Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil, 05. Okt. 2016 - 12 Sa 238/16

ECLI:ECLI:DE:LAGD:2016:1005.12SA238.16.00
bei uns veröffentlicht am05.10.2016

Tenor

1.Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 10.02.2016 - 3 Ca 1800/15 - abgeändert und die Klage abgewiesen.

2.Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

3.Die Revision wird zugelassen.


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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 14


(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt. (2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. (3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der All

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 6


(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc

Zivilprozessordnung - ZPO | § 520 Berufungsbegründung


(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 69 Urteil


(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Woch

Betriebsrentengesetz - BetrAVG | § 1 Zusage des Arbeitgebers auf betriebliche Altersversorgung


(1) Werden einem Arbeitnehmer Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber zugesagt (betriebliche Altersversorgung), gelten die Vorschriften dieses Gesetzes. Die Durchführ

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 3 Begriffsbestimmungen


(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 7 Benachteiligungsverbot


(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt. (2) Bestim

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 1 Ziel des Gesetzes


Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 10 Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters


Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein.

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 42 Vollrente und Teilrente


(1) Versicherte können eine Rente wegen Alters in voller Höhe (Vollrente) oder als Teilrente in Höhe von mindestens 10 Prozent der Vollrente in Anspruch nehmen. (2) (weggefallen) (3) Versicherte, die wegen der beabsichtigten Inanspruchnahme e

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Referenzen

(1) Versicherte können eine Rente wegen Alters in voller Höhe (Vollrente) oder als Teilrente in Höhe von mindestens 10 Prozent der Vollrente in Anspruch nehmen.

(2) (weggefallen)

(3) Versicherte, die wegen der beabsichtigten Inanspruchnahme einer Teilrente ihre Arbeitsleistung einschränken wollen, können von ihrem Arbeitgeber verlangen, dass er mit ihnen die Möglichkeiten einer solchen Einschränkung erörtert. Macht der Versicherte hierzu für seinen Arbeitsbereich Vorschläge, hat der Arbeitgeber zu diesen Vorschlägen Stellung zu nehmen.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 4. November 2009 - 6 Sa 18/09 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 17. Dezember 2008 - 4 Ca 1090 b/08 - als unzulässig verworfen wird.

Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von der Beklagten den Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags.

2

Die 1952 geborene Klägerin und die Beklagte verbindet ein Arbeitsverhältnis. Die Beklagte beschäftigt die Klägerin als Krankenschwester in einem Krankenhaus. Der kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme anwendbare Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeitarbeit vom 5. Mai 1998 in der Fassung des Änderungstarifvertrags Nr. 2 vom 30. Juni 2000 (TV ATZ) gewährt Beschäftigten unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch gegen den Arbeitgeber, mit ihnen einen Altersteilzeitarbeitsvertrag abzuschließen. Einen solchen Anspruch sieht auch der zwischen dem Kommunalen Arbeitgeberverband Schleswig-Holstein und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di geschlossene Tarifvertrag „Arbeitszeit für Schleswig-Holstein“ (TV-ArbZ SH) vor.

3

Mit Schreiben vom 17. März 2008, das der Beklagten am 26. März 2008 zuging, forderte die Klägerin die Beklagte erfolglos auf, mit ihr einen Altersteilzeitarbeitsvertrag für den Zeitraum vom 1. Oktober 2009 bis zum 30. September 2017 zu schließen.

4

Die Klägerin hat die Rechtsauffassung vertreten, die ablehnende Entscheidung der Beklagten diskriminiere sie wegen ihres Alters. Die Tarifvertragsparteien, die an den grundgesetzlichen Gleichheitssatz gebunden seien, hätten den ihnen von Verfassungs wegen zustehenden Regelungsspielraum überschritten. Es verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, den Beschäftigten der Stadt Kiel, nicht aber den Beschäftigten in den Krankenhäusern den Zugang zur Altersteilzeit unter den TV-ArbZ SH spezifizierten Bedingungen zu gewähren.

5

Die Klägerin hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, ihr Angebot zum Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags in Form des Teilzeitmodells in der Zeit vom 1. Oktober 2009 bis zum 30. September 2017 anzunehmen.

6

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Ansicht gewesen, sie sei berechtigt, Altersteilzeitanträge von Arbeitnehmern, die das 60. Lebensjahr nicht vollendet hätten, aus Kostengründen abzulehnen. Das ihr zustehende Ermessen habe sie fehlerfrei ausgeübt.

7

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision ist unbegründet, da bereits die Berufung unzulässig gewesen ist. Das Landesarbeitsgericht hätte die Berufung als unzulässig verwerfen müssen; denn die Berufungsbegründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen.

9

1. Die Zulässigkeit der Berufung ist Prozessvoraussetzung für das gesamte weitere Verfahren nach Einlegung der Berufung (BAG 27. Juli 2010 -  1 AZR 186/09  - Rn. 17, NZA 2010, 1446). Sie ist deshalb vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen (BAG 17. Januar 2007 - 7 AZR 20/06 - Rn. 10, BAGE 121, 18). Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Begründung iSd. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, hat das Revisionsgericht die Revision mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Berufung verworfen wird(vgl. BAG 15. August 2002 -  2 AZR 473/01  - zu 2 der Gründe, AP ZPO § 519 Nr. 55 = EzA ZPO § 519 Nr. 14). Dass das Berufungsgericht das Rechtsmittel für zulässig gehalten hat, ist hierbei ohne Bedeutung (vgl. BAG 9. Juli 2003 -  10 AZR 615/02  - zu 1 der Gründe, AP ArbGG 1979 § 64 Nr. 33 = EzA ArbGG 1979 § 64 Nr. 37).

10

2. Die Berufungsbegründungsschrift genügt nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO. Die Klägerin hat sich nicht in ausreichender Weise mit den Erwägungen des Arbeitsgerichts, auf die es seine klageabweisende Entscheidung gestützt hat, auseinandergesetzt.

11

a) Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG sind die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Begründung der Berufung auch im Urteilsverfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen anwendbar(BAG 10. Februar 2005 -  6 AZR 183/04  - zu 2 a der Gründe, EzA ArbGG 1979 § 64 Nr. 40). Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll (BAG 28. Mai 2009 -  2 AZR 223/08  - Rn. 14, AP ZPO § 520 Nr. 2). Die Regelung des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorbereitet wird(vgl. BAG 11. März 1998 - 2 AZR 497/97 - zu I der Gründe, BAGE 88, 171). Deshalb hat der Berufungsführer die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit welchem Grund er das angefochtene Urteil für unrichtig hält (vgl. BAG 6. März 2003 2 AZR 596/02  - zu II 1 a der Gründe, BAGE 105, 200). Dadurch soll bloß formelhaften Berufungsbegründungen entgegengewirkt und eine Beschränkung des Rechtsstoffs im Berufungsverfahren erreicht werden (BAG 15. August 2002 - 2 AZR 473/01 - zu 2 der Gründe, AP ZPO § 519 Nr. 55 = EzA ZPO § 519 Nr. 14). Die Berufungsbegründung muss deshalb auf den Streitfall zugeschnitten sein (BAG 8. Mai 2008 - 6 AZR 517/07 - Rn. 30, AP BGB § 620 Aufhebungsvertrag Nr. 40 = EzA ZPO 2002 § 520 Nr. 6). Eine schlüssige Begründung kann zwar nicht verlangt werden; doch muss sich die Berufungsbegründung mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will (BAG 10. Februar 2005 -  6 AZR 183/04  - zu 2 a der Gründe, aaO ; 16. Juni 2004 - 5 AZR 529/03 - zu II 2 b der Gründe, EzA ZPO 2002 § 520 Nr. 3; 15. August 2002 - 2 AZR 473/01 - zu 2 der Gründe, aaO). Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (BAG 25. April 2007 -  6 AZR 436/05  - Rn. 14, BAGE 122, 190).

12

b) An diesem Maßstab gemessen, hat die Klägerin die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts nicht ausreichend begründet. Das Arbeitsgericht hat in seinem Urteil mit § 2 Abs. 1 TV ATZ(Seite 6 des Urteils) und § 7 TV-ArbZ SH(Seite 8 des Urteils) zwei Anspruchsgrundlagen in Betracht gezogen und deren Voraussetzungen im Ergebnis verneint.

13

aa) Zu § 2 Abs. 1 TV ATZ hat das Arbeitsgericht im Einzelnen ausgeführt, die Beklagte habe das ihr von den Tarifvertragsparteien eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Die von der Beklagten angeführten wirtschaftlichen Gründe rechtfertigten die Ablehnung des von der Klägerin unter dem 17. März 2008 gestellten Antrags. Eine Diskriminierung der Beschäftigten, die das 60. Lebensjahr nicht vollendet hätten, liege nicht vor, da diese nicht benachteiligt würden. Die Tarifbestimmung begünstige ältere Arbeitnehmer, ohne jüngere zu benachteiligen. Ausweislich der Präambel des Tarifvertrags solle älteren Beschäftigten ein gleitender Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand ermöglicht und dadurch vorrangig Auszubildenden und Arbeitslosen Beschäftigungsmöglichkeiten eröffnet werden. Die Tarifvertragsparteien verfolgten mit den Regelungen des TV ATZ arbeitsmarktpolitische Ziele und beschränkten die Begünstigung deshalb auf Arbeitnehmer, für die der gesetzliche Ruhestand alsbald anstehe.

14

Die Berufungsbegründungsschrift der Klägerin enthält keine argumentative Auseinandersetzung mit diesen Erwägungen. Soweit die Klägerin auf Seite 1 der Berufungsbegründung ausführt, ihr Anspruch ergebe sich aus § 2 des Arbeitsvertrags, paraphrasiert sie im Folgenden die Tarifnorm des § 2 TV ATZ und rügt „die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes“. Zudem „beruft (sie) sich auch auf das AGG, das jede Diskriminierung aus Altersgründen verbietet“. Hierbei handelt es sich um eine formelhafte Wendung, auf die die Klägerin in ähnlicher Form bereits in der Klageschrift vom 31. Mai 2008 zurückgegriffen hat. Dort hat sie die Ansicht vertreten, in der Regelung liege eine „rechtswidrige Diskriminierung aus Altersgründen, die mit Europa-, Verfassungs- und Bundesrecht unvereinbar“ sei. Die Klägerin legt weder dar, aus welchem Grund sie den Gleichbehandlungsgrundsatz für verletzt erachtet, noch, aufgrund welcher Umstände sie sich auf welche Vorschriften des AGG zur Stützung der Rechtsbehauptung, ihr stehe ein Anspruch auf Abschluss des begehrten Altersteilzeitarbeitsvertrags zu, berufen will. Der pauschale Hinweis auf den Gleichbehandlungsgrundsatz und die Vorschriften des AGG ersetzt nicht die erforderliche Auseinandersetzung mit der die angefochtene Entscheidung tragenden Erwägung des Arbeitsgerichts, es liege keine Ungleichbehandlung zulasten der jüngeren, sondern eine - diskriminierungsrechtlich gerechtfertigte - Begünstigung älterer Arbeitnehmer vor. Auf das weitere Argument des Arbeitsgerichts, die unterschiedliche Behandlung beider Arbeitnehmergruppen sei aufgrund arbeitsmarktpolitischer Erwägungen der Tarifvertragsparteien gerechtfertigt, geht die Klägerin nicht ein.

15

bb) Auch hinsichtlich der zweiten von dem Arbeitsgericht in Betracht gezogenen Anspruchsgrundlage, der Regelung des § 7 TV-ArbZ SH, fehlt es an einer der Form des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO entsprechenden Berufungsbegründung. Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung darauf gestützt, es sei Sache der Tarifvertragsparteien, die Gruppe derer zu bestimmen, auf die das zur Verfügung stehende arbeitsmarktpolitische Instrumentarium angewendet werde. Eine Diskriminierung sei nicht ersichtlich, da im Bereich der Krankenpflege keine erhebliche Arbeitslosigkeit bestehe. Angesichts dessen habe kein Bedarf zur Förderung von Arbeitslosen und Jugendlichen bestanden.

16

Dieser Urteilsbegründung setzt die Klägerin auf Seite 2 der Berufungsbegründung den pauschalen Hinweis entgegen, die Tarifvertragsparteien hätten ihre Regelungsbefugnis überschritten. Damit wird die Klägerin ihrer Begründungsobliegenheit nicht gerecht. Ihre ohne nähere Erläuterung aufgestellte Behauptung, „Rechtfertigungsgründe für die Ungleichbehandlung sind nicht ersichtlich“ (Seite 3 der Berufungsbegründung), ist nicht auf die Erwägungen, die das erstinstanzliche Gericht zur Klageabweisung bewogen haben, zugeschnitten. Das Arbeitsgericht hat auf die mit der Einführung von Altersteilzeit verfolgten arbeitsmarktpolitischen Zwecke abgestellt und ist davon ausgegangen, es bestehe angesichts der Arbeitsmarktlage kein Bedürfnis, Mitarbeitern in Krankenhäusern den Zugang zur Altersteilzeit zu eröffnen. Mit diesen sowohl rechtlichen als auch tatsächlichen Argumenten des Arbeitsgerichts befasst sich die Klägerin nicht. Sie erhebt weder Verfahrensrügen, noch stellt sie die rechtlichen Folgerungen des Arbeitsgerichts infrage. Wenn sie auf Seite 3 der Berufungsbegründung ohne nähere Erklärung auf eine Gleichstellung von Altenpflegern und Krankenpflegern im Krankenpflegegesetz verweist, steht dies mit den maßgebenden Tarifbestimmungen in keinem erkennbaren Zusammenhang.

17

C. Die Klägerin hat als Revisionsführerin die Kosten der ohne Erfolg eingelegten Revision zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Düwell    

        

    Krasshöfer    

        

    Suckow    

        

        

        

    Faltyn    

        

    Kranzusch    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 31. März 2009 - 14 Sa 1783/08 - aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 29. Oktober 2008 - 1 Ca 1098/08 - wird als unzulässig verworfen.

2. Der Kläger hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten für die Zeit ab 1. Januar 2007 über die zutreffende Eingruppierung der Tätigkeit des Klägers nach dem Entgeltrahmenabkommen in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens vom 18. Dezember 2003 (ERA).

2

Der Kläger ist langjährig bei der Beklagten als Werkstoffprüfer im mechanischen Labor eingesetzt, wo insgesamt vier Werkstoffprüfer mit der Arbeitsaufgabe Qualitätsprüfung-Metallografie unter einem Laborleiter im Zweischichtbetrieb tätig sind.

3

Die Beklagte bildet ua. Verfahrensmechaniker (Umformtechnik), Drahtzieher und Industriekaufleute aus, Werkstoffprüfer hingegen seit Jahren nicht mehr. Die Auszubildenden zu Industriekaufleuten und zu Verfahrensmechanikern werden jeweils vier Wochen im mechanischen Labor eingesetzt, wobei sie nicht jeden Tag anwesend sind. Bei Auszubildenden zu Verfahrensmechanikern ist eine vierwöchige Ausbildung im mechanischen Labor Bestandteil des Ausbildungsplans und die Inhalte sind prüfungsrelevant. Sie werden in Einzelfällen nach dieser Ausbildung im mechanischen Labor zur Urlaubs- oder Krankheitsvertretung eingesetzt. Außerdem werden für zwei bis drei Wochen pro Jahr zwei bis drei Schülerpraktikanten betreut. Grundsätzlich wird jeweils nur ein Auszubildender oder Praktikant dem mechanischen Labor zugewiesen, wobei es gelegentlich zu Überschneidungen kommt.

4

Im Hinblick auf die zum 1. Januar 2007 beabsichtigte Einführung des ERA schloss die Beklagte mit dem bei ihr eingerichteten Betriebsrat am 28. April 2005 eine freiwillige Betriebsvereinbarung zur betrieblichen Einführung von ERA gemäß § 2 Nr. 4 ERA-Einführungstarifvertrag in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens (ERA-ETV).In Nr. 9 dieser Betriebsvereinbarung vereinbarten die Betriebsparteien die Anwendung des besonderen Eingruppierungs- und Reklamationsverfahrens gem. § 7 ERA-ETV, § 4 Nr. 3 ERA und richteten im Rahmen dieses Verfahrens eine Paritätische Kommission ein.

5

Dem Kläger wurde von der Beklagten im November 2006 eine Aufgabenbeschreibung sowie die Eingruppierung mit Wirkung zum 1. Januar 2007 nach der Entgeltgruppe 11 ERA mitgeteilt. Dagegen wandte er sich mit einem Widerspruch, der auf das Anforderungsmerkmal „Kooperation“ gestützt war und der von der Paritätischen Kommission am 23. Januar 2007 abgelehnt wurde. Dies teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 25. Januar 2007 mit, in dem sie gleichzeitig ankündigte, die Aufgabenbeschreibung hinsichtlich der zuvor nicht darin erwähnten Obliegenheit der Betreuung von Auszubildenden zu ergänzen.

6

Die im Juni 2007 insoweit ergänzte Aufgabenbeschreibung des Klägers bewertet die einzelnen Anforderungsmerkmale des ERA; die Mitarbeiterführung ordnet sie der Stufe 1 zu, vergibt also insoweit 0 Punkte und kommt zu einem Gesamtwert von 110 Punkten, der eine Einstufung in Entgeltgruppe 11 zur Folge hat.

7

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 12 ERA zu. Seine Tätigkeit sei wegen ihrer Prägung durch regelmäßige Betreuung von Auszubildenden und Praktikanten bezüglich des Anforderungsmerkmales „Mitarbeiterführung“ nach der Stufe 2 zu bewerten, so dass ihm weitere fünf Punkte zuzuerkennen seien und er einen für eine Einstufung in Entgeltgruppe 12 ausreichenden Gesamtwert von 115 Punkten erreiche.

8

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass er mit Wirkung zum 1. Januar 2007 in die Entgeltgruppe 12 des Entgeltrahmenabkommens (ERA) der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen einzugruppieren ist.

9

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, dass die Bewertung des Anforderungsprofils „Mitarbeiterführung“ zutreffend sei. Das Tätigkeitsbild der Arbeitsaufgabe „Werkstoffprüfung“ beinhalte nicht die fachliche Anweisung, Anleitung und Unterstützung anderer Beschäftigter. Die zeitweise Betreuung der Auszubildenden während des vorübergehenden Einsatzes im mechanischen Labor präge die Tätigkeit des Klägers nicht.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist begründet. Die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts war mangels einer den Anforderungen von § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, § 64 Abs. 6 ArbGG entsprechenden Berufungsbegründung unzulässig. Sie wäre deshalb vom Landesarbeitsgericht zu verwerfen gewesen.

12

I. Die Zulässigkeit der Berufung ist Prozessfortsetzungsvoraussetzung für das gesamte weitere Verfahren nach Einlegung der Berufung (BAG 27. Juli 2010 - 1 AZR 186/09 - Rn. 17, NZA 2010, 1446). Sie ist deshalb vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen (st. Rspr., vgl. zB BAG 27. Juli 2010 - 1 AZR 186/09 - aaO; 17. Januar 2007 - 7 AZR 20/06 - Rn. 10, BAGE 121, 18 mzN). Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Begründung iSd. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, hat das Revisionsgericht eine Sachentscheidung des Berufungsgerichts aufzuheben und die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass sie verworfen wird(im Ergebnis ebenso BAG 15. August 2002 - 2 AZR 473/01 - AP ZPO § 519 Nr. 55 = EzA ZPO § 519 Nr. 14). Dass das Berufungsgericht das Rechtsmittel für zulässig gehalten hat, ist hierbei ohne Bedeutung (vgl. BAG 15. März 2011 - 9 AZR 813/09 - Rn. 9; 9. Juli 2003 - 10 AZR 615/02 - Rn. 5 mwN, AP ArbGG 1979 § 64 Nr. 33 = EzA ArbGG 1979 § 64 Nr. 37; 29. November 2001 - 4 AZR 729/00 - EzA ZPO § 519 Nr. 13).

13

II. Mit der Berufungsbegründungsschrift ist die erstinstanzliche Entscheidung nicht ausreichend iSv. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, § 64 Abs. 6 ArbGG angegriffen worden. Es fehlt an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen des arbeitsgerichtlichen Urteils.

14

1. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Die zivilprozessuale Regelung soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorbereitet wird. Deshalb hat der Berufungsführer die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit welchem Grund er das angefochtene Urteil für unrichtig hält (st. Rspr., vgl. ua. BAG 15. März 2011 - 9 AZR 813/09 - Rn. 11; 28. Mai 2009 - 2 AZR 223/08 - Rn. 14, AP ZPO § 520 Nr. 2; 6. März 2003 - 2 AZR 596/02 - BAGE 105, 200). Dabei dürfen im Hinblick auf die aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Rechtsschutzgarantie zwar keine unzumutbaren Anforderungen an den Inhalt von Berufungsbegründungen gestellt werden (BAG 28. Mai 2009 - 2 AZR 223/08 - aaO). Die Berufungsbegründung muss aber auf den Streitfall zugeschnitten sein und im Einzelnen erkennen lassen, in welchen Punkten rechtlicher oder tatsächlicher Art und aus welchen Gründen das angefochtene Urteil fehlerhaft sein soll (BAG 17. Januar 2007 - 7 AZR 20/06 - Rn. 11 mwN, BAGE 121, 18; 25. April 2007 - 6 AZR 436/05 - Rn. 14 mwN, BAGE 122, 190). Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (BAG 15. März 2011 - 9 AZR 813/09 - aaO; 25. April 2007 - 6 AZR 436/05 - Rn 14 mwN, aaO).

15

2. Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung des Klägers vom 12. Dezember 2008 nicht.

16

a) Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Klage sei unbegründet, weil sich die Paritätische Kommission bereits nach dem eigenen Vortrag des Klägers bei der Überprüfung der Eingruppierung mit dem Anforderungsmerkmal „Mitarbeiterführung“ nicht beschäftigt habe. Mit § 7 ERA-ETV hätten die Tarifvertragsparteien festgelegt, dass die Feststellung der Eingruppierung einem besonderen Verfahren unterworfen sei, das nur eine beschränkte Überprüfung des gefundenen Ergebnisses vorsehe. Aus § 7 Abs. 1 und Abs. 4 ERA-ETV ergebe sich, dass die Entscheidung der Paritätischen Kommission gerichtlich nur auf Verfahrensfehler und die grobe Verkennung der tariflichen Bewertungsgrundsätze überprüft werden könne. Beides mache der Kläger jedoch nicht geltend. Da sich die Paritätische Kommission nach seinem eigenen Vorbringen nicht mit dem Merkmal Mitarbeiterführung befasst habe, könne ihr insoweit auch kein Fehler unterlaufen sein. Das Unterlassen der Überprüfung des Merkmales Mitarbeiterführung sei der Paritätischen Kommission nicht vorzuwerfen, da sich der Kläger gegenüber seiner tariflichen Ersteinstufung ausdrücklich nur auf das Merkmal „Kooperation“ bezogen habe. Deshalb habe das Gericht nicht zu prüfen, ob der Kläger im Rahmen seiner Arbeitsaufgabe regelmäßig oder nur gelegentlich während eines Betriebsdurchlaufes Auszubildende und Praktikanten betreue.

17

b) Die Berufungsbegründungsschrift des Klägers enthält keinerlei Bezug zu und nicht ansatzweise eine Auseinandersetzung mit diesen Entscheidungsgründen des Arbeitsgerichts. Entgegen den Anforderungen des § 520 ZPO ist nichts dazu vorgetragen, in welchen Punkten rechtlicher und tatsächlicher Art und aus welchen Gründen das angefochtene Urteil fehlerhaft sein soll.

18

Das Urteil des Arbeitsgerichts wird in der Berufungsbegründung weder ausdrücklich noch implizit erwähnt. Es findet keinerlei argumentative Auseinandersetzung mit der Auffassung des Arbeitsgerichts statt, dass die Klage bereits unbegründet sei, weil sich die Paritätische Kommission bei der Überprüfung der Eingruppierung mit dem Anforderungsmerkmal „Mitarbeiterführung“ nicht beschäftigt habe. Auch die Ansicht des Arbeitsgerichts, dass die Entscheidung der Paritätischen Kommission gerichtlich nur auf Verfahrensfehler und die grobe Verkennung der tariflichen Bewertungsgrundsätze überprüft werden könne, findet weder Erwähnung noch erfolgt irgendeine Auseinandersetzung mit diesem rechtlichen Ansatz.

19

Stattdessen enthält die Berufungsbegründungsschrift ausschließlich Vortrag von bereits erstinstanzlich vorgetragenen Tatsachen, teils wiederholend, teils vertiefend. Nachdem referiert worden ist, dass das ERA auf das Arbeitsverhältnis anwendbar ist, welche Bewertung der Tätigkeit des Klägers mit welchem Ergebnis erfolgt ist und woran es dabei aus Sicht des Klägers mangelt, wird auch der Ablauf des Verfahrens vor der Paritätischen Kommission geschildert. Die Ausführungen hierzu bleiben jedoch ausschließlich im Tatsächlichen. Es fehlt an jeder rechtlichen Argumentation, die sich mit den Ausführungen im angefochtenen Urteil auseinandersetzt.

20

Soweit der Kläger sich dahingehend äußert, die Paritätische Kommission habe seine Beanstandung im Hinblick auf die nicht zutreffend vorgenommene Bewertung im Rahmen des Merkmales „Mitarbeiterführung“ nicht abgearbeitet, zeigt er keinen Verfahrensfehler auf. Dieses Vorbringen kann zwar anfänglich dahingehend verstanden werden, der Kläger wolle vortragen, dass die Kommission sich mit dem von ihm vorgebrachten Merkmal der „Mitarbeiterführung“ nicht beschäftigt habe. Darin könnte - obwohl vom Kläger nicht ausdrücklich erwähnt - auf den ersten Blick der Vorwurf eines Verfahrensfehlers liegen. Allerdings ergibt sich aus seinen weiteren Ausführungen etwas anderes. So weist der Kläger ausdrücklich darauf hin, dass der Paritätischen Kommission der Themenbereich „Mitarbeiterführung“ bekannt gewesen, „eine Bewertung, insbesondere im Sinne des Klägers, allerdings nicht“ erfolgt sei. Auch sei der Betriebsratsvorsitzenden von der Kommission erklärt worden, dass die Werkstoffprüfer selbstverständlich zur Ausbildung verpflichtet seien, die Aufgabenbeschreibung entsprechend abgeändert werde, eine Bewertung insofern allerdings nicht erfolge. Damit bringt der Kläger zum Ausdruck, dass er die aus seiner Sicht fehlerhafte Bewertung des Merkmales Mitarbeiterführung durch die Paritätische Kommission beanstandet, nicht aber einen Verfahrensfehler durch Nichtberücksichtigung seines Vorbringens rügt.

21

Auch die weiteren Ausführungen in der Berufungsbegründung, insbesondere zu den gleichzeitigen Anwesenheitszeiten von Mitarbeitern des mechanischen Labors und Auszubildenden und Praktikanten in den Jahren 2007 und 2008 und zur Beschreibung der Ausbildungsinhalte im mechanischen Labor, stellen keine argumentative Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Arbeitsgerichts dar.

22

III. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Berufung und Revision nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

        

    Bepler    

        

    Treber    

        

    Winter    

        

        

        

    Pieper     

        

    Plautz    

                 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 12. Januar 2010 - 17 Sa 848/09 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revision noch über die zutreffende Eingruppierung des Klägers.

2

Der Kläger ist seit dem 1. August 1983 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin, dem Kreisverband der Arbeiterwohlfahrt M e.V. als Diplom-Sozialpädagoge beschäftigt. In dem am 14. Juni 1983 geschlossen Arbeitsvertrag heißt es ua.:

        

„Im übrigen gelten ergänzend die Vorschriften des jeweils geltenden Bundesmanteltarifvertrages der Arbeiterwohlfahrt.“

3

Der Kläger ist in der Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche tätig. Die Beklagte vergütet ihn nach der VergGr. IVb Teil I Abschnitt B Unterabschn. 1 Sozial- und Erziehungsdienst des Tarifvertrages über die Tätigkeitsmerkmale zum Bundesmanteltarifvertrag (BMT-AW II) für die Arbeitnehmer der Arbeiterwohlfahrt (TV-TM). Mit Schreiben vom 9. Oktober 2008 machte der Kläger eine Höhergruppierung nach der VergGr. IVa TV-TM erfolglos geltend.

4

Mit seiner Klage verlangt der Kläger in der Sache und soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung die Feststellung, dass er nach der VergGr. III TV-TM, hilfsweise nach der VergGr. IVa TV-TM zu vergüten sei. Er müsse die Arbeit von verschiedenen Stellen koordinieren, ua. die Einbeziehung des Jugendamtes, der Justizbehörden, weiterer Hilfeträger, Schulen, Kindergärten, Ärzten und Psychologen. Weiterhin bereite er Beratungen, Therapien und Hilfeplanungen vor und führe sie durch, „insbesondere die Diagnostik, Beratung, pädagogische und therapeutische Behandlungsangebote bei individuellen und familiären Problemen von Kindern und Jugendlichen sowie bei jungen Volljährigen …, insbesondere bei Erziehungsproblemen, Entwicklungsauffälligkeiten, psychosomatischen Problemen, Verhaltensauffälligkeiten, Vernachlässigung, Gewalt und Misshandlungen, sexuellen Missbrauch, Schwierigkeiten bei der Verselbstständigung, Beziehungsproblemen zwischen Eltern und Kindern“. Es handele sich dabei um ein „besonders schwieriges Klientel“.

5

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger ab April 2008 in die Vergütungsgruppe III des BMT-AW II, hilfsweise in Vergütungsgruppe IVa BMT-AW II einzugruppieren.

6

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Weder habe der Kläger eine Spezialausbildung abgeschlossen, noch sei es Inhalt seiner Tätigkeit, mindestens 20 Sozialarbeiter, Sozialpädagogen und Jugendleiter zu koordinieren. Die Beratung von Klienten mit zugespitzten Problemlagen und Krisensituationen sei seine originäre Aufgabe als Sozialpädagoge. Aus dem Vorbringen ergebe sich weder, welche Tätigkeit er im Einzelnen ausübe, noch weshalb sie sich durch besondere Bedeutung und Schwierigkeit heraushebe.

7

Das Arbeitsgericht hat - soweit für die Revision von Bedeutung - die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts war mangels einer den Anforderungen von § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, § 64 Abs. 6 ArbGG entsprechenden Berufungsbegründung unzulässig. Sie wäre deshalb vom Landesarbeitsgericht zu verwerfen gewesen.

9

I. Die Zulässigkeit der Berufung ist Prozessfortsetzungsvoraussetzung für das gesamte weitere Verfahren nach Einlegung der Berufung (BAG 27. Juli 2010 - 1 AZR 186/09 - Rn. 17, NZA 2010, 1446). Sie ist deshalb vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen (st. Rspr., vgl. zB BAG 27. Juli 2010 - 1 AZR 186/09 - aaO; 17. Januar 2007 - 7 AZR 20/06 - Rn. 10 mwN, BAGE 121, 18). Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Begründung iSd. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, hat das Revisionsgericht eine Sachentscheidung des Berufungsgerichts aufzuheben und die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass sie verworfen wird. Dass das Berufungsgericht das Rechtsmittel für zulässig gehalten hat, ist hierbei ohne Bedeutung (BAG 18. Mai 2011 - 4 AZR 552/09 - Rn. 12 mwN, AP ArbGG 1979 § 64 Nr. 45; 29. November 2001 - 4 AZR 729/00 - zu I 1 der Gründe, EzA ZPO § 519 Nr. 13).

10

II. Mit der Berufungsbegründungsschrift ist die erstinstanzliche Entscheidung nicht ausreichend iSv. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, § 64 Abs. 6 ArbGG angegriffen worden. Es fehlt an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen des arbeitsgerichtlichen Urteils.

11

1. Eine Berufungsbegründung genügt den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis Nr. 4 ZPO nur dann, wenn sie erkennen lässt, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist und auf welchen Gründen diese Ansicht im Einzelnen beruht. Gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Die Berufungsbegründung muss deshalb auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (st. Rspr., s. nur BAG 18. Mai 2011 - 4 AZR 552/09 - Rn. 14 mwN, AP ArbGG 1979 § 64 Nr. 45).

12

2. Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung des Klägers gegen das wohl begründete Urteil des Arbeitsgerichts nicht.

13

a) Das Arbeitsgericht hat ausgeführt, der Kläger habe nicht substantiiert dargetan, dass er die Tätigkeitsbeispiele der beantragten Vergütungsgruppe nach deren Protokollnotiz Nr. 13 TV-TM erfülle. Er habe weder in nachprüfbarer Weise vorgetragen, dass für die Tätigkeit eine zusätzlich abgeschlossene Spezialausbildung benötigt werde oder er mindestens 20 Sozialarbeiter, Sozialpädagogen oder Jugendleiter zu koordinieren habe. Weiterhin lasse sein Vortrag nicht erkennen, inwiefern sich seine Tätigkeit beträchtlich und gewichtig aus den schwierigen Tätigkeiten iSd. VergGr. IVb TV-TM heraushebe, weshalb der nach der Rechtsprechung erforderliche wertende Vergleich nicht möglich sei. Der Umstand allein, dass der Kläger mit unterschiedlichen Problemgruppen umzugehen habe, lasse seine Tätigkeit zwar als schwierig iSd. des Tätigkeitsmerkmales der VergGr. IVb TV-TM erscheinen, nicht aber als besonders schwierig, wie es das Tätigkeitsmerkmal der VergGr. IVa TV-TM voraussetze. Ob und inwiefern für welche konkrete Tätigkeit eine deutlich wahrnehmbare Heraushebung aus den schwierigen Tätigkeiten vorliegt, könne anhand des Vorbringens des Klägers nicht festgestellt werden. Er habe weder vorgetragen noch erläutert, ob und inwiefern sich die Bedeutung oder die Größe seines Aufgabengebietes sowie die Tragweite für den innerdienstlichen Bereich oder für die Allgemeinheit deutlich aus den schwierigen Tätigkeiten eines Sozialpädagogen herausheben. Nach seinem Vorbringen sei auch nicht erkennbar, dass seine Tätigkeit bedeutungsvoller sei als die anderer Diplom-Sozialpädagogen.

14

b) Der Kläger wendet in seiner Berufungsbegründung lediglich pauschal ein, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts habe er in seinen erstinstanzlichen Schriftsätzen „ersichtlich umfassend vorgetragen“. Der Berufungsbegründung ist eine argumentative Auseinandersetzung mit den Erwägungen des Arbeitsgerichts nicht zu entnehmen. Stattdessen enthält sie fast ausschließlich Vortrag von bereits erstinstanzlich vorgebrachten Tatsachen. Soweit der Kläger hinsichtlich seiner Beratungs- und Betreuungstätigkeit „vertiefend vorträgt“, handelt es sich um eine, zum Teil stichwortartige, mit Unterpunkten versehene Wiederholung seiner erstinstanzlichen Darstellung, in welchen Problembereichen er tätig wird. Gleiches trifft auf die angeführten Planungsaufgaben zu.

15

Bei diesem Vortrag handelt es sich auch ebenso wenig wie bei dem pauschalen Hinweis auf eine in der Anlage beigefügte elfseitige Broschüre „Erziehungsberatung - Stellungnahme der Arbeiterwohlfahrt“ des Bundesverbandes der AWO um neue Tatsachen, die eine Zulässigkeit der Berufung nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 ZPO begründen könnten(dazu BAG 23. Februar 2011 - 4 AZR 313/09 - Rn. 15 mwN, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 62). Nach dem klägerischen Vortrag bleibt schon gänzlich offen, welche neuen Angriffsmittel sich aus dem Inhalt der Broschüre ergeben sollen.

16

III. Der Kläger hat die Kosten der erfolglosen Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

        

    Bepler    

        

    Winter    

        

    Treber    

        

        

        

    Plautz    

        

    Weßelkock    

                 

(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.

(2) Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, sind unwirksam.

(3) Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten.

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.

(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(4) Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(5) Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus einem in § 1 genannten Grund gilt als Benachteiligung. Eine solche Anweisung liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu einem Verhalten bestimmt, das einen Beschäftigten oder eine Beschäftigte wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt oder benachteiligen kann.

Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein. Derartige unterschiedliche Behandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:

1.
die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlohnung und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Beschäftigten und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen,
2.
die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile,
3.
die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung auf Grund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder auf Grund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand,
4.
die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen,
5.
eine Vereinbarung, die die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der oder die Beschäftigte eine Rente wegen Alters beantragen kann; § 41 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch bleibt unberührt,
6.
Differenzierungen von Leistungen in Sozialplänen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes, wenn die Parteien eine nach Alter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung geschaffen haben, in der die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigt worden sind, oder Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplans ausgeschlossen haben, die wirtschaftlich abgesichert sind, weil sie, gegebenenfalls nach Bezug von Arbeitslosengeld, rentenberechtigt sind.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.

(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(4) Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(5) Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus einem in § 1 genannten Grund gilt als Benachteiligung. Eine solche Anweisung liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu einem Verhalten bestimmt, das einen Beschäftigten oder eine Beschäftigte wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt oder benachteiligen kann.

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 28. Januar 2014 - 2 Sa 50/13 - aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch darüber, ob die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, an den Kläger eine Entschädigung wegen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot des AGG zu zahlen.

2

Der 1953 geborene Kläger ist promoviert und als Einzelanwalt in R schwerpunktmäßig in den Bereichen Arbeitsrecht, Arztrecht, Arzthaftungsrecht, Medizinrecht, Erbrecht, Familienrecht, Forderungsbeitreibung, Mietrecht, Strafrecht und Zivilrecht tätig. In den Jahren 1979 und 1983 absolvierte er die beiden juristischen Staatsprüfungen in Baden-Württemberg und erzielte dabei jeweils die Note befriedigend (7 Punkte).

3

Die Beklagte zu 1. ist eine im Jahr 2009 gegründete Partnerschaft von Rechtsanwälten in H, die Beklagten zu 2. bis 4. sind die hierin verbundenen Partner. Die Kanzlei ist auf das öffentliche Wirtschaftsrecht, das Bau- und Immobilienrecht, PPP-Projekte sowie das Vergaberecht spezialisiert. Alle bei den Beklagten angestellten Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen haben die beiden juristischen Staatsexamina mit Abschlussnoten von jeweils mindestens 9 Punkten (vollbefriedigend) bestanden.

4

Im November 2012 veröffentlichte die Beklagte zu 1. in der Neuen Juristischen Wochenschrift (im Folgenden NJW) eine Stellenanzeige, die auszugsweise den folgenden Inhalt hat:

        

„…      

        

Zur Verstärkung unseres Teams suchen wir einen Rechtsanwalt (m/w) mit 0 - 2 Jahren Berufserfahrung für die Bereiche

        

•       

Immobilienwirtschaftsrecht, Baurecht, Projektentwicklungen

        

•       

Öffentliches Wirtschaftsrecht, Vergaberecht, PPP

        

Wir bieten Ihnen erstklassige Arbeitsbedingungen in einem professionellen Umfeld und eine langfristige Perspektive in einem jungen und dynamischen Team. Sie werden in einem fundierten und praxisorientierten Aus-/Weiterbildungsprogramm weiter qualifiziert und spezialisiert. In die Bearbeitung bedeutender Mandate werden Sie von Anfang an verantwortlich einbezogen.

        

Wir erwarten von Ihnen Persönlichkeit, Teamgeist, Interesse an wirtschaftlichen Zusammenhängen und eine erstklassige juristische Qualifikation. Bewerber(innen) mit Berufserfahrung haben idealerweise in einer wirtschaftsberatenden Sozietät in einem der Bereiche Öffentliches Recht oder Immobilienwirtschaftsrecht gearbeitet.

        

…“    

5

Der Kläger bewarb sich mit Schreiben vom 9. November 2012 bei der Beklagten zu 1. auf die ausgeschriebene Stelle. In seinem Anschreiben, dem weitere Bewerbungsunterlagen beigefügt waren, heißt es:

        

„…      

        

ich bewerbe mich auf Ihre Stellenanzeige. Ich bin seit 1988 hier in R als Rechtsanwalt tätig, jedoch örtlich ungebunden. Ich habe, wie aus den beigefügten Bewerbungsunterlagen ersichtlich, zwei Prädikatsexamen und bin darüber hinaus promoviert. Das Wirtschaftsrecht und Immobilienwirtschaftsrecht kenne ich umfänglich aus meiner langjährigen beruflichen Tätigkeit als Rechtsanwalt.

        

Sehr gute Englischkenntnisse sind selbstverständlich.

        

Ich freue mich, demnächst von Ihnen zu hören und bleibe

        

mit freundlichen kollegialen Grüßen

        

…“    

6

Mit Schreiben vom 19. November 2012 teilte die Beklagte zu 1. dem Kläger mit:

        

„…,     

        

vielen Dank für Ihre Bewerbung und das damit verbundene Interesse an einer Beschäftigung in unserer Kanzlei. Ihre Bewerbung zeigt viele gute Qualifikationen.

        

Auf unsere Anzeige haben wir eine Vielzahl von Bewerbungen erhalten. Leider können wir Ihre Bewerbung derzeit nicht berücksichtigen. Ihre Bewerbungsunterlagen übersenden wir Ihnen daher anliegend mit herzlichem Dank zurück.

        

Für Ihre Zukunft und die weitere Suche nach einer beruflichen Herausforderung wünschen wir Ihnen viel Erfolg.

        

…“    

7

Der Kläger machte daraufhin mit einem an die Beklagte zu 1. gerichteten Schreiben vom 26. November 2012 Ansprüche auf Entschädigung und Schadensersatz geltend. In diesem Schreiben heißt es:

        

„…,    

        

ich hatte mich mit Schreiben vom 9. November 2012 unter Beifügung von Bewerbungsunterlagen auf die von Ihnen in der NJW 2012 ausgeschriebene Stelle als Rechtsanwalt beworben. Mit Schreiben vom 19. November 2012 haben Sie die Bewerbungsunterlagen an mich zurückgesendet und mitgeteilt, daß Sie meine Bewerbung derzeit nicht berücksichtigen können.

        

Die Behandlung meiner Bewerbung erfolgte ganz offensichtlich unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 AGG. Nach § 7 Abs. 1 AGG dürfen Arbeitgeber Beschäftigte nicht wegen ihres Alters oder wegen eines anderen in § 1 genannten Grundes benachteiligen. Das gilt auch für Stellenbewerber (§ 6 Abs. 1 Satz 2 AGG). Daß Sie gegen diese Vorschrift verstoßen haben, belegt bereits ein Blick in die Stellenanzeige, wo ganz offen gesagt wird, man suche einen Rechtsanwalt (m/w) mit ‚0-2 Jahren Berufserfahrung‘ mithin jüngeren Alters.

        

Sie schulden demnach eine Entschädigung und Schadensersatz nach § 15 AGG. Mangels genauer Kenntnis der näheren Umstände und der von Ihnen gezahlten Gehälter etc. können diese Forderungen derzeit nur geschätzt werden. Insoweit fordere ich eine angemessene Entschädigung in Höhe von 10.000,00 EUR und Schadensersatz in Höhe von 50.000,00 EUR. Hinzu kommen meine unten berechneten Rechtsanwaltsgebühren, so daß bis spätestens

        

Montag, den 10. Dezember 2012

        

insgesamt (10.000,00 EUR+50.000,00 EUR

        

+1.761,08 EUR)

        

61.761,08 EUR

        

auf mein Konto bei der S zu zahlen sind andernfalls ich ohne Weiteres Klage erheben werde.

        

Sollte der oben genannte Betrag pünktlich gezahlt werden, werde ich keine weiteren Forderungen mehr geltend machen, was hiermit ausdrücklich versichert wird.

        

Für den Fall der Fristversäumung fordere ich Sie bereits jetzt auf, Auskunft über die eingestellten Bewerber und deren Qualifikation sowie deren Bezahlung zu erteilen.

        

…“    

8

Mit Schreiben vom 6. Dezember 2012 wies die Beklagte zu 1. die Ansprüche des Klägers zurück. Die ausgeschriebene Stelle wurde letztlich nicht besetzt, weil sich das auf dieser Stelle zu bearbeitende Projekt verschob.

9

Mit seiner am 13. Dezember 2012 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger zunächst Auskunft über die Jahresvergütung der in der NJW ausgeschriebenen Stelle sowie Entschädigung und Schadensersatz in Höhe der erteilten Auskunft nebst Zinsen begehrt. Seit der Berufungsinstanz verfolgt der Kläger ausschließlich den Antrag auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG weiter. Die auf der ausgeschriebenen Stelle erzielbare Jahresvergütung hat er mit 60.000,00 Euro beziffert.

10

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Ablehnung seiner Bewerbung beruhe auf einer Benachteiligung wegen seines Alters. Mit der Stellenanzeige in der NJW hätten die Beklagten ausdrücklich eine Berufserfahrung von nur „0 - 2 Jahren“ erwartet und die Mitarbeit in einem „jungen und dynamischen Team“ angekündigt. Dieser Umstand begründe die Vermutung, dass er wegen seines Alters benachteiligt worden sei. Die Beklagten hätten weder dargelegt noch bewiesen, dass eine nach dem AGG unzulässige Benachteiligung nicht vorliege. Er sei auch objektiv für die ausgeschriebene Stelle geeignet, die er bei diskriminierungsfreier Auswahl hätte erhalten müssen. Seine juristische Qualifikation sei als erstklassig iSd. Stellenanzeige anzusehen. Vor dem Hintergrund seiner Promotion und seiner Berufserfahrung von 30 Berufsjahren komme es nicht in erster Linie auf die von ihm erzielten Examensnoten an, mit denen er sich im Übrigen sogar im oberen Fünftel (1. Staatsexamen) bzw. im oberen Drittel (2. Staatsexamen) aller Absolventen befunden habe. Seinem Entschädigungsanspruch stehe auch nicht der durchgreifende Rechtsmissbrauchseinwand entgegen. Eine Vielzahl erhobener Entschädigungsklagen reiche nicht aus, um den Einwand des Rechtsmissbrauchs zu begründen. Er habe auch zu keinem Zeitpunkt geäußert, dass er sich nur beworben habe, um einen Entschädigungsanspruch geltend machen zu können. In dem Telefonat mit dem Beklagten zu 3. am 27. November 2012 habe er lediglich gesagt, dass es, nachdem seine Bewerbung abgelehnt worden sei, nicht um eine Heilung des Verstoßes gegen das AGG gehen könne.

11

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihm eine in das Ermessen des Gerichts gestellte Entschädigung nebst Zinsen hieraus iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

12

Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt. Sie haben die Auffassung vertreten, der Kläger sei schon kein Bewerber iSd. AGG, da er sich nicht ernsthaft auf die ausgeschriebene Stelle beworben habe. Die mangelnde Ernsthaftigkeit seiner Bewerbung ergebe sich ua. aus einem Bericht in der Zeitschrift J, wonach der Kläger sich in zahlreichen Fällen auf ihm diskriminierend erscheinende Stellenanzeigen beworben und anschließend Entschädigung und Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG eingeklagt habe. Auch habe er im Rahmen eines Telefongesprächs am 27. November 2012 mit dem Beklagten zu 3. geäußert, er habe kein Interesse an einer Mitarbeit in der Kanzlei der Beklagten zu 1., sondern wolle lediglich eine Zahlung. Zudem wirke sich aus, dass der Kläger die ausgeschriebene Stelle auch überhaupt nicht habe antreten können, weil er als Einzelanwalt ein laufendes Dezernat mit laufenden Mandatsverhältnissen nicht kurzfristig habe aufgeben können. Jedenfalls sei die Bewerbung des Klägers rechtsmissbräuchlich erfolgt. Der Kläger sei für die ausgeschriebene Stelle auch objektiv nicht geeignet gewesen. Seine Examensergebnisse belegten nicht die in der Stellenausschreibung geforderte „erstklassige juristische Qualifikation“. Im Übrigen sei die von der Beklagten zu 1. in der NJW veröffentlichte Stellenausschreibung auch nicht diskriminierend. Sie beziehe sich nicht auf das Alter potentieller Bewerber. „0 - 2 Jahre Berufserfahrung“ könnten auch ältere Berufswechsler aufweisen; die Formulierung „in einem jungen und dynamischen Team“ sei ausschließlich im Zusammenhang mit einer Selbstdarstellung der Kanzlei zu sehen.

13

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Kläger hat hiergegen teilweise Berufung eingelegt, soweit das Arbeitsgericht seinen Antrag auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG abgewiesen hat. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger den Entschädigungsanspruch weiter.

Entscheidungsgründe

14

Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte die Berufung des Klägers nicht zurückgewiesen werden. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich auch nicht aus einem anderen Grund als im Ergebnis zutreffend (§ 561 ZPO). Ob und ggf. in welchem Umfang die zulässige Klage begründet ist, kann vom Senat aufgrund der bislang vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden; den Parteien ist zudem Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

15

A. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte die Klage nicht abgewiesen werden.

16

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG. Zum einen sei der Kläger wegen der nur mit „befriedigend“ bestandenen zwei Staatsexamina für die ausgeschriebene Stelle objektiv nicht geeignet, weshalb es an dem Erfordernis der „vergleichbaren Situation“ iSv. § 3 Abs. 1 und Abs. 2 AGG fehle. Vergleichbar seien nur Bewerber/innen, die das Anforderungsmerkmal der Stellenausschreibung „erstklassige juristische Qualifikation“ erfüllten. Zudem stehe dem Entschädigungsanspruch des Klägers der durchgreifende Rechtsmissbrauchseinwand entgegen. Der Kläger sei nicht ernsthaft an der Stelle interessiert gewesen, sondern habe sich nur beworben, um eine Entschädigung verlangen zu können. Bereits der Inhalt seines Bewerbungsschreibens spreche für die mangelnde Ernsthaftigkeit der Bewerbung. Das Schreiben enthalte überwiegend formelhafte, nichtssagende Wendungen, mit denen der Kläger nur scheinbar konkret auf die Stellenanzeige und die in Aussicht gestellte Tätigkeit nebst deren Anforderungsprofil eingehe. Zudem lasse sich dem Bewerbungsschreiben nicht entnehmen, was den Kläger gerade an der ausgeschriebenen Tätigkeit interessiere und weshalb er, nachdem er bereits lange Jahre als selbstständiger Rechtsanwalt in R tätig sei, Interesse an einer Berufsausübung in H habe. Gegen die Ernsthaftigkeit seiner Bewerbung spreche zudem der in dem Artikel der Zeitschrift „J“ geschilderte Sachverhalt, wonach der Kläger sich unabhängig vom Rechtsgebiet, der Kanzlei oder dem Einsatzort stets auf Stellenanzeigen bewerbe, in denen Berufseinsteiger und Berufseinsteigerinnen oder Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen mit erster Berufserfahrung gesucht würden und im Fall der Ablehnung 60.000,00 Euro fordere. Nach den Recherchen der Zeitschrift habe der Kläger allein im Jahr 2013 sechzehn derartige Entschädigungsklagen anhängig gemacht, wobei er in noch weiteren Fällen die Anforderungen an die ausgeschriebene Stelle offensichtlich nicht erfüllt habe. Auch wenn allein eine Vielzahl von Entschädigungsklagen kein Indiz für einen Rechtsmissbrauch darstelle, stelle sich dies anders dar, wenn sich jemand ausschließlich auf Stellen bewerbe, die unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben worden seien. Davon sei im vorliegenden Fall auszugehen, da der Kläger auch nicht dargetan habe, dass er sich entgegen den Angaben in dem in der Zeitschrift „J“ erschienenen Artikel auch noch auf weitere, keinen Anlass für die Annahme einer Diskriminierung bietende Stellenanzeigen beworben habe.

17

II. Dies hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

18

1. Das Landesarbeitsgericht durfte die Klage nicht mit der Begründung abweisen, der Kläger sei für die ausgeschriebene Stelle objektiv nicht geeignet, weshalb es an dem Erfordernis der „vergleichbaren Situation“ iSv. § 3 Abs. 1 und Abs. 2 AGG fehle. Vielmehr befinden sich, soweit es um eine - insbesondere bei einer Einstellung und Beförderung - zu treffende Auswahlentscheidung des Arbeitgebers geht, Personen grundsätzlich bereits dann in einer vergleichbaren Situation, wenn sie sich für dieselbe Stelle beworben haben (vgl. auch BAG 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 29).

19

a) Zwar ist das Landesarbeitsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass das Vorliegen einer „vergleichbaren Situation“ bzw. „vergleichbaren Lage“ nicht nur im Rahmen von § 3 Abs. 1 AGG, der die unmittelbare Benachteiligung zum Gegenstand hat, sondern auch im Rahmen von § 3 Abs. 2 AGG, der die mittelbare Benachteiligung definiert, von Bedeutung ist.

20

aa) Das Benachteiligungsverbot in § 7 Abs. 1 AGG untersagt im Anwendungsbereich des AGG eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, ua. wegen des Alters. Dabei verbietet § 7 Abs. 1 AGG sowohl unmittelbare als auch mittelbare Benachteiligungen. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, ua. wegen des Alters, eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Nach § 3 Abs. 2 AGG liegt eine mittelbare Benachteiligung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

21

bb) § 3 Abs. 2 AGG enthält nach seinem Wortlaut - anders als dies bei § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG der Fall ist - nicht ausdrücklich das Erfordernis „in einer vergleichbaren Situation“. Da allerdings das Diskriminierungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG der spezifische Ausdruck des allgemeinen Gleichheitssatzes ist und die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung generell verlangen, dass gleiche Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden, es sei denn, dass eine derartige Behandlung objektiv gerechtfertigt ist(vgl. ua. EuGH 20. September 2007 - C-116/06 - [Kiiski] Rn. 54, Slg. 2007, I-7643; 26. Juni 2001 - C-381/99 - [Brunnhofer] Rn. 28, Slg. 2001, I-4961), ist auch bei einer mittelbaren Diskriminierung die Frage nach einer „vergleichbaren Situation“ bzw. einer „vergleichbaren Lage“ von Bedeutung (vgl. ua. EuGH 28. Juni 2012 - C-172/11 - [Erny] Rn. 39 - 41; 16. Juli 2009 - C-537/07 - [Gómez-Limón] Rn. 54 - 56, Slg. 2009, I-6525; 12. Oktober 2004 - C-313/02 - [Wippel] Rn. 56 f., Slg. 2004, I-9483).

22

b) Soweit das Landesarbeitsgericht allerdings angenommen hat, vergleichbar sei die Auswahlsituation nur für Bewerber/innen, die gleichermaßen für die zu besetzende Stelle objektiv geeignet seien, was beim Kläger nicht der Fall sei, da dieser wegen der nur mit „befriedigend“ bestandenen Staatsexamina das Anforderungsmerkmal der Stellenausschreibung „erstklassige juristische Qualifikation“ nicht erfülle, hält dies einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

23

aa) Zwar befindet sich eine Person nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats nur dann in einer vergleichbaren Situation, wenn sie für die ausgeschriebene Stelle „objektiv geeignet“ ist (vgl. etwa BAG 23. Januar 2014 - 8 AZR 118/13 - Rn. 18; 14. November 2013 - 8 AZR 997/12 - Rn. 29; 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 20 ff.; 21. Februar 2013 - 8 AZR 180/12 - Rn. 28, BAGE 144, 275; 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 35; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 26; 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 37; ausdrücklich offengelassen neuerdings von BAG 20. Januar 2016 - 8 AZR 194/14 - Rn. 19 ff.; 22. Oktober 2015 - 8 AZR 384/14 - Rn. 21; 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 29). Dies hat der Senat im Wesentlichen damit begründet, dass eine Benachteiligung nur angenommen werden könne, wenn eine Person, die an sich für die Tätigkeit geeignet sei, nicht ausgewählt oder nicht in Betracht gezogen worden sei. Könne hingegen auch ein objektiv ungeeigneter Bewerber immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG verlangen, stehe dies nicht im Einklang mit dem Schutzzweck des AGG, das nur vor ungerechtfertigter Benachteiligung schützen, nicht aber eine unredliche Gesinnung des (potentiellen) Arbeitgebers sanktionieren wolle.

24

bb) An dieser Rechtsprechung hält der Senat allerdings nicht fest.

25

(1) Wie der Senat bereits in seinen Urteilen vom 20. Januar 2016 (- 8 AZR 194/14 - Rn. 19 ff.) sowie vom 22. Oktober 2015 (- 8 AZR 384/14 - Rn. 21 ff.) ausgeführt hat, spricht gegen das Erfordernis der „objektiven Eignung“ bereits der Umstand, dass § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG den Entschädigungsanspruch für Personen, die „bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden“ wären, nicht ausschließt, sondern lediglich der Höhe nach begrenzt. Denn auch bei „benachteiligungsfreier Auswahl“ würden die Bewerber nicht eingestellt, denen die objektive Eignung für die zu besetzende Stelle fehlt.

26

(2) Könnte nur ein „objektiv geeigneter“ Bewerber eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG beanspruchen, würde dies auch dazu führen, dass ihm die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung - hier: durch die Richtlinie 2000/78/EG - verliehenen Rechte entgegen der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union(ua. EuGH 16. Januar 2014 - C-429/12 - [Pohl] Rn. 23; vgl. auch BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 28) durch einen zu eng gefassten Vergleichsmaßstab praktisch unmöglich gemacht, jedenfalls aber übermäßig erschwert würde.

27

(a) Das Erfordernis der „objektiven Eignung“ des Anspruchstellers als Kriterium der vergleichbaren Situation bzw. vergleichbaren Lage iSv. § 3 Abs. 1 und Abs. 2 AGG würde den Entschädigungsprozess mit der schwierigen Abgrenzung der „objektiven Eignung“ von der „individuellen fachlichen und persönlichen Qualifikation“ belasten und dadurch die Wahrnehmung der durch das AGG und die Richtlinie 2000/78/EG verliehenen Rechte erschweren.

28

Insoweit hat der Senat in seiner Rechtsprechung stets ausgeführt, dass maßgeblich für die objektive Eignung nicht allein das formelle Anforderungsprofil sei, welches der Arbeitgeber erstellt habe, sondern dass es insoweit auf die Anforderungen ankomme, die der Arbeitgeber an einen Stellenbewerber zulässigerweise stellen dürfe. Der Arbeitgeber dürfe an den/die Bewerber/in keine Anforderungen stellen, die nach der im Arbeitsleben herrschenden Verkehrsanschauung durch die Erfordernisse der wahrzunehmenden Aufgaben unter keinem nachvollziehbaren Gesichtspunkt gedeckt seien (vgl. etwa BAG 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 21 mwN; 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 38; 22. Juli 2010 - 8 AZR 1012/08  - Rn. 55). Die objektive Eignung sei allerdings zu unterscheiden von der individuellen fachlichen und persönlichen Qualifikation des Bewerbers, die nur als Kriterium der Auswahlentscheidung auf der Ebene der Kausalität zwischen Benachteiligung und Grund iSv. § 1 AGG eine Rolle spiele. Damit werde gewährleistet, dass der Arbeitgeber über den der Stelle zugeordneten Aufgabenbereich frei entscheiden könne, wie Art. 12 Abs. 1 GG es gebiete, aber nicht durch das Stellen hierfür nicht erforderlicher Anforderungen an Bewerber die Vergleichbarkeit der Situation selbst gestalten und den Schutz des AGG de facto beseitigen könne. Denn auch Bewerber, welche die auf der zu besetzenden Stelle auszuübenden Tätigkeiten grundsätzlich verrichten könnten, ohne aber jede Voraussetzung des Anforderungsprofils zu erfüllen, bedürften des Schutzes vor Diskriminierung, weil gerade Anforderungsprofile in Stellenanzeigen häufig Qualifikationen benennen, deren Vorhandensein der Arbeitgeber sich für den Idealfall zwar wünsche, die aber keinesfalls zwingende Voraussetzung einer erfolgreichen Bewerbung seien (vgl. etwa BAG 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 39; 22. Juli 2010 - 8 AZR 1012/08 - Rn. 55).

29

(b) Das Erfordernis der „objektiven Eignung“ des Anspruchstellers als Kriterium der vergleichbaren Situation bzw. vergleichbaren Lage iSv. § 3 Abs. 1 und Abs. 2 AGG würde die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs aus § 15 Abs. 2 AGG aber auch aus einem anderen Grund übermäßig erschweren.

30

Wie der Senat in seinen Urteilen vom 20. Januar 2016 (- 8 AZR 194/14 - Rn. 19 ff.) sowie vom 22. Oktober 2015 (- 8 AZR 384/14 - Rn. 21 ff.) ebenfalls ausgeführt hat, kann die Frage, ob eine „vergleichbare Situation“ bzw. eine „vergleichbare Lage“ iSv. § 3 Abs. 1 und Abs. 2 AGG vorliegt, nicht ohne Vergleichsbetrachtung beantwortet werden. Denn an einer „vergleichbaren Situation“ oder „vergleichbaren Lage“ würde es - soweit es um die „objektive Eignung“ der/des Bewerberin/Bewerbers geht - nur dann fehlen, wenn diese/r die geforderte „objektive Eignung“ nicht aufweist, während andere Bewerber/innen, jedenfalls aber der/die ausgewählte Bewerber/in objektiv geeignet sind. Das aus dem Merkmal der vergleichbaren Situation abgeleitete Erfordernis der „objektiven Eignung“ des Bewerbers würde mithin zu einer Verengung des Vergleichsmaßstabs führen. Hierdurch würde die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs aus § 15 Abs. 2 AGG übermäßig erschwert. Dies gilt zunächst, soweit den/die Bewerber/in für das Vorliegen einer vergleichbaren Situation oder vergleichbaren Lage iSv. § 3 Abs. 1 und Abs. 2 AGG die volle Darlegungs- und Beweislast treffen sollte. Dies gilt aber auch dann, wenn vor dem Hintergrund, dass dem/der Bewerber/in in der Regel nicht bekannt ist, wer sich außer ihm/ihr mit welcher Qualifikation/Eignung auf die ausgeschriebene Stelle beworben hat und für welchen Bewerber/welche Bewerberin der potentielle Arbeitgeber sich entschieden hat und er/sie gegen diesen auch keinen dahingehenden Auskunftsanspruch hat (vgl. BAG 25. April 2013 - 8 AZR 287/08 - Rn. 56 unter Hinweis auf EuGH 19. April 2012C-415/10  - [Meister]), von einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast auszugehen wäre, wonach es ausreichen würde, wenn der/die Bewerber/in die objektive Eignung anderer Bewerber/innen oder des/der letztlich eingestellten Bewerbers/Bewerberin bestreitet mit der Folge, dass der Arbeitgeber dann jedenfalls zur objektiven Eignung dieser Personen substantiiert vorzutragen hätte. In diesem Fall würde der Prozess in der Regel mit einer aufwändigen Tatsachenfeststellung und Klärung der Eignung oder Nichteignung der anderen Bewerber/innen, jedenfalls aber des/der ausgewählten Bewerbers/Bewerberin belastet, ohne dass sich in den Bestimmungen des AGG und den unionsrechtlichen Vorgaben, insbesondere in denen der Richtlinie 2000/78/EG für die Zulässigkeit einer solchen Verengung des Vergleichsmaßstabs hinreichende Anhaltspunkte finden (vgl. BAG 20. Januar 2016 - 8 AZR 194/14 - Rn. 21; 22. Oktober 2015 - 8 AZR 384/14 - Rn. 23).

31

(c) Es kommt hinzu, dass das Erfordernis der „objektiven Eignung“ der/des Bewerberin/Bewerbers als Kriterium der vergleichbaren Situation bzw. vergleichbaren Lage iSv. § 3 Abs. 1 und Abs. 2 AGG die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs aus § 15 Abs. 2 AGG dann nahezu praktisch unmöglich machen würde, wenn diese/r die/der einzige Bewerber/in um die Stelle war. In diesem Fall existiert nämlich keine konkrete Vergleichsperson; vielmehr würde es nach § 3 Abs. 1 AGG auf eine hypothetische Vergleichsperson ankommen, deren objektive Eignung oder Nichteignung sich nicht feststellen ließe.

32

2. Das Landesarbeitsgericht durfte die Klage aber auch nicht mit der Begründung abweisen, der vom Kläger geltend gemachte Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG sei dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand(§ 242 BGB)ausgesetzt. Dabei kann offenbleiben, ob dem Entschädigungsverlangen des Klägers - entgegen dessen Rechtsauffassung - überhaupt der Rechtsmissbrauchseinwand nach § 242 BGB entgegengehalten werden kann. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Voraussetzungen des durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwands seien im vorliegenden Verfahren erfüllt, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Aus diesem Grund kommt es auf die Antwort des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Sache - C-423/15 - [Kratzer] auf das Vorabentscheidungsersuchen des Senats vom 18. Juni 2015 (- 8 AZR 848/13 (A) -) nicht an.

33

a) Nach Auffassung des Senats spricht alles dafür, dass der vom Kläger geltend gemachte Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand(§ 242 BGB)ausgesetzt wäre, sofern dieser sich nicht beworben haben sollte, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern es ihm darum gegangen sein sollte, nur den formalen Status als Bewerber iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG zu erlangen mit dem ausschließlichen Ziel, eine Entschädigung geltend zu machen.

34

aa) Nach § 242 BGB sind durch unredliches Verhalten begründete oder erworbene Rechte oder Rechtsstellungen grundsätzlich nicht schutzwürdig. Der Ausnutzung einer rechtsmissbräuchlich erworbenen Rechtsposition kann demnach der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenstehen (vgl. etwa BAG 17. März 2016 - 8 AZR 677/14 - Rn. 44; 21. Oktober 2014 - 3 AZR 866/12 - Rn. 48; 23. November 2006 - 8 AZR 349/06 - Rn. 33; BGH 6. Februar 2002 - X ZR 215/00 - zu I 2 c der Gründe; 6. Oktober 1971 - VIII ZR 165/69 - zu I der Gründe, BGHZ 57, 108). Allerdings führt nicht jedes rechts- oder pflichtwidrige Verhalten stets oder auch nur regelmäßig zur Unzulässigkeit der Ausübung der hierdurch erlangten Rechtsstellung. Hat der Anspruchsteller sich die günstige Rechtsposition aber gerade durch ein treuwidriges Verhalten verschafft, liegt eine unzulässige Rechtsausübung iSv. § 242 BGB vor(etwa BGH 28. Oktober 2009 - IV ZR 140/08 - Rn. 21).

35

Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen, die den - rechtshindernden - Einwand des Rechtsmissbrauchs begründen, trägt nach den allgemeinen Regeln der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast derjenige, der diesen Einwand geltend macht (vgl. ua. BAG 18. Juni 2015 - 8 AZR 848/13 (A) - Rn. 26; 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 37; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 54).

36

bb) Danach hätte der Kläger die Rechtsstellung als Bewerber iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG treuwidrig erworben mit der Folge, dass die Ausnutzung dieser Rechtsposition rechtsmissbräuchlich wäre, wenn er sich nicht beworben haben sollte, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern es ihm darum gegangen sein sollte, nur den formalen Status als Bewerber iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG zu erlangen mit dem ausschließlichen Ziel, eine Entschädigung geltend zu machen(vgl. etwa BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 53 mwN; vgl. auch BVerwG 3. März 2011 - 5 C 16.10 - Rn. 33, BVerwGE 139, 135).

37

Nach § 1 AGG ist es das Ziel des AGG, in seinem Anwendungsbereich Benachteiligungen aus den in dieser Bestimmung genannten Gründen zu verhindern oder zu beseitigen. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG wird auch der Zugang zur Beschäftigung vom sachlichen Anwendungsbereich des AGG erfasst. Nach dieser Bestimmung sind Benachteiligungen aus einem in § 1 AGG genannten Grund nach Maßgabe des Gesetzes ua. unzulässig in Bezug auf die Bedingungen, einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen, für den Zugang zu unselbstständiger und selbstständiger Erwerbstätigkeit. Aus diesem Grund fallen nicht nur Beschäftigte iSv. § 6 Abs. 1 Satz 1 AGG, sondern auch Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG unter den persönlichen Anwendungsbereich des Gesetzes, sie gelten danach als Beschäftigte iSv. § 6 Abs. 1 Satz 1 AGG.

38

Bereits mit diesen Bestimmungen des AGG hat der nationale Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass nur derjenige den Schutz des AGG vor Diskriminierung einschließlich der in § 15 AGG geregelten Ersatzleistungen für sich beanspruchen kann, der auch tatsächlich Schutz vor Diskriminierung beim Zugang zur Erwerbstätigkeit sucht und dass hingegen eine Person, die mit ihrer Bewerbung nicht die betreffende Stelle erhalten, sondern nur die formale Position eines Bewerbers iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG erlangen will mit dem alleinigen Ziel, eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG geltend zu machen, sich nicht auf den durch das AGG vermittelten Schutz berufen kann; sie kann nicht Opfer einer verbotenen Diskriminierung sein mit der Folge, dass ihr die in § 15 AGG vorgesehenen Sanktionen mit abschreckender Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber(vgl. etwa EuGH 25. April 2013 - C-81/12 - [Asociatia ACCEPT] Rn. 63) zugutekommen müssten. Eine Person, die ihre Position als Bewerber iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG treuwidrig herbeiführt, missbraucht vielmehr den vom AGG gewährten Schutz vor Diskriminierung.

39

cc) Nach Auffassung des Senats begegnet der Rechtsmissbrauchseinwand nach § 242 BGB unter diesen engen Voraussetzungen auch keinen unionsrechtlichen Bedenken.

40

(1) Das Verbot des Rechtsmissbrauchs ist ein anerkannter Grundsatz des Unionsrechts (vgl. ua. EuGH 28. Januar 2016 - C-50/14 - [CASTA ua.] Rn. 65). Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist eine betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf das Unionsrecht nicht gestattet (etwa EuGH 28. Januar 2015 - C-417/13 - [Starjakob] Rn. 55 mwN; 9. März 1999 - C-212/97 - [Centros] Rn. 24, Slg. 1999, I-1459; 2. Mai 1996 - C-206/94 - [Paletta] Rn. 24, Slg. 1996, I-2357).

41

(2) Dabei ergeben sich aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu den Voraussetzungen, unter denen Rechtsmissbrauch angenommen werden kann, vergleichbar strenge Anforderungen wie nach deutschem Recht.

42

Die Feststellung einer missbräuchlichen Praxis verlangt das Vorliegen eines objektiven und eines subjektiven Elements. Hinsichtlich des objektiven Elements muss sich aus einer Gesamtwürdigung der objektiven Umstände ergeben, dass trotz formaler Einhaltung der in der betreffenden Unionsregelung vorgesehenen Bedingungen das Ziel dieser Regelung nicht erreicht wurde. In Bezug auf das subjektive Element muss aus einer Reihe objektiver Anhaltspunkte (ua. EuGH 17. Dezember 2015 - C-419/14 - [WebMindLicenses] Rn. 36 mwN) die Absicht ersichtlich sein, sich einen ungerechtfertigten Vorteil aus der Unionsregelung dadurch zu verschaffen, dass die entsprechenden Voraussetzungen willkürlich geschaffen werden (zu der hier einschlägigen Richtlinie 2000/78/EG vgl. EuGH 28. Januar 2015 - C-417/13 - [Starjakob] Rn. 56 mwN; vgl. iÜ. etwa EuGH 13. März 2014 - C-155/13 - [SICES ua.] Rn. 31 ff.; 16. Oktober 2012 - C-364/10 - [Ungarn/Slowakei] Rn. 58; 21. Februar 2006 - C-255/02 - [Halifax ua.] Rn. 74 ff., Slg. 2006, I-1609; 21. Juli 2005 - C-515/03 - [Eichsfelder Schlachtbetrieb] Rn. 39, Slg. 2005, I-7355; 14. Dezember 2000 - C-110/99 - [Emsland-Stärke] Rn. 52 und 53, Slg. 2000, I-11569). Das Missbrauchsverbot ist allerdings nicht relevant, wenn das fragliche Verhalten eine andere Erklärung haben kann als nur die Erlangung eines Vorteils (etwa EuGH 13. März 2014 - C-155/13 - [SICES ua.] Rn. 33; 21. Februar 2006 - C-255/02 - [Halifax ua.] Rn. 75). Die Prüfung, ob die Tatbestandsvoraussetzungen einer missbräuchlichen Praxis erfüllt sind, hat gemäß den Beweisregeln des nationalen Rechts zu erfolgen. Diese Regeln dürfen jedoch die Wirksamkeit des Unionsrechts nicht beeinträchtigen (ua. EuGH 17. Dezember 2015 - C-419/14 - [WebMindLicenses] Rn. 65 mwN).

43

(3) Sowohl aus dem Titel, als auch aus den Erwägungsgründen und dem Inhalt und der Zielsetzung der Richtlinie 2000/78/EG folgt, dass diese einen allgemeinen Rahmen schaffen soll, der gewährleistet, dass jeder „in Beschäftigung und Beruf“ gleichbehandelt wird, indem dem Betroffenen ein wirksamer Schutz vor Diskriminierungen aus einem der in ihrem Art. 1 genannten Gründe - darunter das Alter - geboten wird(ua. EuGH 26. September 2013 - C-546/11 - [Dansk Jurist- og Økonomforbund] Rn. 23; 8. September 2011 - C-297/10 und C-298/10 - [Hennigs und Mai] Rn. 49, Slg. 2011, I-7965). Ferner ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG - ebenso wie aus Art. 1 Satz 2 Buchst. a und Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/54/EG -, dass diese Richtlinie für eine Person gilt, die eine Beschäftigung sucht und dies auch in Bezug auf die Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen für diese Beschäftigung (vgl. EuGH 19. April 2012 - C-415/10 - [Meister] Rn. 33).

44

Damit spricht alles dafür, dass eine Person, die mit ihrer Bewerbung nicht die betreffende Stelle erhalten, sondern nur die formale Position eines Bewerbers iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG erlangen will mit dem alleinigen Ziel, eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG geltend zu machen, auch nach Unionsrecht rechtsmissbräuchlich handelt.

45

b) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Voraussetzungen des durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwands seien im vorliegenden Verfahren erfüllt, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

46

aa) Die Würdigung der Tatsachengerichte, ob bei einer bestimmten Sachlage ein Verstoß gegen § 242 BGB und damit eine unzulässige Rechtsausübung vorliegt, ist in der Revisionsinstanz als Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs nur eingeschränkt überprüfbar(vgl. etwa BAG 16. Oktober 2012 - 9 AZR 183/11 - Rn. 25, BAGE 143, 194; 19. August 2010 - 8 AZR 645/09 - Rn. 66; 9. Dezember 2009 - 10 AZR 850/08 - Rn. 34 mwN; 15. Juli 2009 - 5 AZR 867/08 - Rn. 31, BAGE 131, 215; BGH 7. Oktober 2015 - VIII ZR 247/14 - Rn. 25 mwN). Die revisionsrechtliche Kontrolle beschränkt sich darauf zu prüfen, ob das Landesarbeitsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es sich bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die maßgebliche Rechtsnorm den Vorgaben von § 286 Abs. 1 ZPO entsprechend mit dem Prozessstoff umfassend auseinandergesetzt hat, seine Würdigung also vollständig und des Weiteren rechtlich möglich und in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Rechtssätze, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt.

47

bb) Das Berufungsurteil hält einer solchen eingeschränkten Überprüfung nicht stand. Das Landesarbeitsgericht hat den Rechtsbegriff des Rechtsmissbrauchs iSv. § 242 BGB verkannt und diese Bestimmung in einer Weise ausgelegt und angewandt, die das Benachteiligungsverbot des AGG und der Richtlinie 2000/78/EG zu unterlaufen geeignet ist. Die vom Landesarbeitsgericht seiner Würdigung zugrunde gelegten Umstände lassen weder jeweils für sich betrachtet noch in der Gesamtschau den Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers zu.

48

(1) Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts lassen sich dem Bewerbungsschreiben des Klägers vom 9. November 2012 bereits keine objektiven Umstände entnehmen, die den Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers erlauben würden. Soweit das Landesarbeitsgericht ausführt, dieses Schreiben enthalte überwiegend formelhafte, nichtssagende Wendungen, mit denen der Kläger nur scheinbar konkret auf die Stellenanzeige und die in Aussicht gestellte Tätigkeit nebst deren Anforderungsprofil eingehe, es lasse sich dem Bewerbungsschreiben auch nicht entnehmen, was den Kläger gerade an der ausgeschriebenen Tätigkeit interessiere und weshalb er, nachdem er bereits lange Jahre als selbstständiger Rechtsanwalt in R tätig sei, Interesse an einer Berufsausübung in H habe, legt es seiner Würdigung seine Vorstellungen darüber zugrunde, wodurch sich ein gutes, ansprechendes und erfolgversprechendes Bewerbungsschreiben auszeichnet. Wie viel „Mühe“ ein Bewerber sich mit seinem Bewerbungsschreiben gegeben hat, wie ansprechend seine Präsentation ist und wie eindringlich und überzeugend er ein Interesse an der ausgeschriebenen Stelle bekundet hat, mag zwar ein Umstand sein, der für die konkrete Auswahlentscheidung des Arbeitgebers den Ausschlag geben kann. Es existiert hingegen weder ein Erfahrungssatz des Inhalts, dass nur derjenige, der ein solches Bewerbungsschreiben verfasst, an der Stelle interessiert ist, noch der gegenteilige Erfahrungssatz, dass derjenige, dessen Bewerbungsschreiben diesen Vorgaben nicht entspricht, sich nur mit dem Ziel bewirbt, die formale Position des Bewerbers iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG zu erlangen mit dem ausschließlichen Ziel, Entschädigungsansprüche nach § 15 Abs. 2 AGG geltend machen zu können.

49

(2) Auch die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Entschädigungsanspruch des Klägers sei deshalb dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand ausgesetzt, weil dieser sich unabhängig vom Rechtsgebiet, der Kanzlei oder dem Einsatzort stets auf Stellen bewerbe, in denen Berufseinsteiger und Berufseinsteigerinnen oder Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen mit erster Berufserfahrung gesucht würden, er im Fall der Ablehnung stets 60.000,00 Euro fordere, im Jahr 2013 16 Entschädigungsklagen erhoben habe und auch nicht dargetan habe, sich auch noch auf weitere, keinen Anlass für die Annahme einer Diskriminierung bietende Stellenanzeigen beworben zu haben, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die vom Landesarbeitsgericht seiner Würdigung zugrunde gelegten Umstände lassen nicht den Schluss auf ein systematisches und zielgerichtetes Vorgehen des Klägers zu, das auf der Annahme beruht, bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise werde letztlich ein auskömmlicher „Gewinn“ verbleiben, weil die Beklagten - sei es bereits unter dem Druck des Geltendmachungsschreibens oder im Verlauf des Entschädigungsprozesses - freiwillig die Forderung erfüllen oder sich vergleichsweise auf eine Entschädigungszahlung einlassen.

50

(a) Auf Rechtsmissbrauch kann nicht bereits daraus geschlossen werden, dass eine Person eine Vielzahl erfolgloser Bewerbungen versandt und mehrere Entschädigungsprozesse geführt hat oder führt (vgl. etwa BAG 18. Juni 2015 - 8 AZR 848/13 (A) - Rn. 24; 24. Januar 2013 - 8 AZR 429/11 - Rn. 63; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 56 mwN; 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - Rn. 52, BAGE 131, 232). Ein solches Verhalten für sich betrachtet lässt sich ebenso damit erklären, dass ein ernsthaftes Interesse an dem Erhalt der jeweiligen Stelle bestand und dass der/die Bewerber/in, weil er/sie sich entgegen den Vorgaben des AGG bei der Auswahl- und Besetzungsentscheidung diskriminiert sieht, mit der Entschädigungsklage zulässigerweise seine/ihre Rechte nach dem AGG wahrnimmt.

51

(b) Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Person sich stets auf solche Stellenausschreibungen beworben hat, die Formulierungen, insb. Anforderungen enthalten, die mittelbar oder unmittelbar an einen der in § 1 AGG genannten Gründe anknüpfen und deshalb „auf den ersten Blick“ den Anschein erwecken, der Arbeitgeber habe die Stelle entgegen § 11 AGG, wonach ein Arbeitsplatz nicht unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 AGG ausgeschrieben werden darf, ausgeschrieben. Dies folgt bereits daraus, dass der/die Bewerber/in auch in einem solchen Fall mit einer Entschädigungsklage grundsätzlich ein nicht unerhebliches Risiko eingeht, den Prozess zu verlieren und damit nicht nur keine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zu erlangen, sondern auch mit den Kosten des Rechtsstreits belastet zu werden.

52

(aa) Der Arbeitgeber schuldet einem/einer abgelehnten Bewerber/in eine Entschädigung nicht bereits deshalb, weil die Stelle unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben wurde und damit erst recht nicht allein deshalb, weil die Stellenausschreibung Formulierungen, insb. Anforderungen enthält, die „auf den ersten Blick“ den Anschein erwecken, der Arbeitgeber habe den Arbeitsplatz unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben. Das Gesetz knüpft an einen Verstoß gegen § 11 AGG keine unmittelbaren Rechtsfolgen.

53

(bb) Voraussetzung für den Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG ist vielmehr, dass der/die abgelehnte Bewerber/in entgegen § 7 Abs. 1 AGG wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt wurde. Zwischen der benachteiligenden Behandlung und einem in § 1 AGG genannten Grund muss demnach ein Kausalzusammenhang bestehen. Dafür ist es nicht erforderlich, dass der betreffende Grund iSv. § 1 AGG das ausschließliche oder auch nur ein wesentliches Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist; es muss nicht - gewissermaßen als vorherrschender Beweggrund, Hauptmotiv oder „Triebfeder“ des Verhaltens - handlungsleitend oder bewusstseinsdominant gewesen sein; vielmehr ist der Kausalzusammenhang bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen Grund iSv. § 1 AGG anknüpft oder durch diesen motiviert ist, wobei die bloße Mitursächlichkeit genügt(vgl. etwa BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 34 mwN). Zudem darf die mit einer negativen Auswahlentscheidung des Arbeitgebers verbundene unmittelbare Benachteiligung des/der Bewerbers/Bewerberin iSv. § 3 Abs. 1 AGG nicht nach §§ 8, 9 oder § 10 AGG zulässig sein. Obgleich nicht zu verkennen ist, dass eine erfolglose Bewerbung auf eine Stellenausschreibung, die Formulierungen, insb. Anforderungen enthält, die mittelbar oder unmittelbar an einen der in § 1 AGG genannten Gründe anknüpfen und deshalb „auf den ersten Blick“ den Anschein erwecken, der Arbeitgeber habe den Arbeitsplatz unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben, die Erfolgsaussichten einer späteren Entschädigungsklage erhöht, ist es keinesfalls ausgeschlossen, dass die Klage abgewiesen wird, weil der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen dem Grund iSv. § 1 AGG und der benachteiligenden Handlung nicht gegeben ist oder weil sich die mit der Ablehnung der Bewerbung verbundene unmittelbare Benachteiligung des Bewerbers/der Bewerberin iSv. § 3 Abs. 1 AGG nach §§ 8, 9 oder § 10 AGG als zulässig erweist.

54

(aaa) § 22 AGG sieht für den Rechtsschutz bei Diskriminierungen im Hinblick auf den Kausalzusammenhang eine Erleichterung der Darlegungslast, eine Absenkung des Beweismaßes und eine Umkehr der Beweislast vor. Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, trägt nach § 22 AGG die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat. Danach genügt eine Person, die sich durch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert hält, ihrer Darlegungslast bereits dann, wenn sie Indizien vorträgt, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt ist(vgl. BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 364/11 - Rn. 33, BAGE 142, 158; 15. März 2012 - 8 AZR 37/11 - Rn. 65, BAGE 141, 48). Besteht die Vermutung einer Benachteiligung, trägt die andere Partei die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist (vgl. EuGH 25. April 2013 - C-81/12  - [Asociatia ACCEPT] Rn. 55 mwN; 10. Juli 2008 -  C-54/07  - [Feryn] Rn. 32 , Slg. 2008, I-5187; BAG 26. September 2013 - 8 AZR 650/12  - Rn. 27 ). Hierfür gilt jedoch das Beweismaß des sog. Vollbeweises (vgl. etwa BAG 18. September 2014 - 8 AZR 753/13 - Rn. 33). Der Arbeitgeber muss demnach Tatsachen vortragen und ggf. beweisen, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben(vgl. etwa BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 58; 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 45).

55

(bbb) Auch wenn eine Stellenausschreibung Formulierungen, insb. Anforderungen enthält, die „auf den ersten Blick“ den Anschein erwecken, der Arbeitgeber habe den Arbeitsplatz unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben, begründet dies nicht ohne Weiteres die Vermutung, der/die Bewerber/in sei im Auswahl- und Stellenbesetzungsverfahren wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt worden. Eine solche Vermutung besteht vielmehr nur dann, wenn die Stellenausschreibung gegen § 11 AGG verstößt. Dies ist indes selbst bei Formulierungen, insb. Anforderungen in Stellenausschreibungen, die eine unmittelbare Benachteiligung wegen eines § 1 AGG genannten Grundes bewirken, dann nicht der Fall, wenn die Diskriminierung nach §§ 8, 9 oder § 10 AGG zulässig ist. Und bei Formulierungen, insb. Anforderungen in Stellenausschreibungen, die eine mittelbare Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes bewirken können, scheidet nach § 3 Abs. 2 AGG ein Verstoß gegen § 11 AGG dann aus, wenn die Anforderung durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich ist. Obwohl § 11 AGG nach seinem Wortlaut nur auf § 7 Abs. 1 AGG verweist, muss die Bestimmung so ausgelegt werden, dass ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG nicht vorliegt, wenn die mögliche mittelbare oder die unmittelbare Benachteiligung nach § 3 Abs. 2 AGG oder §§ 8, 9 oder § 10 AGG gerechtfertigt ist. Es ist kein Grund ersichtlich, warum Stellenausschreibungen strengeren Anforderungen unterliegen sollten als dies bei allen anderen benachteiligenden Handlungen iSd. AGG der Fall ist.

56

(ccc) Aber auch dann, wenn die Stelle unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben wurde und deshalb die Vermutung besteht, dass der/die erfolglose Bewerber/in wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt wurde, genügt dies nicht ohne Weiteres für eine erfolgreiche Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs. Dem Arbeitgeber bleibt es nämlich unbenommen, Tatsachen vorzutragen und ggf. zu beweisen, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben.

57

(ddd) Zudem ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass sich die mit der Ablehnung der Bewerbung verbundene unmittelbare Benachteiligung des/der Bewerbers/Bewerberin im Einzelfall nach §§ 8, 9 oder § 10 AGG als zulässig erweist.

58

(c) Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung des Umstands, dass selbst dann, wenn die Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen aufgrund anderer erfolgloser Bewerbungen rechtsmissbräuchlich (gewesen) sein sollte, dies nicht ohne Weiteres auch für die jeweils streitgegenständliche gelten muss, sind an die Annahme des durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwands hohe Anforderungen zu stellen. Es müssen im Einzelfall besondere Umstände vorliegen, die ausnahmsweise den Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten rechtfertigen. Dies kann in diesem Zusammenhang nur angenommen werden, wenn sich ein systematisches und zielgerichtetes Vorgehen der Person feststellen lässt, das auf der Erwägung beruht, bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise werde letztlich ein auskömmlicher „Gewinn“ verbleiben, weil der Arbeitgeber - sei es bereits unter dem Druck einer angekündigten Entschädigungsklage oder im Verlaufe eines Entschädigungsprozesses - freiwillig die Forderung erfüllt oder sich vergleichsweise auf eine Entschädigungszahlung einlässt.

59

(d) Danach hat das Landesarbeitsgericht zu Unrecht angenommen, der vom Kläger geltend gemachte Entschädigungsanspruch sei dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand ausgesetzt. Es kann dahinstehen, ob der Umstand, dass der Kläger im Falle der Ablehnung seiner Bewerbung vom Arbeitgeber stets Schadensersatz und Entschädigung iHv. 60.000,00 Euro gefordert hat, im Rahmen der Würdigung, ob im vorliegenden Fall Rechtsmissbrauch anzunehmen ist, überhaupt von Bedeutung ist. Die bislang vom Landesarbeitsgericht festgestellten Umstände rechtfertigen - auch unter Berücksichtigung dieses Umstands - nicht den Schluss, auch die Bewerbung des Klägers auf die von der Beklagten zu 1. ausgeschriebene Stelle und die sich an die Ablehnung anschließende Entschädigungsklage seien Teil eines systematischen und zielgerichteten Vorgehens des Klägers im Rahmen des unter Rn. 58 dargestellten „Geschäftsmodells“. Vielmehr verbleibt die „gute Möglichkeit“, dass der Kläger ein ernsthaftes Interesse an dem Erhalt der Stelle hatte, und dass er mit der Erhebung der Entschädigungsklage zulässigerweise seine Rechte nach dem AGG wahrgenommen hat. Umstände, die ggf. eine andere Beurteilung gebieten könnten, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Es gibt weder Feststellungen dazu, wie häufig der Kläger sich insgesamt auf Stellenausschreibungen beworben hat, die „auf den ersten Blick“ den Anschein erweckten, die Stelle sei unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben worden, noch, wie arbeitgeberseitig auf ein Geltendmachungsschreiben des Klägers reagiert wurde, noch, wie der Kläger sich in den 16 vom Landesarbeitsgericht festgestellten Entschädigungsprozessen prozessual verhalten hat und ob und ggf. wann die Verfahren in welcher Instanz mit welchem Ergebnis beendet wurden. Bereits deshalb kommt es auf die Frage, ob der Kläger sich auch auf Stellenausschreibungen beworben hat, deren Inhalt keinen Anlass für die Annahme einer Diskriminierung bot, nicht an.

60

B. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Klage sei unbegründet, stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

61

I. Der persönliche Anwendungsbereich des AGG ist eröffnet. Für den Kläger ergibt sich dies aus § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG.

62

Der Kläger ist als Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis Beschäftigter iSd. AGG (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG). Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass er eine Bewerbung eingereicht hat. § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG enthält einen formalen Bewerberbegriff. Soweit teilweise in der Rechtsprechung des Senats zusätzlich die „subjektive Ernsthaftigkeit der Bewerbung“ gefordert wurde (ua. BAG 18. Juni 2015 - 8 AZR 848/13 (A) - Rn. 24; 19. August 2010 - 8 AZR 466/09 - Rn. 28; 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - Rn. 50, BAGE 131, 232; vgl. jedoch offenlassend oder entgegengesetzt ua.: BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 24; 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 18; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 51 bis 56; 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 32), hält der Senat hieran nicht fest. Eine solche Voraussetzung ergibt sich weder aus dem Wortlaut der Bestimmung und dem durch ihn vermittelten Wortsinn noch aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung oder ihrem Sinn und Zweck. Die Frage, ob eine Bewerbung „nicht ernsthaft“ war, weil eine Person sich nicht beworben hat, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern um eine Entschädigung geltend zu machen, betrifft vielmehr die Frage, ob diese sich unter Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB)den formalen Status als Bewerber iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG verschafft und damit für sich den persönlichen Anwendungsbereich des AGG treuwidrig eröffnet hat, weshalb der Ausnutzung dieser Rechtsposition der durchgreifende Rechtsmissbrauchseinwand entgegenstehen könnte (vgl. auch BAG 24. Januar 2013 - 8 AZR 429/11 - Rn. 25; 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 18; 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 24).

63

II. Der Kläger hat den Entschädigungsanspruch auch frist- und formgerecht geltend gemacht und eingeklagt (§ 15 Abs. 4 AGG, § 61b Abs. 1 ArbGG).

64

III. Der Entschädigungsanspruch des Klägers ist auch nicht aufgrund anderer als der vom Landesarbeitsgericht seiner Würdigung zugrunde gelegten Umstände dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand (§ 242 BGB)ausgesetzt. Die von den Beklagten insoweit vorgetragenen Umstände lassen weder für sich betrachtet noch in einer Gesamtschau den Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers zu.

65

1. Soweit die Beklagten geltend machen, der Kläger habe die ausgeschriebene Stelle nicht antreten können, weil er als Einzelanwalt ein Dezernat mit laufenden Mandatsverhältnissen nicht kurzfristig habe aufgeben können, lässt dies nicht auf einen Rechtsmissbrauch schließen. Dass ein bisher als Einzelanwalt tätiger Rechtsanwalt vor der Aufnahme einer anderen Tätigkeit ggf. Zeit benötigt, die bisherige Kanzlei zu übergeben oder abzuwickeln, mag zwar ein tatsächliches Hindernis für eine sofortige Arbeitsaufnahme sein; es ist jedoch fernliegend, daraus zu schließen, der Kläger habe sich auf die ausgeschriebene Stelle nur beworben, um die formale Position als Bewerber iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG zu erlangen mit dem ausschließlichen Ziel, Entschädigungsansprüche geltend zu machen. Gleiches gilt, soweit die Beklagten anführen, im Hinblick auf die fachliche Ausrichtung und Spezialisierung der Kanzlei hätte der Kläger erläutern müssen, weshalb er gerade an einer Tätigkeit bei ihnen interessiert sei, insoweit sei die Bewerbung des Klägers nicht nachvollziehbar, und sie mutmaßen, der Kläger habe seine Bewerbung mit einem sog. Anwaltsprogramm angefertigt. Auch der Umstand, dass der Kläger im Internet damit wirbt, als Einzelanwalt immer für seine Mandanten als persönlicher Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen und dass er jedenfalls zeitweise als Rechtsanwalt im Bereich von Abmahnungen tätig war, lässt nicht auf einen Rechtsmissbrauch schließen. Letztlich kann der Rechtsmissbrauchseinwand auch nicht erfolgreich darauf gestützt werden, dass der Kläger weiterhin seine Kanzlei betrieben und nicht abgewickelt hat. Im Gegenteil liegt ein solches Verhalten bei einer Erfolglosigkeit von Bewerbungsbemühungen auf der Hand.

66

2. Soweit die Beklagten sich darauf berufen, dass der Kläger am Ende seines Geltendmachungsschreibens vom 26. November 2012 neben Schadensersatz und Entschädigung eine Erstattung anwaltlicher Gebühren und Auslagen gefordert hat, liegt darin allein kein Umstand, der den Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers zuließe. Es gibt keinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass ein Rechtsanwalt, der sich erfolglos auf eine ausgeschriebene Stelle (als Rechtsanwalt) beworben hat und bereits in seinem Geltendmachungsschreiben nicht nur Entschädigung und Schadensersatz, sondern auch die Zahlung anwaltlicher Gebühren und Auslagen fordert, von vornherein nur die Absicht hatte, sich die formale Position eines Bewerbers iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG zu verschaffen mit dem alleinigen Ziel, Entschädigungsansprüche geltend zu machen. Es kann dahinstehen, ob und ggf. welche Bedeutung diesem Umstand im Rahmen der Prüfung zukommt, ob das Entschädigungsverlangen ausnahmsweise dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand ausgesetzt ist, weil sich ein systematisches und zielgerichtetes Vorgehen der Person feststellen lässt, das auf der Erwägung beruht, bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise werde letztlich ein auskömmlicher „Gewinn“ verbleiben. In einem Fall wie dem vorliegenden, in dem potentieller Arbeitgeber eine Rechtsanwaltskanzlei ist, ist die Annahme fernliegend, der Kläger habe darauf spekuliert, den Beklagten sei die in § 12a ArbGG zur Kostentragungspflicht getroffene Bestimmung unbekannt und diese seien nicht in der Lage, die Risiken eines Entschädigungsprozesses einzuschätzen, und würden sich deshalb bereits durch das Geltendmachungsschreiben so sehr beeindrucken lassen, dass sie allein zur Vermeidung weiterer Kosten frühzeitig „klein beigeben“.

67

3. Soweit die Beklagten schließlich behaupten, der Kläger habe im Rahmen eines Telefonats mit dem Beklagten zu 3. am 27. November 2012 geäußert, seinerseits bestehe kein Interesse an einer Mitarbeit in der Kanzlei der Beklagten, er wolle lediglich eine Zahlung, ist dieses Vorbringen unbeachtlich. Die Beklagten haben schon nicht substantiiert zum Verlauf des Gesprächs vorgetragen, was vor dem Hintergrund, dass der Kläger sich gegenüber der Behauptung der Beklagten dahin verteidigt hatte, er habe kein fehlendes Interesse an einer Mitarbeit in der Kanzlei der Beklagten geäußert, sondern vielmehr gesagt, dass nach Ablehnung seiner Bewerbung durch die Gegenseite eine „Heilung“ des Verstoßes gegen das AGG nicht infrage komme, aber erforderlich gewesen wäre.

68

C. Aufgrund der bislang vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen kann der Senat nicht abschließend beurteilen, ob und ggf. in welcher Höhe die zulässige Klage begründet ist. Zudem ist den Parteien Gelegenheit zu weiterem Vorbringen zu geben. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

69

I. Das Landesarbeitsgericht hat - aus seiner Sicht konsequent - nicht geprüft, ob der Kläger entgegen den Bestimmungen des AGG im Auswahlverfahren wegen seines Alters benachteiligt wurde und hierzu keine Feststellungen getroffen. Dies wird das Landesarbeitsgericht nachzuholen haben.

70

1. Dabei wird das Landesarbeitsgericht zunächst zu beachten haben, dass die Vermutung iSv. § 22 AGG, dass der Kläger im späteren Auswahlverfahren wegen seines Alters benachteiligt wurde, dann bestünde, wenn die Beklagte zu 1. die Stelle, auf die sich der Kläger bei dieser beworben hat, entgegen den Vorgaben von § 11 AGG unter Verstoß gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters(§ 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG)ausgeschrieben hat.

71

Das Landesarbeitsgericht wird dabei zu beachten haben, dass das in der Stellenausschreibung enthaltene Anforderungskriterium, mit dem ein Rechtsanwalt (m/w) „mit 0 - 2 Jahren Berufserfahrung“ gesucht wird, Personen wegen des in § 1 AGG genannten Grundes „Alter“ gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen kann iSv. § 3 Abs. 2 AGG und dass die Formulierung in der Stellenausschreibung, wonach dem/der Bewerber/in eine langfristige Perspektive in einem „jungen und dynamischen Team“ geboten wird, eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters bewirkt, sodass es im Hinblick auf die Frage, ob die Stelle entgegen den Anforderungen des § 11 AGG ausgeschrieben wurde und deshalb die Vermutung besteht, dass der Kläger im späteren Auswahlverfahren wegen seines Alters benachteiligt wurde, nur noch darauf ankommt, ob die unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters nach § 8 Abs. 1 oder § 10 AGG zulässig ist. Sollte dies der Fall sein, wäre auch eine mittelbare Diskriminierung gerechtfertigt, da die Anforderungen an die Rechtfertigung einer mittelbaren Benachteiligung nicht höher als diejenigen an die Rechtfertigung einer unmittelbaren Benachteiligung sind (vgl. EuGH 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 62, 65, 66, Slg. 2009, I-1569; BAG 11. August 2009 - 3 AZR 23/08 - Rn. 35 mwN, BAGE 131, 298).

72

a) Die in der Stellenausschreibung enthaltene Anforderung „mit 0 - 2 Jahren Berufserfahrung“ kann Personen wegen des in § 1 AGG genannten Grundes „Alter“ gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen.

73

Bei der Berufserfahrung handelt es sich um ein Kriterium, das dem Anschein nach neutral ist iSv. § 3 Abs. 2 AGG. Unmittelbar wird damit nicht auf ein bestimmtes Alter Bezug genommen. Jedoch ist das Kriterium der Berufserfahrung mittelbar mit dem in § 1 AGG genannten Grund „Alter“ verknüpft. Bewerber/innen mit einer längeren Berufserfahrung weisen gegenüber Berufsanfänger/innen und gegenüber Bewerber/innen mit erster oder kurzer Berufserfahrung typischerweise ein höheres Lebensalter auf (vgl. nur BAG 18. August 2009 - 1 ABR 47/08 - Rn. 33, BAGE 131, 342). Da die Beklagte zu 1. mit der in der Stellenausschreibung enthaltenen Anforderung „mit 0 - 2 Jahren Berufserfahrung“ signalisiert, lediglich Interesse an der Gewinnung jüngerer Mitarbeiter/innen zu haben, ist diese Anforderung geeignet, ältere gegenüber jüngeren Personen wegen des Alters in besonderer Weise zu benachteiligen. Typischerweise werden ältere Personen allein wegen dieser Anforderung häufig von vornherein von einer Bewerbung absehen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass berufliche Lebensläufe heutzutage vielfältiger sind als früher und ein Wechsel von einer juristischen Tätigkeit in eine andere juristische Tätigkeit auch nach längeren Berufsjahren, ggf. auch erst nach dem Erreichen des regulären Pensionsalters erfolgen kann. Der Befund, dass Berufsanfänger/innen und Personen mit kurzer Berufserfahrung typischerweise junge Menschen sind, besteht jedoch nach wie vor.

74

b) Die Formulierung in der Stellenausschreibung, wonach dem/der Bewerber/in eine langfristige Perspektive in einem „jungen und dynamischen Team“ geboten wird, bewirkt eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters iSv. § 3 Abs. 1 AGG.

75

Mit dem Begriff „jung“ wird unmittelbar an das Lebensalter angeknüpft. Verstärkt wird diese Bezugnahme auf das Lebensalter durch die Verbindung mit dem Begriff „dynamisch“, der eine Eigenschaft beschreibt, die im Allgemeinen eher jüngeren als älteren Menschen zugeschrieben wird. Wird in einer Stellenausschreibung - wie hier - darauf hingewiesen, dass eine langfristige Perspektive in einem „jungen und dynamischen Team“ geboten wird, enthält dieser Hinweis regelmäßig nicht nur die Botschaft an potentielle Stellenbewerber/innen, dass die Mitglieder des Teams jung und deshalb dynamisch sind. Eine solche Angabe in einer Stellenanzeige kann aus der Sicht eines objektiven Empfängers zudem regelmäßig nur so verstanden werden, dass der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer/eine Arbeitnehmerin sucht, der/die in das Team passt, weil er/sie ebenso jung und dynamisch ist wie die Mitglieder des vorhandenen Teams. Die Annahme, dass mit der Beschreibung des Teams als „jung“ und „dynamisch“ der Zweck verfolgt wird, den potentiellen Bewerber/die potentielle Bewerberin darüber zu informieren, dass das Team selbst noch nicht lange Zeit besteht, ist demgegenüber fernliegend, wenn dieser Umstand nicht zugleich in der Stellenausschreibung erläutert wird. Sofern dies - wie hier - nicht der Fall ist, kann der Zweck einer solchen Stellenbeschreibung nur darin bestehen, einen zum vorhandenen Team passenden neuen Beschäftigten zu gewinnen. Andernfalls wäre die so formulierte Stellenbeschreibung ohne Aussagegehalt und damit überflüssig.

76

c) Das Landesarbeitsgericht wird demnach ggf. zu prüfen haben, ob die mit der Formulierung „in einem jungen und dynamischen Team“ bewirkte unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters nach § 8 AGG oder nach § 10 AGG zulässig ist. Dabei wird es zu beachten haben, dass sich sowohl § 8 AGG als auch § 10 AGG als für den Arbeitgeber günstige Ausnahme vom grundsätzlichen Verbot der Diskriminierung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, hier des Alters, darstellen(vgl. hierzu etwa EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge ua.] Rn. 72 und 81, Slg. 2011, I-8003; 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 46, Slg. 2009, I-1569), weshalb den Arbeitgeber - hier die Beklagten - bereits nach den allgemeinen Regeln des nationalen Rechts die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der in den Bestimmungen enthaltenen Voraussetzungen trifft (zur Darlegungs- und Beweislast nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG vgl. etwa EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 83, Slg. 2011, I-6919).

77

aa) Nach § 8 Abs. 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist.

78

§ 8 Abs. 1 AGG dient der Umsetzung von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG in das nationale Recht. § 8 Abs. 1 AGG ist unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union eng auszulegen. Eine Ungleichbehandlung wegen des Alters ist nach § 8 Abs. 1 AGG nur gerechtfertigt, wenn sämtliche in der Bestimmung genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Stellt ein Merkmal, das insbesondere mit dem Alter zusammenhängt, eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung dar, kann eine unterschiedliche Behandlung zudem nur unter sehr begrenzten Bedingungen gerechtfertigt sein (EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge ua.] Rn. 71, Slg. 2011, I-8003).

79

Das Landesarbeitsgericht wird bei der Anwendung von § 8 Abs. 1 AGG zudem zu beachten haben, dass nicht der Grund, auf den die Ungleichbehandlung gestützt ist, sondern nur ein mit diesem Grund im Zusammenhang stehendes Merkmal eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellen kann und dass ein solches Merkmal - oder sein Fehlen - nur dann eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung iSd. § 8 Abs. 1 AGG ist, wenn davon die ordnungsgemäße Durchführung der Tätigkeit abhängt(vgl. etwa EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge ua.] Rn. 66, Slg. 2011, I-8003; 12. Januar 2010 - C-229/08 - [Wolf] Rn. 35, Slg. 2010, I-1; BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 662/13 - Rn. 34, BAGE 148, 158).

80

bb) Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Nach § 10 Satz 2 AGG müssen die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sein. § 10 Satz 3 AGG enthält eine nicht abschließende Aufzählung von Tatbeständen, nach denen unterschiedliche Behandlungen wegen des Alters iSv. § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG insbesondere gerechtfertigt sein können(vgl. etwa BAG 24. Januar 2013 - 8 AZR 429/11 - Rn. 45; 25. Februar 2010 - 6 AZR 911/08 - Rn. 35, BAGE 133, 265; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07  - Rn. 40 , BAGE 129, 181 ).

81

Bei der Anwendung von § 10 AGG wird das Landesarbeitsgericht Folgendes zu beachten haben:

82

(1) § 10 AGG dient der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG in das nationale Recht(dazu auch BAG 18. März 2014 - 3 AZR 69/12 - Rn. 21, BAGE 147, 279), wobei die Richtlinie ihrerseits das primärrechtliche Verbot der Diskriminierung wegen des Alters als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts (EuGH 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Rn. 75, Slg. 2005, I-9981; BVerfG 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12, 2 BvR 2 BvR 1989/12 - Rn. 63, BVerfGE 139, 19) sowie das in Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerte Verbot der Diskriminierung wegen des Alters konkretisiert(EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge ua.] Rn. 38, Slg. 2011, I-8003; BVerfG 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12, 2 BvR 1989/12 - aaO). § 10 AGG ist unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszulegen(dazu auch BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - Rn. 17, BAGE 149, 315; 12. Juni 2013 - 7 AZR 917/11 - Rn. 32; 5. März 2013 - 1 AZR 417/12 - Rn. 40).

83

(2) § 10 Satz 1 AGG definiert nicht, was unter einem legitimen Ziel zu verstehen ist. Für die Konkretisierung des Begriffs des legitimen Ziels ist deshalb auf Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG zurückzugreifen. Legitime Ziele iSv. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG, dh. Ziele, die als geeignet angesehen werden können, eine Ausnahme vom Grundsatz des Verbots von Diskriminierungen aus Gründen des Alters zu rechtfertigen, sind - obgleich die in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG enthaltene Aufzählung nicht erschöpfend ist (EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge ua.] Rn. 80, Slg. 2011, I-8003) - wegen der als Beispiele genannten Bereiche Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung nur solche, die mit der Beschäftigungspolitik, dem Arbeitsmarkt und der beruflichen Bildung im Zusammenhang stehen, und damit nur rechtmäßige Ziele aus dem Bereich „Sozialpolitik“ (vgl. EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge ua.] Rn. 81, aaO; dazu auch BAG 23. Juli 2015 - 6 AZR 457/14 - Rn. 36, BAGE 152, 134; 19. Dezember 2013 - 6 AZR 790/12 - Rn. 26 mwN, BAGE 147, 89). Ziele, die als legitim iSd. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG angesehen werden können, stehen als „sozialpolitische Ziele“ im Allgemeininteresse. Dadurch unterscheiden sie sich von Zielen, die im Eigeninteresse des Arbeitgebers liegen, wie Kostenreduzierung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Dabei ist es zwar nicht ausgeschlossen, dass eine nationale Vorschrift den Arbeitgebern bei der Verfolgung der sozialpolitischen Ziele einen gewissen Grad an Flexibilität einräumt (EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 52, Slg. 2011, I-6919; 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 46, Slg. 2009, I-1569). Ein unabhängig von Allgemeininteressen verfolgtes Ziel eines Arbeitgebers kann eine Ungleichbehandlung jedoch nicht rechtfertigen (vgl. BAG 23. Juli 2015 - 6 AZR 457/14 - aaO).

84

(3) Nach § 10 Satz 1 AGG reicht es - ebenso wie nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG - für die Rechtfertigung einer unmittelbaren Benachteiligung wegen des Alters nicht aus, dass der Arbeitgeber mit der unterschiedlichen Behandlung ein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG verfolgt; hinzukommen muss nach § 10 Satz 2 AGG, dass die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Beides ist im Hinblick auf das konkret angestrebte Ziel zu beurteilen (vgl. etwa EuGH 9. September 2015 - C-20/13 - [Unland] Rn. 43; 26. September 2013 - C-546/11 - [Dansk Jurist- og Økonomforbund] Rn. 55 f.). Dabei sind in unionsrechtskonformer Auslegung von § 10 Satz 2 AGG die Mittel nur dann angemessen und erforderlich, wenn sie es erlauben, das mit der unterschiedlichen Behandlung verfolgte Ziel zu erreichen, ohne zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der legitimen Interessen derjenigen Personen zu führen, die wegen ihres Alters benachteiligt werden(vgl. etwa EuGH 9. September 2015 - C-20/13 - [Unland] aaO; 26. Februar 2015 - C-515/13 - [Ingeniørforeningen i Danmark] Rn. 25; 26. September 2013 - C-546/11 - [Dansk Jurist- og Økonomforbund] Rn. 56) und die Maßnahme nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung des angestrebten Ziels notwendig ist (vgl. EuGH 9. September 2015 - C-20/13 - [Unland] aaO; 26. September 2013 - C-546/11 - [Dansk Jurist- og Økonomforbund] Rn. 59; 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Rn. 65 mwN, Slg. 2005, I-9981).

85

(4) Um darzutun, dass eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters nach § 10 AGG gerechtfertigt ist, reicht es nicht aus, wenn der Arbeitgeber allgemein behauptet, dass die die unterschiedliche Behandlung bewirkende Maßnahme oder Regelung geeignet sei, der Beschäftigungspolitik, dem Arbeitsmarkt und der beruflichen Bildung zu dienen. Derartige allgemeine Behauptungen lassen nämlich nicht den Schluss zu, dass die gewählten Mittel zur Verwirklichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind (vgl. EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 77, Slg. 2011, I-6919; 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 51, Slg. 2009, I-1569; 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Rn. 65, Slg. 2005, I-9981; vgl. auch BAG 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08 - Rn. 35, BAGE 131, 61). Der Arbeitgeber hat hierzu vielmehr substantiierten Sachvortrag zu leisten (vgl. EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 82, aaO).

86

2. Sollte das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangen, dass die Stelle, auf die der Kläger sich beworben hat, von der Beklagten zu 1. unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben wurde und deshalb die Vermutung iSv. § 22 AGG besteht, dass der Kläger im späteren Auswahlverfahren wegen seines Alters benachteiligt wurde, wird es zu prüfen haben, ob die Beklagten Tatsachen vorgetragen und im Bestreitensfall bewiesen haben, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe, hier: das Alter, zu einer ungünstigeren Behandlung des Klägers geführt haben.

87

a) Solche Gründe können zwar idR nicht darin liegen, dass der Arbeitgeber - wie hier - später von einer Einstellung oder Beschäftigung eines anderen Bewerbers absieht, die Stelle also nach Beginn der eigentlichen Bewerberauswahl unbesetzt bleibt (vgl. im Einzelnen BAG 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 23 mwN). Die Auslegung und Anwendung von § 22 AGG darf nicht dazu führen, dass es der Arbeitgeber in der Hand hat, durch eine geeignete Verfahrensgestaltung die Chancen von Bewerbern und Bewerberinnen wegen der in § 1 AGG genannten Gründe so zu mindern, dass seine Entscheidung praktisch unangreifbar wird(vgl. BVerfG 21. September 2006 - 1 BvR 308/03 - Rn. 13 mwN, BVerfGK 9, 218). Eine andere Bewertung ist aber dann geboten, wenn der Arbeitgeber substantiiert vorträgt und ggf. beweist, dass das Auswahlverfahren aus sachlichen und nachvollziehbaren Gründen, zB weil zwischenzeitlich das Erfordernis, die Stelle überhaupt (neu) zu besetzen, entfallen ist, abgebrochen wurde, bevor die Bewerbung der klagenden Partei bei ihm eingegangen ist. In einem solchen Fall hat es kein Auswahlverfahren mehr gegeben, in dessen Verlauf die klagende Partei hätte diskriminiert werden können.

88

b) Entsprechendes kann gelten, sofern der Arbeitgeber substantiiert vorträgt und ggf. beweist, dass das Auswahlverfahren bereits abgeschlossen war, bevor die Bewerbung der klagenden Partei bei ihm eingegangen ist. Allerdings schließt der Umstand, dass eine ausgeschriebene Stelle bereits vor Eingang der Bewerbung der klagenden Partei besetzt wurde, nicht generell deren Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 AGG aus(BAG 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 42). Es kommt vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls an, beispielsweise darauf, ob ggf. eine vom Arbeitgeber gesetzte Bewerbungsfrist unterlaufen wird und/oder ob Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine bereits vor Eingang einer Bewerbung erfolgte Stellenbesetzung gleichwohl zu einer Benachteiligung des nicht berücksichtigten Bewerbers führt (vgl. dazu BAG 19. August 2010 - 8 AZR 370/09 - Rn. 30; 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - aaO).

89

c) Der Arbeitgeber kann die Vermutung, er habe die klagende Partei wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt, aber auch dadurch widerlegen, dass er substantiiert dazu vorträgt und im Bestreitensfall beweist, dass er bei der Behandlung aller Bewerbungen nach einem bestimmten Verfahren vorgegangen ist, das eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes ausschließt. Dies kann zum Beispiel anzunehmen sein, wenn der Arbeitgeber ausnahmslos alle Bewerbungen in einem ersten Schritt darauf hin sichtet, ob die Bewerber/innen eine zulässigerweise gestellte Anforderung erfüllen und er all die Bewerbungen von vornherein aus dem weiteren Auswahlverfahren ausscheidet, bei denen dies nicht der Fall ist. Der Arbeitgeber, der sich hierauf beruft, muss dann allerdings nicht nur darlegen und ggf. beweisen, dass ein solches Verfahren praktiziert wurde, sondern auch, dass er das Verfahren konsequent zu Ende geführt hat. Deshalb muss er auch substantiiert dartun und im Bestreitensfall beweisen, wie viele Bewerbungen eingegangen sind, welche Bewerber/innen aus demselben Grund ebenso aus dem Auswahlverfahren ausgenommen wurden, welche Bewerber/innen, weil sie die Anforderung erfüllten, im weiteren Auswahlverfahren verblieben sind und dass der/die letztlich ausgewählte Bewerber/in die Anforderung, wegen deren Fehlens die klagende Partei aus dem weiteren Auswahlverfahren vorab ausgenommen wurde, erfüllt.

90

Dabei muss sich die Anforderung, wegen deren Nichterfüllung die klagende Partei und ggf. andere Bewerber/innen aus dem weiteren Auswahlverfahren vorab ausgenommen werden, nicht ausdrücklich aus der Stellenausschreibung ergeben. Insoweit reicht es in jedem Fall aus, wenn die Anforderung in der Stellenausschreibung „Anklang“ gefunden hat oder sich aus dem in der Stellenausschreibung formulierten Anforderungsprofil ableiten lässt. Wird beispielsweise mit einer Stellenausschreibung eine Person gesucht, die über eine „herausragende“, „hervorragende“ oder „erstklassige“ (hier: juristische) Qualifikation verfügt, ist es jedenfalls dem privaten Arbeitgeber unbenommen, all die Bewerber/innen, die eine bestimmte Examensnote nicht erzielt haben, aus dem weiteren Auswahlverfahren auszunehmen. Jede/r Bewerber/in muss in einem solchen Fall bereits aufgrund der Stellenausschreibung damit rechnen, dass in einem Stellenbesetzungsverfahren, insbesondere wenn viele Bewerbungen eingehen, womöglich nur die Bewerbungen mit bestimmten Examensnoten eine Vorsichtung erfolgreich durchlaufen. Allerdings ist zu beachten, dass Anforderungen, die in der Stellenausschreibung keinen „Anklang“ gefunden haben und sich auch nicht aus dem in der Stellenausschreibung formulierten Anforderungsprofil ableiten lassen, vom Arbeitgeber seiner Vorauswahl nicht ohne Weiteres zugrunde gelegt werden dürfen. Insoweit muss der Arbeitgeber dartun und im Bestreitensfall beweisen, dass diese Anforderungen nicht nur vorgeschoben wurden (BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 536/08 - Rn. 43 mwN, BAGE 131, 86).

91

d) Soweit der Arbeitgeber darlegt und im Bestreitensfall beweist, dass die klagende Partei eine formale Qualifikation nicht aufweist oder eine formale Anforderung nicht erfüllt, die unverzichtbare Voraussetzung für die Ausübung der Tätigkeit/des Berufs an sich ist, kann idR davon ausgegangen werden, dass die Bewerbung ausschließlich aus diesem Grund ohne Erfolg blieb; in einem solchen Fall besteht demzufolge idR kein Kausalzusammenhang zwischen der benachteiligenden Behandlung und einem in § 1 AGG genannten Grund.

92

II. Sollte sich ergeben, dass nicht ausschließlich andere Gründe als das Alter zu einer ungünstigeren Behandlung des Klägers geführt haben, wird das Landesarbeitsgericht auf ein entsprechendes Vorbringen der Beklagten, das im Bestreitensfall zu beweisen wäre, auch der Frage nachzugehen haben, ob die unmittelbare Benachteiligung, die der Kläger durch die Nichtberücksichtigung im Auswahlverfahren wegen seines Alters erfahren hat, ausnahmsweise gerechtfertigt ist.

93

III. Sofern das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangen sollte, das Benachteiligungsverbot des AGG sei verletzt und dem Kläger stehe nach § 15 Abs. 2 AGG dem Grunde nach eine Entschädigung zu, wird es zu beachten haben, dass auch bei der Beurteilung der angemessenen Höhe der festzusetzenden Entschädigung nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG alle Umstände des Einzelfalls, wie etwa die Art und Schwere der Benachteiligung, ihre Dauer und Folgen, der Anlass und der Beweggrund des Handelns und der Sanktionszweck der Entschädigungsnorm zu berücksichtigen sind(vgl. ua. BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 662/13 - Rn. 44, BAGE 148, 158; 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 38; 17. Dezember 2009 - 8 AZR 670/08 - Rn. 38; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 82 mwN, BAGE 129, 181). Die Entschädigung muss einen tatsächlichen und wirksamen rechtlichen Schutz gewährleisten (vgl. EuGH 25. April 2013 - C-81/12 - [Asociatia ACCEPT] Rn. 63; 22. April 1997 - C-180/95 - [Draehmpaehl] Rn. 24, 39 f., Slg. 1997, I-2195; BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 662/13 - aaO). Die Härte der Sanktionen muss der Schwere des Verstoßes entsprechen, indem sie insbesondere eine wirklich abschreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber gewährleistet, zugleich aber den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt (EuGH 25. April 2013 - C-81/12 - [Asociatia ACCEPT] Rn. 63 mwN; BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 662/13 - aaO).

94

D. Im Hinblick auf die vom Landesarbeitsgericht zu treffende Kostenentscheidung weist der Senat darauf hin, dass sich diese - entgegen der Rechtsauffassung des Klägers - nach § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 91 ff. ZPO richtet, wobei bei einem nur teilweisen Obsiegen/Unterliegen des Klägers Veranlassung bestehen kann, von der in § 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch zu machen. Zwar trifft es zu, dass Verfahren, die Klagen wegen Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot des AGG zum Gegenstand haben, nicht weniger günstig gestaltet sein dürfen als Klageverfahren, die nur innerstaatliches Recht betreffen (Grundsatz der Äquivalenz) und dass die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert werden darf (Grundsatz der Effektivität) (st. Rspr. des EuGH, vgl. nur 28. Januar 2015 - C-417/13 - [Starjakob] Rn. 61 mwN). Dies ist aber bei Anwendung der §§ 91 ff. ZPO, nach denen sich der gerichtliche Kostenausspruch generell und einheitlich nach Obsiegen und Unterliegen richtet, ohne nach der „Herkunft“ des geltend gemachten Klageanspruchs zu differenzieren, nicht der Fall.

        

    Schlewing    

        

    Winter    

        

    Vogelsang    

        

        

        

    Der ehrenamtliche Richter Dr. Volz ist
an der Unterschriftsleistung verhindert.
Schlewing    

        

    B. Stahl    

                 

(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.

(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(4) Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(5) Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus einem in § 1 genannten Grund gilt als Benachteiligung. Eine solche Anweisung liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu einem Verhalten bestimmt, das einen Beschäftigten oder eine Beschäftigte wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt oder benachteiligen kann.

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 4. Februar 2010 - 1 Sa 12/09 - wird zurückgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe der Betriebsrente des vormaligen Klägers.

2

Der 1947 geborene und am 19. April 2009 verstorbene vormalige Kläger war vom 1. April 1970 bis zum 31. August 1997 beim Beklagten, einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt, beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis bestimmte sich nach dem Arbeitsvertrag vom 10./12. Dezember 1973, dessen § 7 lautet:

        

„Der NDR gewährt Versorgungsleistungen nach Maßgabe der jeweils gültigen tarifvertraglichen Versorgungsvereinbarung. Die Versorgungsvereinbarung gilt für alle Arbeitnehmer des NDR, die in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis stehen und bei ihrem letzten Eintreten in die Dienste des NDR das 55. Lebensjahr - bei weiblichen Arbeitnehmern das 50. Lebensjahr - noch nicht vollendet haben.“

3

Beim Beklagten gilt die tarifvertragliche Versorgungsvereinbarung des Norddeutschen Rundfunks vom 13. März 1997 (im Folgenden: VV 1997), die in ihrer damaligen Fassung ua. bestimmte:

        

㤠5

        

Höhe der Rente

        

(1)     

Die Alters- oder Berufsunfähigkeitsrente beträgt nach Ablauf der Wartezeit 35/100 des ruhegeldfähigen Einkommens. Sie erhöht sich nach dem vollendeten 10. Beschäftigungsjahr pro Jahr um 1/100, nach dem vollendeten 15. Beschäftigungsjahr pro Jahr um 1,5/100 und nach dem vollendeten 25. Beschäftigungsjahr pro Jahr um 1/100 bis zur Höchstgrenze von 60/100 des ruhegeldfähigen Einkommens.

        

…       

        
        

§ 6

        

Altersrente

        

(1)     

Die/der Berechtigte erhält Regelaltersrente nach Vollendung des 65. Lebensjahres. Die Altersrente wird erstmalig für den Monat gezahlt, der auf den Monat folgt, in dem die/der Berechtigte das 65. Lebensjahr vollendet und aus dem Dienst des NDR ausscheidet.

        

(2)     

Die/der Berechtigte erhält auf Antrag vorgezogene Altersrente, wenn sie/er vor Erreichen der Regelaltersrente durch Vorlage eines Rentenbescheides eines Sozialversicherungsträgers nachweist, daß sie/er Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung als Vollrente bezieht und sie/er aus dem Dienst des NDR ausscheidet.

                 

…       

        

§ 7

        

Rente wegen Berufsunfähigkeit

        

(1)     

Berufsunfähigkeitsrente erhält die/der Berechtigte, die/der berufsunfähig ist. Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die Arbeitsfähigkeit der/des Berechtigten infolge Krankheit oder anderer Gebrechen oder Schwächen der körperlichen und geistigen Kräfte auf weniger als die Hälfte der Arbeitsfähigkeit einer körperlich und geistig gesunden Arbeitnehmerin/eines körperlich und geistig gesunden Arbeitnehmers von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Eine durch Krankheit oder Unfall bedingte Arbeitsunfähigkeit gilt ab Beginn des 7. Monats als Berufsunfähigkeit.

        

…       

        
        

(5)     

Der Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente erlischt

                 

a)    

sobald die Berufsunfähigkeit endet,

                 

…       

        
                 

c)    

sobald die/der Berechtigte Altersrente nach § 6 erhält,

                 

d)    

mit Ablauf des Monats, in dem die/der Berechtigte stirbt. …

        

§ 14

        

Anrechnung

        

(1)     

Bei Eintritt des Rentenfalls werden auf die Renten angerechnet:

                 

a)    

Renten aus der Sozialversicherung …

        

§ 15

        

Obergrenze der Nettogesamtversorgung

        

(1)     

Die Versorgungsleistungen nach dieser Versorgungsvereinbarung dürfen unter Berücksichtigung der Beschäftigungsjahre folgende Gesamtversorgungsobergrenze nicht überschreiten:

                 

Die Obergrenze der Nettogesamtversorgung beträgt bis einschließlich 20 Beschäftigungsjahre 80/100, bei mehr als 20 bis einschließlich 25 Beschäftigungsjahren 85/100 und bei mehr als 25 Beschäftigungsjahren 90/100 des jeweiligen Nettovergleichseinkommens. Bei der Berechnung dieser Beschäftigungsjahre bleiben Zeiten, die nach § 4 Absatz 4 Buchstabe f) angerechnet wurden, unberücksichtigt.

                 

…       

        
        

(4)     

Gesamtversorgungsbezüge sind folgende monatliche Versicherungs- bzw. Versorgungsleistungen:

                 

-       

Leistungen, die der NDR aufgrund seiner Versorgungsvereinbarung erbringt.

                 

-       

Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung (einschließlich der Berücksichtigung von Ausfall-, Ersatz, Zurechnungs- und Nachversicherungszeiten) unter Einschluß des Zuschusses zur Krankenversicherung der Rentnerinnen und Rentner.

                 

…       

        

§ 16

        

Besitzstandsregelung

        

Für Berechtigte, die bei Inkrafttreten dieses Tarifvertrages Versorgungsbezüge erhalten und für Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer, deren ruhegeldfähige Dienstzeit gemäß § 4 vor dem 1. Januar 1984 begonnen hat, gilt § 15 nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen. Zeiten, die nach § 4 Absatz 4 Buchstabe f) angerechnet wurden, bleiben bei der Anwendung dieser Vorschrift unberücksichtigt.

        

…       

        
        

(2)     

Für Berechtigte, die bei Inkrafttreten dieses Tarifvertrages Versorgungsbezüge erhalten und bei denen die Obergrenze von 100/100 des Nettovergleichseinkommens überschritten ist, wird die Steigerung der NDR-Altersrente so lange ausgesetzt, bis die Nettogesamtversorgung die Obergrenze von 100/100 des jeweiligen Nettovergleichseinkommens nicht mehr überschreitet.

        

…“    

        
4

Durch den „Tarifvertrag zur Änderung der Versorgungsvereinbarung vom 13. März 1997 in der Fassung vom 12. September 2005“ wurde § 7 VV 1997(im Folgenden: § 7 VV 1997 nF) mit Wirkung zum 1. Dezember 2006 neu gefasst und lautet nunmehr auszugsweise:

        

㤠7

        

Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung sowie Übergangshilfe

        

(1)     

Teilweise Erwerbsminderungsrente bei Berufsunfähigkeit erhält, wer gemäß § 240 SGB VI eine teilweise Erwerbsminderungsrente bei Berufsunfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung erhält. Volle oder teilweise Erwerbsminderungsrente erhält, wer voll bzw. teilweise erwerbsgemindert ist, ehe sie/er Anspruch auf Altersrente hat.

                 

Die/der Berechtigte hat den Nachweis durch Vorlage des Rentenbescheides des Rentenversicherungsträgers zu führen.

        

…       

        
        

(4)     

Der Anspruch auf teilweise Erwerbsminderungsrente bei Berufsunfähigkeit, teilweise und volle Erwerbsminderungsrente erlischt

                 

a)    

sobald die Berufsunfähigkeit bzw. die teilweise oder volle Erwerbsminderung endet oder eine befristet gewährte Rente der gesetzlichen Rentenversicherung endet,

                 

b)    

sobald die/der Berechtigte Altersrente nach § 6 erhält,

                 

c)    

mit Ablauf des Monats, in dem die/der Berechtigte stirbt. …

                 

Die sich einer Rente nach § 7 anschließende Altersrente nach § 6 entspricht der zuvor gezahlten Rente nach § 7, wenn der Berechnung der NDR-Rente nach § 7 eine volle Erwerbsminderungsrente bzw. eine Erwerbsunfähigkeitsrente der gesetzlichen Rentenversicherung zugrunde lag.

                 

Lag der Berechnung der NDR-Rente nach § 7 als anzurechnende Rente der gesetzlichen Rentenversicherung eine Berufsunfähigkeitsrente, eine teilweise Erwerbsminderungsrente bei Berufsunfähigkeit oder eine teilweise Erwerbsminderungsrente zugrunde, dann erfolgt eine Neuberechnung der Altersrente nach § 6 entsprechend den Regelungen der Versorgungsvereinbarung zum Stichtag des Beginns der Altersrente. …

        

(5)     

Für die Berechnung der teilweisen Erwerbsminderungsrente bei Berufsunfähigkeit und der teilweisen oder vollen Erwerbsminderungsrente gelten die Vorschriften dieser Versorgungsvereinbarung zum Zeitpunkt der Berechnung bzw. einer Neuberechnung nach Absatz 4.

        

…“    

        
5

Der vormalige Kläger bezog vom 1. September 1997 bis zum 30. Juni 2007 von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte eine Rente wegen Berufsunfähigkeit iHv. zuletzt 1.006,31 Euro brutto monatlich. Von dem Beklagten erhielt er in dieser Zeit monatliche Versorgungsleistungen iHv. zuletzt 1.944,57 Euro brutto.

6

Im März 2007 beantragte der vormalige Kläger bei der Deutschen Rentenversicherung die Gewährung einer vorgezogenen Altersrente für schwerbehinderte Menschen, die ihm durch Bescheid vom 14. Juni 2007 ab dem 1. Juli 2007 iHv. monatlich 1.531,49 Euro brutto gewährt wurde. Daraufhin berechnete der Beklagte die Versorgungsleistung ab dem 1. Juli 2007 neu und zahlte dem vormaligen Kläger seitdem eine monatliche Altersrente iHv. 1.106,50 Euro brutto.

7

Gegen die Neuberechnung hat sich der vormalige Kläger mit seiner Klage gewandt. Er hat die Auffassung vertreten, der Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, die Versorgungsleistung bei Beginn der vorgezogenen Altersrente neu zu berechnen. Die Bestimmung in § 7 Abs. 4 VV 1997 nF, die eine Neuberechnung der Versorgung nur dann vorsehe, wenn zuvor eine Berufsunfähigkeitsrente, eine teilweise Erwerbsminderungsrente bei Berufsunfähigkeit oder eine teilweise Erwerbsminderungsrente gezahlt wurde, nicht hingegen, wenn zuvor eine Rente wegen voller Erwerbsminderung oder Erwerbsunfähigkeit gezahlt wurde, verletze den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Außerdem verstoße die Neuregelung gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit, da die Neuberechnung dazu führe, dass die Regelung zur Besitzstandswahrung in § 16 Abs. 2 VV 1997 im Gegensatz zu denjenigen Versorgungsempfängern, bei denen keine Neuberechnung der Rente erfolge, keine Anwendung mehr finde. Er habe daher Anspruch auf Zahlung der Altersrente in Höhe der zuvor gezahlten Berufsunfähigkeitsrente.

8

Der vormalige Kläger hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass der Beklagte nicht berechtigt war, die Rente des Klägers auf der Grundlage des § 7 Abs. 4 Versorgungsvereinbarung vom 13. März 1997 in der ab dem 1. Dezember 2006 maßgeblichen Fassung zum 1. Juli 2007 neu zu berechnen;

        

2.    

festzustellen, dass der Beklagte dem Kläger eine Rente auf der Grundlage der Versorgungsvereinbarung vom 13. März 1997 in der ab dem 1. Dezember 2006 maßgeblichen Fassung unter Berücksichtigung der Versorgungsvereinbarung vom 29. Juli 1985 sowie des Urteils des BAG vom 20. Februar 2001 (- 3 AZR 25/00 -) ohne Neuberechnung nach § 7 Versorgungsvereinbarung vom 13. März 1997 über den 1. Juli 2007 hinaus gewähren muss.

9

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Nach Einlegung der Berufung im März 2009 ist der vormalige Kläger am 19. April 2009 verstorben. Der Rechtsstreit wurde nach Eintritt der Erben des vormaligen Klägers (Klägerinnen zu 1. und 3. und Kläger zu 2., im Folgenden: Kläger) von diesen fortgesetzt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Kläger, mit der sie die mit dem Klageantrag zu 2 begehrte Feststellung der Zahlungspflicht des Beklagten auf die Zeit bis zum Tod des vormaligen Klägers am 19. April 2009 beschränkt hatten, zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgen die Kläger die zuletzt gestellten Anträge weiter. Der Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Kläger gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die zulässige Klage ist unbegründet.

12

I. Die Klage ist zulässig.

13

1. Die Kläger wollen festgestellt wissen, dass der Beklagte nicht berechtigt war, die Versorgungsbezüge des vormaligen Klägers zum 1. Juli 2007, dem Beginn des Bezugs einer Altersrente für schwerbehinderte Menschen, neu zu berechnen, sondern dass die Versorgungsleistungen in der zuletzt für Juni 2007 gezahlten Höhe bis zum Tod des vormaligen Klägers am 19. April 2009 weiterzugewähren waren. Die weiteren im Klageantrag zu 2 genannten Angaben (Versorgungsvereinbarung vom 29. Juli 1985 und Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20. Februar 2001 - 3 AZR 25/00 -) haben insoweit keine eigenständige Bedeutung. Das Ziel des Antrags zu 2 ist erkennbar, die Verpflichtung des Beklagten festzustellen, dass dieser die vor dem 1. Juli 2007 gewährten Versorgungsleistungen trotz des Eintritts des neuen Versorgungsfalles des Bezugs einer vorgezogenen Altersrente nach § 6 Abs. 2 VV 1997, in gleicher Höhe weitergewähren muss.

14

2. Die so verstandenen Klageanträge betreffen ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis und sind von dem erforderlichen Feststellungsinteresse getragen.

15

Zwar können nach § 256 Abs. 1 ZPO bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein. Eine Feststellungsklage muss sich allerdings nicht notwendig auf ein Rechtsverhältnis insgesamt erstrecken. Sie kann sich vielmehr auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auch auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken (vgl. etwa BAG 15. Februar 2011 - 3 AZR 35/09 - Rn. 29, AP BetrAVG § 1 Auslegung Nr. 13 = EzA BetrAVG § 1 Betriebsvereinbarung Nr. 9). So verhält es sich hier. Die Feststellungsanträge betreffen die Berechtigung zur Neuberechnung der Versorgungsleistung nach Eintritt des neuen Versorgungsfalles und damit den Umfang der Zahlungspflicht des Beklagten. Da hierüber zwischen den Parteien Streit besteht, haben die Kläger auch ein Interesse an alsbaldiger gerichtlicher Feststellung. Der Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit der Feststellungsanträge nicht entgegen. Ein Feststellungsinteresse ist gegeben, wenn auf diesem Weg eine sachgemäße, einfache Erledigung der auftretenden Streitpunkte - hier die Frage der Berechtigung des Beklagten, die Versorgungsleistung des vormaligen Klägers zum 1. Juli 2007 neu zu berechnen - zu erreichen ist und prozesswirtschaftliche Erwägungen gegen einen Zwang zur Leistungsklage sprechen (BAG 28. Juni 2011 - 3 AZR 286/09 - Rn. 17; 23. August 2011 - 3 AZR 650/09 - Rn. 31, AP BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 10 = EzA BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 11).

16

II. Die Klage ist unbegründet. Der Beklagte war nach § 7 Abs. 4 Unterabs. 3 VV 1997 nF berechtigt, die Rente des vormaligen Klägers zum 1. Juli 2007 neu zu berechnen. Er war nicht verpflichtet, über den 1. Juli 2007 hinaus bis zum Tod des vormaligen Klägers am 19. April 2009 die Versorgungsleistung in der bis zum 30. Juni 2007 geleisteten Höhe weiter zu gewähren. § 7 Abs. 4 Unterabs. 3 VV 1997 nF ist rechtswirksam, insbesondere verstößt die Regelung weder gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG noch haben die Tarifvertragsparteien die Grundsätze des Vertrauensschutzes bei der Schaffung der Neuregelung des § 7 VV 1997 nF mit Wirkung ab 1. Dezember 2006 missachtet.

17

1. Der Beklagte war berechtigt, die Versorgungsleistungen des vormaligen Klägers zum 1. Juli 2007 auf der Grundlage des auf das Versorgungsverhältnis aufgrund der Bezugnahme in § 7 des Arbeitsvertrags vom 10./12. Dezember 1973 anwendbaren § 7 Abs. 4 Unterabs. 3 Satz 1 VV 1997 nF iVm. § 6 VV 1997 neu zu berechnen.

18

a) Nach § 7 Abs. 4 Unterabs. 1 Buchst. b VV 1997 nF erlischt der Anspruch auf teilweise Erwerbsminderungsrente wegen Berufsunfähigkeit, sobald der Berechtigte Altersrente nach § 6 VV 1997 erhält. Lag der Berechnung der NDR-Rente als anzurechnende Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung eine Berufsunfähigkeitsrente zugrunde, erfolgt nach § 7 Abs. 4 Unterabs. 3 VV 1997 nF eine Neuberechnung der Altersrente nach § 6 VV 1997 entsprechend den Regelungen der Versorgungsvereinbarung zum Stichtag des Beginns der Altersrente.

19

b) Danach hatte zum 1. Juli 2007 eine Neuberechnung der Versorgungsleistungen des vormaligen Klägers zu erfolgen. Er bezog bis zum 30. Juni 2007 vom Beklagten Versorgungsleistungen wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Der Anspruch hierauf ist zum 1. Juli 2007 nach § 7 Abs. 4 Unterabs. 1 Buchst. b VV 1997 nF erloschen. Ab diesem Tag hatte der vormalige Kläger Anspruch auf vorgezogene Altersrente nach § 6 Abs. 2 VV 1997, da er seitdem eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen und damit ein Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung als Vollrente iSv. § 6 Abs. 2 VV 1997 bezog. Da der Berechnung der bis zum 30. Juni 2007 gewährten NDR-Rente eine Berufsunfähigkeitsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zugrunde lag, hatte eine Neuberechnung der Altersrente zu erfolgen.

20

2. Die Regelung in § 7 Abs. 4 Unterabs. 3 VV 1997 nF zur Neuberechnung der Altersrente beim vorherigen Bezug einer gesetzlichen Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit verstößt nicht gegen den Allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Die Ungleichbehandlung der von dieser Regelung betroffenen Versorgungsempfänger gegenüber Versorgungsempfängern, die vor der Altersrente eine gesetzliche Rente wegen voller Erwerbsminderung oder Erwerbsunfähigkeit bezogen haben und bei denen nach § 7 Abs. 4 Unterabs. 2 VV 1997 nF keine Neuberechnung der Versorgungsleistung erfolgt, ist sachlich gerechtfertigt.

21

a) Die Tarifvertragsparteien sind - jedenfalls mittelbar - an den Allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebunden(dazu ausführlich BAG 27. Mai 2004 - 6 AZR 129/03 - zu B II der Gründe, BAGE 111, 8; vgl. auch 16. Dezember 2003 - 3 AZR 668/02 - zu B III 1 der Gründe, BAGE 109, 129). Eine Tarifnorm verletzt den Allgemeinen Gleichheitssatz, wenn die Tarifvertragsparteien es versäumt haben, tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müssen. Bei der richterlichen Kontrolle von Tarifverträgen sind die aus der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Tarifautonomie nach Art. 9 Abs. 3 GG sich ergebenden Einschränkungen zu beachten. Die Tarifvertragsparteien haben danach eine Einschätzungsprärogative, soweit es um die Beurteilung der tatsächlichen Gegebenheiten oder Rechtsfolgen geht, sowie einen Beurteilungs- und Ermessensspielraum hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung der Regelung. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte zu klären, ob die Tarifvertragsparteien die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung für den zu regelnden Sachverhalt gefunden haben. Sie dürfen im Interesse der Praktikabilität, der Verständlichkeit und der Übersichtlichkeit auch typisierende Regelungen treffen. Bei der Überprüfung von Tarifverträgen anhand des Allgemeinen Gleichheitssatzes ist deshalb nicht auf die Einzelfallgerechtigkeit abzustellen, sondern auf die generellen Auswirkungen der Regelungen (BAG 22. Dezember 2009 - 3 AZR 895/07 - Rn. 25, BAGE 133, 33). Die aus dem Gleichheitssatz folgenden Grenzen sind dann überschritten, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine Ungleichbehandlung rechtfertigen können (vgl. BAG 22. Dezember 2009 - 3 AZR 895/07 - Rn. 25 mwN, aaO; 19. Juli 2011 - 3 AZR 398/09 - Rn. 25, AP BetrAVG § 1 Hinterbliebenenversorgung Nr. 27 = EzA BetrAVG § 1 Hinterbliebenenversorgung Nr. 15).

22

b) § 7 Abs. 4 Unterabs. 3 VV 1997 nF hält danach einer Prüfung am Maßstab des Allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG stand. Da die betriebliche Altersversorgung nach der VV 1997 als Gesamtversorgungssystem ausgestaltet ist, bei dem die Höhe der betrieblichen Versorgungsleistung ua. von der Höhe der gesetzlichen Rente abhängt, durften die Tarifvertragsparteien bestimmen, dass beim Übergang von einer gesetzlichen Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit zu einer Altersrente eine Neuberechnung der Versorgungsleistungen zu erfolgen hat, obwohl sie eine Neuberechnung der Versorgungsleistungen bei einer vorangegangenen gesetzlichen Rente wegen voller Erwerbsminderung oder Erwerbsunfähigkeit ausgeschlossen haben. Der sachliche Grund für die Differenzierung besteht darin, der unterschiedlichen Höhe der anzurechnenden gesetzlichen Rente wegen Berufsunfähigkeit, teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit und teilweiser Erwerbsminderung einerseits und der Rente wegen voller Erwerbsminderung und Erwerbsunfähigkeit andererseits Rechnung zu tragen.

23

aa) Nach § 5 Abs. 1 VV 1997 hängt die Höhe der Betriebsrente von der Dauer der Beschäftigung beim Beklagten und dem ruhegeldfähigen Einkommen ab. Auf die Rente werden nach § 14 Abs. 1 Buchst. a VV 1997 Renten aus der gesetzlichen Sozialversicherung angerechnet. Die Höhe der gesetzlichen Rente beeinflusst daher die Höhe der vom Beklagten zu zahlenden Betriebsrente. Die Höhe der gesetzlichen Rente hängt ua. vom Rentenartfaktor gemäß § 67 SGB VI ab. Dieser bestimmt nach § 63 Abs. 4 SGB VI das Sicherungsziel der jeweiligen Rentenart im Verhältnis zu einer Altersrente. Das Sicherungsziel der Altersrente ist ein voller Einkommensersatz. Zugleich ist das volle Sicherungsziel der Altersrente der Maßstab, an dem die Sicherungsziele der anderen Rentenarten gemessen werden (vgl. etwa Ruland in GK-SGB VI Stand August 2012 § 67 Rn. 8). Mit dem Rentenartfaktor 1,0 wird das vollständige Sicherungsziel ausgedrückt, während darunter liegende Rentenartfaktoren keinen vollständigen Ausgleich des Erwerbseinkommens beabsichtigen.

24

§ 67 SGB VI in der vom 1. Januar 1992 bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung sah ua. vor, dass der Rentenartfaktor für persönliche Entgeltpunkte bei Renten wegen Alters 1,0, bei Renten wegen Berufsunfähigkeit 0,6667 und bei Renten wegen Erwerbsunfähigkeit 1,0 beträgt. § 67 SGB VI in seiner ab dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung bestimmt, dass der Rentenartfaktor für persönliche Entgeltpunkte bei Renten wegen Alters 1,0, bei Renten wegen teilweiser Erwerbsminderung 0,5 und bei Renten wegen voller Erwerbsminderung 1,0 beträgt.

25

Die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und die Rente wegen voller Erwerbsminderung haben, da sie jeweils mit dem Rentenartfaktor 1,0 versehen sind, das Ziel, den durch die Erwerbsunfähigkeit bzw. Erwerbsminderung eingetretenen Einkommensverlust vollständig auszugleichen. Demgegenüber tragen der Rentenartfaktor von 0,6667 bei der Rente wegen Berufsunfähigkeit und der Rentenartfaktor von 0,5 bei der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung dem Umstand Rechnung, dass diese Rentenbezieher mit ihrem Restleistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch einsatzfähig und in der Lage sind, Einkommen zu erzielen (§ 43 Abs. 1 SGB VI), weshalb keine vollständige Absicherung des Einkommensverlustes vorgesehen ist.

26

bb) An dieser Unterscheidung haben sich die Tarifvertragsparteien bei der Schaffung des § 7 VV 1997 nF ausgerichtet. Sie haben in § 7 Abs. 4 VV 1997 nF eine Neuberechnung der Versorgungsleistung bei Eintritt des Versorgungsfalles Altersrente nach § 6 VV 1997 nur in den Fallgestaltungen vorgesehen, in denen zuvor eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezogen wurde, deren Sicherungsziel hinter dem vollen Sicherungsziel der Altersrente zurückbleibt, weil absehbar ist, dass die Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung wegen des Rentenartfaktors 1,0 höher ausfallen wird als die zuvor von der gesetzlichen Rentenversicherung bezogene Rente wegen Berufsunfähigkeit(Rentenartfaktor 0,6667) oder wegen teilweiser Erwerbsminderung (Rentenartfaktor 0,5). Durch den Bezug der Altersrente als Vollrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung verändert sich typischerweise die bei der Ermittlung der Rente nach § 6 VV 1997 iVm. § 14 VV 1997 anzurechnende Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ihrer Höhe nach. Anders verhält es sich bei Versorgungsempfängern, die vor der Rente wegen Alters eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder voller Erwerbsminderung bezogen haben. Diese Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sind bereits mit dem Rentenartfaktor von 1,0 errechnet, so dass keine wesentliche Veränderung der anzurechnenden Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bei Eintritt des Versorgungsfalles Alter zu erwarten steht. Dies rechtfertigt es, zu Beginn des Bezugs der Altersrente eine Neuberechnung der Versorgungsleistungen anzuordnen, wenn zuvor eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit bezogen wurde, jedoch von einer Neuberechnung abzusehen, wenn der Versorgungsempfänger zuvor eine Rente wegen voller Erwerbsminderung oder Erwerbsunfähigkeit erhalten hat.

27

3. Für den vorliegenden Rechtsstreit kann dahinstehen, ob die Rechtsauffassung der Kläger zutrifft, dass die Neuberechnung der Altersrente nach § 7 Abs. 4 Unterabs. 3, § 6 VV 1997 nF zur Folge hat, dass der dem vormaligen Kläger im Wege der Besitzstandswahrung nach § 16 VV 1997 während der Dauer des Bezugs der Berufsunfähigkeitsrente gewährte Überschreitungsbetrag in Wegfall gerät, was bei Versorgungsempfängern, deren Altersrente nach dem Bezug einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder voller Erwerbsminderung nicht neu berechnet wird, nach Auffassung der Kläger nicht der Fall ist. Sollte dies zutreffen und hierin ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz iSv. Art. 3 Abs. 1 GG liegen, führte dies nicht dazu, dass die Regelung in § 7 Abs. 4 Unterabs. 3 VV 1997 nF über die Neuberechnung der Altersrente insgesamt nichtig wäre und dem vormaligen Kläger die Rente in der bis zum 30. Juni 2007 geleisteten Höhe weiterzuzahlen gewesen wäre. Es bestünde allenfalls ein Anspruch darauf, dass der Überschreitungsbetrag bei der Neuberechnung der Altersrente berücksichtigt wird. Dies ist jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Die Klage ist ausschließlich auf Weitergewährung der Rente in der bis zum 30. Juni 2007 geleisteten Höhe ohne Neuberechnung gerichtet.

28

4. Auch Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes gebieten es - entgegen der Auffassung der Revision - nicht, die Neuberechnung der Versorgungsleistung des vormaligen Klägers zu Beginn des Bezugs der vorgezogenen Altersrente auszuschließen. Die Tarifvertragsparteien haben dem vormaligen Kläger durch die Neuregelung des § 7 VV 1997 nF mit Wirkung vom 1. Dezember 2006 keine Rechtsposition entzogen, die er zuvor innegehabt hatte. Auch nach der früheren Fassung des § 7 VV 1997 hätte zum 1. Juli 2007 eine Neuberechnung der Altersrente erfolgen müssen.

29

a) Nach § 7 Abs. 5 Buchst. c VV 1997 aF erlosch der Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente ua., sobald der Berechtigte Altersrente nach § 6 VV 1997 erhielt. Weitere Regelungen für den Übergang vom Versorgungsfall „Berufsunfähigkeit“ zum Versorgungsfall „Alter“ waren in § 7 VV 1997 aF nicht enthalten, insbesondere gab es keine § 7 Abs. 4 Unterabs. 2 und Unterabs. 3 VV 1997 nF entsprechenden Regelungen. Folglich war bei Eintritt des neuen Versorgungsfalles Alter die Altersrente nach § 6 Abs. 2 VV 1997(neu) zu berechnen.

30

b) An dieser Rechtslage hat die Regelung in § 7 Abs. 4 VV 1997 nF für den vormaligen Kläger nichts geändert. Nach § 7 Abs. 4 Unterabs. 1 Buchst. b VV 1997 nF erlischt der Anspruch auf teilweise Erwerbsminderungsrente wegen Berufsunfähigkeit, wenn der Berechtigte Altersrente nach § 6 VV 1997 erhält. § 7 Abs. 4 Unterabs. 3 VV 1997 nF bestimmt für die Versorgungsempfänger, die eine NDR-Rente nach § 7 VV 1997 beziehen und deren Berechnung als anzurechnende Rente der gesetzlichen Rentenversicherung eine Berufsunfähigkeitsrente, eine teilweise Erwerbsminderungsrente bei Berufsunfähigkeit oder eine teilweise Erwerbsminderungsrente zugrunde liegt, eine Neuberechnung der Altersrente nach § 6 VV 1997 entsprechend den Regelungen der Versorgungsvereinbarung zum Stichtag des Beginns der Altersrente.

31

III. Die Kläger haben die Kosten der Revision gemäß § 97 Abs. 1, § 100 Abs. 1 ZPO zu tragen.

        

    Gräfl    

        

    Schlewing    

        

    Spinner    

        

        

        

    Schmidt    

        

    Schepers    

                 

(1) Werden einem Arbeitnehmer Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber zugesagt (betriebliche Altersversorgung), gelten die Vorschriften dieses Gesetzes. Die Durchführung der betrieblichen Altersversorgung kann unmittelbar über den Arbeitgeber oder über einen der in § 1b Abs. 2 bis 4 genannten Versorgungsträger erfolgen. Der Arbeitgeber steht für die Erfüllung der von ihm zugesagten Leistungen auch dann ein, wenn die Durchführung nicht unmittelbar über ihn erfolgt.

(2) Betriebliche Altersversorgung liegt auch vor, wenn

1.
der Arbeitgeber sich verpflichtet, bestimmte Beiträge in eine Anwartschaft auf Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung umzuwandeln (beitragsorientierte Leistungszusage),
2.
der Arbeitgeber sich verpflichtet, Beiträge zur Finanzierung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung zu zahlen und für Leistungen zur Altersversorgung das planmäßig zuzurechnende Versorgungskapital auf der Grundlage der gezahlten Beiträge (Beiträge und die daraus erzielten Erträge), mindestens die Summe der zugesagten Beiträge, soweit sie nicht rechnungsmäßig für einen biometrischen Risikoausgleich verbraucht wurden, hierfür zur Verfügung zu stellen (Beitragszusage mit Mindestleistung),
2a.
der Arbeitgeber durch Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung verpflichtet wird, Beiträge zur Finanzierung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung nach § 22 zu zahlen; die Pflichten des Arbeitgebers nach Absatz 1 Satz 3, § 1a Absatz 4 Satz 2, den §§ 1b bis 6 und 16 sowie die Insolvenzsicherungspflicht nach dem Vierten Abschnitt bestehen nicht (reine Beitragszusage),
3.
künftige Entgeltansprüche in eine wertgleiche Anwartschaft auf Versorgungsleistungen umgewandelt werden (Entgeltumwandlung) oder
4.
der Arbeitnehmer Beiträge aus seinem Arbeitsentgelt zur Finanzierung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung leistet und die Zusage des Arbeitgebers auch die Leistungen aus diesen Beiträgen umfasst; die Regelungen für Entgeltumwandlung sind hierbei entsprechend anzuwenden, soweit die zugesagten Leistungen aus diesen Beiträgen im Wege der Kapitaldeckung finanziert werden.

(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.

(2) Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, sind unwirksam.

(3) Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 14. Mai 2013 - 5 Sa 283/12 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über weiteres Entgelt.

2

Der Beklagte betreibt in C (Mecklenburg-Vorpommern) eine Kfz-Werkstatt nebst Gebrauchtteilehandel und Abschleppdienst. Pannenhilfe und das Abschleppen liegen gebliebener Fahrzeuge bietet er - unter „Abschleppdienst S“ - auch von P aus an.

3

Der Kläger war im Kleinbetrieb des Beklagten vom 1. Dezember 2009 bis zum 30. April 2012 als Fahrer für den Abschleppdienst und Pannenhelfer beschäftigt und in P eingesetzt. Er verdiente 1.000,00 Euro netto monatlich.

4

Grundlage des Arbeitsverhältnisses war der Formulararbeitsvertrag vom 24. November 2009, in dem es auszugsweise heißt:

        

㤠2

        

Arbeitsentgelt

        

1.    

Der Arbeitnehmer erhält eine Nettovergütung in Höhe von 1000,00 € monatlich in der bereits 30 Einsätze/Monat (außerhalb der normalen Arbeitszeit) enthalten sind. Not- und Bereitschaftsdienst wird nicht gesondert vergütet.

                 

Außerdem erhält der Arbeitnehmer eine Zulage für zusätzliche Einsätze während der Bereitschaftszeit:

                          

- Pannenhilfe PKW

10€/Brutto/Auftrag

                          

- Abschleppen PKW

10€/Brutto/Stunde

                                            
        

2.    

Die Zulage ist jederzeit frei widerruflich und kann bei Tariflohn- und Ortsklassenänderungen aufgerechnet werden. Auch bei mehrmaliger Zahlung durch den Arbeitgeber erwirbt der Arbeitnehmer keinen Rechtsanspruch auf Zahlung der Zulage.

        

3.    

Die Zahlung des Arbeitsentgelts erfolgt bis zum 10. des Folgemonats der Beschäftigung. Evtl. anfallende Zulagen werden am 10. des darauf folgenden Monats auf das Konto des Mitarbeiters überwiesen. Die Lohnabrechnung wird ebenfalls zum 10. ausgehändigt.

        

…       

        
        

§ 9

        

Besondere Vereinbarungen

        

1.    

Der unterzeichnende Arbeitnehmer erklärt sich unwiderruflich bereit, im Wechsel mit den anderen Kollegen der Werkstatt die Ruf-Bereitschaft und den damit anfallenden Not-Dienst aufrecht zu erhalten.

        

…       

        
        

7.    

Für die Übernahme der Ruf-Bereitschaft wird ein Pauschal-Entgelt bezahlt, dessen Höhe frei vom Arbeitgeber festgesetzt wird. Zur Frage des Rechtsanspruches einer solchen Vergütung wird auf § 2 Abs. 2 dieses Vertrags verwiesen.

        

8.    

Auf Verlangen des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers müssen angefallene Überstunden und deren Zuschläge als Freizeit genommen werden (siehe § 3 des Manteltarifvertrages). Eine abweichende Regelung muss schriftlich vereinbart werden.

        

…       

        
        

11.     

Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, auf Verlangen des Arbeitgebers einen Doppel-Telefonanschluss zu unterhalten, um während der Ruf-Bereitschaft immer erreichbar zu sein. Über die hierdurch entstehenden Einrichtungskosten ist eine einvernehmliche Kostentragungspflicht zu treffen.

        

…       

        
        

§ 12

        

Erlöschen von Ansprüchen

        

Ansprüche aus diesem Vertrag und aus dem Arbeitsverhältnis erlöschen, wenn sie nicht innerhalb von 3 Wochen nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis schriftlich gegenüber dem Arbeitgeber erhoben sowie innerhalb von weiteren 3 Wochen, also insgesamt 6 Wochen nach dem Ausscheiden, klageweise geltend gemacht werden.

        

…       

        

§ 16

        

Zusatzvereinbarungen

        

Es wird weiterhin vereinbart, dass der Arbeitnehmer jede 2. Woche den Nachtbereitschafts-Notdienst übernimmt. Ist genügend anderes einsatzfähiges Personal vorhanden, verringert sich diese Einsatzzeit entsprechend.“

5

Die Normalarbeitszeit des Klägers betrug 40 Wochenstunden, verteilt auf die Arbeitstage Montag bis Freitag. Dabei fuhr der Kläger in der Regel zwei bis drei Einsätze arbeitstäglich, bei schlechten Witterungsverhältnissen öfter. Ansonsten widmete er sich während der Normalarbeitszeit dem Reinigen des Abschleppfahrzeugs und dem Verkauf im Internet. Der Kläger wurde für Bereitschaften eingeteilt, während derer er auf Anruf Pannenhilfe leisten musste. In welchem Umfang der Kläger dabei Vollarbeit verrichtete, ist streitig geblieben.

6

Der Kläger hat mit der dem Beklagten am 21. August 2012 zugestellten Klage - soweit für die Revision von Belang - geltend gemacht, die vereinbarte Vergütung von 1.000,00 Euro netto monatlich sei zwar für die Normalarbeitszeit nicht zu beanstanden, werde aber durch die umfangreichen, nicht gesondert vergüteten Bereitschaften sittenwidrig niedrig. Deshalb stünde ihm eine übliche Vergütung von 1.992,00 Euro brutto monatlich zu. Zumindest seien Überarbeit und passive Bereitschaft zusätzlich zu vergüten. Er habe im Beschäftigungszeitraum 516 Stunden „Einsatzzeit“ geleistet.

7

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Belang - beantragt,

        

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger weiteres Arbeitsentgelt iHv. 55.768,00 Euro brutto abzüglich gezahlter 27.000,00 Euro netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22. August 2012 zu zahlen.

8

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, das vereinbarte Entgelt halte sich im Rahmen des Üblichen und sei auch unter Berücksichtigung der Bereitschaften nicht sittenwidrig niedrig. Zumindest fehle es an den subjektiven Anforderungen des Lohnwuchers und des wucherähnlichen Geschäfts.

9

Das Arbeitsgericht hat - soweit für die Revision von Belang - den Beklagten zur Zahlung von 2.000,00 Euro netto nebst Zinsen verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision des Klägers ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht in vollem Umfang zurückgewiesen. Die vereinbarte Vergütung ist zwar nicht nach § 138 Abs. 1 oder Abs. 2 BGB nichtig, doch hat der Kläger Anspruch auf gesonderte Vergütung der geleisteten Bereitschaften. In welcher Höhe die Klage insoweit begründet ist, kann der Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entscheiden. Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

11

I. Der Kläger hat keinen Anspruch auf weitere Vergütung für während der Normalarbeitszeit geleistete Arbeit unter dem Gesichtspunkt der Sittenwidrigkeit.

12

1. Der objektive Tatbestand sowohl des Lohnwuchers (§ 138 Abs. 2 BGB) als auch der des wucherähnlichen Geschäfts (§ 138 Abs. 1 BGB) setzt ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung voraus. Ein solches ist regelmäßig anzunehmen, wenn die Arbeitsvergütung nicht einmal zwei Drittel eines in dem Wirtschaftszweig üblicherweise gezahlten Tarifentgelts erreicht (st. Rspr. seit BAG 22. April 2009 - 5 AZR 436/08 - Rn. 14 ff., BAGE 130, 338). Dasselbe gilt, wenn bei fehlender Maßgeblichkeit der Tarifentgelte die vereinbarte Vergütung mehr als ein Drittel unter dem Lohnniveau, das sich für die auszuübende Tätigkeit in der Wirtschaftsregion gebildet hat, bleibt (BAG 19. August 2015 - 5 AZR 500/14 - Rn. 26 f. mwN).

13

In subjektiver Hinsicht verlangt der Tatbestand des Lohnwuchers eine Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen. Der subjektive Tatbestand des wucherähnlichen Geschäfts erfordert in der Regel eine verwerfliche Gesinnung des Arbeitgebers (BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 331/11 - Rn. 30 mwN, BAGE 141, 324). Dazu hat der Senat eine Vermutungsregel entwickelt. Ist der objektive Wert einer Arbeitsleistung mindestens doppelt so hoch wie der Wert der Gegenleistung, gestattet dieses besonders grobe Missverhältnis den tatsächlichen Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Arbeitgebers iSv. § 138 Abs. 1 BGB. Andernfalls muss der Arbeitnehmer zusätzliche Umstände, aus denen geschlossen werden kann, der Arbeitgeber habe die Not oder einen anderen den Arbeitnehmer hemmenden Umstand in verwerflicher Weise zu seinem Vorteil ausgenutzt, darlegen und im Streitfall beweisen (BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 268/11 - Rn. 35 ff., BAGE 141, 348).

14

Diese Voraussetzungen hat der Kläger nicht dargelegt. Er geht vielmehr selbst davon aus, dass in der Wirtschaftsregion Mecklenburg-Vorpommern für die vereinbarte Tätigkeit bei einer Normalarbeitszeit von 40 Wochenstunden ein Monatsentgelt von 1.000,00 Euro netto nicht sittenwidrig niedrig ist.

15

2. Eine sittengemäße Vergütung für die in der Normalarbeitszeit geleistete Arbeit kann nicht dadurch zur sittenwidrigen werden, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer in Verkennung der Rechtslage Vergütung von Mehrarbeit und Sonderformen der Arbeit vorenthält. Vielmehr sieht die Rechtsordnung in einem solchen Fall einen Anspruch auf - zusätzliche - Vergütung geleisteter Mehr- und Sonderarbeit vor.

16

a) Ob der Wert der Arbeitsleistung in einem auffälligen oder besonders groben Missverhältnis zur versprochenen Vergütung steht, beurteilt sich grundsätzlich nach einer Gesamtbetrachtung der vom Arbeitnehmer nach dem Arbeitsvertrag geschuldeten Arbeitsleistung und des vom Arbeitgeber dafür zu zahlenden Entgelts. Maßgebend ist der Vergleich zwischen dem objektiven Wert der Arbeitsleistung und der „faktischen“ Höhe der Vergütung, die sich aus dem Verhältnis von geschuldeter Arbeitszeit und versprochener Vergütung für eine bestimmte Abrechnungsperiode ergibt (BAG 17. Oktober 2012 - 5 AZR 792/11 - Rn. 20, BAGE 143, 212).

17

b) Das bedeutet jedoch nicht, dass es dabei nur auf die tatsächlich vom Arbeitgeber gezahlte Vergütung ankommt. Denn es geht bei § 138 BGB nicht um ein unsittliches Faktum oder Verhalten, sondern um die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts. Maßgebend ist, was der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für die abverlangte Arbeit nach der arbeitsvertraglichen Vereinbarung und der Rechtsordnung schuldet. Sind einzelne Abreden (wie zB eine Klausel zur Pauschalvergütung von Überstunden) bereits aus anderen Gründen rechtsunwirksam mit der Folge, dass dem Arbeitnehmer insoweit ein gesonderter Entgeltanspruch erwächst (zB Überstundenvergütung nach § 612 Abs. 1 BGB), bleibt dies bei der Prüfung der Sittenwidrigkeit außer Betracht. Ihr unterliegen nur diejenigen Teile der arbeitsvertraglichen Vergütungsvereinbarung, die - die zu prüfende Sittenwidrigkeit hinweg gedacht - ansonsten rechtswirksam sind.

18

3. Der arbeitsvertraglich vorgesehene teilweise Ausschluss einer - gesonderten - Vergütung von Mehrarbeit und Sonderformen der Arbeit ist unwirksam.

19

a) Nach § 2 Nr. 1 Satz 1 Arbeitsvertrag soll in dem Monatsentgelt von 1.000,00 Euro netto die Vergütung für „30 Einsätze/Monat (außerhalb der normalen Arbeitszeit)“ enthalten sein. Damit enthält die Vereinbarung eine Pauschalvergütung für Überstunden, die außerhalb der Normalarbeitszeit für Vollarbeit im zeitlichen Umfang der Dauer von 30 Einsätzen im Monat anfallen. § 2 Nr. 1 Satz 2 Arbeitsvertrag sieht vor, dass „Not- und Bereitschaftsdienst“ nicht gesondert vergütet wird.

20

b) Bei den Klauseln des Arbeitsvertrags handelt es sich, wovon auch das Landesarbeitsgericht ausgegangen ist, um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Dafür begründet bereits das äußere Erscheinungsbild eine tatsächliche Vermutung (vgl. BAG 17. August 2011 - 5 AZR 406/10 - Rn. 11 mwN, BAGE 139, 44), der keine der Parteien entgegengetreten ist.

21

Zudem sind sich die Parteien einig, dass der Kläger in einem Vollzeitarbeitsverhältnis stand und eine Normalarbeitszeit von 40 Wochenstunden vereinbart war, auch wenn dies im Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich festgehalten wurde. Dies bestätigt die vom Landesarbeitsgericht festgestellte tatsächliche Handhabung der Parteien und entspricht im Übrigen dem Umstand, dass ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer bei Fehlen einer ausdrücklichen Bestimmung der Dauer der Arbeitszeit im Formulararbeitsvertrag davon ausgehen darf, dass die regelmäßige Dauer der Arbeitszeit - unter Zugrundelegung einer Fünf-Tage-Woche und den in § 3 Satz 1 ArbZG vorgesehenen acht Stunden arbeitstäglich - 40 Wochenstunden nicht übersteigt(vgl. BAG 25. März 2015 - 5 AZR 602/13 - Rn. 14).

22

c) Soweit der Arbeitsvertrag eine Pauschalvergütung von Überstunden und „Not- und Bereitschaftsdienst“ vorsieht, sind die Klauseln des § 2 Nr. 1 Satz 1 und Satz 2 Arbeitsvertrag mangels hinreichender Transparenz unwirksam, § 307 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 1 Satz 2 BGB.

23

aa) Eine Klausel zur Pauschalvergütung von Überstunden ist nur klar und verständlich, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergibt, welche Arbeitsleistung in welchem zeitlichen Umfang von ihr erfasst werden soll. Der Arbeitnehmer muss bereits bei Vertragsabschluss erkennen können, was gegebenenfalls „auf ihn zukommt“ und welche Leistung er für die vereinbarte Vergütung maximal erbringen muss (BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 331/11 - Rn. 21 mwN, BAGE 141, 324). Dasselbe gilt, wenn Sonderformen der Arbeit wie Arbeitsbereitschaft, Bereitschaftsdienst oder Rufbereitschaft außerhalb der Normalarbeitszeit erbracht werden müssen und mitvergütet sein sollen.

24

bb) Nach diesen Grundsätzen sind die Klauseln nicht klar und verständlich. Der Arbeitnehmer kann § 2 Nr. 1 Satz 1 Arbeitsvertrag nicht entnehmen, in welchem zeitlichen Umfang er bei „30 Einsätzen/Monat“ zusätzlich über die Normalarbeitszeit hinaus Vollarbeit leisten muss. § 2 Nr. 1 Satz 2 Arbeitsvertrag lässt den Arbeitnehmer zwar wissen, dass „Not- und Bereitschaftsdienst“ nur insoweit gesondert vergütet werden soll, als er ab dem 31. Einsatz im Monat die in § 2 Nr. 1 Satz 3 Arbeitsvertrag vorgesehene „Zulage“ erhält. Unklar bleibt aber, in welchem zeitlichen Umfang er in der Abrechnungsperiode „Monat“ außerhalb der Normalarbeitszeit Vollarbeit leisten oder sich dafür bereithalten muss, um in den Genuss der Vergütung nach § 2 Nr. 1 Satz 3 Arbeitsvertrag zu kommen.

25

Zudem sorgt § 9 Arbeitsvertrag für zusätzliche Unklarheit. Denn dort verpflichtet sich der Kläger zu „Ruf-Bereitschaft“ (Nr. 1), für deren Übernahme ein „Pauschal-Entgelt“ vorgesehen ist (Nr. 7), es bleibt aber im Dunkeln, wann im Sinne des Klauselverwenders „Not- und Bereitschaftsdienst“ und wann „Ruf-Bereitschaft“ vorliegen soll. Schließlich sieht § 9 Nr. 8 Arbeitsvertrag vor, „angefallene Überstunden und deren Zuschläge“ müssten auf Verlangen „als Freizeit genommen“ werden, ohne dass an irgendeiner Stelle des Arbeitsvertrags klar und deutlich werden würde, welche Überstunden trotz der Pauschalvergütung in § 2 Arbeitsvertrag gleichwohl in Form von Freizeitausgleich vergütet werden.

26

II. Der Kläger hat Anspruch auf gesonderte Vergütung der geleisteten Bereitschaften und der dabei angefallenen Vollarbeit, und zwar unabhängig davon ob es sich - was sich aus den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht zweifelsfrei nachvollziehen lässt - bei den Bereitschaften im Rechtssinne um Bereitschaftsdienst oder Rufbereitschaft gehandelt hat (zu den Unterschieden BAG 19. November 2014 - 5 AZR 1101/12 - Rn. 16, 18 mwN; zum Umschlagen von Rufbereitschaft in Bereitschaftsdienst s. BAG 22. Januar 2004 - 6 AZR 543/02 - zu II 2 c der Gründe; ErfK/Wank 15. Aufl. § 2 ArbZG Rn. 30; Buschmann/Ulber ArbZG 8. Aufl. § 2 Rn. 21). Dies ergibt sich bereits aus dem Arbeitsvertrag. Die in der dortigen Regelung zur Vergütung von Bereitschaften enthaltenen Widersprüche und Lücken sind vom Landesarbeitsgericht im erneuten Berufungsverfahren - gegebenenfalls nach ergänzendem Sachvortrag der Parteien - im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu beheben.

27

1. Für Sonderformen der Arbeit kann eine gesonderte Vergütungsregelung getroffen und ein geringeres Entgelt als für Vollarbeit vorgesehen werden (vgl. BAG 20. April 2011 - 5 AZR 200/10 - Rn. 32, BAGE 137, 366; 19. November 2014 - 5 AZR 1101/12 - Rn. 16). Diese Möglichkeit greift das Regelungskonzept des Arbeitsvertrags - ohne weitere Differenzierung nach Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft - auf. Danach soll Vollarbeit in der Bereitschaft zum Teil mit der Vergütung für die Arbeit in der Normalarbeitszeit abgegolten sein, zum Teil mit der „Zulage“ nach § 2 Nr. 1 Satz 3 Arbeitsvertrag entlohnt werden. In gewissem Widerspruch dazu geht § 9 Nr. 8 Arbeitsvertrag mit der Regelung zum Freizeitausgleich für „angefallene Überstunden und deren Zuschläge“ von einer unbeschränkten Vergütung von Überstunden aus. Schließlich ist für das „Sich-Bereithalten“ außerhalb eines Einsatzes in § 9 Nr. 7 Satz 1 Arbeitsvertrag ein „Pauschal-Entgelt“ vorgesehen.

28

2. Dieses Regelungskonzept ist insoweit misslungen, als die Parteien damit ihr Ziel, für Bereitschaften eine in sich geschlossene gesonderte Vergütungsregelung zu schaffen, nicht vollständig erreicht haben. Der Pauschalvergütung eines Teils der Vollarbeit in der Bereitschaft steht die mangelnde Transparenz (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) und die Widersprüchlichkeit zur Regelung des § 9 Nr. 8 Arbeitsvertrag entgegen, während für die „inaktive Bereitschaft“ es der Beklagte versäumt hat, das arbeitsvertraglich vorgesehene „Pauschalentgelt“ festzusetzen.

29

Das Regelungskonzept der Parteien zur gesonderten Vergütung von Bereitschaften ist somit planwidrig unvollständig, wobei unerheblich ist, ob die Lückenhaftigkeit von Anfang an bestanden hat oder infolge nachträglicher Umstände eingetreten ist (vgl. BGH 28. Oktober 2015 - VIII ZR 13/12 - Rn. 69 mwN). Zur Verwirklichung des Regelungsplans der Parteien ist deshalb eine ergänzende Vertragsauslegung geboten. Diese hat sich nicht nur an dem hypothetischen Parteiwillen, sondern auch an dem objektiven Maßstab von Treu und Glauben zu orientieren. Maßgeblich ist, was die Parteien bei einer angemessenen, objektiv-generalisierenden Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Parteien vereinbart hätten (vgl. BAG 25. Juni 2015 - 6 AZR 383/14 - Rn. 39; BGH 28. Oktober 2015 - VIII ZR 13/12 - Rn. 72 - jeweils mwN).

30

3. Nach diesen Grundsätzen muss das Landesarbeitsgericht - nach Gewährung rechtlichen Gehörs - ermitteln, wie die Parteien die Vergütungsregelung für zu leistende Bereitschaften redlicher Weise vervollständigt hätten, wäre ihnen die Lückenhaftigkeit der getroffenen Regelung bewusst gewesen.

31

III. Der Anspruch des Klägers auf zusätzliche Vergütung der geleisteten Bereitschaften ist nicht nach der Ausschlussfristenregelung des § 12 Arbeitsvertrag verfallen. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Klausel der Kontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht standhält, weil die Kürze der Fristen auf beiden Stufen den Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligte(vgl. BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - BAGE 115, 19; 28. September 2005 - 5 AZR 52/05 - BAGE 116, 66).

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Volk    

        

        

        

    Reinders    

        

    Ilgenfritz-Donné    

                 

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 13/12 Verkündet am:
28. Oktober 2015
Ring,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 133 B, 157 D, 433 Abs. 2; AVBGasV § 4 Abs. 1, 2; GasRL (Richtlinie
2003/55/EG) Art. 3 Abs. 3 i.V.m. Anhang A; ZPO § 287 Abs. 2
Zur ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 157, 133 BGB) im Falle einer Regelungslücke
in einem Tarifkundenvertrag, die darauf beruht, dass § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV
mit den Transparenzanforderungen der Gas-Richtlinie 2003/55/EG unvereinbar
ist (EuGH, Urteil vom 23. Oktober 2014 - Rechtssachen C-359/11 und C400
/11, NJW 2015, 849 - Schulz und Egbringhoff) und nunmehr dieser Vorschrift
ein gesetzliches Preisänderungsrecht des Gasversorgers nicht (mehr) entnommen
werden kann (Bestätigung des Senatsurteils vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR
158/11, für BGHZ vorgesehen).
BGH, Urteil vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 13/12 - OLG Düsseldorf
LG Dortmund
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. Juli 2015 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Milger, die
Richterinnen Dr. Hessel und Dr. Fetzer sowie die Richter Dr. Bünger und
Kosziol

für Recht erkannt:
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 3. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 21. Dezember 2011 wird zurückgewiesen. Der Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin, ein regionales Energieversorgungsunternehmen, verlangt von dem Beklagten die Zahlung restlichen Entgelts für Erdgaslieferungen.
2
Der Beklagte bezieht seit Jahren von der Klägerin leitungsgebunden Erdgas für seinen privaten Haushalt. Die Klägerin gruppierte den Beklagten aufgrund einer kundenbegünstigenden, mengenabhängigen Bestabrechnung und aufgrund einer Mindestpreisregelung in den - nicht mit Sonderbedingungen versehenen - "Heizgas- und Vollversorgungstarif II" ein. Der genannte Tarif ist in den für den streitgegenständlichen Zeitraum geltenden Preisblättern der Klägerin als einer von vier Allgemeinen Tarifen für die (Grund- und Ersatz-) Versorgung mit Erdgas ausgewiesen.
3
Die Klägerin erhöhte zum 1. Januar 2005 den Arbeitspreis von bisher 3,34 ct/kWh netto auf 3,69 ct/kWh netto und machte dies vorher öffentlich bekannt. Der Beklagte widersprach der beabsichtigten Preiserhöhung mit Schreiben vom 17. Dezember 2004 und forderte die Klägerin auf, die Erforderlichkeit und Angemessenheit der Preiserhöhung durch Offenlegung ihrer Kalkulationsgrundlagen darzulegen. Mit Schreiben vom 23. Mai 2005 teilte er der Klägerin weiter mit, dass er seinen Widerspruch aufrechterhalte und daher Zahlungen allein auf der Grundlage des bisherigen Preises zuzüglich eines Zuschlags von 2 % leisten werde.
4
In der Folgezeit erhöhte die Klägerin - jeweils nach vorheriger öffentlicher Bekanntgabe - drei weitere Male ihren Arbeitspreis. Zum 1. Oktober 2005 erhöhte sie den Preis auf 4,13 ct/kWh netto, zum 1. Januar 2006 auf 4,53 ct/kWh netto und zum 1. Oktober 2006 auf 5,00 ct/kWh netto. Mit Wirkung zum 1. März 2007 senkte sie den Arbeitspreis auf 4,70 ct/kWh netto.
5
Der Beklagte zahlte auf die Jahresabrechnungen der Klägerin vom 22. Juni 2005, vom 23. Juni 2006, vom 22. Juni 2007 und vom 23. Juni 2008 nur die im Schreiben vom 23. Mai 2005 angekündigten Beträge.
6
Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin Zahlung des rückständigen Betrags aus den genannten Jahresabrechnungen in Höhe von 1.533,19 € nebst Zinsen. Die Klägerin macht geltend, Grund für die vorstehend genannten Preisänderungen seien jeweils Änderungen ihrer Bezugskosten gewesen, wobei sie mit den Preiserhöhungen ihre gestiegenen Bezugspreise nicht einmal in vollem Umfang weitergegeben habe.
7
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

8
Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

9
Das Berufungsgericht (OLG Düsseldorf, Urteil vom 21. Dezember 2011 - VI-3 U (Kart) 4/11, juris) hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
10
Die Klägerin habe gemäß § 433 Abs. 2 BGB Anspruch auf Zahlung der ausstehenden Rechnungsbeträge in Höhe von 1.533,19 €. Sie sei gemäß § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV berechtigt gewesen, die Gaspreise zu den von ihr gewählten Zeitpunkten in der erfolgten Weise anzupassen.
11
Der Beklagte sei jedenfalls in dem Zeitraum, in dem die genannten Preiserhöhungen erfolgt seien, nicht als Normsonderkunde, sondern als Tarifkunde im Sinne von § 1 Abs. 2 AVBGasV beziehungsweise als Haushaltskunde im Rahmen der Grundversorgung nach § 1 Abs. 1, 2 GasGVV einzustufen. Aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Abnehmers habe die Klägerin den Beklagten spätestens ab dem 1. Januar 2005 im Rahmen ihrer Versorgungspflicht nach den genannten Vorschriften, also aufgrund eines Tarifbeziehungsweise eines Grundversorgungsvertrags zu einem allgemeinen Tarif leitungsgebunden mit Gas beliefert. Dabei sei der Beklagte aufgrund einer kundenbegünstigenden Bestabrechnung und einer Mindestpreisregelung unter mehreren zur Auswahl stehenden allgemeinen Tarifen in den "Heizgas- und Vollversorgungstarif II" eingestuft worden. Ein Gasversorgungsunternehmen sei nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht darauf beschränkt, nur einen allgemeinen Tarif anzubieten.
12
Die Klägerin sei daher aufgrund des in § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV beziehungsweise des in § 5 Abs. 2 GasGVV geregelten Preisänderungsrechts zur Vornahme der erfolgten Preisänderungen berechtigt gewesen. Europarechtliche Vorgaben stünden der Anwendbarkeit der genannten Bestimmungen nicht entgegen. Die Anwendbarkeit der Bestimmung des § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV und der Nachfolgeregelung des § 5 Abs. 2 GasGVV werde nicht dadurch in Zweifel gezogen, dass der Bundesgerichtshof die Frage, ob die Vorschrift des § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV den europarechtlichen Transparenzanforderungen an Preisänderungsklauseln in der Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt (Gasrichtlinie) genüge, dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Klärung vorgelegt habe.
13
Denn selbst wenn der Gerichtshof der Europäischen Union die Europarechtskonformität des § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV für das Tarifkundenverhältnis wider Erwarten nicht bestätigen sollte, wären die Preisanpassungen der Klägerin nicht ohne weiteres unwirksam, weil den Versorgern dann im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ein Preisanpassungsrecht zugestanden werden müsse. Da ein Energieversorger einen Grundversorgungsvertrag im Hinblick auf die ihn nach § 36 Abs. 1 EnWG treffende Pflicht zur Aufrechterhaltung des Vertrags nicht wirksam kündigen könne, sei ihm der damit verbundene Eingriff in die Privatautonomie nur in Verbindung mit einer Preisanpassungsberechtigung zumutbar.
14
Die von der Klägerin nach § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV beziehungsweise nach § 5 Abs. 2 GasGVV vorgenommenen Preisanpassungen seien billig im Sinne des § 315 BGB, denn es seien entsprechende Bezugskostensteigerungen erfolgt, ohne dass in anderen Kostenpositionen Einsparungen hätten erzielt werden können. Dies habe die in zweiter Instanz durchgeführte Beweisaufnahme durch Vernehmung mehrerer Zeugen - darunter zwei (externe) Wirtschaftsprüfer , der Leiter des Finanz- und Rechnungswesens der Klägerin und deren ehemaliger Center-Leiter Energie- und Wasserwirtschaft - ergeben. Die Beweisaufnahme habe sogar die Behauptung der Klägerin bestätigt, dass diese ihre Bezugskostensteigerungen in keinem Gaswirtschaftsjahr in voller Höhe an ihre Gaskunden weitergegeben habe. Einer Einholung eines Sachverständigengutachtens habe es gemäß § 287 Abs. 2 ZPO nicht bedurft, weil der damit verbundene zeitliche und finanzielle Aufwand in keinem Verhältnis zur Klageforderung stehe. Außerdem sei es für die anzustellende Billigkeitsprüfung nicht erforderlich, die Preisbildung des Versorgers durch einen Sachverständigen mathematisch genau nachbilden zu lassen, wenn sich das Gericht - wie hier - durch Vernehmung von (sachkundigen) Zeugen die Überzeugung verschaffen könne, dass eine angemessene Preisbildung erfolgt sei.
15
Die (streitige) Frage, ob bei mehreren beanstandeten Tarifpreiserhöhungen jede Erhöhung für sich an § 315 BGB zu messen sei oder ob sich ihre Billigkeit nach einer Gesamtbetrachtung bestimme, sei dahingehend zu beantworten , dass es jeweils auf die in einem Gaswirtschaftsjahr (1. Oktober, 6 Uhr, bis zum 1. Oktober, 5.59 Uhr, des Folgejahres) vorgenommenen Preisänderungen ankomme. Eine nur die einzelne Preiserhöhung in den Blick nehmende Billigkeitsprüfung werde den tatsächlichen Gegebenheiten in der Gaswirtschaft nicht gerecht. Folglich sei eine einzelne Erhöhung des Arbeitspreises, die durch den bei ihrer Festsetzung prognostizierten, aber tatsächlich nicht in dem erwarteten Umfang eingetretenen Anstieg der Bezugskosten nicht vollständig abgedeckt werde, dennoch nicht unbillig, wenn in dem Gaswirtschaftsjahr insgesamt ein angemessenes Verhältnis zwischen Tarif- und Bezugskostenerhöhung erzielt werde.

II.

16
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand. Die Revision ist daher zurückzuweisen.
17
Das Berufungsgericht hat der Klägerin im Ergebnis zu Recht einen Anspruch aus § 433 Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem Gaslieferungsvertrag der Parteien auf Zahlung restlichen Entgelts in Höhe von 1.533,19 € nebst Zinsen für die in den Jahresabrechnungen der Klägerin von 2005 bis 2008 abgerechneten Gaslieferungen zuerkannt. Allerdings war die Klägerin entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts im Rahmen des hier vorliegenden Tarifkundenvertrags nicht schon deswegen zu einer Erhöhung des Arbeitspreises berechtigt , weil nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dem - hier maßgeblichen - § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV ein nur den in dieser Vorschrift genannten Wirksamkeitserfordernissen unterliegendes gesetzliches Recht entnommen worden ist, die Preise einseitig nach billigem Ermessen zu ändern. Denn an der vorbezeichneten Rechtsprechung kann nach dem auf Vorlage des Senats ergangenen Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof) vom 23. Oktober 2014 (Rs. C-359/11 und C-400/11, NJW 2015, 849 - Schulz und Egbringhoff) nicht festgehalten werden, da § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV nicht mit den Transparenzanforderungen der Gas-Richtlinie 2003/55/EG vereinbar ist. Ein diesen Transparenzanforderungen entsprechendes gesetzliches Preisänderungsrecht des Gasversorgungsunternehmens im Tarifkundenbereich kann auch nicht aus einer richtlinienkonformen Auslegung des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV oder der die Grundversorgung betreffenden Vorschriften des - der AVBGasV zugrundeliegenden - Energiewirtschaftsgesetzes hergeleitet werden, da eine solche Auslegung über den erkennbaren Willen des (nationalen) Gesetz- und Verordnungsgebers hinausginge. Eine unmittelbare Anwendung der Transparenzanforderungen der GasRichtlinie 2003/55/EG kommt im vorliegenden Fall ebenfalls nicht in Betracht.
18
Jedoch ergibt sich aus einer gebotenen ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 157, 133 BGB) des Gaslieferungsvertrages der Parteien, dass die Klägerin berechtigt ist, Kostensteigerungen ihrer eigenen (Bezugs-)Kosten während der Vertragslaufzeit an den Beklagten weiterzugeben, und sie verpflichtet ist, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen. Hiervon ausgehend war die Klägerin zu den streitgegenständlichen Erhöhungen des Arbeitspreises berechtigt und begegnen diese, wie das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler festgestellt hat, auch der Höhe nach keinen Bedenken.
19
1. Das Berufungsgericht hat den Energielieferungsvertrag der Parteien - entgegen der Auffassung der Revision - rechtsfehlerfrei als einen Tarifkundenvertrag (jetzt: Grundversorgungsvertrag) angesehen.
20
a) Nach der Rechtsprechung des Senats kommt es für die Frage, ob es sich bei öffentlich bekannt gemachten Vertragsmustern und Preisen um Tarifbeziehungsweise Grundversorgungsverträge mit allgemeinen Tarifpreisen im Sinne von § 6 Abs. 1 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWiG 1935) in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 752-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, Allgemeinen Tarifen im Sinne von § 10 Abs. 1 des Energiewirtschaftsgesetzes vom 24. April 1998 (BGBl. I S. 730; im Folgenden: EnWG 1998) oder Allgemeinen Preisen im Sinne von § 36 Abs. 1 des Gesetzes über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz - EnWG) vom 7. Juli 2005 (BGBl. I S. 1970; im Folgenden: EnWG 2005) handelt, darauf an, ob das betreffende Versorgungsunternehmen die Versorgung zu den öffentlich bekannt gemachten Bedingungen und Preisen - aus der Sicht eines durchschnittlichen Abnehmers - im Rahmen einer Versorgungspflicht nach den genannten Vorschriften oder unabhängig davon im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit anbietet (st. Rspr.; Senatsurteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, BGHZ 182, 59 Rn. 14; vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08, BGHZ 186, 180 Rn. 26; vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 295/09, NJW 2011, 1342 Rn. 23; vom 11. Mai 2011 - VIII ZR 42/10, NJW 2011, 2736 Rn. 32 mwN, insoweit in BGHZ 189, 356 nicht abgedruckt). Ersteres ist hier nach den rechtsfehlerfreien und von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts der Fall.
21
b) Wie das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend erkannt hat, steht es nach der Rechtsprechung des Senats einem Energieversorgungsunternehmen auch im Rahmen der Grundversorgung frei, verschiedene Tarife anzubieten, und zwar auch solche, bei denen - wie hier - die Tarifeinstufung automatisch nach dem Prinzip der Bestpreisabrechnung erfolgt (Senatsurteile vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08, aaO Rn. 27; vom 11. Mai 2011 - VIII ZR 42/10, aaO; vom 31. Juli 2013 - VIII ZR 162/09, BGHZ 198, 111 Rn. 34).
22
2. Im Ergebnis rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Klägerin im Rahmen des Tarifkundenvertrags der Parteien das Recht zustand, den Arbeitspreis in dem streitgegenständlichen Umfang zu erhöhen.
23
a) Der Senat hat ein berechtigtes Interesse (auch) von Gasversorgungsunternehmen , Kostensteigerungen während der Vertragslaufzeit an ihre Kunden weiterzugeben, grundsätzlich anerkannt (st. Rspr.; Senatsurteile vom 14. Mai 2014 - VIII ZR 114/13, BGHZ 201, 230 Rn. 35; vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO Rn. 22, und VIII ZR 56/08, BGHZ 182, 41 Rn. 24). Für den Tarifkundenbereich hat der Senat bis zu seinem Vorabentscheidungsersuchen in der Sache VIII ZR 71/10 (Senatsbeschluss vom 18. Mai 2011, ZIP 2011, 1620) der - hier gemäß § 115 Abs. 2 Satz 3 EnWG 2005 und der Übergangsregelung in § 23 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Gas aus dem Niederdrucknetz (Gasgrundversorgungsverordnung - GasGVV) vom 26. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2391) maßgeblichen - Vorschrift des § 4 Abs. 1 und 2 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden vom 21. Juni 1979 (BGBl. I S. 676 - AVBGasV) entnommen, dass dem Gasversorgungsunternehmen das Recht zusteht, Preise nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) zu ändern (st. Rspr.; siehe nur Senatsurteile vom 13. Juni 2007 - VIII ZR 36/06, BGHZ 172, 315 Rn. 14 ff.; vom 19. November 2008 - VIII ZR 138/07, BGHZ 178, 362 Rn. 26; vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 56/08, aaO Rn. 18 ff.; ebenso BGH, Urteil vom 29. April 2008 - KZR 2/07, BGHZ 176, 244 Rn. 26, 29). Weiter hat er aus dieser Vorschrift abgeleitet, dass den Gasversorger aufgrund der gesetzlichen Bindung des allgemeinen Tarifs an den Maßstab der Billigkeit zugleich die Rechtspflicht trifft, bei einer Preisänderung Kostensenkungen ebenso und nach gleichen Maßstäben zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen (Senatsurteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO Rn. 28; vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 81/08, WM 2010, 481 Rn. 18; jeweils mwN; ebenso BGH, Urteil vom 29. April 2008 - KZR 2/07, aaO Rn. 26).
24
aa) In § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV war bestimmt, dass das Gasversorgungsunternehmen zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen Gas zur Verfügung stellt und dass Änderungen der allgemeinen Tarife und Bedingungen erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam werden. Mit der Einfügung des Wortes "jeweiligen" sollte nach der Begründung des Verordnungsge- bers (BR-Drucks. 77/79, S. 34, 38) ausdrücklich klargestellt werden, dass das Versorgungsunternehmen die Möglichkeit hat, die allgemeinen Tarife durch öffentliche Bekanntgabe gleitend, das heißt ohne Kündigung, zu ändern. In der Begründung zu § 4 AVBGasV heißt es hierzu (aaO, S. 38): "Nach Absatz 1 sind die GVU [Gasversorgungsunternehmen] verpflichtet , die Kunden zu den 'jeweiligen' allgemeinen Tarifen und Bedingungen , wozu auch diejenigen Regelungen gehören, die sie in Ausfüllung der vorliegenden Verordnung vorsehen, zu versorgen. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass sich z.B. Tarifänderungen ohne entsprechende Kündigungen der laufenden Verträge nach öffentlicher Bekanntgabe (Absatz 2) vollziehen können. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass es sich um Massenschuldverhältnisse mit langfristiger Vertragsbindung handelt. Die GVU müssen die Möglichkeit haben, Kostensteigerungen während der Vertragslaufzeit in den Preisen an die Kunden weiterzugeben. Entsprechende Vertragskündigungen, verbunden mit dem Neuabschluss von Verträgen, würden hier vor allem zu praktischen Schwierigkeiten führen [...]"
25
Daraus hat der Senat hergeleitet, dass § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV, auch wenn darin ein Preisänderungsrecht nicht ausdrücklich kodifiziert ist, den Gasversorgungsunternehmen im Bereich der Versorgung von Tarifkunden ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gewährt (Senatsurteile vom 13. Juni 2007 - VIII ZR 36/06, aaO; vom 19. November 2008 - VIII ZR 138/07, aaO; vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 56/08, aaO Rn. 19 f.; ebenso BGH, Urteil vom 29. April 2008 - KZR 2/07, aaO Rn. 26, 29).
26
bb) Diese Vorschriften sind mit Wirkung zum 8. November 2006 durch § 5 Abs. 2 GasGVV ersetzt worden, ohne dass sich dadurch in der Sache etwas ändern sollte (Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 56/08, aaO Rn. 20; vgl. BR-Drucks. 306/06, S. 25 f., 43). Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 GasGVV ist der Grundversorger auch weiterhin nur verpflichtet, dem Kunden zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen und Bedingungen Gas zur Verfügung zu stellen. Entsprechend geht § 17 Abs. 1 Satz 3 GasGVV davon aus, dass Allgemeine Preise für Gas auf einer einseitigen Leistungsbestimmung durch den Versorger beruhen können, die der Kunde nach § 315 BGB auf ihre Billigkeit hin überprüfen lassen kann (Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 56/08, aaO).
27
b) Da die im Streitfall maßgebliche Regelung des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV hinsichtlich Anlass, Voraussetzungen und Umfang des dem Versorgungsunternehmen zustehenden einseitigen Leistungsbestimmungsrechts (vgl. hierzu Senatsurteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO Rn. 23, und VIII ZR 56/08, aaO Rn. 26; vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08, aaO Rn. 33; jeweils mwN) keine näheren tatbestandlichen Konkretisierungen enthält, hängt die Möglichkeit, dieser Vorschrift im Auslegungswege ein wirksames Preisänderungsrecht zu entnehmen, davon ab, ob solche tatbestandlichen Konkretisierungen von Art. 3 Abs. 3 Satz 4 bis 6 in Verbindung mit Anhang A Buchst. b oder c der Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG (ABl. Nr. L 176, S. 57; im Folgenden : Gas-Richtlinie; aufgehoben zum 3. März 2011 durch Art. 53 der Richtlinie 2009/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/55/EG, ABl. Nr. L 211, S. 94) gefordert werden (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Mai 2011 - VIII ZR 71/10, aaO Rn. 6).
28
aa) Der Senat hat deshalb mit vorgenanntem Beschluss vom 18. Mai 2011 dem Gerichtshof folgende Fragen gemäß Art. 267 AEUV zur Vorabentscheidung vorgelegt: "Ist Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang A Buchst. b und/oder c der Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG dahin auszulegen, dass eine nationale gesetzliche Regelung über Preisänderungen in Erd- gaslieferungsverträgen mit Haushalts-Kunden, die im Rahmen der allgemeinen Versorgungspflicht beliefert werden (Tarifkunden), den Anforderungen an das erforderliche Maß an Transparenz genügt, wenn in ihr Anlass, Voraussetzungen und Umfang einer Preisänderung zwar nicht wiedergegeben sind, jedoch sichergestellt ist, dass das Gasversorgungsunternehmen seinen Kunden jede Preiserhöhung mit angemessener Frist im Voraus mitteilt und den Kunden das Recht zusteht, sich durch Kündigung vom Vertrag zu lösen, wenn sie die ihnen mitgeteilten geänderten Bedingungen nicht akzeptieren wollen?"
29
bb) Der Gerichtshof hat diese Frage sowie die ihm durch Senatsbeschluss vom 29. Juni 2011 (VIII ZR 211/10, RdE 2011, 372) vorgelegte, zu gemeinsamer Entscheidung verbundene gleichlautende Frage zu § 4 Abs. 1 und 2 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden vom 21. Juni 1979 (BGBl. I S. 684 - AVBEltV) beziehungsweise zu § 5 Abs. 2 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Elektrizität aus dem Niederspannungsnetz vom 26. Oktober 2006 (Stromgrundversorgungsverordnung - StromGVV, BGBl. I S. 2391) und zu Art. 3 Abs. 5 Satz 3 bis 5 in Verbindung mit Anhang A Buchst. b oder c der Richtlinie 2003/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 96/92/EG (ABl. Nr. L 176, S. 37) mit Urteil vom 23. Oktober 2014 (Rs. C-359/11 und C-400/11, aaO - Schulz und Egbringhoff) wie folgt beantwortet: "Art. 3 Abs. 5 in Verbindung mit Anhang A der Richtlinie 2003/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 96/92/EG und Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang A der Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, die den Inhalt von unter die allgemeine Versorgungspflicht fallenden Verbraucherverträgen über Strom- und Gaslieferungen bestimmt und die Möglichkeit vorsieht, den Tarif dieser Lieferungen zu ändern, aber nicht gewährleistet, dass die Verbraucher rechtzeitig vor Inkrafttreten dieser Änderung über deren Anlass , Voraussetzungen und Umfang informiert werden."
30
Zur Begründung hat der Gerichtshof im Wesentlichen ausgeführt:
31
Neben den in den beiden Vorabentscheidungsersuchen des Senats genannten Richtlinien (Gas-Richtlinie und Strom-Richtlinie) finde hier - anders als in dem ebenfalls auf Vorlage des Senats (vgl. Senatsbeschluss vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 162/09, WM 2011, 850) ergangenen, Gaslieferungsverträge mit Sonderkunden betreffenden Urteil des Gerichtshofs vom 21. März 2013 (Rs. C-92/11, NJW 2013, 2253 - RWE Vertrieb AG; vgl. hierzu Senatsurteil vom 31. Juli 2013 - VIII ZR 162/09, aaO Rn. 46 ff.) - nicht auch die Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. Nr. L 95, S. 29; im Folgenden: Klausel-Richtlinie), Anwendung. Denn nach Art. 1 der Klausel-Richtlinie unterlägen Vertragsklauseln, die - wie hier - auf bindenden Rechtsvorschriften beruhten, nicht den Bestimmungen dieser Richtlinie (Rn. 51 f.).
32
Zweck der Gas-Richtlinie und der Strom-Richtlinie sei die Verbesserung der Funktionsweise des Elektrizitäts- und des Gasbinnenmarkts. Ein nichtdiskriminierender , transparenter und zu angemessenen Preisen gewährleisteter Netzzugang sei Voraussetzung für einen funktionierenden Wettbewerb und von größter Bedeutung für die Vollendung des Elektrizitäts- und des Gasbinnenmarkts. Den Bestimmungen der vorgenannten Richtlinien lägen Belange des Verbraucherschutzes zugrunde. Diese Belange stünden in engem Zusammenhang sowohl mit der Liberalisierung der in Rede stehenden Märkte als auch mit dem ebenfalls mit diesen Richtlinien verfolgten Ziel, eine stabile Elektrizitätsund Gasversorgung zu gewährleisten (Rn. 39 f.).
33
Art. 3 Abs. 3 der Gas-Richtlinie und Art. 3 Abs. 5 der Strom-Richtlinie enthielten die Bestimmungen, die die Erreichung des vorstehend genannten Ziels ermöglichten. Aus dem Wortlaut dieser Vorschriften gehe hervor, dass die Mitgliedstaaten geeignete Maßnahmen zum Schutz der Endkunden zu ergreifen und insbesondere dafür Sorge zu tragen hätten, dass für schutzbedürftige Kunden ein angemessener Schutz bestehe (Rn. 42). Da die Strom- und Gasversorger , wenn sie - wie hier - als Versorger letzter Instanz handelten, verpflichtet seien, im Rahmen der durch die nationalen Rechtsvorschriften auferlegten Verpflichtungen mit allen Kunden, die darum ersuchten und die dazu berechtigt seien, zu den in diesen Rechtsvorschriften vorgesehenen Bedingungen Verträge zu schließen, seien allerdings die wirtschaftlichen Interessen dieser Versorger insoweit zu berücksichtigen, als sie sich die andere Vertragspartei nicht aussuchen und den Vertrag nicht beliebig beenden könnten (Rn. 44). Was zum anderen konkret die Rechte der Kunden betreffe, müssten die Mitgliedstaaten nach den oben genannten Vorschriften der Richtlinien in Bezug auf die Transparenz der allgemeinen Vertragsbedingungen einen hohen Verbraucherschutz gewährleisten (Rn. 45). Den Kunden müsse neben ihrem in Anhang A Buchst. b beider Richtlinien verankerten Recht, sich vom Liefervertrag zu lösen, auch die Befugnis erteilt werden, gegen Änderungen der Lieferpreise vorzugehen (Rn. 46).
34
Um diese Rechte in vollem Umfang und tatsächlich nutzen und in voller Sachkenntnis eine Entscheidung über eine mögliche Lösung vom Vertrag oder ein Vorgehen gegen die Änderung des Lieferpreises treffen zu können, müssten die Kunden rechtzeitig vor dem Inkrafttreten dieser Änderung über deren Anlass, Voraussetzungen und Umfang informiert werden (Rn. 47). Folglich genüge eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche, die nicht gewährleiste, dass einem Haushaltskunden die vorstehend angeführte Information rechtzeitig übermittelt werde, den in der Gas-Richtlinie und in der StromRichtlinie aufgestellten Anforderungen nicht (Rn. 48).
35
c) An dieses Auslegungsergebnis sind die nationalen Gerichte gebunden. Deshalb kann - entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung - an der bisherigen Sichtweise des Senats, wonach § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV ein gesetzliches Preisänderungsrecht zu entnehmen ist, dessen wirksame Ausübung an keine weiteren als die in dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen geknüpft ist, jedenfalls für die Zeit nach Ablauf der gemäß Art. 33 Abs. 1 der GasRichtlinie bis zum 1. Juli 2004 reichenden Frist zu deren Umsetzung nicht mehr festgehalten werden.
36
d) Im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung oder einer richtlinienkonformen Rechtsfortbildung des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV oder der die Grundversorgung betreffenden Vorschriften des - der AVBGasV zugrunde liegenden und ihr übergeordneten - Energiewirtschaftsgesetzes lässt sich ein den Transparenzanforderungen der Gas-Richtlinie nach Maßgabe der vorgenannten Ausführungen des Gerichtshofs entsprechendes Recht des Gasversorgers zur einseitigen Änderung der Preise ebenfalls nicht herleiten.
37
aa) Ausgangspunkt für eine richtlinienkonforme Auslegung oder Rechtsfortbildung ist § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV, der durch das vorbezeichnete Urteil des Gerichtshofs und die sich daraus ergebende Unvereinbarkeit mit den Transparenzerfordernissen der Gas-Richtlinie nicht unanwendbar geworden ist. Gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b AEUV entscheidet der Gerichtshof beim Vorabentscheidungsverfahren lediglich über die Auslegung des Unionsrechts (vgl. nur EuGH, Rs. C-10/97 bis C-22/97, Slg. 1998, I-6307 Rn. 23 - Ministero delle Finanze; Rs. C-540/07, Slg. 2009, I-10983 Rn. 63 - Kommission/Italien; jeweils mwN), nicht hingegen über die Vereinbarkeit nationaler Rechtsnormen mit den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften und demzufolge auch nicht über die Frage der möglichen Unanwendbarkeit der betreffenden nationalen Rechtsnormen wegen deren Unionsrechtswidrigkeit (vgl. EuGH, Rs. C-292/92, Slg. 1993, I-6787 Rn. 8 - Hünermund; Rs. C‑265/01, Slg. 2003, I‑683 Rn. 18 mwN - Pansard).
38
bb) Die nationalen Gerichte sind nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs aufgrund des Umsetzungsgebots gemäß Art. 288 Abs. 3 AEUV und des Grundsatzes der Gemeinschaftstreue gemäß Art. 4 Abs. 3 EUV verpflichtet , die Auslegung des nationalen Rechts unter voller Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums, den ihnen das nationale Recht einräumt, soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen (vgl. nur EuGH, Rs. 14/83, Slg. 1984, 1891 Rn. 26, 28 - von Colson und Kamann; Rs. C-397/01 bis C-403/01, Slg. 2004, I-8835 Rn. 113 - Pfeiffer u.a.; Rs. C-565/12, NJW 2014, 1941 Rn. 54 mwN - LCL Le Crédit Lyonnais; Senatsurteile vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, BGHZ 192, 148 Rn. 24; vom 31. Juli 2013 - VIII ZR 162/09, aaO Rn. 55; BGH, Beschluss vom 16. April 2015 - I ZR 130/13, WRP 2015, 862 Rn. 26).
39
Dieser von der Rechtsprechung des Gerichtshofs geprägte Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung verlangt von den nationalen Gerichten mehr als eine bloße Auslegung im engeren Sinne. Er erfordert auch, das nationale Recht, wo dies nötig und möglich ist, richtlinienkonform fortzubilden (Senatsurteile vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 21 mwN; vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, aaO Rn. 30; BGH, Beschluss vom 16. April 2015 - I ZR 130/13, aaO). Eine Rechtsfortbildung setzt eine verdeckte Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus (Senatsurteile vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, aaO Rn. 22 mwN; vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, aaO Rn. 31). Eine solche ist etwa dann anzunehmen, wenn der Gesetzgeber mit der von ihm geschaffenen Regelung eine Richtlinie umsetzen wollte, hierbei aber deren Inhalt missver- standen hat (vgl. Senatsurteil vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, aaO Rn. 32 ff.).
40
cc) Diese Voraussetzungen sind hier indes nicht erfüllt. Eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung, die im Ergebnis dazu führte, die Transparenzanforderungen der Gas-Richtlinie in der Auslegung, die diese durch das oben genannte Urteil des Gerichtshofs vom 23. Oktober 2014 gefunden haben, in das nationale Recht, hier namentlich in § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV, ergänzend aufzunehmen , würde die den Gerichten durch den Willen des nationalen Gesetzgebers gezogenen Grenzen der Auslegung überschreiten. Dies gilt erst recht, wenn die Einhaltung dieser Transparenzanforderungen als Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Preisänderung anzusehen wäre (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 18. Mai 2011 - VIII ZR 71/10, aaO Rn. 6).
41
(1) Der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts unterliegt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs bestimmten Schranken. So findet die Verpflichtung des nationalen Richters, bei der Auslegung und Anwendung der einschlägigen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts den Inhalt einer Richtlinie heranzuziehen, ihre Schranken in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen und darf nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen (EuGH, Rs. C-351/12, GRUR 2014, 473 Rn. 45 - OSA; Rs. C-176/12, BB 2014, 2493 Rn. 39 mwN - Association de médiation sociale; Rs. C-12/08, Slg. 2009, I-6653 Rn. 61 - Mono Car Styling).
42
(2) Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gilt der Grundsatz richtlinienkonformer Auslegung nicht schrankenlos. Er findet vielmehr dort seine Grenze, wo die nationale Vorschrift nicht richtlinienkonform ausgelegt werden könnte, ohne dabei die Grenzen der verfassungsrechtlichen Bindung des Richters an das Gesetz zu sprengen. Eine die Gesetzesbindung des Richters überschreitende Auslegung ist auch durch den Grundsatz der Unionstreue nicht zu rechtfertigen (BVerfG, GmbHR 2013, 598, 601; NJW 2012, 669, 670 f.).
43
Art. 20 Abs. 2 GG, der dem Grundsatz der Gewaltenteilung Ausdruck verleiht, verwehrt es den Gerichten, Befugnisse zu beanspruchen, die die Verfassung dem Gesetzgeber übertragen hat, indem sie sich aus der Rolle des Normanwenders in die einer normsetzenden Instanz begeben und sich damit der Bindung an Recht und Gesetz entziehen. Der Rechtsfortbildung sind deshalb mit Rücksicht auf den aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit unverzichtbaren Grundsatz der Gesetzesbindung der Rechtsprechung (Art. 20 Abs. 3 GG) Grenzen gesetzt.
44
Dies gilt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gleichermaßen und unabhängig davon, ob das anzuwendende einfache nationale Recht der Umsetzung einer Richtlinie der Europäischen Union dient oder nicht. Dem steht nicht entgegen, dass der aus Art. 4 Abs. 3 EUV folgende Grundsatz der Unionstreue alle mitgliedstaatlichen Stellen, also auch Gerichte, dazu verpflichtet, diejenige Auslegung des nationalen Rechts zu wählen, die dem Inhalt einer EU-Richtlinie in der ihr vom Gerichtshof gegebenen Auslegung entspricht. Denn die unionsrechtliche Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung verpflichtet das nationale Gericht zwar, durch die Anwendung seiner Auslegungsmethoden ein richtlinienkonformes Ergebnis zu erzielen. Allerdings findet die Pflicht zur Verwirklichung des Richtlinienziels im Auslegungswege zugleich ihre Grenzen an dem nach innerstaatlicher Rechtstradition methodisch Erlaubten. Ob und inwieweit das innerstaatliche Recht eine entsprechende richtlinienkonforme Auslegung zulässt, können nur innerstaatliche Gerichte beurteilen. Sowohl die Identifizierung als auch die Wahrnehmung methodischer Spielräume des nationalen Rechts obliegt - auch bei durch Richtlinien determiniertem nationalem Recht - den nationalen Stellen in den Grenzen des Verfassungsrechts (BVerfG, NJW 2012, aaO mwN).
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(3) Dementsprechend hat auch der Bundesgerichtshof bereits entschieden , dass eine richtlinienkonforme Auslegung - ebenso wie die verfassungskonforme Auslegung - voraussetzt, dass durch eine solche Auslegung der erkennbare Wille des Gesetz- oder Verordnungsgebers nicht verändert wird, sondern die Auslegung seinem Willen (noch) entspricht (vgl. Senatsurteile vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, aaO Rn. 28; vom 17. Oktober 2012 - VIII ZR 226/11, BGHZ 195, 135 Rn. 22; BGH, Beschluss vom 16. Mai 2013 - II ZB 7/11, NJW 2013, 2674 Rn. 42; vgl. auch Senatsurteil vom 13. April 2011 - VIII ZR 220/10, BGHZ 189, 196 Rn. 47; BGH, Beschluss vom 16. April 2015 - I ZR 130/13, aaO; ebenso BAGE 82, 211, 225 f.; 106, 252, 261; jeweils mwN).
46
dd) Gemessen an diesen Grundsätzen kommt eine richtlinienkonforme Auslegung oder Rechtsfortbildung des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV oder des - dieser Vorschrift übergeordneten - § 36 Abs. 1 EnWG 2005 beziehungsweise - soweit auf den Streitfall noch anzuwenden - dessen Vorgängerregelung in § 10 Abs. 1 Satz 1 EnWG 1998 dahingehend nicht in Betracht, dass diesen Vorschriften ein an den Transparenzanforderungen des Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang A der Gas-Richtlinie nach Maßgabe der Auslegung des Gerichtshofs ausgerichtetes Recht des Gasversorgers zur einseitigen Änderung der Preise zu entnehmen wäre. Denn der Gesetz- und Verordnungsgeber hat im hier maßgeblichen Zeitraum und auch während der weiteren, bis zum 2. März 2011 reichenden Geltungsdauer der Gas-Richtlinie die in deren Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang A enthaltenen Transparenzanforderungen weder umgesetzt noch ergibt sich ein dahingehender Wille aus den Gesetzesund Verordnungsmaterialien. Diesen Materialien ist vielmehr zu entnehmen, dass der Gesetzgeber die Umsetzung insoweit dem Verordnungsgeber über- lassen wollte, der diese Aufgabe jedoch weder hinsichtlich der am 8. November 2006 außer Kraft getretenen AVBGasV noch bei Erlass der GasGVV wahrgenommen hat.
47
(1) Nach Art. 33 Abs. 1 der am 4. August 2003 in Kraft getretenen GasRichtlinie war diese bis spätestens 1. Juli 2004 in nationales Recht umzusetzen.
48
(a) Eine an Art. 3 Abs. 3 Satz 4 bis 6 in Verbindung mit Anhang A der Gas-Richtlinie angepasste Änderung der - hier anzuwendenden - AVBGasV durch den hierzu gemäß § 11 Abs. 2 EnWG 1998 ermächtigten Verordnungsgeber ist weder innerhalb der Umsetzungsfrist noch danach erfolgt. Eine dahingehende Aufforderung ist seitens des Gesetzgebers auch nicht ausgesprochen worden. Vielmehr sind Umsetzungsbestrebungen erstmals mit dem Gesetzentwurf zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts vom 14. Oktober 2004 (BTDrucks. 15/3917) erfolgt.
49
(b) Gemäß § 1 Abs. 3 des am 13. Juli 2005 schließlich in Kraft getretenen EnWG 2005 diente dieses Gesetz unter anderem der Umsetzung und der Durchführung des Europäischen Gemeinschaftsrechts auf dem Gebiet der leitungsgebundenen Energieversorgung. In der allgemeinen Begründung des dem EnWG 2005 zugrunde liegenden Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum Zweiten Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts vom 14. Oktober 2004 wird unter anderem ausgeführt, mit der Neufassung des EnWG würden die Strom-Richtlinie und die Gas-Richtlinie umgesetzt (BT-Drucks., aaO S. 46).
50
Jedoch sollte ausweislich der Gesetzesbegründung die Umsetzung der in Art. 3 Abs. 3 Satz 4 bis 6 in Verbindung mit Anhang A der Gas-Richtlinie enthaltenen Transparenzanforderungen (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Mai 2011 - VIII ZR 71/10, aaO Rn. 6) einschließlich der Rechte der Gaskunden, sich vom Liefervertrag zu lösen und gegen Änderungen der Lieferpreise vorzugehen, nicht durch den Gesetzgeber selbst erfolgen, sondern einer noch zu erlassenden Rechtsverordnung überlassen bleiben. Dies ergibt sich aus der Gesetzesbegründung zu §§ 36, 39 EnWG 2005.
51
In der Einzelbegründung zu § 36 EnWG 2005, dessen Abs. 1 Satz 1 bestimmt , dass Energieversorgungsunternehmen für Netzgebiete, in denen sie die Grundversorgung von Haushaltskunden durchführen, Allgemeine Bedingungen und Allgemeine Preise für die Versorgung in Niederspannung oder Niederdruck öffentlich bekannt zu geben und im Internet zu veröffentlichen und zu diesen Bedingungen und Preisen jeden Haushaltskunden zu versorgen haben, wird dem entsprechend unter anderem ausgeführt: "Die Vorschrift dient der Umsetzung von Artikel 3 Abs. 3 Satz 1 und 2 der Elektrizitätsrichtlinie und Artikel 3 Abs. 1 [gemeint möglicherweise: Abs. 3] Satz 1 bis 3 der Gasrichtlinie. […]. Der Inhalt des Grundversor- gungsvertrages kann nach § 39 durch Rechtsverordnung näher ausge- staltet werden. […]." (BT-Drucks., aaO S. 66)
52
Hieran anknüpfend heißt es in der Einzelbegründung zu § 39 EnWG 2005: "[…] Absatz 2 […] enthält die Grundlage für den Erlass von Rechtsverordnungen zur Regelung der Geschäftsbedingungen der Grundversorger bei der Grund- oder Ersatzversorgung von Haushaltskunden. Diese Bedingungen sind bisher Teil der […] Verordnungüber Allgemeine Be- dingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden (AVBGasV) […]. Die Anhänge A der Elektrizitätsrichtlinie und der Gasrichtlinie werden für die Belieferung von Haushaltskunden im Rahmen der Grundversorgung durch Rechtsverordnungen nach Absatz 2 umgesetzt." (BT-Drucks., aaO)
53
(c) Der Verordnungsgeber hat indes die ihm durch § 39 Abs. 2 EnWG 2005 übertragene Umsetzung der Anforderungen in Art. 3 Abs. 3 Satz 4 bis 6 in Verbindung mit Anhang A der Gas-Richtlinie in der Folgezeit nur beschränkt vorgenommen. Er hat sich bei der Schaffung der GasGVV damit begnügt, zu- sätzlich zu der bereits in § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV enthaltenen Wirksamkeitsvoraussetzung der öffentlichen Bekanntmachung der Preisänderung eine hierauf bezogene Mindestfrist von sechs Wochen einzuführen und - zum Zwecke einer erleichterten Kenntnisnahme für den Kunden, nicht hingegen als ein weiteres Wirksamkeitserfordernis - eine Verpflichtung des Gasversorgers zu schaffen , zeitgleich mit der öffentlichen Bekanntgabe der Preisänderungen diese auch auf seiner Internetseite zu veröffentlichen und eine briefliche Mitteilung an den Kunden zu versenden.
54
Zwar heißt es in der allgemeinen Begründung des Entwurfs vom 4. Mai 2006 zu der auf der Ermächtigungsgrundlage in § 39 Abs. 2 EnWG 2005 beruhenden Verordnung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie zum Erlass von Regelungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung hinsichtlich der beiden neuen Grundversorgungsverordnungen (StromGVV und GasGVV): "In den Grundversorgungsverordnungen werden neben den notwendigen formalen Anpassungen eine Vielzahl bisheriger Regelungen der AVBEltV und AVBGasV geändert und eine Vielzahl neuer Regelungen vorgesehen, um die Rechtsstellung von Haushaltskunden gegenüber Grundversorgern weiter zu verbessern. Hierzu zählen insbesondere Verbesserungen der Möglichkeiten, den Energielieferanten zu wechseln, kundenfreundlichere Gestaltungen von Fristen, Stärkungen der Kundenschutzrechte , Verbesserungen der Transparenz und Klarstellungen zur Anwendbarkeit des § 315 des BürgerlichenGesetzbuchs." (BR-Drucks. 306/06, S. 21)
55
In der Einzelbegründung zu § 5 GasGVV, der Nachfolgeregelung des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV, wird jedoch - durch Bezugnahme auf die Einzelbegründung zu § 5 StromGVV - ausgeführt: "[…] Im Interesse der Haushaltskunden wird der Grundversorger nach Absatz 2 Satz 1 zusätzlich verpflichtet, Änderungen der Allgemeinen Preise und der Allgemeinen Bedingungen jeweils nur zum Monatsbeginn vorzunehmen und mindestens sechs Wochen vor der beabsichtigten Änderung öffentlich bekannt zu geben. Darüber hinaus wird der Grundversorger nach Absatz 2 Satz 2 erstmalig verpflichtet, die Änderungen am Tage der öffentlichen Bekanntgabe auch auf seiner Internetseite zu veröffentlichen. […].Die Ergänzungen der bisherigen Regelung sollen die Möglichkeit eines zügigen Lieferantenwechsels von Haushaltskunden im Falle einer Änderung der Allgemeinen Preise oder Allgemeinen Bedingungen ermöglichen." (BR-Drucks., aaO S. 26, 43)
56
§ 5 Abs. 2 GasGVV sollte demnach lauten: "Änderungen der Allgemeinen Preise und der ergänzenden Bedingungen werden jeweils zum Monatsbeginn und erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam, die mindestens sechs Wochen vor der beabsichtigten Änderung erfolgen muss. Der Grundversorger ist verpflichtet, die Änderungen am Tage der öffentlichen Bekanntgabe auf seiner Internetseite zu veröffentlichen."
57
Einer Empfehlung der Ausschüsse, in § 5 Abs. 2 Satz 1 GasGVV die Wörter "nach öffentlicher Bekanntgabe" durch die Wörter "nach brieflicher Mitteilung an den Kunden" zu ersetzen (BR-Drucks. 306/1/06, S. 8), ist der Bundesrat nicht gefolgt und hat zur Begründung angeführt (BR-Drucks. 306/06 [Beschluss ], S. 8 f.): "Auf Grund der speziellen Gegebenheiten bei der Grundversorgung (Vertragsschluss bereits durch Gasentnahme) ist es jedoch im Sinne der Rechtssicherheit erforderlich, die Wirksamkeit von Vertragsänderungen /Preisänderungen nicht vom Zugang an einen möglicherweise nicht bekannten Kunden (z. B. Mieterwechsel) abhängig zu machen, […] sondern an die öffentliche Bekanntmachung zu knüpfen. Gleichwohl soll der Kunde eine briefliche Mitteilung erhalten, die u. U. das Preisbewusstsein des Kunden steigern und den Wettbewerb anregen kann."
58
Der Bundesrat hat daher der Verordnung durch Beschluss vom 22. September 2006 unter anderem mit der Maßgabe zugestimmt, dass § 5 Abs. 2 Satz 2 GasGVV - bei unverändertem Satz 1 dieses Absatzes - wie folgt gefasst wird (BR-Drucks. 306/06 [Beschluss], S. 8): "Der Grundversorger ist verpflichtet, zu den beabsichtigten Änderungen zeitgleich mit der öffentlichen Bekanntgabe eine briefliche Mitteilung an den Kunden zu versenden und die Änderungen auf seiner Internetseite zu veröffentlichen."
59
In dieser Fassung ist § 5 Abs. 2 GasGVV sodann erlassen worden (BGBl. 2006 I S. 2391, 2397 f.).
60
(2) Bei dieser Sachlage kommt eine zusätzliche Berücksichtigung der vom Gerichtshof dem Art. 3 Abs. 3 Satz 4 bis 6 in Verbindung mit Anhang A der Gas-Richtlinie entnommenen Transparenzanforderungen im Wege richtlinienkonformer Auslegung oder Rechtsfortbildung nicht in Betracht. Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass regelmäßig von einem Willen des Gesetz- und Verordnungsgebers zur richtlinientreuen Umsetzung auszugehen ist (vgl. nur BGH, Urteile vom 9. April 2002 - XI ZR 91/99, BGHZ 150, 248, 257; vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, aaO Rn. 25; vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, aaO Rn. 34; vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 Rn. 23; BAGE 130, 119, 136; EuGH, Rs. C-397/01 bis C-403/01, Slg. 2004, I-8835 Rn. 112 - Pfeiffer u.a.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 8. Januar 2014 - V ZB 137/12, NVwZ 2014, 1111 Rn. 11).
61
Denn im Verordnungsgebungsverfahren ist deutlich geworden, dass zum einen dem Informationsinteresse des Gaskunden im Hinblick auf die Besonderheiten der Grundversorgung und aus Gründen der Rechtssicherheit Grenzen gesetzt und zum anderen ein Bedürfnis zur Transparenz nur hinsichtlich des Umfangs einer Preisänderung anerkannt werden sollten. Diese Sichtweise ist erst nach Erlass der neuen Gas-Richtlinie, der Richtlinie 2009/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/55/EG [Gas-Richtlinie] (ABl. Nr. L 211, S. 94; im Folgenden: neue GasRichtlinie ) aufgegeben worden. Der Verordnungsgeber hat nunmehr im Rahmen einer durch die Verordnung zur transparenten Ausweisung staatlich ge- setzter oder regulierter Preisbestandteile in der Strom- und Gasgrundversorgung vom 22. Oktober 2014 (BGBl. I S. 1631) erfolgten Änderung der GasGVV (im Folgenden: GasGVV 2014) eine Umsetzung der in der neuen Gas-Richtlinie ebenfalls enthaltenen, mit der Vorgängerrichtlinie im Wesentlichen inhaltsgleichen Transparenzanforderungen vorgenommen (ebenso Markert, LMK 2014, 364601, Ziffer 3c; VersorgW 2015, 37, 39). Hierzu hat er § 5 Abs. 2 Satz 2 in der GasGVV 2014 um einen Halbsatz ergänzt, wonach der Gasversorger den Umfang, den Anlass und die Voraussetzungen der Änderung sowie den Hinweis auf die Rechte des Kunden nach § 5 Abs. 3 GasGVV 2014 (unter anderem das Recht, den Vertrag ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderungen zu kündigen) und die Angaben nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 GasGVV 2014 (Angaben zu den Allgemeinen Preisen nach § 36 Abs. 1 EnWG) in übersichtlicher Form anzugeben hat.
62
Nach der - die neue Gas-Richtlinie und die neue Strom-Richtlinie zu Anfang erwähnenden - Begründung des Entwurfs der vorgenannten Verordnung vom 22. Oktober 2014 zielt diese darauf ab, für den grundversorgten Haushaltskunden die Transparenz zu erhöhen und ihn durch zusätzliche Informationen besser in die Lage zu versetzen, die Zusammensetzung und Änderungen des allgemeinen Preises zu bewerten. Hierzu setze die neue Regelung auf den in der GasGVV bereits bestehenden Informationspflichten auf und konkretisiere diese (BR-Drucks. 402/14, S. 6 ff., 15 f.). In der Einzelbegründung zu § 5 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 GasGVV 2014 heißt es: "[…] Die Einfügung des neuen § 5 Absatz 2 Satz 2 zweiter Halbsatz stellt inhaltliche Anforderungen an die Informationen des Grundversorgers nach § 5 Absatz 2 Satz 2 klar. Die Benennung des Umfangs einer Änderung ist bereits nach geltendem Recht notwendig. Daneben sind Anlass und Voraussetzungen einer Änderung anzugeben. Als Voraussetzung in diesem Sinne erscheint die jeweilige Rechtsgrundlage einer Änderung. Der Kunde erfährt auf diese Weise den Rechtsgrund einer Änderung und den Anlass, aus dem die rechtliche Grundlage von dem Grundversorger im konkreten Fall genutzt wird." (BR-Drucks., aaO S. 24, 28)
63
Die Verordnungsmaterialien zur GasGVV 2014 bestätigen damit, dass der Verordnungsgeber vor der Einfügung des § 5 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 GasGVV 2014 die Schaffung gesteigerter Transparenzanforderungen zum Zwecke der Umsetzung des Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang A der GasRichtlinie nicht für erforderlich erachtet hatte. Der im Jahr 2014 schließlich vorhandene Umsetzungswille des Verordnungsgebers vermag indes für den im vorliegenden Fall maßgeblichen früheren Zeitraum nichts an der oben vorgenommenen Beurteilung der Frage einer richtlinienkonformen Auslegung oder Rechtsfortbildung zu ändern. Denn es kommt entscheidend auf den damaligen Willen des Verordnungsgebers an.
64
e) Die Transparenzanforderungen des Art. 3 Abs. 3 Satz 4 bis 6 in Verbindung mit Anhang A der Gas-Richtlinie sind auf den vorliegenden Fall schließlich auch nicht unmittelbar anwendbar.
65
aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes kann sich der Einzelne in all den Fällen, in denen die Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind, vor nationalen Gerichten gegenüber dem Staat auf diese Bestimmungen berufen, wenn dieser die Richtlinie nicht fristgemäß oder nur unzulänglich in das nationale Recht umgesetzt hat (siehe nur EuGH, Rs. 41/74, Slg. 1974, 1337 Rn. 9 ff. - van Duyn; Rs. C-148/78, Slg. 1979, 1629 Rn. 18 ff. - Ratti; Rs. 8/81, Slg. 1982, 53 Rn. 17ff. - Becker; Rs. 152/84, Slg. 1986, 723 Rn. 46 ff. - Marshall; Rs. 103/88, Slg. 1989, 1839 Rn. 28 ff. - Fratelli Costanzo SpA; Rs. C-397/01 bis 403/01, aaO Rn. 103 - Pfeiffer u.a.; jeweils mwN; vgl. BAGE 128, 134, 154; [sogenannte vertikale Direktwirkung]). So kann sich der Einzelne auf unbedingte und hinreichend genaue Bestimmungen einer Richtlinie auch gegenüber Organisationen oder Einrichtungen - unabhängig von ihrer Rechtsform - berufen, die dem Staat oder dessen Aufsicht unterstehen oder mit besonderen Rechten ausgestattet sind, die über diejenigen hinausgehen, die nach den Vorschriften für die Beziehungen zwischen Privatpersonen gelten (EuGH, Rs. C-188/89, Slg. 1990, I-3313 Rn. 17 ff. - Foster u.a.; Rs. C-253/96 bis C-258/96, Slg. 1997, I-6907 Rn. 46 f. - Kampelmann u.a.; jeweils mwN).
66
Hingegen kann nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Richtlinie in Fällen, in denen sich ausschließlich Private gegenüberstehen, nicht selbst Verpflichtungen für einen Einzelnen begründen, so dass ihm gegenüber eine Berufung auf die Richtlinie als solche nicht möglich ist; sogar eine klare, genaue und unbedingte Richtlinienbestimmung, mit der dem Einzelnen Rechte gewährt oder Verpflichtungen auferlegt werden sollen, kann deshalb im Rahmen eines Rechtsstreits, in dem sich ausschließlich Private gegenüberstehen , nicht als solche Anwendung finden (siehe nur EuGH, Rs. C-397/01 bis C-403/01, aaO Rn. 108 f. - Pfeiffer u.a.; Rs. C-80/06, Slg. 2007,I-4473 Rn. 20 - Carp; jeweils mwN; vgl. BAGE 128, aaO; [sogenannte horizontale Direktwirkung ]).
67
bb) Nach diesen Grundsätzen kommt eine unmittelbare Anwendung der Transparenzanforderungen des Art. 3 Abs. 3 Satz 4 bis 6 in Verbindung mit Anhang A der Gas-Richtlinie hier nicht in Betracht. Zwar ist die Gas-Richtlinie nicht fristgemäß in nationales Recht umgesetzt worden und ist eine solche Umsetzung auch nicht innerhalb des für den Streitfall maßgeblichen späteren Zeitraums erfolgt, wobei dahingestellt bleiben kann, ob die vorgenannten Transparenzanforderungen der Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau im Sinne der vorstehend genannten Rechtsprechung des Gerichtshofs sind (vgl. hierzu Keller-Herder/Baumbach, ER 2015, 3, 5 f.; Uffmann, NJW 2015, 1215, 1217). Das Berufungsgericht hat jedoch weder festgestellt noch ist sonst er- sichtlich, dass es sich bei der Klägerin um eine Organisation oder Einrichtung im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung des Gerichtshofs handelt (siehe oben aa). Übergangenen Tatsachenvortrag zeigt die Revision insoweit nicht auf.
68
f) Wegen der demnach nicht zu behebenden Unvereinbarkeit des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV mit Art. 3 Abs. 3 Satz 4 bis 6 in Verbindung mit Anhang A der Gas-Richtlinie lässt sich das vom Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend angenommene Recht der Klägerin zur Preisänderung nicht (mehr) auf diese Vorschrift stützen. Entgegen der Auffassung der Revision führt dies jedoch nicht zur Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Preiserhöhungen. Denn ein Preisänderungsrecht der Klägerin ergibt sich aus einer gebotenen ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 157, 133 BGB) des Gaslieferungsvertrages der Parteien.
69
aa) Eine ergänzende Vertragsauslegung setzt eine Regelungslücke, mithin eine planwidrige Unvollständigkeit des Vertrages voraus. Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass die Parteien mit der getroffenen Regelung ein bestimmtes Ziel erreichen wollten, dies aber wegen der Lückenhaftigkeit des Vereinbarten nicht gelungen ist (BGH, Urteile vom 12. Oktober 2012 - V ZR 222/11, NJWRR 2013, 494 Rn. 9; vom 23. Mai 2014 - V ZR 208/12, NJW 2014, 3439 Rn. 8; vom 15. Oktober 2014 - XII ZR 111/12, WM 2014, 2280 Rn. 70 mwN). Die Lücke muss nicht von Anfang an bestanden haben, sie kann auch infolge nachträglicher Umstände eingetreten sein (BGH, Urteil vom 12. Oktober 2012 - V ZR 222/11, aaO mwN).
70
bb) So liegt der Fall hier. Der Regelungsplan der Parteien für den zwischen ihnen geschlossenen Tarifkundenvertrag war durch die Regelungender AVBGasV bestimmt, welche kraft dieser Rechtsverordnung zwingend Bestand- teil des Versorgungsvertrages sind (§ 1 Abs. 1 Satz 2 AVBGasV). Aufgrund der Besonderheiten der Grundversorgung kommt dem Preisänderungsrecht des Gasversorgers, welches nach allgemeiner Auffassung dem § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV entnommen wurde, grundlegende Bedeutung zu. Da § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV jedoch insoweit nach den im Urteil des Gerichtshofs vom 23. Oktober 2014 (Rs. C-359/11 und C-400/11, aaO - Schulz und Egbringhoff) aufgezeigten Maßstäben als unionsrechtswidrig anzusehen ist und daher nicht (mehr) als Rechtsgrundlage eines Preisänderungsrechts des Gasversorgers in Betracht kommt, ist eine verdeckte planwidrige Verordnungslücke eingetreten, die aus den oben (unter II 2 d) genannten Gründen nicht durch eine richtlinienkonforme Auslegung geschlossen werden kann.
71
Diese Verordnungslücke führt, da die Regelungen der AVBGasV Bestandteil des Gaslieferungsvertrages der Parteien sind und letztere daher bei Abschluss ihres Tarifkundenvertrages das Bestehen eines gesetzlichen Preisänderungsrechts als gegeben vorausgesetzt haben, zu einer von ihnen unbeabsichtigten Unvollständigkeit des Vertrages in einem wesentlichen Punkt.
72
cc) Eine somit gebotene ergänzende Vertragsauslegung hat sich nicht nur an dem hypothetischen Parteiwillen, sondern auch an dem objektiven Maßstab von Treu und Glauben zu orientieren und muss zu einer die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigenden Regelung führen. Es geht daher darum zu ermitteln, was die Parteien bei einer angemessenen, objektivgeneralisierenden Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben redlicherweise vereinbart hätten, wenn sie bedacht hätten, dass die Wirksamkeit der angewendeten Preisänderungsbestimmung jedenfalls unsicher war (vgl. Senatsurteil vom 14. März 2012 - VIII ZR 113/11, BGHZ 192, 372 Rn. 24 mwN; Senatsbeschluss vom 17. Juli 2012 - VIII ZR 13/12, juris Rn. 10).
73
Hätten die Parteien bei Vertragsabschluss bedacht, dass die Vereinbarkeit des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV entnommenen gesetzlichen Preisänderungsrechts mit unionsrechtlichen Vorgaben zumindest unsicher ist, hätten sie bei angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner eine - allerdings auf die bloße Weitergabe von (Bezugs-) Kostensteigerungen begrenzte - Möglichkeit des Grundversorgers zur einseitigen Änderung des Tarifs vereinbart. Die Lücke im Vertrag ist demnach im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 157, 133 BGB in der Weise zu schließen, dass die Klägerin berechtigt ist, Steigerungen ihrer eigenen (Bezugs-)Kosten, soweit diese nicht durch Kostensenkungen in anderen Bereichen ausgeglichen werden (vgl. Senatsurteil vom 19. November 2008 - VIII ZR 138/07, aaO Rn. 39 mwN), während der Vertragslaufzeit an den Beklagten weiterzugeben , und sie verpflichtet ist, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen.
74
(1) Bei langfristigen Vertragsverhältnissen, insbesondere solchen, die auf Leistungsaustausch gerichtet sind, besteht ein anerkennenswertes Bedürfnis, das bei Vertragsschluss bestehende Verhältnis von Leistung und Gegenleistung über die gesamte Vertragsdauer im Gleichgewicht zu halten (Senatsurteile vom 14. März 2012 - VIII ZR 113/11, aaO Rn. 26; vom 15. April 2015 - VIII ZR 59/14, BB 2015, 1548 Rn. 28, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt; jeweils mwN).
75
Diesem Gesichtspunkt kommt im Rahmen der Grundversorgung von Haushaltskunden mit Gas besondere Bedeutung zu. Denn gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 EnWG 2005 sind die Energieversorgungsunternehmen - wie bereits nach der Vorgängerregelung in § 10 Abs. 1 Satz 1 EnWG 1998 -, soweit sie die Grundversorgung durchführen, gesetzlich verpflichtet, zu den Allgemeinen Bedingungen und Preisen jeden Haushaltskunden mit Gas zu versorgen. Hinzu kommt, dass der somit einem Kontrahierungszwang unterliegende Grundversorger zur (ordentlichen) Kündigung des Tarifkundenvertrages (Grundversorgungsvertrages ) nur in sehr eingeschränktem Maße berechtigt ist; ein solches Kündigungsrecht besteht nur, soweit eine Pflicht zur Grundversorgung nach § 36 Abs. 1 Satz 2 EnWG 2005 nicht besteht (Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 56/08, aaO Rn. 25; ebenso Danner/Theobald/Hartmann, Energierecht, Stand Januar 2015, § 20 StromGVV Rn. 11 mwN). Die Bedeutung der beiden vorstehend genannten Gesichtspunkte für das wirtschaftliche Interesse des Grundversorgers hat auch der Gerichtshof im Urteil vom 23. Oktober 2014 (Rs. C-359/11 und C-400/11, aaO Rn. 44 - Schulz und Egbringhoff) hervorgehoben.
76
Ohne eine Berechtigung des Grundversorgers, Kostensteigerungen während der Vertragslaufzeit an den Kunden weiterzugeben, bestünde angesichts des kontinuierlichen Anstiegs der Energiepreise bei langfristigen Versorgungsverträgen regelmäßig ein gravierendes, dem Äquivalenzprinzip zuwiderlaufendes Ungleichgewicht von Leistung und Gegenleistung (vgl. Senatsurteil vom 15. April 2015 - VIII ZR 59/14, aaO Rn. 35 mwN).
77
(2) Der Verordnungsgeber hat deshalb, wie sich aus den oben (unter II 2 a aa) wiedergegebenen Materialien ergibt, bereits bei Erlass der AVBGasV das Bestehen des - wenn auch nicht kodifizierten - Rechts des Grundversorgers zur Weitergabe von Kostensteigerungen als gegeben vorausgesetzt; er hat an dieser Annahme auch im Rahmen der GasGVV festgehalten (vgl. zuletzt: BRDrucks. 402/14, S. 6, 24 ff.). Entsprechendes gilt für den Gesetzgeber des Energiewirtschaftsgesetzes (§ 36 Abs. 1 EnWG 2005).
78
(3) Ebenso wie der nationale Gesetz- und Verordnungsgeber billigt auch der Unionsgesetzgeber, wie aus den Regelungen der Gas-Richtlinie deutlich wird, den Versorgungsunternehmen das Interesse zu, Kostensteigerungen wäh- rend der Vertragslaufzeit an die Kunden weiterzugeben (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Mai 2011 - VIII ZR 71/10, aaO Rn. 15). Dem entsprechend hat der Gerichtshof in seinem Urteil vom 21. März 2013 (Rs. C-92/11, NJW 2013, 2253 Rn. 46 - RWE Vertrieb AG) ausgeführt, unter anderem aus Anhang A Buchst. b der Gas-Richtlinie ergebe sich, dass der Unionsgesetzgeber im Rahmen von unbefristeten Verträgen wie Gaslieferungsverträgen das Bestehen eines berechtigten Interesses des Versorgungsunternehmens an der Möglichkeit einer Änderung der Entgelte für seine Leistung anerkannt habe (so auch die Schlussanträge des Generalanwalts in der Rs. C-359/11 und C-400/11, juris Rn. 55 f.).
79
(4) In Übereinstimmung mit den vorstehenden Erwägungen des Energiewirtschaftsrechts der europäischen Union spricht auch die Zielsetzung des nationalen Energiewirtschaftsrechts dafür, dass dem Grundversorger das Recht zu gewähren ist, Kostensteigerungen an die Kunden weiterzugeben.
80
(a) Wie der Senat bereits entschieden hat, ist bei der im Rahmen der Erwägungen zur ergänzenden Auslegung eines Gaslieferungsvertrages vorzunehmenden Beurteilung, welche Regelung als angemessener Interessenausgleich anzusehen ist, der mit dem Energiewirtschaftsrecht verfolgte, in § 1 EnWG 2005 und ebenso in den Vorläuferregelungen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juli 2010 - EnZR 23/09, NJW 2011, 212 Rn. 42) verankerte Zweck einer möglichst sicheren und preisgünstigen Energieversorgung zu berücksichtigen. Das Ziel der Preisgünstigkeit ist nicht nur auf die möglichst billige Energieversorgung der Endkunden ausgerichtet. Zu berücksichtigen sind zugleich die insbesondere durch die Kostenstruktur geprägte individuelle Leistungsfähigkeit der Versorgungsunternehmen sowie die Notwendigkeit, die Investitionskraft und die Investitionsbereitschaft zu erhalten und angemessene Erträge zu erwirtschaften. Insofern wurde im Recht der Energielieferung stets vorausgesetzt, dass die Möglichkeit des Versorgers besteht, Änderungen der Bezugspreise weiterzuge- ben, ohne den mit dem Kunden bestehenden Versorgungsvertrag kündigen zu müssen. Dass das Energieversorgungsunternehmen die Möglichkeit hat, Kostensteigerungen weiterzugeben, dient daneben auch dem Zweck der Versorgungssicherheit. Denn diese betrifft nicht nur die technische Sicherheit der Energieversorgung und die Sicherstellung einer für die Versorgung der Abnehmer stets ausreichenden Energiemenge. Sie hat vielmehr insoweit auch einen ökonomischen Aspekt, als die nötigen Finanzmittel für die Unterhaltung von Reservekapazitäten, für Wartungsarbeiten, Reparaturen, Erneuerungs- und Ersatzinvestitionen bereit stehen müssen. Das wiederum setzt voraus, dass diese Mittel durch auskömmliche Versorgungsentgelte erwirtschaftet werden können (vgl. im Einzelnen Senatsurteil vom 14. März 2012 - VIII ZR 113/11, aaO Rn. 27 ff.).
81
(b) Dieser Zielsetzung des nationalen Energiewirtschaftsrechts, die mit derjenigen des europäischen Energiewirtschaftsrechts übereinstimmt (vgl. EuGH, Rs. C-92/11, aaO Rn. 46 - RWE Vertrieb AG; Rs. C-359/11 und C-400/11, aaO Rn. 44 - Schulz und Egbringhoff; Schlussanträge des Generalanwalts in der Rs. C-359/11 und C-400/11, juris Rn. 55), liefe es zuwider, wenn der Grundversorger Kostensteigerungen nicht an den Kunden weitergeben könnte, sondern diese selbst zu tragen und den Kunden weiterhin zu dem ursprünglichen Preis zu beliefern hätte. Angesichts der Entwicklung der Energiepreise entstünde dadurch bei langfristigen Versorgungsverträgen regelmäßig ein gravierendes Ungleichgewicht von Leistung und Gegenleistung. Dies wäre unbillig und würde dem Kunden einen unverhofften und ungerechtfertigten Gewinn verschaffen. Dies entspräche auch nicht dem objektiv zu ermittelnden hypothetischen Parteiwillen (vgl. Senatsurteile vom 14. März 2012 - VIII ZR 113/11, aaO Rn. 26 mwN; vom 15. April 2015 - VIII ZR 59/14, aaO Rn. 35 f.).
82
(5) Bei angemessener, objektiv-generalisierender Abwägung ihrer Interessen hätten die Vertragsparteien daher nach Treu und Glauben redlicherweise vereinbart, dass die Klägerin berechtigt sein soll, Kostensteigerungen ihrer eigenen (Bezugs-)Kosten während der Vertragslaufzeit an den Beklagten weiterzugeben, und sie verpflichtet ist, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen.
83
Dieser ergänzenden Vertragsauslegung steht nicht entgegen, dass die Vertragsparteien im Tarifkundenverhältnis wegen der durch die Rechtsnormen der AVBGasV bestimmten Vertragsbedingungen in ihrer Freiheit, Vereinbarungen zu treffen, stark eingeschränkt sind (vgl. BGH, Urteile vom 16. März1978 - VII ZR 73/77, WM 1978, 730 unter 2 a; vom 24. März 1988 - VII ZR 81/87, NJW-RR 1988, 1427 unter III 1; Schmidt-Salzer in Hermann/Recknagel/ Schmidt-Salzer, Kommentar zu den Allgemeinen Versorgungsbedingungen, 1981, Band 1, Einleitung Rn. 24; Danner/Theobald/Eder, aaO, § 36 EnWG Rn. 57, 59, 63 ff. mwN). Denn das Recht zur Weitergabe von Kostensteigerungen ist aus den oben ausgeführten Gründen dem Energiewirtschaftsrecht wie auch der AVBGasV immanent.
84
Ohne diese gebotene ergänzende Vertragsauslegung könnte sich der Grundversorger in derartig gelagerten Fällen - auch in Ansehung seiner verfassungsrechtlich geschützten Berufsfreiheit (vgl. BVerfG, NJW 2011, 1339, 1341) - darauf berufen, dass die Versorgung des Kunden zu dem Ausgangspreis für ihn eine unzumutbare Härte darstelle (vgl. Senatsurteil vom 23. Januar 2013 - VIII ZR 80/12, NJW 2013, 991 Rn. 37; vgl. auch BGH, Urteil vom 10. Oktober 2012 - IV ZR 10/11, BGHZ 195, 93 Rn. 80). In solchen Fällen könnten zudem die Voraussetzungen einer ausnahmsweise zum Wegfall der Grundversorgungspflicht führenden Unzumutbarkeit der Grundversorgung gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 EnWG 2005 gegeben sein. Dies wiederum stünde angesichts der Vielzahl der hiervon möglicherweise betroffenen Tarifkundenverträge (Grundversorgungsverträge ) insbesondere nicht im Einklang mit der durch das EnWG 2005 bezweckten Sicherheit der Energieversorgung.
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(6) Da sich das aus der vorbezeichneten ergänzenden Vertragsauslegung ergebende Preisänderungsrecht der Klägerin allein auf die Weitergabe von (Bezugs-)Kostensteigerungen und -senkungen beschränkt, ist davon auszugehen , dass die Parteien die wirksame Ausübung dieses Rechts vernünftigerweise an keine weiteren als die in § 4 Abs. 2 AVBGasV genannten Voraussetzungen geknüpft hätten. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind diese Voraussetzungen hier erfüllt.
86
Der Klägerin steht somit infolge ergänzender Vertragsauslegung des Gaslieferungsvertrags der Parteien ein Preisänderungsrecht in dem oben genannten Umfang mit der Folge zu, dass der berechtigterweise erhöhte Preis zum vereinbarten Preis wird. Gegen die bis zum 1. Januar 2005 - mithin vor dem hier verfahrensgegenständlichen Zeitraum - erfolgten Änderungen des Arbeitspreises erhebt die Revision keine Einwände.
87
(7) Von dem infolge ergänzender Vertragsauslegung bestehenden Preisänderungsrecht nicht erfasst sind hingegen Preiserhöhungen, die über die bloße Weitergabe von (Bezugs-)Kostensteigerungen hinausgehen und der Erzielung eines (zusätzlichen) Gewinns dienen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 22. Juli 2014 - KZR 27/13, NJW 2014, 3089 Rn. 23, 27, zu § 315 BGB). Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der Kunde die Preiserhöhung nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung , in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat.
88
(a) Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats ist bei einem (Norm-)Sonderkundenvertrag, wenn es sich um ein langjähriges Energielieferungsverhältnis handelt, der Kunde (unwirksamen) Preiserhöhungen über einen längeren Zeitraum hinweg nicht widersprochen hat und nunmehr auch für länger zurückliegende Zeitabschnitte die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen geltend macht, die durch die Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel oder deren unwirksame Einbeziehung entstandene Regelungslücke regelmäßig im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung dahin zu füllen, dass der Kunde die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht geltend machen kann, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat (Senatsurteile vom 14. März 2012 - VIII ZR 113/11, aaO Rn. 21, 25, und VIII ZR 93/11, ZNER 2012, 265 Rn. 30; vom 15. April 2015 - VIII ZR 59/14, aaO Rn. 37 mwN).
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Dies gilt sowohl im Falle der Rückforderung als auch im Falle der Restforderung von Entgelt für Energielieferungen (Senatsurteile vom 14. März 2012 - VIII ZR 93/11, aaO Rn. 29; vom 25. März 2015 - VIII ZR 360/13, juris Rn. 33, und VIII ZR 109/14, juris Rn. 34) und hat zur Folge, dass an die Stelle des wegen der Unwirksamkeit oder der unwirksamen Einbeziehung der Preisanpassungsklausel auf dem Niveau bei Vertragsschluss verharrenden (Anfangs-) Preises nun die letzte Preiserhöhung des Versorgungsunternehmens tritt, der der Kunde nicht rechtzeitig widersprochen hat, mithin der danach maßgebliche Preis endgültig an die Stelle des Anfangspreises tritt (Senatsurteil vom 15. April 2015 - VIII ZR 59/14, aaO).
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(b) Diese Grundsätze haben im hier gegebenen Fall der ergänzenden Vertragsauslegung des Tarifkundenvertrages in gleicher Weise zu gelten. Denn es besteht kein sachlicher Grund, den Grundversorger insoweit anders zu behandeln als den Energieversorger im (Norm-)Sonderkundenbereich, der weder den mit der Grundversorgung verbundenen wirtschaftlichen Erschwernissen (siehe oben unter II 2 f cc (1)) ausgesetzt ist noch - mangels wirksamer Preisanpassungsklausel - zur Preiserhöhung berechtigt war. Eine andere Beurteilung entspräche zudem auch nicht dem objektiv zu ermittelnden hypothetischen Willen der Parteien des Tarifkundenvertrags.
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3. Erfolglos rügt die Revision, die von der Klägerin vorgenommenen Preiserhöhungen entsprächen entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht der Billigkeit. Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, dass es hier bei zutreffender Betrachtung nicht um die Frage der Billigkeit der Preiserhöhung geht, sondern um die Preisbildung im Rahmen einer ergänzenden Vertragsauslegung , bei der es Aufgabe des Gerichts ist zu prüfen, ob die Preiserhöhungen der Klägerin deren (Bezugs-)Kostensteigerungen (hinreichend) abbilden.
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a) Die Revision beanstandet, das Berufungsgericht habe rechtsfehlerhaft nur Beweis durch die Vernehmung von (sachkundigen) Zeugen erhoben und eine weitergehende Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nach § 287 Abs. 2 ZPO abgelehnt. Es gehe vorliegend aber nicht um die - einer Schätzung zugängliche - Höhe der streitigen Forderung der Klägerin, sondern um die konkreten Anknüpfungstatsachen für die Ausübung des Ermessens, auf die § 287 Abs. 2 ZPO nicht anwendbar sei.
93
b) Diese Rüge greift nicht durch. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei - wenn auch unter dem Blickwinkel der Billigkeit nach § 315 BGB - die Voraussetzungen einer Anwendung des § 287 Abs. 2 ZPO hinsichtlich der Prüfung, ob die Preiserhöhungen der Klägerin aus (Bezugs-)Kostensteigerungen herrühren, als gegeben erachtet.
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aa) Nach § 287 Abs. 2 ZPO sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen als der Schadensermittlung die Vorschriften des § 287 Abs. 1 Satz 1, 2 ZPO entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen. In diesem Fall entscheidet das Gericht über die Höhe der Forderung unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung (§ 287 Abs. 2 i.V.m. § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO), und es bleibt seinem Ermessen überlassen, ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme anzuordnen ist (§ 287 Abs. 2 i.V.m. § 287 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
95
Die somit vom Tatrichter nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, ob und inwieweit er eine Beweisaufnahme durchführt, unterliegt nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht darauf, ob das Berufungsgericht von unzutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgegangen ist, ob für seine Entscheidung grundsätzlich falsche oder offenbar unsachliche Erwägungen maßgebend waren oder ob wesentliche entscheidungserhebliche Tatsachen außer Acht gelassen wurden (vgl. BGH, Urteile vom 7. Oktober 2009 - I ZR 230/06, juris Rn. 30; vom 24. September 2014 - VIII ZR 394/12, BGHZ 202, 258 Rn. 74; Musielak/Voit/Foerste, ZPO, 12. Aufl., § 287 Rn. 10, 10b).
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bb) Dieser rechtlichen Überprüfung hält die Entscheidung des Berufungsgerichts stand. Entgegen der Auffassung der Revision durfte das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler von der Einholung eines Sachverständigengutachtens absehen.
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(1) Das Berufungsgericht hat zutreffend eine Schätzung nach § 287 Abs. 2 in Verbindung mit § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO vorgenommen, ob die ver- fahrensgegenständlichen Preiserhöhungen auf (Bezugs-)Kostensteigerungen beruhen und ihnen keine Einsparungen in anderen Kostenpositionen gegenüberstehen. Die hierzu erforderlichen Anknüpfungstatsachen hat es durch Vernehmung mehrerer sachkundiger Zeugen gewonnen. Hierbei handelte es sich um zwei mit der Prüfung der vorbezeichneten Fragen befasste (externe) Wirtschaftsprüfer sowie um den Leiter des Finanz- und Rechnungswesens der Klägerin und ihren ehemaligen Center-Leiter Energie- und Wasserwirtschaft.
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Wenn das Berufungsgericht bereits auf dieser Grundlage im Rahmen des § 287 Abs. 2 ZPO, dessen Voraussetzungen es zutreffend bejaht hat, zu der Überzeugung gelangt ist, dass die von der Klägerin vorgetragenen Bezugskostensteigerungen tatsächlich in diesem Umfang erfolgt sind und ihnen keine Einsparungen in anderen Kostenpositionen gegenüberstehen, durfte es rechtsfehlerfrei davon absehen, auch noch den von der Klägerin zusätzlich beziehungsweise hilfsweise angebotenen Sachverständigenbeweis zu erheben.
99
(2) Entgegen der Auffassung der Revision gilt für den von ihr - ohne nähere Bezeichnung des Beweisthemas - angeführten Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Zwecke des Gegenbeweises nichts anderes.
100
Zwar darf nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Beweisantrag nicht deshalb abgelehnt werden, weil das Gericht das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits als erwiesen ansieht (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 17. Februar 1970 - III ZR 139/67, BGHZ 53, 245, 259 f.; Beschluss vom 16. April 2015 - IX ZR 195/14, juris Rn. 9; jeweils mwN). Das Berufungsgericht durfte hier indes im Rahmen des § 287 Abs. 2 ZPO von der Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Zwecke des Gegenbeweises absehen, da der Beklagte die vorbezeichneten Anknüpfungstatsachen nicht qualifiziert angegriffen hat (vgl. hierzu Musielak/Voit/Foerste, aaO Rn. 10; vgl. auch BGH, Urteil vom 17. April 1997 - X ZR 2/96, NJW-RR 1998, 331 unter III 1 und 3). Das von der Revision insoweit in Bezug genommene Vorbringen des Beklagten in den Tatsacheninstanzen ist zudem nur hinsichtlich der von dem Beklagten generell in Frage gestellten Zulässigkeit einer Bindung des Gaspreises an den Ölpreis und nicht hinsichtlich der vom Berufungsgericht konkret für maßgeblich erachteten Anknüpfungstatsachen mit einem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens unterlegt.
101
c) Ebenfalls ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen den vom Berufungsgericht im Rahmen der Billigkeitsprüfung nach § 315 BGB gewählten Beurteilungsmaßstab einer Gesamtbetrachtung des Gaswirtschaftsjahres.
102
aa) Soweit die Revision meint, richtigerweise müsse jede einzelne Tariferhöhung der Billigkeit entsprechen, kommt es hierauf nicht entscheidend an. Denn, wie oben unter II 3 bereits ausgeführt, geht es im Streitfall nicht um die Frage der Billigkeit der Preiserhöhungen (§ 315 BGB), sondern um die Preisbildung im Rahmen einer ergänzenden Vertragsauslegung. Aus diesem Grund bedarf auch der vom Berufungsgericht aufgezeigte Meinungsstreit der Instanzgerichte , ob im Falle der Beanstandung mehrerer Preiserhöhungen jede Preiserhöhung für sich genommen - gegebenenfalls unter zusätzlicher Berücksichtigung nicht ausgeschöpfter Bezugskostensteigerungen früherer Erhöhungen - an § 315 BGB zu messen ist (vgl. OLG Celle, ZNER 2011, 63 Rn. 37 ff.; LG Köln, Urteil vom 14. August 2009 - 90 O 41/07, juris Rn. 22 ff.) oder ob eine Gesamtbetrachtung für einen bestimmten Zeitraum - gegebenenfalls unter zusätzlicher Berücksichtigung der in näherer Zukunft erwarteten Preisentwicklung - vorzunehmen ist (vgl. OLG München, Urteil vom 1. Oktober 2009 - U (K) 3772/08, juris Rn. 43; OLG Koblenz, Urteil vom 12. April 2010 - 12 U 18/08, juris Rn. 12; vgl. auch Senatsurteile vom 13. Juni 2007 - VIII ZR 36/06, BGHZ 172, 315 Rn. 25; vom 19. November 2008 - VIII ZR 138/07, aaO Rn. 34 f.), keiner Entscheidung.
103
bb) Bei der Beurteilung, ob die Preiserhöhungen des Energieversorgers unter Berücksichtigung der Schätzungsmöglichkeit nach § 287 Abs. 2 in Verbindung mit § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO dessen (Bezugs-)Kostensteigerungen (hinreichend) abbilden, steht dem Tatrichter - ähnlich wie bei der Prüfung der Billigkeit gemäß § 315 Abs. 3 BGB (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 20. Juli 2010 - EnZR 23/09, aaO Rn. 39 mwN) - ein Ermessen zu. Dessen Ausübung unterliegt nur einer eingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfung darauf, ob sie auf grundsätzlich falschen oder offenbar unrichtigen Erwägungen beruht, erhebliches Vorbringen der Parteien unberücksichtigt gelassen, Rechtsgrundsätze der Bemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder der Schätzung unrichtige Maßstäbe zu Grunde gelegt wurden (vgl. BGH, Urteile vom 9. Juni 2009 - VI ZR 110/08, BGHZ 181, 242 Rn. 10; vom 4. November 2010 - III ZR 45/10, NJW 2011, 852 Rn. 18; vom 8. Mai 2012 - VI ZR 37/11, NJW 2012, 2267 Rn. 9; jeweils mwN; Musielak/ Voit/Foerste, aaO Rn. 10b; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 36. Aufl., § 287 Rn. 11).
104
cc) Hiervon ausgehend erweist sich die Annahme des Berufungsgerichts, für die Beurteilung der Preiserhöhungen sei auf das Gaswirtschaftsjahr abzustellen , im Ergebnis als rechtsfehlerfrei. Das Berufungsgericht hat im Rahmen seiner ausführlichen Würdigung der für und gegen eine auf das Gaswirtschaftsjahr bezogene Gesamtbetrachtung sprechenden Gesichtspunkte zu Recht hervorgehoben , dass dem Energieversorgungsunternehmen bei der Weitergabe von (Bezugs-)Kostensteigerungen - auch mit Blick auf die oftmals nicht sicher voraussehbare Entwicklung der Bezugskosten - ein Ermessensspielraum zuzubilligen ist.
105
Diese für die hier gebotene ergänzende Vertragsauslegung in gleicher Weise geltende Erwägung berücksichtigt zutreffend, dass es bei einem Massengeschäft wie dem Tarifkundenvertrag - auch unter Berücksichtigung von Praktikabilitätsgesichtspunkten - im Interesse beider Vertragsparteien liegt, eine Weitergabe von Kostensenkungen und Kostenerhöhungen nicht - was regelmäßig mit einem die Energieversorgung unnötigerweise verteuernden hohen Aufwand verbunden wäre - tagesgenau vorzunehmen, sondern auf die Kostenentwicklung in einem gewissen Zeitraum abzustellen.
106
Wie lange der Zeitraum für die vorbezeichnete Gesamtbetrachtung bemessen sein muss, lässt sich nicht generell bestimmen, sondern bedarf der Beurteilung des Tatrichters auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls. In den meisten Fällen wird jedoch der vom Berufungsgericht hier gewählte Rahmen des Gaswirtschaftsjahres ein geeigneter Prüfungsmaßstab sein.
107
4. Nach alledem hat das Berufungsgericht die streitgegenständlichen Preiserhöhungen der Klägerin im Ergebnis zutreffend für berechtigt erachtet und ihr die Klageforderung zugesprochen. Da sich das Preiserhöhungsrecht hier aus der ergänzenden Vertragsauslegung des Gaslieferungsvertrages der Parteien ergibt mit der Folge, dass es sich bei den nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auf Kostensteigerungen beruhenden Preiserhöhungen um den vereinbarten Gaspreis handelt, ist für eine zusätzliche Billigkeitskontrolle gemäß § 315 BGB kein Raum. Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Fetzer Dr. Bünger Kosziol
Vorinstanzen:
LG Dortmund, Entscheidung vom 20.08.2009 - 13 O 179/08 Kart -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 21.12.2011 - VI-3 U (Kart) 4/11 -

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.