Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 21. Okt. 2013 - 5 Sa 252/13

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2013:1021.5SA252.13.0A
bei uns veröffentlicht am21.10.2013

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen - Auswärtige Kammern Landau - vom 21.05.2013, Az.: 6 Ca 1174/12, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten über den Umfang des der Beklagten zustehenden Direktionsrechts hinsichtlich des Inhalts der Arbeitstätigkeit der Klägerin.

2

Die 1961 geborene Klägerin ist seit dem 01.05.1981 bei der Beklagten als Verwaltungsangestellte beschäftigt. Im schriftlichen Arbeitsvertrag ist die Anwendbarkeit des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) vereinbart. Die Klägerin ist in Vergütungsgruppe BAT V c eingruppiert; das entspricht einem Monatsgehalt von 1.462,00 EUR brutto. Die Klägerin arbeitet 19,25 Stunden pro Woche (Teilzeit).

3

In der Stellenbeschreibung vom 10.11.2011 sind die Aufgaben und Befugnisse der Klägerin wie folgt (neu) festgelegt worden:

4

"1. Im Bereich Personal BAT

5

Sie erstellt und bearbeitet selbstständig:

6

Tarifbescheinigungen B
Reisekostenabrechnungen
Monatliche Prüfung und Meldung der BEM-Fälle an den Geschäftsführer
Beihilfeabrechnungen
Zusatzversorgung (An- und Abmeldungen, Jahresmeldungen)
Anträge der Zusatzrente
Durchführung und Überwachung der Zeiterfassung und Erstellung von Auswertungen hieraus
Erfassung des Urlaubsguthabens bei Ein- oder Austritten während eines Jahres
Abschlussarbeiten für Zivildienstleistende (Personalakten zurückschicken etc.)
Sie führt vertretungsweise durch

7

Auslösung des EDV-Gehaltslaufes der BAT-Mitarbeiter bei Abwesenheit von Frau Z mit Stammdaten des Vormonats und ohne Erfassung von variablen Daten. Hierzu wird die Stelleninhaberin a) kontinuierlich über evtl. diesbezügliche Änderungen informiert und b) vierteljährlich in die Auslösung des Gehaltsablaufes einbezogen.

8

Sie informiert

9

Die Personalabteilung BAT über Änderungen im ZVK-Bereich

10

2. Im Bereich Bundesfreiwilligendienst

11

Sie bearbeitet selbständig:

12

Die Einweisung der Mitarbeiter im Bundesfreiwilligendienst
Die Eingabe der Abrechnungen der Mitarbeiter des Bundesfreiwilligendienstes in das Gehaltsprogramm zu den vorgesehenen Terminen
Die Führung der Akten der Mitarbeiter des Bundesfreiwilligendienstes
Die Prüfung und Weiterleitung der Bewerbungen von Mitarbeitern des Bundesfreiwilligendienstes an die jeweiligen Produktionsleistungen
Sämtlichen mit ihrer Tätigkeit anfallenden Schriftverkehr

13

Sie erteilt

14

Auskünfte an die Mitarbeiter des Bundesfreiwilligendienstes und informiert in allen Angelegenheiten des Bundesfreiwilligendienstes den Paritätischen Wohlfahrtsverband in Saarbrücken

15

Besondere Befugnisse

16

Die Stelleninhaberin unterzeichnet ihren Schriftverkehr mit dem Zusatz "i.A." Die Stelleninhaberin fungiert als Fachkraft für die Anleitung der Freiwilligen und hat in dieser Funktion Zugang zu den Personalunterlagen der Mitarbeiter des Bundesfreiwilligendienstes. Die Stelleninhaberin hat Zugang zu den Personalakten der Mitarbeiter ohne Behinderung (zur Bearbeitung der Beihilfeanträge, Tarifbescheinigungen B, Reisekostenabrechnungen und ZVK-Angelegenheiten).

17

Neben den oben aufgeführten Aufgaben kann die Stelleninhaberin von der Geschäftsführung Einzelaufträge übernehmen bzw. zu solchen Aufgaben verpflichtet werden, die dem Wesen nach zu ihrer Tätigkeit gehören oder sich aus zwingenden betrieblichen Gründen ergeben und nicht anderweitig zu bewältigen sind."

18

In Nr. 7 der Stellenbeschreibung haben die Parteien vereinbart, dass damit die Stellenbeschreibung vom 10.06.2009 ihre Gültigkeit verliert und diese - neue - Stellenbeschreibung mit ihrer Unterzeichnung Bestandteil des Arbeitsvertrages ist. Des Weiteren wurde vereinbart, dass einmal jährlich im Zielvereinbarungsgespräch zwischen der Stelleninhaberin und dem Dienstvorgesetzten diese Stellenbeschreibung überprüft wird und jederzeit im gegenseitigen Einvernehmen verändert werden kann.

19

Mit Schreiben vom 31.07.2012 hat die Beklagte der Klägerin mitgeteilt, dass aus zwingenden betrieblichen Gründen die Tätigkeiten nach Maßgabe der Stellenbeschreibung vom 10.11.2011 geändert werden.

20

Dieses Schreiben hat, soweit vorliegend von Belang, unter anderem folgenden Wortlaut:

21

"Ab sofort übernimmt Frau Y den Bereich des Bundesfreiwilligendienstes und die Zeiterfassung sowie die Erfassung des Urlaubguthabens bei Ein- oder Austritten während eines Jahres. Bei Krankheit oder Urlaub von Frau Y übernehmen Sie die Vertretung dieser Tätigkeiten.

22

Sie übernehmen weiterhin die übrig bleibenden Tätigkeiten Ihrer Stellenbeschreibung. Zusätzliche Tätigkeiten werden Ihnen, Ihrer Arbeitszeit angemessen, noch mitgeteilt.."

23

Hinsichtlich des weiteren Inhalts dieses Schreiben wird auf Bl. 10 d. A. Bezug genommen.

24

Die Klägerin hat vorgetragen,
die einseitige Zuweisung eines anderen Aufgabenbereichs durch die Beklagte sei rechtlich nicht zulässig, Denn das dafür erforderlich gegenseitige Einvernehmen zur Änderung der Stellenbeschreibung liege - unstreitig - nicht vor. Die Klägerin möchte die genannten Tätigkeiten auch gerne weiterhin ausüben. Aus dem Zwischenzeugnis vom 13.04.2012 folge zudem, dass die Klägerin ihre Tätigkeiten zuverlässig und gewissenhaft ausgeübt und zur vollsten Zufriedenheit der Beklagten erledigt habe.

25

Die Klägerin hat beantragt,

26

die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin mit den Tätigkeiten gemäß der Stellenbeschreibung vom 10.11.2011 zu beschäftigen, hier insbesondere

Ziffer 5 (Aufgaben und Befugnisse)

27

Im Bereich Personal BAT

28

Durchführung und Überwachung der Zeiterfassung und Erstellung von Auswertungen
Erfassung des Urlaubsguthabens bei Ein- oder Austritten während eines Jahres im Bereich Bundesfreiwilligendienst

29

Im Bereich Bundesfreiwilligendienst

30

Die Einweisung der Mitarbeiter im Bundesfreiwilligendienst
Die Eingabe der Abrechnungen der Mitarbeiter des Bundesfreiwilligendienstes in das Gehaltsprogramm zu den vorgesehenen Terminen
Die Führung der Akten der Mitarbeiter des Bundesfreiwilligendienstes
Die Prüfung und Weiterleitung der Bewerbungen von Mitarbeitern des Bundesfreiwilligendienstes an die jeweiligen Produktionsleistungen
Sämtlich mit ihrer Tätigkeit anfallenden Schriftverkehr
Sie erteilt Auskünfte an die Mitarbeiter des Bundesfreiwilligendienstes und informiert in allen Angelegenheiten des Bundesfreiwilligendienstes den paritätischen Wohlfahrtsverband Saarbrücken.

31

Die Beklagte hat beantragt,

32

die Klage abzuweisen.

33

Die Beklagte hat vorgetragen,
im Hinblick auf die Erkrankung der Klägerin in der Zeit vom 31.05.2012 bis zum 06.07.2012 und der anschließenden Urlaubnahme vom 16. bis zum 20.07.2012 und vom 03.08.2012 bis zum 06.09.2012 habe sie reagieren müssen, um die Tätigkeitsgebiete Bundesfreiwilligendienst und Zeiterfassung sachgerecht bearbeiten zu können. Die Klägerin habe des Weiteren regelmäßig über einen langen Zeitraum Überstunden geleistet und damit die arbeitsvertraglich vorgesehene Arbeitszeit von 19,25 Stunden pro Woche regelmäßig überschritten. Die Aufgabenzuweisung mit Schreiben vom 31.07.2012 sei vom Direktionsrecht der Beklagten gedeckt. Sie habe lediglich die Gewährleistung der Aufgabenerledigung im Unternehmen im Sinn gehabt und zudem auch die Hoffnung, dass die Klägerin dadurch insoweit entlastet werden könne, so dass damit auch eine Entspannung ihrer gesundheitlichen Situation eintreten werde. Die Zuweisung des Aufgabengebietes mit Schreiben vom 31.07.2012 sei also insgesamt vom Direktionsrecht des Arbeitgebers abgedeckt.

34

Das Arbeitsgericht Ludwigshafen - Auswärtige Kammern Landau - hat daraufhin durch Urteil vom 21.05.2013 - 6 Ca 1174/12 - die Beklagte antragsgemäß verurteilt, die Klägerin mit den Tätigkeiten nach der Beschreibung vom 10.11.2011 zu beschäftigen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 112 bis 119 d. A. Bezug genommen.

35

Gegen das ihr am 05.06.2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte durch am 19.06.2013 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 05.09.2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet, nachdem zuvor auf ihren begründeten Antrag hin durch Beschluss vom 29.07.2013 die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 05.09.2013 einschließlich verlängert worden war.

36

Die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, aus ihrer Sicht müsse man bei verständiger Würdigung aller dem Sachverhalt zugrunde liegender Besonderheiten zu dem Ergebnis gelangen, dass die Beklagte befugt gewesen sei, die Tätigkeiten der Klägerin entsprechend des Schreibens vom 31.07.2012 zu konkretisieren, um auf diese Weise einerseits einen ansonsten nicht mehr zu gewährenden ordnungsgemäßen Betriebsablauf herstellen zu können und andererseits die Klägerin vor negativen, aus einer Überstrapazierung im Arbeitsalltag resultierenden gesundheitlichen Folgen zu schützen. Die Klägerin habe über einen längeren Zeitraum regelmäßig Überstunden geleistet und damit die arbeitszeitlich vorgesehene Arbeitszeit von 19,25 Stunden pro Woche regelmäßig überschritten. Dies, obwohl nach Nr. 4 der Stellenbeschreibung die Stelleninhaberin ihre Aufgaben so wahrzunehmen habe, dass insbesondere die Abwicklung des Bundesfreiwilligendienstes reibungslos und gemäß den Gesetzen und Verordnungen, sowie Anordnungen des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben erfolgt und die unter Nr. 4 aufgeführten Aufgaben im vorgegebenen Zeitraum sorgfältig und zuverlässig erledigt werden müssten. Davon könne im Hinblick auf die regelmäßigen Überstunden aber gerade keine Rede sein. Eine wie auch immer geartete Annahme etwaiger Einschränkungen des Direktionsrechts durch die Stellenbeschreibung müsse jedenfalls dort ihre Grenzen haben, wo die willentlich gesetzten Voraussetzungen für die vereinbarte Tätigkeitszuweisung nicht gegeben seien. Von daher habe die Stellenbeschreibung vom 10.11.2011 das Direktionsrecht nicht wirksam einschränken können. Im Übrigen müsse eine Einschränkung des Direktionsrechts auch dort ihre Grenzen finden, wo die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers eingreife oder betrieb-liche Belange überwögen. Dies sei vorliegend im Hinblick auf die Notwendigkeit der ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung einerseits und die langen Abwesenheitszeiten der Klägerin durch Arbeitsunfähigkeit und die folglich zu berücksichtigenden gesundheitlichen Belange der Klägerin andererseits der Fall. Vor diesem Hintergrund habe die Beklagte berechtigterweise den Weg der Umgestaltung der Aufgabengebiete gewählt, was unter diesen Umständen von allen zur Verfügung stehenden Mitteln die mildeste Maßnahme dargestellt habe.

37

Zur weiteren Darstellung der Auffassung der Beklagten auf die Berufungsbegründungsschrift vom 05.09.2013 (Bl. 155 bis 160 d. A.) sowie ihren Schriftsatz vom 17.10.2013 (Bl. 175, 176 d. A.) wird Bezug genommen.

38

Die Beklagte beantragt,

39

das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein - Auswärtige Kammern Landau in der Pfalz - vom 21.05.2013, Az: 6 Ca 1174/12, wird abgeändert und die Klage abgewiesen.

40

Die Klägerin beantragt,

41

die Berufung zurückzuweisen.

42

Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, die Aufgaben und Befugnisse der Klägerin seien in der Stellenbeschreibung im Einzelnen festgelegt worden; diese Stellenbeschreibung sei Bestandteil des Arbeitsvertrages. Ausdrücklich sei vereinbart worden, dass die Stellenbeschreibung nur im gegenseitigen Einvernehmen verändert werden könne. Dieses gegenseitige Einvernehmen liege zwischen den Parteien aber erkennbar nicht vor. Welche Absichten die Beklagte letztlich bei Abfassung der Stellenbeschreibung verfolgt habe, entziehe sich mangels der schriftlichen Niederlegung derselben der Kenntnis aller Beteiligten. Insofern sei es auch unerheblich, ob die Beklagte mit der Aufzählung der Tätigkeitsgebiete sich nicht der Möglichkeit habe erledigen wollen, später einzelne Tätigkeitsgebiete umzuverteilen.

43

Zur weiteren Darstellung des Vorbringens der Klägerin im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 07.10.2013 (Bl. 169, 170 d. A.) Bezug genommen.

44

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

45

Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 21.10.2013.

Entscheidungsgründe

I.

46

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

47

Das Rechtsmittel der Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

48

Denn das Arbeitsgericht ist in der angefochtenen Entscheidung zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Beschäftigung mit den Tätigkeiten der Stellenbeschreibung vom 10.11.2011 verlangen kann.

49

Gemäß § 106 Satz 1 GewO kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbe-dingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzlicher Vorschriften festgelegt sind.

50

Mit dem Direktionsrecht (§ 106 GewO; vgl. BAG 15.09.2009 EzA § 106 GewO Nr. 4; Landesarbeitsgericht Köln 15.06.2009 LAGE § 106 GewO 2003 Nr. 7; § 29 Abs. 1 S. 2 SeemG; ab 01.08.2013 § 32 SeeArbG) kann der Arbeitgeber primär die jeweils konkret zu leistende Arbeit (instr. Bayreuther Beil. 1/06 zu NZA Heft 10/06 S. 1 ff.) und die Art und Weise ihrer Erbringung (z. B. durch Schichtarbeit; s. Landesarbeitsgericht Köln 30.07.2009 NZA-RR 2010, 514; 29.07.2010 - 7 Sa 240/10, AuR 2011, 365 LG; Herausnahme aus Schichtarbeit) festlegen. Das Weisungsrecht des Arbeitgebers ist nach § 106 S. 1, 2 GewO beschränkt auf Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung sowie auf die Ordnung und Verhalten im Betrieb. Die Regelung in § 106 S. 1 GewO trägt der Gegebenheit Rechnung, dass Arbeitsverträge nur eine rahmenmäßig umschriebene Leistungspflicht festlegen können. Das Direktionsrecht als Wesensmerkmal eines jeden Arbeitsverhältnisses (BAG 23.09.2004 EzA § 106 GewO Nr. 1) ermöglicht es dem Arbeitgeber, diese rahmenmäßig umschriebene Leistungspflicht des Arbeitnehmers im Einzelnen nach zeitlicher Verteilung, Art und Ort unter Beachtung billigen Ermessens festzulegen (vgl. BAG 15.09.2009 EzA § 106 GewO Nr. 4; 17.05.2011 - 9 AZR 201/10, ZTR 2012, 184). Folglich darf der Arbeitgeber den Ort der Arbeitsleistung aufgrund seines Direktionsrechts aus § 106 S. 1 GewO unabhängig vom jeweiligen Berufsbild nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit dieser nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt ist (BAG 18.10.2012 - 6 AZR 86/11, EzA-SD 24/2012, S. 17 LS).

51

In diesem Rahmen kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer z. B. auch zur Teilnahme an Gesprächen verpflichten, in denen er Weisungen vorbereiten, erteilen oder ihre Nichteinhaltung bestanden will (BAG 23.06.2009 EzA § 106 GewO Nr. 3).

52

Zu beachten ist aber, dass die Parteien grds. die Reichweite des Direktionsrechts auch im Arbeitsvertrag vereinbaren können (Landesarbeitsgericht RhPf 27.05.2011 LAGE § 106 GewO 2003 Nr. 11; s.a. BAG 18.10.2012 - 6 AZR 86/11, EzA-SD 24/2012 S. 17 LS, vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 11. Auflage 2013, Kap. 1, Rn. 564).

53

Einseitige Erklärungen legen - im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen (Landesarbeitsgericht RhPf 27.05.2011 LAGE § 106 GewO 2003 Nr. 11) - die jeweils konkret für den Arbeitnehmer geltenden Arbeitsbedingungen fest.

54

Bei der Ausübung des Weisungsrechts gem. § 106 GewO steht dem Arbeitgeber regelmäßig ein weiter Gestaltungsspielraum zu (Landesarbeitsgericht RhPf 25.11.2004 Landesarbeitsgericht Report 2005, 260). So kann er z. B. gegenüber dem Arbeitnehmer zur Ausübung der geschuldeten Tätigkeit das Tragen von Dienstkleidung anordnen (Landesarbeitsgericht BW 11.05.2004 Landesarbeitsgericht Report 2004, 319 LS). Möglich ist auch die Anordnung von Nebenarbeiten (z. B. Pflege der Arbeitsmittel), die in unmittelbarem Zusammenhang mit der vertraglich geschuldeten Tätigkeit stehen, sowie Notarbeiten, wenn unvorhergesehene äußere Einflüsse (z.B. Naturkatastrophen, nicht aber betriebliche Engpässe, z. B. wegen der Urlaubszeit) dazu zwingen, vorübergehend fachfremde Arbeiten zu verrichten.

55

Das Weisungsrecht findet allerdings seine Grenzen in einzelvertraglich (Landesarbeitsgericht RhPf 27.05.2011 LAGE § 106 GewO 2003 Nr. 11), gesetzlichen und kollektivvertraglichen Regelungen (z. B. §§ 134, 138 BGB, MuSchG, ArbZG, JArbschG), auch dispositiven , soweit sie nicht im Einzelfall durch Vereinbarung abbedungen sind (§ 106 GewO; s. Lakies BB 2003, 364 ff.). Das Weisungsrecht kann insbes. nicht einseitig die im Arbeitsvertrag festgelegten Bedingungen verändern (vgl. Landesarbeitsgericht Hamm 26.10.2005 AuR 2006, 211 LS). Denn welche Arbeiten der Arbeitnehmer zu leisten hat, ergibt sich in erster Linie aus dem Arbeitsvertrag. Der Arbeitgeber kann Inhalt und Umfang der Arbeitspflicht kraft seines Weisungsrechts gerade nur im Rahmen des jeweiligen Arbeitsvertrags festlegen (§ 106 GewO; BAG, 23.06.2007 EzA § 106 GewO Nr. 2; Landesarbeitsgericht BW 25.03.2010 - 11 Sa 70, 71/09, AuR 2010, 343 LS). Deshalb kann z. B. eine Herabstufung vom Vorarbeiter zum gewöhnlichen Arbeitnehmer nicht kraft Direktionsrechts vorgenommen werden (ArbG Wieden 06.11.2003 AuR 2004, 435 LS). Auch die Verlagerung von Arbeitszeiten auf den Samstagnachmittag kann der Arbeitgeber dann nicht einseitig mit dem Direktionsrecht durchsetzen, wenn eine individuelle Arbeitszeitvereinbarung mit dem Arbeitnehmer getroffen wurde (Landesarbeitsgericht Hamm 26.10.2005 AuR 2006, 211 LS); dies gilt generell, wenn die Lage der täglichen Arbeitszeit vertraglich vereinbart ist (BAG 17.07.2007 EzA § 8 TzBfG Nr. 14). Denn alle anderen Bestimmungsgründe gehen dem Weisungsrecht vor, also insbes. die vertragliche Vereinbarung, durch die die Ausführung der Arbeit festgelegt wird. Das Weisungsrecht ist insoweit das rangschwächste Gestaltungsmittel.

56

Je genauer im Übrigen die Tätigkeit des Arbeitnehmers sowie die Modalitäten der Beschäftigung, also der Einsatzort, Umfang und die Lage der Arbeitszeit im Arbeitsvertrag umschrieben sind, umso weniger Spielraum hat der Arbeitgeber z. B. bei der Zuweisung verschiedenartiger Tätigkeiten (vgl. BAG 23.11.2004 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 134; 02.03.2006 EzA § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 67; Landesarbeitsgericht RhPf 27.05.2011 LAGE § 106 GewO 2003 Nr. 11; Hunold NZA-RR 2001, 337 ff.; s.a. Salamon/Fuhlrott NZA 2011, 839 ff.). Der Arbeitgeber darf den Ort der Arbeitsleistung aufgrund seines Direktionsrechts aus § 106 S. 1 GewO unabhängig vom jeweiligen Berufsbild nach billigem Ermessen deshalb nur dann näher bestimmen, soweit dieser nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt ist (BAG 18.10.2012 - 6 AZR 86/11 EzA-SD 24/2012 S. 17 LSD). Findet sich also z. B. in einem Arbeitsvertrag keine Versetzungsklausel, so ist die einseitige Versetzungsmöglichkeit durch Direktionsrecht des Arbeitgebers an einen anderen Ort außerhalb des Betriebes - und sei dieser auch nur 13 km entfernt - nicht gegeben (Landesarbeitsgericht Nbg. 17.02.2004 NZA-RR 2004, 628). Enthält ein Arbeitsvertrag keine ausdrücklichen Regelungen zum Arbeitsort, so gilt der Betriebssitz als vertraglich festgelegt (§ 269 Abs. 1 BGB). Danach liegt der Leistungsort mangels Leistungsbestimmung am Betriebssitz, wenn sich der Ort der Leistung nicht aus der Natur des Schuldverhältnisses ergibt; ohne Versetzungsvorbehalt kommt dann eine einseitige Änderung nicht in Betracht (Landesarbeitsgericht BW 10.12.2010 LAGE § 611 BGB 2002 Direktionsrecht Nr. 2).

57

Vor diesem rechtlichen Hintergrund gilt Folgendes:

58

In der Stellenbeschreibung vom 10.11.2011 sind in Ablösung einer vorherigen Stellenbeschreibung die Aufgaben und Befugnisse der Klägerin im Einzelnen einvernehmlich zwischen den Parteien festgelegt worden. Diese Stellenbeschreibung ist aufgrund ausdrücklicher und besonderer Vereinbarung nach dem Willen beider Vertragsparteien Bestandteil des Arbeitsvertrages geworden. Ausdrücklich ist - davon ist das Arbeitsgericht zutreffend ausgegangen - in dieser Stellenbeschreibung auch vereinbart worden, dass sie nur im gegenseitigen Einvernehmen verändert werden kann. Dieses gegenseitige Einvernehmen ist vorliegend - unstreitig - nicht gegeben. Die Klägerin hat sich der Änderung ihres Aufgabenbereichs, die die Beklagte einseitig mit Schreiben vom 31.07.2012 angeordnet hat, ausdrücklich widersetzt. Folglich liegt eine einvernehmliche Änderung des zwischen beiden Parteien vereinbarten und von der Klägerin wahrzunehmenden Aufgabenbereichs nicht vor. Daneben ist ein Weisungsrecht des Arbeitgebers zur einseitigen Abwendung des einvernehmlich vereinbarten Aufgabenbereichs durch die Stellenbeschreibung, die Gegenstand des Arbeitsvertrags geworden ist, nicht gegeben.

59

Auf die von der Beklagten dargelegten Gründe zur Notwendigkeit der Ausübung des Weisungsrechts aus betrieblichen Gründen sowie aus Gründen des Gesundheitsschutzes der Klägerin führen keineswegs dazu, dass die einseitige Veränderung des Aufgabenbereichs jedenfalls im Wege des Direktionsrechts durch die Beklagte zulässig ist. Denn nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut (§ 106 Satz 1 GewO) besteht, wie dargelegt, das Weisungsrecht eben gerade dann nicht, soweit die Arbeitsbedingungen durch den Arbeitsvertrag bzw. sonst durch einzelvertrag-liche Vereinbarung festgelegt sind. Soweit die Beklagte aus betrieblichen oder personenbedingten Gründen eine Änderung des Arbeitsvertrages vornehmen will, ist dies lediglich durch Ausspruch einer Änderungskündigung möglich, was allerdings voraussetzt, dass die beabsichtigte Änderung der Arbeitsbedingungen sozial gerechtfertigt ist.

60

Das Berufungsvorbringen der Beklagten, soweit vorliegend nicht bereits beschieden, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhalts. Denn es enthält keinerlei neue, nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiierte Tatsachenbehauptungen, die zu einem anderem Ergebnis führen könnten. Gleiches gilt für etwaige Rechtsbehauptungen. Das Vorbringen der Beklagten macht lediglich deutlich, dass sie - aus ihrer Sicht verständlich - mit der tatsächlichen und rechtlichen Würdigung des hier maßgeblichen Lebenssachverhalts durch das Arbeitsgericht, der die Kammer letztlich folgt, nicht einverstanden ist. Weitere Ausführungen sind folglich nicht veranlasst.

61

Nach alledem war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

62

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

63

Für eine Zulassung der Revision war angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 21. Okt. 2013 - 5 Sa 252/13

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 21. Okt. 2013 - 5 Sa 252/13

Referenzen - Gesetze

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 21. Okt. 2013 - 5 Sa 252/13 zitiert 17 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 64 Grundsatz


(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt. (2) Die Berufung kann nur eingelegt werden, a) wenn sie in dem Urtei

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen


(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt is

Zivilprozessordnung - ZPO | § 519 Berufungsschrift


(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 611 Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag


(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. (2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 138 Sittenwidriges Rechtsgeschäft; Wucher


(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig. (2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen W

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 134 Gesetzliches Verbot


Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

Gewerbeordnung - GewO | § 106 Weisungsrecht des Arbeitgebers


Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder geset

Zivilprozessordnung - ZPO | § 518 Berufungsfrist bei Urteilsergänzung


Wird innerhalb der Berufungsfrist ein Urteil durch eine nachträgliche Entscheidung ergänzt (§ 321), so beginnt mit der Zustellung der nachträglichen Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist auch für die Berufung gegen das zuerst ergangene Urteil von

Teilzeit- und Befristungsgesetz - TzBfG | § 8 Zeitlich nicht begrenzte Verringerung der Arbeitszeit


(1) Ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden hat, kann verlangen, dass seine vertraglich vereinbarte Arbeitszeit verringert wird. (2) Der Arbeitnehmer muss die Verringerung seiner Arbeitszeit und den Umfang der Ve

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 269 Leistungsort


(1) Ist ein Ort für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen, insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses, zu entnehmen, so hat die Leistung an dem Ort zu erfolgen, an welchem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältni

Gesetz zum Schutze der arbeitenden Jugend


Jugendarbeitsschutzgesetz - JArbSchG

SeeArbG - SeeArbG | § 32 Dienstleistungspflicht


Das Besatzungsmitglied hat die Dienste zu verrichten, zu denen es im Rahmen des Heuerverhältnisses verpflichtet ist. Es hat dabei den Anordnungen der zuständigen Vorgesetzten Folge zu leisten.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 21. Okt. 2013 - 5 Sa 252/13 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 21. Okt. 2013 - 5 Sa 252/13 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 18. Okt. 2012 - 6 AZR 86/11

bei uns veröffentlicht am 18.10.2012

Tenor 1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 3. Dezember 2010 - 8 Sa 1770/10 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 17. Mai 2011 - 9 AZR 201/10

bei uns veröffentlicht am 17.05.2011

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 7. Januar 2010 - 17 Sa 1151/09 - wird zurückgewiesen.

Referenzen

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

Wird innerhalb der Berufungsfrist ein Urteil durch eine nachträgliche Entscheidung ergänzt (§ 321), so beginnt mit der Zustellung der nachträglichen Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist auch für die Berufung gegen das zuerst ergangene Urteil von neuem. Wird gegen beide Urteile von derselben Partei Berufung eingelegt, so sind beide Berufungen miteinander zu verbinden.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.

Das Besatzungsmitglied hat die Dienste zu verrichten, zu denen es im Rahmen des Heuerverhältnisses verpflichtet ist. Es hat dabei den Anordnungen der zuständigen Vorgesetzten Folge zu leisten.

Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 7. Januar 2010 - 17 Sa 1151/09 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Pflicht der Beklagten, den Kläger an beweglichen Ferientagen von der Arbeitspflicht, hilfsweise der Unterrichtspflicht freizustellen, sowie um die Feststellung, dass die Musik- und Kunstschule der Beklagten eine öffentliche Schule iSd. § 6 Abs. 2 Satz 1 des Schulgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen ist.

2

Die Parteien verbindet seit dem 1. April 1986 ein Arbeitsverhältnis. Die Beklagte beschäftigt den Kläger als Musiklehrer für die Fächer Gitarre und Elementarunterricht an ihrer Musik- und Kunstschule in B (MKS).

3

Der Unterricht an der MKS, der als Klassen-, Gruppen- oder Einzelunterricht erteilt wird, erfolgt vierstufig. Während den Schülern in der Grundstufe eine musikalische Grundbildung vermittelt wird, liegt der Schwerpunkt in der Unter-, Mittel- und Oberstufe auf Instrumental-, Vokal- und Ensemblefächern. Die MKS bietet zudem in allen Stufen Ergänzungsfächer und Projekte verschiedener Art an.

4

Unter dem 6. Dezember 1985 schlossen die Parteien einen Formulararbeitsvertrag, der ua. folgende Regelungen vorsieht:

        

„§ 2   

        

Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961, dem Bezirks-Zusatztarifvertrag zum BAT (BZT-A/NW) vom 05.10.1961 und den diese Tarifverträge ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in ihrer jeweils geltenden Fassung. Daneben sind die für Angestellte der Stadt B jeweils geltenden sonstigen Tarifverträge anzuwenden. Außerdem gelten die Richtlinien der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände über die Vergütung der im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrer und Leiter von Musikschulen von 12.01.1973.

        

…       

        

Die Dienstanweisung für Lehrkräfte der Musik- und Kunstschule und die Schulordnung sind ebenfalls Bestandteil des Arbeitsvertrages.

        

…       

        

§ 4     

        

Die Pflichtstundenzahl beträgt 28 Unterrichtsstunden wöchentlich.

        

§ 5     

        

Für den Erholungsurlaub gelten die Regelungen für Lehrer an allgemeinbildenden Schulen.

        

...     

        

§ 7     

        

Die Lehrkraft ist verpflichtet, entsprechend den Aufgaben der Musik- und Kunstschule über die reine Unterrichtstätigkeit hinaus

        

a)    

zur Übernahme von Vertretungen im Rahmen des Zumutbaren,

        

b)    

zur Mitarbeit an Schulveranstaltungen,

        

c)    

zur Teilnahme an Lehrerkonferenzen, Arbeitsgemeinschaften, Prüfungen und Musizierfreizeiten der Schüler,

        

d)    

zu einem jährlich stattfindenden Vorspiel mit den eigenen Schülern,

        

e)    

zur eigenen Fortbildung und Weiterbildung durch Teilnahme an Kursen und Tagungen.“

5

In der Folgezeit waren die Parteien uneins, wie die wöchentliche Pflichtstundenzahl zu berechnen sei. Insbesondere stritten sie über die Berechtigung der Beklagten, dem Kläger zum Ausgleich der an Schulferientagen ausfallenden Unterrichtsstunden (sog. Ferienüberhang) weitere Unterrichtsstunden zuzuweisen. Unter dem 30. November 1999 schlossen die Parteien vor dem Arbeitsgericht (- 5 Ca 2500/99 -) einen gerichtlichen Vergleich, der ua. Folgendes vorsieht:

        

„1.     

Die Parteien sind sich darüber einig, dass der Kläger arbeitsvertraglich seit dem 01.08.1999 verpflichtet ist, außerhalb der Schulferien zum Ausgleich des sogenannten Ferienüberhangs wöchentlich 1 Stunde ... abzuleisten. Darüber hinausgehende Unterrichtsverpflichtungen zum Ausgleich des Ferienüberhangs bestehen nicht und werden auch künftig nicht angeordnet. Die Parteien werden eine entsprechende Ergänzung des Arbeitsvertrages unterzeichnen.

        

2.    

Die Parteien sind weiter darüber einig, dass der Kläger arbeitsvertraglich seit dem 01.08.1999 verpflichtet ist, als Ausgleich für die Differenz zwischen der einzelvertraglichen und der tarifvertraglichen wöchentlichen Unterrichtsverpflichtung 1 Stunde ... abzuleisten. Darüber hinausgehende Verpflichtungen zum Ausgleich der Differenz zwischen der einzelvertraglich geschuldeten und der tarifvertraglich festgeschriebenen wöchentlichen Pflichtstundenzahl bestehen nicht und werden auch künftig nicht angeordnet. Dies gilt auch, soweit die tarifvertragliche Arbeitszeit künftig erhöht werden sollte. Die Parteien werden eine entsprechende Ergänzung des Arbeitsvertrages unterzeichnen.“

6

Dem Vergleichsabschluss lag ein „Berechnungsvordruck Ausgleich Schulferienüberhang“ zugrunde. In diesem heißt es ua. wie folgt:

        

„1.     

Berechnung der Ferientage/Schultage/jährlichen Arbeitstage der Musikschullehrer ...

        
                 

1.1     

Berechnung der auszugleichenden Ferientage

                          

1.1.1 

Ferientage ohne Samstage, Sonn- und Feiertage

        
                                   

Weihnachten ab 01.01.

4 Tage

        
                                   

Ostern

13 Tage

        
                                   

Pfingsten

1 Tag 

        
                                   

Sommer

32 Tage

        
                                   

Herbst

5 Tage

        
                                   

Weihnachten bis 31.12.

5 Tage

                 
                                            

60 Tage“

                 
7

Die in dem Vordruck ebenfalls vorgesehene Zeile „‚bewegliche’ Ferientage 4 Tage“ ist handschriftlich gestrichen, die Summe der Tage handschriftlich von 64 Tagen auf 60 Tage korrigiert.

8

Im Jahr 2000 beschloss das Leitungsgremium der MKS, den Musiklehrern vier bewegliche Ferientage pro Schuljahr zu gewähren. In der „Arbeitsanweisung für die Lehrkräfte der Musik- und Kunstschule“ vom 1. September 2005 (Arbeitsanweisung aF) finden sich hierzu folgende Regelungen:

        

„Präambel

        

Die pädagogischen ... Mitarbeiter ... stehen in einem Arbeitsverhältnis zur Stadt B, das geregelt wird durch den Bundes-Angestelltentarifvertrag ... und durch den jeweiligen Arbeitsvertrag. ...

        

…       

        

Darüber hinaus regelt die nachstehende Arbeitsanweisung pädagogisch fachliche und organisatorische Arbeitsabläufe ...

        

…       

        

6. Ferienregelung

        

Für die MKS gilt grundsätzlich die Ferienregelung der allgemeinbildenden Schulen. Die beweglichen Ferientage werden ... unter Berücksichtigung der in B meistgenutzten Regelung der beweglichen Ferientage festgelegt. Die MA werden informiert, sobald die Regelung für die MKS getroffen werden kann.“

9

Der vom Ministerium für Schule, Jugend und Kinder Nordrhein-Westfalen (Schulministerium NRW) herausgegebene Runderlass „Ordnung der Ferien und Termine für die Aushändigung der Halbjahreszeugnisse“ vom 26. Juni 2003 (ABl. NRW S. 234, BASS 12 - 65 Nr. 1) sah für die Schuljahre 2003/2004 bis 2009/2010 entweder drei oder vier bewegliche Ferientage vor.

10

Am 17. Dezember 2008 teilte der Leiter der MKS dem Lehrerkollegium während einer Hauptkonferenz mit, den Lehrkräften fortan keine beweglichen Ferientage gewähren zu wollen.

11

Mit Schreiben vom 17. Juni 2009 unterrichtete die Beklagte den bei ihr gebildeten Personalrat von ihrer Absicht, Nr. 6 der Arbeitsanweisung aF wie folgt zu ändern:

        

„6. Ferienregelung

        

Für die MKS gilt grundsätzlich die Ferienregelung der allgemeinbildenden Schulen. Bewegliche Ferientage werden nicht gewährt.“

12

Auf die Aufforderung der Beklagten, seine Beteiligungsrechte wahrzunehmen, erklärte der Personalrat mit Schreiben vom 23. Juni 2009, der beabsichtigten Änderung nicht zuzustimmen, im Übrigen aber auf ein weiteres Verfahren nach dem Landespersonalvertretungsgesetz zu verzichten.

13

Am 7. Juli 2009 änderte die Beklagte die Arbeitsanweisung in Nr. 6, die fortan die gegenüber dem Personalrat angekündigte Fassung hat (Arbeitsanweisung nF).

14

Der Kläger ist der Rechtsauffassung, die Beklagte sei arbeitsvertraglich verpflichtet, ihn über den gesetzlich und tarifvertraglich geregelten Erholungsurlaub hinaus an vier beweglichen Ferientagen im Schuljahr von jeder Arbeitsverpflichtung, hilfsweise von der Verpflichtung, Unterricht zu erteilen, freizustellen. Die Arbeitsanweisung bestehe in der alten Fassung fort, da die Beklagte sie nicht wirksam geändert habe. Zum einen habe sie das nach dem LPVG NRW vorgeschriebene Verfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt, zum anderen fehle es an einer den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entsprechenden Bekanntmachung der Änderung. Der von ihm erhobene Anspruch finde darüber hinaus in dem Vergleich vom 30. November 1999 seine Rechtfertigung. Ferner habe sich durch die jahrelange Gewährung beweglicher Ferientage eine betriebliche Übung gebildet, die die Beklagte nicht wirksam beseitigt habe. Schließlich folge sein Anspruch aus den Ferienbestimmungen nach § 7 Abs. 2 des Schulgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 15. Februar 2005 (SchulG NRW) sowie den dazu erlassenen Ferienordnungen in ihrer jeweiligen Fassung. Denn die MKS sei eine öffentliche Schule iSd. § 6 Abs. 2 Satz 1 SchulG NRW.

15

Der Kläger hat zunächst verlangt, die Beklagte zu verurteilen, ihn an vier kalendarisch bestimmten Tagen, hilfsweise an vier von der Beklagten zu bestimmenden Tagen von der Verpflichtung zur Unterrichtserteilung freizustellen. Außerdem hat er begehrt, ihn in jedem Schuljahr an vier Unterrichtstagen „zum Zwecke der Gewährung von beweglichen Ferientagen freizustellen“. Sodann hat er die Klage erweitert und beantragt festzustellen, dass die MKS eine öffentliche Schule iSv. § 6 Abs. 2 Satz 1 SchulG NRW ist. Schließlich hat er hilfsweise die Gewährung von vier beweglichen Ferientagen verlangt und deren zeitliche Lage in das Ermessen des Gerichts gestellt. Die zeitliche Lage der von ihm begehrten Ferientage hat er in der ersten und zweiten Instanz mehrfach geändert. Vor dem Landesarbeitsgericht hat er zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn schuljährlich für vier bewegliche Ferientage freizustellen, und

        

2.    

festzustellen, dass die Musik- und Kunstschule der Stadt B eine öffentliche Schule im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 1 SchulG NRW ist.

16

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, für das Klagebegehren fehle es an einer Rechtsgrundlage. Der Vergleich der Parteien vom 30. November 1999 regele allein die Schulferienzeit, ohne Festlegungen hinsichtlich der beweglichen Ferientage zu treffen. Die Ferienordnung des Landes Nordrhein-Westfalen gelte nicht für die MKS; denn diese sei keine Schule im Sinne des SchulG NRW.

17

Das Arbeitsgericht hat der Klage insoweit stattgegeben, als es die Beklagte verurteilt hat, dem Kläger für das Jahr 2008/2009 zwei weitere bewegliche Ferientage zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter. In der Revisionsinstanz hat er den zuletzt vor dem Landesarbeitsgericht gestellten Klageantrag zu 1. mit dem Inhalt neu gefasst festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn an beweglichen Ferientagen, deren Anzahl für öffentliche Schulen im Land Nordrhein-Westfalen festgesetzt wird, vollständig von der Arbeitspflicht, hilfsweise von der Unterrichtspflicht freizustellen.

Entscheidungsgründe

18

Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts, soweit dieses die Klage abgewiesen hat, im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.

19

I. Die Klage ist zulässig.

20

1. Der in der Revisionsinstanz neu gefasste Feststellungsantrag zu 1. begegnet keinen durchgreifenden prozessrechtlichen Bedenken.

21

a) Die Änderungen, die der Klageantrag zu 1. seit der Erhebung der Klage erfahren hat, haben auf die Zulässigkeit der Klage keinen Einfluss.

22

aa) Soweit der Klageantrag zu 1. in zeitlicher Hinsicht in der Berufungsinstanz erweitert worden ist, hat der Senat die hierin liegende Klageänderung nicht auf ihre Zulässigkeit zu überprüfen.

23

(1) Mit dem Klageantrag zu 1. hat der Kläger vor dem Arbeitsgericht beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihm für das Schuljahr 2009/2010 für die Tage 15. und 16. Februar 2010, den 12. April 2010 sowie den 26. Mai 2010 bewegliche Ferientage zu gewähren, hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, ihm vier bewegliche, in das Ermessen des Gerichts gestellte Ferientage für das Schuljahr 2009/2010 zu gewähren. In der Folgezeit hat er an anderen Tagen Freistellung begehrt. In der Berufungsinstanz hat er den Antrag geändert und die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn schuljährlich für vier bewegliche Ferientage freizustellen. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts, diesen zuletzt gestellten Sachantrag zu bescheiden, unterliegt nicht der Überprüfung durch den Senat. Gemäß § 533 Nr. 2 ZPO ist eine Klageänderung im Berufungsverfahren zulässig, wenn sie auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat. Dies sind nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO die vom Gericht des ersten Rechtszugs festgestellten Tatsachen.

24

(2) Ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 533 ZPO vorliegen, ist in der Revisionsinstanz nicht zu überprüfen, wenn das Berufungsgericht - wie hier das Landesarbeitsgericht - in der Sache über den erweiterten Streitgegenstand entschieden hat(vgl. BAG 21. April 2009 - 3 AZR 285/07 - Rn. 20, AP BetrAVG § 1 Beamtenversorgung Nr. 20). Dies folgt aus einer entsprechenden Anwendung von § 268 ZPO(vgl. BGH 25. Oktober 2007 - VII ZR 27/06 - Rn. 9, NJW-RR 2008, 262). Danach findet eine Anfechtung der Entscheidung, dass eine Änderung der Klage nicht vorliege oder dass die Änderung zuzulassen sei, nicht statt. Nach dem Zweck des Berufungsrechts dient die Berufungsinstanz in erster Linie der Fehlerkontrolle der erstinstanzlichen Entscheidung. § 533 ZPO verhindert deshalb, dass sich das Berufungsgericht im Rahmen neuer Streitgegenstände mit neuem Streitstoff befassen und hierzu eine Sachentscheidung treffen muss. Dieser Zweck kann nicht mehr erreicht werden, wenn das Berufungsgericht über die Klageänderung sachlich entschieden hat. Dabei spielt es keine Rolle, ob es zu einer Sachentscheidung gelangt ist, weil es die Voraussetzungen des § 533 ZPO bejaht oder dessen Anwendbarkeit im Einzelfall verneint hat.

25

bb) Soweit der Kläger in der Berufungsinstanz davon abgesehen hat, gegen die Beklagte einen Leistungstitel zu erwirken, und sein Klagebegehren nunmehr mit einem Feststellungsantrag verfolgt, gilt Entsprechendes. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über den Feststellungsantrag zu 1. hindert den Senat daran, die Antragsänderung an den zivilprozessualen Vorgaben des § 533 ZPO zu messen(§ 268 ZPO entsprechend).

26

cc) Der Kläger hat den Feststellungsantrag zu 1. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat sprachlich neu gefasst. Dies ist in prozessrechtlicher Hinsicht unbedenklich. Er hat sein Klagebegehren verdeutlicht, ohne sein Klagebegehren seinem Inhalt nach zu ändern.

27

b) Der Kläger hat ein rechtliches Interesse daran, durch das Gericht feststellen zu lassen, ob die Beklagte verpflichtet ist, ihn an beweglichen Ferientagen, deren Anzahl für öffentliche Schulen im Land Nordrhein-Westfalen festgesetzt wird, vollständig von der Arbeitspflicht, hilfsweise von der Unterrichtspflicht freizustellen (§ 256 Abs. 1 ZPO).

28

aa) Eine allgemeine Feststellungsklage braucht sich nicht notwendig auf das gesamte Rechtsverhältnis zu erstrecken. Der Kläger kann sie auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken (BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 139/08 - Rn. 20, BAGE 132, 195). So liegt der Fall hier. Die von dem Kläger begehrte Feststellung bezieht sich lediglich auf einzelne Tage während des Schuljahres. Ob und gegebenenfalls welche arbeitsvertraglichen Pflichten den Kläger an diesen Tagen treffen, ist zwischen den Parteien streitig.

29

bb) Der grundsätzlich geltende Vorrang der Leistungsklage (vgl. BAG 11. Dezember 2001 - 9 AZR 435/00 - zu I der Gründe, EzA ZPO § 256 Nr. 59) steht der Zulässigkeit des Feststellungsantrags nicht entgegen. Der Vorrang der Leistungsklage dient dem Zweck, Rechtsstreitigkeiten prozesswirtschaftlich sinnvoll zu erledigen (vgl. BAG 15. März 2005 - 9 AZR 142/04 - zu III 1 der Gründe, BAGE 114, 80). Danach ist eine Feststellungsklage zulässig, wenn mit ihr eine sachgerechte, einfache Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte zu erreichen ist und prozesswirtschaftliche Überlegungen gegen einen Zwang zur Leistungsklage sprechen (vgl. BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 19, BAGE 129, 72).

30

Diese Voraussetzungen liegen vor. Das der Vollstreckung nicht zugängliche Feststellungsurteil ist geeignet, den rechtlichen Konflikt der Parteien endgültig zu lösen und weitere Prozesse zu vermeiden. Zwischen den Parteien besteht Streit, ob dem Kläger bewegliche Ferientage zustehen; die Ausgestaltung der Leistungspflichten der Beklagten steht nicht im Streit.

31

2. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts ist auch der Feststellungsantrag zu 2. zulässig.

32

a) Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, die von dem Kläger begehrte Feststellung habe eine abstrakte Rechtsfrage zum Inhalt, die nicht auf die Klärung konkreter Rechte und Pflichten zwischen den Prozessparteien gerichtet sei.

33

b) Das Landesarbeitsgericht hat verkannt, dass der Klageantrag zu 2. die Voraussetzungen einer Zwischenfeststellungsklage erfüllt (§ 256 Abs. 2 ZPO).

34

Nach § 256 Abs. 2 ZPO kann die Klagepartei bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, durch Erweiterung des Klageantrags beantragen, dass ein Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder teilweise abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt wird. § 256 Abs. 2 ZPO ermöglicht die Ausdehnung der Rechtskraft auch auf das dem Klagebegehren vorgreifliche Rechtsverhältnis und die tragenden Entscheidungsgründe. Die Vorgreiflichkeit ersetzt das ansonsten für die Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse (BAG 18. September 2007 - 9 AZR 672/06 - Rn. 13, BAGE 124, 80). So ist es hier. Der Kläger stützt den mit dem Feststellungsantrag zu 1. verfolgten Anspruch ua. auf die Ferienbestimmungen nach § 7 Abs. 2 SchulG NRW. Diese gelten lediglich für Schulen iSd. § 6 Abs. 2 Satz 1 SchulG. Die Vorfrage, ob die MKS zu den Schulen im genannten Sinne gehört, ist damit einer gerichtlichen Feststellung im Wege der Zwischenfeststellungsklage zugänglich.

35

II. Die Klage ist nicht begründet. Dies gilt sowohl für den Feststellungsantrag zu 1., den der Kläger in Form eines Haupt- und Hilfsantrags gestellt hat, als auch für den Feststellungsantrag zu 2.

36

1. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, den Kläger an beweglichen Ferientagen, deren Anzahl für öffentliche Schulen im Land Nordrhein-Westfalen festgesetzt wird, vollständig von der Arbeitspflicht freizustellen. Für das Feststellungsbegehren, das der Kläger mit dem Feststellungsantrag zu 1. in der Hauptsache verfolgt, fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Der Hauptantrag könnte nur Erfolg haben, wenn der Kläger - über den Anspruch auf Erholungsurlaub hinaus - Freistellung in der Weise verlangen könnte, dass er an beweglichen Ferientagen von der Unterrichtsverpflichtung zu befreien sei und die Beklagte auch gehindert wäre, den Kläger an diesen Tagen zur Leistung sonstiger Arbeit heranzuziehen. Es fehlt bereits an der ersten Voraussetzung. Dem Kläger steht ein Anspruch auf bewegliche Ferientage nicht zu.

37

a) Der Arbeitsvertrag der Parteien vom 6. Dezember 1985 rechtfertigt das Klagebegehren nicht. Die Parteien haben die Frage, ob und gegebenenfalls wie viele bewegliche Ferientage dem Kläger zustehen, im Arbeitsvertrag nicht geregelt.

38

b) Der Kläger stützt sein Feststellungsbegehren ohne Erfolg auf Nr. 6 der Arbeitsanweisung aF.

39

aa) Gemäß Nr. 6 der Arbeitsanweisung aF legt die Beklagte die beweglichen Ferientage unter Berücksichtigung der örtlichen Gepflogenheiten fest.

40

bb) Die Arbeitsanweisung in der zitierten Fassung ist für das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht maßgeblich. Sie wurde mit Wirkung zum 7. Juli 2009 durch die Regelung Nr. 6 der Arbeitsanweisung nF abgelöst, der zufolge bewegliche Ferientage nicht gewährt werden.

41

(1) Die Beklagte war befugt, die Arbeitsanweisung unter dem 7. Juli 2009 zu ändern.

42

(a) Nr. 6 der Arbeitsanweisung aF enthält keine rechtsgeschäftliche Abrede zwischen den Parteien, die es der Beklagten verwehrt, die Weisung einseitig zu ändern. Die Beklagte legte die beweglichen Ferientage in Ausübung des ihr als Arbeitgeberin zustehenden Direktionsrechts fest. Rechtsgeschäftliche Ansprüche des Klägers entstanden deshalb durch den Erlass der Arbeitsanweisung nicht.

43

(aa) Nach § 106 Satz 1 GewO kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Die Regelung in § 106 Satz 1 GewO trägt der Gegebenheit Rechnung, dass Arbeitsverträge nur eine rahmenmäßig umschriebene Leistungspflicht festlegen können(BAG 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 47, AP BGB § 307 Nr. 26). Das Direktionsrecht als „Wesensmerkmal eines jeden Arbeitsverhältnisses“ (BAG 23. September 2004 - 6 AZR 567/03 - Rn. 17, BAGE 112, 80) ermöglicht es dem Arbeitgeber, diese rahmenmäßig umschriebene Leistungspflicht des Arbeitnehmers im Einzelnen nach zeitlicher Verteilung, Art und Ort unter Beachtung billigen Ermessens festzulegen (vgl. BAG 15. September 2009 - 9 AZR 757/08 - Rn. 52, BAGE 132, 88).

44

(bb) Die Auslegung der Arbeitsanweisung ergibt entgegen der Ansicht der Revision, dass die Beklagte von ihrem Weisungsrecht Gebrauch machte, ohne Ansprüche des Klägers zu begründen.

45

Der Wortlaut der Arbeitsanweisung ist nicht eindeutig. Er lässt offen, ob die Beklagte mit dem Erlass der Arbeitsanweisung klarstellen wollte, dass ihr als Inhaberin des Direktionsrechts die Befugnis zukomme, bewegliche Ferientage festzulegen, oder ob sie sich gegenüber den Lehrkräften verpflichten wollte, von dieser Befugnis Gebrauch zu machen.

46

Der systematische Zusammenhang, in den die Arbeitsanweisung eingebettet ist, spricht deutlich gegen die Ansicht der Revision. Nr. 6 der Arbeitsanweisung ist Teil einer mehrseitigen „Arbeitsanweisung für die Lehrkräfte der Musik- und Kunstschule“. Sie beinhaltet Weisungen, mit denen ein Arbeitgeber typischerweise die von dem Arbeitnehmer geschuldete Arbeitsleistung konkretisiert. Dies gilt insbesondere für die in der Arbeitsanweisung enthaltenen Bestimmungen bezüglich der Arbeitszeit (Nr. 3 Buchst. a bis c, Nr. 6, 7, 11), dem Ort der Arbeitsleistung (Nr. 3 Buchst. d, Nr. 8) und dem Inhalt der geschuldeten Tätigkeit (Nr. 1, 2, 3 Buchst. b und c, Nr. 4 bis 6, 9 bis 15). Derlei Weisungen beinhalten - ohne das Hinzutreten weiterer Anhaltspunkte - nicht das Angebot des Arbeitgebers an die Arbeitnehmer, sich dem Inhalt der Anweisung entsprechend rechtsgeschäftlich binden zu wollen.

47

In dieselbe Richtung weisen Sinn und Zweck der Arbeitsanweisung. Ausweislich der Präambel war es Ziel der Arbeitsanweisung, die pädagogisch fachlichen und organisatorischen Arbeitsabläufe zu regeln. Dies erfordert, die dort niedergelegten Weisungen für eine zukünftige Abänderung offenzuhalten. Die Konkretisierung der Arbeitsabläufe gestaltet den Pflichtenkreis der Lehrkräfte aus, ohne ihnen Rechtspositionen einzuräumen, die über die im Arbeits- und Tarifvertrag bestimmten Rechte hinausgehen. Folgte man der Ansicht der Revision, dann käme es stets durch bloßen Zeitablauf zu einer Verfestigung des Status quo. Die Erstarkung von Arbeitszeitfestlegungen oder Arbeitszuweisungen zu vertraglichen Rechten ist jedoch mit der gesetzlichen Regelung des Weisungsrechts in § 106 GewO nicht vereinbar; denn dort wird dem Arbeitgeber das Recht zugewiesen, nach billigem Ermessen, jederzeit innerhalb der Grenzen des Arbeits- oder Tarifvertrags Inhalt und Zeit der Arbeitsleistung näher zu bestimmen. Daraus folgt: Der Umstand, dass Weisungen längere Zeit unverändert geblieben sind, bindet den Arbeitgeber nicht. Dieser Umstand ist allenfalls im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen.

48

(b) Durch die mehrere Jahre währende gleichmäßige Handhabung der Nr. 6 Arbeitsanweisung aF ist die Beklagte nicht gehindert, die darin enthaltenen Weisungen mit Wirkung für die Zukunft zu ändern (§ 242 BGB, § 106 GewO).

49

Arbeitspflichten können sich nach längerer Zeit auf bestimmte Arbeitsbedingungen konkretisieren. Dazu genügt jedoch nicht schon der bloße Zeitablauf. Vielmehr müssen besondere Umstände hinzutreten, aufgrund derer der Arbeitnehmer erkennen kann und darauf vertrauen darf, dass er nicht in anderer Weise eingesetzt werden soll (BAG 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 50, AP BGB § 307 Nr. 26). Die Beklagte hat dem Kläger zwar in den Jahren 2000 bis 2008 bewegliche Ferientage gewährt. Umstände, aus denen er hätte entnehmen können, die Beklagte werde auch in Zukunft so verfahren, hat der Kläger nicht vorgetragen. Im Übrigen sind sie nicht ersichtlich.

50

(2) Die Änderung der Arbeitsanweisung ist entgegen der Ansicht der Revision nicht formunwirksam. Die Revision verkennt den Rechtscharakter der Arbeitsanweisung, wenn sie meint, die Beklagte habe die für die Änderung von Satzungen geltenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften beachten müssen.

51

(a) Nach § 125 Satz 1 BGB ist ein Rechtsgeschäft, welches der durch Gesetz vorgeschriebenen Form ermangelt, nichtig. Gleiches gilt im Zweifel, wenn die Form durch Rechtsgeschäft bestimmt wurde (§ 125 Satz 2 BGB).

52

(b) Für die Änderung der Arbeitsanweisung bestanden weder gesetzliche noch rechtsgeschäftliche Formvorschriften.

53

(aa) Die öffentlich-rechtlichen Vorschriften über Satzungen sind auf die von der Beklagten erlassene Arbeitsanweisung nicht anzuwenden. Denn die Arbeitsanweisung ist keine Satzung iSd. § 7 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Juli 1994 (GO NRW). Es fehlt bereits an einer für Satzungen kennzeichnenden Regelung, die ihrem Inhalt nach darauf gerichtet ist, subjektive Rechte von Normunterworfenen zu begründen, abzuändern oder aufzuheben (vgl. hierzu BayVGH 20. September 2000 - 3 N 00.2370 - zu II 1 der Gründe). Mit der Arbeitsanweisung hat die Beklagte nur das ihr nach § 106 GewO zustehende Weisungsrecht ausgeübt. Subjektive Rechtspositionen der beschäftigten Arbeitnehmer werden hierdurch nicht berührt (vgl. II 1 b bb (1) (a)).

54

(bb) Rechtsgeschäftliche Formvorschriften hatte die Beklagte nicht zu beachten. Weder der Arbeitsvertrag noch die auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Tarifverträge binden die Ausübung des Weisungsrechts an die Einhaltung einer bestimmten Form.

55

(3) Entgegen der Ansicht der Revision war die Beklagte nicht gehalten, die geänderte Arbeitsanweisung bekannt zu machen.

56

(a) Gemäß § 25 Abs. 1 der Hauptsatzung der Stadt B vom 5. August 2004 idF der Änderungssatzung vom 27. November 2008 (Hauptsatzung) sind öffentliche Bekanntmachungen, die durch Rechtsvorschriften vorgeschrieben sind, durch Veröffentlichung in den B Tageszeitungen „N“ und „W“ vorzunehmen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes vorgeschrieben ist.

57

(b) Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Bekanntmachung der Arbeitsanweisung ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 4 Satz 1 GO NRW, wonach Satzungen öffentlich bekannt zu machen sind, liegen nicht vor. Die Arbeitsanweisung, die die Beklagte den an der MKS beschäftigten Lehrkräften erteilte, ist keine Satzung (vgl. II 1 b bb (2) (b) (aa)).

58

(4) Die Beklagte änderte die Arbeitsanweisung, ohne Mitbestimmungsrechte des Personalrats zu verletzen. Entgegen der Ansicht der Revision war der Personalrat bei der Änderung nicht zu beteiligen.

59

(a) Ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats ergibt sich nicht aus § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 des Personalvertretungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 3. Dezember 1974 (LPVG NRW). Danach hat der Personalrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen sowie über die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage mitzubestimmen. Die Voraussetzungen dieses Mitbestimmungstatbestands liegen nicht vor. Der Mitbestimmungstatbestand ist nur erfüllt, wenn durch die dienstliche Anordnung derjenige Zeitraum, in welchem der Beschäftigte seine Verpflichtung zur Dienstleistung zu erfüllen hat, nach Wochentag, Dauer und Uhrzeit fixiert wird (vgl. zur Einführung von Präsenztagen für Lehrer BVerwG 23. August 2007 - 6 P 7.06 - Rn. 31, PersR 2007, 476). Die Anordnung der Beklagten, zukünftig keine beweglichen Ferientage zu gewähren, legt die Anwesenheitspflicht der Lehrkräfte nicht nach Dauer und Uhrzeit fest.

60

(b) Die Beklagte hatte den Personalrat auch nicht nach § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LPVG NRW zu beteiligen. Die Vorschrift gewährt dem Personalrat ein Mitbestimmungsrecht, wenn der Arbeitgeber unter den dort näher bezeichneten Voraussetzungen Überstunden oder Mehrarbeit anordnet. Zweck der Bestimmung ist es, die Beschäftigten vor übermäßiger zeitlicher Inanspruchnahme zu schützen (vgl. zu der inhaltsgleichen Vorschrift des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PersVG Sachsen-Anhalt BVerwG 22. Mai 2006 - 6 PB 15.05 - Rn. 7, Buchholz 251.92 SAPersVG § 65 Nr. 1). Das Mitbestimmungsrecht setzt eine dienstplangemäß oder betriebsüblich über die tarifliche bzw. vereinbarte regelmäßige Wochenarbeitszeit reichende Beanspruchung der Beschäftigten voraus. Der Wegfall der beweglichen Ferientage führt für sich genommen weder zu einer Überschreitung der arbeitsvertraglichen noch der tariflich bestimmten Wochenarbeitszeit.

61

(c) Ebenso wenig ist der Mitbestimmungstatbestand des § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 LPVG NRW erfüllt. Danach unterliegen die Aufstellung des Urlaubsplans und die Festsetzung der zeitlichen Lage des Erholungsurlaubs für einzelne Beschäftigte unter den dort genannten Einschränkungen der Mitbestimmung durch den Personalrat. Die beweglichen Ferientage, die infolge der Änderung der Arbeitsanweisung wegfallen, waren kalendarisch nicht bestimmt. Der Mitbestimmungstatbestand ist selbst dann nicht erfüllt, wenn man zugunsten des Klägers den Wegfall der beweglichen Ferientage mit der Anordnung einer Urlaubssperre gleichstellt. Bestimmt der Arbeitgeber Zeiträume, in denen er Arbeitnehmern keinen Urlaub gewähren will, erfüllt dies nicht die Kriterien, die für eine Urlaubsplanung kennzeichnend sind. Denn die Anordnung dient nicht der Koordinierung der individuellen Urlaubswünsche der Beschäftigten (vgl. BVerwG 19. Januar 1993 - 6 P 19.90 - zu II der Gründe, BVerwGE 91, 343).

62

(d) Die Änderung der Arbeitsanweisung ist auch nicht gemäß § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 LPVG NRW mitbestimmt. Danach unterliegt die Gestaltung des Entgelts innerhalb der Dienststelle der Mitbestimmung. Der Wegfall von beweglichen Ferientagen hat weder Einfluss auf die Zusammensetzung noch auf die Höhe der an diesen Tagen von der Beklagten zu zahlenden Arbeitsvergütung.

63

(e) Selbst wenn man die Auffassung der Revision teilte, die Änderung der Arbeitsanweisung wäre mitbestimmungspflichtig, würde dies nach der vom Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts entwickelten Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung dem Feststellungsantrag nicht zum Erfolg verhelfen.

64

(aa) Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat zum Betriebsverfassungsrecht den Rechtssatz aufgestellt, dass die tatsächlich durchgeführte Mitbestimmung zwar Wirksamkeitsvoraussetzung für Maßnahmen zum Nachteil des Arbeitnehmers ist. Maßnahmen zum Nachteil der Arbeitnehmer sind danach allerdings nur solche, die bereits bestehende Rechtspositionen der Arbeitnehmer beeinträchtigen. Die Verletzung von Mitbestimmungsrechten führt nicht dazu, dass sich individualrechtliche Ansprüche der betroffenen Arbeitnehmer ergäben, die zuvor noch nicht bestanden. Bei Nichtbeachtung der Mitbestimmung durch den Arbeitgeber erhält der Arbeitnehmer daher keinen Erfüllungsanspruch auf Leistungen, welche die bestehende Vertragsgrundlage übersteigen (BAG 9. November 2010 -  1 AZR 147/09  - Rn. 23, PersR 2011, 176).

65

(bb) Die vom Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts entwickelte Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung ist auch auf den Streitfall anzuwenden. Wird zugunsten des Klägers unterstellt, die Beklagte habe Mitbestimmungsrechte des Personalrats verletzt, so folgt daraus noch kein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Gewährung beweglicher Ferientage; denn es wird nicht in schon entstandene Rechte eingegriffen.

66

c) Der Vergleich, den die Parteien am 30. November 1999 vor dem Arbeitsgericht schlossen, rechtfertigt den vom Kläger erhobenen Anspruch nicht. Die vergleichsweise Einigung hat den zwischen den Parteien zum damaligen Zeitpunkt streitigen Ferienüberhang, nicht hingegen die von dem Kläger im Streitfall begehrten Ferientage zum Gegenstand. Die Auslegung des Vergleichs durch das Landesarbeitsgericht ist zutreffend.

67

aa) Gemäß Nr. 1 Satz 1 des Vergleichs ist der Kläger zum Ausgleich des sogenannten Ferienüberhangs verpflichtet, außerhalb der Schulferien wöchentlich eine Stunde abzuleisten. Darüber hinausgehende Unterrichtsverpflichtungen zum Ausgleich des Ferienüberhangs sollten nicht bestehen und künftig nicht angeordnet werden (Nr. 1 Satz 2 des Vergleichs). Des Weiteren vereinbarten die Parteien unter Nr. 2 Satz 1 des Vergleichs, der Kläger sei verpflichtet, als Ausgleich für die Differenz zwischen der einzelvertraglichen und der tarifvertraglichen wöchentlichen Unterrichtsverpflichtung eine Stunde abzuleisten. Darüber hinausgehende Verpflichtungen zum Ausgleich der Differenz zwischen der einzelvertraglich geschuldeten und der tarifvertraglich festgeschriebenen wöchentlichen Pflichtstundenzahl sollten nicht bestehen und künftig nicht angeordnet werden (Nr. 2 Satz 2 des Vergleichs).

68

bb) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Vergleich verhalte sich nicht zu der Frage, ob dem Kläger bewegliche Ferientage zustünden. Der Vergleich regele Fragen des Ferienüberhangs. Die Parteien seien bei Abschluss des Vergleichs von 60 Schulferientagen ausgegangen, ohne die beweglichen Ferientage einzubeziehen.

69

cc) Der Senat braucht nicht darüber zu befinden, ob die Auslegung eines Vergleichs durch das Berufungsgericht der vollständigen revisionsgerichtlichen Prüfung unterliegt oder aber das Revisionsgericht in der Überprüfung des Auslegungsergebnisses beschränkt ist (vgl. zum Streitstand etwa BAG 8. März 2006 - 10 AZR 349/05 - Rn. 32, BAGE 117, 218). Denn das von dem Landesarbeitsgericht gefundene Auslegungsergebnis hält auch einer vollständigen Kontrolle durch den Senat stand.

70

(1) Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern (§ 157 BGB). Gemäß § 133 BGB ist ausgehend vom objektiven Wortlaut der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Bei der Auslegung sind alle tatsächlichen Begleitumstände der Erklärung zu berücksichtigen, die für die Frage von Bedeutung sein können, welchen Willen der Erklärende bei seiner Erklärung gehabt hat und wie die Erklärung von ihrem Empfänger zu verstehen war (BAG 15. September 2009 - 9 AZR 757/08 - Rn. 43, BAGE 132, 88).

71

(2) Nach diesen Grundsätzen ist das von dem Landesarbeitsgericht gefundene Auslegungsergebnis nicht zu beanstanden. Die Regelung, auf die sich die Parteien unter Nr. 1 des Vergleichs verständigten, betrifft allein Fragen des sog. Ferienüberhangs, nicht aber Fragen der beweglichen Ferientage.

72

(a) Der Begriff Ferienüberhang bezeichnet den Teil der Schulferien, der den tariflichen Jahresurlaub übersteigt (vgl. BAG 13. Dezember 2001 - 6 AZR 127/00 - zu B I 2 b cc der Gründe, ZTR 2002, 323). Es ist ein Überhang an Freizeit, der durch die unterrichtsfreie Zeit in den Schulferien entsteht und der nicht durch Urlaub oder anderweitigen Arbeitseinsatz ausgefüllt wird. Demgegenüber fallen unter den Begriff der beweglichen Ferientage die Tage während der Schulferien, die nach § 3 Abs. 5 Satz 2 des Hamburger Abkommens zur Berücksichtigung örtlicher Verhältnisse zugelassen werden können.

73

(b) Ausweislich des Wortlauts von Nr. 1 des Vergleichs verständigten sich die Parteien auf die im Vergleich aufgeführten Klauseln „zum Ausgleich des Ferienüberhangs“. Einen deutlichen Hinweis auf den Regelungswillen der Parteien liefert zudem der „Berechnungsvordruck Ausgleich Schulferienüberhang“, den der Kläger zu den Akten gereicht hat. Der Vordruck weist als Summe der Ferientage 60 und nicht 64 Tage aus. Die Differenz beruht auf der handschriftlichen Streichung der Zeile „‚bewegliche’ Ferientage 4 Tage“. Hätten die Parteien die Frage der beweglichen Ferientage in dem Vergleich regeln wollen, hätten sie diese bei der Berechnung der Ferientage berücksichtigen müssen.

74

d) Der Kläger stützt sein Feststellungsbegehren ferner ohne Erfolg auf die Ferienordnung NRW. Diese findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung.

75

aa) Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 SchulG NRW sieht die Ferienordnung neben den landesweiten Ferien bewegliche Ferientage vor, über deren Termine die Schulkonferenz entscheiden kann.

76

bb) Die Ferienordnung ist weder originär noch kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anzuwenden.

77

(1) Die Ferienordnung, die das für das Schulwesen zuständige Ministerium (§ 128 Abs. 2 SchulG NRW) erlässt, gilt - wie das SchulG NRW im Allgemeinen - für Schulen iSd. SchulG NRW. Dies sind gemäß § 6 Abs. 1 SchulG NRW Bildungsstätten, die unabhängig vom Wechsel der Lehrerinnen und Lehrer sowie der Schülerinnen und Schüler nach Lehrplänen Unterricht in mehreren Fächern erteilen. Schulen iSd. der öffentlich-rechtlichen Schulgesetze der Länder sind dadurch gekennzeichnet, dass an ihnen Unterricht in verschiedenen Fächern und Stufen erteilt wird, der nicht nur inhaltlich, sondern auch methodisch und didaktisch aufeinander abgestimmt ist (vgl. BAG 12. September 1996 - 5 AZR 104/95 - zu II 1 der Gründe, BAGE 84, 124). Der Unterricht soll zu staatlich anerkannten Schulabschlüssen führen (vgl. BAG 24. Juni 1992 - 5 AZR 384/91 - zu II 2 b aa der Gründe, AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 61 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 46). Städtische Musikschulen wie die MKS gehören in der Regel nicht zu den Schulen iSd. § 6 Abs. 1 SchulG NRW(vgl. zum Bereich des Tarifrechts BAG 15. Mai 1997 - 6 AZR 170/96 - zu 2 der Gründe, ZTR 1998, 75). Denn an ihnen werden keine allgemein- oder berufsbildenden Fächer unterrichtet, die für den Schulbegriff konstitutiv sind (vgl. BayVGH 15. Juni 1994 -  7 B 92.438  - zu 2 der Gründe, NVwZ-RR 1995, 38; siehe ferner aus dem öffentlich-rechtlichen Schrifttum Hemmrich in von Münch/Kunig GG 5. Aufl. Art. 7 Rn. 4 f.; Gröschner in Dreier GG 2. Aufl. Art. 7 Rn. 24; Robbers in v. Mangoldt/Klein/Starck GG 6. Aufl. Art. 7 Rn. 52). Für die Musikschulen besteht kein Schulzwang. Es gibt regelmäßig - anders als bei den allgemeinbildenden Schulen - auch keine förmlichen Abschlüsse. Der Unterricht ist meist nur fachbezogen und im Regelfalle weniger reglementiert. Sie sind deshalb auch nicht in der Schulstruktur, die § 10 SchulG NRW beschreibt, aufgeführt.

78

(2) Die Parteien haben die Anwendung der Ferienordnung weder vereinbart, noch folgt die Anwendung aus Nr. 6 der Arbeitsanweisung aF. Nr. 6 der Arbeitsanweisung aF ist durch Nr. 6 der Arbeitsanweisung nF abgelöst worden (vgl. II 1 b bb). Die neugefasste Arbeitsanweisung sieht vor, dass die Beklagte bewegliche Ferientage nicht gewährt.

79

e) Die Regelungen über Erholungsurlaub für Lehrer an allgemeinbildenden Schulen verhelfen dem Klageantrag nicht zum Erfolg.

80

aa) Gemäß § 5 des Arbeitsvertrags richten sich die Ansprüche des Klägers auf Erholungsurlaub nach den Regelungen für Lehrer an allgemeinbildenden Schulen.

81

bb) Der Kläger macht nicht Erholungsurlaub, sondern bewegliche Ferientage geltend, die über den Erholungsurlaub, wie ihn Lehrer an allgemeinbildenden Schulen erhalten, hinausgehen. Die von den Parteien in Bezug genommenen Bestimmungen sind deshalb bereits ihrer Rechtsfolge nach nicht geeignet, das Klagebegehren zu stützen. Davon ist das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgegangen.

82

Der Anspruch auf Erholungsurlaub, der Lehrern an allgemeinbildenden Schulen zusteht, und die beweglichen Ferientage, auf die der Kläger Anspruch erhebt, sind ihrem Inhalt nach wesentlich zu unterscheiden. Der Rechtsbegriff Erholungsurlaub bezeichnet die vollständige Freistellung eines Arbeitnehmers von der Arbeitspflicht für einen bestimmten zukünftigen Zeitraum (vgl. BAG 11. Juli 2006 - 9 AZR 535/05 - Rn. 20, AuA 2007, 52). Der Erlass des Schulministeriums NRW vom 26. Juni 2003 sah für die Schuljahre 2003/2004 bis 2009/2010 entweder drei oder vier bewegliche Ferientage vor. An beweglichen Ferientagen ist der Arbeitnehmer lediglich von der Unterrichtspflicht, nicht aber von anderen Arbeitspflichten befreit (vgl. BAG 13. Februar 1996 - 9 AZR 79/95 - zu II 1 der Gründe, BAGE 82, 161). Auch die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der Parteien spiegeln dieses Regelungsverständnis. Nach § 4 des Arbeitsvertrags beträgt die Pflichtstundenzahl 28 Unterrichtsstunden pro Woche. Dieser Teil der von dem Kläger geschuldeten Arbeitsleistung kann entfallen, wenn die Beklagte beschließt, den Musikschülern während der Ferien keinen Unterricht anzubieten. Davon unberührt bleiben die arbeitsvertraglichen Pflichten des Klägers, die in § 7 des Arbeitsvertrags bestimmt sind. Danach ist er - unabhängig von etwaigen Ferienzeiten - unter den dort genannten Voraussetzungen ua. verpflichtet, Vertretungen zu übernehmen, an Schulveranstaltungen mitzuarbeiten, an Lehrerkonferenzen, Arbeitsgemeinschaften, Prüfungen und Musizierfreizeiten der Schüler mitzuwirken sowie an Weiterbildungsmaßnahmen teilzunehmen. Die Rechtsfolgen, die der Begriff der beweglichen Ferientage umschreibt, bleiben damit hinter den Rechtsfolgen des Erholungsurlaubs zurück.

83

f) Entsprechendes gilt für die tariflichen Bestimmungen, auf die die Parteien in § 2 des Arbeitsvertrags Bezug genommen haben. Die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes regeln Urlaubsansprüche, nicht jedoch Ansprüche auf bewegliche Ferientage. Gegen die zutreffenden Ausführungen des Landesarbeitsgerichts erhebt die Revision keine Einwände.

84

g) Auch die Regelungen des Bundesurlaubsgesetzes rechtfertigen das Feststellungsbegehren des Klägers nicht. Der Kläger verlangt von der Beklagten, ihm bewegliche Ferientage zu gewähren. Zwar ist der Kläger gehalten, den Erholungsurlaub innerhalb der Schulferien in Anspruch zu nehmen. Daraus folgt aber nicht, dass alle Tage der Schulferien arbeitsfreie Urlaubstage sein müssen. Das zeigt schon der Umstand, dass die Anzahl der nach § 3 Abs. 1 BUrlG zu gewährenden Urlaubstage 24 Werktage beträgt und die Anzahl der Schulferientage die Anzahl dieser Mindesturlaubstage um ein Mehrfaches übersteigt.

85

h) Ein Anspruch auf bewegliche Ferientage folgt schließlich nicht aus den Grundsätzen, die die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung zur betrieblichen Übung entwickelt hat.

86

aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe die für eine betriebliche Übung nötigen besonderen Umstände nicht vorgetragen. Mit der vollständigen Freistellung von der Arbeitsleistung begehre der Kläger eine übertarifliche Leistung. Als Beschäftigter des öffentlichen Dienstes habe er davon ausgehen müssen, dass die Beklagte ihm nur die Leistungen gewähren wolle, zu denen sie rechtlich verpflichtet sei.

87

bb) Diese rechtlichen Erwägungen halten einer uneingeschränkten Prüfung durch das Revisionsgericht stand. Daher kann offenbleiben, ob das Auslegungsergebnis, zu dem das Landesarbeitsgericht gelangt ist, einer vollständigen oder lediglich einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt (offengelassen zB von BAG 17. November 2009 -  9 AZR 765/08  - Rn. 28, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 88 = EzA BGB 2002 § 242 Betriebliche Übung Nr. 12).

88

(1) Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen dürfen, ihnen solle eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Das als Vertragsangebot zu wertende Verhalten des Arbeitgebers wird von den Arbeitnehmern angenommen, indem sie die Leistung widerspruchslos entgegennehmen. Der Zugang der Annahmeerklärung ist nach § 151 Satz 1 BGB entbehrlich. Durch die betriebliche Übung entstehen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Entscheidend für die Entstehung des Anspruchs ist nicht der Verpflichtungswille des Arbeitgebers. Maßgeblich ist, wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste (für die st. Rspr. BAG 17. November 2009 - 9 AZR 765/08 - Rn. 23 f., AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 88 = EzA BGB 2002 § 242 Betriebliche Übung Nr. 12). Für die Annahme einer betrieblichen Übung genügt es nicht, dass der Arbeitgeber tatsächliche Leistungen erbringt. Geht der Arbeitnehmer davon aus, eine gewährte Leistung stehe ihm aus einem anderen Rechtsgrund als betrieblicher Übung zu, darf er nicht auf ein darüber hinausgehendes Angebot des Arbeitgebers schließen, die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen zu seinen Gunsten zu ändern (vgl. BAG 19. Januar 2010 -  9 AZR 246/09  - Rn. 56, EzA TVG § 4 Bewachungsgewerbe Nr. 4).

89

(2) Die für eine betriebliche Übung erforderlichen besonderen tatsächlichen Umstände sind nicht ersichtlich. Die nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts sind für den Senat nach § 559 Abs. 2 ZPO bindend. Der Kläger nimmt zudem an, die Beklagte sei sowohl aufgrund der arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Ferienordnung für die öffentlichen Schulen des Landes Nordrhein-Westfalen als auch aufgrund des gerichtlichen Vergleichs vom 30. November 1999 verpflichtet, ihn an den geltend gemachten Tagen von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung freizustellen. Unter diesen Umständen konnte er nicht davon ausgehen, die Beklagte wolle ihm gegenüber eine freiwillige Leistung erbringen, indem sie ihm in den Jahren 2000 bis 2008 an bestimmten Tagen keine Arbeitsaufgaben zuwies.

90

i) Ein Anspruch auf die weitere Gewährung von beweglichen Ferientagen ergibt sich schließlich nicht aus der Verpflichtung der Beklagten, bei der Verteilung der Arbeitszeit nach § 106 Satz 1 GewO billiges Ermessen auszuüben. Die von der Beklagten getroffene Bestimmung, die Arbeitszeit ohne Berücksichtigung beweglicher Ferientage zu verteilen und damit die Anzahl der innerhalb der tariflichen Arbeitszeit zu leistenden Unterrichtsstunden zu erhöhen, ist jedenfalls nicht so schwer ermessensfehlerhaft, dass sie nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB unverbindlich und nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB durch das Gericht im Sinne des Verlangens des Klägers zu ersetzen wäre. Die Beklagte hat sich gemäß dem Protokoll der Hauptkonferenz der Musik- und Kunstschule vom 17. Dezember 2008 zur Rechtfertigung der Änderung der Unterrichtszeiten ua. auf entsprechende Wünsche von Schülern, Eltern und unterrichtswilligen Honorarkräften berufen und auf erhebliche Ausfälle von Kursgebühren hingewiesen, die an beweglichen Ferientagen entstehen. Das sind beachtliche Sachgründe, die ein dienstliches Interesse an der Änderung der Arbeitszeitverteilung begründen. Entgegenstehende überwiegende Interessen des Klägers sind nicht erkennbar.

91

2. Der Hilfsantrag ist ebenfalls nicht begründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, den Kläger an beweglichen Ferientagen, deren Anzahl für öffentliche Schulen im Land Nordrhein-Westfalen festgesetzt wird, von der Unterrichtspflicht freizustellen. Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf bewegliche Ferientage (vgl. II 1).

92

3. Auch mit dem Feststellungsantrag zu 2. ist der Kläger nicht erfolgreich. Die Musik- und Kunstschule der Stadt B ist keine öffentliche Schule im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 1 SchulG NRW(vgl. II 1 d bb (1)).

93

III. Der Kläger hat die Kosten der erfolglosen Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

        

    Düwell    

        

    Krasshöfer    

        

    Suckow    

        

        

        

    Pielenz    

        

    Kranzusch    

                 

Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 3. Dezember 2010 - 8 Sa 1770/10 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung der Klägerin von Berlin nach Frankfurt (Oder).

2

Die im September 1967 geborene Klägerin erzieht ihr schulpflichtiges Kind, dem sie zum Unterhalt verpflichtet ist, allein. Sie ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di. Die Klägerin wird seit September 1989 von der Beklagten und deren Rechtsvorgängerinnen beschäftigt. Die Beklagte erbringt bundesweit Callcenter-Dienstleistungen. Der zuletzt zwischen der Klägerin und der Deutschen Bundespost Telekom, einer der Rechtsvorgängerinnen der Beklagten, geschlossene Arbeitsvertrag vom 1. Januar 1991 sieht eine Tätigkeit als Angestellte vor. Ein bestimmter Arbeitsort ist nicht vereinbart. Im Unterschied dazu war im ersten Arbeitsvertrag der Klägerin mit einer anderen Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 31. August 1989 noch der Arbeitsort Berlin-Adlershof vorgesehen. Die Klägerin war seit Beginn des Arbeitsverhältnisses bis Ende 2009 an verschiedenen Einsatzorten in Berlin beschäftigt, seit 2003 als Kundenberaterin am Standort Berlin Holzhauser Straße in Berlin-Tegel.

3

Die Beklagte schloss mit der Gewerkschaft ver.di am 25. Juni 2007 einen Tarifvertrag Rationalisierungsschutz und Beschäftigungssicherung (TV Ratio DTKS). Dieser Tarifvertrag lautet auszugsweise:

        

„Abschnitt 1

        

Besondere Schutzregelungen für Arbeitnehmer in einem ununterbrochenen Arbeitsverhältnis von mindestens zwei Jahren

        

§ 1 Sachlicher Geltungsbereich

        

(1)     

Zur Erhaltung, Sicherung und Steigerung sowohl der Wettbewerbsfähigkeit als auch der Marktanteile der DTKS sind wirtschaftliche, organisatorische und personelle Maßnahmen erforderlich, um eine kontinuierliche Qualitäts- und Produktivitätsverbesserung sowie eine flexible Anpassung an technologische und nachfragebezogene Veränderungen sicherzustellen. Dieser Tarifvertrag dient der sozialverträglichen Umsetzung dieser Maßnahmen.

        

(2)     

Maßnahmen unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 sind

                 

(a)     

Änderungen der Aufbauorganisation,

                 

(b)     

Änderungen der Ablauforganisation,

                 

(c)     

Maßnahmen zur Nutzung des technischen Fortschritts,

                 

(d)     

andere personalwirtschaftliche Maßnahmen,

                 

soweit hierdurch der Arbeitsplatz eines Arbeitnehmers wegfällt oder verlegt wird.

        

Ausführungsbestimmungen zu Absatz 2:            

        

1.    

zu Buchstabe a):

                 

Unter Aufbauorganisation ist die Bildung von Organisationseinheiten, die Zuteilung von Aufgaben zu diesen Einheiten, die Aufgabenverteilung innerhalb der Einheiten sowie die Festlegung ihrer Zuständigkeiten zu verstehen. Sie umfasst z.B. die Einrichtung, Umwandlung oder Aufhebung von Niederlassungen, die Einrichtung, Umwandlung oder Aufhebung von Ressorts oder Abteilungen, die Aufgabenverteilung auf Niederlassungen oder Ressorts sowie die Arbeitsverteilung auf Funktionsträger.

        

2.    

zu Buchstabe b) und c):

                 

Die Ablauforganisation ist die Ordnung für das zeitlich-räumliche Hinter- und Nebeneinander von Arbeitsvorgängen zur Erfüllung der im Rahmen der Aufbauorganisation vorgesehenen Aufgaben. Sie umfasst die Gestaltung von Arbeitsverfahren, Arbeitsvorschriften, Arbeitsfeldern und Arbeitsplätzen sowie den Einsatz von Arbeitsmitteln.

        

3.    

Betrieblich veranlasste Maßnahmen, in deren Folge die Gesamttätigkeit, die der Arbeitnehmer nicht nur vorübergehend ausübt, einer niedrigeren Entgeltgruppe zuzuordnen ist (anforderungsändernde Maßnahmen), werden ebenfalls von diesem Tarifvertrag erfasst.

        

(3)     

Eine Verringerung des Personalbedarfes, die durch gesamtwirtschaftlich bedingten allgemeinen Verkehrsrückgang ausgelöst ist, zählt nicht zu Maßnahmen nach Absatz 2.

        

§ 2 Persönlicher Geltungsbereich

        

Dieser Unterabschnitt gilt für Arbeitnehmer,

        

(a)     

die unter den Geltungsbereich des MTV und des ERTV der DTKS fallen und

        

(b)     

die in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zur DTKS stehen,

        

soweit dieses Arbeitsverhältnis seit mindestens zwei Jahren ununterbrochen besteht.

        

…       

        

§ 3 Auswahl

        

(1)     

Wenn von einer Gesamtheit gleicher Arbeitsplätze, die von einer Maßnahme im Sinne von § 1 betroffen sind, nur ein Teil der Arbeitsplätze wegfällt oder verlegt wird, so werden alle auf den gleichen Arbeitsplätzen beschäftigten Arbeitnehmer bei der Festlegung, welche Arbeitnehmer konkret vom Wegfall bzw. von der Verlegung des Arbeitsplatzes betroffen sind, mit einbezogen. Die erforderlich werdende Auswahl richtet sich abschließend nach Absatz 4 und der Anlage 1 zu diesem Tarifvertrag.

        

(2)     

Wenn von einer Gesamtheit gleicher Arbeitsplätze, die von einer Maßnahme im Sinne von § 1 betroffen sind, alle Arbeitsplätze wegfallen oder verlegt werden, so sind alle auf diesen Arbeitsplätzen bislang beschäftigten Arbeitnehmer betroffen und werden in die Beschäftigungs- und Qualifizierungseinheit der DTKS, den Betrieb BQE1 1 , versetzt.

        

(3)     

Wenn im Falle des Absatzes 1 und 2 innerhalb der Organisationseinheit andere vergleichbare Arbeitsplätze bestehen, die nicht von einer Maßnahme im Sinne des § 1 betroffen sind, so werden die darauf beschäftigten Arbeitnehmer bei der Festlegung, welche Arbeitnehmer konkret vom Wegfall bzw. der Verlegung des Arbeitsplatzes betroffen sind, mit einbezogen. Die erforderlich werdende Auswahl richtet sich abschließend nach Absatz 4 und der Anlage 1 zu diesem Tarifvertrag.

        

(4)     

Bei einer nach Absatz 1 und 3 erforderlich werdenden Auswahl unter mehreren Arbeitnehmern sind die persönlichen und sozialen Gesichtspunkte nebst Verfahren gemäß Anlage 1 und die Punktetabelle gemäß Anlage 2 heranzuziehen. Diese sind abschließend.

        

(5)     

Von der Auswahlentscheidung ausgenommen werden Arbeitnehmer, die zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Betriebs/der Organisationseinheit zwingend erforderliche, unverzichtbare Kenntnisse aufweisen und andere potentiell betroffene Arbeitnehmer diese nicht aufweisen.

        

(6)     

Von der Auswahlentscheidung ausgenommen werden weiterhin Arbeitnehmer, die sich zum Zeitpunkt der Zuleitung an die Paritätische Auswahlkommission I bereits in Altersteilzeit befinden beziehungsweise bei denen gemäß bereits geschlossenem Altersteilzeitvertrag der Beginn einer Altersteilzeit innerhalb von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt der Zuleitung an die Paritätische Auswahlkommission I liegt. Beginnt die Freistellungsphase des herausgenommenen Arbeitnehmers binnen zwölf Monaten, wird anstelle des herausgenommenen Arbeitnehmers kein anderer Arbeitnehmer in das Auswahlverfahren einbezogen.

        

Protokollnotiz zu § 3 Absatz 6:            

        

Bei Vollbetroffenheit im Sinne des Absatzes 2 findet die Herausnahmeregelung des Absatzes 6 Satz 1 keine Anwendung. Eine Versetzung in die BQE erfolgt jedoch nur, wenn bei einer vorrangigen Prüfung anderweitiger Unterbringung des Arbeitnehmers - begrenzt auf die TRZ-Grenze - nachweislich kein anderweitiger zumutbarer und gleichwertiger Arbeitsplatz gem. TV Ratio DTKS gefunden wurde.

        

Protokollnotiz zu § 3:            

        

1.    

Bei der nach den Absätzen 3 und 4 vorzunehmenden Auswahlentscheidung handelt es sich um eine Sozialauswahl im Sinne des KSchG zum Zwecke der Überführung gemäß § 5 Absatz 1 und 3 in den Betrieb BQE. Die Anlagen 1 und 2 dieses Tarifvertrags stellen für diesen Zweck eine Auswahlrichtlinie im Sinne des § 1 Absatz 4 KSchG dar.

        

2.    

Die einzubeziehenden Mitarbeiter erhalten mittels eines einheitlichen Formblattes die Möglichkeit, die Kriterien der Anlage 2 sowie etwaige soziale Härten geltend zu machen.

        

§ 4 Paritätische Auswahlkommission I

        

(1)     

Für eine nach § 3 erforderlich werdende Auswahl unter mehreren Arbeitnehmern wird in DTKS eine ständige Auswahlkommission im Betrieb eingerichtet.

        

(2)     

Die Auswahlkommission ist mit Arbeitgebervertretern und Mitgliedern des Betriebsrats des jeweils betroffenen Betriebes der DTKS paritätisch zu besetzen.

        

(3)     

In der Auswahlkommission ist mit dem Ziel einer Einigung eine umfassende Erörterung und Beratung vorzunehmen. Soweit schwerbehinderte Arbeitnehmer betroffen sind, ist im Rahmen der Beratung innerhalb der Auswahlkommission der Vertrauensmann der Schwerbehinderten zu hören.

        

(4)     

Die Auswahlkommission hat innerhalb von zwei Wochen nach Zuleitung eine Empfehlung abzugeben, welche Arbeitnehmer nach § 3 ausgewählt werden sollen. Kommt es zu keiner Empfehlung, entscheidet der Arbeitgeber alleine über die Auswahl; die Regeln des Betriebsverfassungsgesetzes gelten.

        

(5)     

Für die Auswahlkommission gilt abschließend die Geschäftsordnung der Anlage 3a zu diesem Tarifvertrag.

        

§ 5 Beschäftigungs- und Qualifizierungseinheit/BQE

        

(1)     

Der nach § 3 und § 4 ausgewählte Arbeitnehmer erhält ein Angebot auf Abschluss eines Änderungsvertrags. Inhalt dieses Vertrags ist die Bereitschaft, eine Tätigkeit im Betrieb BQE zu den in Abschnitt 1 (nebst Anlagen) genannten Bedingungen aufzunehmen. Im Übrigen bleibt das Arbeitsverhältnis unverändert. Für die Annahme des Änderungsvertrags wird dem Arbeitnehmer eine Frist von zwei Wochen eingeräumt. Nach Abschluss des Änderungsvertrags wird der Arbeitnehmer in den Betrieb BQE versetzt.

        

(2)     

Als Alternative zum Abschluss eines Änderungsvertrags kann der Arbeitnehmer einen Auflösungsvertrag mit Abfindungsregelung wählen. Die Höhe der Abfindung ergibt sich aus Anlage 6. Es gelten die Bestimmungen des § 11.

        

(3)     

Lehnt der Arbeitnehmer die Angebote nach Absatz 1 und Absatz 2 ab, so erfolgt eine Kündigung unter Aufrechterhaltung des Vertragsangebots zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen nach Absatz 1. Abweichend von § 22 MTV gilt hierfür eine Kündigungsfrist von drei Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats.

        

(4)     

Im Betrieb BQE erfolgt eine Betreuungs- und Vermittlungsphase. Die sich hierdurch ergebenden Aufgaben werden durch die Vivento der Deutschen Telekom AG bzw. ab dem 01.01.2009 durch die Vivento-Nachfolgeeinheit wahrgenommen.

        

…       

        
        

§ 8 Gleichwertige und zumutbare Weiterbeschäftigung auf einem Dauerarbeitsplatz

        

(1)     

Die DTKS ist verpflichtet, den nach den §§ 3 und 4 ausgewählten und von den Regelungen des § 5 erfassten Arbeitnehmern einen anderen gleichwertigen und zumutbaren Dauerarbeitsplatz innerhalb der DTKS anzubieten (interne Vermittlung).

        

…       

        
        

(7)     

Zumutbar ist ein Arbeitsplatz, wenn er die Anforderungen der Anlage 4 erfüllt. Eine Qualifizierungsmaßnahme ist für einen Arbeitnehmer in der Regel dann unzumutbar, wenn er das 55. Lebensjahr vollendet hat. Der Arbeitnehmer, der das 55. Lebensjahr bereits vollendet hat, kann eine ihm angebotene Qualifizierungsmaßnahme ablehnen. Der Arbeitnehmer kann auf freiwilliger Basis von den einschränkenden Regelungen der Anlage 4 abweichen. Der freiwillige Wechsel auf einen Dauerarbeitsplatz ist der Annahme eines Angebotes gleichgestellt.

        

…       

        
        

(9)     

Ein Dauerarbeitsplatz ist jeder Arbeitsplatz, der im Zeitpunkt der Vermittlung des Arbeitnehmers arbeitsrechtlich unbefristet ist. Angebot im Sinne des TV Ratio (mit den Folgen des Absatzes 10) ist der vom künftigen Arbeitgeber - nach Durchlaufen eines erforderlichen Auswahlverfahrens II - vor Durchführung des Beteiligungsverfahrens nach § 99 BetrVG angebotene Dauerarbeitsplatz im obigen Sinne.

        

(10)   

Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, einen ihm angebotenen zumutbaren anderen Arbeitsplatz anzunehmen und sich gegebenenfalls einer Qualifizierungsmaßnahme zu unterziehen. Lehnt der Arbeitnehmer ein zumutbares Angebot oder eine Qualifizierungsmaßnahme bei DTKS bzw. ein zumutbares Angebot bei einem konzernweiten Unternehmen im Sinne des Absatzes 3 mit mindestens gleichem Jahresbezugsentgelt (gemäß Protokollnotiz zu § 6) ab, so verliert er die Ansprüche aus diesem Tarifvertrag. Lehnt der Arbeitnehmer auch ein zweites zumutbares internes Vermittlungsangebot bzw. ein zweites zumutbares Angebot bei einem konzernweiten Unternehmen im Sinne des Absatzes 3 mit mindestens gleichem Jahresbezugsentgelt (gemäß Protokollnotiz zu § 6) ab, so ist dies ein wichtiger Grund im Sinne des § 22 Absatz 5 und § 23 MTV, der zu einer Kündigung führen kann.

                 

…       

        

§ 9 Paritätische Auswahlkommission II

        

(1)     

Für eine erforderlich werdende Auswahl unter mehreren Arbeitnehmern bei der Versetzung beziehungsweise dem Wechsel auf einen Dauerarbeitsplatz werden im Betrieb BQE vier ständige Auswahlkommissionen eingerichtet.

        

…       

        
        

§ 10 Leistungen bei Wechsel auf einen Dauerarbeitsplatz

        

(1)     

Bei interner Vermittlung hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Leistungen gemäß Anlage 5 Abschnitt 1 Unterabschnitt 1.

        

…       

        
        

§ 12 Betriebsbedingte Beendigungskündigungen

        

(1)     

In der Zeit bis zum 31. Dezember 2012 scheiden aus Anlass von Maßnahmen im Sinne von § 1 betriebsbedingte Beendigungskündigungen grundsätzlich aus. Dies schließt jedoch Änderungskündigungen nicht aus. Satz 1 gilt nicht, wenn die Tarifvertragspartei ver.di betriebsbedingten Beendigungskündigungen zustimmt.

        

(2)     

Der Ausschluss der betriebsbedingten Beendigungskündigung nach Absatz 1 gilt nicht für Arbeitnehmer,

                 

(a)     

deren Arbeitsverhältnis zur DTKS seit weniger als zwei Jahren ununterbrochen besteht oder

                 

(b)     

die ein zumutbares Arbeitsplatzangebot oder eine Qualifizierungsmaßnahme ablehnen oder

                 

…       

        
        

Abschnitt 2

        

Besondere Schutzregelungen für Arbeitnehmer in einem ununterbrochenen Arbeitsverhältnis von weniger als zwei Jahren

        

§ 13 Geltungsbereich

        

Der Abschnitt 2 gilt für Arbeitnehmer, die von einer Maßnahme im Sinne von § 1 betroffen sind und deren unbefristetes tarifliches Arbeitsverhältnis zur DTKS weniger als ununterbrochen zwei Jahre besteht.

        

…       

        

§ 14 Schutzregelungen

        

(1)     

Die DTKS bemüht sich, für die in § 13 genannten Arbeitnehmer soziale Härten zu vermeiden.

        

(2)     

Ausgewählte Arbeitnehmer erhalten ein Angebot auf befristete Beschäftigung im Betrieb BQE für die Dauer von 12 Monaten mit dem Zweck der Vermittlung auf einen Dauerarbeitsplatz. §§ 5 und 6 einschließlich der jeweils dazugehörenden Protokollnotizen finden Anwendung.

        

(3)     

Soweit ein anderes Arbeitsverhältnis angenommen oder ein angebotener interner oder konzernweiter Dauerarbeitsplatz der Deutschen Telekom AG oder einem Unternehmen im Sinne des § 8 Absatz 3 abgelehnt wird, endet das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Befristung, gegebenenfalls mit Ablauf der Annahmefrist. Gleiches gilt bei Ablehnung von zwei externen Arbeitsplatzangeboten.

        

§ 15 Leistung bei Wechsel auf einen Dauerarbeitsplatz

        

(1)     

Bei interner Vermittlung hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Leistungen gemäß Anlage 5 Abschnitt 1 Unterabschnitt 2.

        

…       

        
                          
        

Abschnitt 3

        

Schlussbestimmungen

        

...     

        

§ 18 Kündigungsbestimmungen

        

…       

        
        

(3)     

§ 12 tritt unabhängig von Absatz 1 mit Ablauf des 31. Dezember 2012 außer Kraft. Die Nachwirkung ist ausgeschlossen.

        

Protokollnotiz zu § 18 Absatz 3:            

        

Einzelheiten dazu, welche Auswirkungen eine Nichtverlängerung des § 12 über den 31.12.2012 hinaus im Hinblick auf das Verfahren nach § 5 Absätze 1 bis 3 und eine dann notwendig werdende Sozialauswahl hat, sind in einer gesonderten schuldrechtlichen Vereinbarung festgelegt.“

4

Die in Anlage 3a zu diesem Tarifvertrag aufgenommene „Geschäftsordnung der Paritätischen Auswahlkommission I“ sieht in § 2 Abs. 1 vor, dass die Auswahlkommission mit zwei bis höchstens drei Mitgliedern des Arbeitgebers und des Betriebsrats besetzt wird. Nach § 3 Satz 1 der Geschäftsordnung tagt die Auswahlkommission, sobald die Auswahl nach § 3 TV Ratio DTKS notwendig ist.

5

Die Beklagte war durch einen mit der Gewerkschaft ver.di geschlossenen Zuordnungstarifvertrag vom 28. April 2008 (ZTV 2008) in acht Regionen und eine Zentrale untergliedert. Nach § 3 Abs. 1 Unterabs. 1 ZTV 2008 stellte jede selbständige Organisationseinheit mit ihren Betriebsteilen einen Betrieb iSd. § 1 BetrVG dar, bei dem ein Betriebsrat gebildet wurde. Selbständige Organisationseinheiten waren nach § 3 Abs. 2 ZTV 2008 die acht Regionen und die Zentrale. Mit der Anlage 1 zum ZTV 2008 wurden der Region 2 (Nord-Ost) der Standort Berlin Quelleinheit „T-Com“ und der Standort Berlin Quelleinheit „TMD“ zugeordnet. Die Region 2 erstreckte sich über die Länder Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Für sie war der Betriebsrat Nord-Ost gebildet.

6

Die Beklagte unterhielt in Berlin fünf Callcenter. Während die Callcenter in der Holzhauser Straße, der Lankwitzer Straße, der Buchberger Straße und der Köpenicker Allee Leistungen im Bereich Festnetz erbrachten, erbrachte das Callcenter in der Schätzelbergstraße ausschließlich Dienstleistungen im Bereich des Mobilfunks. Es besteht aus den Abteilungen Geschäftskundenkontaktcenter 42 und 43 (GK 42 und GK 43) sowie einem Teil des Kompetenzcenters 44 (KC 44). Die in den Abteilungen GK 42 und GK 43 bestehenden Arbeitszeitmodelle gelten ausschließlich für diese Abteilungen. Die im Callcenter Berlin Schätzelbergstraße zum Einsatz kommenden IT-Lösungen unterscheiden sich von denjenigen der Festnetz-Callcenter. Arbeits- und Entgeltbedingungen für die einzelnen Callcenter sind unternehmenseinheitlich festgelegt.

7

Am 28. November 2008 schlossen die Beklagte und der bei ihr gebildete Gesamtbetriebsrat in einem Einigungsstellenverfahren eine „Gesamtbetriebsvereinbarung zwischen der Geschäftsführung der Deutsche Telekom Kundenservice GmbH (DTKS) und dem Gesamtbetriebsrat der DTKS (GBR) über einen Interessenausgleich und Sozialplan nach §§ 111/112 BetrVG zur Umsetzung des Standortkonzepts in der DTKS“(GBV). Darin ist ua. bestimmt:

        

„I. Interessenausgleich

        

§ 2 Beschreibung der Maßnahme

        

(1) Die aktuellen Standorte der DTKS vor Umsetzung der Konsolidierung der Standorte (Maßnahme) ergeben sich aus Anlage 1 (Quellstandorte).

        

(2) Die sich in Umsetzung der Maßnahme ergebenden neuen Zielstandorte einschließlich der grundsätzlichen Mitarbeitermigrationspfade sind in Anlage 2a (Zielstandorte) beschrieben. In der Anlage 2b ist dargestellt, in welchen Fällen und an welchen Standorten Mitarbeiter abweichend vom Migrationspfad nach Anlage 2a an einen anderen Standort migrieren können.

        

(3) Die Maßnahme wird gemäß dem Zeitplan aus Anlage 3 (Umsetzungszeitplan/Placementprozess) nach Inkrafttreten dieser Vereinbarung umgesetzt. In der Anlage sind Beginn, Ende und der zeitliche Ablauf (Staffelung) der Maßnahme dargestellt. Abweichungen von dem in der Anlage 3 beschriebenen Umsetzungsplan können sich insbesondere aus dem Immobilienprozess ergeben. Gegebenenfalls erforderliche Qualifizierungsmaßnahmen (z.B. bei Segmentwechsel) können hierbei auch am Zielstandort durchgeführt werden. Die zur Herstellung der Arbeitsfähigkeit des Standortes erforderlichen technischen und infrastrukturellen Voraussetzungen müssen erfüllt sein.

        

Im Verlauf der Umsetzung der Maßnahme wird die Anzahl der bestehenden Standorte auf die in der Anlage 2a aufgeführten Zielstandorte reduziert. Einzelheiten zu den Standorten ergeben sich aus der Standortübersicht ‚Zielstandorte’ (Anlage 2a).

        

(4) Die Parteien sind im Rahmen der Verhandlungen von einem konstant bleibenden Callvolumen ausgegangen. Wie sich das Callvolumen tatsächlich über die Gesamtlaufzeit dieser Vereinbarung hinweg entwickeln wird, ist jedoch von einer Vielzahl geschäftlicher Einflüsse (z.B. Kundenverhalten, Regulierung, Wettbewerbsentwicklung etc.) abhängig und ist deshalb Gegenstand der jährlichen Personal- und Geschäftsplanung der DTKS.

        

Eine Nachbesetzung frei werdender Stellen findet daher grundsätzlich maximal bis zur Höhe der durch die jeweilige iPF Planung festgelegten Stellenanzahl statt.

        

Bei einer Nachbesetzung soll grundsätzlich folgende Reihenfolge möglicher geeigneter Bewerber eingehalten werden:

        

•       

Auszubildende, die im Rahmen von Konzernregelungen grundsätzlich für eine Übernahme in Betracht kommen

        

•       

Arbeitnehmer aus dem Konzern DTAG

        

•       

Leih- und Zeitarbeitnehmer, die in der DTKS eingesetzt sind.

        

Es gilt grundsätzlich das Prinzip der Bestenauswahl gemäß Konzernstellenbesetzungsrichtlinie, sofern nicht höherrangige Rechtsvorschriften (z.B. TV Ratio DTKS) etwas anderes vorsehen.

        

…       

        

§ 3 Grundsätze der Umsetzung der Maßnahme

        

(1) Alle von der Maßnahme betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Betroffene) in unbefristeten Arbeitsverhältnissen erhalten in entsprechender Anwendung von § 8 Abs. 7 Satz 1 TV Ratio ein Angebot auf einen Dauerarbeitsplatz an einem Zielstandort gemäßAnlage 2a bzw. Anlage 2b. Betroffene in befristeten Arbeitsverhältnissen erhalten in entsprechender Anwendung von § 8 Abs. 7 Satz 1 TV Ratio ein Angebot auf Fortführung des befristeten Arbeitsverhältnisses an einem Zielstandort gemäßAnlage 2a bzw. Anlage 2b.

        

…       

        

§ 11 Schlussbestimmungen

        

(1) Die Vereinbarung tritt mit Unterzeichnung in Kraft. Sie endet mit Durchführung der geregelten Maßnahme, spätestens am 31.12.2011. Alle aufgeführten Anlagen sind Bestandteil dieser Vereinbarung und stellen damit die gemeinsame Geschäftsgrundlage für die hier getroffenen Regelungen dar. Änderungen der Anlagen werden zwischen den Vertragsparteien beraten mit dem Ziel der Verständigung, ob die Änderungen vom Interessenausgleich abgedeckt sind oder der Interessenausgleich hierauf angewendet werden kann. Ist dies nicht der Fall, wird der GBR bei den Änderungen nach den allgemeinen Regelungen des BetrVG beteiligt. Die Nachwirkung der Vereinbarung ist ausgeschlossen.

        

…“    

        

„Anlage 1

        

Derzeitige Call Center Einheiten der DTKS GmbH

        

Die DTKS GmbH betreibt zur Zeit 83 Call Center in 63 politischen Gemeinden.

                 

Standort

        

Adresse

        

...     

...     

...     

...     

        

5       

Berlin

5       

Holzhauser Str. 4 - 8

                          

6       

Lankwitzer Str. 13 - 17

                          

7       

Buchberger Str. 3 - 4

                          

8       

Schätzelbergstr. 1 - 3 + 2 - 6

                          

9       

Köpenicker Allee 146 - 162

        

...     

...     

...     

...“   

                                            
        

„Anlage 2a

        

Zuordnung Quellstandorte zu DTKS Zielstandorten

                 

Quellstandort

Zielstandort

        

...     

...     

...     

        

5       

Berlin, Schätzelbergstraße

Berlin

        

5       

Berlin, alle anderen STO

Frankfurt (Oder)

        

...     

...     

...“   

8

Mit Schreiben vom 9. Dezember 2008 benannte der Betriebsrat der Region Nord-Ost drei Betriebsratsmitglieder zur Entsendung in die Paritätische Auswahlkommission nach § 4 TV Ratio DTKS sowie drei Vertreter und bat die Beklagte, die Paritätische Auswahlkommission einzuberufen, um die Umsetzung der GBV vorzubereiten. Die Beklagte lehnte die Einberufung der Auswahlkommission mit E-Mail vom 7. Januar 2009 ab. Das vom Betriebsrat eingeleitete Beschlussverfahren, das auf umfassende Erörterung und Beratung der Auswahl der Arbeitnehmer, die zur Umsetzung der GBV vom 28. November 2008 nach Frankfurt (Oder) versetzt werden sollten, gerichtet war, blieb erfolglos (ArbG Rostock 27. Oktober 2009 - 1 BV 22/09 -).

9

Die Beklagte verlagerte bis auf den Standort Berlin Schätzelbergstraße alle Berliner Standorte nach Frankfurt (Oder). Sie schloss die Verlagerung am 9. Dezember 2009 ab.

10

Im Rahmen des Zustimmungsverfahrens nach § 99 BetrVG verweigerte der Betriebsrat der Region Nord-Ost seine Zustimmung zu den beabsichtigten 492 Versetzungen von Berlin nach Frankfurt(Oder) unter Hinweis auf einen Verstoß gegen § 3 TV Ratio DTKS wegen unterlassener Beratung und Erörterung in der Paritätischen Auswahlkommission.

11

Mit Schreiben vom 22. September 2009 und 27. November 2009 forderte die Beklagte die Klägerin auf, ihre Arbeit ab 1. Dezember 2009 bzw. 7. Dezember 2009 am Standort Frankfurt (Oder) zu leisten. Das lehnte die Klägerin zunächst ab. Inzwischen arbeitet die Klägerin „unter Vorbehalt“ in Frankfurt (Oder).

12

Das Arbeitsgericht Rostock wies den Antrag der Beklagten, die Zustimmung des Betriebsrats zu den Versetzungen zu ersetzen, mit Beschluss vom 4. Mai 2010 ab (- 1 BV 49/09 -). Zugleich stellte es fest, dass die vorläufige Versetzung der betroffenen Arbeitnehmer nach Frankfurt (Oder) aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war. Über dieses Beschlussverfahren ist noch nicht rechtskräftig entschieden. Es ist beim Bundesarbeitsgericht unter dem Aktenzeichen - 7 ABR 20/11 - anhängig.

13

Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen die Versetzung. Sie hat die Auffassung vertreten, das Arbeitsverhältnis habe sich dahin konkretisiert, dass sie nur noch in Berlin eingesetzt werden könne, weil sie dort über 20 Jahre an verschiedenen Standorten gearbeitet habe. Die Versetzung sei ihr aufgrund der Kinderbetreuung nicht zumutbar und damit nicht vom Direktionsrecht der Beklagten gedeckt. Durch die Verlängerung der Wegezeiten von täglich mehr als zwei Stunden würden ihre Rechte aus Art. 6 GG verletzt. Die Versetzung sei auch deshalb unwirksam, weil der Betriebsrat ihr nicht zugestimmt habe. Die Beklagte habe schließlich nicht das vom TV Ratio DTKS vorgesehene Auswahlverfahren durchgeführt und ihr einen Änderungsvertrag mit dem Ziel der Versetzung in die Beschäftigungs- und Qualifizierungseinheit angeboten.

14

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass ihre durch die Beklagte erfolgte Versetzung, ab 7. Dezember 2009 im Betrieb der Beklagten in Frankfurt (Oder) zu arbeiten, unwirksam ist.

15

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Klage zumindest derzeit für unbegründet gehalten, weil sie eine sowohl individualrechtlich als auch betriebsverfassungsrechtlich nach § 100 BetrVG wirksame Versetzung vorgenommen habe. Die GBV, die ua. als Interessenausgleich zu verstehen sei, umschreibe die Betriebsänderung abschließend und stehe selbständig neben dem TV Ratio DTKS. Die Versetzung eines Arbeitnehmers sei schon keine Verlegung des Arbeitsplatzes iSv. § 3 TV Ratio DTKS, weil die betroffenen Arbeitnehmer nicht beschäftigungslos würden. Zudem sei der Standort Schätzelbergstraße ein eigenständiger Betrieb iSd. Kündigungsschutzgesetzes. Der TV Ratio DTKS wolle die Sozialauswahl nach gebotener Auslegung nicht über den kündigungsschutzrechtlichen Betriebsbegriff hinaus erweitern. Die Betriebsparteien hätten die Schätzelbergstraße in ihrer personellen Struktur wegen des Spezialwissens der dort beschäftigten Arbeitnehmer erhalten und von jeglicher Auswahlentscheidung ausnehmen wollen. Eine Sozialauswahl sei für Versetzungen von Gesetzes wegen nicht geboten. Gingen die Tarifvertragsparteien darüber - wie mit der Protokollnotiz zu § 3 TV Ratio DTKS - hinaus, müsse es den Betriebsparteien zumindest in Analogie zu § 1 Abs. 4 KSchG möglich sein, Ausnahmen davon zu machen.

16

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte das Ziel der Abweisung der Klage weiter.

Entscheidungsgründe

17

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Klage ist in der Sache erfolgreich. Eine sofortige unmittelbare Versetzung der Klägerin nach Frankfurt (Oder) war tariflich ausgeschlossen.

18

A. §§ 99, 100 BetrVG stehen der Versetzung der Klägerin nach Frankfurt(Oder) nicht entgegen, obwohl das beim Bundesarbeitsgericht unter dem Aktenzeichen - 7 ABR 20/11 - anhängige Zustimmungsersetzungsverfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass eine als vorläufige Maßnahme nach § 100 BetrVG durchgeführte Versetzung dem Arbeitnehmer gegenüber wirksam ist, bis sie - ggf. nach § 100 Abs. 3 Satz 2 BetrVG - nicht mehr aufrechterhalten werden kann.

19

B. Der Senat kann offenlassen, ob die Versetzung der Klägerin von Berlin nach Frankfurt (Oder) vom gesetzlichen Direktionsrecht der Beklagten (§ 106 Satz 1 GewO) gedeckt ist.

20

I. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der Inhalt des Arbeitsvertrags der Parteien nicht auf den Arbeitsort Berlin festgelegt oder konkretisiert.

21

1. Nach § 106 Satz 1 GewO darf der Arbeitgeber den Ort der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit dieser nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt ist(vgl. BAG 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 31, AP BGB § 307 Nr. 26). In einem ersten Schritt ist durch Auslegung der Inhalt der vertraglichen Regelungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Dabei ist insbesondere festzustellen, ob ein bestimmter Tätigkeitsort vertraglich festgelegt ist und welchen Inhalt ein ggf. vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat (vgl. BAG 19. Januar 2011 - 10 AZR 738/09 - Rn. 12, AP BGB § 307 Nr. 50 = EzA GewO § 106 Nr. 7; 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 18, BAGE 135, 239).

22

2. Der Arbeitsort ist hier nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts weder ausdrücklich vertraglich festgelegt, noch ist er auf das Gebiet des Landes Berlin konkretisiert.

23

a) Der letzte zwischen der Klägerin und der Deutschen Bundespost Telekom geschlossene Arbeitsvertrag vom 1. Januar 1991 legt keinen bestimmten Arbeitsort fest. Er unterscheidet sich damit von dem ersten Arbeitsvertrag der Klägerin mit einer früheren Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 31. August 1989, der den Arbeitsort Berlin-Adlershof vorsah. In einem solchen Fall ist eine Ortsveränderung durch Versetzung in eine andere politische Gemeinde nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unabhängig vom Berufsbild vertraglich nicht ausgeschlossen und grundsätzlich vom gesetzlichen Weisungsrecht der Beklagten aus § 106 Satz 1 GewO gedeckt(vgl. BAG 19. Januar 2011 - 10 AZR 738/09 - Rn. 12, AP BGB § 307 Nr. 50 = EzA GewO § 106 Nr. 7; 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 18, BAGE 135, 239; 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 27, AP BGB § 307 Nr. 45 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 47; siehe auch 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 31 f., AP BGB § 307 Nr. 26; zust. etwa Dzida/Schramm BB 2007, 1221, 1225 f.; ErfK/Preis 12. Aufl. § 106 GewO Rn. 16; Preis/Genenger NZA 2008, 969, 971; abl. Hromadka NZA 2012, 233, 238 [Erforderlichkeit eines ausdrücklichen oder konkludenten Versetzungsvorbehalts, konkludent vor allem denkbar bei einer Arbeitspflicht an verschiedenen Orten]; Wank RdA 2012, 139, 140; ders. NZA Beilage 2/2012, 41, 48; ders. RdA 2005, 271, 272 [Maßgeblichkeit des Berufsbilds]). Der Senat kann den Arbeitsvertrag als typischen Vertrag selbst auslegen. Die Beklagte hat den Arbeitsvertrag nach seinem Erscheinungsbild mehrfach verwendet. Der Vertrag enthält bis auf die Daten der Klägerin keine individuellen Besonderheiten.

24

b) Die Arbeitspflicht der Klägerin ist nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch nicht auf den Arbeitsort Berlin konkretisiert.

25

aa) Arbeitspflichten können sich zwar nach längerer Zeit auf bestimmte Arbeitsbedingungen konkretisieren. Dazu genügt jedoch nicht schon der bloße Zeitablauf. Vielmehr müssen besondere Umstände hinzutreten, aufgrund derer der Arbeitnehmer erkennen kann und darauf vertrauen darf, dass er nicht in anderer Weise eingesetzt werden soll (vgl. für die st. Rspr. BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 98/11 - Rn. 47; 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 50 mwN, AP BGB § 307 Nr. 26; 3. Juni 2004 - 2 AZR 577/03 - zu C II 2 b der Gründe, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 141 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 55; 7. Dezember 2000 - 6 AZR 444/99 - zu III 2 der Gründe, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 61 = EzA BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 23).

26

bb) Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Bis auf den langjährigen Einsatz der Klägerin im Gebiet des Landes Berlin traten keine besonderen Umstände hinzu, die ihr Vertrauen darauf gerechtfertigt hätten, nur in Berlin eingesetzt zu werden. Die Vorinstanzen haben solche besonderen Umstände zu Recht nicht darin gesehen, dass die Beklagte in der Vergangenheit nicht auf die arbeitsvertraglich vorbehaltene örtliche Versetzungsbefugnis hingewiesen hatte. Allein daraus, dass ein Vertragspartner über einen längeren Zeitraum hinweg nicht auf ein vertraglich vereinbartes Recht hinweist, darf der andere Vertragspartner nicht schließen, sein Vertragspartner werde von seinem Recht keinen Gebrauch mehr machen (vgl. BAG 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 52, AP BGB § 307 Nr. 26; 3. Juni 2004 - 2 AZR 577/03 - zu C II 2 b der Gründe, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 141 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 55).

27

c) Ist der Arbeitsort nicht festgelegt oder konkretisiert und weist der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsort zu, unterliegt die Weisung nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keiner Inhaltskontrolle nach § 307 BGB, sondern der Ausübungskontrolle nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 3 BGB(aA Wank RdA 2012, 139, 140). Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind (vgl. nur BAG 19. Januar 2011 - 10 AZR 738/09 - Rn. 18, AP BGB § 307 Nr. 50 = EzA GewO § 106 Nr. 7; 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 31, BAGE 135, 239; 23. September 2004 - 6 AZR 567/03 - zu IV 2 a der Gründe, BAGE 112, 80).

28

II. Der Senat kann offenlassen, ob an der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu den arbeitsvertraglichen Grenzen des gesetzlichen Direktionsrechts (§ 106 Satz 1 GewO) bei Versetzungen mit einer Veränderung des Arbeitsorts festzuhalten ist (abl. Hromadka NZA 2012, 233, 238; Wank RdA 2012, 139, 140, der auch dem individualrechtlichen Begriff der Versetzung aufgrund Direktionsrechts kritisch gegenübersteht und sich für den Begriff der Umsetzung ausspricht; ders. NZA Beilage 2/2012, 41, 48; ders. RdA 2005, 271, 272). Es kann auch dahinstehen, ob das Landesarbeitsgericht trotz der Kinderbetreuungspflicht der Klägerin rechtsfehlerfrei angenommen hat, die Ausübung des Weisungsrechts der Beklagten durch die Versetzung der Klägerin von Berlin nach Frankfurt (Oder) sei nicht zu beanstanden. Die Versetzung der Klägerin ist jedenfalls unwirksam, weil das Direktionsrecht der Beklagten entweder durch § 3 Abs. 1 iVm. § 5 Abs. 1 Satz 1 TV Ratio DTKS oder durch § 3 Abs. 2 iVm. § 5 Abs. 1 Satz 1 TV Ratio DTKS beschränkt ist. Die in §§ 3 bis 5 TV Ratio DTKS enthaltene tarifliche Auswahlrichtlinie dient dazu, dem Arbeitnehmer nach § 5 Abs. 1 bis Abs. 3 TV Ratio DTKS durch einzelvertragliche Abrede oder Änderungskündigung die Möglichkeit zu eröffnen, in den Betrieb BQE versetzt zu werden(ebenso Hümmerich/Welslau NZA 2005, 610, 612; Klinkhammer JbArbR Bd. 43 S. 63, 84). Der Anwendungsbereich des TV Ratio DTKS ist eröffnet. Die Auslegung der tarifvertraglichen Regelungen (§ 3 Abs. 1, Abs. 2, § 5 Abs. 1 Satz 1 TV Ratio DTKS) ergibt, dass auch Verlagerungen von Arbeitsplätzen ohne Personalabbau das Angebot eines Änderungsvertrags mit dem Ziel einer Versetzung in die BQE verlangen. § 3 Abs. 1 TV Ratio DTKS oder § 3 Abs. 2 TV Ratio DTKS - jeweils iVm. § 5 Abs. 1 Satz 1 TV Ratio DTKS - beschränkten das Direktionsrecht der Beklagten zunächst auf dieses tarifliche Verfahren und schlossen eine sofortige unmittelbare Versetzung von Berlin nach Frankfurt(Oder) aus. Den Tarifvertragsparteien fehlte nicht die Kompetenz, ein tarifliches Auswahlverfahren zu schaffen. Die GBV vom 28. November 2008 durfte vom tariflichen Auswahlverfahren nicht abweichen, indem sie „Mitarbeitermigrationspfade“ vorsah.

29

1. Der Anwendungsbereich des TV Ratio DTKS ist eröffnet.

30

a) Die Klägerin unterfällt durch ihre Gewerkschaftszugehörigkeit dem persönlichen Geltungsbereich des TV Ratio DTKS. Die Beklagte ist Tarifvertragspartei des Firmentarifvertrags (§ 3 Abs. 1 TVG).

31

b) Der sachliche Geltungsbereich des TV Ratio DTKS ist eröffnet.

32

aa) Dem sachlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags unterfallen nach § 1 Abs. 1 TV Ratio DTKS wirtschaftliche, organisatorische und personelle Maßnahmen, die eine kontinuierliche Qualitäts- und Produktivitätsverbesserung sowie eine flexible Anpassung an technologische und nachfragebezogene Veränderungen sicherstellen sollen. § 1 Abs. 2 Buchst. a TV Ratio DTKS definiert als Maßnahmen unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Änderungen der Aufbauorganisation, soweit hierdurch der Arbeitsplatz eines Arbeitnehmers wegfällt oder verlegt wird. In den Ausführungsbestimmungen ist geregelt, wie der Begriff der Aufbauorganisation zu verstehen ist. „Aufbauorganisation“ ist danach die Bildung von Organisationseinheiten, die Zuteilung von Aufgaben zu diesen Einheiten, die Aufgabenverteilung innerhalb der Einheiten sowie die Festlegung ihrer Zuständigkeiten. Sie umfasst zB die Einrichtung, Umwandlung oder Aufhebung von Niederlassungen, die Einrichtung, Umwandlung oder Aufhebung von Ressorts oder Abteilungen, die Aufgabenverteilung auf Niederlassungen oder Ressorts sowie die Arbeitsverteilung auf Funktionsträger (Nr. 1 der Ausführungsbestimmungen zu Absatz 2).

33

bb) Die in der GBV vom 28. November 2008 enthaltenen Maßnahmen unterfallen dem sachlichen Anwendungsbereich des Tarifvertrags.

34

(1) Aus der Präambel der GBV geht hervor, dass sie der Modernisierung und Konsolidierung der bestehenden Standorte dient und die Beklagte eine betriebswirtschaftliche Optimierung des Unternehmens durch Produktivitätssteigerungen erstrebt. Damit sollen die Maßnahmen der GBV eine Produktivitätssteigerung iSv. § 1 Abs. 1 TV Ratio DTKS sicherstellen. Dafür sieht die GBV die „Migration“ von sog. Quellstandorten zu neuen Zielstandorten vor, die sich näher aus den Anlagen der GBV ergeben. Für die Berliner Standorte - mit Ausnahme des Standorts Schätzelbergstraße - ergibt sich der Zielstandort Frankfurt (Oder). Die „Migration“ war mit der Auflösung der Standorte in der Holzhauser Straße, der Lankwitzer Straße, der Buchberger Straße und der Köpenicker Allee verbunden. Zugleich wurde in Frankfurt (Oder) ein Standort begründet oder der dort schon bestehende Standort zumindest um weitere Abteilungen erweitert. Aufgaben der Berliner Standorte wurden nach Frankfurt (Oder) überführt. Darin liegt eine Änderung der Aufbauorganisation iSv. § 1 Abs. 2 Buchst. a TV Ratio DTKS.

35

(2) Folge der Änderung der Aufbauorganisation war die Verlegung von Arbeitsplätzen iSv. § 1 Abs. 2 TV Ratio DTKS.

36

(a) Unter „verlegen“ wird im räumlichen Wortsinn eine Handlung verstanden, mit der jemand oder etwas von seinem bisherigen an einen anderen Ort gelegt wird (vgl. Duden Bd. 10 Das Bedeutungswörterbuch 4. Aufl. Stichwort: „verlegen“).

37

(b) Das trifft auf die betroffenen Arbeitsplätze zu. Sie werden nach den Regelungen der GBV vom 28. November 2008 von den Quell- an die Zielstandorte gelegt. Diese Verlegung muss nicht dazu führen, dass Arbeitsplätze wegfallen. Maßnahmen iSv. § 1 Abs. 2 TV Ratio DTKS eröffnen den Anwendungsbereich des Tarifvertrags, soweit der Arbeitsplatz eines Arbeitnehmers wegfällt oder verlegt wird. Die Tarifvertragsparteien haben das Wort „oder“ zur Verknüpfung verwendet, sodass beide Satzglieder alternative Möglichkeiten ausdrücken, von denen eine infrage kommt. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien den Anwendungsbereich nur für solche Verlegungen von Arbeitsplätzen eröffnen wollten, die zugleich mit einem Arbeitsplatzabbau verbunden sind.

38

2. Entgegen der Auffassung der Revision war bei der Verlagerung des Standorts Berlin Holzhauser Straße nach Frankfurt (Oder) das Direktionsrecht der Beklagten durch die ua. in §§ 3 und 5 TV Ratio DTKS enthaltene tarifliche Auswahlrichtlinie dahin eingeschränkt, die Klägerin einvernehmlich oder durch Änderungskündigung in die BQE zu versetzen. Die Auslegung von § 3 TV Ratio DTKS ergibt, dass die Verlagerung des Standorts Berlin Holzhauser Straße eine Auswahl nach § 3 TV Ratio DTKS erforderlich machte. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Standorte Berlin Holzhauser Straße und Berlin Schätzelbergstraße demselben Betrieb im kündigungsschutzrechtlichen Sinn angehörten oder nicht. Gehörten die früheren fünf Berliner Standorte oder auch nur die Standorte Holzhauser Straße und Schätzelbergstraße einem Betrieb im kündigungsschutzrechtlichen Sinn an, war die Klägerin nur im Fall ihrer tarifgerechten Auswahl nach § 3 Abs. 1 iVm. § 5 Abs. 1 bis Abs. 3 TV Ratio DTKS in die BQE zu versetzen. Sollten der Standort Berlin Schätzelbergstraße und der Standort Berlin Holzhauser Straße oder alle anderen vier früheren Berliner Standorte mehrere Betriebe im kündigungsschutzrechtlichen Sinn gebildet haben, schränkte § 3 Abs. 2 TV Ratio DTKS das Direktionsrecht der Beklagten dahin ein, die Klägerin in die BQE zu versetzen. Die sofortige unmittelbare Versetzung der Klägerin nach Frankfurt (Oder) ohne den Versuch, sie in die BQE zu versetzen, war von dem durch den TV Ratio DTKS tariflich eingeschränkten Direktionsrecht der Beklagten (§ 106 Satz 1 GewO) nicht gedeckt.

39

a) Bei der Auslegung kann der Senat in der ersten Alternative unterstellen, dass der verlagerte Standort Berlin Holzhauser Straße, in dem die Klägerin jedenfalls bis Anfang Dezember 2009 eingesetzt war, kündigungsschutzrechtlich demselben Betrieb angehörte wie der Standort Berlin Schätzelbergstraße. Der (gesetzliche oder gewillkürte) betriebsverfassungsrechtliche Begriff des Betriebs ist für das Auswahlverfahren nicht maßgeblich.

40

aa) Für Änderungskündigungen ist es möglich, Auswahlrichtlinien aufzustellen. Dabei sind die Betriebs- oder Tarifvertragsparteien an die Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes gebunden. Sie können die gesetzlichen Anforderungen an die Sozialauswahl nicht abweichend von § 1 Abs. 3 KSchG festlegen(vgl. BAG 12. August 2010 - 2 AZR 945/08 - Rn. 43 mwN, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 147 = EzA KSchG § 2 Nr. 79). Das gilt auch für ein der Änderungskündigung vorgeschaltetes Auswahlverfahren (vgl. BAG 12. August 2010 - 2 AZR 945/08 - Rn. 44, aaO). Die Auswahl muss sich deshalb hinsichtlich besetzter Arbeitsplätze innerhalb des Betriebs im kündigungsschutzrechtlichen Sinn vollziehen.

41

bb) Unter einem Betrieb im kündigungsschutzrechtlichen Sinn ist die organisatorische Einheit zu verstehen, innerhalb derer ein Arbeitgeber allein oder gemeinsam mit seinen Arbeitnehmern mithilfe von sächlichen und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt, die sich nicht in der Befriedigung von Eigenbedarf erschöpfen. Das setzt einen einheitlichen organisatorischen Einsatz der Sachmittel und Personalressourcen voraus. Die Leitungsmacht, die einen Betrieb im kündigungsschutzrechtlichen Sinn begründet, wird dadurch bestimmt, dass der Kern der Arbeitgeberfunktionen in personellen und sozialen Angelegenheiten von derselben institutionalisierten Leitung im Wesentlichen selbständig ausgeübt wird. Entscheidend ist, wo im Schwerpunkt über Arbeitsbedingungen und Organisationsfragen entschieden wird und in welcher Weise Einstellungen, Entlassungen und Versetzungen vorgenommen werden (vgl. für die st. Rspr. BAG 7. Juli 2011 - 2 AZR 476/10 - Rn. 36 mwN; 28. Oktober 2010 - 2 AZR 392/08 - Rn. 15 f., AP KSchG 1969 § 23 Nr. 48 = EzA KSchG § 23 Nr. 37). Vom Betrieb als Ganzem zu unterscheiden sind Betriebsteile, die gegenüber dem Hauptbetrieb organisatorisch selbständig sind und eine Teilfunktion von dessen arbeitstechnischem Zweck wahrnehmen. Auch ein Hauptbetrieb und eine räumlich weit entfernte Betriebsstätte iSv. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG können einen Betrieb iSv. § 23 KSchG bilden. Im Unterschied zu § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG differenziert § 23 KSchG nicht zwischen Betrieben und räumlich entfernten Betriebsteilen, die als selbständige Betriebe im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes gelten. Die räumliche Einheit ist kündigungsschutzrechtlich kein entscheidendes Abgrenzungsmerkmal, weil es wesentlich auf die Leitung des Betriebs ankommt, der es obliegt, die Einzelheiten der arbeitstechnischen Zwecksetzung zu regeln (vgl. BAG 7. Juli 2011 - 2 AZR 476/10 - Rn. 37; 28. Oktober 2010 - 2 AZR 392/08 - Rn. 17, aaO ).

42

cc) Gehörten die früheren fünf Berliner Standorte oder auch nur die Standorte Holzhauser Straße und Schätzelbergstraße einem Betrieb im kündigungsschutzrechtlichen Sinn an, war die Klägerin lediglich im Fall ihrer tarifgerechten Auswahl nach § 3 Abs. 1 iVm. § 5 Abs. 1 bis Abs. 3 TV Ratio DTKS in die BQE zu überführen.

43

(1) Nach § 3 Abs. 1 TV Ratio DTKS werden alle auf den gleichen Arbeitsplätzen beschäftigten Arbeitnehmer in die Auswahl einbezogen, wenn von einer Gesamtheit gleicher Arbeitsplätze, die von einer Maßnahme iSv. § 1 TV Ratio DTKS betroffen sind, nur ein Teil der Arbeitsplätze wegfällt oder verlegt wird. Die Auswahl dient dazu, die ausgewählten Arbeitnehmer nach § 5 Abs. 1 und Abs. 3 TV Ratio DTKS in den Betrieb BQE zu überführen(Nr. 1 der Protokollnotiz zu § 3 TV Ratio DTKS). Nach § 5 Abs. 3 TV Ratio DTKS erfolgt eine Änderungskündigung, wenn der ausgewählte Arbeitnehmer Angebote nach § 5 Abs. 1(Änderungsvertrag) oder § 5 Abs. 2 TV Ratio DTKS(Auflösungsvertrag) ablehnt. Die Auswahl soll eine Änderungskündigung vorbereiten, wenn es zu keiner der einvernehmlichen Lösungen eines Änderungs- oder Auflösungsvertrags kommt. Sind von einer Organisationsmaßnahme des Arbeitgebers mehrere vergleichbare Arbeitnehmer betroffen und konkurrieren diese um besetzte Arbeitsplätze in demselben Betrieb, hat der Arbeitgeber durch eine Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG zu entscheiden, welche Arbeitnehmer er weiterbeschäftigt. Diese Grundsätze finden auch bei einer (beabsichtigten) Änderungskündigung Anwendung. § 2 Satz 1 KSchG verweist uneingeschränkt auf § 1 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 KSchG(st. Rspr., vgl. BAG 12. August 2010 - 2 AZR 945/08 - Rn. 41, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 147 = EzA KSchG § 2 Nr. 79).

44

(2) Die am Standort Berlin Schätzelbergstraße vorhandenen Arbeitsplätze gehörten zumindest zum Teil zu einer „Gesamtheit gleicher Arbeitsplätze“ iSv. § 3 Abs. 1 TV Ratio DTKS, wenn unterstellt wird, dass die Standorte Berlin Holzhauser Straße und Berlin Schätzelbergstraße einem Betrieb im kündigungsschutzrechtlichen Sinn angehörten. Der Begriff der Gesamtheit gleicher Arbeitsplätze ist tariflich nicht definiert. Aufgrund der Formulierung „gleiche Arbeitsplätze“ ist aber davon auszugehen, dass es sich um solche Arbeitsplätze handeln muss, an denen gleiche oder gleichartige Tätigkeiten verrichtet werden.

45

(a) An den verschiedenen Standorten arbeiteten bis zur Verlagerung des Standorts Berlin Holzhauser Straße ua. Arbeitnehmer, die als Kundenberater Leistungen in den Bereichen Festnetz oder Mobilfunk vertrieben und Beratungsleistungen erbrachten. Dem steht nicht entgegen, dass sich der Gegenstand des Vertriebs und der Beratung in Festnetzbereich und Mobilfunk unterschied.

46

(b) Entscheidend dafür, ob die Arbeitsplätze als „gleich“ iSv. § 3 Abs. 1 TV Ratio DTKS einzuordnen sind, ist, ob die Arbeitnehmer auf den Arbeitsplätzen austauschbar sind. Dafür sprechen Sinn und Zweck der Regelung sowie der tarifliche Zusammenhang, weil die Auswahl auch dazu dient, Änderungskündigungen vorzubereiten (§ 5 Abs. 3 TV Ratio DTKS). Eine solche Austauschbarkeit ist nicht nur bei Identität der Arbeitsplätze gegeben, sondern auch dann, wenn der Arbeitnehmer aufgrund seiner Tätigkeit und Ausbildung eine andersartige, aber gleichwertige Tätigkeit ausführen kann (vgl. BAG 7. Dezember 2006 - 2 AZR 748/05 - Rn. 18, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 88 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 74; 18. Oktober 2006 - 2 AZR 676/05 - Rn. 30, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 73). Eine kurze Einarbeitungszeit hindert die Vergleichbarkeit nicht. Eine Austauschbarkeit iSd. Kündigungsschutzgesetzes ist vielmehr erst dann ausgeschlossen, wenn die betriebliche Spezialisierung und die aktuellen besonderen Umstände einen solchen Grad erreicht haben, dass ein Einsatz des zu kündigenden Arbeitnehmers auf dem Arbeitsplatz des „Spezialisten“ auch nach einer angemessenen Einarbeitungsfrist nicht möglich ist. Dafür genügt es nicht, dass der Arbeitnehmer nur einen bestimmten, insbesondere untergeordneten Arbeitsvorgang nicht ausführen kann. Sein Arbeitseinsatz muss insgesamt nicht mehr - wirtschaftlich - erfolgen können (vgl. BAG 5. Juni 2008 - 2 AZR 907/06 - Rn. 25, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 179 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 81).

47

(c) Nach diesen Maßstäben bestanden am Standort Berlin Schätzelbergstraße gleiche Kundenberaterarbeitsplätze iSv. § 3 Abs. 1 TV Ratio DTKS wie am Standort Berlin Holzhauser Straße und an den übrigen drei früheren Berliner Standorten.

48

dd) Unerheblich ist, ob die Absätze 3 und 5 des § 3 TV Ratio DTKS insoweit unwirksam sind, als sie für die Auswahl an den Begriff der Organisationseinheit anknüpfen. Auf diese Regelungen kommt es nicht an, weil sich das Erfordernis der tarifgerechten Auswahl der Klägerin für die Überführung in die BQE bereits aus § 3 Abs. 1 iVm. § 5 Abs. 1 bis Abs. 3 TV Ratio DTKS ergibt.

49

b) Sollten der Standort Berlin Schätzelbergstraße und der Standort Berlin Holzhauser Straße (ggf. gemeinsam mit den anderen drei früheren Berliner Standorten) zwei Betriebe im kündigungsschutzrechtlichen Sinn gebildet haben, schränkte § 3 Abs. 2 TV Ratio DTKS das Direktionsrecht der Beklagten dahin ein, die Klägerin in die BQE zu versetzen. In diesem Fall wären alle Arbeitsplätze des verlagerten Betriebs verlegt worden.

50

c) Die nach § 3 Abs. 1 oder § 3 Abs. 2 TV Ratio DTKS zu treffende Auswahl setzt nicht voraus, dass es zu einem Arbeitsplatzabbau kommt.

51

aa) Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut. Wie auch § 1 Abs. 2 TV Ratio DTKS stellen die Absätze 1 bis 3 des § 3 TV Ratio DTKS die Verlegung des Arbeitsplatzes als eigenständige Alternative neben den Wegfall des Arbeitsplatzes. Das wird durch die Verknüpfungen „oder“ und „bzw.“ deutlich.

52

bb) Auch der tarifliche Gesamtzusammenhang spricht dafür, dass die bloße Verlegung von Arbeitsplätzen eine Auswahlentscheidung nach § 3 TV Ratio DTKS erforderlich macht, wenn vergleichbare Arbeitsplätze im Betrieb bestehen.

53

(1) Die Tarifvertragsparteien stellen in § 1 Abs. 2, § 3 Abs. 1, § 3 Abs. 2 und § 3 Abs. 3 TV Ratio DTKS den Wegfall und die Verlegung von Arbeitsplätzen als selbständige Alternativen nebeneinander und verknüpfen sie durch „oder“ und „bzw.“. Das deutet auf ein einheitliches Verständnis hin.

54

(2) Das tarifliche Rechtsfolgensystem der §§ 5, 8, 9 und 10 TV Ratio DTKS, das an die Auswahl nach §§ 3 bis 5 TV Ratio DTKS anknüpft, spricht nicht gegen das gefundene Auslegungsergebnis.

55

(a) Nach § 5 Abs. 1 TV Ratio DTKS erhält der nach §§ 3 und 4 TV Ratio DTKS ausgewählte Arbeitnehmer ein Angebot auf Abschluss eines Änderungsvertrags. Inhalt dieses Vertrags ist die Bereitschaft, eine Tätigkeit im Betrieb BQE zu den tarifvertraglich näher geregelten Bedingungen aufzunehmen (§ 5 Abs. 1 Satz 2 TV Ratio DTKS). Nach Abschluss des Änderungsvertrags wird der Arbeitnehmer in den Betrieb BQE versetzt (§ 5 Abs. 1 Satz 5 TV Ratio DTKS). Dieses Rechtsfolgensystem ist für Standortverlagerungen ohne Personalabbau nicht unpassend. Vielmehr ermöglichen die Regelungen zur Versetzung des ausgewählten Arbeitnehmers in die BQE es ihm, Leistungen in Anspruch zu nehmen, die dazu dienen, die mit der organisatorischen Maßnahme und ihrer Umsetzung verbundenen Belastungen abzumildern. Zugleich erlaubt das Rechtsfolgensystem des § 5 TV Ratio DTKS es dem Arbeitnehmer, aus dem Arbeitsverhältnis gegen Abfindung auszuscheiden(§ 5 Abs. 2 TV Ratio DTKS). Das tarifliche Rechtsfolgensystem bietet dem ausgewählten Arbeitnehmer demnach verschiedene Handlungsoptionen.

56

(b) § 8 Abs. 1 TV Ratio DTKS verpflichtet die Beklagte, den nach §§ 3, 4 TV Ratio DTKS ausgewählten und von den Regelungen des § 5 erfassten Arbeitnehmern einen gleichwertigen und zumutbaren Dauerarbeitsplatz innerhalb des Unternehmens der Beklagten - der DTKS - anzubieten. Der ausgewählte Arbeitnehmer wird auf diese Weise typischerweise nicht in die Gefahr gebracht, gegen seinen Willen den Arbeitsplatz zu verlieren. Für die Auswahl von Arbeitnehmern ist für ein zumutbares Angebot in § 9 TV Ratio DTKS eine weitere Auswahlkommission vorgesehen. Der ausgewählte Arbeitnehmer trifft in der BQE auf andere, mit ihm konkurrierende Arbeitnehmer.

57

(aa) Die in Anlage 4 des TV Ratio DTKS geregelten Zumutbarkeitskriterien berücksichtigen ua. den Qualifizierungsaufwand und die Organisationszugehörigkeit iSd. Organisationseinheit. Für den von der Standortverlagerung betroffenen Arbeitnehmer, dessen neuer Standort innerhalb der Organisationseinheit liegt, ist daher im Hinblick auf Qualifikation und Zugehörigkeit zur Organisationseinheit idR ein Angebot zum Wechsel auf den nur örtlich veränderten Arbeitsplatz eher zumutbar als für andere Arbeitnehmer, die sich bereits in der BQE befinden und anderen Organisationseinheiten angehören.

58

(bb) § 8 Abs. 7 Satz 4 TV Ratio DTKS sieht vor, dass Arbeitnehmer auf freiwilliger Basis von den einschränkenden Regelungen der Anlage 4 des TV Ratio DTKS abweichen können. Der freiwillige Wechsel auf einen Dauerarbeitsplatz ist der Annahme eines Angebots gleichgestellt (§ 8 Abs. 7 Satz 5 TV Ratio DTKS). Danach kann sich der betroffene Arbeitnehmer freiwillig entscheiden, am neuen Standort die Arbeit aufzunehmen, ohne dass es auf Zumutbarkeitskriterien ankäme.

59

(cc) Nach § 10 Abs. 1 TV Ratio DTKS stehen dem Arbeitnehmer bei einer solchen internen Vermittlung Ansprüche auf Leistungen nach Anlage 5 Abschn. 1 Unterabschn. 1 des TV Ratio DTKS zu, die ua. aus einem Erstattungsbetrag zum Ausgleich von Fahrtkosten und des zeitlichen Mehraufwands (§§ 4 und 5 der Anlage 5 Abschn. 1 Unterabschn. 1 des TV Ratio DTKS) oder einer Umzugshilfe (§ 6 der Anlage 5 Abschn. 1 Unterabschn. 1 des TV Ratio DTKS) bestehen können.

60

(dd) Das zur Milderung der Verlegung des Arbeitsplatzes vorgesehene Rechtsfolgensystem knüpft damit daran an, dass der örtlich veränderte Dauerarbeitsplatz durch Vermittlung aus dem Betrieb BQE erlangt wird.

61

(c) Zu berücksichtigen ist ferner, dass Abschn. 1 des TV Ratio DTKS, der die Auswahlentscheidung enthält, für Arbeitnehmer, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, das noch nicht mindestens zwei Jahre ununterbrochen angedauert hat, keine Anwendung findet (§ 2 TV Ratio DTKS). Die Tarifvertragsparteien sehen aber auch für diese Arbeitnehmer den Wechsel in die BQE vor.

62

(aa) Für diese Arbeitnehmer gelten die im Abschn. 2 des TV Ratio DTKS getroffenen Regelungen (§ 13 TV Ratio DTKS). Die Tarifvertragsparteien stufen diese Arbeitnehmer als weniger schutzwürdig ein und sehen für die Gruppe kein Auswahlverfahren vor. Diese Arbeitnehmer sind deswegen unmittelbar betroffen, wenn ihr Arbeitsplatz wegfällt oder verlegt wird. § 14 Abs. 1 TV Ratio DTKS bestimmt, dass sich die Beklagte bemüht, für diese Arbeitnehmergruppe soziale Härten zu vermeiden. Rechtsfolge ihrer Betroffenheit ist im Übrigen, dass die ausgewählten Arbeitnehmer ein Angebot auf befristete Beschäftigung im Betrieb BQE für die Dauer von zwölf Monaten mit dem Zweck der Vermittlung auf einen Dauerarbeitsplatz erhalten (§ 14 Abs. 2 Satz 1 TV Ratio DTKS). §§ 5 und 6 TV Ratio DTKS finden auf sie Anwendung(§ 14 Abs. 2 Satz 2 TV Ratio DTKS).

63

(bb) Sehen die Tarifvertragsparteien für diese weniger schutzwürdige Arbeitnehmergruppe als allein mögliche Rechtsfolge ihrer Betroffenheit einen Wechsel in die BQE vor, entspricht es dem tariflichen Rechtsfolgensystem, dass die dem Abschn. 1 des TV Ratio DTKS unterfallenden Arbeitnehmer im Fall ihrer Auswahl in die BQE wechseln können, um von dort vermittelt zu werden. Sonst würden die schutzwürdigeren Arbeitnehmer von tariflichen Leistungen nach Anlage 5 Abschn. 1 Unterabschn. 1 des TV Ratio DTKS ausgeschlossen. Die dem Abschn. 2 des TV Ratio DTKS unterfallenden kürzer beschäftigten Arbeitnehmer erhielten bei interner Vermittlung demgegenüber Leistungen nach Anlage 5 Abschn. 1 Unterabschn. 2 des TV Ratio DTKS (§ 15 Abs. 1 TV Ratio DTKS), zB Leistungen zum Ausgleich von Fahrtmehrkosten (§ 8 der Anlage 5 Abschn. 1 Unterabschn. 2 des TV Ratio DTKS).

64

(d) Auch die Protokollnotiz Nr. 1 zu § 3 TV Ratio DTKS und die Protokollnotiz zu § 3 Abs. 6 TV Ratio DTKS sprechen bei Standortverlagerungen nicht gegen eine Auswahl nach § 3 TV Ratio DTKS.

65

(aa) Die Protokollnotiz Nr. 1 zu § 3 TV Ratio DTKS bestimmt, dass die nach §§ 3, 4 TV Ratio DTKS vorzunehmende Auswahlentscheidung eine Sozialauswahl iSd. Kündigungsschutzgesetzes zum Zweck der Überführung nach § 5 Abs. 1 und Abs. 3 TV Ratio DTKS in den Betrieb BQE ist und die Anlagen 1 und 2 des Tarifvertrags für diesen Zweck eine Auswahlrichtlinie iSv. § 1 Abs. 4 KSchG darstellen.

66

(aaa) Damit bringen die Tarifvertragsparteien nicht zum Ausdruck, eine Auswahl hielten sie nur dann für erforderlich, wenn die organisatorische Maßnahme des Arbeitgebers zu einem Abbau von Arbeitsplätzen führe. Betriebsbedingte Beendigungskündigungen sind nach § 12 Abs. 1 Satz 1 TV Ratio DTKS bis 31. Dezember 2012 ausgeschlossen, sodass sich die vorzunehmende Auswahl nur auf einen Wechsel in die BQE beziehen kann. Die Auswahlregeln gelten nicht für Beendigungskündigungen nach Außerkrafttreten von § 12 TV Ratio DTKS(Protokollnotiz zu § 18 Abs. 3 TV Ratio DTKS).

67

(bbb) Dieses Ergebnis folgt auch aus der Protokollnotiz Nr. 1 zu § 3 TV Ratio DTKS, wenn es dort heißt, dass es sich um eine Sozialauswahl iSd. Kündigungsschutzgesetzes zum Zweck der Überführung in den Betrieb BQE handelt. Rechtsfolge ist nicht, dass die ausgewählten Arbeitnehmer unmittelbar auf einen Arbeitsplatz außerhalb der BQE versetzt werden sollen. Sie sollen vielmehr in den Betrieb BQE wechseln, um eine wohlüberlegte Entscheidung treffen zu können, ob sie aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden oder aus der BQE vermittelt werden wollen. Indem die Tarifvertragsparteien auf das Kündigungsschutzgesetz Bezug nehmen und die Anlagen 1 und 2 des TV Ratio DTKS als Auswahlrichtlinie iSv. § 1 Abs. 4 KSchG bezeichnen, machen sie nur deutlich, nach welchen Grundsätzen die vorzunehmende Auswahl erfolgen soll.

68

(bb) Auch aus der Protokollnotiz zu § 3 Abs. 6 TV Ratio DTKS ergibt sich nichts anderes.

69

(aaa) § 3 Abs. 6 Satz 1 TV Ratio DTKS trifft eine Sonderregelung für Altersteilzeitarbeitsverhältnisse und nimmt Arbeitnehmer, die sich zum Zeitpunkt der Zuleitung an die Paritätische Auswahlkommission I bereits in Altersteilzeit befinden oder einen Alterszeitzeitarbeitsvertrag geschlossen haben, von der Auswahlentscheidung aus. Nach Satz 1 der Protokollnotiz zu § 3 Abs. 6 TV Ratio DTKS gilt das nicht, wenn sie „vollbetroffen“ iSv. § 3 Abs. 2 TV Ratio DTKS sind und alle Arbeitnehmer in den Betrieb BQE versetzt werden. Nach Satz 2 der Protokollnotiz zu § 3 Abs. 6 TV Ratio DTKS soll bei diesen Arbeitnehmern eine Versetzung in die BQE jedoch nur erfolgen, wenn bei vorrangiger Prüfung einer anderweitigen Unterbringung des Arbeitnehmers nachweislich kein anderweitiger zumutbarer und gleichwertiger Arbeitsplatz nach dem TV Ratio DTKS gefunden wurde.

70

(bbb) Damit haben die Tarifvertragsparteien lediglich eine besondere Regelung zugunsten von Arbeitnehmern in Altersteilzeit getroffen. Ihnen soll vorrangig ein anderweitiger zumutbarer Arbeitsplatz - außerhalb der Regelungen der BQE - vermittelt werden. Daraus kann nicht geschlossen werden, Versetzungen in die BQE kämen allgemein nur in Betracht, wenn kein anderweitiger zumutbarer Arbeitsplatz vorhanden ist. Die Frage, welche Arbeitsplatzangebote zumutbar sind oder nicht, soll sich nach dem Willen der Tarifvertragsparteien nach den Vermittlungsregelungen der BQE - und nicht nach der Einschätzung des Arbeitgebers - bestimmen.

71

(e) Schließlich sprechen auch die Verfahrensregeln zur Auswahl von Arbeitnehmern nach Anlage 1 des TV Ratio DTKS, aufgrund derer die Auswahl nach § 3 TV Ratio DTKS stattzufinden hat, nicht gegen die Durchführung einer Auswahl bei Standortverlagerungen. Nr. 1 Abs. 2 der Anlage 1 des TV Ratio DTKS spricht zwar davon, dass die sich aus der konkreten Maßnahme nach § 1 TV Ratio DTKS ergebenden „Personalüberhänge“ zahlenmäßig einzelnen Alterskategorien verhältnismäßig zugeordnet werden. Aus der Regelungssystematik, nach der betroffene oder ausgewählte Arbeitnehmer grundsätzlich in die BQE wechseln, ergibt sich aber, dass ein „Personalüberhang“ auch besteht, wenn Arbeitsplätze verlegt werden. Der Begriff des Personalüberhangs kann daher nicht so verstanden werden, dass ein Personalüberhang nur dann besteht, wenn sich die Zahl der Arbeitsplätze verringert.

72

cc) Sinn und Zweck der tariflichen Regelungen, wirtschaftliche, organisatorische und personelle Maßnahmen, die zu einem Wegfall oder einer Verlegung von Arbeitsplätzen führen, sozialverträglich umzusetzen (§ 1 Abs. 1 TV Ratio DTKS), sprechen dafür, die Auswahlregelungen des § 3 TV Ratio DTKS und die damit ausgelösten Rechtsfolgen auf bloße Standortverlagerungen anzuwenden.

73

(1) Der Zweck des TV Ratio DTKS besteht darin, die Folgen von unternehmerischen Entscheidungen, die mit Arbeitsplatzabbau und Arbeitsplatzverlegungen einhergehen, abzumildern. Dazu sind betriebsbedingte Beendigungskündigungen nach § 12 TV Ratio DTKS ausgeschlossen. Stattdessen ist der Wechsel in die BQE vorgesehen.

74

(2) Nach dem erkennbaren Willen der Tarifvertragsparteien soll jedoch nur derjenige, der im Verhältnis zu vergleichbaren Arbeitnehmern sozial weniger schutzwürdig ist, statt der ausgeschlossenen Kündigung in die BQE wechseln. Der ausgewählte Arbeitnehmer kann sich für die Vermittlung aus der BQE oder zum Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis gegen Abfindung entscheiden. Wird der Arbeitnehmer aus der BQE auf einen anderen Arbeitsplatz vermittelt, stehen ihm Ausgleichsansprüche nach § 10 TV Ratio DTKS iVm. Anlage 5 Abschn. 1 Unterabschn. 1 des TV Ratio DTKS zu. Dazu gehören zB Fahrtkostenerstattungen oder Umzugshilfen. Die Tarifvertragsparteien wollen die Belastungen, die mit der Aufnahme einer gleichwertigen Tätigkeit an einem anderen Ort verbunden sind, ausgleichen. Für die tariflich verfolgten Abmilderungsziele ist es unerheblich, ob der Arbeitsplatz eines Arbeitnehmers endgültig wegfällt oder nur an einen anderen, ggf. weit entfernten Ort verlegt wird. In beiden Fällen wird der Arbeitnehmer durch eine organisatorische Maßnahme belastet, die es ihm unmöglich macht, seine Arbeit im gewohnten räumlich-sozialen Umfeld fortzusetzen.

75

3. Die GBV vom 28. November 2008 konnte die tarifliche Einschränkung des Direktionsrechts der Beklagten nicht abweichend von § 3 Abs. 1 oder § 3 Abs. 2 TV Ratio DTKS erweitern, indem sie „Mitarbeitermigrationspfade“ vorgab.

76

a) Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG gelten die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluss oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Selbst wenn die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG hier nicht eingreifen sollte, sind Abweichungen vom Tarifvertrag nach § 4 Abs. 3 TVG nur zulässig, wenn sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung zugunsten des Arbeitnehmers enthalten(vgl. Wiedemann/Wank 7. Aufl. § 4 TVG Rn. 621).

77

b) Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

78

aa) Der TV Ratio DTKS enthält keine Öffnungsklausel zugunsten der (Gesamt-)Betriebsparteien, um von den dort getroffenen Regelungen, insbesondere dem in § 3 Abs. 1 TV Ratio DTKS vorgesehenen Auswahlverfahren abzuweichen.

79

bb) Die Regelung in der GBV ist auch nicht günstiger als das tarifliche Auswahlverfahren. § 2 Abs. 2 GBV führt dazu, dass Mitarbeiter des Callcenters Schätzelbergstraße nicht in eine Auswahl einzubeziehen sind. Das verschlechterte die Rechtsstellung der an den anderen vier früheren Berliner Standorten eingesetzten Arbeitnehmer, wenn sie demselben Betrieb im kündigungsschutzrechtlichen Sinn wie die Arbeitnehmer des Standorts Berlin Schätzelbergstraße angehörten. In diesem Fall war die Auswahlregelung des § 3 Abs. 1 TV Ratio DTKS anzuwenden. § 3 Abs. 1 GBV gibt demgegenüber vor, dass die von der Maßnahme betroffenen Arbeitnehmer ein Angebot auf einen Dauerarbeitsplatz an einem Zielstandort nach der Anlage 2a oder der Anlage 2b der GBV erhalten. Die GBV sieht also - ohne Auswahl - einen unmittelbaren Wechsel an den jeweiligen Zielstandort nach der Anlage 2a der GBV vor.

80

cc) Entsprechendes gilt für § 3 Abs. 2 TV Ratio DTKS, wenn von einer Gesamtheit gleicher Arbeitsplätze alle Arbeitsplätze wegfallen oder verlegt werden.

81

C. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

    Wollensak    

        

    M. Jostes    

                 

Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 3. Dezember 2010 - 8 Sa 1770/10 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung der Klägerin von Berlin nach Frankfurt (Oder).

2

Die im September 1967 geborene Klägerin erzieht ihr schulpflichtiges Kind, dem sie zum Unterhalt verpflichtet ist, allein. Sie ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di. Die Klägerin wird seit September 1989 von der Beklagten und deren Rechtsvorgängerinnen beschäftigt. Die Beklagte erbringt bundesweit Callcenter-Dienstleistungen. Der zuletzt zwischen der Klägerin und der Deutschen Bundespost Telekom, einer der Rechtsvorgängerinnen der Beklagten, geschlossene Arbeitsvertrag vom 1. Januar 1991 sieht eine Tätigkeit als Angestellte vor. Ein bestimmter Arbeitsort ist nicht vereinbart. Im Unterschied dazu war im ersten Arbeitsvertrag der Klägerin mit einer anderen Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 31. August 1989 noch der Arbeitsort Berlin-Adlershof vorgesehen. Die Klägerin war seit Beginn des Arbeitsverhältnisses bis Ende 2009 an verschiedenen Einsatzorten in Berlin beschäftigt, seit 2003 als Kundenberaterin am Standort Berlin Holzhauser Straße in Berlin-Tegel.

3

Die Beklagte schloss mit der Gewerkschaft ver.di am 25. Juni 2007 einen Tarifvertrag Rationalisierungsschutz und Beschäftigungssicherung (TV Ratio DTKS). Dieser Tarifvertrag lautet auszugsweise:

        

„Abschnitt 1

        

Besondere Schutzregelungen für Arbeitnehmer in einem ununterbrochenen Arbeitsverhältnis von mindestens zwei Jahren

        

§ 1 Sachlicher Geltungsbereich

        

(1)     

Zur Erhaltung, Sicherung und Steigerung sowohl der Wettbewerbsfähigkeit als auch der Marktanteile der DTKS sind wirtschaftliche, organisatorische und personelle Maßnahmen erforderlich, um eine kontinuierliche Qualitäts- und Produktivitätsverbesserung sowie eine flexible Anpassung an technologische und nachfragebezogene Veränderungen sicherzustellen. Dieser Tarifvertrag dient der sozialverträglichen Umsetzung dieser Maßnahmen.

        

(2)     

Maßnahmen unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 sind

                 

(a)     

Änderungen der Aufbauorganisation,

                 

(b)     

Änderungen der Ablauforganisation,

                 

(c)     

Maßnahmen zur Nutzung des technischen Fortschritts,

                 

(d)     

andere personalwirtschaftliche Maßnahmen,

                 

soweit hierdurch der Arbeitsplatz eines Arbeitnehmers wegfällt oder verlegt wird.

        

Ausführungsbestimmungen zu Absatz 2:            

        

1.    

zu Buchstabe a):

                 

Unter Aufbauorganisation ist die Bildung von Organisationseinheiten, die Zuteilung von Aufgaben zu diesen Einheiten, die Aufgabenverteilung innerhalb der Einheiten sowie die Festlegung ihrer Zuständigkeiten zu verstehen. Sie umfasst z.B. die Einrichtung, Umwandlung oder Aufhebung von Niederlassungen, die Einrichtung, Umwandlung oder Aufhebung von Ressorts oder Abteilungen, die Aufgabenverteilung auf Niederlassungen oder Ressorts sowie die Arbeitsverteilung auf Funktionsträger.

        

2.    

zu Buchstabe b) und c):

                 

Die Ablauforganisation ist die Ordnung für das zeitlich-räumliche Hinter- und Nebeneinander von Arbeitsvorgängen zur Erfüllung der im Rahmen der Aufbauorganisation vorgesehenen Aufgaben. Sie umfasst die Gestaltung von Arbeitsverfahren, Arbeitsvorschriften, Arbeitsfeldern und Arbeitsplätzen sowie den Einsatz von Arbeitsmitteln.

        

3.    

Betrieblich veranlasste Maßnahmen, in deren Folge die Gesamttätigkeit, die der Arbeitnehmer nicht nur vorübergehend ausübt, einer niedrigeren Entgeltgruppe zuzuordnen ist (anforderungsändernde Maßnahmen), werden ebenfalls von diesem Tarifvertrag erfasst.

        

(3)     

Eine Verringerung des Personalbedarfes, die durch gesamtwirtschaftlich bedingten allgemeinen Verkehrsrückgang ausgelöst ist, zählt nicht zu Maßnahmen nach Absatz 2.

        

§ 2 Persönlicher Geltungsbereich

        

Dieser Unterabschnitt gilt für Arbeitnehmer,

        

(a)     

die unter den Geltungsbereich des MTV und des ERTV der DTKS fallen und

        

(b)     

die in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zur DTKS stehen,

        

soweit dieses Arbeitsverhältnis seit mindestens zwei Jahren ununterbrochen besteht.

        

…       

        

§ 3 Auswahl

        

(1)     

Wenn von einer Gesamtheit gleicher Arbeitsplätze, die von einer Maßnahme im Sinne von § 1 betroffen sind, nur ein Teil der Arbeitsplätze wegfällt oder verlegt wird, so werden alle auf den gleichen Arbeitsplätzen beschäftigten Arbeitnehmer bei der Festlegung, welche Arbeitnehmer konkret vom Wegfall bzw. von der Verlegung des Arbeitsplatzes betroffen sind, mit einbezogen. Die erforderlich werdende Auswahl richtet sich abschließend nach Absatz 4 und der Anlage 1 zu diesem Tarifvertrag.

        

(2)     

Wenn von einer Gesamtheit gleicher Arbeitsplätze, die von einer Maßnahme im Sinne von § 1 betroffen sind, alle Arbeitsplätze wegfallen oder verlegt werden, so sind alle auf diesen Arbeitsplätzen bislang beschäftigten Arbeitnehmer betroffen und werden in die Beschäftigungs- und Qualifizierungseinheit der DTKS, den Betrieb BQE1 1 , versetzt.

        

(3)     

Wenn im Falle des Absatzes 1 und 2 innerhalb der Organisationseinheit andere vergleichbare Arbeitsplätze bestehen, die nicht von einer Maßnahme im Sinne des § 1 betroffen sind, so werden die darauf beschäftigten Arbeitnehmer bei der Festlegung, welche Arbeitnehmer konkret vom Wegfall bzw. der Verlegung des Arbeitsplatzes betroffen sind, mit einbezogen. Die erforderlich werdende Auswahl richtet sich abschließend nach Absatz 4 und der Anlage 1 zu diesem Tarifvertrag.

        

(4)     

Bei einer nach Absatz 1 und 3 erforderlich werdenden Auswahl unter mehreren Arbeitnehmern sind die persönlichen und sozialen Gesichtspunkte nebst Verfahren gemäß Anlage 1 und die Punktetabelle gemäß Anlage 2 heranzuziehen. Diese sind abschließend.

        

(5)     

Von der Auswahlentscheidung ausgenommen werden Arbeitnehmer, die zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Betriebs/der Organisationseinheit zwingend erforderliche, unverzichtbare Kenntnisse aufweisen und andere potentiell betroffene Arbeitnehmer diese nicht aufweisen.

        

(6)     

Von der Auswahlentscheidung ausgenommen werden weiterhin Arbeitnehmer, die sich zum Zeitpunkt der Zuleitung an die Paritätische Auswahlkommission I bereits in Altersteilzeit befinden beziehungsweise bei denen gemäß bereits geschlossenem Altersteilzeitvertrag der Beginn einer Altersteilzeit innerhalb von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt der Zuleitung an die Paritätische Auswahlkommission I liegt. Beginnt die Freistellungsphase des herausgenommenen Arbeitnehmers binnen zwölf Monaten, wird anstelle des herausgenommenen Arbeitnehmers kein anderer Arbeitnehmer in das Auswahlverfahren einbezogen.

        

Protokollnotiz zu § 3 Absatz 6:            

        

Bei Vollbetroffenheit im Sinne des Absatzes 2 findet die Herausnahmeregelung des Absatzes 6 Satz 1 keine Anwendung. Eine Versetzung in die BQE erfolgt jedoch nur, wenn bei einer vorrangigen Prüfung anderweitiger Unterbringung des Arbeitnehmers - begrenzt auf die TRZ-Grenze - nachweislich kein anderweitiger zumutbarer und gleichwertiger Arbeitsplatz gem. TV Ratio DTKS gefunden wurde.

        

Protokollnotiz zu § 3:            

        

1.    

Bei der nach den Absätzen 3 und 4 vorzunehmenden Auswahlentscheidung handelt es sich um eine Sozialauswahl im Sinne des KSchG zum Zwecke der Überführung gemäß § 5 Absatz 1 und 3 in den Betrieb BQE. Die Anlagen 1 und 2 dieses Tarifvertrags stellen für diesen Zweck eine Auswahlrichtlinie im Sinne des § 1 Absatz 4 KSchG dar.

        

2.    

Die einzubeziehenden Mitarbeiter erhalten mittels eines einheitlichen Formblattes die Möglichkeit, die Kriterien der Anlage 2 sowie etwaige soziale Härten geltend zu machen.

        

§ 4 Paritätische Auswahlkommission I

        

(1)     

Für eine nach § 3 erforderlich werdende Auswahl unter mehreren Arbeitnehmern wird in DTKS eine ständige Auswahlkommission im Betrieb eingerichtet.

        

(2)     

Die Auswahlkommission ist mit Arbeitgebervertretern und Mitgliedern des Betriebsrats des jeweils betroffenen Betriebes der DTKS paritätisch zu besetzen.

        

(3)     

In der Auswahlkommission ist mit dem Ziel einer Einigung eine umfassende Erörterung und Beratung vorzunehmen. Soweit schwerbehinderte Arbeitnehmer betroffen sind, ist im Rahmen der Beratung innerhalb der Auswahlkommission der Vertrauensmann der Schwerbehinderten zu hören.

        

(4)     

Die Auswahlkommission hat innerhalb von zwei Wochen nach Zuleitung eine Empfehlung abzugeben, welche Arbeitnehmer nach § 3 ausgewählt werden sollen. Kommt es zu keiner Empfehlung, entscheidet der Arbeitgeber alleine über die Auswahl; die Regeln des Betriebsverfassungsgesetzes gelten.

        

(5)     

Für die Auswahlkommission gilt abschließend die Geschäftsordnung der Anlage 3a zu diesem Tarifvertrag.

        

§ 5 Beschäftigungs- und Qualifizierungseinheit/BQE

        

(1)     

Der nach § 3 und § 4 ausgewählte Arbeitnehmer erhält ein Angebot auf Abschluss eines Änderungsvertrags. Inhalt dieses Vertrags ist die Bereitschaft, eine Tätigkeit im Betrieb BQE zu den in Abschnitt 1 (nebst Anlagen) genannten Bedingungen aufzunehmen. Im Übrigen bleibt das Arbeitsverhältnis unverändert. Für die Annahme des Änderungsvertrags wird dem Arbeitnehmer eine Frist von zwei Wochen eingeräumt. Nach Abschluss des Änderungsvertrags wird der Arbeitnehmer in den Betrieb BQE versetzt.

        

(2)     

Als Alternative zum Abschluss eines Änderungsvertrags kann der Arbeitnehmer einen Auflösungsvertrag mit Abfindungsregelung wählen. Die Höhe der Abfindung ergibt sich aus Anlage 6. Es gelten die Bestimmungen des § 11.

        

(3)     

Lehnt der Arbeitnehmer die Angebote nach Absatz 1 und Absatz 2 ab, so erfolgt eine Kündigung unter Aufrechterhaltung des Vertragsangebots zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen nach Absatz 1. Abweichend von § 22 MTV gilt hierfür eine Kündigungsfrist von drei Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats.

        

(4)     

Im Betrieb BQE erfolgt eine Betreuungs- und Vermittlungsphase. Die sich hierdurch ergebenden Aufgaben werden durch die Vivento der Deutschen Telekom AG bzw. ab dem 01.01.2009 durch die Vivento-Nachfolgeeinheit wahrgenommen.

        

…       

        
        

§ 8 Gleichwertige und zumutbare Weiterbeschäftigung auf einem Dauerarbeitsplatz

        

(1)     

Die DTKS ist verpflichtet, den nach den §§ 3 und 4 ausgewählten und von den Regelungen des § 5 erfassten Arbeitnehmern einen anderen gleichwertigen und zumutbaren Dauerarbeitsplatz innerhalb der DTKS anzubieten (interne Vermittlung).

        

…       

        
        

(7)     

Zumutbar ist ein Arbeitsplatz, wenn er die Anforderungen der Anlage 4 erfüllt. Eine Qualifizierungsmaßnahme ist für einen Arbeitnehmer in der Regel dann unzumutbar, wenn er das 55. Lebensjahr vollendet hat. Der Arbeitnehmer, der das 55. Lebensjahr bereits vollendet hat, kann eine ihm angebotene Qualifizierungsmaßnahme ablehnen. Der Arbeitnehmer kann auf freiwilliger Basis von den einschränkenden Regelungen der Anlage 4 abweichen. Der freiwillige Wechsel auf einen Dauerarbeitsplatz ist der Annahme eines Angebotes gleichgestellt.

        

…       

        
        

(9)     

Ein Dauerarbeitsplatz ist jeder Arbeitsplatz, der im Zeitpunkt der Vermittlung des Arbeitnehmers arbeitsrechtlich unbefristet ist. Angebot im Sinne des TV Ratio (mit den Folgen des Absatzes 10) ist der vom künftigen Arbeitgeber - nach Durchlaufen eines erforderlichen Auswahlverfahrens II - vor Durchführung des Beteiligungsverfahrens nach § 99 BetrVG angebotene Dauerarbeitsplatz im obigen Sinne.

        

(10)   

Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, einen ihm angebotenen zumutbaren anderen Arbeitsplatz anzunehmen und sich gegebenenfalls einer Qualifizierungsmaßnahme zu unterziehen. Lehnt der Arbeitnehmer ein zumutbares Angebot oder eine Qualifizierungsmaßnahme bei DTKS bzw. ein zumutbares Angebot bei einem konzernweiten Unternehmen im Sinne des Absatzes 3 mit mindestens gleichem Jahresbezugsentgelt (gemäß Protokollnotiz zu § 6) ab, so verliert er die Ansprüche aus diesem Tarifvertrag. Lehnt der Arbeitnehmer auch ein zweites zumutbares internes Vermittlungsangebot bzw. ein zweites zumutbares Angebot bei einem konzernweiten Unternehmen im Sinne des Absatzes 3 mit mindestens gleichem Jahresbezugsentgelt (gemäß Protokollnotiz zu § 6) ab, so ist dies ein wichtiger Grund im Sinne des § 22 Absatz 5 und § 23 MTV, der zu einer Kündigung führen kann.

                 

…       

        

§ 9 Paritätische Auswahlkommission II

        

(1)     

Für eine erforderlich werdende Auswahl unter mehreren Arbeitnehmern bei der Versetzung beziehungsweise dem Wechsel auf einen Dauerarbeitsplatz werden im Betrieb BQE vier ständige Auswahlkommissionen eingerichtet.

        

…       

        
        

§ 10 Leistungen bei Wechsel auf einen Dauerarbeitsplatz

        

(1)     

Bei interner Vermittlung hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Leistungen gemäß Anlage 5 Abschnitt 1 Unterabschnitt 1.

        

…       

        
        

§ 12 Betriebsbedingte Beendigungskündigungen

        

(1)     

In der Zeit bis zum 31. Dezember 2012 scheiden aus Anlass von Maßnahmen im Sinne von § 1 betriebsbedingte Beendigungskündigungen grundsätzlich aus. Dies schließt jedoch Änderungskündigungen nicht aus. Satz 1 gilt nicht, wenn die Tarifvertragspartei ver.di betriebsbedingten Beendigungskündigungen zustimmt.

        

(2)     

Der Ausschluss der betriebsbedingten Beendigungskündigung nach Absatz 1 gilt nicht für Arbeitnehmer,

                 

(a)     

deren Arbeitsverhältnis zur DTKS seit weniger als zwei Jahren ununterbrochen besteht oder

                 

(b)     

die ein zumutbares Arbeitsplatzangebot oder eine Qualifizierungsmaßnahme ablehnen oder

                 

…       

        
        

Abschnitt 2

        

Besondere Schutzregelungen für Arbeitnehmer in einem ununterbrochenen Arbeitsverhältnis von weniger als zwei Jahren

        

§ 13 Geltungsbereich

        

Der Abschnitt 2 gilt für Arbeitnehmer, die von einer Maßnahme im Sinne von § 1 betroffen sind und deren unbefristetes tarifliches Arbeitsverhältnis zur DTKS weniger als ununterbrochen zwei Jahre besteht.

        

…       

        

§ 14 Schutzregelungen

        

(1)     

Die DTKS bemüht sich, für die in § 13 genannten Arbeitnehmer soziale Härten zu vermeiden.

        

(2)     

Ausgewählte Arbeitnehmer erhalten ein Angebot auf befristete Beschäftigung im Betrieb BQE für die Dauer von 12 Monaten mit dem Zweck der Vermittlung auf einen Dauerarbeitsplatz. §§ 5 und 6 einschließlich der jeweils dazugehörenden Protokollnotizen finden Anwendung.

        

(3)     

Soweit ein anderes Arbeitsverhältnis angenommen oder ein angebotener interner oder konzernweiter Dauerarbeitsplatz der Deutschen Telekom AG oder einem Unternehmen im Sinne des § 8 Absatz 3 abgelehnt wird, endet das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Befristung, gegebenenfalls mit Ablauf der Annahmefrist. Gleiches gilt bei Ablehnung von zwei externen Arbeitsplatzangeboten.

        

§ 15 Leistung bei Wechsel auf einen Dauerarbeitsplatz

        

(1)     

Bei interner Vermittlung hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Leistungen gemäß Anlage 5 Abschnitt 1 Unterabschnitt 2.

        

…       

        
                          
        

Abschnitt 3

        

Schlussbestimmungen

        

...     

        

§ 18 Kündigungsbestimmungen

        

…       

        
        

(3)     

§ 12 tritt unabhängig von Absatz 1 mit Ablauf des 31. Dezember 2012 außer Kraft. Die Nachwirkung ist ausgeschlossen.

        

Protokollnotiz zu § 18 Absatz 3:            

        

Einzelheiten dazu, welche Auswirkungen eine Nichtverlängerung des § 12 über den 31.12.2012 hinaus im Hinblick auf das Verfahren nach § 5 Absätze 1 bis 3 und eine dann notwendig werdende Sozialauswahl hat, sind in einer gesonderten schuldrechtlichen Vereinbarung festgelegt.“

4

Die in Anlage 3a zu diesem Tarifvertrag aufgenommene „Geschäftsordnung der Paritätischen Auswahlkommission I“ sieht in § 2 Abs. 1 vor, dass die Auswahlkommission mit zwei bis höchstens drei Mitgliedern des Arbeitgebers und des Betriebsrats besetzt wird. Nach § 3 Satz 1 der Geschäftsordnung tagt die Auswahlkommission, sobald die Auswahl nach § 3 TV Ratio DTKS notwendig ist.

5

Die Beklagte war durch einen mit der Gewerkschaft ver.di geschlossenen Zuordnungstarifvertrag vom 28. April 2008 (ZTV 2008) in acht Regionen und eine Zentrale untergliedert. Nach § 3 Abs. 1 Unterabs. 1 ZTV 2008 stellte jede selbständige Organisationseinheit mit ihren Betriebsteilen einen Betrieb iSd. § 1 BetrVG dar, bei dem ein Betriebsrat gebildet wurde. Selbständige Organisationseinheiten waren nach § 3 Abs. 2 ZTV 2008 die acht Regionen und die Zentrale. Mit der Anlage 1 zum ZTV 2008 wurden der Region 2 (Nord-Ost) der Standort Berlin Quelleinheit „T-Com“ und der Standort Berlin Quelleinheit „TMD“ zugeordnet. Die Region 2 erstreckte sich über die Länder Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Für sie war der Betriebsrat Nord-Ost gebildet.

6

Die Beklagte unterhielt in Berlin fünf Callcenter. Während die Callcenter in der Holzhauser Straße, der Lankwitzer Straße, der Buchberger Straße und der Köpenicker Allee Leistungen im Bereich Festnetz erbrachten, erbrachte das Callcenter in der Schätzelbergstraße ausschließlich Dienstleistungen im Bereich des Mobilfunks. Es besteht aus den Abteilungen Geschäftskundenkontaktcenter 42 und 43 (GK 42 und GK 43) sowie einem Teil des Kompetenzcenters 44 (KC 44). Die in den Abteilungen GK 42 und GK 43 bestehenden Arbeitszeitmodelle gelten ausschließlich für diese Abteilungen. Die im Callcenter Berlin Schätzelbergstraße zum Einsatz kommenden IT-Lösungen unterscheiden sich von denjenigen der Festnetz-Callcenter. Arbeits- und Entgeltbedingungen für die einzelnen Callcenter sind unternehmenseinheitlich festgelegt.

7

Am 28. November 2008 schlossen die Beklagte und der bei ihr gebildete Gesamtbetriebsrat in einem Einigungsstellenverfahren eine „Gesamtbetriebsvereinbarung zwischen der Geschäftsführung der Deutsche Telekom Kundenservice GmbH (DTKS) und dem Gesamtbetriebsrat der DTKS (GBR) über einen Interessenausgleich und Sozialplan nach §§ 111/112 BetrVG zur Umsetzung des Standortkonzepts in der DTKS“(GBV). Darin ist ua. bestimmt:

        

„I. Interessenausgleich

        

§ 2 Beschreibung der Maßnahme

        

(1) Die aktuellen Standorte der DTKS vor Umsetzung der Konsolidierung der Standorte (Maßnahme) ergeben sich aus Anlage 1 (Quellstandorte).

        

(2) Die sich in Umsetzung der Maßnahme ergebenden neuen Zielstandorte einschließlich der grundsätzlichen Mitarbeitermigrationspfade sind in Anlage 2a (Zielstandorte) beschrieben. In der Anlage 2b ist dargestellt, in welchen Fällen und an welchen Standorten Mitarbeiter abweichend vom Migrationspfad nach Anlage 2a an einen anderen Standort migrieren können.

        

(3) Die Maßnahme wird gemäß dem Zeitplan aus Anlage 3 (Umsetzungszeitplan/Placementprozess) nach Inkrafttreten dieser Vereinbarung umgesetzt. In der Anlage sind Beginn, Ende und der zeitliche Ablauf (Staffelung) der Maßnahme dargestellt. Abweichungen von dem in der Anlage 3 beschriebenen Umsetzungsplan können sich insbesondere aus dem Immobilienprozess ergeben. Gegebenenfalls erforderliche Qualifizierungsmaßnahmen (z.B. bei Segmentwechsel) können hierbei auch am Zielstandort durchgeführt werden. Die zur Herstellung der Arbeitsfähigkeit des Standortes erforderlichen technischen und infrastrukturellen Voraussetzungen müssen erfüllt sein.

        

Im Verlauf der Umsetzung der Maßnahme wird die Anzahl der bestehenden Standorte auf die in der Anlage 2a aufgeführten Zielstandorte reduziert. Einzelheiten zu den Standorten ergeben sich aus der Standortübersicht ‚Zielstandorte’ (Anlage 2a).

        

(4) Die Parteien sind im Rahmen der Verhandlungen von einem konstant bleibenden Callvolumen ausgegangen. Wie sich das Callvolumen tatsächlich über die Gesamtlaufzeit dieser Vereinbarung hinweg entwickeln wird, ist jedoch von einer Vielzahl geschäftlicher Einflüsse (z.B. Kundenverhalten, Regulierung, Wettbewerbsentwicklung etc.) abhängig und ist deshalb Gegenstand der jährlichen Personal- und Geschäftsplanung der DTKS.

        

Eine Nachbesetzung frei werdender Stellen findet daher grundsätzlich maximal bis zur Höhe der durch die jeweilige iPF Planung festgelegten Stellenanzahl statt.

        

Bei einer Nachbesetzung soll grundsätzlich folgende Reihenfolge möglicher geeigneter Bewerber eingehalten werden:

        

•       

Auszubildende, die im Rahmen von Konzernregelungen grundsätzlich für eine Übernahme in Betracht kommen

        

•       

Arbeitnehmer aus dem Konzern DTAG

        

•       

Leih- und Zeitarbeitnehmer, die in der DTKS eingesetzt sind.

        

Es gilt grundsätzlich das Prinzip der Bestenauswahl gemäß Konzernstellenbesetzungsrichtlinie, sofern nicht höherrangige Rechtsvorschriften (z.B. TV Ratio DTKS) etwas anderes vorsehen.

        

…       

        

§ 3 Grundsätze der Umsetzung der Maßnahme

        

(1) Alle von der Maßnahme betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Betroffene) in unbefristeten Arbeitsverhältnissen erhalten in entsprechender Anwendung von § 8 Abs. 7 Satz 1 TV Ratio ein Angebot auf einen Dauerarbeitsplatz an einem Zielstandort gemäßAnlage 2a bzw. Anlage 2b. Betroffene in befristeten Arbeitsverhältnissen erhalten in entsprechender Anwendung von § 8 Abs. 7 Satz 1 TV Ratio ein Angebot auf Fortführung des befristeten Arbeitsverhältnisses an einem Zielstandort gemäßAnlage 2a bzw. Anlage 2b.

        

…       

        

§ 11 Schlussbestimmungen

        

(1) Die Vereinbarung tritt mit Unterzeichnung in Kraft. Sie endet mit Durchführung der geregelten Maßnahme, spätestens am 31.12.2011. Alle aufgeführten Anlagen sind Bestandteil dieser Vereinbarung und stellen damit die gemeinsame Geschäftsgrundlage für die hier getroffenen Regelungen dar. Änderungen der Anlagen werden zwischen den Vertragsparteien beraten mit dem Ziel der Verständigung, ob die Änderungen vom Interessenausgleich abgedeckt sind oder der Interessenausgleich hierauf angewendet werden kann. Ist dies nicht der Fall, wird der GBR bei den Änderungen nach den allgemeinen Regelungen des BetrVG beteiligt. Die Nachwirkung der Vereinbarung ist ausgeschlossen.

        

…“    

        

„Anlage 1

        

Derzeitige Call Center Einheiten der DTKS GmbH

        

Die DTKS GmbH betreibt zur Zeit 83 Call Center in 63 politischen Gemeinden.

                 

Standort

        

Adresse

        

...     

...     

...     

...     

        

5       

Berlin

5       

Holzhauser Str. 4 - 8

                          

6       

Lankwitzer Str. 13 - 17

                          

7       

Buchberger Str. 3 - 4

                          

8       

Schätzelbergstr. 1 - 3 + 2 - 6

                          

9       

Köpenicker Allee 146 - 162

        

...     

...     

...     

...“   

                                            
        

„Anlage 2a

        

Zuordnung Quellstandorte zu DTKS Zielstandorten

                 

Quellstandort

Zielstandort

        

...     

...     

...     

        

5       

Berlin, Schätzelbergstraße

Berlin

        

5       

Berlin, alle anderen STO

Frankfurt (Oder)

        

...     

...     

...“   

8

Mit Schreiben vom 9. Dezember 2008 benannte der Betriebsrat der Region Nord-Ost drei Betriebsratsmitglieder zur Entsendung in die Paritätische Auswahlkommission nach § 4 TV Ratio DTKS sowie drei Vertreter und bat die Beklagte, die Paritätische Auswahlkommission einzuberufen, um die Umsetzung der GBV vorzubereiten. Die Beklagte lehnte die Einberufung der Auswahlkommission mit E-Mail vom 7. Januar 2009 ab. Das vom Betriebsrat eingeleitete Beschlussverfahren, das auf umfassende Erörterung und Beratung der Auswahl der Arbeitnehmer, die zur Umsetzung der GBV vom 28. November 2008 nach Frankfurt (Oder) versetzt werden sollten, gerichtet war, blieb erfolglos (ArbG Rostock 27. Oktober 2009 - 1 BV 22/09 -).

9

Die Beklagte verlagerte bis auf den Standort Berlin Schätzelbergstraße alle Berliner Standorte nach Frankfurt (Oder). Sie schloss die Verlagerung am 9. Dezember 2009 ab.

10

Im Rahmen des Zustimmungsverfahrens nach § 99 BetrVG verweigerte der Betriebsrat der Region Nord-Ost seine Zustimmung zu den beabsichtigten 492 Versetzungen von Berlin nach Frankfurt(Oder) unter Hinweis auf einen Verstoß gegen § 3 TV Ratio DTKS wegen unterlassener Beratung und Erörterung in der Paritätischen Auswahlkommission.

11

Mit Schreiben vom 22. September 2009 und 27. November 2009 forderte die Beklagte die Klägerin auf, ihre Arbeit ab 1. Dezember 2009 bzw. 7. Dezember 2009 am Standort Frankfurt (Oder) zu leisten. Das lehnte die Klägerin zunächst ab. Inzwischen arbeitet die Klägerin „unter Vorbehalt“ in Frankfurt (Oder).

12

Das Arbeitsgericht Rostock wies den Antrag der Beklagten, die Zustimmung des Betriebsrats zu den Versetzungen zu ersetzen, mit Beschluss vom 4. Mai 2010 ab (- 1 BV 49/09 -). Zugleich stellte es fest, dass die vorläufige Versetzung der betroffenen Arbeitnehmer nach Frankfurt (Oder) aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war. Über dieses Beschlussverfahren ist noch nicht rechtskräftig entschieden. Es ist beim Bundesarbeitsgericht unter dem Aktenzeichen - 7 ABR 20/11 - anhängig.

13

Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen die Versetzung. Sie hat die Auffassung vertreten, das Arbeitsverhältnis habe sich dahin konkretisiert, dass sie nur noch in Berlin eingesetzt werden könne, weil sie dort über 20 Jahre an verschiedenen Standorten gearbeitet habe. Die Versetzung sei ihr aufgrund der Kinderbetreuung nicht zumutbar und damit nicht vom Direktionsrecht der Beklagten gedeckt. Durch die Verlängerung der Wegezeiten von täglich mehr als zwei Stunden würden ihre Rechte aus Art. 6 GG verletzt. Die Versetzung sei auch deshalb unwirksam, weil der Betriebsrat ihr nicht zugestimmt habe. Die Beklagte habe schließlich nicht das vom TV Ratio DTKS vorgesehene Auswahlverfahren durchgeführt und ihr einen Änderungsvertrag mit dem Ziel der Versetzung in die Beschäftigungs- und Qualifizierungseinheit angeboten.

14

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass ihre durch die Beklagte erfolgte Versetzung, ab 7. Dezember 2009 im Betrieb der Beklagten in Frankfurt (Oder) zu arbeiten, unwirksam ist.

15

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Klage zumindest derzeit für unbegründet gehalten, weil sie eine sowohl individualrechtlich als auch betriebsverfassungsrechtlich nach § 100 BetrVG wirksame Versetzung vorgenommen habe. Die GBV, die ua. als Interessenausgleich zu verstehen sei, umschreibe die Betriebsänderung abschließend und stehe selbständig neben dem TV Ratio DTKS. Die Versetzung eines Arbeitnehmers sei schon keine Verlegung des Arbeitsplatzes iSv. § 3 TV Ratio DTKS, weil die betroffenen Arbeitnehmer nicht beschäftigungslos würden. Zudem sei der Standort Schätzelbergstraße ein eigenständiger Betrieb iSd. Kündigungsschutzgesetzes. Der TV Ratio DTKS wolle die Sozialauswahl nach gebotener Auslegung nicht über den kündigungsschutzrechtlichen Betriebsbegriff hinaus erweitern. Die Betriebsparteien hätten die Schätzelbergstraße in ihrer personellen Struktur wegen des Spezialwissens der dort beschäftigten Arbeitnehmer erhalten und von jeglicher Auswahlentscheidung ausnehmen wollen. Eine Sozialauswahl sei für Versetzungen von Gesetzes wegen nicht geboten. Gingen die Tarifvertragsparteien darüber - wie mit der Protokollnotiz zu § 3 TV Ratio DTKS - hinaus, müsse es den Betriebsparteien zumindest in Analogie zu § 1 Abs. 4 KSchG möglich sein, Ausnahmen davon zu machen.

16

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte das Ziel der Abweisung der Klage weiter.

Entscheidungsgründe

17

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Klage ist in der Sache erfolgreich. Eine sofortige unmittelbare Versetzung der Klägerin nach Frankfurt (Oder) war tariflich ausgeschlossen.

18

A. §§ 99, 100 BetrVG stehen der Versetzung der Klägerin nach Frankfurt(Oder) nicht entgegen, obwohl das beim Bundesarbeitsgericht unter dem Aktenzeichen - 7 ABR 20/11 - anhängige Zustimmungsersetzungsverfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass eine als vorläufige Maßnahme nach § 100 BetrVG durchgeführte Versetzung dem Arbeitnehmer gegenüber wirksam ist, bis sie - ggf. nach § 100 Abs. 3 Satz 2 BetrVG - nicht mehr aufrechterhalten werden kann.

19

B. Der Senat kann offenlassen, ob die Versetzung der Klägerin von Berlin nach Frankfurt (Oder) vom gesetzlichen Direktionsrecht der Beklagten (§ 106 Satz 1 GewO) gedeckt ist.

20

I. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der Inhalt des Arbeitsvertrags der Parteien nicht auf den Arbeitsort Berlin festgelegt oder konkretisiert.

21

1. Nach § 106 Satz 1 GewO darf der Arbeitgeber den Ort der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit dieser nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt ist(vgl. BAG 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 31, AP BGB § 307 Nr. 26). In einem ersten Schritt ist durch Auslegung der Inhalt der vertraglichen Regelungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Dabei ist insbesondere festzustellen, ob ein bestimmter Tätigkeitsort vertraglich festgelegt ist und welchen Inhalt ein ggf. vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat (vgl. BAG 19. Januar 2011 - 10 AZR 738/09 - Rn. 12, AP BGB § 307 Nr. 50 = EzA GewO § 106 Nr. 7; 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 18, BAGE 135, 239).

22

2. Der Arbeitsort ist hier nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts weder ausdrücklich vertraglich festgelegt, noch ist er auf das Gebiet des Landes Berlin konkretisiert.

23

a) Der letzte zwischen der Klägerin und der Deutschen Bundespost Telekom geschlossene Arbeitsvertrag vom 1. Januar 1991 legt keinen bestimmten Arbeitsort fest. Er unterscheidet sich damit von dem ersten Arbeitsvertrag der Klägerin mit einer früheren Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 31. August 1989, der den Arbeitsort Berlin-Adlershof vorsah. In einem solchen Fall ist eine Ortsveränderung durch Versetzung in eine andere politische Gemeinde nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unabhängig vom Berufsbild vertraglich nicht ausgeschlossen und grundsätzlich vom gesetzlichen Weisungsrecht der Beklagten aus § 106 Satz 1 GewO gedeckt(vgl. BAG 19. Januar 2011 - 10 AZR 738/09 - Rn. 12, AP BGB § 307 Nr. 50 = EzA GewO § 106 Nr. 7; 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 18, BAGE 135, 239; 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 27, AP BGB § 307 Nr. 45 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 47; siehe auch 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 31 f., AP BGB § 307 Nr. 26; zust. etwa Dzida/Schramm BB 2007, 1221, 1225 f.; ErfK/Preis 12. Aufl. § 106 GewO Rn. 16; Preis/Genenger NZA 2008, 969, 971; abl. Hromadka NZA 2012, 233, 238 [Erforderlichkeit eines ausdrücklichen oder konkludenten Versetzungsvorbehalts, konkludent vor allem denkbar bei einer Arbeitspflicht an verschiedenen Orten]; Wank RdA 2012, 139, 140; ders. NZA Beilage 2/2012, 41, 48; ders. RdA 2005, 271, 272 [Maßgeblichkeit des Berufsbilds]). Der Senat kann den Arbeitsvertrag als typischen Vertrag selbst auslegen. Die Beklagte hat den Arbeitsvertrag nach seinem Erscheinungsbild mehrfach verwendet. Der Vertrag enthält bis auf die Daten der Klägerin keine individuellen Besonderheiten.

24

b) Die Arbeitspflicht der Klägerin ist nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch nicht auf den Arbeitsort Berlin konkretisiert.

25

aa) Arbeitspflichten können sich zwar nach längerer Zeit auf bestimmte Arbeitsbedingungen konkretisieren. Dazu genügt jedoch nicht schon der bloße Zeitablauf. Vielmehr müssen besondere Umstände hinzutreten, aufgrund derer der Arbeitnehmer erkennen kann und darauf vertrauen darf, dass er nicht in anderer Weise eingesetzt werden soll (vgl. für die st. Rspr. BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 98/11 - Rn. 47; 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 50 mwN, AP BGB § 307 Nr. 26; 3. Juni 2004 - 2 AZR 577/03 - zu C II 2 b der Gründe, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 141 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 55; 7. Dezember 2000 - 6 AZR 444/99 - zu III 2 der Gründe, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 61 = EzA BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 23).

26

bb) Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Bis auf den langjährigen Einsatz der Klägerin im Gebiet des Landes Berlin traten keine besonderen Umstände hinzu, die ihr Vertrauen darauf gerechtfertigt hätten, nur in Berlin eingesetzt zu werden. Die Vorinstanzen haben solche besonderen Umstände zu Recht nicht darin gesehen, dass die Beklagte in der Vergangenheit nicht auf die arbeitsvertraglich vorbehaltene örtliche Versetzungsbefugnis hingewiesen hatte. Allein daraus, dass ein Vertragspartner über einen längeren Zeitraum hinweg nicht auf ein vertraglich vereinbartes Recht hinweist, darf der andere Vertragspartner nicht schließen, sein Vertragspartner werde von seinem Recht keinen Gebrauch mehr machen (vgl. BAG 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 52, AP BGB § 307 Nr. 26; 3. Juni 2004 - 2 AZR 577/03 - zu C II 2 b der Gründe, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 141 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 55).

27

c) Ist der Arbeitsort nicht festgelegt oder konkretisiert und weist der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsort zu, unterliegt die Weisung nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keiner Inhaltskontrolle nach § 307 BGB, sondern der Ausübungskontrolle nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 3 BGB(aA Wank RdA 2012, 139, 140). Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind (vgl. nur BAG 19. Januar 2011 - 10 AZR 738/09 - Rn. 18, AP BGB § 307 Nr. 50 = EzA GewO § 106 Nr. 7; 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 31, BAGE 135, 239; 23. September 2004 - 6 AZR 567/03 - zu IV 2 a der Gründe, BAGE 112, 80).

28

II. Der Senat kann offenlassen, ob an der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu den arbeitsvertraglichen Grenzen des gesetzlichen Direktionsrechts (§ 106 Satz 1 GewO) bei Versetzungen mit einer Veränderung des Arbeitsorts festzuhalten ist (abl. Hromadka NZA 2012, 233, 238; Wank RdA 2012, 139, 140, der auch dem individualrechtlichen Begriff der Versetzung aufgrund Direktionsrechts kritisch gegenübersteht und sich für den Begriff der Umsetzung ausspricht; ders. NZA Beilage 2/2012, 41, 48; ders. RdA 2005, 271, 272). Es kann auch dahinstehen, ob das Landesarbeitsgericht trotz der Kinderbetreuungspflicht der Klägerin rechtsfehlerfrei angenommen hat, die Ausübung des Weisungsrechts der Beklagten durch die Versetzung der Klägerin von Berlin nach Frankfurt (Oder) sei nicht zu beanstanden. Die Versetzung der Klägerin ist jedenfalls unwirksam, weil das Direktionsrecht der Beklagten entweder durch § 3 Abs. 1 iVm. § 5 Abs. 1 Satz 1 TV Ratio DTKS oder durch § 3 Abs. 2 iVm. § 5 Abs. 1 Satz 1 TV Ratio DTKS beschränkt ist. Die in §§ 3 bis 5 TV Ratio DTKS enthaltene tarifliche Auswahlrichtlinie dient dazu, dem Arbeitnehmer nach § 5 Abs. 1 bis Abs. 3 TV Ratio DTKS durch einzelvertragliche Abrede oder Änderungskündigung die Möglichkeit zu eröffnen, in den Betrieb BQE versetzt zu werden(ebenso Hümmerich/Welslau NZA 2005, 610, 612; Klinkhammer JbArbR Bd. 43 S. 63, 84). Der Anwendungsbereich des TV Ratio DTKS ist eröffnet. Die Auslegung der tarifvertraglichen Regelungen (§ 3 Abs. 1, Abs. 2, § 5 Abs. 1 Satz 1 TV Ratio DTKS) ergibt, dass auch Verlagerungen von Arbeitsplätzen ohne Personalabbau das Angebot eines Änderungsvertrags mit dem Ziel einer Versetzung in die BQE verlangen. § 3 Abs. 1 TV Ratio DTKS oder § 3 Abs. 2 TV Ratio DTKS - jeweils iVm. § 5 Abs. 1 Satz 1 TV Ratio DTKS - beschränkten das Direktionsrecht der Beklagten zunächst auf dieses tarifliche Verfahren und schlossen eine sofortige unmittelbare Versetzung von Berlin nach Frankfurt(Oder) aus. Den Tarifvertragsparteien fehlte nicht die Kompetenz, ein tarifliches Auswahlverfahren zu schaffen. Die GBV vom 28. November 2008 durfte vom tariflichen Auswahlverfahren nicht abweichen, indem sie „Mitarbeitermigrationspfade“ vorsah.

29

1. Der Anwendungsbereich des TV Ratio DTKS ist eröffnet.

30

a) Die Klägerin unterfällt durch ihre Gewerkschaftszugehörigkeit dem persönlichen Geltungsbereich des TV Ratio DTKS. Die Beklagte ist Tarifvertragspartei des Firmentarifvertrags (§ 3 Abs. 1 TVG).

31

b) Der sachliche Geltungsbereich des TV Ratio DTKS ist eröffnet.

32

aa) Dem sachlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags unterfallen nach § 1 Abs. 1 TV Ratio DTKS wirtschaftliche, organisatorische und personelle Maßnahmen, die eine kontinuierliche Qualitäts- und Produktivitätsverbesserung sowie eine flexible Anpassung an technologische und nachfragebezogene Veränderungen sicherstellen sollen. § 1 Abs. 2 Buchst. a TV Ratio DTKS definiert als Maßnahmen unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Änderungen der Aufbauorganisation, soweit hierdurch der Arbeitsplatz eines Arbeitnehmers wegfällt oder verlegt wird. In den Ausführungsbestimmungen ist geregelt, wie der Begriff der Aufbauorganisation zu verstehen ist. „Aufbauorganisation“ ist danach die Bildung von Organisationseinheiten, die Zuteilung von Aufgaben zu diesen Einheiten, die Aufgabenverteilung innerhalb der Einheiten sowie die Festlegung ihrer Zuständigkeiten. Sie umfasst zB die Einrichtung, Umwandlung oder Aufhebung von Niederlassungen, die Einrichtung, Umwandlung oder Aufhebung von Ressorts oder Abteilungen, die Aufgabenverteilung auf Niederlassungen oder Ressorts sowie die Arbeitsverteilung auf Funktionsträger (Nr. 1 der Ausführungsbestimmungen zu Absatz 2).

33

bb) Die in der GBV vom 28. November 2008 enthaltenen Maßnahmen unterfallen dem sachlichen Anwendungsbereich des Tarifvertrags.

34

(1) Aus der Präambel der GBV geht hervor, dass sie der Modernisierung und Konsolidierung der bestehenden Standorte dient und die Beklagte eine betriebswirtschaftliche Optimierung des Unternehmens durch Produktivitätssteigerungen erstrebt. Damit sollen die Maßnahmen der GBV eine Produktivitätssteigerung iSv. § 1 Abs. 1 TV Ratio DTKS sicherstellen. Dafür sieht die GBV die „Migration“ von sog. Quellstandorten zu neuen Zielstandorten vor, die sich näher aus den Anlagen der GBV ergeben. Für die Berliner Standorte - mit Ausnahme des Standorts Schätzelbergstraße - ergibt sich der Zielstandort Frankfurt (Oder). Die „Migration“ war mit der Auflösung der Standorte in der Holzhauser Straße, der Lankwitzer Straße, der Buchberger Straße und der Köpenicker Allee verbunden. Zugleich wurde in Frankfurt (Oder) ein Standort begründet oder der dort schon bestehende Standort zumindest um weitere Abteilungen erweitert. Aufgaben der Berliner Standorte wurden nach Frankfurt (Oder) überführt. Darin liegt eine Änderung der Aufbauorganisation iSv. § 1 Abs. 2 Buchst. a TV Ratio DTKS.

35

(2) Folge der Änderung der Aufbauorganisation war die Verlegung von Arbeitsplätzen iSv. § 1 Abs. 2 TV Ratio DTKS.

36

(a) Unter „verlegen“ wird im räumlichen Wortsinn eine Handlung verstanden, mit der jemand oder etwas von seinem bisherigen an einen anderen Ort gelegt wird (vgl. Duden Bd. 10 Das Bedeutungswörterbuch 4. Aufl. Stichwort: „verlegen“).

37

(b) Das trifft auf die betroffenen Arbeitsplätze zu. Sie werden nach den Regelungen der GBV vom 28. November 2008 von den Quell- an die Zielstandorte gelegt. Diese Verlegung muss nicht dazu führen, dass Arbeitsplätze wegfallen. Maßnahmen iSv. § 1 Abs. 2 TV Ratio DTKS eröffnen den Anwendungsbereich des Tarifvertrags, soweit der Arbeitsplatz eines Arbeitnehmers wegfällt oder verlegt wird. Die Tarifvertragsparteien haben das Wort „oder“ zur Verknüpfung verwendet, sodass beide Satzglieder alternative Möglichkeiten ausdrücken, von denen eine infrage kommt. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien den Anwendungsbereich nur für solche Verlegungen von Arbeitsplätzen eröffnen wollten, die zugleich mit einem Arbeitsplatzabbau verbunden sind.

38

2. Entgegen der Auffassung der Revision war bei der Verlagerung des Standorts Berlin Holzhauser Straße nach Frankfurt (Oder) das Direktionsrecht der Beklagten durch die ua. in §§ 3 und 5 TV Ratio DTKS enthaltene tarifliche Auswahlrichtlinie dahin eingeschränkt, die Klägerin einvernehmlich oder durch Änderungskündigung in die BQE zu versetzen. Die Auslegung von § 3 TV Ratio DTKS ergibt, dass die Verlagerung des Standorts Berlin Holzhauser Straße eine Auswahl nach § 3 TV Ratio DTKS erforderlich machte. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Standorte Berlin Holzhauser Straße und Berlin Schätzelbergstraße demselben Betrieb im kündigungsschutzrechtlichen Sinn angehörten oder nicht. Gehörten die früheren fünf Berliner Standorte oder auch nur die Standorte Holzhauser Straße und Schätzelbergstraße einem Betrieb im kündigungsschutzrechtlichen Sinn an, war die Klägerin nur im Fall ihrer tarifgerechten Auswahl nach § 3 Abs. 1 iVm. § 5 Abs. 1 bis Abs. 3 TV Ratio DTKS in die BQE zu versetzen. Sollten der Standort Berlin Schätzelbergstraße und der Standort Berlin Holzhauser Straße oder alle anderen vier früheren Berliner Standorte mehrere Betriebe im kündigungsschutzrechtlichen Sinn gebildet haben, schränkte § 3 Abs. 2 TV Ratio DTKS das Direktionsrecht der Beklagten dahin ein, die Klägerin in die BQE zu versetzen. Die sofortige unmittelbare Versetzung der Klägerin nach Frankfurt (Oder) ohne den Versuch, sie in die BQE zu versetzen, war von dem durch den TV Ratio DTKS tariflich eingeschränkten Direktionsrecht der Beklagten (§ 106 Satz 1 GewO) nicht gedeckt.

39

a) Bei der Auslegung kann der Senat in der ersten Alternative unterstellen, dass der verlagerte Standort Berlin Holzhauser Straße, in dem die Klägerin jedenfalls bis Anfang Dezember 2009 eingesetzt war, kündigungsschutzrechtlich demselben Betrieb angehörte wie der Standort Berlin Schätzelbergstraße. Der (gesetzliche oder gewillkürte) betriebsverfassungsrechtliche Begriff des Betriebs ist für das Auswahlverfahren nicht maßgeblich.

40

aa) Für Änderungskündigungen ist es möglich, Auswahlrichtlinien aufzustellen. Dabei sind die Betriebs- oder Tarifvertragsparteien an die Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes gebunden. Sie können die gesetzlichen Anforderungen an die Sozialauswahl nicht abweichend von § 1 Abs. 3 KSchG festlegen(vgl. BAG 12. August 2010 - 2 AZR 945/08 - Rn. 43 mwN, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 147 = EzA KSchG § 2 Nr. 79). Das gilt auch für ein der Änderungskündigung vorgeschaltetes Auswahlverfahren (vgl. BAG 12. August 2010 - 2 AZR 945/08 - Rn. 44, aaO). Die Auswahl muss sich deshalb hinsichtlich besetzter Arbeitsplätze innerhalb des Betriebs im kündigungsschutzrechtlichen Sinn vollziehen.

41

bb) Unter einem Betrieb im kündigungsschutzrechtlichen Sinn ist die organisatorische Einheit zu verstehen, innerhalb derer ein Arbeitgeber allein oder gemeinsam mit seinen Arbeitnehmern mithilfe von sächlichen und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt, die sich nicht in der Befriedigung von Eigenbedarf erschöpfen. Das setzt einen einheitlichen organisatorischen Einsatz der Sachmittel und Personalressourcen voraus. Die Leitungsmacht, die einen Betrieb im kündigungsschutzrechtlichen Sinn begründet, wird dadurch bestimmt, dass der Kern der Arbeitgeberfunktionen in personellen und sozialen Angelegenheiten von derselben institutionalisierten Leitung im Wesentlichen selbständig ausgeübt wird. Entscheidend ist, wo im Schwerpunkt über Arbeitsbedingungen und Organisationsfragen entschieden wird und in welcher Weise Einstellungen, Entlassungen und Versetzungen vorgenommen werden (vgl. für die st. Rspr. BAG 7. Juli 2011 - 2 AZR 476/10 - Rn. 36 mwN; 28. Oktober 2010 - 2 AZR 392/08 - Rn. 15 f., AP KSchG 1969 § 23 Nr. 48 = EzA KSchG § 23 Nr. 37). Vom Betrieb als Ganzem zu unterscheiden sind Betriebsteile, die gegenüber dem Hauptbetrieb organisatorisch selbständig sind und eine Teilfunktion von dessen arbeitstechnischem Zweck wahrnehmen. Auch ein Hauptbetrieb und eine räumlich weit entfernte Betriebsstätte iSv. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG können einen Betrieb iSv. § 23 KSchG bilden. Im Unterschied zu § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG differenziert § 23 KSchG nicht zwischen Betrieben und räumlich entfernten Betriebsteilen, die als selbständige Betriebe im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes gelten. Die räumliche Einheit ist kündigungsschutzrechtlich kein entscheidendes Abgrenzungsmerkmal, weil es wesentlich auf die Leitung des Betriebs ankommt, der es obliegt, die Einzelheiten der arbeitstechnischen Zwecksetzung zu regeln (vgl. BAG 7. Juli 2011 - 2 AZR 476/10 - Rn. 37; 28. Oktober 2010 - 2 AZR 392/08 - Rn. 17, aaO ).

42

cc) Gehörten die früheren fünf Berliner Standorte oder auch nur die Standorte Holzhauser Straße und Schätzelbergstraße einem Betrieb im kündigungsschutzrechtlichen Sinn an, war die Klägerin lediglich im Fall ihrer tarifgerechten Auswahl nach § 3 Abs. 1 iVm. § 5 Abs. 1 bis Abs. 3 TV Ratio DTKS in die BQE zu überführen.

43

(1) Nach § 3 Abs. 1 TV Ratio DTKS werden alle auf den gleichen Arbeitsplätzen beschäftigten Arbeitnehmer in die Auswahl einbezogen, wenn von einer Gesamtheit gleicher Arbeitsplätze, die von einer Maßnahme iSv. § 1 TV Ratio DTKS betroffen sind, nur ein Teil der Arbeitsplätze wegfällt oder verlegt wird. Die Auswahl dient dazu, die ausgewählten Arbeitnehmer nach § 5 Abs. 1 und Abs. 3 TV Ratio DTKS in den Betrieb BQE zu überführen(Nr. 1 der Protokollnotiz zu § 3 TV Ratio DTKS). Nach § 5 Abs. 3 TV Ratio DTKS erfolgt eine Änderungskündigung, wenn der ausgewählte Arbeitnehmer Angebote nach § 5 Abs. 1(Änderungsvertrag) oder § 5 Abs. 2 TV Ratio DTKS(Auflösungsvertrag) ablehnt. Die Auswahl soll eine Änderungskündigung vorbereiten, wenn es zu keiner der einvernehmlichen Lösungen eines Änderungs- oder Auflösungsvertrags kommt. Sind von einer Organisationsmaßnahme des Arbeitgebers mehrere vergleichbare Arbeitnehmer betroffen und konkurrieren diese um besetzte Arbeitsplätze in demselben Betrieb, hat der Arbeitgeber durch eine Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG zu entscheiden, welche Arbeitnehmer er weiterbeschäftigt. Diese Grundsätze finden auch bei einer (beabsichtigten) Änderungskündigung Anwendung. § 2 Satz 1 KSchG verweist uneingeschränkt auf § 1 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 KSchG(st. Rspr., vgl. BAG 12. August 2010 - 2 AZR 945/08 - Rn. 41, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 147 = EzA KSchG § 2 Nr. 79).

44

(2) Die am Standort Berlin Schätzelbergstraße vorhandenen Arbeitsplätze gehörten zumindest zum Teil zu einer „Gesamtheit gleicher Arbeitsplätze“ iSv. § 3 Abs. 1 TV Ratio DTKS, wenn unterstellt wird, dass die Standorte Berlin Holzhauser Straße und Berlin Schätzelbergstraße einem Betrieb im kündigungsschutzrechtlichen Sinn angehörten. Der Begriff der Gesamtheit gleicher Arbeitsplätze ist tariflich nicht definiert. Aufgrund der Formulierung „gleiche Arbeitsplätze“ ist aber davon auszugehen, dass es sich um solche Arbeitsplätze handeln muss, an denen gleiche oder gleichartige Tätigkeiten verrichtet werden.

45

(a) An den verschiedenen Standorten arbeiteten bis zur Verlagerung des Standorts Berlin Holzhauser Straße ua. Arbeitnehmer, die als Kundenberater Leistungen in den Bereichen Festnetz oder Mobilfunk vertrieben und Beratungsleistungen erbrachten. Dem steht nicht entgegen, dass sich der Gegenstand des Vertriebs und der Beratung in Festnetzbereich und Mobilfunk unterschied.

46

(b) Entscheidend dafür, ob die Arbeitsplätze als „gleich“ iSv. § 3 Abs. 1 TV Ratio DTKS einzuordnen sind, ist, ob die Arbeitnehmer auf den Arbeitsplätzen austauschbar sind. Dafür sprechen Sinn und Zweck der Regelung sowie der tarifliche Zusammenhang, weil die Auswahl auch dazu dient, Änderungskündigungen vorzubereiten (§ 5 Abs. 3 TV Ratio DTKS). Eine solche Austauschbarkeit ist nicht nur bei Identität der Arbeitsplätze gegeben, sondern auch dann, wenn der Arbeitnehmer aufgrund seiner Tätigkeit und Ausbildung eine andersartige, aber gleichwertige Tätigkeit ausführen kann (vgl. BAG 7. Dezember 2006 - 2 AZR 748/05 - Rn. 18, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 88 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 74; 18. Oktober 2006 - 2 AZR 676/05 - Rn. 30, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 73). Eine kurze Einarbeitungszeit hindert die Vergleichbarkeit nicht. Eine Austauschbarkeit iSd. Kündigungsschutzgesetzes ist vielmehr erst dann ausgeschlossen, wenn die betriebliche Spezialisierung und die aktuellen besonderen Umstände einen solchen Grad erreicht haben, dass ein Einsatz des zu kündigenden Arbeitnehmers auf dem Arbeitsplatz des „Spezialisten“ auch nach einer angemessenen Einarbeitungsfrist nicht möglich ist. Dafür genügt es nicht, dass der Arbeitnehmer nur einen bestimmten, insbesondere untergeordneten Arbeitsvorgang nicht ausführen kann. Sein Arbeitseinsatz muss insgesamt nicht mehr - wirtschaftlich - erfolgen können (vgl. BAG 5. Juni 2008 - 2 AZR 907/06 - Rn. 25, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 179 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 81).

47

(c) Nach diesen Maßstäben bestanden am Standort Berlin Schätzelbergstraße gleiche Kundenberaterarbeitsplätze iSv. § 3 Abs. 1 TV Ratio DTKS wie am Standort Berlin Holzhauser Straße und an den übrigen drei früheren Berliner Standorten.

48

dd) Unerheblich ist, ob die Absätze 3 und 5 des § 3 TV Ratio DTKS insoweit unwirksam sind, als sie für die Auswahl an den Begriff der Organisationseinheit anknüpfen. Auf diese Regelungen kommt es nicht an, weil sich das Erfordernis der tarifgerechten Auswahl der Klägerin für die Überführung in die BQE bereits aus § 3 Abs. 1 iVm. § 5 Abs. 1 bis Abs. 3 TV Ratio DTKS ergibt.

49

b) Sollten der Standort Berlin Schätzelbergstraße und der Standort Berlin Holzhauser Straße (ggf. gemeinsam mit den anderen drei früheren Berliner Standorten) zwei Betriebe im kündigungsschutzrechtlichen Sinn gebildet haben, schränkte § 3 Abs. 2 TV Ratio DTKS das Direktionsrecht der Beklagten dahin ein, die Klägerin in die BQE zu versetzen. In diesem Fall wären alle Arbeitsplätze des verlagerten Betriebs verlegt worden.

50

c) Die nach § 3 Abs. 1 oder § 3 Abs. 2 TV Ratio DTKS zu treffende Auswahl setzt nicht voraus, dass es zu einem Arbeitsplatzabbau kommt.

51

aa) Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut. Wie auch § 1 Abs. 2 TV Ratio DTKS stellen die Absätze 1 bis 3 des § 3 TV Ratio DTKS die Verlegung des Arbeitsplatzes als eigenständige Alternative neben den Wegfall des Arbeitsplatzes. Das wird durch die Verknüpfungen „oder“ und „bzw.“ deutlich.

52

bb) Auch der tarifliche Gesamtzusammenhang spricht dafür, dass die bloße Verlegung von Arbeitsplätzen eine Auswahlentscheidung nach § 3 TV Ratio DTKS erforderlich macht, wenn vergleichbare Arbeitsplätze im Betrieb bestehen.

53

(1) Die Tarifvertragsparteien stellen in § 1 Abs. 2, § 3 Abs. 1, § 3 Abs. 2 und § 3 Abs. 3 TV Ratio DTKS den Wegfall und die Verlegung von Arbeitsplätzen als selbständige Alternativen nebeneinander und verknüpfen sie durch „oder“ und „bzw.“. Das deutet auf ein einheitliches Verständnis hin.

54

(2) Das tarifliche Rechtsfolgensystem der §§ 5, 8, 9 und 10 TV Ratio DTKS, das an die Auswahl nach §§ 3 bis 5 TV Ratio DTKS anknüpft, spricht nicht gegen das gefundene Auslegungsergebnis.

55

(a) Nach § 5 Abs. 1 TV Ratio DTKS erhält der nach §§ 3 und 4 TV Ratio DTKS ausgewählte Arbeitnehmer ein Angebot auf Abschluss eines Änderungsvertrags. Inhalt dieses Vertrags ist die Bereitschaft, eine Tätigkeit im Betrieb BQE zu den tarifvertraglich näher geregelten Bedingungen aufzunehmen (§ 5 Abs. 1 Satz 2 TV Ratio DTKS). Nach Abschluss des Änderungsvertrags wird der Arbeitnehmer in den Betrieb BQE versetzt (§ 5 Abs. 1 Satz 5 TV Ratio DTKS). Dieses Rechtsfolgensystem ist für Standortverlagerungen ohne Personalabbau nicht unpassend. Vielmehr ermöglichen die Regelungen zur Versetzung des ausgewählten Arbeitnehmers in die BQE es ihm, Leistungen in Anspruch zu nehmen, die dazu dienen, die mit der organisatorischen Maßnahme und ihrer Umsetzung verbundenen Belastungen abzumildern. Zugleich erlaubt das Rechtsfolgensystem des § 5 TV Ratio DTKS es dem Arbeitnehmer, aus dem Arbeitsverhältnis gegen Abfindung auszuscheiden(§ 5 Abs. 2 TV Ratio DTKS). Das tarifliche Rechtsfolgensystem bietet dem ausgewählten Arbeitnehmer demnach verschiedene Handlungsoptionen.

56

(b) § 8 Abs. 1 TV Ratio DTKS verpflichtet die Beklagte, den nach §§ 3, 4 TV Ratio DTKS ausgewählten und von den Regelungen des § 5 erfassten Arbeitnehmern einen gleichwertigen und zumutbaren Dauerarbeitsplatz innerhalb des Unternehmens der Beklagten - der DTKS - anzubieten. Der ausgewählte Arbeitnehmer wird auf diese Weise typischerweise nicht in die Gefahr gebracht, gegen seinen Willen den Arbeitsplatz zu verlieren. Für die Auswahl von Arbeitnehmern ist für ein zumutbares Angebot in § 9 TV Ratio DTKS eine weitere Auswahlkommission vorgesehen. Der ausgewählte Arbeitnehmer trifft in der BQE auf andere, mit ihm konkurrierende Arbeitnehmer.

57

(aa) Die in Anlage 4 des TV Ratio DTKS geregelten Zumutbarkeitskriterien berücksichtigen ua. den Qualifizierungsaufwand und die Organisationszugehörigkeit iSd. Organisationseinheit. Für den von der Standortverlagerung betroffenen Arbeitnehmer, dessen neuer Standort innerhalb der Organisationseinheit liegt, ist daher im Hinblick auf Qualifikation und Zugehörigkeit zur Organisationseinheit idR ein Angebot zum Wechsel auf den nur örtlich veränderten Arbeitsplatz eher zumutbar als für andere Arbeitnehmer, die sich bereits in der BQE befinden und anderen Organisationseinheiten angehören.

58

(bb) § 8 Abs. 7 Satz 4 TV Ratio DTKS sieht vor, dass Arbeitnehmer auf freiwilliger Basis von den einschränkenden Regelungen der Anlage 4 des TV Ratio DTKS abweichen können. Der freiwillige Wechsel auf einen Dauerarbeitsplatz ist der Annahme eines Angebots gleichgestellt (§ 8 Abs. 7 Satz 5 TV Ratio DTKS). Danach kann sich der betroffene Arbeitnehmer freiwillig entscheiden, am neuen Standort die Arbeit aufzunehmen, ohne dass es auf Zumutbarkeitskriterien ankäme.

59

(cc) Nach § 10 Abs. 1 TV Ratio DTKS stehen dem Arbeitnehmer bei einer solchen internen Vermittlung Ansprüche auf Leistungen nach Anlage 5 Abschn. 1 Unterabschn. 1 des TV Ratio DTKS zu, die ua. aus einem Erstattungsbetrag zum Ausgleich von Fahrtkosten und des zeitlichen Mehraufwands (§§ 4 und 5 der Anlage 5 Abschn. 1 Unterabschn. 1 des TV Ratio DTKS) oder einer Umzugshilfe (§ 6 der Anlage 5 Abschn. 1 Unterabschn. 1 des TV Ratio DTKS) bestehen können.

60

(dd) Das zur Milderung der Verlegung des Arbeitsplatzes vorgesehene Rechtsfolgensystem knüpft damit daran an, dass der örtlich veränderte Dauerarbeitsplatz durch Vermittlung aus dem Betrieb BQE erlangt wird.

61

(c) Zu berücksichtigen ist ferner, dass Abschn. 1 des TV Ratio DTKS, der die Auswahlentscheidung enthält, für Arbeitnehmer, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, das noch nicht mindestens zwei Jahre ununterbrochen angedauert hat, keine Anwendung findet (§ 2 TV Ratio DTKS). Die Tarifvertragsparteien sehen aber auch für diese Arbeitnehmer den Wechsel in die BQE vor.

62

(aa) Für diese Arbeitnehmer gelten die im Abschn. 2 des TV Ratio DTKS getroffenen Regelungen (§ 13 TV Ratio DTKS). Die Tarifvertragsparteien stufen diese Arbeitnehmer als weniger schutzwürdig ein und sehen für die Gruppe kein Auswahlverfahren vor. Diese Arbeitnehmer sind deswegen unmittelbar betroffen, wenn ihr Arbeitsplatz wegfällt oder verlegt wird. § 14 Abs. 1 TV Ratio DTKS bestimmt, dass sich die Beklagte bemüht, für diese Arbeitnehmergruppe soziale Härten zu vermeiden. Rechtsfolge ihrer Betroffenheit ist im Übrigen, dass die ausgewählten Arbeitnehmer ein Angebot auf befristete Beschäftigung im Betrieb BQE für die Dauer von zwölf Monaten mit dem Zweck der Vermittlung auf einen Dauerarbeitsplatz erhalten (§ 14 Abs. 2 Satz 1 TV Ratio DTKS). §§ 5 und 6 TV Ratio DTKS finden auf sie Anwendung(§ 14 Abs. 2 Satz 2 TV Ratio DTKS).

63

(bb) Sehen die Tarifvertragsparteien für diese weniger schutzwürdige Arbeitnehmergruppe als allein mögliche Rechtsfolge ihrer Betroffenheit einen Wechsel in die BQE vor, entspricht es dem tariflichen Rechtsfolgensystem, dass die dem Abschn. 1 des TV Ratio DTKS unterfallenden Arbeitnehmer im Fall ihrer Auswahl in die BQE wechseln können, um von dort vermittelt zu werden. Sonst würden die schutzwürdigeren Arbeitnehmer von tariflichen Leistungen nach Anlage 5 Abschn. 1 Unterabschn. 1 des TV Ratio DTKS ausgeschlossen. Die dem Abschn. 2 des TV Ratio DTKS unterfallenden kürzer beschäftigten Arbeitnehmer erhielten bei interner Vermittlung demgegenüber Leistungen nach Anlage 5 Abschn. 1 Unterabschn. 2 des TV Ratio DTKS (§ 15 Abs. 1 TV Ratio DTKS), zB Leistungen zum Ausgleich von Fahrtmehrkosten (§ 8 der Anlage 5 Abschn. 1 Unterabschn. 2 des TV Ratio DTKS).

64

(d) Auch die Protokollnotiz Nr. 1 zu § 3 TV Ratio DTKS und die Protokollnotiz zu § 3 Abs. 6 TV Ratio DTKS sprechen bei Standortverlagerungen nicht gegen eine Auswahl nach § 3 TV Ratio DTKS.

65

(aa) Die Protokollnotiz Nr. 1 zu § 3 TV Ratio DTKS bestimmt, dass die nach §§ 3, 4 TV Ratio DTKS vorzunehmende Auswahlentscheidung eine Sozialauswahl iSd. Kündigungsschutzgesetzes zum Zweck der Überführung nach § 5 Abs. 1 und Abs. 3 TV Ratio DTKS in den Betrieb BQE ist und die Anlagen 1 und 2 des Tarifvertrags für diesen Zweck eine Auswahlrichtlinie iSv. § 1 Abs. 4 KSchG darstellen.

66

(aaa) Damit bringen die Tarifvertragsparteien nicht zum Ausdruck, eine Auswahl hielten sie nur dann für erforderlich, wenn die organisatorische Maßnahme des Arbeitgebers zu einem Abbau von Arbeitsplätzen führe. Betriebsbedingte Beendigungskündigungen sind nach § 12 Abs. 1 Satz 1 TV Ratio DTKS bis 31. Dezember 2012 ausgeschlossen, sodass sich die vorzunehmende Auswahl nur auf einen Wechsel in die BQE beziehen kann. Die Auswahlregeln gelten nicht für Beendigungskündigungen nach Außerkrafttreten von § 12 TV Ratio DTKS(Protokollnotiz zu § 18 Abs. 3 TV Ratio DTKS).

67

(bbb) Dieses Ergebnis folgt auch aus der Protokollnotiz Nr. 1 zu § 3 TV Ratio DTKS, wenn es dort heißt, dass es sich um eine Sozialauswahl iSd. Kündigungsschutzgesetzes zum Zweck der Überführung in den Betrieb BQE handelt. Rechtsfolge ist nicht, dass die ausgewählten Arbeitnehmer unmittelbar auf einen Arbeitsplatz außerhalb der BQE versetzt werden sollen. Sie sollen vielmehr in den Betrieb BQE wechseln, um eine wohlüberlegte Entscheidung treffen zu können, ob sie aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden oder aus der BQE vermittelt werden wollen. Indem die Tarifvertragsparteien auf das Kündigungsschutzgesetz Bezug nehmen und die Anlagen 1 und 2 des TV Ratio DTKS als Auswahlrichtlinie iSv. § 1 Abs. 4 KSchG bezeichnen, machen sie nur deutlich, nach welchen Grundsätzen die vorzunehmende Auswahl erfolgen soll.

68

(bb) Auch aus der Protokollnotiz zu § 3 Abs. 6 TV Ratio DTKS ergibt sich nichts anderes.

69

(aaa) § 3 Abs. 6 Satz 1 TV Ratio DTKS trifft eine Sonderregelung für Altersteilzeitarbeitsverhältnisse und nimmt Arbeitnehmer, die sich zum Zeitpunkt der Zuleitung an die Paritätische Auswahlkommission I bereits in Altersteilzeit befinden oder einen Alterszeitzeitarbeitsvertrag geschlossen haben, von der Auswahlentscheidung aus. Nach Satz 1 der Protokollnotiz zu § 3 Abs. 6 TV Ratio DTKS gilt das nicht, wenn sie „vollbetroffen“ iSv. § 3 Abs. 2 TV Ratio DTKS sind und alle Arbeitnehmer in den Betrieb BQE versetzt werden. Nach Satz 2 der Protokollnotiz zu § 3 Abs. 6 TV Ratio DTKS soll bei diesen Arbeitnehmern eine Versetzung in die BQE jedoch nur erfolgen, wenn bei vorrangiger Prüfung einer anderweitigen Unterbringung des Arbeitnehmers nachweislich kein anderweitiger zumutbarer und gleichwertiger Arbeitsplatz nach dem TV Ratio DTKS gefunden wurde.

70

(bbb) Damit haben die Tarifvertragsparteien lediglich eine besondere Regelung zugunsten von Arbeitnehmern in Altersteilzeit getroffen. Ihnen soll vorrangig ein anderweitiger zumutbarer Arbeitsplatz - außerhalb der Regelungen der BQE - vermittelt werden. Daraus kann nicht geschlossen werden, Versetzungen in die BQE kämen allgemein nur in Betracht, wenn kein anderweitiger zumutbarer Arbeitsplatz vorhanden ist. Die Frage, welche Arbeitsplatzangebote zumutbar sind oder nicht, soll sich nach dem Willen der Tarifvertragsparteien nach den Vermittlungsregelungen der BQE - und nicht nach der Einschätzung des Arbeitgebers - bestimmen.

71

(e) Schließlich sprechen auch die Verfahrensregeln zur Auswahl von Arbeitnehmern nach Anlage 1 des TV Ratio DTKS, aufgrund derer die Auswahl nach § 3 TV Ratio DTKS stattzufinden hat, nicht gegen die Durchführung einer Auswahl bei Standortverlagerungen. Nr. 1 Abs. 2 der Anlage 1 des TV Ratio DTKS spricht zwar davon, dass die sich aus der konkreten Maßnahme nach § 1 TV Ratio DTKS ergebenden „Personalüberhänge“ zahlenmäßig einzelnen Alterskategorien verhältnismäßig zugeordnet werden. Aus der Regelungssystematik, nach der betroffene oder ausgewählte Arbeitnehmer grundsätzlich in die BQE wechseln, ergibt sich aber, dass ein „Personalüberhang“ auch besteht, wenn Arbeitsplätze verlegt werden. Der Begriff des Personalüberhangs kann daher nicht so verstanden werden, dass ein Personalüberhang nur dann besteht, wenn sich die Zahl der Arbeitsplätze verringert.

72

cc) Sinn und Zweck der tariflichen Regelungen, wirtschaftliche, organisatorische und personelle Maßnahmen, die zu einem Wegfall oder einer Verlegung von Arbeitsplätzen führen, sozialverträglich umzusetzen (§ 1 Abs. 1 TV Ratio DTKS), sprechen dafür, die Auswahlregelungen des § 3 TV Ratio DTKS und die damit ausgelösten Rechtsfolgen auf bloße Standortverlagerungen anzuwenden.

73

(1) Der Zweck des TV Ratio DTKS besteht darin, die Folgen von unternehmerischen Entscheidungen, die mit Arbeitsplatzabbau und Arbeitsplatzverlegungen einhergehen, abzumildern. Dazu sind betriebsbedingte Beendigungskündigungen nach § 12 TV Ratio DTKS ausgeschlossen. Stattdessen ist der Wechsel in die BQE vorgesehen.

74

(2) Nach dem erkennbaren Willen der Tarifvertragsparteien soll jedoch nur derjenige, der im Verhältnis zu vergleichbaren Arbeitnehmern sozial weniger schutzwürdig ist, statt der ausgeschlossenen Kündigung in die BQE wechseln. Der ausgewählte Arbeitnehmer kann sich für die Vermittlung aus der BQE oder zum Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis gegen Abfindung entscheiden. Wird der Arbeitnehmer aus der BQE auf einen anderen Arbeitsplatz vermittelt, stehen ihm Ausgleichsansprüche nach § 10 TV Ratio DTKS iVm. Anlage 5 Abschn. 1 Unterabschn. 1 des TV Ratio DTKS zu. Dazu gehören zB Fahrtkostenerstattungen oder Umzugshilfen. Die Tarifvertragsparteien wollen die Belastungen, die mit der Aufnahme einer gleichwertigen Tätigkeit an einem anderen Ort verbunden sind, ausgleichen. Für die tariflich verfolgten Abmilderungsziele ist es unerheblich, ob der Arbeitsplatz eines Arbeitnehmers endgültig wegfällt oder nur an einen anderen, ggf. weit entfernten Ort verlegt wird. In beiden Fällen wird der Arbeitnehmer durch eine organisatorische Maßnahme belastet, die es ihm unmöglich macht, seine Arbeit im gewohnten räumlich-sozialen Umfeld fortzusetzen.

75

3. Die GBV vom 28. November 2008 konnte die tarifliche Einschränkung des Direktionsrechts der Beklagten nicht abweichend von § 3 Abs. 1 oder § 3 Abs. 2 TV Ratio DTKS erweitern, indem sie „Mitarbeitermigrationspfade“ vorgab.

76

a) Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG gelten die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluss oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Selbst wenn die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG hier nicht eingreifen sollte, sind Abweichungen vom Tarifvertrag nach § 4 Abs. 3 TVG nur zulässig, wenn sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung zugunsten des Arbeitnehmers enthalten(vgl. Wiedemann/Wank 7. Aufl. § 4 TVG Rn. 621).

77

b) Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

78

aa) Der TV Ratio DTKS enthält keine Öffnungsklausel zugunsten der (Gesamt-)Betriebsparteien, um von den dort getroffenen Regelungen, insbesondere dem in § 3 Abs. 1 TV Ratio DTKS vorgesehenen Auswahlverfahren abzuweichen.

79

bb) Die Regelung in der GBV ist auch nicht günstiger als das tarifliche Auswahlverfahren. § 2 Abs. 2 GBV führt dazu, dass Mitarbeiter des Callcenters Schätzelbergstraße nicht in eine Auswahl einzubeziehen sind. Das verschlechterte die Rechtsstellung der an den anderen vier früheren Berliner Standorten eingesetzten Arbeitnehmer, wenn sie demselben Betrieb im kündigungsschutzrechtlichen Sinn wie die Arbeitnehmer des Standorts Berlin Schätzelbergstraße angehörten. In diesem Fall war die Auswahlregelung des § 3 Abs. 1 TV Ratio DTKS anzuwenden. § 3 Abs. 1 GBV gibt demgegenüber vor, dass die von der Maßnahme betroffenen Arbeitnehmer ein Angebot auf einen Dauerarbeitsplatz an einem Zielstandort nach der Anlage 2a oder der Anlage 2b der GBV erhalten. Die GBV sieht also - ohne Auswahl - einen unmittelbaren Wechsel an den jeweiligen Zielstandort nach der Anlage 2a der GBV vor.

80

cc) Entsprechendes gilt für § 3 Abs. 2 TV Ratio DTKS, wenn von einer Gesamtheit gleicher Arbeitsplätze alle Arbeitsplätze wegfallen oder verlegt werden.

81

C. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

    Wollensak    

        

    M. Jostes    

                 

Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.

(1) Ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden hat, kann verlangen, dass seine vertraglich vereinbarte Arbeitszeit verringert wird.

(2) Der Arbeitnehmer muss die Verringerung seiner Arbeitszeit und den Umfang der Verringerung spätestens drei Monate vor deren Beginn in Textform geltend machen. Er soll dabei die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit angeben.

(3) Der Arbeitgeber hat mit dem Arbeitnehmer die gewünschte Verringerung der Arbeitszeit mit dem Ziel zu erörtern, zu einer Vereinbarung zu gelangen. Er hat mit dem Arbeitnehmer Einvernehmen über die von ihm festzulegende Verteilung der Arbeitszeit zu erzielen.

(4) Der Arbeitgeber hat der Verringerung der Arbeitszeit zuzustimmen und ihre Verteilung entsprechend den Wünschen des Arbeitnehmers festzulegen, soweit betriebliche Gründe nicht entgegenstehen. Ein betrieblicher Grund liegt insbesondere vor, wenn die Verringerung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht. Die Ablehnungsgründe können durch Tarifvertrag festgelegt werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen über die Ablehnungsgründe vereinbaren.

(5) Die Entscheidung über die Verringerung der Arbeitszeit und ihre Verteilung hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer spätestens einen Monat vor dem gewünschten Beginn der Verringerung in Textform mitzuteilen. Haben sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht nach Absatz 3 Satz 1 über die Verringerung der Arbeitszeit geeinigt und hat der Arbeitgeber die Arbeitszeitverringerung nicht spätestens einen Monat vor deren gewünschtem Beginn in Textform abgelehnt, verringert sich die Arbeitszeit in dem vom Arbeitnehmer gewünschten Umfang. Haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Verteilung der Arbeitszeit kein Einvernehmen nach Absatz 3 Satz 2 erzielt und hat der Arbeitgeber nicht spätestens einen Monat vor dem gewünschten Beginn der Arbeitszeitverringerung die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit in Textform abgelehnt, gilt die Verteilung der Arbeitszeit entsprechend den Wünschen des Arbeitnehmers als festgelegt. Der Arbeitgeber kann die nach Satz 3 oder Absatz 3 Satz 2 festgelegte Verteilung der Arbeitszeit wieder ändern, wenn das betriebliche Interesse daran das Interesse des Arbeitnehmers an der Beibehaltung erheblich überwiegt und der Arbeitgeber die Änderung spätestens einen Monat vorher angekündigt hat.

(6) Der Arbeitnehmer kann eine erneute Verringerung der Arbeitszeit frühestens nach Ablauf von zwei Jahren verlangen, nachdem der Arbeitgeber einer Verringerung zugestimmt oder sie berechtigt abgelehnt hat.

(7) Für den Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit gilt die Voraussetzung, dass der Arbeitgeber, unabhängig von der Anzahl der Personen in Berufsbildung, in der Regel mehr als 15 Arbeitnehmer beschäftigt.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 3. Dezember 2010 - 8 Sa 1770/10 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung der Klägerin von Berlin nach Frankfurt (Oder).

2

Die im September 1967 geborene Klägerin erzieht ihr schulpflichtiges Kind, dem sie zum Unterhalt verpflichtet ist, allein. Sie ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di. Die Klägerin wird seit September 1989 von der Beklagten und deren Rechtsvorgängerinnen beschäftigt. Die Beklagte erbringt bundesweit Callcenter-Dienstleistungen. Der zuletzt zwischen der Klägerin und der Deutschen Bundespost Telekom, einer der Rechtsvorgängerinnen der Beklagten, geschlossene Arbeitsvertrag vom 1. Januar 1991 sieht eine Tätigkeit als Angestellte vor. Ein bestimmter Arbeitsort ist nicht vereinbart. Im Unterschied dazu war im ersten Arbeitsvertrag der Klägerin mit einer anderen Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 31. August 1989 noch der Arbeitsort Berlin-Adlershof vorgesehen. Die Klägerin war seit Beginn des Arbeitsverhältnisses bis Ende 2009 an verschiedenen Einsatzorten in Berlin beschäftigt, seit 2003 als Kundenberaterin am Standort Berlin Holzhauser Straße in Berlin-Tegel.

3

Die Beklagte schloss mit der Gewerkschaft ver.di am 25. Juni 2007 einen Tarifvertrag Rationalisierungsschutz und Beschäftigungssicherung (TV Ratio DTKS). Dieser Tarifvertrag lautet auszugsweise:

        

„Abschnitt 1

        

Besondere Schutzregelungen für Arbeitnehmer in einem ununterbrochenen Arbeitsverhältnis von mindestens zwei Jahren

        

§ 1 Sachlicher Geltungsbereich

        

(1)     

Zur Erhaltung, Sicherung und Steigerung sowohl der Wettbewerbsfähigkeit als auch der Marktanteile der DTKS sind wirtschaftliche, organisatorische und personelle Maßnahmen erforderlich, um eine kontinuierliche Qualitäts- und Produktivitätsverbesserung sowie eine flexible Anpassung an technologische und nachfragebezogene Veränderungen sicherzustellen. Dieser Tarifvertrag dient der sozialverträglichen Umsetzung dieser Maßnahmen.

        

(2)     

Maßnahmen unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 sind

                 

(a)     

Änderungen der Aufbauorganisation,

                 

(b)     

Änderungen der Ablauforganisation,

                 

(c)     

Maßnahmen zur Nutzung des technischen Fortschritts,

                 

(d)     

andere personalwirtschaftliche Maßnahmen,

                 

soweit hierdurch der Arbeitsplatz eines Arbeitnehmers wegfällt oder verlegt wird.

        

Ausführungsbestimmungen zu Absatz 2:            

        

1.    

zu Buchstabe a):

                 

Unter Aufbauorganisation ist die Bildung von Organisationseinheiten, die Zuteilung von Aufgaben zu diesen Einheiten, die Aufgabenverteilung innerhalb der Einheiten sowie die Festlegung ihrer Zuständigkeiten zu verstehen. Sie umfasst z.B. die Einrichtung, Umwandlung oder Aufhebung von Niederlassungen, die Einrichtung, Umwandlung oder Aufhebung von Ressorts oder Abteilungen, die Aufgabenverteilung auf Niederlassungen oder Ressorts sowie die Arbeitsverteilung auf Funktionsträger.

        

2.    

zu Buchstabe b) und c):

                 

Die Ablauforganisation ist die Ordnung für das zeitlich-räumliche Hinter- und Nebeneinander von Arbeitsvorgängen zur Erfüllung der im Rahmen der Aufbauorganisation vorgesehenen Aufgaben. Sie umfasst die Gestaltung von Arbeitsverfahren, Arbeitsvorschriften, Arbeitsfeldern und Arbeitsplätzen sowie den Einsatz von Arbeitsmitteln.

        

3.    

Betrieblich veranlasste Maßnahmen, in deren Folge die Gesamttätigkeit, die der Arbeitnehmer nicht nur vorübergehend ausübt, einer niedrigeren Entgeltgruppe zuzuordnen ist (anforderungsändernde Maßnahmen), werden ebenfalls von diesem Tarifvertrag erfasst.

        

(3)     

Eine Verringerung des Personalbedarfes, die durch gesamtwirtschaftlich bedingten allgemeinen Verkehrsrückgang ausgelöst ist, zählt nicht zu Maßnahmen nach Absatz 2.

        

§ 2 Persönlicher Geltungsbereich

        

Dieser Unterabschnitt gilt für Arbeitnehmer,

        

(a)     

die unter den Geltungsbereich des MTV und des ERTV der DTKS fallen und

        

(b)     

die in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zur DTKS stehen,

        

soweit dieses Arbeitsverhältnis seit mindestens zwei Jahren ununterbrochen besteht.

        

…       

        

§ 3 Auswahl

        

(1)     

Wenn von einer Gesamtheit gleicher Arbeitsplätze, die von einer Maßnahme im Sinne von § 1 betroffen sind, nur ein Teil der Arbeitsplätze wegfällt oder verlegt wird, so werden alle auf den gleichen Arbeitsplätzen beschäftigten Arbeitnehmer bei der Festlegung, welche Arbeitnehmer konkret vom Wegfall bzw. von der Verlegung des Arbeitsplatzes betroffen sind, mit einbezogen. Die erforderlich werdende Auswahl richtet sich abschließend nach Absatz 4 und der Anlage 1 zu diesem Tarifvertrag.

        

(2)     

Wenn von einer Gesamtheit gleicher Arbeitsplätze, die von einer Maßnahme im Sinne von § 1 betroffen sind, alle Arbeitsplätze wegfallen oder verlegt werden, so sind alle auf diesen Arbeitsplätzen bislang beschäftigten Arbeitnehmer betroffen und werden in die Beschäftigungs- und Qualifizierungseinheit der DTKS, den Betrieb BQE1 1 , versetzt.

        

(3)     

Wenn im Falle des Absatzes 1 und 2 innerhalb der Organisationseinheit andere vergleichbare Arbeitsplätze bestehen, die nicht von einer Maßnahme im Sinne des § 1 betroffen sind, so werden die darauf beschäftigten Arbeitnehmer bei der Festlegung, welche Arbeitnehmer konkret vom Wegfall bzw. der Verlegung des Arbeitsplatzes betroffen sind, mit einbezogen. Die erforderlich werdende Auswahl richtet sich abschließend nach Absatz 4 und der Anlage 1 zu diesem Tarifvertrag.

        

(4)     

Bei einer nach Absatz 1 und 3 erforderlich werdenden Auswahl unter mehreren Arbeitnehmern sind die persönlichen und sozialen Gesichtspunkte nebst Verfahren gemäß Anlage 1 und die Punktetabelle gemäß Anlage 2 heranzuziehen. Diese sind abschließend.

        

(5)     

Von der Auswahlentscheidung ausgenommen werden Arbeitnehmer, die zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Betriebs/der Organisationseinheit zwingend erforderliche, unverzichtbare Kenntnisse aufweisen und andere potentiell betroffene Arbeitnehmer diese nicht aufweisen.

        

(6)     

Von der Auswahlentscheidung ausgenommen werden weiterhin Arbeitnehmer, die sich zum Zeitpunkt der Zuleitung an die Paritätische Auswahlkommission I bereits in Altersteilzeit befinden beziehungsweise bei denen gemäß bereits geschlossenem Altersteilzeitvertrag der Beginn einer Altersteilzeit innerhalb von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt der Zuleitung an die Paritätische Auswahlkommission I liegt. Beginnt die Freistellungsphase des herausgenommenen Arbeitnehmers binnen zwölf Monaten, wird anstelle des herausgenommenen Arbeitnehmers kein anderer Arbeitnehmer in das Auswahlverfahren einbezogen.

        

Protokollnotiz zu § 3 Absatz 6:            

        

Bei Vollbetroffenheit im Sinne des Absatzes 2 findet die Herausnahmeregelung des Absatzes 6 Satz 1 keine Anwendung. Eine Versetzung in die BQE erfolgt jedoch nur, wenn bei einer vorrangigen Prüfung anderweitiger Unterbringung des Arbeitnehmers - begrenzt auf die TRZ-Grenze - nachweislich kein anderweitiger zumutbarer und gleichwertiger Arbeitsplatz gem. TV Ratio DTKS gefunden wurde.

        

Protokollnotiz zu § 3:            

        

1.    

Bei der nach den Absätzen 3 und 4 vorzunehmenden Auswahlentscheidung handelt es sich um eine Sozialauswahl im Sinne des KSchG zum Zwecke der Überführung gemäß § 5 Absatz 1 und 3 in den Betrieb BQE. Die Anlagen 1 und 2 dieses Tarifvertrags stellen für diesen Zweck eine Auswahlrichtlinie im Sinne des § 1 Absatz 4 KSchG dar.

        

2.    

Die einzubeziehenden Mitarbeiter erhalten mittels eines einheitlichen Formblattes die Möglichkeit, die Kriterien der Anlage 2 sowie etwaige soziale Härten geltend zu machen.

        

§ 4 Paritätische Auswahlkommission I

        

(1)     

Für eine nach § 3 erforderlich werdende Auswahl unter mehreren Arbeitnehmern wird in DTKS eine ständige Auswahlkommission im Betrieb eingerichtet.

        

(2)     

Die Auswahlkommission ist mit Arbeitgebervertretern und Mitgliedern des Betriebsrats des jeweils betroffenen Betriebes der DTKS paritätisch zu besetzen.

        

(3)     

In der Auswahlkommission ist mit dem Ziel einer Einigung eine umfassende Erörterung und Beratung vorzunehmen. Soweit schwerbehinderte Arbeitnehmer betroffen sind, ist im Rahmen der Beratung innerhalb der Auswahlkommission der Vertrauensmann der Schwerbehinderten zu hören.

        

(4)     

Die Auswahlkommission hat innerhalb von zwei Wochen nach Zuleitung eine Empfehlung abzugeben, welche Arbeitnehmer nach § 3 ausgewählt werden sollen. Kommt es zu keiner Empfehlung, entscheidet der Arbeitgeber alleine über die Auswahl; die Regeln des Betriebsverfassungsgesetzes gelten.

        

(5)     

Für die Auswahlkommission gilt abschließend die Geschäftsordnung der Anlage 3a zu diesem Tarifvertrag.

        

§ 5 Beschäftigungs- und Qualifizierungseinheit/BQE

        

(1)     

Der nach § 3 und § 4 ausgewählte Arbeitnehmer erhält ein Angebot auf Abschluss eines Änderungsvertrags. Inhalt dieses Vertrags ist die Bereitschaft, eine Tätigkeit im Betrieb BQE zu den in Abschnitt 1 (nebst Anlagen) genannten Bedingungen aufzunehmen. Im Übrigen bleibt das Arbeitsverhältnis unverändert. Für die Annahme des Änderungsvertrags wird dem Arbeitnehmer eine Frist von zwei Wochen eingeräumt. Nach Abschluss des Änderungsvertrags wird der Arbeitnehmer in den Betrieb BQE versetzt.

        

(2)     

Als Alternative zum Abschluss eines Änderungsvertrags kann der Arbeitnehmer einen Auflösungsvertrag mit Abfindungsregelung wählen. Die Höhe der Abfindung ergibt sich aus Anlage 6. Es gelten die Bestimmungen des § 11.

        

(3)     

Lehnt der Arbeitnehmer die Angebote nach Absatz 1 und Absatz 2 ab, so erfolgt eine Kündigung unter Aufrechterhaltung des Vertragsangebots zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen nach Absatz 1. Abweichend von § 22 MTV gilt hierfür eine Kündigungsfrist von drei Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats.

        

(4)     

Im Betrieb BQE erfolgt eine Betreuungs- und Vermittlungsphase. Die sich hierdurch ergebenden Aufgaben werden durch die Vivento der Deutschen Telekom AG bzw. ab dem 01.01.2009 durch die Vivento-Nachfolgeeinheit wahrgenommen.

        

…       

        
        

§ 8 Gleichwertige und zumutbare Weiterbeschäftigung auf einem Dauerarbeitsplatz

        

(1)     

Die DTKS ist verpflichtet, den nach den §§ 3 und 4 ausgewählten und von den Regelungen des § 5 erfassten Arbeitnehmern einen anderen gleichwertigen und zumutbaren Dauerarbeitsplatz innerhalb der DTKS anzubieten (interne Vermittlung).

        

…       

        
        

(7)     

Zumutbar ist ein Arbeitsplatz, wenn er die Anforderungen der Anlage 4 erfüllt. Eine Qualifizierungsmaßnahme ist für einen Arbeitnehmer in der Regel dann unzumutbar, wenn er das 55. Lebensjahr vollendet hat. Der Arbeitnehmer, der das 55. Lebensjahr bereits vollendet hat, kann eine ihm angebotene Qualifizierungsmaßnahme ablehnen. Der Arbeitnehmer kann auf freiwilliger Basis von den einschränkenden Regelungen der Anlage 4 abweichen. Der freiwillige Wechsel auf einen Dauerarbeitsplatz ist der Annahme eines Angebotes gleichgestellt.

        

…       

        
        

(9)     

Ein Dauerarbeitsplatz ist jeder Arbeitsplatz, der im Zeitpunkt der Vermittlung des Arbeitnehmers arbeitsrechtlich unbefristet ist. Angebot im Sinne des TV Ratio (mit den Folgen des Absatzes 10) ist der vom künftigen Arbeitgeber - nach Durchlaufen eines erforderlichen Auswahlverfahrens II - vor Durchführung des Beteiligungsverfahrens nach § 99 BetrVG angebotene Dauerarbeitsplatz im obigen Sinne.

        

(10)   

Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, einen ihm angebotenen zumutbaren anderen Arbeitsplatz anzunehmen und sich gegebenenfalls einer Qualifizierungsmaßnahme zu unterziehen. Lehnt der Arbeitnehmer ein zumutbares Angebot oder eine Qualifizierungsmaßnahme bei DTKS bzw. ein zumutbares Angebot bei einem konzernweiten Unternehmen im Sinne des Absatzes 3 mit mindestens gleichem Jahresbezugsentgelt (gemäß Protokollnotiz zu § 6) ab, so verliert er die Ansprüche aus diesem Tarifvertrag. Lehnt der Arbeitnehmer auch ein zweites zumutbares internes Vermittlungsangebot bzw. ein zweites zumutbares Angebot bei einem konzernweiten Unternehmen im Sinne des Absatzes 3 mit mindestens gleichem Jahresbezugsentgelt (gemäß Protokollnotiz zu § 6) ab, so ist dies ein wichtiger Grund im Sinne des § 22 Absatz 5 und § 23 MTV, der zu einer Kündigung führen kann.

                 

…       

        

§ 9 Paritätische Auswahlkommission II

        

(1)     

Für eine erforderlich werdende Auswahl unter mehreren Arbeitnehmern bei der Versetzung beziehungsweise dem Wechsel auf einen Dauerarbeitsplatz werden im Betrieb BQE vier ständige Auswahlkommissionen eingerichtet.

        

…       

        
        

§ 10 Leistungen bei Wechsel auf einen Dauerarbeitsplatz

        

(1)     

Bei interner Vermittlung hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Leistungen gemäß Anlage 5 Abschnitt 1 Unterabschnitt 1.

        

…       

        
        

§ 12 Betriebsbedingte Beendigungskündigungen

        

(1)     

In der Zeit bis zum 31. Dezember 2012 scheiden aus Anlass von Maßnahmen im Sinne von § 1 betriebsbedingte Beendigungskündigungen grundsätzlich aus. Dies schließt jedoch Änderungskündigungen nicht aus. Satz 1 gilt nicht, wenn die Tarifvertragspartei ver.di betriebsbedingten Beendigungskündigungen zustimmt.

        

(2)     

Der Ausschluss der betriebsbedingten Beendigungskündigung nach Absatz 1 gilt nicht für Arbeitnehmer,

                 

(a)     

deren Arbeitsverhältnis zur DTKS seit weniger als zwei Jahren ununterbrochen besteht oder

                 

(b)     

die ein zumutbares Arbeitsplatzangebot oder eine Qualifizierungsmaßnahme ablehnen oder

                 

…       

        
        

Abschnitt 2

        

Besondere Schutzregelungen für Arbeitnehmer in einem ununterbrochenen Arbeitsverhältnis von weniger als zwei Jahren

        

§ 13 Geltungsbereich

        

Der Abschnitt 2 gilt für Arbeitnehmer, die von einer Maßnahme im Sinne von § 1 betroffen sind und deren unbefristetes tarifliches Arbeitsverhältnis zur DTKS weniger als ununterbrochen zwei Jahre besteht.

        

…       

        

§ 14 Schutzregelungen

        

(1)     

Die DTKS bemüht sich, für die in § 13 genannten Arbeitnehmer soziale Härten zu vermeiden.

        

(2)     

Ausgewählte Arbeitnehmer erhalten ein Angebot auf befristete Beschäftigung im Betrieb BQE für die Dauer von 12 Monaten mit dem Zweck der Vermittlung auf einen Dauerarbeitsplatz. §§ 5 und 6 einschließlich der jeweils dazugehörenden Protokollnotizen finden Anwendung.

        

(3)     

Soweit ein anderes Arbeitsverhältnis angenommen oder ein angebotener interner oder konzernweiter Dauerarbeitsplatz der Deutschen Telekom AG oder einem Unternehmen im Sinne des § 8 Absatz 3 abgelehnt wird, endet das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Befristung, gegebenenfalls mit Ablauf der Annahmefrist. Gleiches gilt bei Ablehnung von zwei externen Arbeitsplatzangeboten.

        

§ 15 Leistung bei Wechsel auf einen Dauerarbeitsplatz

        

(1)     

Bei interner Vermittlung hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Leistungen gemäß Anlage 5 Abschnitt 1 Unterabschnitt 2.

        

…       

        
                          
        

Abschnitt 3

        

Schlussbestimmungen

        

...     

        

§ 18 Kündigungsbestimmungen

        

…       

        
        

(3)     

§ 12 tritt unabhängig von Absatz 1 mit Ablauf des 31. Dezember 2012 außer Kraft. Die Nachwirkung ist ausgeschlossen.

        

Protokollnotiz zu § 18 Absatz 3:            

        

Einzelheiten dazu, welche Auswirkungen eine Nichtverlängerung des § 12 über den 31.12.2012 hinaus im Hinblick auf das Verfahren nach § 5 Absätze 1 bis 3 und eine dann notwendig werdende Sozialauswahl hat, sind in einer gesonderten schuldrechtlichen Vereinbarung festgelegt.“

4

Die in Anlage 3a zu diesem Tarifvertrag aufgenommene „Geschäftsordnung der Paritätischen Auswahlkommission I“ sieht in § 2 Abs. 1 vor, dass die Auswahlkommission mit zwei bis höchstens drei Mitgliedern des Arbeitgebers und des Betriebsrats besetzt wird. Nach § 3 Satz 1 der Geschäftsordnung tagt die Auswahlkommission, sobald die Auswahl nach § 3 TV Ratio DTKS notwendig ist.

5

Die Beklagte war durch einen mit der Gewerkschaft ver.di geschlossenen Zuordnungstarifvertrag vom 28. April 2008 (ZTV 2008) in acht Regionen und eine Zentrale untergliedert. Nach § 3 Abs. 1 Unterabs. 1 ZTV 2008 stellte jede selbständige Organisationseinheit mit ihren Betriebsteilen einen Betrieb iSd. § 1 BetrVG dar, bei dem ein Betriebsrat gebildet wurde. Selbständige Organisationseinheiten waren nach § 3 Abs. 2 ZTV 2008 die acht Regionen und die Zentrale. Mit der Anlage 1 zum ZTV 2008 wurden der Region 2 (Nord-Ost) der Standort Berlin Quelleinheit „T-Com“ und der Standort Berlin Quelleinheit „TMD“ zugeordnet. Die Region 2 erstreckte sich über die Länder Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Für sie war der Betriebsrat Nord-Ost gebildet.

6

Die Beklagte unterhielt in Berlin fünf Callcenter. Während die Callcenter in der Holzhauser Straße, der Lankwitzer Straße, der Buchberger Straße und der Köpenicker Allee Leistungen im Bereich Festnetz erbrachten, erbrachte das Callcenter in der Schätzelbergstraße ausschließlich Dienstleistungen im Bereich des Mobilfunks. Es besteht aus den Abteilungen Geschäftskundenkontaktcenter 42 und 43 (GK 42 und GK 43) sowie einem Teil des Kompetenzcenters 44 (KC 44). Die in den Abteilungen GK 42 und GK 43 bestehenden Arbeitszeitmodelle gelten ausschließlich für diese Abteilungen. Die im Callcenter Berlin Schätzelbergstraße zum Einsatz kommenden IT-Lösungen unterscheiden sich von denjenigen der Festnetz-Callcenter. Arbeits- und Entgeltbedingungen für die einzelnen Callcenter sind unternehmenseinheitlich festgelegt.

7

Am 28. November 2008 schlossen die Beklagte und der bei ihr gebildete Gesamtbetriebsrat in einem Einigungsstellenverfahren eine „Gesamtbetriebsvereinbarung zwischen der Geschäftsführung der Deutsche Telekom Kundenservice GmbH (DTKS) und dem Gesamtbetriebsrat der DTKS (GBR) über einen Interessenausgleich und Sozialplan nach §§ 111/112 BetrVG zur Umsetzung des Standortkonzepts in der DTKS“(GBV). Darin ist ua. bestimmt:

        

„I. Interessenausgleich

        

§ 2 Beschreibung der Maßnahme

        

(1) Die aktuellen Standorte der DTKS vor Umsetzung der Konsolidierung der Standorte (Maßnahme) ergeben sich aus Anlage 1 (Quellstandorte).

        

(2) Die sich in Umsetzung der Maßnahme ergebenden neuen Zielstandorte einschließlich der grundsätzlichen Mitarbeitermigrationspfade sind in Anlage 2a (Zielstandorte) beschrieben. In der Anlage 2b ist dargestellt, in welchen Fällen und an welchen Standorten Mitarbeiter abweichend vom Migrationspfad nach Anlage 2a an einen anderen Standort migrieren können.

        

(3) Die Maßnahme wird gemäß dem Zeitplan aus Anlage 3 (Umsetzungszeitplan/Placementprozess) nach Inkrafttreten dieser Vereinbarung umgesetzt. In der Anlage sind Beginn, Ende und der zeitliche Ablauf (Staffelung) der Maßnahme dargestellt. Abweichungen von dem in der Anlage 3 beschriebenen Umsetzungsplan können sich insbesondere aus dem Immobilienprozess ergeben. Gegebenenfalls erforderliche Qualifizierungsmaßnahmen (z.B. bei Segmentwechsel) können hierbei auch am Zielstandort durchgeführt werden. Die zur Herstellung der Arbeitsfähigkeit des Standortes erforderlichen technischen und infrastrukturellen Voraussetzungen müssen erfüllt sein.

        

Im Verlauf der Umsetzung der Maßnahme wird die Anzahl der bestehenden Standorte auf die in der Anlage 2a aufgeführten Zielstandorte reduziert. Einzelheiten zu den Standorten ergeben sich aus der Standortübersicht ‚Zielstandorte’ (Anlage 2a).

        

(4) Die Parteien sind im Rahmen der Verhandlungen von einem konstant bleibenden Callvolumen ausgegangen. Wie sich das Callvolumen tatsächlich über die Gesamtlaufzeit dieser Vereinbarung hinweg entwickeln wird, ist jedoch von einer Vielzahl geschäftlicher Einflüsse (z.B. Kundenverhalten, Regulierung, Wettbewerbsentwicklung etc.) abhängig und ist deshalb Gegenstand der jährlichen Personal- und Geschäftsplanung der DTKS.

        

Eine Nachbesetzung frei werdender Stellen findet daher grundsätzlich maximal bis zur Höhe der durch die jeweilige iPF Planung festgelegten Stellenanzahl statt.

        

Bei einer Nachbesetzung soll grundsätzlich folgende Reihenfolge möglicher geeigneter Bewerber eingehalten werden:

        

•       

Auszubildende, die im Rahmen von Konzernregelungen grundsätzlich für eine Übernahme in Betracht kommen

        

•       

Arbeitnehmer aus dem Konzern DTAG

        

•       

Leih- und Zeitarbeitnehmer, die in der DTKS eingesetzt sind.

        

Es gilt grundsätzlich das Prinzip der Bestenauswahl gemäß Konzernstellenbesetzungsrichtlinie, sofern nicht höherrangige Rechtsvorschriften (z.B. TV Ratio DTKS) etwas anderes vorsehen.

        

…       

        

§ 3 Grundsätze der Umsetzung der Maßnahme

        

(1) Alle von der Maßnahme betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Betroffene) in unbefristeten Arbeitsverhältnissen erhalten in entsprechender Anwendung von § 8 Abs. 7 Satz 1 TV Ratio ein Angebot auf einen Dauerarbeitsplatz an einem Zielstandort gemäßAnlage 2a bzw. Anlage 2b. Betroffene in befristeten Arbeitsverhältnissen erhalten in entsprechender Anwendung von § 8 Abs. 7 Satz 1 TV Ratio ein Angebot auf Fortführung des befristeten Arbeitsverhältnisses an einem Zielstandort gemäßAnlage 2a bzw. Anlage 2b.

        

…       

        

§ 11 Schlussbestimmungen

        

(1) Die Vereinbarung tritt mit Unterzeichnung in Kraft. Sie endet mit Durchführung der geregelten Maßnahme, spätestens am 31.12.2011. Alle aufgeführten Anlagen sind Bestandteil dieser Vereinbarung und stellen damit die gemeinsame Geschäftsgrundlage für die hier getroffenen Regelungen dar. Änderungen der Anlagen werden zwischen den Vertragsparteien beraten mit dem Ziel der Verständigung, ob die Änderungen vom Interessenausgleich abgedeckt sind oder der Interessenausgleich hierauf angewendet werden kann. Ist dies nicht der Fall, wird der GBR bei den Änderungen nach den allgemeinen Regelungen des BetrVG beteiligt. Die Nachwirkung der Vereinbarung ist ausgeschlossen.

        

…“    

        

„Anlage 1

        

Derzeitige Call Center Einheiten der DTKS GmbH

        

Die DTKS GmbH betreibt zur Zeit 83 Call Center in 63 politischen Gemeinden.

                 

Standort

        

Adresse

        

...     

...     

...     

...     

        

5       

Berlin

5       

Holzhauser Str. 4 - 8

                          

6       

Lankwitzer Str. 13 - 17

                          

7       

Buchberger Str. 3 - 4

                          

8       

Schätzelbergstr. 1 - 3 + 2 - 6

                          

9       

Köpenicker Allee 146 - 162

        

...     

...     

...     

...“   

                                            
        

„Anlage 2a

        

Zuordnung Quellstandorte zu DTKS Zielstandorten

                 

Quellstandort

Zielstandort

        

...     

...     

...     

        

5       

Berlin, Schätzelbergstraße

Berlin

        

5       

Berlin, alle anderen STO

Frankfurt (Oder)

        

...     

...     

...“   

8

Mit Schreiben vom 9. Dezember 2008 benannte der Betriebsrat der Region Nord-Ost drei Betriebsratsmitglieder zur Entsendung in die Paritätische Auswahlkommission nach § 4 TV Ratio DTKS sowie drei Vertreter und bat die Beklagte, die Paritätische Auswahlkommission einzuberufen, um die Umsetzung der GBV vorzubereiten. Die Beklagte lehnte die Einberufung der Auswahlkommission mit E-Mail vom 7. Januar 2009 ab. Das vom Betriebsrat eingeleitete Beschlussverfahren, das auf umfassende Erörterung und Beratung der Auswahl der Arbeitnehmer, die zur Umsetzung der GBV vom 28. November 2008 nach Frankfurt (Oder) versetzt werden sollten, gerichtet war, blieb erfolglos (ArbG Rostock 27. Oktober 2009 - 1 BV 22/09 -).

9

Die Beklagte verlagerte bis auf den Standort Berlin Schätzelbergstraße alle Berliner Standorte nach Frankfurt (Oder). Sie schloss die Verlagerung am 9. Dezember 2009 ab.

10

Im Rahmen des Zustimmungsverfahrens nach § 99 BetrVG verweigerte der Betriebsrat der Region Nord-Ost seine Zustimmung zu den beabsichtigten 492 Versetzungen von Berlin nach Frankfurt(Oder) unter Hinweis auf einen Verstoß gegen § 3 TV Ratio DTKS wegen unterlassener Beratung und Erörterung in der Paritätischen Auswahlkommission.

11

Mit Schreiben vom 22. September 2009 und 27. November 2009 forderte die Beklagte die Klägerin auf, ihre Arbeit ab 1. Dezember 2009 bzw. 7. Dezember 2009 am Standort Frankfurt (Oder) zu leisten. Das lehnte die Klägerin zunächst ab. Inzwischen arbeitet die Klägerin „unter Vorbehalt“ in Frankfurt (Oder).

12

Das Arbeitsgericht Rostock wies den Antrag der Beklagten, die Zustimmung des Betriebsrats zu den Versetzungen zu ersetzen, mit Beschluss vom 4. Mai 2010 ab (- 1 BV 49/09 -). Zugleich stellte es fest, dass die vorläufige Versetzung der betroffenen Arbeitnehmer nach Frankfurt (Oder) aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war. Über dieses Beschlussverfahren ist noch nicht rechtskräftig entschieden. Es ist beim Bundesarbeitsgericht unter dem Aktenzeichen - 7 ABR 20/11 - anhängig.

13

Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen die Versetzung. Sie hat die Auffassung vertreten, das Arbeitsverhältnis habe sich dahin konkretisiert, dass sie nur noch in Berlin eingesetzt werden könne, weil sie dort über 20 Jahre an verschiedenen Standorten gearbeitet habe. Die Versetzung sei ihr aufgrund der Kinderbetreuung nicht zumutbar und damit nicht vom Direktionsrecht der Beklagten gedeckt. Durch die Verlängerung der Wegezeiten von täglich mehr als zwei Stunden würden ihre Rechte aus Art. 6 GG verletzt. Die Versetzung sei auch deshalb unwirksam, weil der Betriebsrat ihr nicht zugestimmt habe. Die Beklagte habe schließlich nicht das vom TV Ratio DTKS vorgesehene Auswahlverfahren durchgeführt und ihr einen Änderungsvertrag mit dem Ziel der Versetzung in die Beschäftigungs- und Qualifizierungseinheit angeboten.

14

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass ihre durch die Beklagte erfolgte Versetzung, ab 7. Dezember 2009 im Betrieb der Beklagten in Frankfurt (Oder) zu arbeiten, unwirksam ist.

15

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Klage zumindest derzeit für unbegründet gehalten, weil sie eine sowohl individualrechtlich als auch betriebsverfassungsrechtlich nach § 100 BetrVG wirksame Versetzung vorgenommen habe. Die GBV, die ua. als Interessenausgleich zu verstehen sei, umschreibe die Betriebsänderung abschließend und stehe selbständig neben dem TV Ratio DTKS. Die Versetzung eines Arbeitnehmers sei schon keine Verlegung des Arbeitsplatzes iSv. § 3 TV Ratio DTKS, weil die betroffenen Arbeitnehmer nicht beschäftigungslos würden. Zudem sei der Standort Schätzelbergstraße ein eigenständiger Betrieb iSd. Kündigungsschutzgesetzes. Der TV Ratio DTKS wolle die Sozialauswahl nach gebotener Auslegung nicht über den kündigungsschutzrechtlichen Betriebsbegriff hinaus erweitern. Die Betriebsparteien hätten die Schätzelbergstraße in ihrer personellen Struktur wegen des Spezialwissens der dort beschäftigten Arbeitnehmer erhalten und von jeglicher Auswahlentscheidung ausnehmen wollen. Eine Sozialauswahl sei für Versetzungen von Gesetzes wegen nicht geboten. Gingen die Tarifvertragsparteien darüber - wie mit der Protokollnotiz zu § 3 TV Ratio DTKS - hinaus, müsse es den Betriebsparteien zumindest in Analogie zu § 1 Abs. 4 KSchG möglich sein, Ausnahmen davon zu machen.

16

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte das Ziel der Abweisung der Klage weiter.

Entscheidungsgründe

17

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Klage ist in der Sache erfolgreich. Eine sofortige unmittelbare Versetzung der Klägerin nach Frankfurt (Oder) war tariflich ausgeschlossen.

18

A. §§ 99, 100 BetrVG stehen der Versetzung der Klägerin nach Frankfurt(Oder) nicht entgegen, obwohl das beim Bundesarbeitsgericht unter dem Aktenzeichen - 7 ABR 20/11 - anhängige Zustimmungsersetzungsverfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass eine als vorläufige Maßnahme nach § 100 BetrVG durchgeführte Versetzung dem Arbeitnehmer gegenüber wirksam ist, bis sie - ggf. nach § 100 Abs. 3 Satz 2 BetrVG - nicht mehr aufrechterhalten werden kann.

19

B. Der Senat kann offenlassen, ob die Versetzung der Klägerin von Berlin nach Frankfurt (Oder) vom gesetzlichen Direktionsrecht der Beklagten (§ 106 Satz 1 GewO) gedeckt ist.

20

I. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der Inhalt des Arbeitsvertrags der Parteien nicht auf den Arbeitsort Berlin festgelegt oder konkretisiert.

21

1. Nach § 106 Satz 1 GewO darf der Arbeitgeber den Ort der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit dieser nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt ist(vgl. BAG 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 31, AP BGB § 307 Nr. 26). In einem ersten Schritt ist durch Auslegung der Inhalt der vertraglichen Regelungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Dabei ist insbesondere festzustellen, ob ein bestimmter Tätigkeitsort vertraglich festgelegt ist und welchen Inhalt ein ggf. vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat (vgl. BAG 19. Januar 2011 - 10 AZR 738/09 - Rn. 12, AP BGB § 307 Nr. 50 = EzA GewO § 106 Nr. 7; 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 18, BAGE 135, 239).

22

2. Der Arbeitsort ist hier nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts weder ausdrücklich vertraglich festgelegt, noch ist er auf das Gebiet des Landes Berlin konkretisiert.

23

a) Der letzte zwischen der Klägerin und der Deutschen Bundespost Telekom geschlossene Arbeitsvertrag vom 1. Januar 1991 legt keinen bestimmten Arbeitsort fest. Er unterscheidet sich damit von dem ersten Arbeitsvertrag der Klägerin mit einer früheren Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 31. August 1989, der den Arbeitsort Berlin-Adlershof vorsah. In einem solchen Fall ist eine Ortsveränderung durch Versetzung in eine andere politische Gemeinde nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unabhängig vom Berufsbild vertraglich nicht ausgeschlossen und grundsätzlich vom gesetzlichen Weisungsrecht der Beklagten aus § 106 Satz 1 GewO gedeckt(vgl. BAG 19. Januar 2011 - 10 AZR 738/09 - Rn. 12, AP BGB § 307 Nr. 50 = EzA GewO § 106 Nr. 7; 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 18, BAGE 135, 239; 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 27, AP BGB § 307 Nr. 45 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 47; siehe auch 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 31 f., AP BGB § 307 Nr. 26; zust. etwa Dzida/Schramm BB 2007, 1221, 1225 f.; ErfK/Preis 12. Aufl. § 106 GewO Rn. 16; Preis/Genenger NZA 2008, 969, 971; abl. Hromadka NZA 2012, 233, 238 [Erforderlichkeit eines ausdrücklichen oder konkludenten Versetzungsvorbehalts, konkludent vor allem denkbar bei einer Arbeitspflicht an verschiedenen Orten]; Wank RdA 2012, 139, 140; ders. NZA Beilage 2/2012, 41, 48; ders. RdA 2005, 271, 272 [Maßgeblichkeit des Berufsbilds]). Der Senat kann den Arbeitsvertrag als typischen Vertrag selbst auslegen. Die Beklagte hat den Arbeitsvertrag nach seinem Erscheinungsbild mehrfach verwendet. Der Vertrag enthält bis auf die Daten der Klägerin keine individuellen Besonderheiten.

24

b) Die Arbeitspflicht der Klägerin ist nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch nicht auf den Arbeitsort Berlin konkretisiert.

25

aa) Arbeitspflichten können sich zwar nach längerer Zeit auf bestimmte Arbeitsbedingungen konkretisieren. Dazu genügt jedoch nicht schon der bloße Zeitablauf. Vielmehr müssen besondere Umstände hinzutreten, aufgrund derer der Arbeitnehmer erkennen kann und darauf vertrauen darf, dass er nicht in anderer Weise eingesetzt werden soll (vgl. für die st. Rspr. BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 98/11 - Rn. 47; 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 50 mwN, AP BGB § 307 Nr. 26; 3. Juni 2004 - 2 AZR 577/03 - zu C II 2 b der Gründe, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 141 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 55; 7. Dezember 2000 - 6 AZR 444/99 - zu III 2 der Gründe, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 61 = EzA BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 23).

26

bb) Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Bis auf den langjährigen Einsatz der Klägerin im Gebiet des Landes Berlin traten keine besonderen Umstände hinzu, die ihr Vertrauen darauf gerechtfertigt hätten, nur in Berlin eingesetzt zu werden. Die Vorinstanzen haben solche besonderen Umstände zu Recht nicht darin gesehen, dass die Beklagte in der Vergangenheit nicht auf die arbeitsvertraglich vorbehaltene örtliche Versetzungsbefugnis hingewiesen hatte. Allein daraus, dass ein Vertragspartner über einen längeren Zeitraum hinweg nicht auf ein vertraglich vereinbartes Recht hinweist, darf der andere Vertragspartner nicht schließen, sein Vertragspartner werde von seinem Recht keinen Gebrauch mehr machen (vgl. BAG 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 52, AP BGB § 307 Nr. 26; 3. Juni 2004 - 2 AZR 577/03 - zu C II 2 b der Gründe, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 141 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 55).

27

c) Ist der Arbeitsort nicht festgelegt oder konkretisiert und weist der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsort zu, unterliegt die Weisung nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keiner Inhaltskontrolle nach § 307 BGB, sondern der Ausübungskontrolle nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 3 BGB(aA Wank RdA 2012, 139, 140). Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind (vgl. nur BAG 19. Januar 2011 - 10 AZR 738/09 - Rn. 18, AP BGB § 307 Nr. 50 = EzA GewO § 106 Nr. 7; 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 31, BAGE 135, 239; 23. September 2004 - 6 AZR 567/03 - zu IV 2 a der Gründe, BAGE 112, 80).

28

II. Der Senat kann offenlassen, ob an der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu den arbeitsvertraglichen Grenzen des gesetzlichen Direktionsrechts (§ 106 Satz 1 GewO) bei Versetzungen mit einer Veränderung des Arbeitsorts festzuhalten ist (abl. Hromadka NZA 2012, 233, 238; Wank RdA 2012, 139, 140, der auch dem individualrechtlichen Begriff der Versetzung aufgrund Direktionsrechts kritisch gegenübersteht und sich für den Begriff der Umsetzung ausspricht; ders. NZA Beilage 2/2012, 41, 48; ders. RdA 2005, 271, 272). Es kann auch dahinstehen, ob das Landesarbeitsgericht trotz der Kinderbetreuungspflicht der Klägerin rechtsfehlerfrei angenommen hat, die Ausübung des Weisungsrechts der Beklagten durch die Versetzung der Klägerin von Berlin nach Frankfurt (Oder) sei nicht zu beanstanden. Die Versetzung der Klägerin ist jedenfalls unwirksam, weil das Direktionsrecht der Beklagten entweder durch § 3 Abs. 1 iVm. § 5 Abs. 1 Satz 1 TV Ratio DTKS oder durch § 3 Abs. 2 iVm. § 5 Abs. 1 Satz 1 TV Ratio DTKS beschränkt ist. Die in §§ 3 bis 5 TV Ratio DTKS enthaltene tarifliche Auswahlrichtlinie dient dazu, dem Arbeitnehmer nach § 5 Abs. 1 bis Abs. 3 TV Ratio DTKS durch einzelvertragliche Abrede oder Änderungskündigung die Möglichkeit zu eröffnen, in den Betrieb BQE versetzt zu werden(ebenso Hümmerich/Welslau NZA 2005, 610, 612; Klinkhammer JbArbR Bd. 43 S. 63, 84). Der Anwendungsbereich des TV Ratio DTKS ist eröffnet. Die Auslegung der tarifvertraglichen Regelungen (§ 3 Abs. 1, Abs. 2, § 5 Abs. 1 Satz 1 TV Ratio DTKS) ergibt, dass auch Verlagerungen von Arbeitsplätzen ohne Personalabbau das Angebot eines Änderungsvertrags mit dem Ziel einer Versetzung in die BQE verlangen. § 3 Abs. 1 TV Ratio DTKS oder § 3 Abs. 2 TV Ratio DTKS - jeweils iVm. § 5 Abs. 1 Satz 1 TV Ratio DTKS - beschränkten das Direktionsrecht der Beklagten zunächst auf dieses tarifliche Verfahren und schlossen eine sofortige unmittelbare Versetzung von Berlin nach Frankfurt(Oder) aus. Den Tarifvertragsparteien fehlte nicht die Kompetenz, ein tarifliches Auswahlverfahren zu schaffen. Die GBV vom 28. November 2008 durfte vom tariflichen Auswahlverfahren nicht abweichen, indem sie „Mitarbeitermigrationspfade“ vorsah.

29

1. Der Anwendungsbereich des TV Ratio DTKS ist eröffnet.

30

a) Die Klägerin unterfällt durch ihre Gewerkschaftszugehörigkeit dem persönlichen Geltungsbereich des TV Ratio DTKS. Die Beklagte ist Tarifvertragspartei des Firmentarifvertrags (§ 3 Abs. 1 TVG).

31

b) Der sachliche Geltungsbereich des TV Ratio DTKS ist eröffnet.

32

aa) Dem sachlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags unterfallen nach § 1 Abs. 1 TV Ratio DTKS wirtschaftliche, organisatorische und personelle Maßnahmen, die eine kontinuierliche Qualitäts- und Produktivitätsverbesserung sowie eine flexible Anpassung an technologische und nachfragebezogene Veränderungen sicherstellen sollen. § 1 Abs. 2 Buchst. a TV Ratio DTKS definiert als Maßnahmen unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Änderungen der Aufbauorganisation, soweit hierdurch der Arbeitsplatz eines Arbeitnehmers wegfällt oder verlegt wird. In den Ausführungsbestimmungen ist geregelt, wie der Begriff der Aufbauorganisation zu verstehen ist. „Aufbauorganisation“ ist danach die Bildung von Organisationseinheiten, die Zuteilung von Aufgaben zu diesen Einheiten, die Aufgabenverteilung innerhalb der Einheiten sowie die Festlegung ihrer Zuständigkeiten. Sie umfasst zB die Einrichtung, Umwandlung oder Aufhebung von Niederlassungen, die Einrichtung, Umwandlung oder Aufhebung von Ressorts oder Abteilungen, die Aufgabenverteilung auf Niederlassungen oder Ressorts sowie die Arbeitsverteilung auf Funktionsträger (Nr. 1 der Ausführungsbestimmungen zu Absatz 2).

33

bb) Die in der GBV vom 28. November 2008 enthaltenen Maßnahmen unterfallen dem sachlichen Anwendungsbereich des Tarifvertrags.

34

(1) Aus der Präambel der GBV geht hervor, dass sie der Modernisierung und Konsolidierung der bestehenden Standorte dient und die Beklagte eine betriebswirtschaftliche Optimierung des Unternehmens durch Produktivitätssteigerungen erstrebt. Damit sollen die Maßnahmen der GBV eine Produktivitätssteigerung iSv. § 1 Abs. 1 TV Ratio DTKS sicherstellen. Dafür sieht die GBV die „Migration“ von sog. Quellstandorten zu neuen Zielstandorten vor, die sich näher aus den Anlagen der GBV ergeben. Für die Berliner Standorte - mit Ausnahme des Standorts Schätzelbergstraße - ergibt sich der Zielstandort Frankfurt (Oder). Die „Migration“ war mit der Auflösung der Standorte in der Holzhauser Straße, der Lankwitzer Straße, der Buchberger Straße und der Köpenicker Allee verbunden. Zugleich wurde in Frankfurt (Oder) ein Standort begründet oder der dort schon bestehende Standort zumindest um weitere Abteilungen erweitert. Aufgaben der Berliner Standorte wurden nach Frankfurt (Oder) überführt. Darin liegt eine Änderung der Aufbauorganisation iSv. § 1 Abs. 2 Buchst. a TV Ratio DTKS.

35

(2) Folge der Änderung der Aufbauorganisation war die Verlegung von Arbeitsplätzen iSv. § 1 Abs. 2 TV Ratio DTKS.

36

(a) Unter „verlegen“ wird im räumlichen Wortsinn eine Handlung verstanden, mit der jemand oder etwas von seinem bisherigen an einen anderen Ort gelegt wird (vgl. Duden Bd. 10 Das Bedeutungswörterbuch 4. Aufl. Stichwort: „verlegen“).

37

(b) Das trifft auf die betroffenen Arbeitsplätze zu. Sie werden nach den Regelungen der GBV vom 28. November 2008 von den Quell- an die Zielstandorte gelegt. Diese Verlegung muss nicht dazu führen, dass Arbeitsplätze wegfallen. Maßnahmen iSv. § 1 Abs. 2 TV Ratio DTKS eröffnen den Anwendungsbereich des Tarifvertrags, soweit der Arbeitsplatz eines Arbeitnehmers wegfällt oder verlegt wird. Die Tarifvertragsparteien haben das Wort „oder“ zur Verknüpfung verwendet, sodass beide Satzglieder alternative Möglichkeiten ausdrücken, von denen eine infrage kommt. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien den Anwendungsbereich nur für solche Verlegungen von Arbeitsplätzen eröffnen wollten, die zugleich mit einem Arbeitsplatzabbau verbunden sind.

38

2. Entgegen der Auffassung der Revision war bei der Verlagerung des Standorts Berlin Holzhauser Straße nach Frankfurt (Oder) das Direktionsrecht der Beklagten durch die ua. in §§ 3 und 5 TV Ratio DTKS enthaltene tarifliche Auswahlrichtlinie dahin eingeschränkt, die Klägerin einvernehmlich oder durch Änderungskündigung in die BQE zu versetzen. Die Auslegung von § 3 TV Ratio DTKS ergibt, dass die Verlagerung des Standorts Berlin Holzhauser Straße eine Auswahl nach § 3 TV Ratio DTKS erforderlich machte. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Standorte Berlin Holzhauser Straße und Berlin Schätzelbergstraße demselben Betrieb im kündigungsschutzrechtlichen Sinn angehörten oder nicht. Gehörten die früheren fünf Berliner Standorte oder auch nur die Standorte Holzhauser Straße und Schätzelbergstraße einem Betrieb im kündigungsschutzrechtlichen Sinn an, war die Klägerin nur im Fall ihrer tarifgerechten Auswahl nach § 3 Abs. 1 iVm. § 5 Abs. 1 bis Abs. 3 TV Ratio DTKS in die BQE zu versetzen. Sollten der Standort Berlin Schätzelbergstraße und der Standort Berlin Holzhauser Straße oder alle anderen vier früheren Berliner Standorte mehrere Betriebe im kündigungsschutzrechtlichen Sinn gebildet haben, schränkte § 3 Abs. 2 TV Ratio DTKS das Direktionsrecht der Beklagten dahin ein, die Klägerin in die BQE zu versetzen. Die sofortige unmittelbare Versetzung der Klägerin nach Frankfurt (Oder) ohne den Versuch, sie in die BQE zu versetzen, war von dem durch den TV Ratio DTKS tariflich eingeschränkten Direktionsrecht der Beklagten (§ 106 Satz 1 GewO) nicht gedeckt.

39

a) Bei der Auslegung kann der Senat in der ersten Alternative unterstellen, dass der verlagerte Standort Berlin Holzhauser Straße, in dem die Klägerin jedenfalls bis Anfang Dezember 2009 eingesetzt war, kündigungsschutzrechtlich demselben Betrieb angehörte wie der Standort Berlin Schätzelbergstraße. Der (gesetzliche oder gewillkürte) betriebsverfassungsrechtliche Begriff des Betriebs ist für das Auswahlverfahren nicht maßgeblich.

40

aa) Für Änderungskündigungen ist es möglich, Auswahlrichtlinien aufzustellen. Dabei sind die Betriebs- oder Tarifvertragsparteien an die Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes gebunden. Sie können die gesetzlichen Anforderungen an die Sozialauswahl nicht abweichend von § 1 Abs. 3 KSchG festlegen(vgl. BAG 12. August 2010 - 2 AZR 945/08 - Rn. 43 mwN, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 147 = EzA KSchG § 2 Nr. 79). Das gilt auch für ein der Änderungskündigung vorgeschaltetes Auswahlverfahren (vgl. BAG 12. August 2010 - 2 AZR 945/08 - Rn. 44, aaO). Die Auswahl muss sich deshalb hinsichtlich besetzter Arbeitsplätze innerhalb des Betriebs im kündigungsschutzrechtlichen Sinn vollziehen.

41

bb) Unter einem Betrieb im kündigungsschutzrechtlichen Sinn ist die organisatorische Einheit zu verstehen, innerhalb derer ein Arbeitgeber allein oder gemeinsam mit seinen Arbeitnehmern mithilfe von sächlichen und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt, die sich nicht in der Befriedigung von Eigenbedarf erschöpfen. Das setzt einen einheitlichen organisatorischen Einsatz der Sachmittel und Personalressourcen voraus. Die Leitungsmacht, die einen Betrieb im kündigungsschutzrechtlichen Sinn begründet, wird dadurch bestimmt, dass der Kern der Arbeitgeberfunktionen in personellen und sozialen Angelegenheiten von derselben institutionalisierten Leitung im Wesentlichen selbständig ausgeübt wird. Entscheidend ist, wo im Schwerpunkt über Arbeitsbedingungen und Organisationsfragen entschieden wird und in welcher Weise Einstellungen, Entlassungen und Versetzungen vorgenommen werden (vgl. für die st. Rspr. BAG 7. Juli 2011 - 2 AZR 476/10 - Rn. 36 mwN; 28. Oktober 2010 - 2 AZR 392/08 - Rn. 15 f., AP KSchG 1969 § 23 Nr. 48 = EzA KSchG § 23 Nr. 37). Vom Betrieb als Ganzem zu unterscheiden sind Betriebsteile, die gegenüber dem Hauptbetrieb organisatorisch selbständig sind und eine Teilfunktion von dessen arbeitstechnischem Zweck wahrnehmen. Auch ein Hauptbetrieb und eine räumlich weit entfernte Betriebsstätte iSv. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG können einen Betrieb iSv. § 23 KSchG bilden. Im Unterschied zu § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG differenziert § 23 KSchG nicht zwischen Betrieben und räumlich entfernten Betriebsteilen, die als selbständige Betriebe im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes gelten. Die räumliche Einheit ist kündigungsschutzrechtlich kein entscheidendes Abgrenzungsmerkmal, weil es wesentlich auf die Leitung des Betriebs ankommt, der es obliegt, die Einzelheiten der arbeitstechnischen Zwecksetzung zu regeln (vgl. BAG 7. Juli 2011 - 2 AZR 476/10 - Rn. 37; 28. Oktober 2010 - 2 AZR 392/08 - Rn. 17, aaO ).

42

cc) Gehörten die früheren fünf Berliner Standorte oder auch nur die Standorte Holzhauser Straße und Schätzelbergstraße einem Betrieb im kündigungsschutzrechtlichen Sinn an, war die Klägerin lediglich im Fall ihrer tarifgerechten Auswahl nach § 3 Abs. 1 iVm. § 5 Abs. 1 bis Abs. 3 TV Ratio DTKS in die BQE zu überführen.

43

(1) Nach § 3 Abs. 1 TV Ratio DTKS werden alle auf den gleichen Arbeitsplätzen beschäftigten Arbeitnehmer in die Auswahl einbezogen, wenn von einer Gesamtheit gleicher Arbeitsplätze, die von einer Maßnahme iSv. § 1 TV Ratio DTKS betroffen sind, nur ein Teil der Arbeitsplätze wegfällt oder verlegt wird. Die Auswahl dient dazu, die ausgewählten Arbeitnehmer nach § 5 Abs. 1 und Abs. 3 TV Ratio DTKS in den Betrieb BQE zu überführen(Nr. 1 der Protokollnotiz zu § 3 TV Ratio DTKS). Nach § 5 Abs. 3 TV Ratio DTKS erfolgt eine Änderungskündigung, wenn der ausgewählte Arbeitnehmer Angebote nach § 5 Abs. 1(Änderungsvertrag) oder § 5 Abs. 2 TV Ratio DTKS(Auflösungsvertrag) ablehnt. Die Auswahl soll eine Änderungskündigung vorbereiten, wenn es zu keiner der einvernehmlichen Lösungen eines Änderungs- oder Auflösungsvertrags kommt. Sind von einer Organisationsmaßnahme des Arbeitgebers mehrere vergleichbare Arbeitnehmer betroffen und konkurrieren diese um besetzte Arbeitsplätze in demselben Betrieb, hat der Arbeitgeber durch eine Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG zu entscheiden, welche Arbeitnehmer er weiterbeschäftigt. Diese Grundsätze finden auch bei einer (beabsichtigten) Änderungskündigung Anwendung. § 2 Satz 1 KSchG verweist uneingeschränkt auf § 1 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 KSchG(st. Rspr., vgl. BAG 12. August 2010 - 2 AZR 945/08 - Rn. 41, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 147 = EzA KSchG § 2 Nr. 79).

44

(2) Die am Standort Berlin Schätzelbergstraße vorhandenen Arbeitsplätze gehörten zumindest zum Teil zu einer „Gesamtheit gleicher Arbeitsplätze“ iSv. § 3 Abs. 1 TV Ratio DTKS, wenn unterstellt wird, dass die Standorte Berlin Holzhauser Straße und Berlin Schätzelbergstraße einem Betrieb im kündigungsschutzrechtlichen Sinn angehörten. Der Begriff der Gesamtheit gleicher Arbeitsplätze ist tariflich nicht definiert. Aufgrund der Formulierung „gleiche Arbeitsplätze“ ist aber davon auszugehen, dass es sich um solche Arbeitsplätze handeln muss, an denen gleiche oder gleichartige Tätigkeiten verrichtet werden.

45

(a) An den verschiedenen Standorten arbeiteten bis zur Verlagerung des Standorts Berlin Holzhauser Straße ua. Arbeitnehmer, die als Kundenberater Leistungen in den Bereichen Festnetz oder Mobilfunk vertrieben und Beratungsleistungen erbrachten. Dem steht nicht entgegen, dass sich der Gegenstand des Vertriebs und der Beratung in Festnetzbereich und Mobilfunk unterschied.

46

(b) Entscheidend dafür, ob die Arbeitsplätze als „gleich“ iSv. § 3 Abs. 1 TV Ratio DTKS einzuordnen sind, ist, ob die Arbeitnehmer auf den Arbeitsplätzen austauschbar sind. Dafür sprechen Sinn und Zweck der Regelung sowie der tarifliche Zusammenhang, weil die Auswahl auch dazu dient, Änderungskündigungen vorzubereiten (§ 5 Abs. 3 TV Ratio DTKS). Eine solche Austauschbarkeit ist nicht nur bei Identität der Arbeitsplätze gegeben, sondern auch dann, wenn der Arbeitnehmer aufgrund seiner Tätigkeit und Ausbildung eine andersartige, aber gleichwertige Tätigkeit ausführen kann (vgl. BAG 7. Dezember 2006 - 2 AZR 748/05 - Rn. 18, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 88 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 74; 18. Oktober 2006 - 2 AZR 676/05 - Rn. 30, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 73). Eine kurze Einarbeitungszeit hindert die Vergleichbarkeit nicht. Eine Austauschbarkeit iSd. Kündigungsschutzgesetzes ist vielmehr erst dann ausgeschlossen, wenn die betriebliche Spezialisierung und die aktuellen besonderen Umstände einen solchen Grad erreicht haben, dass ein Einsatz des zu kündigenden Arbeitnehmers auf dem Arbeitsplatz des „Spezialisten“ auch nach einer angemessenen Einarbeitungsfrist nicht möglich ist. Dafür genügt es nicht, dass der Arbeitnehmer nur einen bestimmten, insbesondere untergeordneten Arbeitsvorgang nicht ausführen kann. Sein Arbeitseinsatz muss insgesamt nicht mehr - wirtschaftlich - erfolgen können (vgl. BAG 5. Juni 2008 - 2 AZR 907/06 - Rn. 25, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 179 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 81).

47

(c) Nach diesen Maßstäben bestanden am Standort Berlin Schätzelbergstraße gleiche Kundenberaterarbeitsplätze iSv. § 3 Abs. 1 TV Ratio DTKS wie am Standort Berlin Holzhauser Straße und an den übrigen drei früheren Berliner Standorten.

48

dd) Unerheblich ist, ob die Absätze 3 und 5 des § 3 TV Ratio DTKS insoweit unwirksam sind, als sie für die Auswahl an den Begriff der Organisationseinheit anknüpfen. Auf diese Regelungen kommt es nicht an, weil sich das Erfordernis der tarifgerechten Auswahl der Klägerin für die Überführung in die BQE bereits aus § 3 Abs. 1 iVm. § 5 Abs. 1 bis Abs. 3 TV Ratio DTKS ergibt.

49

b) Sollten der Standort Berlin Schätzelbergstraße und der Standort Berlin Holzhauser Straße (ggf. gemeinsam mit den anderen drei früheren Berliner Standorten) zwei Betriebe im kündigungsschutzrechtlichen Sinn gebildet haben, schränkte § 3 Abs. 2 TV Ratio DTKS das Direktionsrecht der Beklagten dahin ein, die Klägerin in die BQE zu versetzen. In diesem Fall wären alle Arbeitsplätze des verlagerten Betriebs verlegt worden.

50

c) Die nach § 3 Abs. 1 oder § 3 Abs. 2 TV Ratio DTKS zu treffende Auswahl setzt nicht voraus, dass es zu einem Arbeitsplatzabbau kommt.

51

aa) Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut. Wie auch § 1 Abs. 2 TV Ratio DTKS stellen die Absätze 1 bis 3 des § 3 TV Ratio DTKS die Verlegung des Arbeitsplatzes als eigenständige Alternative neben den Wegfall des Arbeitsplatzes. Das wird durch die Verknüpfungen „oder“ und „bzw.“ deutlich.

52

bb) Auch der tarifliche Gesamtzusammenhang spricht dafür, dass die bloße Verlegung von Arbeitsplätzen eine Auswahlentscheidung nach § 3 TV Ratio DTKS erforderlich macht, wenn vergleichbare Arbeitsplätze im Betrieb bestehen.

53

(1) Die Tarifvertragsparteien stellen in § 1 Abs. 2, § 3 Abs. 1, § 3 Abs. 2 und § 3 Abs. 3 TV Ratio DTKS den Wegfall und die Verlegung von Arbeitsplätzen als selbständige Alternativen nebeneinander und verknüpfen sie durch „oder“ und „bzw.“. Das deutet auf ein einheitliches Verständnis hin.

54

(2) Das tarifliche Rechtsfolgensystem der §§ 5, 8, 9 und 10 TV Ratio DTKS, das an die Auswahl nach §§ 3 bis 5 TV Ratio DTKS anknüpft, spricht nicht gegen das gefundene Auslegungsergebnis.

55

(a) Nach § 5 Abs. 1 TV Ratio DTKS erhält der nach §§ 3 und 4 TV Ratio DTKS ausgewählte Arbeitnehmer ein Angebot auf Abschluss eines Änderungsvertrags. Inhalt dieses Vertrags ist die Bereitschaft, eine Tätigkeit im Betrieb BQE zu den tarifvertraglich näher geregelten Bedingungen aufzunehmen (§ 5 Abs. 1 Satz 2 TV Ratio DTKS). Nach Abschluss des Änderungsvertrags wird der Arbeitnehmer in den Betrieb BQE versetzt (§ 5 Abs. 1 Satz 5 TV Ratio DTKS). Dieses Rechtsfolgensystem ist für Standortverlagerungen ohne Personalabbau nicht unpassend. Vielmehr ermöglichen die Regelungen zur Versetzung des ausgewählten Arbeitnehmers in die BQE es ihm, Leistungen in Anspruch zu nehmen, die dazu dienen, die mit der organisatorischen Maßnahme und ihrer Umsetzung verbundenen Belastungen abzumildern. Zugleich erlaubt das Rechtsfolgensystem des § 5 TV Ratio DTKS es dem Arbeitnehmer, aus dem Arbeitsverhältnis gegen Abfindung auszuscheiden(§ 5 Abs. 2 TV Ratio DTKS). Das tarifliche Rechtsfolgensystem bietet dem ausgewählten Arbeitnehmer demnach verschiedene Handlungsoptionen.

56

(b) § 8 Abs. 1 TV Ratio DTKS verpflichtet die Beklagte, den nach §§ 3, 4 TV Ratio DTKS ausgewählten und von den Regelungen des § 5 erfassten Arbeitnehmern einen gleichwertigen und zumutbaren Dauerarbeitsplatz innerhalb des Unternehmens der Beklagten - der DTKS - anzubieten. Der ausgewählte Arbeitnehmer wird auf diese Weise typischerweise nicht in die Gefahr gebracht, gegen seinen Willen den Arbeitsplatz zu verlieren. Für die Auswahl von Arbeitnehmern ist für ein zumutbares Angebot in § 9 TV Ratio DTKS eine weitere Auswahlkommission vorgesehen. Der ausgewählte Arbeitnehmer trifft in der BQE auf andere, mit ihm konkurrierende Arbeitnehmer.

57

(aa) Die in Anlage 4 des TV Ratio DTKS geregelten Zumutbarkeitskriterien berücksichtigen ua. den Qualifizierungsaufwand und die Organisationszugehörigkeit iSd. Organisationseinheit. Für den von der Standortverlagerung betroffenen Arbeitnehmer, dessen neuer Standort innerhalb der Organisationseinheit liegt, ist daher im Hinblick auf Qualifikation und Zugehörigkeit zur Organisationseinheit idR ein Angebot zum Wechsel auf den nur örtlich veränderten Arbeitsplatz eher zumutbar als für andere Arbeitnehmer, die sich bereits in der BQE befinden und anderen Organisationseinheiten angehören.

58

(bb) § 8 Abs. 7 Satz 4 TV Ratio DTKS sieht vor, dass Arbeitnehmer auf freiwilliger Basis von den einschränkenden Regelungen der Anlage 4 des TV Ratio DTKS abweichen können. Der freiwillige Wechsel auf einen Dauerarbeitsplatz ist der Annahme eines Angebots gleichgestellt (§ 8 Abs. 7 Satz 5 TV Ratio DTKS). Danach kann sich der betroffene Arbeitnehmer freiwillig entscheiden, am neuen Standort die Arbeit aufzunehmen, ohne dass es auf Zumutbarkeitskriterien ankäme.

59

(cc) Nach § 10 Abs. 1 TV Ratio DTKS stehen dem Arbeitnehmer bei einer solchen internen Vermittlung Ansprüche auf Leistungen nach Anlage 5 Abschn. 1 Unterabschn. 1 des TV Ratio DTKS zu, die ua. aus einem Erstattungsbetrag zum Ausgleich von Fahrtkosten und des zeitlichen Mehraufwands (§§ 4 und 5 der Anlage 5 Abschn. 1 Unterabschn. 1 des TV Ratio DTKS) oder einer Umzugshilfe (§ 6 der Anlage 5 Abschn. 1 Unterabschn. 1 des TV Ratio DTKS) bestehen können.

60

(dd) Das zur Milderung der Verlegung des Arbeitsplatzes vorgesehene Rechtsfolgensystem knüpft damit daran an, dass der örtlich veränderte Dauerarbeitsplatz durch Vermittlung aus dem Betrieb BQE erlangt wird.

61

(c) Zu berücksichtigen ist ferner, dass Abschn. 1 des TV Ratio DTKS, der die Auswahlentscheidung enthält, für Arbeitnehmer, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, das noch nicht mindestens zwei Jahre ununterbrochen angedauert hat, keine Anwendung findet (§ 2 TV Ratio DTKS). Die Tarifvertragsparteien sehen aber auch für diese Arbeitnehmer den Wechsel in die BQE vor.

62

(aa) Für diese Arbeitnehmer gelten die im Abschn. 2 des TV Ratio DTKS getroffenen Regelungen (§ 13 TV Ratio DTKS). Die Tarifvertragsparteien stufen diese Arbeitnehmer als weniger schutzwürdig ein und sehen für die Gruppe kein Auswahlverfahren vor. Diese Arbeitnehmer sind deswegen unmittelbar betroffen, wenn ihr Arbeitsplatz wegfällt oder verlegt wird. § 14 Abs. 1 TV Ratio DTKS bestimmt, dass sich die Beklagte bemüht, für diese Arbeitnehmergruppe soziale Härten zu vermeiden. Rechtsfolge ihrer Betroffenheit ist im Übrigen, dass die ausgewählten Arbeitnehmer ein Angebot auf befristete Beschäftigung im Betrieb BQE für die Dauer von zwölf Monaten mit dem Zweck der Vermittlung auf einen Dauerarbeitsplatz erhalten (§ 14 Abs. 2 Satz 1 TV Ratio DTKS). §§ 5 und 6 TV Ratio DTKS finden auf sie Anwendung(§ 14 Abs. 2 Satz 2 TV Ratio DTKS).

63

(bb) Sehen die Tarifvertragsparteien für diese weniger schutzwürdige Arbeitnehmergruppe als allein mögliche Rechtsfolge ihrer Betroffenheit einen Wechsel in die BQE vor, entspricht es dem tariflichen Rechtsfolgensystem, dass die dem Abschn. 1 des TV Ratio DTKS unterfallenden Arbeitnehmer im Fall ihrer Auswahl in die BQE wechseln können, um von dort vermittelt zu werden. Sonst würden die schutzwürdigeren Arbeitnehmer von tariflichen Leistungen nach Anlage 5 Abschn. 1 Unterabschn. 1 des TV Ratio DTKS ausgeschlossen. Die dem Abschn. 2 des TV Ratio DTKS unterfallenden kürzer beschäftigten Arbeitnehmer erhielten bei interner Vermittlung demgegenüber Leistungen nach Anlage 5 Abschn. 1 Unterabschn. 2 des TV Ratio DTKS (§ 15 Abs. 1 TV Ratio DTKS), zB Leistungen zum Ausgleich von Fahrtmehrkosten (§ 8 der Anlage 5 Abschn. 1 Unterabschn. 2 des TV Ratio DTKS).

64

(d) Auch die Protokollnotiz Nr. 1 zu § 3 TV Ratio DTKS und die Protokollnotiz zu § 3 Abs. 6 TV Ratio DTKS sprechen bei Standortverlagerungen nicht gegen eine Auswahl nach § 3 TV Ratio DTKS.

65

(aa) Die Protokollnotiz Nr. 1 zu § 3 TV Ratio DTKS bestimmt, dass die nach §§ 3, 4 TV Ratio DTKS vorzunehmende Auswahlentscheidung eine Sozialauswahl iSd. Kündigungsschutzgesetzes zum Zweck der Überführung nach § 5 Abs. 1 und Abs. 3 TV Ratio DTKS in den Betrieb BQE ist und die Anlagen 1 und 2 des Tarifvertrags für diesen Zweck eine Auswahlrichtlinie iSv. § 1 Abs. 4 KSchG darstellen.

66

(aaa) Damit bringen die Tarifvertragsparteien nicht zum Ausdruck, eine Auswahl hielten sie nur dann für erforderlich, wenn die organisatorische Maßnahme des Arbeitgebers zu einem Abbau von Arbeitsplätzen führe. Betriebsbedingte Beendigungskündigungen sind nach § 12 Abs. 1 Satz 1 TV Ratio DTKS bis 31. Dezember 2012 ausgeschlossen, sodass sich die vorzunehmende Auswahl nur auf einen Wechsel in die BQE beziehen kann. Die Auswahlregeln gelten nicht für Beendigungskündigungen nach Außerkrafttreten von § 12 TV Ratio DTKS(Protokollnotiz zu § 18 Abs. 3 TV Ratio DTKS).

67

(bbb) Dieses Ergebnis folgt auch aus der Protokollnotiz Nr. 1 zu § 3 TV Ratio DTKS, wenn es dort heißt, dass es sich um eine Sozialauswahl iSd. Kündigungsschutzgesetzes zum Zweck der Überführung in den Betrieb BQE handelt. Rechtsfolge ist nicht, dass die ausgewählten Arbeitnehmer unmittelbar auf einen Arbeitsplatz außerhalb der BQE versetzt werden sollen. Sie sollen vielmehr in den Betrieb BQE wechseln, um eine wohlüberlegte Entscheidung treffen zu können, ob sie aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden oder aus der BQE vermittelt werden wollen. Indem die Tarifvertragsparteien auf das Kündigungsschutzgesetz Bezug nehmen und die Anlagen 1 und 2 des TV Ratio DTKS als Auswahlrichtlinie iSv. § 1 Abs. 4 KSchG bezeichnen, machen sie nur deutlich, nach welchen Grundsätzen die vorzunehmende Auswahl erfolgen soll.

68

(bb) Auch aus der Protokollnotiz zu § 3 Abs. 6 TV Ratio DTKS ergibt sich nichts anderes.

69

(aaa) § 3 Abs. 6 Satz 1 TV Ratio DTKS trifft eine Sonderregelung für Altersteilzeitarbeitsverhältnisse und nimmt Arbeitnehmer, die sich zum Zeitpunkt der Zuleitung an die Paritätische Auswahlkommission I bereits in Altersteilzeit befinden oder einen Alterszeitzeitarbeitsvertrag geschlossen haben, von der Auswahlentscheidung aus. Nach Satz 1 der Protokollnotiz zu § 3 Abs. 6 TV Ratio DTKS gilt das nicht, wenn sie „vollbetroffen“ iSv. § 3 Abs. 2 TV Ratio DTKS sind und alle Arbeitnehmer in den Betrieb BQE versetzt werden. Nach Satz 2 der Protokollnotiz zu § 3 Abs. 6 TV Ratio DTKS soll bei diesen Arbeitnehmern eine Versetzung in die BQE jedoch nur erfolgen, wenn bei vorrangiger Prüfung einer anderweitigen Unterbringung des Arbeitnehmers nachweislich kein anderweitiger zumutbarer und gleichwertiger Arbeitsplatz nach dem TV Ratio DTKS gefunden wurde.

70

(bbb) Damit haben die Tarifvertragsparteien lediglich eine besondere Regelung zugunsten von Arbeitnehmern in Altersteilzeit getroffen. Ihnen soll vorrangig ein anderweitiger zumutbarer Arbeitsplatz - außerhalb der Regelungen der BQE - vermittelt werden. Daraus kann nicht geschlossen werden, Versetzungen in die BQE kämen allgemein nur in Betracht, wenn kein anderweitiger zumutbarer Arbeitsplatz vorhanden ist. Die Frage, welche Arbeitsplatzangebote zumutbar sind oder nicht, soll sich nach dem Willen der Tarifvertragsparteien nach den Vermittlungsregelungen der BQE - und nicht nach der Einschätzung des Arbeitgebers - bestimmen.

71

(e) Schließlich sprechen auch die Verfahrensregeln zur Auswahl von Arbeitnehmern nach Anlage 1 des TV Ratio DTKS, aufgrund derer die Auswahl nach § 3 TV Ratio DTKS stattzufinden hat, nicht gegen die Durchführung einer Auswahl bei Standortverlagerungen. Nr. 1 Abs. 2 der Anlage 1 des TV Ratio DTKS spricht zwar davon, dass die sich aus der konkreten Maßnahme nach § 1 TV Ratio DTKS ergebenden „Personalüberhänge“ zahlenmäßig einzelnen Alterskategorien verhältnismäßig zugeordnet werden. Aus der Regelungssystematik, nach der betroffene oder ausgewählte Arbeitnehmer grundsätzlich in die BQE wechseln, ergibt sich aber, dass ein „Personalüberhang“ auch besteht, wenn Arbeitsplätze verlegt werden. Der Begriff des Personalüberhangs kann daher nicht so verstanden werden, dass ein Personalüberhang nur dann besteht, wenn sich die Zahl der Arbeitsplätze verringert.

72

cc) Sinn und Zweck der tariflichen Regelungen, wirtschaftliche, organisatorische und personelle Maßnahmen, die zu einem Wegfall oder einer Verlegung von Arbeitsplätzen führen, sozialverträglich umzusetzen (§ 1 Abs. 1 TV Ratio DTKS), sprechen dafür, die Auswahlregelungen des § 3 TV Ratio DTKS und die damit ausgelösten Rechtsfolgen auf bloße Standortverlagerungen anzuwenden.

73

(1) Der Zweck des TV Ratio DTKS besteht darin, die Folgen von unternehmerischen Entscheidungen, die mit Arbeitsplatzabbau und Arbeitsplatzverlegungen einhergehen, abzumildern. Dazu sind betriebsbedingte Beendigungskündigungen nach § 12 TV Ratio DTKS ausgeschlossen. Stattdessen ist der Wechsel in die BQE vorgesehen.

74

(2) Nach dem erkennbaren Willen der Tarifvertragsparteien soll jedoch nur derjenige, der im Verhältnis zu vergleichbaren Arbeitnehmern sozial weniger schutzwürdig ist, statt der ausgeschlossenen Kündigung in die BQE wechseln. Der ausgewählte Arbeitnehmer kann sich für die Vermittlung aus der BQE oder zum Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis gegen Abfindung entscheiden. Wird der Arbeitnehmer aus der BQE auf einen anderen Arbeitsplatz vermittelt, stehen ihm Ausgleichsansprüche nach § 10 TV Ratio DTKS iVm. Anlage 5 Abschn. 1 Unterabschn. 1 des TV Ratio DTKS zu. Dazu gehören zB Fahrtkostenerstattungen oder Umzugshilfen. Die Tarifvertragsparteien wollen die Belastungen, die mit der Aufnahme einer gleichwertigen Tätigkeit an einem anderen Ort verbunden sind, ausgleichen. Für die tariflich verfolgten Abmilderungsziele ist es unerheblich, ob der Arbeitsplatz eines Arbeitnehmers endgültig wegfällt oder nur an einen anderen, ggf. weit entfernten Ort verlegt wird. In beiden Fällen wird der Arbeitnehmer durch eine organisatorische Maßnahme belastet, die es ihm unmöglich macht, seine Arbeit im gewohnten räumlich-sozialen Umfeld fortzusetzen.

75

3. Die GBV vom 28. November 2008 konnte die tarifliche Einschränkung des Direktionsrechts der Beklagten nicht abweichend von § 3 Abs. 1 oder § 3 Abs. 2 TV Ratio DTKS erweitern, indem sie „Mitarbeitermigrationspfade“ vorgab.

76

a) Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG gelten die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluss oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Selbst wenn die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG hier nicht eingreifen sollte, sind Abweichungen vom Tarifvertrag nach § 4 Abs. 3 TVG nur zulässig, wenn sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung zugunsten des Arbeitnehmers enthalten(vgl. Wiedemann/Wank 7. Aufl. § 4 TVG Rn. 621).

77

b) Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

78

aa) Der TV Ratio DTKS enthält keine Öffnungsklausel zugunsten der (Gesamt-)Betriebsparteien, um von den dort getroffenen Regelungen, insbesondere dem in § 3 Abs. 1 TV Ratio DTKS vorgesehenen Auswahlverfahren abzuweichen.

79

bb) Die Regelung in der GBV ist auch nicht günstiger als das tarifliche Auswahlverfahren. § 2 Abs. 2 GBV führt dazu, dass Mitarbeiter des Callcenters Schätzelbergstraße nicht in eine Auswahl einzubeziehen sind. Das verschlechterte die Rechtsstellung der an den anderen vier früheren Berliner Standorten eingesetzten Arbeitnehmer, wenn sie demselben Betrieb im kündigungsschutzrechtlichen Sinn wie die Arbeitnehmer des Standorts Berlin Schätzelbergstraße angehörten. In diesem Fall war die Auswahlregelung des § 3 Abs. 1 TV Ratio DTKS anzuwenden. § 3 Abs. 1 GBV gibt demgegenüber vor, dass die von der Maßnahme betroffenen Arbeitnehmer ein Angebot auf einen Dauerarbeitsplatz an einem Zielstandort nach der Anlage 2a oder der Anlage 2b der GBV erhalten. Die GBV sieht also - ohne Auswahl - einen unmittelbaren Wechsel an den jeweiligen Zielstandort nach der Anlage 2a der GBV vor.

80

cc) Entsprechendes gilt für § 3 Abs. 2 TV Ratio DTKS, wenn von einer Gesamtheit gleicher Arbeitsplätze alle Arbeitsplätze wegfallen oder verlegt werden.

81

C. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

    Wollensak    

        

    M. Jostes    

                 

(1) Ist ein Ort für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen, insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses, zu entnehmen, so hat die Leistung an dem Ort zu erfolgen, an welchem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz hatte.

(2) Ist die Verbindlichkeit im Gewerbebetrieb des Schuldners entstanden, so tritt, wenn der Schuldner seine gewerbliche Niederlassung an einem anderen Ort hatte, der Ort der Niederlassung an die Stelle des Wohnsitzes.

(3) Aus dem Umstand allein, dass der Schuldner die Kosten der Versendung übernommen hat, ist nicht zu entnehmen, dass der Ort, nach welchem die Versendung zu erfolgen hat, der Leistungsort sein soll.

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.