebracht werden, welche sonstigen Bestimmungen Rechtsgrundlagen für das Altersteilzeitarbeitsverhältnis sind. Es handelt sich nicht um eine Regelung, durch die die Geltung bestimmter Regelungen für das Altersteilzeitarbeitsverhältnis ausgeschlossen werden sollte. Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob die von der Beklagten bzw. der Rechtsvorgängerin vorgegebenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen hinsichtlich der Berechnung der Boni ohnehin betriebsvereinbarungsoffen gestaltet waren (vgl. zu dieser Möglichkeit: BAG 5. März 2013 - 1 AZR 417/12 - Rn. 60).

23

III. Aufgrund einer etwaigen Unwirksamkeit der Änderungsvereinbarung zur KBV MCS vom 31. Mai 2010 kann der Klage nicht stattgegeben werden. Ohne revisiblen Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht das Prozessvorbringen des Klägers dahin gehend ausgelegt, dass der Kläger den „Lebenssachverhalt ‚kollektivrechtlicher Anspruch aus der KBV MCS in ihrer bis zum 30.05.2010 geltenden Fassung wegen Unwirksamkeit der Änderungsvereinbarung vom 31.05.2010‘ nicht“ zum Gegenstand des Rechtsstreits gemacht hat.

24

IV. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

        

        

    Spiekermann    

        

    Leitner    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 21. März 2014 - 10 Sa 44/14 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 27. November 2013 - 2 Ca 2787/13 - abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das beklagte Land verpflichtet ist, an die Klägerin ab dem 30. August 2013 bis zum In-Kraft-Treten der neuen Entgeltordnung Vergütung nach der Entgeltgruppe 11 TV-L zu zahlen und die Differenzbeträge zur Entgeltgruppe 10 TV-L mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. Oktober 2013 zu verzinsen.

3. Das beklagte Land hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Eingruppierung der Klägerin als Lehrerin für herkunftssprachlichen Unterricht.

2

Die 1971 in der Türkei geborene Klägerin zog 1992 nach Deutschland. Sie besitzt die Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Grund-, Haupt- und Realschulen und den entsprechenden Jahrgangsstufen der Gesamtschulen in den Fächern „Deutsch“ und „Sozialwissenschaften“. Nach einer Unterbrechung aufgrund von Elternzeit, die vom 1. Februar 2005 bis zum 16. August 2009 dauerte, schloss sie den Vorbereitungsdienst im März 2012 mit der Zweiten Staatsprüfung für das Lehramt an Grund-, Haupt- und Realschulen und den entsprechenden Jahrgangsstufen der Gesamtschulen ab. Mit Bescheid vom 11. Oktober 2013 erkannte die Bezirksregierung D ein vierjähriges Studium der „Internationalen Beziehungen“ der Klägerin in der Türkei, das ua. das Studium der türkischen Sprache eingeschlossen hatte, als Lehrbefähigung in dem Unterrichtsfach „Türkisch“ als weiteres Fach (Erweiterung) zu der bereits erworbenen Lehramtsbefähigung an.

3

Die Klägerin bewarb sich 2013 erfolgreich auf eine vom Schulamt für die Stadt M ausgeschriebene Stelle für den herkunftssprachlichen Unterricht in türkischer Sprache. Die nach der Stellenausschreibung bei Vorlage der entsprechenden Voraussetzungen vorgesehene Verbeamtung lehnte das beklagte Land ab, weil die Klägerin bereits die Höchsteinstellungsgrenze von 40 Jahren überschritten hatte. Über die Klage der Klägerin auf Verbeamtung ist von den Verwaltungsgerichten noch nicht rechtskräftig entschieden. Die vom zuständigen Sachbearbeiter des Schulamts angeregte Eingruppierung der Klägerin in die Entgeltgruppe 11 TV-L unter Zuweisung der Tätigkeit im herkunftssprachlichen Unterricht und mindestens sechs Wochenstunden in einem anderen, ausbildungskonformen wissenschaftlichen Fach, wie es bei einer Verbeamtung der Klägerin der Fall gewesen wäre, lehnte die Bezirksregierung ab, weil ein solcher „Vertragsmix“ nicht statthaft sei.

4

Am 12. August 2013 schlossen die Parteien einen Arbeitsvertrag, nach dessen § 1 die Klägerin ab 30. August 2013 auf unbestimmte Zeit als vollzeitbeschäftigte Lehrkraft für den herkunftssprachlichen Unterricht in türkischer Sprache eingestellt ist. In § 4 des Arbeitsvertrags heißt es:

        

„Das Entgelt der Lehrkraft erfolgt vorbehaltlich einer von den Tarifvertragsparteien des TV-L noch zu vereinbarenden Entgeltordnung nach der Entgeltgruppe 10 TV-L, die sich auf der Grundlage der Nr. 1.15 in Verbindung mit Nr. 8.5 des Runderlasses des Kultusministeriums NRW vom 20. November 1981 (BASS 21-21 Nr. 53) in der jeweils gültigen Fassung ergibt. Anpassungen der Eingruppierung/Einreihung aufgrund des In-Kraft-Tretens der neuen Entgeltordnung können auch entgeltgruppenübergreifend erfolgen. Bis zum In-Kraft-Treten der neuen Entgeltordnung ist die in Satz 1 vereinbarte Eingruppierung vorläufig und begründet keinen Vertrauensschutz und keinen Besitzstand.“

5

Gemäß § 6 des Vertrags ist die Klägerin der Schulaufsicht Grundschulen in M zugewiesen und hat gemäß § 7 des Vertrags 28 Pflichtstunden zu leisten.

6

Die Eingruppierung der im Tarifbeschäftigungsverhältnis beim beklagten Land tätigen Lehrer ist in zwei Erlassen geregelt. Der Runderlass des Kultusministeriums des beklagten Landes über die Eingruppierung der im Tarifbeschäftigungsverhältnis beschäftigten Lehrerinnen und Lehrer an allgemeinbildenden Schulen und Berufskollegs mit den fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen zur Übernahme in das Beamtenverhältnis (künftig Erfüller-Erlass) vom 16. November 1981 (GABl. NW. 1982 S. 5) sieht in der Fassung des Runderlasses vom 19. April 2013 (ABl. NRW. S. 236) für Lehrkräfte an Grundschulen folgende Eingruppierungsregelung vor:

        

„…    

        

EntgeltGr.

                          

des TV-L

        

1.1     

Lehrkräfte

        
                 

mit der Befähigung für das Lehramt an der Grundschule und Hauptschule, der Primarstufe oder an Grund-, Haupt- und Realschulen und den entsprechenden Jahrgangsstufen der Gesamtschulen

11    

        

…“    

                 
7

Der Runderlass des Kultusministeriums des beklagten Landes über die Eingruppierung der im Tarifbeschäftigungsverhältnis beschäftigten Lehrerinnen und Lehrer an allgemeinbildenden Schulen und Berufskollegs ohne die fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen zur Übernahme in das Beamtenverhältnis (künftig Nichterfüller-Erlass) vom 20. November 1981 (GABl. NW. 1982 S. 7) regelt in der Fassung des Runderlasses vom 19. April 2013 (ABl. NRW. S. 236) die Eingruppierung der Lehrer an Grundschulen oder Hauptschulen wie folgt:

        

„…    

        

TV-L- 

                          

EntgeltGr.

                                   
        

1.1     

Lehrer in der Tätigkeit von Lehrern der Primarstufe oder der Sekundarstufe I mit abgeschlossenem Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule

        
                 

(Staatsprüfung für ein Lehramt), die damit aufgrund ihres Studiums die Fähigkeit zum Unterrichten in mindestens zwei Fächern haben und die überwiegend Unterricht in mindestens einem ihrem Studium entsprechenden Fach erteilen

11    

        

…       

                 
        

1.15   

Lehrer ausländischer Herkunft

        
                 

mit abgeschlossener Ausbildung an einer wissenschaftlichen Hochschule und voller Lehrbefähigung ihres Heimatlandes sowie zusätzlich mindestens Erster Staatsprüfung für ein Lehramt nach nordrhein-westfälischem Recht, die Schülerinnen und Schülern Unterricht in der Herkunftssprache erteilen

11    

        

1.16   

Lehrer ausländischer Herkunft

        
                 

mit abgeschlossener Ausbildung an einer wissenschaftlichen Hochschule und voller Lehrbefähigung ihres Heimatlandes, die Schülerinnen und Schülern Unterricht in der Herkunftssprache erteilen

10    

        

1.17   

Lehrer ausländischer Herkunft

        
                 

ohne Ausbildung nach einer der Fallgruppen 1.15 oder 1.16 mit sonstiger Lehrerausbildung und voller Lehrbefähigung ihres Heimatlandes, die Schülerinnen und Schülern Unterricht in der Herkunftssprache erteilen

9       

        

…“    

                 
8

Unter 8. Gemeinsame Bestimmungen heißt es in diesem Erlass:

        

„…    

        
        

8.5     

Werden die einer Tätigkeit zugeordneten Ausbildungskriterien einer Fallgruppe (Vor- oder Ausbildung, sonstige fachliche Voraussetzungen) im Einzelfalle nicht nachgewiesen und wird der Tarifbeschäftigte von einer anderen Fallgruppe seiner Lehrergruppe (z.B. Religionslehrer, Kunsterzieher, Musikerzieher) nicht erfasst, erfolgt die Eingruppierung in die nächstniedrigere Entgeltgruppe seiner Lehrergruppe.

        

8.6     

Sollen Lehrer in Funktionen verwendet werden, für die dieser Runderlass kein Eingruppierungsmerkmal vorsieht, ist bezüglich der Eingruppierung die Entscheidung des Ministeriums für Schule und Weiterbildung einzuholen.“

9

Die Klägerin hat die Lehrbefähigung der Türkei nicht nachgewiesen, verfügt ausweislich ihrer Bewerbung aber über eine Sprachqualifikation der Stufe C 1.

10

Der Unterricht in der Herkunftssprache ist gemäß Ziff. 5 des Runderlasses des Ministeriums für Schule und Weiterbildung des beklagten Landes über den Unterricht für Schülerinnen und Schüler mit Zuwanderungsgeschichte, insbesondere im Bereich der Sprachen (künftig HSU-Erlass) vom 21. Dezember 2009 (ABl. NRW. 2010 S. 93) idF des Runderlasses vom 8. Juni 2011 (ABl. NRW. S. 373) ein zusätzliches Angebot für die am meisten in Nordrhein-Westfalen gesprochenen Herkunftssprachen. Es ergänzt mit in der Regel fünf Wochenstunden den Unterricht in den Regelklassen und Vorbereitungsklassen der Primarstufe und soll auf der Grundlage des gültigen Lehrplans die herkunftssprachlichen Fähigkeiten in Wort und Schrift erhalten, erweitern und wichtige interkulturelle Kompetenzen vermitteln. Über die Teilnahme am herkunftssprachlichen Unterricht wird eine Bescheinigung ausgestellt. Die Leistungsbewertung wird im Zeugnis vermerkt. Erst in der Sekundarstufe I, in der der Unterricht in der Herkunftssprache gemäß der Vorbemerkung des HSU-Erlasses anstelle einer zweiten oder dritten Pflichtfremdsprache angeboten werden kann, erfolgt eine Sprachprüfung, die gemäß Ziff. 6.3 des HSU-Erlasses bei einer mindestens guten Leistung eine mangelhafte Leistung in einer Fremdsprache ausgleichen kann.

11

Zur Auswahl der im herkunftssprachlichen Unterricht eingesetzten Lehrkräfte bestimmt der HSU-Erlass:

        

„…    

        
        

7. Lehrkräfte

        

7.1     

Den herkunftssprachlichen Unterricht … erteilen grundsätzlich Lehrkräfte, die die entsprechende Befähigung für ein Lehramt nach deutschem Recht in dem Fach des herkunftssprachlichen Unterrichts besitzen.

        

7.2     

Es können auch Lehrkräfte mit einer Befähigung für ein Lehramt nach deutschem Recht herkunftssprachlichen Unterricht erteilen, die statt der Lehrbefähigung für das ausgeschriebene Fach des herkunftssprachlichen Unterrichts die geforderte Sprachqualifikation gemäß der Kompetenzstufe C 1 nach dem Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen „Lernen, lehren, beurteilen“ des Europarates … nachweisen … Die Lehrkräfte werden entsprechend ihrer Lehramtsbefähigung im regulären Unterricht und im herkunftssprachlichen Unterricht eingesetzt.

        

7.3     

Sofern keine Lehrkräfte nach Nr. 7.1 und 7.2 zur Verfügung stehen, können ausnahmsweise auch Lehrerinnen und Lehrer zugelassen werden, die

                 

a)    

über eine ausländische Lehramtsprüfung für das Fach des herkunftssprachlichen Unterrichts verfügen oder

                 

b)    

über einen deutschen oder ausländischen Hochschulabschluss im Fach des herkunftssprachlichen Unterrichts verfügen,

                 

c)    

über eine ausländische Lehramtsprüfung verfügen oder einen ausländischen Hochschulabschluss eines Landes der Herkunftssprache in einem anerkannten Lehrfach nachweisen. …“

12

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, sie habe Anspruch auf eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 11 TV-L. Dies ergebe sich aus Ziff. 1.1 des Erfüller-Erlasses. Bei Erfüllern wie ihr sei belanglos, welche Tätigkeit sie verrichteten. Jedenfalls erfülle sie die Voraussetzungen nach Ziff. 1.15 des Nichterfüller-Erlasses. Den erforderlichen Nachweis der vollen Lehrbefähigung ihres Heimatlandes habe sie mit dem Bescheid der Bezirksregierung D geführt. Schließlich verletze das beklagte Land den Grundsatz der Gleichbehandlung, wenn es der Klägerin eine geringere Vergütung zahle als Lehrkräften, die die Voraussetzungen der Ziff. 1.15 des Nichterfüller-Erlasses erfüllten, obwohl sie höherqualifiziert sei.

13

Die Klägerin hat beantragt

        

festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, an sie ab dem 30. August 2013 Vergütung nach der Entgeltgruppe 11 TV-L zu zahlen, wobei die Differenzbeträge zur Entgeltgruppe 10 TV-L mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verzinsen sind.

14

Das beklagte Land hat zur Begründung seines Antrags auf Klageabweisung angeführt, die Qualifikation der Klägerin in Verbindung mit der von ihr vertraglich geschuldeten Tätigkeit sei in den einschlägigen Erlassen nicht abgebildet. Die Lehramtsbefähigung nach dem Recht des beklagten Landes sei als eingruppierungsrelevante Qualifikation im Nichterfüller-Erlass nicht vorgesehen, weil sie an sich Zugang zur Eingruppierung nach dem Erfüller-Erlass eröffne. Auf diese Qualifikation komme es bei der von der Klägerin vertraglich geschuldeten Tätigkeit aber nicht an, so dass bei ihr die Voraussetzungen der Ziff. 1.1 des Erfüller-Erlasses nicht vorlägen. Auch ein Anspruch nach Ziff. 1.15 des Nichterfüller-Erlasses bestehe nicht. Der Bescheid der Bezirksregierung D stelle keinen ausreichenden Nachweis der Lehrbefähigung nach türkischem Recht dar. Er untermauere lediglich die Entscheidung des beklagten Landes, die Klägerin nach Ziff. 7.1 bzw. Ziff. 7.2 des HSU-Erlasses bei der Einstellung zu berücksichtigen. Die Klägerin sei damit überqualifiziert, was nach den einschlägigen Erlassen aber nicht zu einer höheren Vergütung führe. Auch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes liege nicht vor. Die Unterschiede der von Ziff. 1.1 des Erfüller-Erlasses und Ziff. 1.15 des Nichterfüller-Erlasses erfassten Tätigkeiten rechtfertigten eine unterschiedliche Vergütung.

15

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

16

Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts und in Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts zu der mit der Klage beantragten Feststellung.

17

A. Die Klage ist zulässig.

18

I. Der Antrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Zwar ist darin nur die Entgeltgruppe, nicht aber die Stufe bezeichnet, der die Klägerin ihrer Auffassung nach darin zuzuordnen ist. Die Stufe kann bei Obsiegen der Klägerin jedoch ohne weiteres anhand der tariflichen Vorgaben des § 17 Abs. 4 TV-L ermittelt werden(vgl. BAG 20. Juni 2012 - 4 AZR 304/10 - Rn. 14). Aus demselben Grund ist auch der Zinsantrag hinreichend bestimmt.

19

II. Die Klage ist als Eingruppierungsfeststellungsklage zulässig (st. Rspr., zuletzt BAG 16. April 2015 - 6 AZR 352/14 - Rn. 22 mwN). Dem steht die nach wie vor in der Verwaltungsgerichtsbarkeit rechtshängige Klage, mit der die Klägerin ihre Verbeamtung begehrt, nicht entgegen. Der vorliegende Rechtsstreit ist für die Höhe des Entgelts der Klägerin bis zu ihrer etwaigen Ernennung zur Beamtin maßgeblich. Ihre rückwirkende Ernennung zur Beamtin ist nicht möglich (vgl. BVerwG 25. Februar 2010 - 2 C 22.09 - Rn. 19, BVerwGE 136, 140). Dies begründet das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Zugleich folgt daraus, dass die Klage vor den Verwaltungsgerichten für den vorliegenden Rechtsstreit nicht vorgreiflich ist und auch keine doppelte Rechtshängigkeit iSv. § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO besteht.

20

B. Die Klage ist begründet. Die Klägerin ist seit dem 30. August 2013 in die Entgeltgruppe 11 TV-L eingruppiert. Das ergibt sich bereits aus einer ergänzenden Auslegung der lückenhaften Entgeltregelung in § 4 des Arbeitsvertrags vom 12. August 2013. Darüber hinaus hat die Klägerin aufgrund einer Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Arbeitsrecht Anspruch auf die begehrte Eingruppierung.

21

I. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin ungeachtet von der in § 4 des Arbeitsvertrags getroffenen Vereinbarung der Parteien die Feststellung ihrer Eingruppierung in die Entgeltgruppe 11 TV-L unabhängig von den Festlegungen einer künftigen Entgeltordnung begehrt, bestehen nicht. Der Antrag ist daher dahin zu verstehen, dass die begehrte Eingruppierung nicht mehr Bestand haben soll, wenn in einer Entgeltordnung eine abweichende Eingruppierung vereinbart wird.

22

II. Die Bezugnahme in § 4 des Arbeitsvertrags vom 12. August 2013 auf Ziff. 1.15 iVm. Ziff. 8.5 des Nichterfüller-Erlasses ist lückenhaft. Die Kombination aus Tätigkeit und der bei der Einstellung verlangten Qualifikation der Klägerin wird von den Tatbestandsmerkmalen dieses Erlasses nicht erfasst. Die Verweisung im Arbeitsvertrag geht insoweit ins Leere. Die Klägerin erfüllt auch die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Eingruppierung nach Ziff. 1.1 des Erfüller-Erlasses nicht. Eine Eingruppierung der Klägerin in die Entgeltgruppe 10 TV-L schließt die bestehende Regelungslücke nicht interessengerecht. Dazu ist die Vereinbarung einer Eingruppierung in die Entgeltgruppe 11 TV-L erforderlich.

23

1. Die Bezugnahmeklausel in § 4 des Arbeitsvertrags der Parteien ist eine Allgemeine Geschäftsbedingung. Dafür begründet das äußere Erscheinungsbild des Vertrags eine tatsächliche Vermutung (st. Rspr., zuletzt BAG 12. Februar 2015 - 6 AZR 831/13 - Rn. 17). Auch wenn die Entgeltregelung auf einer gemäß Ziff. 8.6 des Nichterfüller-Erlasses eingeholten Genehmigung des zuständigen Ministeriums beruhen sollte, wäre § 4 des Arbeitsvertrags als Einmalbedingung iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB eine Allgemeine Geschäftsbedingung, die vom Senat als typische Erklärung selbst ausgelegt werden kann.

24

2. Die Parteien haben in § 4 des Arbeitsvertrags die Entgeltgruppe 10 TV-L nicht konstitutiv und abschließend als das vertraglich geschuldete Entgelt festgelegt, sondern die für die Lehrereingruppierung des beklagten Landes maßgeblichen Erlasse insgesamt als Entgeltgrundlage vereinbart. Das ergibt die Auslegung der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel.

25

a) Der Inhalt von Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist nach einem objektiv-generalisierenden Maßstab zu ermitteln. Sie sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden. Dabei sind die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen (st. Rspr., zuletzt BAG 16. April 2015 - 6 AZR 352/14 - Rn. 25).

26

b) Die Entgeltvereinbarung in § 4 des Arbeitsvertrags der Parteien vom 12. August 2013 beschränkt sich nicht auf die bloße Festlegung einer Eingruppierung in die Entgeltgruppe 10 TV-L.

27

aa) Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der vorformulierten Erklärung. Der Zusatz „die sich auf der Grundlage der Nr. 1.15 in Verbindung mit Nr. 8.5 des Nichterfüller-Erlasses ergibt“ macht deutlich, dass das der Klägerin geschuldete Entgelt nicht individuell und abschließend festgelegt werden sollte, sondern dass sich die Eingruppierung aus diesem für angestellte Lehrer des beklagten Landes geltenden Erlass ergeben sollte. Dafür sollten nach Einschätzung des beklagten Landes als Verwender die in § 4 des Arbeitsvertrags genannten Bestimmungen maßgeblich sein.

28

bb) Diese Auslegung entspricht dem Verständnis verständiger und redlicher Vertragspartner unter Berücksichtigung des mit einer Bezugnahmeklausel wie der in § 4 des Arbeitsvertrags der Parteien typischerweise verfolgten Zwecks. Die Regelungen zur Lehrereingruppierung sollen eine einheitliche Bezahlung der angestellten Lehrkräfte des jeweiligen Hoheitsträgers gewährleisten, um so die von einem öffentlichen Arbeitgeber als Hoheitsträger in besonderer Weise sicherzustellende Gleichbehandlung unter Einhaltung eines bestimmten Gerechtigkeitsstandards zu wahren (BAG 5. Juli 2006 - 4 AZR 555/05 - Rn. 33). Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn die nicht normativ geltenden Eingruppierungsregelungen des jeweiligen Hoheitsträgers arbeitsvertraglich in Bezug genommen werden. Der verständige durchschnittliche Lehrer als Vertragspartner kann eine Klausel wie die in § 4 des Arbeitsvertrags der Parteien vom beklagten Land gestellte vor diesem Hintergrund nur so verstehen, dass dem darin genannten Erlass umfassend Geltung verschafft werden soll und der Erlass insgesamt angewendet werden soll(vgl. BAG 16. Februar 2012 - 6 AZR 573/10 - Rn. 29, BAGE 141, 16 für das kirchliche Arbeitsrecht).

29

cc) Aus der Rechtsprechung des Vierten Senats des Bundesarbeitsgerichts zur konstitutiven Bedeutung der Nennung einer Entgeltgruppe im Arbeitsvertrag bei fehlender oder lückenhafter Regelung der vertraglich geschuldeten Tätigkeit in dem in Bezug genommenen Regelwerk (BAG 21. August 2013 - 4 AZR 656/11 - Rn. 15 f., 22, BAGE 146, 29) folgt nichts anderes. In § 4 des Arbeitsvertrags der Parteien ist nicht allein die Entgeltgruppe genannt. Darin wird vielmehr konkret auf Bestimmungen des Nichterfüller-Erlasses verwiesen. Dies konnte, wie ausgeführt, von einem verständigen und redlichen Vertragspartner des beklagten Landes nur so verstanden werden, dass für die Eingruppierung nicht (allein) die genannte Entgeltgruppe, sondern das in Bezug genommene Regelwerk als solches maßgeblich sein sollte. Hätte das beklagte Land mit § 4 des Arbeitsvertrags eine konstitutive Entgeltregelung treffen wollen, hätte es dies deutlich machen müssen(vgl. BAG 21. August 2013 - 4 AZR 656/11 - Rn. 22, aaO). Dies ist nicht geschehen. Tatsächlich haben beide Parteien die von ihnen getroffene Entgeltvereinbarung als deklaratorisch verstanden. Sie haben während des gesamten Prozesses lediglich unterschiedliche Auffassungen dazu vertreten, ob auf die Klägerin die Merkmale von Ziff. 1.1 des Erfüller-Erlasses bzw. Ziff. 1.15 iVm. Ziff. 8.5 des Nichterfüller-Erlasses zutreffen (vgl. BAG 21. Juli 1993 - 4 AZR 489/92 - zu B I 1 b der Gründe). Dementsprechend macht das beklagte Land nicht geltend, die Klage sei bereits aufgrund einer konstitutiven Vereinbarung der Entgeltgruppe 10 TV-L abzuweisen. Auch das Landesarbeitsgericht hat § 4 des Arbeitsvertrags in vorstehendem Sinn interpretiert und die Eingruppierung der Klägerin anhand der Merkmale des Erfüller- und des Nichterfüller-Erlasses geprüft, ohne dass das beklagte Land insoweit Gegenrügen erhoben hat.

30

c) Ist - wie vorliegend - die Eingruppierung von sog. „Erfüllern“ und „Nichterfüllern“ getrennt geregelt und soll damit ein sich ergänzendes, umfassendes Regelwerk für die Eingruppierung der im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrer des Normgebers geschaffen werden, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass mit der arbeitsvertraglichen Verweisung auf einen der beiden Erlasse die für die Lehrereingruppierung des Normgebers insgesamt maßgeblichen Eingruppierungserlasse zum Vertragsinhalt gemacht werden sollen (vgl. BAG 7. Mai 2008 - 4 AZR 299/07 - Rn. 15).

31

3. Der Nichterfüller-Erlass regelt den Fall der Klägerin nicht, so dass die vertragliche Verweisung auf diesen Erlass nicht zu der in § 4 des Arbeitsvertrags genannten Eingruppierung in die Entgeltgruppe 10 TV-L führt.

32

a) Die vom beklagten Land im Nichterfüller-Erlass einseitig festgelegten Entgeltregelungen sind ihrerseits Allgemeine Geschäftsbedingungen (BAG 16. April 2015 - 6 AZR 352/14 - Rn. 25) und können darum als typische Vertragsbedingungen vom Senat selbst ausgelegt werden.

33

b) Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen einer Eingruppierung für Lehrer ausländischer Herkunft nach Ziff. 1.15 bis Ziff. 1.17 des Nichterfüller-Erlasses nicht.

34

aa) Die Lehramtsbefähigung des beklagten Landes ist nach dem objektiven Inhalt und dem typischen Sinn der speziellen Eingruppierungsmerkmale des Nichterfüller-Erlasses für Lehrer, die herkunftssprachlichen Unterricht erteilen, ohne Bedeutung (vgl. BAG 7. Mai 2008 - 4 AZR 299/07 - Rn. 13).

35

bb) Die Klägerin hat nicht nachgewiesen, dass sie die nach Ziff. 1.15 bis Ziff. 1.17 des Nichterfüller-Erlasses erforderliche volle Lehrbefähigung der Türkei besitzt. Der von der Bezirksregierung D unter dem 11. Oktober 2013 erlassene Bescheid genügt dafür nicht. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin aufgrund dieses Bescheides lediglich das Unterrichtsfach „Türkisch“ nach dem Recht des beklagten Landes als Fremdsprache erteilen kann. Die Ansicht der Revision, die von der Bezirksregierung D anerkannte Lehrbefähigung müsse „mindestens genauso hoch eingestuft werden“ wie die türkische Lehrbefähigung, berücksichtigt die gänzlich andere rechtliche Qualität der durch den Bescheid vom 11. Oktober 2013 erfolgten Anerkennung gegenüber dem von Ziff. 1.15 bis Ziff. 1.17 des Nichterfüller-Erlasses geforderten Nachweis nicht.

36

c) Ziff. 8.5 des Nichterfüller-Erlasses erfasst den Fall der Klägerin nicht. Er regelt den hier vorliegenden Fall der Überqualifikation nicht.

37

4. Die Klägerin wird auch vom Erfüller-Erlass nicht erfasst. Sie missversteht die grundsätzliche, diesem Erlass zugrunde liegende Systematik, wenn sie allein darauf abstellt, dass sie die Voraussetzungen für eine Übernahme in das Beamtenverhältnis - unstreitig - erfüllt und ihren konkreten unterrichtlichen Einsatz als unerheblich ansieht. Für die - ausschließliche - Tätigkeit der Klägerin im herkunftssprachlichen Unterricht enthält der Erfüller-Erlass kein Tätigkeitsmerkmal. Die Klägerin ist darum ungeachtet ihrer Lehramtsbefähigung nach dem Recht des beklagten Landes und unabhängig davon, dass sie diese Qualifikation bereits bei ihrer Einstellung besaß, keine Lehrkraft iSv. Ziff. 1.1 des Erfüller-Erlasses, sondern ist insoweit als „Nichterfüllerin“ anzusehen (vgl. BAG 7. Mai 2008 - 4 AZR 299/07 - Rn. 18).

38

5. Das arbeitsvertraglich in Bezug genommene Regelungswerk des beklagten Landes für den Entgeltanspruch der Klägerin bildet damit deren Qualifikation nicht ab. Der Vertrag der Parteien weist deshalb unter Zugrundelegung ihres Regelungskonzepts eine Regelungslücke auf. Diese kann der Senat aufgrund der Besonderheiten des Falls schließen, um den Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen. Eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 10 TV-L ist als Ausgleich des nicht nur im Fall der Klägerin, sondern für alle vergleichbaren angestellten Lehrkräfte auftretenden Interessengegensatzes bei der Schließung der vom beklagten Land erkannten Regelungslücke nicht angemessen und reicht darum zur Lückenschließung nicht aus. Angemessen ist allein die Eingruppierung der Klägerin in die Entgeltgruppe 11 TV-L.

39

a) Weist ein vorformulierter Vertrag unter Zugrundelegung des Regelungskonzepts der Parteien eine Lücke auf, die geschlossen werden muss, um den Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen, und beruht eine solche Lücke - wie hier - nicht auf AGB-rechtlichen Einbeziehungs- oder Inhaltskontrollschranken, ist nach allgemeiner Meinung eine ergänzende Vertragsauslegung zulässig (BGH 18. Juli 2007 - VIII ZR 227/06 - Rn. 34 f.; 22. Dezember 2003 - VIII ZR 90/02 - zu II 2 a der Gründe). Die ergänzende Auslegung hat unter Zugrundelegung eines objektiv-generalisierenden Maßstabs zu erfolgen, der nicht am Willen und den Interessen der konkret beteiligten Parteien, sondern der typischerweise beteiligten Verkehrskreise ausgerichtet sein muss. Die Vertragsergänzung muss für den betroffenen Vertragstyp als allgemeine Lösung eines stets wiederkehrenden Interessengegensatzes angemessen sein. Maßgeblich ist, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Parteien vereinbart hätten (st. Rspr. seit BAG 16. Dezember 2009 - 5 AZR 888/08 - Rn. 22). Lassen sich nach diesen Kriterien hinreichende Anhaltspunkte für einen hypothetischen Parteiwillen nicht finden, etwa weil mehrere gleichwertige Möglichkeiten der Lückenschließung in Betracht kommen, scheidet eine ergänzende Vertragsauslegung grundsätzlich aus. So sind die Vertragsparteien vor einer mit dem Grundsatz der Privatautonomie nicht zu vereinbarenden Auswahl der Möglichkeit der Lückenschließung durch das Gericht nach dessen eigenen Kriterien geschützt (BAG 20. Mai 2014 - 3 AZR 852/12 - Rn. 13).

40

b) Auf Seiten einer Lehrkraft, die - wie die Klägerin - die Qualifikation nach Ziff. 7.1 oder Ziff. 7.2 des HSU-Erlasses besitzt, besteht das Interesse, ein dieser vom beklagten Land für den herkunftssprachlichen Unterricht (vorrangig) geforderten Qualifikation entsprechendes Entgelt zu erhalten. Das beklagte Land verfolgt mit den Eingruppierungserlassen das Interesse, bei der Vergütung der angestellten Lehrkräfte unter Beachtung haushaltsrechtlicher Erwägungen die erforderliche Gleichbehandlung und damit einen bestimmten Gerechtigkeitsstandard zu gewährleisten (vgl. BAG 5. Juli 2006 - 4 AZR 555/05 - Rn. 33). Dieser sich stets wiederholende Interessengegensatz wird nur dadurch angemessen ausgeglichen, dass der Klägerin ein Entgelt der Entgeltgruppe 11 TV-L gezahlt wird. Allein ein solches Entgelt trägt dem Regelungsplan der Parteien, die Qualifikation der Klägerin interessengerecht zu bewerten, hinreichend Rechnung. Die Regelungslücke ist daher unter Beachtung des hypothetischen Regelungswillens der Parteien dahin zu schließen, dass die Klägerin in die Entgeltgruppe 11 TV-L eingruppiert ist.

41

aa) Das beklagte Land stellt bei der Einstellung und Tätigkeit der Lehrkräfte für den herkunftssprachlichen Unterricht gerade auf eine von ihm hinsichtlich der Höhe des Entgelts nicht honorierte Qualifikation dieser Lehrkräfte ab. Gemäß Ziff. 7.1 und Ziff. 7.2 des HSU-Erlasses sind für den Unterricht in der Herkunftssprache bevorzugt Lehrkräfte einzustellen, die die Befähigung für ein Lehramt nach deutschem Recht in dem zu unterrichtenden Fach (hier Türkisch) besitzen oder die die Lehrbefähigung nach deutschem Recht und zusätzlich eine nachgewiesene Sprachkompetenz in dem zu unterrichtenden Fach aufweisen. Das beklagte Land macht sich also nicht nur eine bei einer bereits beschäftigten Lehrkraft vorhandene Qualifikation bei deren unterrichtlichem Einsatz zunutze, sondern erhebt die in Ziff. 7.1 und Ziff. 7.2 des HSU-Erlasses genannten Qualifikationen zum maßgeblichen Einstellungserfordernis. Nur dann, wenn derartige Lehrkräfte nicht angeworben werden können, können gemäß Ziff. 7.3 des HSU-Erlasses „ausnahmsweise“ auch die Lehrkräfte eingestellt werden, deren Qualifikation der Nichterfüller-Erlass in Ziff. 1.16 und Ziff. 1.17 jedenfalls teilweise abbildet. Damit hat das beklagte Land deutlich gemacht, dass seiner Einschätzung nach auch für den herkunftssprachlichen Unterricht eine Lehrbefähigung nach deutschem Recht von besonderer Bedeutung ist. Mit der sich aus Ziff. 7.1 bis Ziff. 7.3 des HSU-Erlasses ergebenden Auswahlrangfolge hat es darüber hinaus dokumentiert, dass es für diesen Unterricht Lehrer mit der Lehrbefähigung nach deutschem Recht grundsätzlich als geeigneter ansieht als selbst Lehrer, die die im Nichterfüller-Erlass vorgesehene höchste Qualifikation für eine Tätigkeit im herkunftssprachlichen Unterricht aufweisen.

42

bb) Diese vom beklagten Land bei der Auswahl der für den herkunftssprachlichen Unterricht einzustellenden Lehrkräfte zum Ausdruck gebrachte Wertigkeit der geforderten Qualifikation findet jedoch weder in den Eingruppierungserlassen, die diese nicht abbilden, noch in einer Vergütung aus der Entgeltgruppe 10 TV-L (hinreichend) Niederschlag. Alle Lehrkräfte mit einer den Anforderungen in Ziff. 7.1 oder Ziff. 7.2 des HSU-Erlasses vergleichbaren Qualifikation sind in die Entgeltgruppe 11 TV-L eingruppiert.

43

(1) Das beklagte Land zahlt den sog. „Erfüllern“, die Pflicht- und Wahlfachunterricht in einer ihrer Lehrbefähigung entsprechenden Schule bzw. Stufe erteilen, ein Entgelt der Entgeltgruppe 11 TV-L (Ziff. 1.1 des Erfüller-Erlasses).

44

(2) Ein solches Entgelt zahlt es auch Lehrern in der Tätigkeit von Lehrern der Primarstufe oder der Sekundarstufe I mit einer Staatsprüfung für ein Lehramt, sofern sie überwiegend Unterricht in mindestens einem ihrem Studium entsprechenden Fach erteilen (Ziff. 1.1 des Nichterfüller-Erlasses). Damit trägt der Hinweis des beklagten Landes auf die Vergleichbarkeit der Tätigkeit der Klägerin mit Fachlehrern nicht (mehr). Auch diese sind, sofern sie die dafür im Nichterfüller-Erlass vorgesehene höchste Qualifikation aufweisen, - anders als nach früheren Fassungen des Nichterfüller-Erlasses (vgl. BAG 7. Mai 2008 - 4 AZR 299/07 - Rn. 28) - in die Entgeltgruppe 11 TV-L eingruppiert.

45

(3) Schließlich zahlt das beklagte Land gemäß Ziff. 1.15 des Nichterfüller-Erlasses auch Lehrern ausländischer Herkunft, die die Erste Staatsprüfung für ein Lehramt nach nordrhein-westfälischem Recht sowie eine abgeschlossene Ausbildung an einer wissenschaftlichen Hochschule und eine volle Lehrbefähigung ihres Heimatlandes aufweisen, ein Entgelt der Entgeltgruppe 11 TV-L. Im Vergleich zur früheren Fassung des Nichterfüller-Erlasses ist damit die Eingruppierung für Lehrer mit dieser Qualifikation verbessert worden. Sie erhalten jetzt von Beginn an und nicht erst nach einer sechsjährigen Bewährung dasselbe Entgelt wie Lehrer iSv. Ziff. 1.1 des Erfüller-Erlasses. Im Gegensatz zur früheren von ihm geschaffenen Rechtslage hält das beklagte Land offensichtlich eine Differenzierung bei der Eingruppierung von Erfüllern iSv. Ziff. 1.1 des Erfüller-Erlasses und Nichterfüllern iSv. Ziff. 1.15 des Nichterfüller-Erlasses nicht mehr für angemessen (vgl. zu den früheren Unterschieden hinsichtlich der Funktion und Bedeutung des herkunftssprachlichen Unterrichts sowie der persönlichen und ausbildungsbezogenen Voraussetzungen für die Erteilung dieses Unterrichts und der dadurch gegebenen Rechtfertigung der früheren unterschiedlichen Vergütung BAG 7. Mai 2008 - 4 AZR 299/07 - Rn. 27 f.).

46

III. Darüber hinaus ist die Ausgrenzung von Lehrkräften wie der Klägerin, die die Voraussetzungen von Ziff. 7.1 oder Ziff. 7.2 des HSU-Erlasses erfüllen, aus dem Entgeltanspruch nach Entgeltgruppe 11 TV-L, wie ihn Lehrkräfte haben, die die Voraussetzungen einer Eingruppierung nach Ziff. 1.1 des Erfüller-Erlasses bzw. Ziff. 1.15 des Nichterfüller-Erlasses erfüllen, gemessen am Zweck dieser Regelungen nicht gerechtfertigt. Dies führt zu einer Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Arbeitsrecht. Darum hat die Klägerin auch unter diesem Gesichtspunkt Anspruch auf eine Vergütung aus der Entgeltgruppe 11 TV-L. Die Revision rügt zu Recht, dass das Landesarbeitsgericht dem nicht hinreichend Rechnung getragen hat.

47

1. Die Eingruppierungserlasse des beklagten Landes haben als einseitig von ihm gestelltes Regelungswerk keine Vermutung der Angemessenheit für sich und unterliegen einer Prüfung anhand des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Arbeitsrecht (BAG 19. November 2014 - 4 AZR 845/12 - Rn. 27).

48

2. Dieser Grundsatz begrenzt die Gestaltungsmacht des Arbeitgebers. Er gebietet ihm, seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbstgesetzten Regel gleich zu behandeln (BAG 3. September 2014 - 5 AZR 6/13 - Rn. 18, auch zur Herleitung dieses Grundsatzes). Dies gilt trotz des Grundsatzes der Vertragsfreiheit auch im Bereich der Entgeltzahlung, sofern die Vergütung wie vorliegend aufgrund eines bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzips erfolgt. Bei der Festlegung der Anspruchsvoraussetzungen durch den Arbeitgeber ist ihm eine Gruppenbildung untersagt, für die sich kein vernünftiger, aus dem Zweck der Leistung ergebender oder sonstiger sachlich einleuchtender Grund finden lässt (vgl. BAG 21. Mai 2014 - 4 AZR 50/13 - Rn. 22).

49

3. Die Zurücksetzung der angestellten Lehrkräfte, die die Voraussetzungen von Ziff. 7.1 oder Ziff. 7.2 des HSU-Erlasses erfüllen, gegenüber den angestellten Lehrkräften des beklagten Landes, bei denen die Voraussetzungen für eine Eingruppierung gemäß Ziff. 1.1 des Erfüller-Erlasses bzw. Ziff. 1.15 des Nichterfüller-Erlasses vorliegen, im Regelwerk des beklagten Landes zur Eingruppierung der bei ihm beschäftigten angestellten Lehrer ist nicht gerechtfertigt.

50

a) Ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes, der vergütungsrechtliche Bestimmungen nach einem generalisierenden Prinzip in Erlassen oder Eingruppierungsrichtlinien regelt, kann zwar die Höhe der Vergütung von einer bestimmten Tätigkeit oder vom Vorliegen bestimmter subjektiver, in der Person des Angestellten liegender Voraussetzungen abhängig machen. Unterschiede in der Lehrbefähigung sind grundsätzlich geeignet, eine Differenzierung hinsichtlich der Vergütung sachlich zu rechtfertigen (st. Rspr., zuletzt BAG 19. November 2014 - 4 AZR 845/12 - Rn. 29). Umgekehrt darf jedoch der Arbeitgeber bei der Vergütung dieser Lehrkräfte in den von ihm geschaffenen Eingruppierungsrichtlinien nicht differenzieren, wenn dafür keine Unterschiede bei den subjektiven, für die eingruppierungsrechtliche Bewertung der Unterrichtstätigkeit von angestellten Lehrkräften maßgeblichen Voraussetzungen erkennbar sind.

51

b) Unterschiede, die eine Differenzierung bei der Eingruppierung zwischen Lehrkräften, die ausschließlich herkunftssprachlichen Unterricht erteilen und bei denen die fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen zur Übernahme in das Beamtenverhältnis grundsätzlich erfüllt sind, gegenüber Lehrkräften, die die Voraussetzungen nach Ziff. 1.1 des Erfüller-Erlasses erfüllen, rechtfertigen können, liegen nicht vor. Vielmehr verbietet sich eine solche Differenzierung aufgrund der Anforderungen, die das beklagte Land in Ziff. 7.1 und Ziff. 7.2 des HSU-Erlasses bei der Einstellung dieser Lehrkräfte stellt (s. dazu Rn. 41). Das beklagte Land macht mit diesen Anforderungen deutlich, dass es ihm auch im herkunftssprachlichen Unterricht gerade auf die Lehramtsbefähigung nach deutschem Recht ankommt. Den sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Höhe des Entgelts der so ausgewählten Lehrkräfte kann sich das beklagte Land aber nicht dadurch entziehen, dass es die verlangte Qualifikation in dem von ihm selbst geschaffenen Nichterfüller-Erlass nicht abbildet, diese Lehrkräfte auch dann, wenn sie „Erfüller“ sind, - im Übrigen entgegen der ebenfalls selbst gesetzten Vorgabe in Ziff. 7.2 des HSU-Erlasses - ausschließlich für den herkunftssprachlichen Unterricht einstellt und sich dann darauf beruft, dass sein Regelwerk für diese Lehrkräfte keine angemessene Vergütung vorsehe, insbesondere ein „Vertragsmix“, also ein Einsatz mit Tätigkeiten, die teils vom Erfüller-Erlass und teils vom Nichterfüller-Erlass erfasst werden, darin nicht vorgesehen sei.

52

c) Auch für eine geringere Vergütung der Lehrkräfte mit der von Ziff. 7.1 oder Ziff. 7.2 des HSU-Erlasses verlangten Qualifikation gegenüber Lehrkräften, die die Voraussetzungen nach Ziff. 1.15 des Nichterfüller-Erlasses erfüllen, gibt es keine Rechtfertigung mehr. Das beklagte Land zeigt durch die Einstellungsanforderungen für den herkunftssprachlichen Unterricht, dass es eine nach deutschem Recht erworbene Lehramtsbefähigung höher bewertet als eine nach dem Recht des Herkunftsstaats erworbene volle Lehrbefähigung. Der Annahme, bei der Erteilung dieses Unterrichts sei die Qualifikation eines Lehrers nach Ziff. 1.15 des Nichterfüller-Erlasses eher höher zu bewerten als die Lehrbefähigung nach deutschem Recht (vgl. BAG 21. Juli 1993 - 4 AZR 483/92 - zu III 3 c der Gründe), ist damit nach eigener Einschätzung des beklagten Landes die Grundlage entzogen. Es ist inkonsistent, wenn es dieser Einschätzung ohne erkennbaren rechtfertigenden Grund nur bei den Einstellungsvoraussetzungen, nicht aber auch bei der vergütungsrechtlichen Bewertung der Tätigkeit im herkunftssprachlichen Unterricht Rechnung trägt.

53

4. Als Rechtsfolge einer Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Arbeitsrecht ist die vom Arbeitgeber gesetzte Regel entsprechend zu korrigieren. Der rechtswidrig benachteiligte Arbeitnehmer hat darum den Anspruch, von dem ihn der Arbeitgeber aufgrund eines gleichbehandlungswidrigen Tatbestandsmerkmals ausgeschlossen hat, wenn es wie hier keine weiteren, rechtskonformen Anspruchsvoraussetzungen gibt oder der Arbeitnehmer auch diese erfüllt (vgl. BAG 3. September 2014 - 5 AZR 6/13 - Rn. 18; 21. Mai 2014 - 4 AZR 50/13 - Rn. 23). Die Klägerin kann ebenso wie die von Ziff. 1.1 des Erfüller-Erlasses bzw. Ziff. 1.15 des Nichterfüller-Erlasses erfassten angestellten Lehrkräfte ihre Eingruppierung in die Entgeltgruppe 11 TV-L verlangen. Dieser Anspruch beschränkt sich aufgrund der in § 4 des Arbeitsvertrags getroffenen Vereinbarung allerdings auf die Zeit bis zum In-Kraft-Treten einer Entgeltordnung, sofern das beklagte Land - falls in der Entgeltordnung für Lehrer im herkunftssprachlichen Unterricht eine niedrigere Entgeltgruppe festgelegt wird - von einer eröffneten Herabgruppierungsmöglichkeit bei den betroffenen Lehrkräften Gebrauch macht.

54

IV. Der Klägerin stehen Prozesszinsen in der begehrten Höhe zu (§§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB).

55

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Spelge    

        

    Krumbiegel    

        

        

        

    K. Jerchel    

        

    Kammann    

                 

(1) Die Anteilrechte an der Altguthaben-Ablösungs-Anleihe werden mit einem Zinssatz von 3% pro Jahr für den Zeitraum vom 1. Januar 1949 bis zur Tilgung verzinst.

(2) Die Auszahlung der Anteilrechte zuzüglich Zinsen erfolgt nach Bestätigung vom zuständigen Geldinstitut durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau, Niederlassung Berlin, in der Weise, daß für zwei Mark der Deutschen Demokratischen Republik eine Deutsche Mark in Anrechnung gebracht wird.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.