Gericht

Finanzgericht München

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

3. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Streitig ist, ob die Klägerin in das Unternehmen der M GmbH (nachfolgend: M GmbH) wirtschaftlich eingegliedert ist.

Satzungsmäßiger Gegenstand des Unternehmens der mit Gesellschaftsvertrag vom gegründeten Klägerin sind die Produktion von Funkwerbespots, die Synchronisation bzw. Vertonung von Film- und Videomaterial sowie die Musikproduktion von Tonträgern; zu ihren einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführern waren in den Streitjahren Herr G und Herr A bestellt.

Satzungsmäßiger Gegenstand des Unternehmens der mit Gesellschaftsvertrag vom gegründeten M GmbH waren gemäß Beschluss der Gesellschafterversammlung vom der Handel mit sowie die Vermietung von elektronischen und elektrotechnischen Geräten aller Art und Beteiligung an anderen Unternehmen aller Art sowie Halten und Verwalten solcher Beteiligungen. Die M GmbH, zu deren einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführern in den Streitjahren Herr G und Herr W bestellt waren, hielt zunächst 80% und ab dem 2. August 2007 dann 100% der Gesellschaftsanteile an der Klägerin.

Am 18. Juni 2003 schlossen die Klägerin und die M GmbH einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag.

Die Klägerin ging für die Streitjahre davon aus, dass sie als Organgesellschaft in das Unternehmen der M GmbH eingegliedert sei.

Mit Vereinbarung zwischen der Klägerin, der M GmbH, der P GmbH sowie der PM GmbH vom 1. Juli 2007 verpflichteten sich diese Vertragspartner, untereinander im Wege von Buchungen auf Verrechnungskonten Darlehen zu gewähren zu einem Zinssatz von 2% p. a. über dem jeweils gültigen Basiszinssatz. Die Höhe der von der M GmbH gewährten Darlehen belief sich auf die Beträge von 66.370,54 € (2006), 128.263,14 € (2007), 169.731,16 € (2008) sowie 252.936,61 € (2009). Die von der Klägerin hierfür geschuldeten Zinsen beliefen sich auf die Beträge von 2.146,82 € (2007), 9.325,87 € (2008) sowie 4.871,26 € (2009).

Zudem übernahmen die M GmbH sowie ihre Geschäftsführer Bürgschaften für Bankdarlehen und Dispokredite der Klägerin. Hierbei handelte es sich im Einzelnen um eine selbstschuldnerische Höchstbetragsbürgschaft der M GmbH in Höhe von 200.000 € für das Annuitätendarlehen der Bank an die Klägerin vom 21. November 2006 (über den Betrag von 200.000 €), eine selbstschuldnerische Höchstbetragsbürgschaft der M GmbH sowie ihrer Geschäftsführer jeweils in Höhe von 205.700 € für einen Dispositionskredit der Bank an die Klägerin vom 29. Juli 2008 (über den Betrag von 205.700 €), eine selbstschuldnerische Höchstbetragsbürgschaft der M GmbH in Höhe von 200.000 € sowie ihrer Geschäftsführer (jeweils in Höhe von 100.000 €) für den Dispositionskredit der vom 2. Mai 2008 (über den Betrag von 200.000 €) sowie eine selbstschuldnerische Bürgschaft der M GmbH sowie ihrer Geschäftsführer für die Forderungen der L GmbH & Co. KG aufgrund eines Leasingvertrags vom 12. Januar 2007. Hierbei wurde kein Entgelt für die Bürgschaftsgewährung vereinbart.

Die Klägerin veräußerte Gegenstände ihres Anlagevermögens mit Rechnung vom 4. Dezember 2006 für den Betrag von 242.200,00 € an die MD GmbH. Ferner veräußerte sie weitere Gegenstände ihres Anlagevermögens mit Rechnung vom 6. Dezember 2006 für den Betrag 27.500,00 € an GG GmbH. Die beiden Unternehmen veräußerten diese Gegenstände an die M GmbH, die sie mit Rechnung vom 21. Dezember 2006 an die Firma L GmbH & Co. KG weiterveräußerte. Die Firma L GmbH & Co. KG verleaste diese Gegenstände wiederum an die Klägerin zurück.

Mit Beschluss des Amtsgerichts München - Insolvenzgericht - vom 23. April 2014 (Az.) wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der M GmbH eröffnet.

Im Anschluss an eine vom Finanzamt F für die Streitjahre durchgeführte Außenprüfung (Bericht vom 21. Januar 2014) setzte der Beklagte (das Finanzamt -FA-) die Umsatzsteuer für die Streitjahre erstmalig mit Bescheiden vom 1. September 2014 auf die Beträge von € (2006), € (2007), € (2008) sowie € (2009) fest und verwies zur Begründung auf den Prüfungsbericht. Dort wurde ausgeführt, dass zwischen der Klägerin und der M GmbH mangels wirtschaftlicher Eingliederung keine Organschaft bestehe.

Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein.

Mit Beschluss vom 28. April 2015 (Az.: 3 V) setzte das erkennende Gericht die Vollziehung der streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheide für 2007, 2008 und 2009 aus und lehnte den Antrag im Übrigen ab.

Mit Beschluss vom 3. Juni 2015 (Az.) ordnete das Amtsgericht München die vorläufige Insolvenzverwaltung über das Vermögen der Klägerin an. Mit Beschluss vom 18. Juni 2015 hob das Amtsgericht München die Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung über das Vermögen der Klägerin wieder auf.

Den eingelegten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 22. März 2016 als unbegründet zurück.

Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben.

Zur Begründung trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, dass sie in das Unternehmen der M GmbH eingebunden sei. Bei Gesamtbetrachtung aller wirtschaftlichen Beziehungen, nämlich der Verschaffung von Liquidität durch Darlehensüberlassungen, Bürgschaften sowie ein Sale-and-lease-back-Geschäft, liege auch eine wirtschaftliche Eingliederung vor.

So habe die M GmbH der Klägerin verzinsliche Darlehen überlassen. Dem stehe nicht entgegen, dass erst ab dem Streitjahr 2007 Zinsen abgerechnet worden seien, denn diese Zinsen hätten auch die im Streitjahr 2006 gewährten Darlehen erfasst und stellten im Übrigen gemeinsam mit dem Sale-and-lease-back-Geschäft ein nachhaltiges Finanzierungskonzept der Jahre ab 2006 dar. Zudem ergebe sich die wechselseitige Verflechtung daraus, dass die Darlehensvereinbarung nicht nur zwischen der M GmbH und der Klägerin abgeschlossen worden sei, sondern auch die P GmbH und die PM GmbH Vertragsparteien seien.

Weiterhin habe die M GmbH zusammen mit ihren Geschäftsführern Bürgschaften für Bankdarlehen und Dispokredite der Klägerin übernommen. Dem stehe nicht entgegen, dass die M GmbH von der Vereinbarung eines Entgelts für die Bürgschaftsgewährung abgesehen habe, um die durch die Darlehensbeschaffung gerade neu geschaffene Liquidität der Klägerin nicht sogleich wieder zu belasten. Denn unentgeltliche Leistungsbeziehungen könnten entgeltliche Leistungsbeziehungen, die zu einer wirtschaftlichen Eingliederung führten, nicht etwa in Form einer Art Saldierung „neutralisieren“.

Zudem habe die M GmbH ein Sale-and-lease-back-Geschäft entwickelt. Da die L GmbH & Co. KG als Leasinggeber es abgelehnt habe, die Gegenstände des Anlagevermögens unmittelbar von der Klägerin zu erwerben, seien die MD GmbH und die GG GmbH, mit denen die Klägerin regelmäßig zusammengearbeitet habe, zwischengeschaltet worden. Dabei sei es unerheblich, dass das Entgelt nicht unmittelbar von der Klägerin an die M GmbH geflossen sei, denn über die Leasingraten sei ihr dieses Entgelt wieder belastet worden. Auch die Zwischenschaltung der MD GmbH und GG GmbH stehe einer wirtschaftlichen Eingliederung nicht entgegen, da diese Variante auf der Ablehnung einer unmittelbaren Geschäftsbeziehung mit der Klägerin durch den Leasinggeber beruhe.

Die wirtschaftliche Verflechtung ergebe sich insbesondere aus der vorgenommenen Aufgabenteilung, wonach die M GmbH für die Klägerin wesentliche unternehmerische Aufgaben, wie finanzielle Organisation, Finanzierung, Entwicklung von Leasing- und Finanzierungsmodellen und Steuerorganisation übernommen habe. Im Gegenzug habe die Klägerin der M GmbH spätestens nach Darlehensrückzahlung in wesentlichem Umfang ihre Gewinne zugutekommen lassen.

Davon abgesehen verstießen die streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheide gegen den zu gewährenden Vertrauensschutz. Denn für den Prüfungszeitraum der Vorjahre 2003 bis 2005 seien die Voraussetzungen einer umsatzsteuerlichen Organschaft bejaht worden; die Verhältnisse der Klägerin hätten sich hinsichtlich ihrer Eingliederung in das Unternehmen der M GmbH in den Folgejahren jedoch nicht verändert.

Im Übrigen sei schon der Begriff der Verflechtung vage und unbestimmt; unklar sei, warum eine entgeltliche Leistung Voraussetzung für eine wirtschaftliche Eingliederung sein solle. Auch lasse der Begriff der wirtschaftlichen Eingliederung nicht zwingend erkennen, dass eine gegenseitige Förderung und Ergänzung der Tätigkeiten hierfür erforderlich seien. Davon abgesehen sei auch der Begriff „wechselseitige Beziehungen“ vage und unbestimmt und es sei nicht erkennbar, warum wechselseitige Beziehungen Voraussetzung für eine wirtschaftliche Eingliederung sein sollten, zumal der Gesetzgeber in § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG genügen lasse, dass eine Weisungsgebundenheit vorliege, was aber keine wechselseitige Beziehung, sondern eine einseitige, übergeordnete Beziehung darstelle. Die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der wirtschaftlichen Eingliederung durch eine Vielzahl weiterer unbestimmter Begriffe, wie Verflechtung, wechselseitige Beziehungen, entgeltliche Leistung, Nachhaltigkeit o. ä., verbiete sich aufgrund der rechtsstaatlichen Verfassung der Bundesrepublik Deutschland wegen der damit verbundenen unkalkulierbaren Folgen. Es sei erst recht unzulässig, den ohnedies bereits nicht unionskonformen Begriff der Eingliederung auszuweiten und als Voraussetzung einer Eingliederung dann den, im Gesetz überhaupt keinen Niederschlag findenden Begriff der Verflechtung zu verwenden. Aus dem EuGH-Urteil vom 16. Juli 2015 (C-108/14 und C-109/14) ergebe sich, dass bei unionsrechtskonformer Auslegung der Begriff der „Eingliederung“ deshalb in den Begriff „Beziehungen“ umzudeuten sei.

Die vom FA vorgenommene Verrechnung der sich aus der an die M GmbH gerichteten Bescheiden vom 9. April 2014 ergebenden Steuererstattungsansprüche der M GmbH mit „anderen Forderungen“ stelle eine gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 2 InsO unzulässige Aufrechnung dar. Bis zum Ergehen der an die M GmbH gerichteten Bescheide vom 9. April 2014 sei das FA zur Vornahme einer Aufrechnung rechtlich nicht in der Lage gewesen; der Erlass der streitgegenständlichen Bescheide und die Verrechnung stellten deshalb eine Befriedigung des Finanzamts im Sinne des § 131 Abs. 1 InsO dar, die es nicht in dieser Art (Verrechnung) und nicht zu dieser Zeit (vor Erlass der Bescheide) zu beanspruchen gehabt habe.

Im Übrigen wird auf die von der Klägerin eingereichten Schriftsätze verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre 2006 bis 2009, jeweils vom 1. September 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. März 2016 aufzuheben.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das FA bezieht sich zur Klageerwiderung im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend dazu vor, dass das Vorliegen einer organisatorischen und finanziellen Eingliederung nicht angezweifelt werde. Dagegen fehle es an einer wirtschaftlichen Verflechtung zwischen der Klägerin und der M GmbH. Denn die Klägerin habe in den Streitjahren keine entgeltlichen Leistungen an die M GmbH erbracht, der Begriff der Verflechtung erfordere jedoch wechselseitige Beziehungen.

Hinsichtlich der von der M GmbH und deren Gesellschaftern übernommenen Bürgschaften liege keine wirtschaftliche Verflechtung vor, weil es auch insoweit an einer Entgeltsvereinbarung fehle.

Auch die Darlehensgewährungen der M GmbH begründeten keine wirtschaftliche Verflechtung. Da im Streitjahr 2006 keine Verzinsung der Darlehen vereinbart war, fehle es insoweit an einer entgeltlichen Leistung. Aber auch soweit ein Entgelt vereinbart sei, habe die Darlehensgewährung an die Klägerin keine wesentliche Bedeutung für deren Tätigkeit. Zudem stelle die Darlehensgewährung keine steuerbare Tätigkeit der M GmbH an die Klägerin dar, da in der Überlassung von Kapital keine unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung ihrer steuerbaren Tätigkeit der M GmbH liege.

Das Sale-and-Lease-back-Geschäft begründe ebenfalls keine wirtschaftliche Verflechtung, da zwischen der Klägerin und der M GmbH keine direkten vertraglichen Beziehungen bestünden.

Die Klägerin könne sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen, da sich nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung aus der früheren, auch aufgrund von Außenprüfungen vorgenommenen Beurteilung durch das FA keine Bindung für die Zukunft ergebe.

Inwieweit die Verrechnung der Steuererstattungsansprüche der M GmbH mit anderen Forderungen eine unzulässige Aufrechnung darstelle, sei beim für die M GmbH zuständigen Finanzamt F vorzutragen.

Im Übrigen wird auf die vom FA eingereichten Schriftsätze verwiesen.

Auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung wird Bezug genommen.

II.

Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin ist nicht in das Unternehmen der M GmbH eingegliedert.

1. Unternehmer ist gem. § 2 Umsatzsteuergesetz in der in den Streitjahren geltenden Fassung (UStG), wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird gem. § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Unionsrechtlich beruht diese Vorschrift auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der im Streitjahr 2006 anwendbaren Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) bzw. Art. 11 Abs. 1 der in den übrigen Streitjahren anwendbaren Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Danach kann jeder Mitgliedstaat in seinem Gebiet ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, jedoch durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln.

Die Ausübung der Ermächtigung, „Personen … als einen Steuerpflichtigen zu behandeln“, führt zu einer „Verschmelzung zu einem einzigen Steuerpflichtigen[, die] es ausschließt, dass die untergeordneten Personen weiterhin getrennt Mehrwertsteuererklärungen abgeben und innerhalb und außerhalb ihres Konzerns weiter als Steuerpflichtige angesehen werden, da nur der einzige Steuerpflichtige befugt ist, diese Erklärungen abzugeben“ (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union -EuGHvom 22. Mai 2008 C-162/07, Ampliscientifica und Amplifin, UR 2008, 534). Dementsprechend setzt die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG erforderliche Eingliederung in ein anderes Unternehmen ein Verhältnis der Über- und Unterordnung zwischen einer Organgesellschaft als „untergeordneter Person“ und dem sog. Organträger voraus (BFH-Urteile vom 18. Dezember 1996 XI R 25/94, BStBl II 1997, 441; vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BStBl II 2005, 671; vom 3. April 2008 V R 76/05, BStBl II 2008, 905 und vom 22. April 2010 V R 9/09, BFH/NV 2010, 1581). Die Eingliederungsvoraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG dienen der Feststellung, ob das für die Organschaft erforderliche Über- und Unterordnungsverhältnis vorliegt, das zur Verschmelzung zu nur einem einzigen Steuerpflichtigen führt.

2. Im Streitfall war die Klägerin nach Überzeugung des Gerichts in den Streitjahren wirtschaftlich nicht in das Unternehmen der M GmbH eingegliedert.

a) Zwar war die Klägerin organisatorisch und finanziell in das Unternehmen der M GmbH eingegliedert, wovon auch die Beteiligten ausgehen.

aa) In den Streitjahren lag eine organisatorische Eingliederung vor.

aaa) Die organisatorische Eingliederung setzt voraus, dass der Organträger die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung wahrnimmt, wobei er die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrschen muss (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 5. Dezember 2007 V R 26/06, BStBl II 2008, 451; vom 14. Februar 2008 V R 12, 13/06, BFH/NV 2008, 1365 und vom 3. April 2008 V R 76/05, BStBl II 2008, 905). Die organisatorische Eingliederung besteht zwischen zwei GmbHs insbesondere bei einer Personenidentität in den Geschäftsführungsorganen der beiden Gesellschaften. Darüber hinaus kann sich die organisatorische Eingliederung auch aus einer (teilweisen) personellen Verflechtung über diese Geschäftsführungsorgane ergeben, wenn dem Organträger eine Willensdurchsetzung in der Geschäftsführung der Organgesellschaft möglich ist. Sind für die Organ GmbH z.B. mehrere einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer bestellt, reicht es aus, dass zumindest einer von ihnen auch Geschäftsführer der Organträger GmbH ist, der Organträger über ein umfassendes Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsführung der Organ GmbH verfügt (vgl. § 37 Abs. 2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung -GmbHG-) und -anders als in der dem BFH-Urteil vom 5. Dezember 2007 V R 26/06 zugrunde liegenden Fallgestaltungzur Bestellung und Abberufung aller Geschäftsführer der Organ GmbH (vgl. § 46 Nr. 5 GmbHG) berechtigt ist (vgl. BFH-Urteil vom 7. Juli 2011 V R 53/10, BStBl II 2013, 218).

bbb) Danach war die Klägerin organisatorisch in das Unternehmen der M GmbH eingegliedert. Denn einer der beiden einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführer der M GmbH, G, war in den Streitjahren zugleich einer der beiden einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Klägerin und aufgrund dieser personellen Verflechtung konnte die M GmbH ihren Willen bei der Klägerin durchsetzen. Dem steht die Einzelvertretungsbefugnis des weiteren Geschäftsführers der Klägerin A nicht entgegen, da die M GmbH aufgrund § 1 Nr. 1 Satz 2 des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags vom 18. Juni 2003 berechtigt war, der Geschäftsführung der Klägerin Weisungen zu erteilen und damit eine abweichende Willensbildung bei der Klägerin ausgeschlossen war (vgl. Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz. 893 m.w.N.).

bb) In den Streitjahren lag auch eine finanzielle Eingliederung vor.

aaa) Finanziell muss der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt sein, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschluss in der Gesellschafterversammlung durchsetzen kann (BFH-Urteil vom 7. Juli 2011 V R 53/10, BFH/NV 2011, 2195 m.w.N.).

bbb) Im Streitfall hielt die M GmbH zunächst 80% der Gesellschaftsanteile an der Klägerin und aufgrund des Erwerbs des Geschäftsanteils von Herrn M mit notariellem Vertrag vom 2. August 2007 alle Gesellschaftsanteile an der Klägerin und konnte deshalb ihren Willen in der Gesellschafterversammlung der Klägerin unmittelbar durchsetzen.

b) Es fehlt jedoch an einer wirtschaftlichen Eingliederung.

aa) Für die wirtschaftliche Eingliederung i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG ist charakteristisch, dass die Organgesellschaft im Gefüge des übergeordneten Organträgers als dessen Bestandteil erscheint (BFH-Urteil vom 17. Januar 2002 V R 37/00, BStBl II 2002, 373). Die Tätigkeiten von Organträger und Organgesellschaft müssen hierbei aufeinander abgestimmt sein und sich fördern und ergänzen (BFH-Urteil vom 3. April 2003 V R 63/01, BStBl. II 2004, 434); dafür genügt ein vernünftiger wirtschaftlicher Zusammenhang (BFH-Urteil vom 29. Oktober 2008 XI R 74/07, BStBl. II 2009, 256). Entscheidend für die wirtschaftliche Eingliederung sind die Art und der Umfang der zwischen den Unternehmensbereichen von Organträger und Organgesellschaft bestehenden Verflechtungen (vgl. BFH-Urteil vom 20. August 2009 V R 30/06, BStBl II 2010, 863, m.w.N.). Für die umsatzsteuerrechtliche Organschaft kann somit eine den Betrieb der Untergesellschaft fördernde Tätigkeit der Obergesellschaft ausreichen (BFH-Urteil vom 17. April 1969 V 44/65, BStBl II 1969, 413, m.w.N.). Z.B. genügt die Vermietung eines Betriebsgrundstückes, wenn dieses für die Organgesellschaft von nicht nur geringer Bedeutung ist, weil es die räumliche und funktionale Grundlage der Geschäftstätigkeit der Organgesellschaft bildet (BFH-Urteil vom 3. April 2003 V R 63/01, BStBl II 2004, 434).

Nach Auffassung der EG-Kommission ist die wirtschaftliche Eingliederung dadurch gekennzeichnet, dass die Gruppenmitglieder die gleiche Haupttätigkeit ausüben oder sich die Tätigkeiten der Gruppenmitglieder einander ergänzen oder voneinander abhängen oder ein Mitglied der Gruppe Tätigkeiten ausübt, die den übrigen Mitgliedern in vollem oder in wesentlichem Umfang zugute kommen (EG-Kommission, KOM(2009) 325 vom 2. Juli 2009, UR 2009, 632).

Beruht die wirtschaftliche Eingliederung auf Leistungen des Organträgers gegenüber seiner Organgesellschaft, müssen entgeltliche Leistungen vorliegen, denen für das Unternehmen der Organgesellschaft mehr als nur unwesentliche Bedeutung zukommt (vgl. BFH-Urteile vom 18. Juni 2009 V R 4/08, BStBl. II 2010, 310; vom 6. Mai 2010 V R 26/09, BStBl. II 2010, 1114). Es ist dann im Regelfall davon auszugehen, dass der Organträger aufgrund derartiger Leistungen auf die Organgesellschaft Einfluss nehmen kann, für ihn auch aufgrund der Möglichkeit zur Beendigung dieser Leistungsbeziehung eine „beherrschende Stellung“ besteht (BFH-Urteil vom 9. September 1993 V R 124/89, BStBl II 1994, 129) und somit für ihn „besondere Einwirkungsmöglichkeiten“ vorliegen (BFH-Urteil vom 25. Juni 1998 V R 76/97, BFH/NV 1998, 1534).

bb) Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze war die Klägerin im Streitfall nicht wirtschaftlich mit der M GmbH verflochten. Weder die Gewährung von Darlehen noch die Übernahme von Bürgschaften oder das Sale-and-Lease-back-Geschäft begründen im Streitfall eine wirtschaftliche Eingliederung der Klägerin in das Unternehmen der M GmbH.

aaa) Die Gewährung von Darlehen an die Klägerin begründet keine wirtschaftliche Eingliederung. Da im Streitjahr 2006 nach den unwidersprochenen Feststellungen des FA keine Verzinsung der Darlehen vereinbart war, fehlt es insoweit bereits an einer entgeltlichen Leistung. In den Streitjahren 2007 bis 2009 erbrachte die M GmbH zwar entgeltliche Leistungen an die Klägerin, indem sie ihr verzinsliche Darlehen und damit Leistungen gegen Entgelt gewährte. Diese Darlehen setzten sich nach dem unwidersprochenen Vorbringen des FA u.a. aus nicht geleisteten Umsatzsteuerzahlungen sowie nicht abgeführten Gewinnen zusammen. Zwar machten die von der M GmbH gewährten Darlehen einen nicht unerheblichen Anteil der in den Streitjahren bestehenden Verbindlichkeiten der Klägerin aus (2007: 27%, 2008: 30%, 2009: 64%). Im Hinblick auf das Verhältnis der für die Darlehensgewährung gezahlten Entgelte (2007: 2.146,82; 2008: 9.325,87 €; 2009: 4.871,26 €) zu den erklärten Umsätzen der Klägerin (2007: 1.965.272,00 €; 2008: 1.871.792,00 €; 2009: 2.148.411,00 €) kommt der Darlehensgewährung mit einem Anteil 0,1% (2007), 0,5% (2008) sowie 0,2% (2009) jedoch lediglich eine unwesentliche (geringfügige) Bedeutung zu, so dass hierdurch keine wirtschaftliche Eingliederung begründet wird (vgl. BFH-Urteil vom 20. August 2009 V R 30/06, BStBl II 2010, 863).

bbb) Die Übernahme von Bürgschaften durch die M GmbH sowie deren Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Klägerin begründet ebenfalls keine wirtschaftliche Eingliederung, da sie nach den unwidersprochenen Feststellungen des FA ebenfalls ohne Entgeltsvereinbarung erfolgte (s.o.).

ccc) Auch das Sale-and-Lease-back-Geschäft begründet keine wirtschaftliche Verflechtung, da zwischen der Klägerin und der M GmbH insoweit keine direkten vertraglichen Beziehungen bestanden haben. Denn die Klägerin veräußerte Gegenstände ihres Anlagevermögens mit Rechnung vom 4. bzw. 6. Dezember 2006 an die MD GmbH bzw. die GG GmbH. Diese beiden Unternehmen veräußerten diese Gegenstände an die M GmbH, welche sie dann mit Rechnung vom 21. Dezember 2006 an die L GmbH & Co. KG weiterveräußerte, bevor selbige diese Gegenstände wiederum an die Klägerin verleaste. Auch soweit man eine mittelbare wirtschaftliche Verflechtung über mögliche Organgesellschaften der M GmbH als ausreichend ansehen mag, so wird die Verflechtung jedenfalls durch die Zwischenschaltung der nicht konzernangehörigen L GmbH & Co. KG unterbrochen.

ddd) Auch sofern man mit der Klägerin unterstellt, dass die M GmbH wesentliche unternehmerische Aufgaben, wie finanzielle Organisation, Finanzierung, Entwicklung von Leasing- und Finanzierungsmodellen und Steuerorganisation übernommen habe, so begründet auch dies keine wirtschaftliche Verflechtung. Denn Eingriffe einer Holdinggesellschaft in die Verwaltung von Gesellschaften, an denen sie Beteiligungen erworben hat, stellen lediglich dann eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG dar, wenn sie die Durchführung von Transaktionen einschließen, die gemäß Art. 2 der Richtlinie 77/388/EWG der Mehrwertsteuer unterliegen, wie etwa das Erbringen von administrativen, finanziellen, kaufmännischen und technischen Dienstleistungen der Holdinggesellschaft an ihre Tochtergesellschaften (EuGH-Urteil vom 16. Juli 2015 C-108/14 und C-109/14, Larentia + Minerva und Marenave Schifffahrt, BStBl II 2017, 604). Im Streitfall erfolgten diese Verwaltungsleistungen jedoch nicht entgeltlich und stellen damit keine der Mehrwertsteuer unterliegende Transaktionen im og. Sinne dar.

cc) Zwar kann eine Eingliederung trotzdem anzunehmen sein, wenn das Vorliegen eines der drei Merkmale nur zweifelhaft oder weniger stark ist, die beiden anderen Voraussetzungen jedoch erfüllt sind (BFH-Urteile vom 27. August 1964 V 101/62 U, BStBl III 64, 539 und vom 22. April 2010 V R 9/09, BStBl II 2011, 597). Es reicht jedoch nicht aus, wenn nur zwei der drei Merkmale vorliegen (BFH-Urteile vom 5. Dezember 2007 V R 26/06, BStBl II 08, 451; vom 29. Oktober 2008 XI R 74/07, BStBl II 09, 256; vom 8. August 2013 V R 18/13, BStBl II 2017, 543). Im Streitfall liegt das Merkmal der wirtschaftlichen Eingliederung jedoch allenfalls in sehr schwach ausgeprägter Form vor. Allein die finanzielle Unterstützung der Klägerin durch die M GmbH bewirkt noch keine wirtschaftliche Verflechtung der Unternehmensbereiche dieser beiden Unternehmen.

dd) Es ist höchstrichterlich festgestellt, dass sich die in § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG vorgenommene Auslegung der wirtschaftlichen Eingliederung im Rahmen des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG hält (BFH-Urteile vom 3. April 2003 V R 63/01, BStBl. II 2004, 434; vom 17. Januar 2002 V R 37/00, BStBl II 2002, 373). Durch den Übergang von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG zu dem ab 2007 geltenden Art. 11 MwStSystRL ist es nicht zu inhaltlichen Änderungen des Unionsrechts gekommen (BFH-Urteil vom 2. Dezember 2015 V R 15/14, BStBl II 2017, 553 m.w.N.).

ee) Die Klägerin kann sich gegenüber den in § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG aufgeführten nationalen Tatbestandsvoraussetzungen einer Organschaft auch nicht auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG (nunmehr: Art. 11 MwStSystRL) berufen. Denn die in Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 77/388/EWG aufgestellte Voraussetzung, nach der die Bildung einer Mehrwertsteuergruppe davon abhängt, dass zwischen den betreffenden Personen enge Verbindungen in finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht bestehen, bedarf einer Präzisierung auf nationaler Ebene. Dieser Artikel hat daher insoweit einen bedingten Charakter, als er die Anwendung nationaler Rechtsvorschriften voraussetzt, die den konkreten Umfang solcher Verbindungen bestimmen. Demnach erfüllt Art. 4 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie nicht die Voraussetzungen, um unmittelbare Wirkung zu entfalten (EuGH-Urteil vom 16. Juli 2015 C-108/14 und C-109/14, Larentia + Minerva und Marenave Schifffahrt, BStBl II 2017, 604; BFH-Urteil vom 2. Dezember 2015 V R 15/14, BStBl II 2017, 553).

ff) Entgegen der Auffassung der Klägerin bestimmen sich die Voraussetzungen einer Eingliederung im Streitfall auch nicht nach der Vorschrift des § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG. Demzufolge wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, soweit natürliche Personen, einzeln oder zusammengeschlossen, einem Unternehmen so eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind. Im Streitfall ist die Klägerin jedoch kein Zusammenschluss natürlicher Personen, sondern eine juristische Person (vgl. § 13 Abs. 1 GmbHG), für die das Gesetz in § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG eine spezielle Regelung trifft (s.o.).

GG) Die Klägerin kann sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. Auch sofern das FA im Rahmen einer Betriebsprüfung für die Vorjahre die Voraussetzungen einer umsatzsteuerlichen Organschaft bejaht haben mag, so hat dies nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung keine Auswirkung auf die Streitjahre (vgl. BFH-Urteil vom 18. März 2015 XI R 8/13, BFH/NV 2015, 1219 m.w.N.).

hh) Die Klägerin kann ferner auch nicht einwenden, dass eine vom FA vorgenommene Verrechnung von Steuererstattungsansprüchen der M GmbH mit weiteren Steuerforderungen gegen die M GmbH eine gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 2 InsO unzulässige Aufrechnung darstelle. Denn diese Frage betrifft ausschließlich die steuerlichen Verhältnisse der am vorliegenden Verfahren nicht beteiligten M GmbH; der Klägerin fehlt insoweit bereits die gem. § 40 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) erforderliche Klagebefugnis.

4. Den in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträgen war nicht nachzukommen. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung auf die schriftsätzlich gestellten Beweisanträge lediglich Bezug genommen und sie ausdrücklich aufrechterhalten. Den mit Schriftsatz vom 27. Juni 2016 gestellten (insgesamt 38) Beweisanträgen, den mit Schriftsatz vom 4. November 2016 gestellten (weiteren 5) Beweisanträgen sowie dem mit Schriftsatz vom 11. September 2018 gestellten Beweisantrag war jedoch nicht nachzukommen, da der dort dargestellte und unter Beweis gestellte Sachverhalt, der im Übrigen zwischen den Beteiligten unstreitig ist, als wahr unterstellt werden kann (vgl. BFH-Beschluss vom 18. Februar 2013 XI B 117/11, BFH/NV 2013, 981 m.w.N.).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

6. Die Revision wird zugelassen, da die Fortbildung des Rechts, nämlich die Konkretisierung des Begriffs der wirtschaftlichen Verflechtung, eine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).

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(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

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Tatbestand 1 I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Kommanditgesellschaft (KG), vermietete im Streitjahr 2001 ein Grundstück an ihre Komplementärin, eine

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(1) Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt, unabhängig davon, ob er nach anderen Vorschriften rechtsfähig ist. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.

(2) Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nicht selbständig ausgeübt,

1.
soweit natürliche Personen, einzeln oder zusammengeschlossen, einem Unternehmen so eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind,
2.
wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Die Wirkungen der Organschaft sind auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt. Diese Unternehmensteile sind als ein Unternehmen zu behandeln. Hat der Organträger seine Geschäftsleitung im Ausland, gilt der wirtschaftlich bedeutendste Unternehmensteil im Inland als der Unternehmer.

(3) (weggefallen)

(1) Die Aufrechnung ist unzulässig,

1.
wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist,
2.
wenn ein Insolvenzgläubiger seine Forderung erst nach der Eröffnung des Verfahrens von einem anderen Gläubiger erworben hat,
3.
wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat,
4.
wenn ein Gläubiger, dessen Forderung aus dem freien Vermögen des Schuldners zu erfüllen ist, etwas zur Insolvenzmasse schuldet.

(2) Absatz 1 sowie § 95 Abs. 1 Satz 3 stehen nicht der Verfügung über Finanzsicherheiten im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes oder der Verrechnung von Ansprüchen und Leistungen aus Zahlungsaufträgen, Aufträgen zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschalteten Stellen oder Aufträgen zur Übertragung von Wertpapieren entgegen, die in Systeme im Sinne des § 1 Abs. 16 des Kreditwesengesetzes eingebracht wurden, das der Ausführung solcher Verträge dient, sofern die Verrechnung spätestens am Tage der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt; ist der andere Teil ein Systembetreiber oder Teilnehmer in dem System, bestimmt sich der Tag der Eröffnung nach dem Geschäftstag im Sinne des § 1 Absatz 16b des Kreditwesengesetzes.

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte,

1.
wenn die Handlung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist,
2.
wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war oder
3.
wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und dem Gläubiger zur Zeit der Handlung bekannt war, daß sie die Insolvenzgläubiger benachteiligte.

(2) Für die Anwendung des Absatzes 1 Nr. 3 steht der Kenntnis der Benachteiligung der Insolvenzgläubiger die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Benachteiligung schließen lassen. Gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand (§ 138), wird vermutet, daß sie die Benachteiligung der Insolvenzgläubiger kannte.

(1) Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt, unabhängig davon, ob er nach anderen Vorschriften rechtsfähig ist. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.

(2) Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nicht selbständig ausgeübt,

1.
soweit natürliche Personen, einzeln oder zusammengeschlossen, einem Unternehmen so eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind,
2.
wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Die Wirkungen der Organschaft sind auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt. Diese Unternehmensteile sind als ein Unternehmen zu behandeln. Hat der Organträger seine Geschäftsleitung im Ausland, gilt der wirtschaftlich bedeutendste Unternehmensteil im Inland als der Unternehmer.

(3) (weggefallen)

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Kommanditgesellschaft (KG), vermietete im Streitjahr 2001 ein Grundstück an ihre Komplementärin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), und stellte dieser entgeltlich Personal und Inventar für die von der GmbH betriebenen Alten- und Pflegeheime zur Verfügung. Die Klägerin erledigte darüber hinaus Verwaltungsaufgaben und erbrachte Hausmeisterserviceleistungen für die GmbH.

2

Gesellschafter der Klägerin und der GmbH waren A, B und C zu jeweils einem Drittel. Die GmbH war zwar Komplementärin der Klägerin, jedoch ohne an der Klägerin kapitalmäßig beteiligt zu sein. Geschäftsführer der GmbH war A.

3

Die Klägerin ging davon aus, dass zwischen ihr und der GmbH eine Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) bestehe und lediglich nicht steuerbare Innenleistungen zwischen der KG und GmbH erbracht würden. Sie gab daher keine Umsatzsteuererklärungen ab. Im Anschluss an eine Außenprüfung war der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) demgegenüber der Auffassung, dass keine Organschaft vorliege und die Klägerin steuerbare und steuerpflichtige Leistungen an die GmbH erbracht habe. Der gegen den Umsatzsteuerbescheid vom 10. Mai 2004 eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.

4

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Die Klägerin sei Organträger der GmbH, da die GmbH über die Gesellschafter A, B und C in die Klägerin mittelbar finanziell eingegliedert sei, sich die organisatorische Eingliederung aus der Stellung der GmbH als Komplementärin der Klägerin und daher aus einer Personal- und Organidentität ergebe und die wirtschaftliche Eingliederung auf den durch die Klägerin an die GmbH erbrachten Leistungen beruhe. Unerheblich sei, dass nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14. Dezember 1978 V R 85/74 (BFHE 127, 75, BStBl II 1979, 288) eine Komplementär-GmbH nicht in eine KG eingegliedert sein könne, da dieses Urteil aufgrund der späteren BFH-Rechtsprechung zur mittelbaren finanziellen Eingliederung überholt sei. Das Urteil des FG ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 2009, 792 veröffentlicht.

5

Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision, die es auf die Verletzung materiellen Rechts stützt. Aufgrund des Erfordernisses eines Über- und Unterordnungsverhältnisses liege keine Organschaft vor. Es fehlten auch die finanzielle und organisatorische Eingliederung.

6

Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

8

Die Klägerin trägt vor, das FG habe zutreffend entschieden, dass eine Organschaft bestehe. Es liege eine Betriebsaufspaltung vor. Die GmbH sei von ihr nach dem maßgeblichen Gesamtbild der Verhältnisse völlig abhängig gewesen, da sie der GmbH nahezu das gesamte für ihre Betätigung erforderliche Betriebsvermögen überlassen habe. Die Tatsache, dass ihre Kommanditisten in gleicher Weise auch an der GmbH beteiligt gewesen seien, zeige, dass sie und die GmbH als Einheit anzusehen seien. Es sei völlig unwahrscheinlich gewesen, dass die Kommanditisten in der GmbH anders entscheiden würden als bei ihr, der KG. Für die Organschaft spreche auch, dass die GmbH-Anteile als Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter bei ihr, der Klägerin, anzusehen seien, da es sich bei dem Sonderbetriebsvermögen und der Organschaft jeweils um "eine rein steuerrechtliche Konstruktion" handele. Für das Bestehen eines Organschaftsverhältnisses spreche weiter die Einheit des Steuerrechts sowie die Entstehungsgeschichte der Firmenkonstruktion. Die finanzielle Eingliederung ergebe sich auch aus der Vinkulierung der Gesellschaftsanteile und der engen familiären Verbundenheit der Gesellschaftergruppe. Wie das FG zu Recht ausgeführt habe, könne die GmbH zumindest teilweise --beim Betrieb der Alten- und Pflegeheime und damit neben ihrer Geschäftsführungstätigkeit für sie, die Klägerin,-- in sie eingegliedert sein. Die GmbH sei auch organisatorisch in sie eingegliedert gewesen, da ihre Geschäftsführung mit derjenigen der GmbH verflochten gewesen sei. Eine Eingliederung einer Komplementär-GmbH in sie, die Klägerin, sei zumindest insoweit möglich, als der Komplementär neben der Geschäftsführung der KG eine weitere unternehmerische Tätigkeit ausübe. Zumindest sei ihr Vertrauensschutz zu gewähren.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision des FA ist im Ergebnis begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die vom FG und der Klägerin angenommene Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG scheitert am Erfordernis der finanziellen Eingliederung.

10

1. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen eines anderen Unternehmers eingegliedert ist (Organschaft). Gemeinschaftsrechtlich beruht diese Vorschrift auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Danach können die Mitgliedstaaten im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, jedoch durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln.

11

Neben den Voraussetzungen der finanziellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung kommt es für die Organschaft weder nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG noch nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG auf einen Antrag des Unternehmers an (BFH-Urteil vom 29. Oktober 2008 XI R 74/07, BFHE 223, 498, BStBl II 2009, 256, Leitsatz 2). Bei der Ausübung der nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG bestehenden Ermächtigung sind allerdings die allgemein bei der Auslegung der Richtlinie 77/388/EWG zu beachtenden Rechtsprinzipien wie z.B. die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Steuerneutralität zu beachten (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 22. Mai 2008 C-162/07, Ampliscientifica und Amplifin, Slg. 2008, I-4019, BFH/NV Beilage 2008, 217 Rdnrn. 24 ff.). Dies gilt auch für die Auslegung der nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG bestehenden Eingliederungsvoraussetzungen.

12

2. Nach der Rechtsprechung setzt die finanzielle Eingliederung voraus, dass der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt ist, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschlüsse durchsetzen kann (BFH-Urteile vom 22. November 2001 V R 50/00, BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a, und vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd). Bei der finanziellen Eingliederung handelt es sich um eine rechtlich zu erfüllende Voraussetzung, für die es im Regelfall auf die einfache Stimmenmehrheit bei der Beschlussfassung der Gesellschafter ankommt. Ausreichend ist daher eine Beteiligung, die mehr als 50 v.H. der Stimmrechte in der Organgesellschaft gewährt, sofern keine höhere qualifizierte Mehrheit für die allgemeine Beschlussfassung in der Organgesellschaft erforderlich ist (BFH-Urteile in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a, und in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd).

13

Eine unmittelbare finanzielle Eingliederung der GmbH in die Klägerin lag im Streitfall nicht vor, da die Klägerin nicht Gesellschafterin der GmbH war. Die Klägerin war auch nicht über eigene Tochtergesellschaften mittelbar an der GmbH beteiligt.

14

3. Eine finanzielle Eingliederung ergibt sich nicht daraus, dass die drei Gesellschafter der Klägerin über die Anteilsmehrheit in der GmbH verfügten. Denn die finanzielle Eingliederung kann grundsätzlich nicht mittelbar über mehrere Gesellschafter des Organträgers erfolgen (Reiß in Reiß/Kraeusel/ Langer, UStG, § 2 Rz 111; Wäger in Festschrift für Harald Schaumburg, 2009, 1189 ff., 1199 f.).

15

a) Nach dem BFH-Urteil vom 17. April 1969 V R 123/68 (BFHE 95, 558, BStBl II 1969, 505, unter 2.a) konnte eine GmbH als juristische Person in das Unternehmen eines Organträgers finanziell eingegliedert sein, wenn sich sämtliche Anteile an der GmbH und dem Organträger in einer Hand befanden.

16

Der BFH hat diese Rechtsprechung später für die finanzielle Eingliederung zwischen zwei GmbHs über einen gemeinsamen Gesellschafter aufgegeben und dies insbesondere mit dem bei einer nur mittelbaren Beteiligung fehlenden Über- und Unterordnungsverhältnis begründet. Keine der beiden Gesellschaften sei in das Gefüge des anderen Unternehmens eingeordnet (BFH-Urteil vom 18. Dezember 1996 XI R 25/94, BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441, unter II.1., und die Abweichungsanfrage durch den BFH-Beschluss vom 28. Februar 1996 XI R 25/94, GmbH-Rundschau --GmbHR-- 1996, 950, unter II.).

17

Der BFH hielt aber an der finanziellen Eingliederung zwischen der GmbH als Organgesellschaft und der Personengesellschaft als Organträger fest, wenn die Mehrheit der Anteile an der GmbH von den Gesellschaftern einer Personengesellschaft gehalten wurde, so dass in beiden Gesellschaften dieselben Gesellschafter zusammen über die Mehrheit der Anteile oder Stimmrechte verfügten (BFH-Urteile vom 20. Januar 1999 XI R 69/97, BFH/NV 1999, 1136, unter II.2.; vom 16. August 2001 V R 34/01, BFH/NV 2002, 223, unter II.2.; in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.1.a, und vom 14. Februar 2008 V R 12, 13/06, BFH/NV 2008, 1365). Dabei bejahte der BFH die finanzielle Eingliederung über einen gemeinsamen Gesellschafter, der in GmbH und Personengesellschaft über eine Anteilsmehrheit von jeweils mindestens 95 v.H. verfügte und auch Geschäftsführer der GmbH war (BFH-Urteil in BFH/NV 1999, 1136) ebenso wie über zwei Gesellschafter, denen gemeinsam eine Anteilsmehrheit in beiden Gesellschaften zustand (BFH-Urteile in BFH/NV 2002, 223, und in BFH/NV 2008, 1365). Diese Rechtsprechung beruhte u.a. auf der ertragsteuerrechtlichen Überlegung, dass es sich bei der Beteiligung an der Kapitalgesellschaft für die Gesellschafter der Organträger-Personengesellschaft um Sonderbetriebsvermögen handele (BFH-Beschluss in GmbHR 1996, 950, unter III.). Eine finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft lehnte die Rechtsprechung aber dann ab, wenn den Gesellschaftern zwar an der GmbH eine Mehrheitsbeteiligung zustand, sie aber in der Personengesellschaft Minderheitsgesellschafter waren. Dies galt selbst dann, wenn die GmbH über eine Anteilsmehrheit an der Personengesellschaft verfügte (BFH-Urteil in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.b aa).

18

b) Für den Fall, dass nur mehreren Gesellschaftern gemeinsam eine Mehrheitsbeteiligung an GmbH und Personengesellschaft zusteht, hält der Senat an seiner bisherigen Rechtsprechung zur finanziellen Eingliederung nicht fest.

19

aa) Eine finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft liegt im Hinblick auf das für die Organschaft erforderliche Über- und Unterordnungsverhältnis aufgrund einer Beteiligung mehrerer Gesellschafter, die nur gemeinsam über eine Anteilsmehrheit an beiden Gesellschaften verfügen, nicht vor.

20

Die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG erforderliche Eingliederung in ein anderes Unternehmen setzt ein Verhältnis der Über- und Unterordnung der beteiligten Gesellschaften voraus (BFH-Urteile in BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a aa, und vom 3. April 2008 V R 76/05, BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.1.). Auch nach der Rechtsprechung des EuGH führt die Gruppenbesteuerung gemäß Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG zu einer Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen mit den diesem Steuerpflichtigen "untergeordneten Personen" (vgl. EuGH-Urteil Ampliscientifica und Amplifin in Slg. 2008, I-4019, BFH/NV Beilage 2008, 217).

21

Kommt es danach auf ein Über- und Unterordnungsverhältnis an, gilt dies nicht nur im Verhältnis zwischen mehreren GmbHs als juristischen Personen, sondern gleichermaßen im Verhältnis zwischen GmbH und Personengesellschaft, selbst wenn an diesen Gesellschaften dieselben Gesellschafter beteiligt sind. Denn eine Personengesellschaft, deren Gesellschafter eine Mehrheitsbeteiligung an der GmbH halten, verfügt gegenüber dieser GmbH über keine größeren Einwirkungsmöglichkeiten als sie zwischen zwei Schwester-GmbHs bestehen. Einwirkungsmöglichkeiten stehen in beiden Fällen gleichermaßen nur den unmittelbar beteiligten Gesellschaftern zu. Die bisherige Bejahung einer finanziellen Eingliederung aufgrund einer Beteiligung mehrerer Gesellschafter trägt auch nicht dem rechtlichen Charakter der finanziellen Eingliederung (s. oben II.2.) Rechnung. Kommt es für die finanzielle Eingliederung auf rechtliche Durchsetzungsmöglichkeiten an, müssen diese dem Organträger selbst zustehen. Hiermit ist eine Zurechnung der Durchsetzungsmöglichkeiten aus fremdem Beteiligungsbesitz nicht vereinbar.

22

Demgegenüber kann eine Enkelgesellschaft mittelbar über eine oder mehrere eigene Tochtergesellschaften des Organträgers finanziell in dessen Unternehmen eingegliedert sein (vgl. allgemein BFH-Urteil vom 20. August 2009 V R 30/06, BFHE 226, 465, BFH/NV 2009, 2080, unter II.2.c ee (1)), sofern der Organträger dann aufgrund der ihm in der Beteiligungskette zustehenden Gesellschaftsrechte in der Lage ist, seinen Willen in der Enkelgesellschaft durchzusetzen.

23

bb) Im Hinblick auf die bei der Auslegung der Eingliederungsvoraussetzungen zu beachtenden allgemeinen Rechtsprinzipien der Richtlinie 77/388/EWG (s. oben II.1.), spricht auch der Grundsatz der Rechtssicherheit dagegen, von einer finanziellen Eingliederung zwischen Schwestergesellschaften über gemeinsame Gesellschafter auszugehen.

24

(1) Nach dem Grundsatz der Rechtssicherheit müssen die Betroffenen bei Regelungen, die sich finanziell belastend auswirken können, in der Lage sein, den Umfang der ihnen damit auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen (EuGH-Urteile vom 15. Dezember 1987 C-326/85, Niederlande/Kommission, Slg. 1987, 5091 Rdnr. 24; vom 29. April 2004 C-17/01, Sudholz, Slg. 2004, I-4243 Rdnr. 34). Dies müssen auch die Mitgliedstaaten bei der Ausübung der Befugnisse, die ihnen die Richtlinie einräumt, beachten (EuGH-Urteile vom 26. April 2005 C-376/02, Goed Wonen, Slg. 2005, I-3445 Rdnr. 32; vom 16. September 2008 C-288/07, Isle of Wright, Umsatzsteuer-Rundschau 2008, 816 Rdnrn. 47 f.). Dies ist auch bei der Auslegung der nationalen Vorschriften zu beachten, die der Umsetzung von Richtlinienbestimmungen dienen.

25

Aufgrund der sich aus der Verlagerung der Steuerschuld auf den Organträger ergebenden finanziellen Auswirkungen kommt dem Grundsatz der Rechtssicherheit bei der Auslegung der Organschaftsvoraussetzungen besondere Bedeutung zu. Da die Organschaft nicht von einem Antrag des Organträgers abhängt (s. oben II.1.), muss der Organträger in der Lage sein, anhand der Eingliederungsvoraussetzungen das Bestehen einer Organschaft rechtssicher feststellen zu können.

26

(2) Bei einer Beteiligung mehrerer Gesellschafter an zwei Schwestergesellschaften ist nicht rechtssicher bestimmbar, ob und unter welchen Voraussetzungen der Beteiligungsbesitz einer unter Umständen großen unbestimmten Anzahl von Gesellschaftern zusammengerechnet werden kann, um eine finanzielle Eingliederung der einen in die andere Schwestergesellschaft zu begründen. Die bloße Anteilsmehrheit mehrerer Gesellschafter an zwei Schwestergesellschaften reicht hierfür nicht aus, da diese Gesellschafter die ihnen zustehenden Stimmrechte nicht einheitlich ausüben müssen. Auch nur familiäre Beziehungen zwischen mehreren Gesellschaftern sind kein hinreichendes Indiz für eine Zusammenfassung des ihnen zustehenden Beteiligungsbesitzes. Im Übrigen ist auch nicht rechtssicher bestimmbar, unter welchen Voraussetzungen mehrere Gesellschafter gleichgerichtete oder widerstreitende Interessen verfolgen. Da die Organschaft mit der Verwirklichung ihrer Voraussetzungen beginnt und mit deren Entfallen von Gesetzes wegen endet (BFH-Urteil in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a cc), kann es für die Organschaft und den Eintritt der mit ihr verbundenen Rechtsfolgen (wie z.B. Umsatzzurechnung und Nichtbesteuerung von Innenumsätzen) darüber hinaus nicht darauf ankommen, für welche Zeiträume z.B. mehrere Familiengesellschafter gleichgerichtete Interessen verfolgen und für welche Zeiträume dies aufgrund von Meinungsverschiedenheiten oder Familienstreitigkeiten nicht der Fall ist. Ob im konkreten Einzelfall von einem Fehlen widerstreitender Interessen auszugehen sein kann, ist daher entgegen der Auffassung der Klägerin unerheblich.

27

cc) Nach den Verhältnissen des Streitfalles hat der Senat nicht zu entscheiden, ob an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten ist, wenn zwischen zwei Schwestergesellschaften z.B. ein Beherrschungsvertrag besteht oder zugunsten einer Schwestergesellschaft Stimmbindungsverträge vorliegen. Offenbleiben kann auch, ob eine Organschaft vorliegt, wenn nur ein Gesellschafter über eine Anteilsmehrheit an GmbH und Personengesellschaft verfügt und zugleich als Gesellschafter für die Personengesellschaft und als Geschäftsführer der GmbH für beide Gesellschaften geschäftsführungsbefugt ist (so das Urteil des XI. Senats des BFH in BFH/NV 1999, 1136), wobei dann allerdings fraglich erscheint, welche der beiden Schwestergesellschaften als herrschende und welche als abhängige Gesellschaft anzusehen ist. Im Hinblick auf die geänderte Rechtsprechung ist schließlich nicht mehr zu entscheiden, ob die bisherige Annahme einer finanziellen Eingliederung durch mehrere gemeinsame Gesellschafter von GmbH und Personengesellschaft --anders als bei mehreren gemeinsamen Gesellschaftern verschiedener GmbHs-- zu einer gemeinschaftsrechtlich unzulässigen Differenzierung nach der Rechtsform des Organträgers führt.

28

4. Die weiteren Einwendungen der Klägerin greifen nicht durch.

29

a) Die Klägerin kann sich gegen die Änderung der Senatsrechtsprechung nicht auf Vertrauensschutz berufen. Die Voraussetzungen des § 176 der Abgabenordnung liegen nicht vor, da es sich bei dem angefochtenen Umsatzsteuerbescheid nicht um einen Änderungsbescheid, sondern um einen Erstbescheid handelt. Ein allgemeiner Schutz gegenüber den sich aus einer geänderten Rechtsprechung ergebenden Urteilsfolgen ist weder dem nationalen Recht noch dem Gemeinschaftsrecht zu entnehmen. Es ist auch kein sonstiger Vertrauenstatbestand ersichtlich, auf den sich die Klägerin berufen könnte.

30

b) Auch aus dem von der Klägerin betonten Gesamtbild der Verhältnisse und der nach Auffassung der Klägerin besonders stark ausgeprägten wirtschaftlichen Eingliederung ergibt sich keine abweichende Beurteilung. Zwar kann im Hinblick auf die gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG "nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse" vorzunehmenden Beurteilung eine Organgesellschaft auch dann unselbständig sein, wenn die Eingliederung auf einem der drei Gebiete nicht vollkommen ausgeprägt ist. Nicht ausreichend ist jedoch, dass die Eingliederung nur in Bezug auf zwei der drei Eingliederungsmerkmale besteht (BFH-Urteile vom 20. Februar 1992 V R 80/85, BFH/NV 1993, 133, unter II.a; vom 25. Juni 1998 V R 76/97, BFH/NV 1998, 1534, unter II.2.a; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a bb; vom 5. Dezember 2007 V R 26/06, BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451, unter II.1.b; in BFH/NV 2008, 1365, unter II.2.d; in BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.3.a). Daher kann von der wirtschaftlichen nicht auf die finanzielle Eingliederung geschlossen werden (BFH-Urteil in BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441, unter II.1.) und das völlige Fehlen einer eigenen Beteiligung an der abhängigen Gesellschaft kann daher nicht durch andere Eingliederungsmerkmale ersetzt werden.

31

c) Dass die Beteiligung an einer juristischen Person ertragsteuerrechtlich Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters bei seiner Personengesellschaft sein kann, ist für das umsatzsteuerrechtlich maßgebliche Über- und Unterordnungsverhältnis nicht entscheidend und vermag die Annahme der finanziellen Eingliederung über die Gesellschafter des Organträgers nicht zu begründen. Denn die Qualifikation als Sonderbetriebsvermögen ist für die maßgebliche Willensbildung durch Mehrheitsbeschlüsse unerheblich. Auch die Entstehungsgeschichte der Gesellschaften, die Vinkulierung von Gesellschaftsanteilen und die Einheit des Steuerrechts rechtfertigen keine abweichende Beurteilung.

32

5. Das Urteil des FG entspricht nicht diesen Grundsätzen und war daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif.

33

Die Klage ist abzuweisen, da die GmbH nicht finanziell in die Klägerin eingegliedert ist. Eine finanzielle Eingliederung der GmbH über die drei Gesellschafter der Klägerin in die Klägerin reicht nicht aus. Weiter kommt die Annahme einer nur partiellen Eingliederung der GmbH --für den Bereich des Betriebs der Alten- und Pflegeheime, nicht aber hinsichtlich der Geschäftsführung der Klägerin-- nach der Rechtsprechung des Senats nicht in Betracht (BFH-Urteil in BFHE 226, 465, BFH/NV 2009, 2080, unter II.2.c ee (3)).

(1) Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt, unabhängig davon, ob er nach anderen Vorschriften rechtsfähig ist. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.

(2) Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nicht selbständig ausgeübt,

1.
soweit natürliche Personen, einzeln oder zusammengeschlossen, einem Unternehmen so eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind,
2.
wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Die Wirkungen der Organschaft sind auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt. Diese Unternehmensteile sind als ein Unternehmen zu behandeln. Hat der Organträger seine Geschäftsleitung im Ausland, gilt der wirtschaftlich bedeutendste Unternehmensteil im Inland als der Unternehmer.

(3) (weggefallen)

(1) Die Geschäftsführer sind der Gesellschaft gegenüber verpflichtet, die Beschränkungen einzuhalten, welche für den Umfang ihrer Befugnis, die Gesellschaft zu vertreten, durch den Gesellschaftsvertrag oder, soweit dieser nicht ein anderes bestimmt, durch die Beschlüsse der Gesellschafter festgesetzt sind.

(2) Gegen dritte Personen hat eine Beschränkung der Befugnis der Geschäftsführer, die Gesellschaft zu vertreten, keine rechtliche Wirkung. Dies gilt insbesondere für den Fall, daß die Vertretung sich nur auf gewisse Geschäfte oder Arten von Geschäften erstrecken oder nur unter gewissen Umständen oder für eine gewisse Zeit oder an einzelnen Orten stattfinden soll, oder daß die Zustimmung der Gesellschafter oder eines Organs der Gesellschaft für einzelne Geschäfte erfordert ist.

Der Bestimmung der Gesellschafter unterliegen:

1.
die Feststellung des Jahresabschlusses und die Verwendung des Ergebnisses;
1a.
die Entscheidung über die Offenlegung eines Einzelabschlusses nach internationalen Rechnungslegungsstandards (§ 325 Abs. 2a des Handelsgesetzbuchs) und über die Billigung des von den Geschäftsführern aufgestellten Abschlusses;
1b.
die Billigung eines von den Geschäftsführern aufgestellten Konzernabschlusses;
2.
die Einforderung der Einlagen;
3.
die Rückzahlung von Nachschüssen;
4.
die Teilung, die Zusammenlegung sowie die Einziehung von Geschäftsanteilen;
5.
die Bestellung und die Abberufung von Geschäftsführern sowie die Entlastung derselben;
6.
die Maßregeln zur Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung;
7.
die Bestellung von Prokuristen und von Handlungsbevollmächtigten zum gesamten Geschäftsbetrieb;
8.
die Geltendmachung von Ersatzansprüchen, welche der Gesellschaft aus der Gründung oder Geschäftsführung gegen Geschäftsführer oder Gesellschafter zustehen, sowie die Vertretung der Gesellschaft in Prozessen, welche sie gegen die Geschäftsführer zu führen hat.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, wurde am 21. Juli 1997 von der M-GmbH und RH gegründet. Die M-GmbH war zu 51 v.H. und RH zu 49 v.H. beteiligt. Die Stimmrechte entsprachen den Beteiligungsverhältnissen. Alleiniger Geschäftsführer der Klägerin war RH; Geschäftsführer der M-GmbH waren BF und HH.

2

Nach dem Gesellschaftsvertrag der Klägerin wurden Gesellschafterbeschlüsse mit einfacher Stimmenmehrheit gefasst. Bestellung, Abberufung und Entlastung von Geschäftsführern sowie der Abschluss, die Änderung und die Aufhebung von Anstellungsverträgen mit der Geschäftsführung bedurften der Zustimmung der beiden Gründungsgesellschafter.

3

Am Tag ihrer Gründung schloss die Klägerin mit der M-GmbH einen Gewinnabführungsvertrag ab, der in einer Gesellschafterversammlung der Klägerin am 8. August 1997 bestätigt und notariell beurkundet wurde. Nach dem unter Bezugnahme auf das Aktiengesetz abgeschlossenen Vertrag hatte die Klägerin einen pauschalen Gewinnanteil an die M-GmbH abzuführen, die sich ihrerseits zu einer Verlustübernahme verpflichtete. Darüber hinaus verpflichtete sich die Klägerin, ihre Geschäfte nach den Weisungen der M-GmbH zu führen.

4

Am 28. November 1997 vereinbarten die Klägerin und die M-GmbH eine "einheitliche Gestaltungsrichtlinie" ("Konzernrichtlinien") insbesondere für den Wareneinkauf nach Rahmenverträgen. Am 1. Dezember 1997 verpflichtete sich die Klägerin, der M-GmbH wöchentlich den nach Handel und Service getrennten Umsatz, den Wareneinkauf und die Kontostände zu melden.

5

Nach einer am 16. Dezember 1997 vereinbarten Geschäftsordnung bedurften insbesondere der Erwerb und die Veräußerung von Anlagevermögen von mehr als 10.000 DM sowie der Abschluss, die Änderung und die Beendigung von Anstellungsverträgen mit einer Kündigungsfrist von mehr als 1 Jahr oder einem Jahresgehalt von mehr als 75.000 DM der Zustimmung der Gesellschafterversammlung der Klägerin.

6

Am 9. Januar 1998 wurde RH zum Prokuristen der M-GmbH bestellt. Am 29. April 1999 warf die M-GmbH der Klägerin vor, Einkaufsverträge vor Abschluss der Zentralverhandlungen abgeschlossen zu haben, und mahnte die Zahlung von "Managementvergütungen" für Leistungen der M-GmbH an die Klägerin an.

7

Die Klägerin ging zunächst davon aus, dass sie umsatzsteuerrechtlich Organgesellschaft der M-GmbH sei. Die Organschaft endete unstreitig zum 30. Juni 1999. Demgegenüber ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) in den Umsatzsteuerbescheiden für die Streitjahre 1997 und 1998 vom 19. April 2000 und für das Streitjahr 1999 vom 27. Juli 2000 davon aus, dass von Anfang an keine Organschaft bestanden habe. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

8

Das Finanzgericht (FG) bestätigte das FA. Es fehle an der für die Organschaft erforderlichen organisatorischen Eingliederung. Hierfür reichten weder Weisungsrechte der M-GmbH noch Berichtspflichten noch eine Geschäftsordnung aus, da der Mehrheitsgesellschafter ein Letztentscheidungsrecht nicht verwirklichen könne, wenn einziger Geschäftsführer der Organgesellschaft der Minderheitsgesellschafter sei. Hieran habe sich auch durch die Prokuraerteilung für RH bei der M-GmbH nichts geändert, da die Geschäftsführerstellung des RH bei der Klägerin nicht auf seiner Stellung als Prokurist bei der M-GmbH beruht habe. Es habe eine "Pattsituation" zwischen den beiden Gesellschaftern der Klägerin bestanden, da die M-GmbH, selbst wenn sie RH als Geschäftsführer der Klägerin zumindest aus wichtigem Grund hätte abberufen können, einen neuen Geschäftsführer nur mit dessen Zustimmung habe bestellen können.

9

Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 586 veröffentlicht.

10

Ihre Revision stützt die Klägerin auf die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Sie sei Organgesellschaft der M-GmbH gewesen, da sie in diese auch organisatorisch eingegliedert sei. Hierfür komme es nicht zwingend auf eine vollständige Personenidentität der Vertretungsorgane an. Ihr Geschäftsführer RH sei Prokurist der M-GmbH gewesen. Es sei nur theoretisch möglich gewesen, dass RH seinen Interessen als Minderheitsgesellschafter Vorrang vor dem Willen des Organträgers einräumen konnte. Eine vom Willen des Organträgers abweichende Willensbildung sei auch durch die "Gestaltung der Beziehungen" verhindert worden. So sei der M-GmbH ein umfangreiches Informationsrecht eingeräumt worden. Sie sei teils zur wöchentlichen, teils sogar zur täglichen Berichterstattung verpflichtet gewesen und sei dem auch nachgekommen. Darüber hinaus habe zugunsten der M-GmbH ein vertraglich vereinbartes Weisungsrecht bestanden. Die organisatorische Eingliederung sei rechtlich abgesichert und betriebswirtschaftlich durchsetzbar gewesen, wie sich aus dem Gewinnabführungsvertrag, den Gestaltungs- und Konzernrichtlinien, den zugunsten ihrer Gesellschafterversammlung bestehenden Zustimmungsvorbehalten und der Geschäftsordnung ergebe. RH habe als Geschäftsführer zumindest aus wichtigem Grund abberufen werden können. Es habe eine für die organisatorische Eingliederung ausreichende "Pattsituation" bestanden. Das FG habe schließlich gegen den klaren Inhalt der Akten verstoßen, da sich aus ihrem Klagevortrag ergeben habe, "in welchem Umfang die Klägerin und der Organträger organisatorische Maßnahmen zur Verhinderung einer abweichenden Willensbildung getroffen haben" und das FG sich bei seiner Beurteilung "auf einen verzerrten Sachverhalt, der von den tatsächlichen Gegebenheiten abweicht", gestützt habe.

11

Die Klägerin beantragt,

die Umsatzsteuerbescheide 1997 und 1998 vom 19. April 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. Februar 2003 aufzuheben und den Umsatzsteuerbescheid 1999 vom 27. Juli 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. Februar 2003 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer auf 40.648,88 € herabgesetzt wird.

12

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

13

Das FG habe die Organschaft zu Recht verneint. Die gegenüber einem Prokuristen bestehende Weisungsbefugnis reiche zur Begründung der organisatorischen Eingliederung nicht aus. Diese folge auch nicht aus der Geschäftsordnung, die für den Geschäftsführer "weite Spielräume" gelassen habe.

Entscheidungsgründe

14

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Wie das FG im Ergebnis zu Recht entschieden hat, ist die Klägerin mangels organisatorischer Eingliederung nicht Organgesellschaft ihres Mehrheitsgesellschafters.

15

1. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen eines anderen Unternehmers eingegliedert ist (Organschaft).

16

Unionsrechtlich beruht diese Vorschrift auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG. Danach können die Mitgliedstaaten im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, jedoch durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln.

17

Die Ausübung der Ermächtigung, "Personen ... als einen Steuerpflichtigen zu behandeln", führt zu einer "Verschmelzung zu einem einzigen Steuerpflichtigen[, die] es ausschließt, dass die untergeordneten Personen weiterhin getrennt Mehrwertsteuererklärungen abgeben und innerhalb und außerhalb ihres Konzerns weiter als Steuerpflichtige angesehen werden, da nur der einzige Steuerpflichtige befugt ist, diese Erklärungen abzugeben" (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 22. Mai 2008 C-162/07, Ampliscientifica und Amplifin, Slg. 2008, I-4019 Rdnr. 19). Dementsprechend setzt die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG erforderliche Eingliederung in ein anderes Unternehmen ein Verhältnis der Über- und Unterordnung zwischen einer Organgesellschaft als "untergeordneter Person" und dem sog. Organträger voraus (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18. Dezember 1996 XI R 25/94, BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441, unter II.1.; vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a aa; vom 3. April 2008 V R 76/05, BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.1., und vom 22. April 2010 V R 9/09, BFHE 229, 433, BFH/NV 2010, 1581, unter II.3.b aa).

18

2. Die Eingliederungsvoraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG dienen der Feststellung, ob das für die Organschaft erforderliche Über- und Unterordnungsverhältnis vorliegt, das zur Verschmelzung zu nur einem einzigen Steuerpflichtigen führt.

19

a) Finanziell muss der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt sein, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschluss in der Gesellschafterversammlung durchsetzen kann (BFH-Urteile vom 22. November 2001 V R 50/00, BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd; vom 30. April 2009 V R 3/08, BFHE 226, 144, BFH/NV 2009, 1734, unter II.2.b aa; in BFHE 229, 433, BFH/NV 2010, 1581, unter II.2., und vom 1. Dezember 2010 XI R 43/08, BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600, unter II.2.).

20

b) Die organisatorische Eingliederung setzt voraus, dass der Organträger die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung wahrnimmt, wobei er die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrschen muss (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 5. Dezember 2007 V R 26/06, BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451, unter II.2.; vom 14. Februar 2008 V R 12, 13/06, BFH/NV 2008, 1365, unter II.2.f aa; in BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.3.b, und die bisherige Rechtsprechung zusammenfassend vom 28. Oktober 2010 V R 7/10, BFHE 231, 356, BStBl II 2011, 391, unter II.2., m.w.N.).

21

c) Für die wirtschaftliche Eingliederung i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG müssen die Unternehmensbereiche von Organträger und Organgesellschaft miteinander verflochten sein. Dabei kann die wirtschaftliche Eingliederung auf entgeltlichen Leistungen des Mehrheitsgesellschafters (Organträger) gegenüber seiner Tochtergesellschaft (Organgesellschaft) beruhen, wenn diesen für das Unternehmen der Organgesellschaft mehr als nur unwesentliche (geringfügige) Bedeutung zukommt (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 6. Mai 2010 V R 26/09, BFHE 230, 256, BStBl II 2010, 1114, unter II.3.b bb (3)). Es ist dann im Regelfall davon auszugehen, dass der Organträger aufgrund derartiger Leistungen auf die Organgesellschaft Einfluss nehmen kann, für ihn auch aufgrund der Möglichkeit zur Beendigung dieser Leistungsbeziehung eine "beherrschende Stellung" besteht (BFH-Urteil vom 9. September 1993 V R 124/89, BFHE 172, 541, BStBl II 1994, 129, unter II.1.b) und somit für ihn "besondere Einwirkungsmöglichkeiten" vorliegen (BFH-Urteil vom 25. Juni 1998 V R 76/97, BFH/NV 1998, 1534, unter II.2.c).

22

3. Im Streitfall war die Klägerin nur finanziell, nicht aber auch organisatorisch in die M-GmbH eingegliedert.

23

a) Die M-GmbH war nicht in der Lage, die für sie aufgrund ihrer Mehrheitsbeteiligung bestehende Beherrschungsmöglichkeit in der Geschäftsführung der Klägerin auszuüben.

24

aa) Die organisatorische Eingliederung besteht zwischen zwei GmbHs insbesondere bei einer Personenidentität in den Geschäftsführungsorganen der beiden Gesellschaften (BFH-Urteile vom 17. Januar 2002 V R 37/00, BFHE 197, 357, BStBl II 2002, 373, unter II.1.c bb; in BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451, unter II.3.). Darüber hinaus kann sich die organisatorische Eingliederung auch aus einer (teilweisen) personellen Verflechtung über diese Geschäftsführungsorgane ergeben (BFH-Urteile in BFHE 197, 357, BStBl II 2002, 373, unter II.1.c bb; in BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.3.b), wenn dem Organträger eine Willensdurchsetzung in der Geschäftsführung der Organgesellschaft möglich ist. Sind für die Organ-GmbH z.B. mehrere einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer bestellt, reicht es aus, dass zumindest einer von ihnen auch Geschäftsführer der Organträger-GmbH ist, der Organträger über ein umfassendes Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsführung der Organ-GmbH verfügt (vgl. § 37 Abs. 2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung --GmbHG--) und --anders als in der dem BFH-Urteil in BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451 zugrunde liegenden Fallgestaltung-- zur Bestellung und Abberufung aller Geschäftsführer der Organ-GmbH berechtigt ist (vgl. § 46 Nr. 5 GmbHG).

25

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Zwischen den Geschäftsführungsorganen der Klägerin, einer GmbH, und der M-GmbH bestand keine Personalunion, da der einzige Geschäftsführer der Klägerin, RH, nicht auch bei der M-GmbH geschäftsführungsbefugt war. Dass die M-GmbH als Mehrheitsgesellschafter in der Gesellschafterversammlung der Klägerin gegenüber der Geschäftsführung der Klägerin weisungsbefugt war, reicht ohne zusätzliche personelle Verflechtung über die Geschäftsführung der Klägerin nicht aus.

26

bb) Am Fehlen der für die organisatorische Eingliederung erforderlichen Beherrschungsmöglichkeit hat sich durch die Bestellung des einzigen Geschäftsführers der Klägerin, RH, zum Prokuristen der M-GmbH ab 9. Januar 1998 nichts geändert. Zwar reicht es für die eine organisatorische Eingliederung begründende personelle Verflechtung aus, dass der oder die Geschäftsführer der Organgesellschaft leitende Mitarbeiter des Organträgers sind (BFH-Urteil vom 20. August 2009 V R 30/06, BFHE 226, 465, BStBl II 2010, 863, Leitsatz 2).

27

Die nach dieser Rechtsprechung mögliche Berücksichtigung leitender Mitarbeiter des Organträgers bei der organisatorischen Eingliederung beruht jedoch auf der Annahme, dass der leitende Mitarbeiter des Organträgers dessen Weisungen bei der Geschäftsführung der Organgesellschaft aufgrund eines zum Organträger bestehenden Anstellungsverhältnisses und einer sich hieraus ergebenden persönlichen Abhängigkeit befolgen wird und er bei weisungswidrigem Verhalten vom Organträger als Geschäftsführer der Organgesellschaft abberufen werden kann.

28

Im Streitfall begründete die Erteilung einer Prokura bei der M-GmbH für RH, den Geschäftsführer der Klägerin, danach keine organisatorische Eingliederung. Denn die M-GmbH konnte nach den besonderen Verhältnissen des Streitfalls ihren Willen gegenüber ihrem Prokuristen RH bei der Geschäftsführung der Klägerin bereits deshalb nicht durchsetzen, weil RH als Gründungsgesellschafter der Klägerin nach deren Satzung --und damit entgegen § 46 Nr. 5 GmbHG-- nicht gegen seinen Willen als Geschäftsführer der Klägerin durch Mehrheitsbeschluss in der Gesellschafterversammlung abberufen werden konnte. Ohne Bedeutung für die organisatorische Eingliederung ist, ob gemäß § 38 Abs. 2 GmbHG gleichwohl zumindest eine Abberufung aus wichtigem Grund möglich war (vgl. hierzu z.B. Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 20. Dezember 1982 II ZR 110/82, BGHZ 86, 177, unter I.1.; zu § 47 Abs. 4 GmbHG vgl. BGH-Urteile vom 27. April 2009 II ZR 167/07, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2009, 2300, unter II.3.a, und vom 21. Juni 2010 II ZR 230/08, NJW 2010, 3027, unter II.1.). Denn die organisatorische Eingliederung setzt die Möglichkeit der Beherrschung in der laufenden Geschäftsführung voraus. Dies erfordert ein uneingeschränktes Abberufungsrecht, das nicht nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes besteht. Im Übrigen spricht auch der Umfang der Beteiligung des RH an der Klägerin gegen dessen Abhängigkeit vom Mehrheitsgesellschafter.

29

cc) Es liegen auch keine sonstigen Umstände vor, aus denen sich für die M-GmbH eine Möglichkeit zur Willensdurchsetzung ergab.

30

So begründen bereits nach bisheriger Rechtsprechung weder das mit der finanziellen Eingliederung einhergehende Weisungsrecht durch Gesellschafterbeschluss noch eine vertragliche Pflicht zur regelmäßigen Berichterstattung über die Geschäftsführung die organisatorische Eingliederung (BFH-Urteile in BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.4., und in BFHE 231, 356, BStBl II 2011, 391, unter II.2.). Dies gilt auch für die von der Klägerin behauptete Pflicht zur sogar täglichen Berichterstattung. Auch Zustimmungsvorbehalte zugunsten der Gesellschafterversammlung z.B. aufgrund einer Geschäftsführungsordnung sind als bloße Verpflichtung zur Einholung von Weisungen unbeachtlich (vgl. BFH-Urteile vom 20. Februar 1992 V R 80/85, BFH/NV 1993, 133, unter II.a cc, und in BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.4.). Ebenso reicht das bloße Recht zur Bestellung oder Abberufung von Geschäftsführern ohne weiter gehende personelle Verflechtung über das Geschäftsführungsorgan nicht aus (s. oben II.3.a).

31

Im Streitfall war die M-GmbH daher auch nicht aufgrund der ihr als GmbH-Mehrheitsgesellschafter zustehenden Weisungsrechte, der Berichtspflichten und der darüber hinaus bestehenden Zustimmungsvorbehalte in der Lage, die Geschäftsführung der Klägerin zu beherrschen.

32

b) Der Senat hat im Streitfall nicht zu entscheiden, ob er an seiner bisherigen Rechtsprechung festhält, nach der sich die organisatorische Eingliederung --ohne Möglichkeit zur Willensdurchsetzung-- auch daraus ergeben kann, dass eine vom Organträger abweichende Willensbildung in der Organgesellschaft ausgeschlossen ist (vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451, unter II.2.; in BFH/NV 2008, 1365, unter II.2.f aa; in BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.3.b, und die bisherige Rechtsprechung zusammenfassend in BFHE 231, 356, BStBl II 2011, 391, unter II.2., m.w.N.).

33

Denn auch nach dieser Rechtsprechung reichten die von der Klägerin angeführten Rechte zur Erteilung von Weisungen, zur Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern sowie die Berichtspflichten nicht aus, um eine organisatorische Eingliederung zu begründen (s. oben II.3.a cc). Aufgrund der Besonderheiten des Streitfalls war RH schließlich trotz seiner Stellung als Prokurist nicht als leitender Mitarbeiter der M-GmbH anzusehen (s. oben II.3.a bb).

34

c) Auf das Vorliegen der wirtschaftlichen Eingliederung kam es nicht mehr an.

35

4. Das FG hat nicht gegen den klaren Inhalt der Akten verstoßen.

36

Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Zum Gesamtergebnis des Verfahrens gehört auch die Auswertung des Inhalts der dem Gericht vorliegenden Akten. Ein Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten liegt insbesondere dann vor, wenn das FG eine nach Aktenlage feststehende Tatsache, die richtigerweise in die Beweiswürdigung hätte einfließen müssen, unberücksichtigt lässt oder seiner Entscheidung einen Sachverhalt zugrunde legt, der dem protokollierten Vorbringen der Beteiligten nicht entspricht (vgl. BFH-Beschlüsse vom 19. Mai 2000 X B 75/99, BFH/NV 2000, 1458; vom 17. März 2010 X B 95/09, BFH/NV 2010, 1827, und vom 22. März 2011 X B 151/10, BFH/NV 2011, 1165). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

37

Demgegenüber wird § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO nicht verletzt, wenn das FG den ihm vorliegenden Akteninhalt --wie im Streitfall-- nicht entsprechend den klägerischen Vorstellungen würdigt. Insoweit handelt es sich um einen materiell-rechtlichen Fehler, der im Übrigen im Streitfall nicht vorliegt (s. oben 3.), nicht aber um einen Verfahrensverstoß (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 12. September 1996 X B 76/96, BFH/NV 1997, 246; vom 24. April 2007 VIII B 251/05, BFH/NV 2007, 1521, und vom 23. Juli 2010 IV B 12/09, BFH/NV 2010, 2063).

(1) Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt, unabhängig davon, ob er nach anderen Vorschriften rechtsfähig ist. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.

(2) Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nicht selbständig ausgeübt,

1.
soweit natürliche Personen, einzeln oder zusammengeschlossen, einem Unternehmen so eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind,
2.
wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Die Wirkungen der Organschaft sind auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt. Diese Unternehmensteile sind als ein Unternehmen zu behandeln. Hat der Organträger seine Geschäftsleitung im Ausland, gilt der wirtschaftlich bedeutendste Unternehmensteil im Inland als der Unternehmer.

(3) (weggefallen)

Tatbestand

1

I. Mit Schreiben vom 10. März 1998 reichte die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) Umsatzsteuervoranmeldungen für die Voranmeldungszeiträume II-IV/1997 ein, aus denen sich aufgrund des geltend gemachten Vorsteuerabzugs ein Vergütungsanspruch von 34.509,40 DM ergab. Sie erklärte dabei, im Vorjahr ein Grundstück erworben und mit einer Büro- und Werkhalle bebaut zu haben. Das Grundstück werde seit 1. Januar 1998 an die S-GmbH vermietet. Das FA zahlte den geltend gemachten Vergütungsbetrag erklärungsgemäß aus.

2

Zu der erklärten Vermietung des Grundstücks durch die Klägerin kam es aber nicht. Denn nach dem schriftlichen Vertrag vom 5. Januar 1998 hatte der Ehemann der Klägerin das von der Klägerin bebaute Grundstück seit dem 1. Januar 1998 (Ziff. 2 des Vertrages) an die S-GmbH verpachtet. Der Ehemann der Klägerin war Mehrheitsgesellschafter und alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der S-GmbH. In der Vorbemerkung zu dem Pachtvertrag wurde darauf hingewiesen, dass der "Verpächter wirtschaftlicher und zukünftig auch rechtlicher Eigentümer des von der Pächterin im Rahmen ihres Geschäftsbetriebes genutzten Grundstücks" sei. Die monatliche Pacht sollte 2.000 DM zuzüglich Umsatzsteuer betragen (Ziff. 3 des Vertrages) und zunächst gegen ein dem Ehemann der Klägerin von der S-GmbH gewährtes Darlehen verrechnet werden, das die S-GmbH nach einem gleichfalls am 5. Januar 1998 schriftlich abgeschlossenen Darlehensvertrag dem Ehemann der Klägerin in Höhe von 138.750 DM im Vorjahr gewährt hatte, und das der Ehemann der Klägerin dieser für die Errichtung des Gebäudes zur Verfügung gestellt hatte.

3

Am 10. August 1998 schlossen die Klägerin und ihr Ehemann einen notariellen Vertrag über eine "ehebedingte unbenannte Zuwendung". Danach wendete die Klägerin ihrem Ehemann das von ihr bebaute Grundstück gegen Übertragung zweier anderer Grundstücke zu.

4

Das FA ging im Anschluss an eine beim Ehemann der Klägerin durchgeführte Außenprüfung davon aus, dass der von der Klägerin 1997 für die Bebauung in Anspruch genommene Vorsteuerabzug im Streitjahr 1998 nach § 15a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) bei ihr zu berichtigen sei, weil sie das Grundstück zum 1. Januar 1998 im umsatzsteuerrechtlichen Sinne nach § 3 Abs. 1b UStG 1999 aus ihrem Unternehmen entnommen habe und erließ einen nach § 164 der Abgabenordnung geänderten Umsatzsteuerjahresbescheid für das Streitjahr.

5

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) stützte die Klageabweisung darauf, dass die Voraussetzungen für eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 4 UStG vorliegen. Die Klägerin habe das Grundstück ab 1. Januar 1998 ihrem Ehemann unentgeltlich zur Nutzung überlassen, damit die Absicht zur steuerpflichtigen Vermietung sowie ihre unternehmerische Tätigkeit aufgegeben und das Grundstück entnommen, zumal sie das Grundstück auch noch im August 1998 auf ihren Ehemann übertragen habe. Auf eine eigenständige Würdigung der sich aus dem Übertragungsvertrag vom 10. August 1998 ergebenden Folgen komme es nicht an. Die Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG, durch die der Korrekturzeitraum des § 15a UStG vom Erwerber fortgeführt worden wäre, und deshalb eine Vorsteuerberichtigung bei der Klägerin unzulässig wäre, lägen entgegen der Auffassung der Klägerin nicht vor, da die Klägerin noch kein Vermietungsunternehmen unterhalten, sondern nur eine Vermietungsabsicht bestanden habe.

6

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts. Eine Geschäftsveräußerung liege auch dann vor, wenn mit der übertragenen Immobilie noch keine Miet- oder Pachtverhältnisse verbunden seien. Aufgrund der persönlichen Verflechtung zwischen ihr und dem Erwerber mache es keinen Unterschied, ob sie zunächst einen Mietvertrag abschließe und anschließend veräußere oder ob der Abschluss des Mietvertrages der Geschäftsveräußerung unmittelbar nachfolge. Eine Geschäftsveräußerung könne auch dann vorliegen, wenn sich der Geschäftsbetrieb noch in einer Vorbereitungsphase befinde und der Erwerber die Tätigkeit fortführe. Eine Geschäftsveräußerung könne auch gegeben sein, wenn das übertragene Vermögen nur aus einem Wirtschaftsgut bestehe. Die Bebauung sei nicht in Veräußerungsabsicht erfolgt. Das FA habe die Vermietungsabsicht anerkannt. Der Erwerber habe die Vermietungsabsicht nahtlos umgesetzt.

7

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des FG, die Einspruchsentscheidung vom 12. März 2005 und den geänderten Umsatzsteuerbescheid 1998 vom 22. Dezember 2004 aufzuheben.

8

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

9

Nach dem Pachtvertrag vom 5. Januar 1998 sei bereits zu diesem Zeitpunkt klar gewesen, dass die Klägerin eine Veräußerung beabsichtigt habe. Im Zeitpunkt der Nutzungsüberlassung habe noch kein hinreichend verfestigtes Vermietungsunternehmen bestanden.

Entscheidungsgründe

10

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat im Ergebnis zu Recht die Voraussetzungen für eine Vorsteuerberichtigung bejaht.

11

1. Im Streitfall kommt eine Vorsteuerberichtigung nicht nach dem vom FG seinem Urteil zugrunde gelegten § 15a UStG 1993, sondern nur nach § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG 1999 i.d.F. des Gesetzes vom 20. Dezember 2001 (BGBl I 2001, 3794) i.V.m. § 27 Abs. 8 UStG 1999 i.d.F. des Gesetzes vom 15. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2645) in Betracht.

12

a) Die Klägerin war nicht nach § 15a Abs. 1 Satz 1 des im Streitjahr geltenden UStG 1993 zur Vorsteuerberichtigung verpflichtet. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat insoweit auf sein Urteil vom 7. Juli 2005 V R 32/04 (BFHE 211, 74, BStBl II 2005, 907, unter II.2.b).

13

b) Die Rechtmäßigkeit der Vorsteuerberichtigung richtet sich im Streitfall nach § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG 1999 i.d.F. des Gesetzes vom 20. Dezember 2001 (BGBl I 2001, 3794) i.V.m. § 27 Abs. 8 UStG 1999 i.d.F. des Gesetzes vom 15. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2645).

14

§ 15a Abs. 1 Satz 1 UStG 1999 i.d.F. des Gesetzes vom 20. Dezember 2001 (BGBl I 2001, 3794) hat folgenden Wortlaut: "Ändern sich bei einem Wirtschaftsgut innerhalb von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse, ist für jedes Kalenderjahr der Änderung ein Ausgleich durch eine Berichtigung des Abzugs der auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten entfallenden Vorsteuerbeträge vorzunehmen." Nach § 27 Abs. 8 UStG 1999 ist "§ 15a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 in der Fassung des Gesetzes vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3794) ... auch für Zeiträume vor dem 1. Januar 2002 anzuwenden, wenn der Unternehmer den Vorsteuerabzug im Zeitpunkt des Leistungsbezugs auf Grund der von ihm erklärten Verwendungsabsicht in Anspruch genommen hat und die Nutzung ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung mit den für den Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnissen nicht übereinstimmt". Die durch § 27 Abs. 8 UStG angeordnete Rückwirkung ist verfassungsgemäß. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat insoweit auf sein Urteil in BFHE 211, 74, BStBl II 2005, 907, unter II.2.).

15

2. Die Voraussetzungen für eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 UStG 1999 i.V.m. § 27 Abs. 8 UStG 1999 liegen vor.

16

Wie das FG im Ergebnis zu Recht entschieden hat, führte die Nutzungsüberlassung im Zusammenhang mit der sich hieran anschließenden Übertragung des Grundstücks durch die Klägerin auf ihren Ehemann zu einer Änderung der für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse. Nach den Feststellungen des FG hatte die Klägerin bereits im Januar 1998 die Vermietungsabsicht aufgegeben. Nach dem zwischen dem Ehemann und der GmbH abgeschlossenen Mietvertrag ging der Ehemann bereits bei Vertragsabschluss im Januar 1998 davon aus, wirtschaftlicher und künftig auch rechtlicher Eigentümer des Grundstücks zu sein. Daher sind die Nutzungsüberlassung und die nachfolgende Grundstücksübertragung umsatzsteuerrechtlich als ein Vorgang anzusehen, der zu einer Entnahme des Grundstücks durch einen Rechtsträgerwechsel auf den Ehemann führte, so dass die Entnahme nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei ist. Anhaltspunkte für einen Verzicht auf diese Steuerfreiheit nach § 9 UStG bestehen nach den vom FG und für den Senat bindenden Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) nicht.

17

3. Die Berichtigung kann nicht aufgrund einer Geschäftsveräußerung i.S. von § 1 Abs. 1a UStG nach § 15a Abs. 6a UStG unterbleiben.

18

a) Nach der Rechtsprechung des Senats gilt für Geschäftsveräußerungen Folgendes:

19

aa) Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen unterliegen nach § 1 Abs. 1a UStG nicht der Umsatzsteuer. Die Vorschrift setzt voraus, dass ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. § 1 Abs. 1a UStG dient der Umsetzung von Art. 5 Abs. 8 und Art. 6 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) in nationales Recht und ist entsprechend dieser Bestimmung richtlinienkonform auszulegen. Nach Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG können die Mitgliedstaaten die Übertragung eines Gesamt- oder Teilvermögens, die entgeltlich erfolgt, so behandeln, als ob keine Lieferung vorliegt.

20

bb) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30. April 2009 V R 4/07, BFHE 226, 138, BStBl II 2009, 863), der sich dabei auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (seit 1. Dezember 2009: Gerichtshof der Europäischen Union; Urteil vom 27. November 2003 C-497/01, Zita Modes, Slg. 2003, I-14393, BFH/NV Beilage 2004, 128) stützt, gilt für die Nichtsteuerbarkeit von Geschäftsveräußerungen Folgendes:

21

Die Nichtsteuerbarkeit der Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG soll die Übertragung von Unternehmen oder Unternehmensteilen erleichtern und vereinfachen. Die Vorschrift gilt für die Übertragung von Geschäftsbetrieben und von selbständigen Unternehmensteilen, die als Zusammenfassung materieller und immaterieller Bestandteile ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bilden, mit dem eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann. Der Erwerber muss die Unternehmensfortführung beabsichtigen, so dass das übertragene Vermögen die Fortsetzung einer bisher durch den Veräußerer ausgeübten Tätigkeit ermöglichen muss. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung ist zu entscheiden, ob das übertragene Unternehmensvermögen als hinreichendes Ganzes die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglicht, und ob die vor und nach der Übertragung ausgeübten Tätigkeiten übereinstimmen oder sich hinreichend ähneln.

22

Bei Grundstücksgeschäften führt die Übertragung eines vermieteten oder verpachteten Grundstücks zu einer Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG, da durch den mit dem Grundstückserwerb verbundenen Eintritt in den Miet- oder Pachtvertrag ein Vermietungs- oder Verpachtungsunternehmen übernommen wird. Dementsprechend ist nach dem BFH-Urteil vom 11. Oktober 2007 V R 57/06 (BFHE 219, 284, BStBl II 2008, 447, unter II.2.) die Veräußerung eines Gebäudes ohne Übergang eines Mietvertrages im Regelfall keine Geschäftsveräußerung. Denn die Übertragung eines unvermieteten Grundstücks führt nicht zur Übertragung eines Unternehmensteils, mit dem eine selbständige Tätigkeit fortgeführt werden kann, sondern zur Übertragung eines einzelnen Vermögensgegenstandes. Fehlt es an weiteren Faktoren wie z.B. einer bestehenden Vermietung oder Verpachtung des Grundstücks, liegt daher keine Geschäftsveräußerung vor.

23

b) Im Streitfall scheitert die Annahme einer Geschäftsveräußerung bereits daran, dass der Ehemann der Klägerin aufgrund der zwischen ihm und der S-GmbH bestehenden Organschaft die von der Klägerin zunächst beabsichtigte Vermietungstätigkeit umsatzsteuerrechtlich nicht fortgesetzt hat.

24

aa) Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Gemeinschaftsrechtlich beruht diese Vorschrift auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG. Danach können die Mitgliedstaaten im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, jedoch durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln.

25

bb) Die für eine Organschaft zwischen dem Ehemann und der S-GmbH erforderlichen Eingliederungsvoraussetzungen liegen aufgrund der Feststellungen des FG vor.

26

(1) Die finanzielle Eingliederung ergibt sich daraus, dass der Ehemann Alleingesellschafter der S-GmbH war und daher seinen Willen durch Mehrheitsbeschlüsse durchsetzen konnte (vgl. BFH-Urteile vom 22. November 2001 V R 50/00, BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a; vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd).

27

(2) Die organisatorische Eingliederung beruht darauf, dass der Ehemann der Klägerin als alleiniger Geschäftsführer seiner GmbH die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Organgesellschaft durch den Organträger in der laufenden Geschäftsführung der Organgesellschaft wirklich wahrnehmen und beherrschen konnte (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 5. Dezember 2007 V R 26/06, BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451, unter II.2.).

28

(3) Für die wirtschaftliche Eingliederung i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG müssen die Unternehmensbereiche von Organträger und Organgesellschaft miteinander verflochten sein (BFH-Urteil vom 20. August 2009 V R 30/06, BFHE 226, 465, BFH/NV 2009, 2080, Leitsatz 3). Dabei kann die wirtschaftliche Eingliederung auf entgeltlichen Leistungen des Mehrheitsgesellschafters (Organträger) gegenüber seiner Tochtergesellschaft (Organgesellschaft) beruhen, wenn diesen für das Unternehmen der Organgesellschaft mehr als nur unwesentliche (geringfügige) Bedeutung zukommt (BFH-Urteile vom 18. Juni 2009 V R 4/08, BFHE 226, 382, BStBl II 2010, 310, Leitsatz 2, und in BFHE 226, 465, BFH/NV 2009, 2080, unter II.2.c bb).

29

Eine mehr als nur unwesentliche (geringfügige) Bedeutung kann den Leistungen eines Organträgers an die Organgesellschaft nach der Rechtsprechung des Senats zukommen bei der Verpachtung von Anlagegegenständen (BFH-Urteil vom 17. April 1969 V 44/65, BFHE 95, 353, BStBl II 1969, 413), bei der Vermietung eines Betriebsgrundstücks, auf dem die Organgesellschaft ihr Unternehmen betreibt (BFH-Urteil vom 16. August 2001 V R 34/01, BFH/NV 2002, 223, unter II.2., und BFH-Beschluss vom 25. April 2002 V B 128/01, BFH/NV 2002, 1058, unter II.2.d) oder bei der Erbringung von Dienstleistungen (BFH-Urteil vom 3. April 2003 V R 63/01, BFHE 202, 79, BStBl II 2004, 434, Leitsatz 1 zu Architektenleistungen; zu unwesentlichen Dienstleistungen z.B. im Verwaltungsbereich vgl. aber BFH-Urteil vom 25. Juni 1998 V R 76/97, BFH/NV 1998, 1534, unter II.2.c, und BFH-Urteil in BFHE 226, 465, BFH/NV 2009, 2080, unter II.2.c bb).

30

Im Streitfall ergibt sich der für die wirtschaftliche Eingliederung erforderliche vernünftige wirtschaftliche Zusammenhang aus der Vermietung des vom Ehemann erworbenen und von der Klägerin bebauten Grundstücks durch den Ehemann an die S-GmbH. Die Vermietung eines Betriebsgrundstücks genügt, wenn es für die Organgesellschaft von nicht nur geringfügiger Bedeutung ist (BFH-Urteil in BFH/NV 2002, 223, unter II.2., und BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 1058, unter II.2.d).

31

cc) Liegt eine Organschaft vor, beschränken sich nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 UStG zwar die Wirkungen der Organschaft auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen des Organkreises. Diese Unternehmensteile sind jedoch nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 UStG als ein Unternehmen zu behandeln. Letzterem kommt Vorrang zu, da sich die Rechtsfolgen der Organschaft somit nicht auf Innenleistungen einschränken lassen, sondern z.B. dazu führen, dass dem Organträger die Umsätze seiner Organgesellschaften zuzurechnen sind und diese auch die Höhe der für den Organträger entstehenden Steuer beeinflussen (BFH-Urteil vom 29. Oktober 2008 XI R 74/07, BFHE 223, 498, BStBl II 2009, 256, unter II.2.d).

32

Die Behandlung als ein Unternehmen gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 UStG ist auch in Bezug auf die Nichtsteuerbarkeit von Geschäftsveräußerungen nach § 1 Abs. 1a UStG zu berücksichtigen. Bei der Übertragung eines Vermietungsunternehmens liegt eine nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung nur vor, wenn der Erwerber die Vermietungstätigkeit des Veräußerers nicht nur zivilrechtlich, sondern auch umsatzsteuerrechtlich unter Berücksichtigung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 UStG fortführt. Denn für die Geschäftsveräußerung kommt es auf die Fortsetzung einer Unternehmenstätigkeit und damit auf umsatzsteuerrechtliche Kriterien, die sich nach § 2 UStG richten, an. Erwirbt daher --wie im Streitfall-- ein Organträger ein an seine Organgesellschaft vermietetes Gebäude, liegt keine Geschäftsveräußerung vor, da der erwerbende Organträger das übertragene Gebäude umsatzsteuerrechtlich nicht vermietet, sondern durch die Organgesellschaft als Teil seines Unternehmens eigenunternehmerisch nutzt.

33

Dementsprechend kommt im Streitfall eine Geschäftsveräußerung nicht in Betracht. Die von der Klägerin beabsichtigte Vermietung konnte durch ihren Ehemann mit einer Vermietung an die S-GmbH als dessen Organgesellschaft nicht fortgesetzt werden.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Kommanditgesellschaft (KG), vermietete im Streitjahr 2001 ein Grundstück an ihre Komplementärin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), und stellte dieser entgeltlich Personal und Inventar für die von der GmbH betriebenen Alten- und Pflegeheime zur Verfügung. Die Klägerin erledigte darüber hinaus Verwaltungsaufgaben und erbrachte Hausmeisterserviceleistungen für die GmbH.

2

Gesellschafter der Klägerin und der GmbH waren A, B und C zu jeweils einem Drittel. Die GmbH war zwar Komplementärin der Klägerin, jedoch ohne an der Klägerin kapitalmäßig beteiligt zu sein. Geschäftsführer der GmbH war A.

3

Die Klägerin ging davon aus, dass zwischen ihr und der GmbH eine Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) bestehe und lediglich nicht steuerbare Innenleistungen zwischen der KG und GmbH erbracht würden. Sie gab daher keine Umsatzsteuererklärungen ab. Im Anschluss an eine Außenprüfung war der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) demgegenüber der Auffassung, dass keine Organschaft vorliege und die Klägerin steuerbare und steuerpflichtige Leistungen an die GmbH erbracht habe. Der gegen den Umsatzsteuerbescheid vom 10. Mai 2004 eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.

4

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Die Klägerin sei Organträger der GmbH, da die GmbH über die Gesellschafter A, B und C in die Klägerin mittelbar finanziell eingegliedert sei, sich die organisatorische Eingliederung aus der Stellung der GmbH als Komplementärin der Klägerin und daher aus einer Personal- und Organidentität ergebe und die wirtschaftliche Eingliederung auf den durch die Klägerin an die GmbH erbrachten Leistungen beruhe. Unerheblich sei, dass nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14. Dezember 1978 V R 85/74 (BFHE 127, 75, BStBl II 1979, 288) eine Komplementär-GmbH nicht in eine KG eingegliedert sein könne, da dieses Urteil aufgrund der späteren BFH-Rechtsprechung zur mittelbaren finanziellen Eingliederung überholt sei. Das Urteil des FG ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 2009, 792 veröffentlicht.

5

Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision, die es auf die Verletzung materiellen Rechts stützt. Aufgrund des Erfordernisses eines Über- und Unterordnungsverhältnisses liege keine Organschaft vor. Es fehlten auch die finanzielle und organisatorische Eingliederung.

6

Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

8

Die Klägerin trägt vor, das FG habe zutreffend entschieden, dass eine Organschaft bestehe. Es liege eine Betriebsaufspaltung vor. Die GmbH sei von ihr nach dem maßgeblichen Gesamtbild der Verhältnisse völlig abhängig gewesen, da sie der GmbH nahezu das gesamte für ihre Betätigung erforderliche Betriebsvermögen überlassen habe. Die Tatsache, dass ihre Kommanditisten in gleicher Weise auch an der GmbH beteiligt gewesen seien, zeige, dass sie und die GmbH als Einheit anzusehen seien. Es sei völlig unwahrscheinlich gewesen, dass die Kommanditisten in der GmbH anders entscheiden würden als bei ihr, der KG. Für die Organschaft spreche auch, dass die GmbH-Anteile als Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter bei ihr, der Klägerin, anzusehen seien, da es sich bei dem Sonderbetriebsvermögen und der Organschaft jeweils um "eine rein steuerrechtliche Konstruktion" handele. Für das Bestehen eines Organschaftsverhältnisses spreche weiter die Einheit des Steuerrechts sowie die Entstehungsgeschichte der Firmenkonstruktion. Die finanzielle Eingliederung ergebe sich auch aus der Vinkulierung der Gesellschaftsanteile und der engen familiären Verbundenheit der Gesellschaftergruppe. Wie das FG zu Recht ausgeführt habe, könne die GmbH zumindest teilweise --beim Betrieb der Alten- und Pflegeheime und damit neben ihrer Geschäftsführungstätigkeit für sie, die Klägerin,-- in sie eingegliedert sein. Die GmbH sei auch organisatorisch in sie eingegliedert gewesen, da ihre Geschäftsführung mit derjenigen der GmbH verflochten gewesen sei. Eine Eingliederung einer Komplementär-GmbH in sie, die Klägerin, sei zumindest insoweit möglich, als der Komplementär neben der Geschäftsführung der KG eine weitere unternehmerische Tätigkeit ausübe. Zumindest sei ihr Vertrauensschutz zu gewähren.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision des FA ist im Ergebnis begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die vom FG und der Klägerin angenommene Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG scheitert am Erfordernis der finanziellen Eingliederung.

10

1. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen eines anderen Unternehmers eingegliedert ist (Organschaft). Gemeinschaftsrechtlich beruht diese Vorschrift auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Danach können die Mitgliedstaaten im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, jedoch durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln.

11

Neben den Voraussetzungen der finanziellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung kommt es für die Organschaft weder nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG noch nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG auf einen Antrag des Unternehmers an (BFH-Urteil vom 29. Oktober 2008 XI R 74/07, BFHE 223, 498, BStBl II 2009, 256, Leitsatz 2). Bei der Ausübung der nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG bestehenden Ermächtigung sind allerdings die allgemein bei der Auslegung der Richtlinie 77/388/EWG zu beachtenden Rechtsprinzipien wie z.B. die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Steuerneutralität zu beachten (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 22. Mai 2008 C-162/07, Ampliscientifica und Amplifin, Slg. 2008, I-4019, BFH/NV Beilage 2008, 217 Rdnrn. 24 ff.). Dies gilt auch für die Auslegung der nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG bestehenden Eingliederungsvoraussetzungen.

12

2. Nach der Rechtsprechung setzt die finanzielle Eingliederung voraus, dass der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt ist, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschlüsse durchsetzen kann (BFH-Urteile vom 22. November 2001 V R 50/00, BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a, und vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd). Bei der finanziellen Eingliederung handelt es sich um eine rechtlich zu erfüllende Voraussetzung, für die es im Regelfall auf die einfache Stimmenmehrheit bei der Beschlussfassung der Gesellschafter ankommt. Ausreichend ist daher eine Beteiligung, die mehr als 50 v.H. der Stimmrechte in der Organgesellschaft gewährt, sofern keine höhere qualifizierte Mehrheit für die allgemeine Beschlussfassung in der Organgesellschaft erforderlich ist (BFH-Urteile in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a, und in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd).

13

Eine unmittelbare finanzielle Eingliederung der GmbH in die Klägerin lag im Streitfall nicht vor, da die Klägerin nicht Gesellschafterin der GmbH war. Die Klägerin war auch nicht über eigene Tochtergesellschaften mittelbar an der GmbH beteiligt.

14

3. Eine finanzielle Eingliederung ergibt sich nicht daraus, dass die drei Gesellschafter der Klägerin über die Anteilsmehrheit in der GmbH verfügten. Denn die finanzielle Eingliederung kann grundsätzlich nicht mittelbar über mehrere Gesellschafter des Organträgers erfolgen (Reiß in Reiß/Kraeusel/ Langer, UStG, § 2 Rz 111; Wäger in Festschrift für Harald Schaumburg, 2009, 1189 ff., 1199 f.).

15

a) Nach dem BFH-Urteil vom 17. April 1969 V R 123/68 (BFHE 95, 558, BStBl II 1969, 505, unter 2.a) konnte eine GmbH als juristische Person in das Unternehmen eines Organträgers finanziell eingegliedert sein, wenn sich sämtliche Anteile an der GmbH und dem Organträger in einer Hand befanden.

16

Der BFH hat diese Rechtsprechung später für die finanzielle Eingliederung zwischen zwei GmbHs über einen gemeinsamen Gesellschafter aufgegeben und dies insbesondere mit dem bei einer nur mittelbaren Beteiligung fehlenden Über- und Unterordnungsverhältnis begründet. Keine der beiden Gesellschaften sei in das Gefüge des anderen Unternehmens eingeordnet (BFH-Urteil vom 18. Dezember 1996 XI R 25/94, BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441, unter II.1., und die Abweichungsanfrage durch den BFH-Beschluss vom 28. Februar 1996 XI R 25/94, GmbH-Rundschau --GmbHR-- 1996, 950, unter II.).

17

Der BFH hielt aber an der finanziellen Eingliederung zwischen der GmbH als Organgesellschaft und der Personengesellschaft als Organträger fest, wenn die Mehrheit der Anteile an der GmbH von den Gesellschaftern einer Personengesellschaft gehalten wurde, so dass in beiden Gesellschaften dieselben Gesellschafter zusammen über die Mehrheit der Anteile oder Stimmrechte verfügten (BFH-Urteile vom 20. Januar 1999 XI R 69/97, BFH/NV 1999, 1136, unter II.2.; vom 16. August 2001 V R 34/01, BFH/NV 2002, 223, unter II.2.; in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.1.a, und vom 14. Februar 2008 V R 12, 13/06, BFH/NV 2008, 1365). Dabei bejahte der BFH die finanzielle Eingliederung über einen gemeinsamen Gesellschafter, der in GmbH und Personengesellschaft über eine Anteilsmehrheit von jeweils mindestens 95 v.H. verfügte und auch Geschäftsführer der GmbH war (BFH-Urteil in BFH/NV 1999, 1136) ebenso wie über zwei Gesellschafter, denen gemeinsam eine Anteilsmehrheit in beiden Gesellschaften zustand (BFH-Urteile in BFH/NV 2002, 223, und in BFH/NV 2008, 1365). Diese Rechtsprechung beruhte u.a. auf der ertragsteuerrechtlichen Überlegung, dass es sich bei der Beteiligung an der Kapitalgesellschaft für die Gesellschafter der Organträger-Personengesellschaft um Sonderbetriebsvermögen handele (BFH-Beschluss in GmbHR 1996, 950, unter III.). Eine finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft lehnte die Rechtsprechung aber dann ab, wenn den Gesellschaftern zwar an der GmbH eine Mehrheitsbeteiligung zustand, sie aber in der Personengesellschaft Minderheitsgesellschafter waren. Dies galt selbst dann, wenn die GmbH über eine Anteilsmehrheit an der Personengesellschaft verfügte (BFH-Urteil in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.b aa).

18

b) Für den Fall, dass nur mehreren Gesellschaftern gemeinsam eine Mehrheitsbeteiligung an GmbH und Personengesellschaft zusteht, hält der Senat an seiner bisherigen Rechtsprechung zur finanziellen Eingliederung nicht fest.

19

aa) Eine finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft liegt im Hinblick auf das für die Organschaft erforderliche Über- und Unterordnungsverhältnis aufgrund einer Beteiligung mehrerer Gesellschafter, die nur gemeinsam über eine Anteilsmehrheit an beiden Gesellschaften verfügen, nicht vor.

20

Die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG erforderliche Eingliederung in ein anderes Unternehmen setzt ein Verhältnis der Über- und Unterordnung der beteiligten Gesellschaften voraus (BFH-Urteile in BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a aa, und vom 3. April 2008 V R 76/05, BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.1.). Auch nach der Rechtsprechung des EuGH führt die Gruppenbesteuerung gemäß Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG zu einer Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen mit den diesem Steuerpflichtigen "untergeordneten Personen" (vgl. EuGH-Urteil Ampliscientifica und Amplifin in Slg. 2008, I-4019, BFH/NV Beilage 2008, 217).

21

Kommt es danach auf ein Über- und Unterordnungsverhältnis an, gilt dies nicht nur im Verhältnis zwischen mehreren GmbHs als juristischen Personen, sondern gleichermaßen im Verhältnis zwischen GmbH und Personengesellschaft, selbst wenn an diesen Gesellschaften dieselben Gesellschafter beteiligt sind. Denn eine Personengesellschaft, deren Gesellschafter eine Mehrheitsbeteiligung an der GmbH halten, verfügt gegenüber dieser GmbH über keine größeren Einwirkungsmöglichkeiten als sie zwischen zwei Schwester-GmbHs bestehen. Einwirkungsmöglichkeiten stehen in beiden Fällen gleichermaßen nur den unmittelbar beteiligten Gesellschaftern zu. Die bisherige Bejahung einer finanziellen Eingliederung aufgrund einer Beteiligung mehrerer Gesellschafter trägt auch nicht dem rechtlichen Charakter der finanziellen Eingliederung (s. oben II.2.) Rechnung. Kommt es für die finanzielle Eingliederung auf rechtliche Durchsetzungsmöglichkeiten an, müssen diese dem Organträger selbst zustehen. Hiermit ist eine Zurechnung der Durchsetzungsmöglichkeiten aus fremdem Beteiligungsbesitz nicht vereinbar.

22

Demgegenüber kann eine Enkelgesellschaft mittelbar über eine oder mehrere eigene Tochtergesellschaften des Organträgers finanziell in dessen Unternehmen eingegliedert sein (vgl. allgemein BFH-Urteil vom 20. August 2009 V R 30/06, BFHE 226, 465, BFH/NV 2009, 2080, unter II.2.c ee (1)), sofern der Organträger dann aufgrund der ihm in der Beteiligungskette zustehenden Gesellschaftsrechte in der Lage ist, seinen Willen in der Enkelgesellschaft durchzusetzen.

23

bb) Im Hinblick auf die bei der Auslegung der Eingliederungsvoraussetzungen zu beachtenden allgemeinen Rechtsprinzipien der Richtlinie 77/388/EWG (s. oben II.1.), spricht auch der Grundsatz der Rechtssicherheit dagegen, von einer finanziellen Eingliederung zwischen Schwestergesellschaften über gemeinsame Gesellschafter auszugehen.

24

(1) Nach dem Grundsatz der Rechtssicherheit müssen die Betroffenen bei Regelungen, die sich finanziell belastend auswirken können, in der Lage sein, den Umfang der ihnen damit auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen (EuGH-Urteile vom 15. Dezember 1987 C-326/85, Niederlande/Kommission, Slg. 1987, 5091 Rdnr. 24; vom 29. April 2004 C-17/01, Sudholz, Slg. 2004, I-4243 Rdnr. 34). Dies müssen auch die Mitgliedstaaten bei der Ausübung der Befugnisse, die ihnen die Richtlinie einräumt, beachten (EuGH-Urteile vom 26. April 2005 C-376/02, Goed Wonen, Slg. 2005, I-3445 Rdnr. 32; vom 16. September 2008 C-288/07, Isle of Wright, Umsatzsteuer-Rundschau 2008, 816 Rdnrn. 47 f.). Dies ist auch bei der Auslegung der nationalen Vorschriften zu beachten, die der Umsetzung von Richtlinienbestimmungen dienen.

25

Aufgrund der sich aus der Verlagerung der Steuerschuld auf den Organträger ergebenden finanziellen Auswirkungen kommt dem Grundsatz der Rechtssicherheit bei der Auslegung der Organschaftsvoraussetzungen besondere Bedeutung zu. Da die Organschaft nicht von einem Antrag des Organträgers abhängt (s. oben II.1.), muss der Organträger in der Lage sein, anhand der Eingliederungsvoraussetzungen das Bestehen einer Organschaft rechtssicher feststellen zu können.

26

(2) Bei einer Beteiligung mehrerer Gesellschafter an zwei Schwestergesellschaften ist nicht rechtssicher bestimmbar, ob und unter welchen Voraussetzungen der Beteiligungsbesitz einer unter Umständen großen unbestimmten Anzahl von Gesellschaftern zusammengerechnet werden kann, um eine finanzielle Eingliederung der einen in die andere Schwestergesellschaft zu begründen. Die bloße Anteilsmehrheit mehrerer Gesellschafter an zwei Schwestergesellschaften reicht hierfür nicht aus, da diese Gesellschafter die ihnen zustehenden Stimmrechte nicht einheitlich ausüben müssen. Auch nur familiäre Beziehungen zwischen mehreren Gesellschaftern sind kein hinreichendes Indiz für eine Zusammenfassung des ihnen zustehenden Beteiligungsbesitzes. Im Übrigen ist auch nicht rechtssicher bestimmbar, unter welchen Voraussetzungen mehrere Gesellschafter gleichgerichtete oder widerstreitende Interessen verfolgen. Da die Organschaft mit der Verwirklichung ihrer Voraussetzungen beginnt und mit deren Entfallen von Gesetzes wegen endet (BFH-Urteil in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a cc), kann es für die Organschaft und den Eintritt der mit ihr verbundenen Rechtsfolgen (wie z.B. Umsatzzurechnung und Nichtbesteuerung von Innenumsätzen) darüber hinaus nicht darauf ankommen, für welche Zeiträume z.B. mehrere Familiengesellschafter gleichgerichtete Interessen verfolgen und für welche Zeiträume dies aufgrund von Meinungsverschiedenheiten oder Familienstreitigkeiten nicht der Fall ist. Ob im konkreten Einzelfall von einem Fehlen widerstreitender Interessen auszugehen sein kann, ist daher entgegen der Auffassung der Klägerin unerheblich.

27

cc) Nach den Verhältnissen des Streitfalles hat der Senat nicht zu entscheiden, ob an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten ist, wenn zwischen zwei Schwestergesellschaften z.B. ein Beherrschungsvertrag besteht oder zugunsten einer Schwestergesellschaft Stimmbindungsverträge vorliegen. Offenbleiben kann auch, ob eine Organschaft vorliegt, wenn nur ein Gesellschafter über eine Anteilsmehrheit an GmbH und Personengesellschaft verfügt und zugleich als Gesellschafter für die Personengesellschaft und als Geschäftsführer der GmbH für beide Gesellschaften geschäftsführungsbefugt ist (so das Urteil des XI. Senats des BFH in BFH/NV 1999, 1136), wobei dann allerdings fraglich erscheint, welche der beiden Schwestergesellschaften als herrschende und welche als abhängige Gesellschaft anzusehen ist. Im Hinblick auf die geänderte Rechtsprechung ist schließlich nicht mehr zu entscheiden, ob die bisherige Annahme einer finanziellen Eingliederung durch mehrere gemeinsame Gesellschafter von GmbH und Personengesellschaft --anders als bei mehreren gemeinsamen Gesellschaftern verschiedener GmbHs-- zu einer gemeinschaftsrechtlich unzulässigen Differenzierung nach der Rechtsform des Organträgers führt.

28

4. Die weiteren Einwendungen der Klägerin greifen nicht durch.

29

a) Die Klägerin kann sich gegen die Änderung der Senatsrechtsprechung nicht auf Vertrauensschutz berufen. Die Voraussetzungen des § 176 der Abgabenordnung liegen nicht vor, da es sich bei dem angefochtenen Umsatzsteuerbescheid nicht um einen Änderungsbescheid, sondern um einen Erstbescheid handelt. Ein allgemeiner Schutz gegenüber den sich aus einer geänderten Rechtsprechung ergebenden Urteilsfolgen ist weder dem nationalen Recht noch dem Gemeinschaftsrecht zu entnehmen. Es ist auch kein sonstiger Vertrauenstatbestand ersichtlich, auf den sich die Klägerin berufen könnte.

30

b) Auch aus dem von der Klägerin betonten Gesamtbild der Verhältnisse und der nach Auffassung der Klägerin besonders stark ausgeprägten wirtschaftlichen Eingliederung ergibt sich keine abweichende Beurteilung. Zwar kann im Hinblick auf die gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG "nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse" vorzunehmenden Beurteilung eine Organgesellschaft auch dann unselbständig sein, wenn die Eingliederung auf einem der drei Gebiete nicht vollkommen ausgeprägt ist. Nicht ausreichend ist jedoch, dass die Eingliederung nur in Bezug auf zwei der drei Eingliederungsmerkmale besteht (BFH-Urteile vom 20. Februar 1992 V R 80/85, BFH/NV 1993, 133, unter II.a; vom 25. Juni 1998 V R 76/97, BFH/NV 1998, 1534, unter II.2.a; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a bb; vom 5. Dezember 2007 V R 26/06, BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451, unter II.1.b; in BFH/NV 2008, 1365, unter II.2.d; in BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.3.a). Daher kann von der wirtschaftlichen nicht auf die finanzielle Eingliederung geschlossen werden (BFH-Urteil in BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441, unter II.1.) und das völlige Fehlen einer eigenen Beteiligung an der abhängigen Gesellschaft kann daher nicht durch andere Eingliederungsmerkmale ersetzt werden.

31

c) Dass die Beteiligung an einer juristischen Person ertragsteuerrechtlich Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters bei seiner Personengesellschaft sein kann, ist für das umsatzsteuerrechtlich maßgebliche Über- und Unterordnungsverhältnis nicht entscheidend und vermag die Annahme der finanziellen Eingliederung über die Gesellschafter des Organträgers nicht zu begründen. Denn die Qualifikation als Sonderbetriebsvermögen ist für die maßgebliche Willensbildung durch Mehrheitsbeschlüsse unerheblich. Auch die Entstehungsgeschichte der Gesellschaften, die Vinkulierung von Gesellschaftsanteilen und die Einheit des Steuerrechts rechtfertigen keine abweichende Beurteilung.

32

5. Das Urteil des FG entspricht nicht diesen Grundsätzen und war daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif.

33

Die Klage ist abzuweisen, da die GmbH nicht finanziell in die Klägerin eingegliedert ist. Eine finanzielle Eingliederung der GmbH über die drei Gesellschafter der Klägerin in die Klägerin reicht nicht aus. Weiter kommt die Annahme einer nur partiellen Eingliederung der GmbH --für den Bereich des Betriebs der Alten- und Pflegeheime, nicht aber hinsichtlich der Geschäftsführung der Klägerin-- nach der Rechtsprechung des Senats nicht in Betracht (BFH-Urteil in BFHE 226, 465, BFH/NV 2009, 2080, unter II.2.c ee (3)).

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH, die beim Einbau von Heizungs-, Lüftungs-, Sanitär- und Klimaanlagen sowie im Trockenausbau steuerpflichtige Leistungen erbrachte. Der Kläger hatte Geschäftsräume an die GmbH vermietet. Er versteuerte die Umsätze der GmbH als deren Organträger nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes jeweils in der für das Streitjahr geltenden Fassung (UStG).

2

Im März 2002 beantragte der Kläger für die GmbH die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen Zahlungsunfähigkeit. Das zuständige Amtsgericht ordnete am 19. März 2002 Sicherungsmaßnahmen an und bestellte einen vorläufigen Insolvenzverwalter. Der Beschluss hatte folgenden Wortlaut:

3

"1. Es wird gemäß § 21 Abs. 2 Ziffern 1 und 2 InsO die vorläufige Verwaltung des Vermögens der Antragstellerin angeordnet.

4

2. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wird bestellt: Rechtsanwalt S ... .

5

3. Es wird angeordnet, dass Verfügungen der Antragstellerin nur noch mit der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind (§ 21 Abs. 2 Ziffer 2, 2. Alt. InsO)

6

4. Der vorläufige Insolvenzverwalter ist nicht allgemeiner Vertreter der Antragstellerin. Er wird ermächtigt, mit rechtlicher Wirkung für die Antragstellerin zu handeln, ist jedoch verpflichtet, diese Befugnis nur dann wahrzunehmen, soweit es zur Erfüllung seiner Aufgaben schon vor Verfahrenseröffnung dringend erforderlich ist. Der vorläufige Insolvenzverwalter soll insbesondere gemäß § 22 Abs. 2 InsO

7

a) das Vermögen der Antragstellerin sichern und erhalten;

8

b) prüfen, ob ein nach der Rechtsform der Antragstellerin maßgeblicher Eröffnungsgrund vorliegt, ob eine freie Vermögensmasse zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausreicht und welche Aussichten für eine Fortführung des Unternehmens der Antragstellerin bestehen.

9

Die Verfügungsbefugnis über bestehende Arbeitsverhältnisse obliegt weiterhin der Antragstellerin; die Begründung, Änderung und Beendigung bestehender Arbeitsverhältnisse bedürfen jedoch der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters.

10

5. Der Antragstellerin wird jegliche Verfügung über Bankkonten und damit zusammenhängende Kreditsicherheiten, Verträge und Rechtsgeschäfte untersagt und die Verfügungsbefugnis insoweit ausschließlich dem vorläufigen Insolvenzverwalter übertragen.

11

Den Schuldnern der Antragstellerin (Drittschuldnern) wird verboten, an die Antragstellerin zu leisten. Der vorläufige Insolvenzverwalter wird ermächtigt, Bankguthaben, Zahlungseingänge auf Konten und sonstige Forderungen der Antragstellerin einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen. Die Drittschuldner werden aufgefordert, nur noch unter Beachtung dieser Anordnung zu leisten (§ 23 Abs. 1 Satz 3 InsO). ..."

12

Während des Eröffnungsverfahrens wurden Bauvorhaben fortgeführt und Restarbeiten vorgenommen. Die GmbH stellte ihren Geschäftsbetrieb zum 31. März 2002 ein. Das Insolvenzgericht eröffnete mit Beschluss vom 20. August 2002 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH.

13

Der Kläger gab für das Streitjahr 2002 keine Umsatzsteuererklärung ab. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erließ am 11. November 2003 einen Schätzungsbescheid für das Streitjahr, der unter Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 der Abgabenordnung (AO) erging. Hiergegen erhob der Kläger Einspruch. Im Anschluss an eine Außenprüfung ging das FA davon aus, dass der von der GmbH in Anspruch genommene Vorsteuerabzug bei Insolvenzeröffnung insoweit wegen Uneinbringlichkeit gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG zu berichtigen sei, als die GmbH Entgelte für die von ihr bezogenen Leistungen nicht entrichtet hatte. Das FA erließ am 2. Januar 2006 einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Umsatzsteuerbescheid, in dem ein entsprechender Vorsteuerberichtigungsanspruch berücksichtigt wurde. Auch hiergegen erhob der Kläger Einspruch. In der Einspruchsentscheidung vom 19. Juli 2007 erhöhte das FA im Einvernehmen mit dem Kläger die Umsatzsteuer für Ausgangsumsätze und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück.

14

Die Klage zum Finanzgericht (FG) hatte keinen Erfolg. Die Organschaft habe nicht bereits mit der Bestellung des vorläufigen Verwalters geendet, sondern bis zur Insolvenzeröffnung bestanden, so dass sich der Vorsteuerberichtigungsanspruch gegen den Kläger als Organträger gerichtet habe.

15

Mit seiner Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts. Die für die Organschaft erforderliche organisatorische Eingliederung sei bereits mit der Bestellung des vorläufigen Verwalters entfallen, so dass sich der Vorsteuerberichtigungsanspruch nicht gegen ihn richte. Der vorläufige Verwalter habe wie ein starker Verwalter gehandelt und ihm faktisch die Geschäftsführung entzogen. Der vorläufige Verwalter habe seine insolvenzrechtlichen Befugnisse überschritten und Arbeitskräfte beschäftigt. Er habe eigene operative Geschäftsentscheidungen getroffen. Es hätte im Verfahren vor dem FG eine Beweisaufnahme durchgeführt werden müssen. Mit Schreiben vom 29. Juli 2002 habe der vorläufige Insolvenzverwalter die an die GmbH vermieteten Räume freigegeben, so dass zumindest zu diesem Zeitpunkt die wirtschaftliche Eingliederung entfallen sei. Es sei im Übrigen auch nicht zwischen starker und schwacher vorläufiger Insolvenzverwaltung zu differenzieren. Schließlich sei nach der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) fraglich, ob der Ausschluss einer abweichenden Willensbildung in der GmbH für eine organisatorische Eingliederung ausreiche.

16

Der Kläger beantragt,
das Urteil des FG und den Umsatzsteuerbescheid 2002 vom 11. November 2003, geändert durch den Bescheid vom 2. Januar 2006, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Juli 2007 aufzuheben und Umsatzsteuer in Höhe von 1.571,19 € festzusetzen.

17

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

18

Nach bisheriger Rechtsprechung des BFH sei von einem Fortbestand der Organschaft auszugehen. Der Kläger habe sich nicht mehr um die Geschäftsführung der GmbH gekümmert. Er hätte auf eine Änderung des vom Insolvenzgericht gefassten Beschlusses hinwirken können. Von einer Zeugeneinvernahme des Insolvenzverwalters habe das FG zu Recht abgesehen.

Entscheidungsgründe

19

II. Die Revision des Klägers ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die organisatorische Eingliederung einer GmbH in das Unternehmen des Organträgers endet, wenn das Insolvenzgericht für die GmbH einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und dabei gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 der Insolvenzordnung (InsO) anordnet, dass Verfügungen der GmbH nur noch mit seiner Zustimmung wirksam sind.

20

1. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft).

21

Unionsrechtlich beruhte diese Vorschrift im Streitjahr auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Danach können die Mitgliedstaaten im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, jedoch durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln.

22

Bei richtlinienkonformer Auslegung entsprechend Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG führt die Organschaft gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG zu einer "Verschmelzung zu einem einzigen Steuerpflichtigen" (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 22. Mai 2008 C-162/07, Ampliscientifica und Amplifin, Slg. 2008, I-4019 Rdnr. 19; zur Behandlung mehrerer Personen als einen Steuerpflichtigen vgl. auch EuGH-Urteile vom 9. April 2013 C-85/11, Kommission/ Irland, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2013, 418 Rdnrn. 35 ff., und vom 25. April 2013 C-480/10, Kommission/Schweden, UR 2013, 423 Rdnrn. 33 ff.), für die nach ständiger BFH-Rechtsprechung ein Verhältnis der Über- und Unterordnung zwischen einer Organgesellschaft als "untergeordneter Person" und dem sog. Organträger vorliegen muss (BFH-Urteile vom 18. Dezember 1996 XI R 25/94, BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441, unter II.1.; vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a aa; vom 3. April 2008 V R 76/05, BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.1.; vom 22. April 2010 V R 9/09, BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.3.b aa, und zuletzt vom 7. Juli 2011 V R 53/10, BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218, unter II.1.).

23

2. Die Eingliederungsvoraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG dienen der Feststellung, ob das für die Organschaft erforderliche Über- und Unterordnungsverhältnis besteht. Dabei kommt es insbesondere auf die finanzielle und die organisatorische Eingliederung an.

24

a) Finanziell muss der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt sein, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschluss in der Gesellschafterversammlung durchsetzen kann (BFH-Urteile vom 22. November 2001 V R 50/00, BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd; vom 30. April 2009 V R 3/08, BFHE 226, 144, BFH/NV 2009, 1734, unter II.2.b aa; in BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.2.; vom 1. Dezember 2010 XI R 43/08, BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600, unter II.2., und in BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218, unter II.2.a). Aufgrund des Erfordernisses eines zwischen dem Organträger und der Organgesellschaft bestehenden Über- und Unterordnungsverhältnisses hat der Senat seine frühere Rechtsprechung aufgegeben, nach der eine Organschaft auch zwischen Schwestergesellschaften bestehen konnte (Senatsurteil in BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.3.b aa, und dem folgend BFH-Urteil in BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600, unter II.3.d).

25

b) Die organisatorische Eingliederung setzt voraus, dass der Organträger die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung wahrnimmt, wobei er die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrschen muss (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 5. Dezember 2007 V R 26/06, BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451, unter II.2.; vom 14. Februar 2008 V R 12, 13/06, BFH/NV 2008, 1365, unter II.2.f aa; in BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.3.b, und die bisherige Rechtsprechung zusammenfassend vom 28. Oktober 2010 V R 7/10, BFHE 231, 356, BStBl II 2011, 391, unter II.2., m.w.N.).

26

Hiervon ist z.B. dann auszugehen, wenn bei zwei GmbHs eine Personenidentität in den Geschäftsführungsorganen besteht (BFH-Urteile vom 17. Januar 2002 V R 37/00, BFHE 197, 357, BStBl II 2002, 373, unter II.1.c bb; in BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451, unter II.3.; ebenso nunmehr Abschn. 2.8 Abs. 8 Satz 2 des Umsatzsteueranwendungserlasses --UStAE-- in der Fassung des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen vom 7. März 2013, BStBl I 2013, 333). Sind für die Organ-GmbH z.B. mehrere einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer bestellt, reicht es aus, dass zumindest einer von ihnen auch Geschäftsführer der Organträger-GmbH ist, der Organträger über ein umfassendes Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsführung der Organ-GmbH verfügt und zur Bestellung und Abberufung aller Geschäftsführer der Organ-GmbH berechtigt ist (BFH-Urteil in BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218, unter II.3.a aa; ebenso Abschn. 2.8 Abs. 8 Satz 8 UStAE).

27

3. Der erkennende Senat ist in seiner bisherigen Rechtsprechung insbesondere zur Bestellung von Verwaltern im Vorfeld einer Konkurs- oder Insolvenzeröffnung davon ausgegangen, dass sich die organisatorische Eingliederung --ohne Möglichkeit zur Willensdurchsetzung-- auch daraus ergeben kann, dass eine vom Organträger abweichende Willensbildung in der Organgesellschaft ausgeschlossen ist (so erstmals Senatsurteil vom 20. Februar 1992 V R 80/85, BFH/NV 1993, 133, unter II.a bb; zur sog. Sicherungssequestration unter der Geltung der Konkursordnung Senatsurteile vom 13. März 1997 V R 96/96, BFHE 182, 426, BStBl II 1997, 580, unter II.2.; vom 28. Januar 1999 V R 32/98, BFHE 187, 355, BStBl II 1999, 258, unter II.1. und 2.; vom 16. August 2001 V R 34/01, BFH/NV 2002, 223, unter II.3., und zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt Senatsurteil vom 1. April 2004 V R 24/03, BFHE 204, 520, BStBl II 2004, 905, unter II.2.). Der Senat, der in seinem Urteil in BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218, unter II.3.b ausdrücklich offengelassen hat, ob diese Rechtsprechung fortzuführen ist, hält hieran nach nochmaliger Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht fest.

28

a) Die "Verschmelzung zu einem einzigen Steuerpflichtigen" aufgrund der Organschaft (s. oben II.1.) hat zur Folge, dass der Organträger als Steuerpflichtiger für alle Organgesellschaften "öffentliche Gelder" als "Steuereinnehmer für Rechnung des Staates" zu vereinnahmen hat, wie der EuGH ausdrücklich entschieden hat (EuGH-Urteile vom 20. Oktober 1993 C-10/92, Balocchi, Slg. 1993, I-5105 Rdnr. 25, und vom 21. Februar 2008 C-271/06, Netto Supermarkt, Slg. 2008, I-771 Rdnr. 21). Dies erfordert, dass zwischen Organträger und Organgesellschaft ein Über- und Unterordnungsverhältnis besteht (s. oben II.1.), durch das der Organträger die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung auch rechtlich wahrnehmen kann. Nicht ausreichend ist, dass der Organträger bei der Organgesellschaft lediglich eine von seinem Willen abweichende Willensbildung ausschließen kann, da ein derartiges Vetorecht es dem Organträger nicht ermöglicht, die Aufgabe des "Steuereinnehmers" für die Organgesellschaft zu erfüllen.

29

Eine organisatorische Eingliederung aufgrund eines bloßen Ausschlusses einer vom Willen des Organträgers abweichenden Willensbildung in der Organgesellschaft lässt sich auch nicht damit rechtfertigen, dass für eine Organschaft die Eingliederungsvoraussetzungen nicht gleichermaßen stark ausgeprägt sein müssen (vgl. Senatsurteile in BFH/NV 1993, 133, unter II.a aa; vom 25. Juni 1998 V R 76/97, BFH/NV 1998, 1534, unter II.2.a; in BFHE 187, 355, BStBl II 1999, 258, unter II.2.; in BFH/NV 2002, 223, unter II.3., und in BFHE 204, 520, BStBl II 2004, 905, unter II.2.; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a bb; in BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451, unter II.1.b; in BFH/NV 2008, 1365, unter II.2.d; in BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.3.a, und vom 29. Oktober 2008 XI R 74/07, BFHE 223, 498, BStBl II 2009, 256, unter II.1.b). Denn eine weniger starke Ausprägung einer einzelnen Eingliederungsvoraussetzung rechtfertigt nicht den Verzicht auf das Erfordernis einer Willensdurchsetzung. Daher setzt die finanzielle Eingliederung stets eine Mehrheitsbeteiligung (s. oben II.2.a) voraus, so dass eine nur ein bloßes Vetorecht vermittelnde Sperrminorität von z.B. 50 % der Stimmrechte nicht ausreicht.

30

b) Kommt es für die organisatorische Eingliederung auf die Möglichkeit zur Willensdurchsetzung an und reicht die Verhinderung einer abweichenden Willensbildung nicht aus, entfällt --selbst wenn der bisherige Organträger einziger Geschäftsführer der GmbH bleibt-- die organisatorische Eingliederung, wenn für die GmbH ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit allgemeinen Zustimmungsvorbehalt bestellt wird. Da der vorläufige Insolvenzverwalter nicht nur befugt, sondern insolvenzrechtlich sogar verpflichtet ist, Zahlungen der GmbH an den bisherigen Organträger zu verhindern, entfällt für den Organträger die Möglichkeit, die GmbH zu beherrschen und die Steuer für die Umsätze aus der Tätigkeit der bisherigen Organgesellschaft als Steuerschuldner und damit als "Steuereinnehmer" zu entrichten.

31

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) bewirkt der Zustimmungsvorbehalt nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO, dass der vorläufige Insolvenzverwalter wirksame rechtsgeschäftliche Verfügungen des Schuldners verhindern kann. Der Zustimmungsvorbehalt berechtigt den vorläufigen Insolvenzverwalter zwar nicht dazu, den Schuldner gegen dessen Willen zu Handlungen anzuhalten. Der vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt kann aber auf die Vertragsabwicklung durch den Schuldner dadurch Einfluss nehmen, dass er Vermögensverringerungen des Schuldners durch die Erfüllung von Verbindlichkeiten im Interesse der Gleichbehandlung aller Gläubiger verhindert (BGH-Urteil vom 18. Juli 2002 IX ZR 195/01, BGHZ 151, 353, unter III.2.c bb).

32

Wie der BGH weiter entschieden hat, hat sich der vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt am Ziel zu orientieren, die Forderungen einzelner Gläubiger nur zu erfüllen --und somit das Schuldnervermögen nur zu vermindern--, wenn dies im Einzelfall zur Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben, etwa zur Fortführung des Schuldnerunternehmens, im Interesse der Gläubigergesamtheit erforderlich oder wenigstens zweckmäßig erscheint. Auch der vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt muss die künftige Masse sichern und erhalten. Es ist daher insbesondere nicht seine Aufgabe, einer Erfüllungshandlung des Schuldners durch seine Zustimmung Wirksamkeit zu verleihen, falls dies nicht im Interesse aller Gläubiger liegt. Vielmehr darf er die Rechtsfolge des § 81 Abs. 1 Satz 1 InsO durch einen Widerspruch oder die Verweigerung der Zustimmung zu einer Genehmigung des Schuldners vorwegnehmen (BGH-Urteil vom 4. November 2004 IX ZR 22/03, BGHZ 161, 49, unter II.3.b bb (1)).

33

Der BGH hat an dieser Rechtsprechung in der Folgezeit festgehalten und bestätigt, dass dem vorläufigen Insolvenzverwalter im Hinblick auf den schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens geltenden Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung mehr Rechte zustehen als dem Schuldner, dass der vorläufige Insolvenzverwalter zweifelsfrei nicht verpflichtet sei, einen Gläubigeranspruch zu erfüllen, der im Insolvenzverfahren lediglich eine einfache Insolvenzforderung darstelle, weil er einer nicht insolvenzgesicherten Forderung keine Vorzugsstellung gegenüber ranggleichen Forderungen einräumen dürfe und dass dies auch für den vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt gelte (BGH-Urteil vom 25. Oktober 2007 IX ZR 217/06, BGHZ 174, 84, unter II.1.e).

34

bb) Nach dieser BGH-Rechtsprechung kann der Organträger den ihm nach § 426 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches zustehenden Anspruch gegen die Organgesellschaft auf Zahlung der Umsatzsteuer, die durch die wirtschaftliche Tätigkeit der Organgesellschaft verursacht ist (BGH-Urteil vom 29. Januar 2013 II ZR 91/11, Wertpapier-Mitteilungen/Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht --WM-- 2013, 468, unter II.2.b), nicht mehr durchsetzen. Denn hat der vorläufige Insolvenzverwalter die Pflicht zur Massesicherung, ist er berechtigt, seine Zustimmung zur Weiterleitung einer von der Organgesellschaft für Ausgangsleistungen vereinnahmten Umsatzsteuer an den Organträger zu verweigern. Dies steht der Annahme, dass der Organträger aufgrund einer Verschmelzung zu einem Steuerpflichtigen (s. oben II.1.) Steuereinnehmer auch für das Unternehmen der --ohne die Organschaft umsatzsteuerrechtlich selbständigen-- Organgesellschaft sein kann (s. oben II.3.a), entgegen.

35

c) Der Senat weicht nicht von der Rechtsprechung des XI. Senats des BFH ab. Auch der XI. Senat des BFH verlangt für die finanzielle Eingliederung, dass der Organträger über die Mehrheit der Stimmrechte bei der abhängigen juristischen Person verfügt und dass ein Über- und Unterordnungsverhältnis besteht (BFH-Urteil in BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600, unter II.2.). Es besteht darüber hinaus kein Widerspruch zum Urteil des XI. Senats vom 14. März 2012 XI R 28/09 (BFH/NV 2012, 1493), das nicht zum Fortbestand der Organschaft bei Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters, sondern zur Frage ergangen ist, ob bei einem unterstellten Fortbestand der Organschaft zugunsten des Organträgers ein Anspruch auf Billigkeitserlass nach § 163 AO besteht. Eine Abweichung liegt nach ständiger BFH-Rechtsprechung nur bei einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage (vgl. z.B. zuletzt BFH-Urteil vom 21. Februar 2013 V R 27/11, BFH/NV 2013, 1138, unter II.4.d) und daher nur dann vor, wenn eine "Rechtsfrage unter dieselbe Rechtsvorschrift zu subsumieren ist" (BFH-Urteil vom 12. September 2001 IX R 39/97, BFHE 198, 74, BStBl II 2003, 569, unter II.6.a), so dass in dem den Streitfall betreffenden Festsetzungsverfahren nicht von einer Entscheidung zum Billigkeitsverfahren nach § 163 AO abgewichen werden kann, zumal in diesem Billigkeitsverfahren gemäß § 102 FGO eine nur eingeschränkte Überprüfung einer vom FA getroffenen Ermessensentscheidung erfolgt (BFH-Urteil vom 20. September 2012 IV R 29/10, BFHE 238, 518, BFH/NV 2013, 103, unter II.1.b). Soweit der XI. Senat des BFH schließlich die Frage des Fortbestehens einer Organschaft als nicht grundsätzlich bedeutsam i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO angesehen hat (BFH-Beschlüsse vom 27. Juni 2008 XI B 224/07, juris; vom 11. November 2008 XI B 65/08, BFH/NV 2009, 235, und vom 10. März 2009 XI B 66/08, BFH/NV 2009, 977), handelt es sich um Beschwerdeentscheidungen über die Zulassung der Revision, die nicht zu einer entscheidungserheblichen Divergenz führen. Denn im Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Revision entscheidet der BFH im Rahmen einer auf grundsätzliche Bedeutung gestützten Nichtzulassungsbeschwerde nicht über die der Beschwerde zugrunde liegende materielle Rechtsfrage (vgl. Sunder-Plassmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 11 FGO Rz 29; ebenso zur fehlenden Abweichung von Beschlüssen im Verfahren zur Aussetzung der Vollziehung BFH-Urteil vom 22. April 2008 VII R 21/07, BFHE 220, 319, BStBl II 2008, 735, unter II.2.).

36

4. Im Streitfall ist danach das Urteil des FG aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

37

a) Die GmbH war zunächst in das Unternehmen des Klägers organisatorisch eingegliedert, da der Kläger einziger Geschäftsführer der GmbH war. Entgegen dem Urteil des FG entfiel die organisatorische Eingliederung aber mit der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters für die GmbH, zu dessen Gunsten das Insolvenzgericht den Zustimmungsvorbehalt i.S. von § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO angeordnet hatte. Ob und welche weiter gehenden Rechte das Insolvenzgericht dem vorläufigen schwachen Verwalter einräumte, ist unerheblich. Ohne Bedeutung ist deshalb, ob sich der vorläufige schwache Verwalter wie ein starker, allgemein geschäftsführungsbefugter vorläufiger Verwalter gerierte, welche weiteren Befugnisse ihm zustanden und ob zu einem späteren Zeitpunkt auch die wirtschaftliche Eingliederung entfallen ist. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Kläger beim Insolvenzgericht auf eine Änderung der nach § 21 InsO getroffenen Anordnungen hätte drängen können.

38

b) Die Sache ist nicht spruchreif. Da die Organschaft im Streitfall bereits aufgrund der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt endete, hat der Kläger die im Anschluss an diese Bestellung ausgeführten Umsätze der GmbH nicht zu versteuern. Diese sind im zweiten Rechtsgang der Höhe nach festzustellen.

39

c) In Bezug auf den vom FA gegen den Kläger geltend gemachten Vorsteuerberichtigungsanspruch nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG wird im zweiten Rechtsgang zu beachten sein, dass die Organschaft zwar bereits aufgrund der Bestellung des vorläufigen Verwalters mit Zustimmungsvorbehalt geendet hat, dass die nach dieser Vorschrift erforderliche Uneinbringlichkeit im selben Zeitpunkt --und damit vor einem möglichen Entfallen der wirtschaftlichen Eingliederung-- eingetreten ist, so dass die Organschaft noch im Zeitpunkt des Eintritts der Uneinbringlichkeit bestand und sich der Vorsteuerberichtigungsanspruch daher gegen den Kläger als Organträger richtete (vgl. BFH-Urteil vom 6. Juni 2002 V R 22/01, BFH/NV 2002, 1352, unter II.2.).

40

aa) Nach der Rechtsprechung des Senats ist der Vorsteuerberichtigungsanspruch spätestens "im Augenblick" der Insolvenzeröffnung begründet (vgl. BFH-Urteile vom 13. November 1986 V R 59/79, BFHE 148, 346, BStBl II 1987, 226, unter II.2.c, und vom 9. Dezember 2010 V R 22/10, BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, unter II.3.b). Uneinbringlichkeit kann aber auch bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorliegen, zu dem der Leistungsempfänger zahlungsunfähig wird (BFH-Beschluss vom 10. März 1983 V B 46/80, BFHE 138, 107, BStBl II 1983, 389, unter 3.).

41

bb) Weder die Stellung eines Insolvenzantrags noch die bloße Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters reicht für sich allein zur Annahme der Uneinbringlichkeit aus (BGH-Urteil vom 19. Juli 2007 IX ZR 81/06, WM 2007, 1708, unter II.2.b bb).

42

Anders ist es, wenn das Insolvenzgericht sich nicht darauf beschränkt, einen vorläufigen Insolvenzverwalter nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO zu bestellen, sondern darüber hinaus gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt oder --wie im Streitfall-- allgemein anordnet, dass seine Verfügungen nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Verwalters wirksam sind (zur Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters, zu dessen Gunsten weder ein allgemeines Verfügungsverbot noch ein allgemeiner Zustimmungsvorbehalt besteht, vgl. Haarmeyer, in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 3. Auflage 2013, § 22 Rz 128). Im Hinblick auf die Pflicht des vorläufigen Verwalters zur Massesicherung und dem sich hieraus ergebenden Verbot, die Gläubigeransprüche zu erfüllen, die vor seiner Bestellung begründet wurden und die im Insolvenzverfahren lediglich Insolvenzforderungen sind (s. oben II.3.b aa), haben beide Arten der Verfügungsbeschränkung nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO und damit auch die Anordnung eines allgemeinen Zustimmungsvorbehalts zur Folge, dass der Gläubiger seinen Entgeltanspruch --selbst wenn es nachfolgend zu keiner Eröffnung des Insolvenzverfahrens kommt, sondern diese z.B. mangels Masse unterbleibt-- zumindest für die Dauer des Eröffnungsverfahrens und damit im Regelfall über einen längeren Zeitraum von ungewisser Dauer (BFH-Urteil vom 8. März 2012 V R 49/10, BFH/NV 2012, 1665, unter II.2.a) nicht mehr durchsetzen kann. Dies gilt unabhängig davon, welche weiteren Befugnisse für den vorläufigen Insolvenzverwalter im jeweiligen Einzelfall bestehen. Dementsprechend ist im Streitfall bereits aufgrund der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt von einer Uneinbringlichkeit auszugehen.

43

5. Auf die Verfahrensrüge kam es nicht mehr an.

(1) Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt, unabhängig davon, ob er nach anderen Vorschriften rechtsfähig ist. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.

(2) Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nicht selbständig ausgeübt,

1.
soweit natürliche Personen, einzeln oder zusammengeschlossen, einem Unternehmen so eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind,
2.
wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Die Wirkungen der Organschaft sind auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt. Diese Unternehmensteile sind als ein Unternehmen zu behandeln. Hat der Organträger seine Geschäftsleitung im Ausland, gilt der wirtschaftlich bedeutendste Unternehmensteil im Inland als der Unternehmer.

(3) (weggefallen)

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 12. Februar 2013  15 K 4005/11 U,AO wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, als Organgesellschaft nichtsteuerbare Leistungen an die A-GmbH & Co. KG (A-KG) als Organträger erbracht hat.

2

Gesellschafter der Klägerin waren in den Streitjahren D und ihre Tochter B mit einer Beteiligung von jeweils 50 %. D und B hatten eine Stimmbindungsvereinbarung geschlossen, in der sich beide verpflichteten, ihr Stimmrecht als Gesellschafter nur einheitlich auszuüben, wobei B ihr Stimmverhalten an der Stimmabgabe durch D auszurichten hatte. Alleinige Geschäftsführerin der Klägerin war B.

3

D war darüber hinaus alleinige Kommanditistin der A-KG und Alleingesellschafterin der V-GmbH, die Komplementärin der A-KG war. D war zudem bis zum 23. Oktober 2007 einzige Geschäftsführerin der V-GmbH. Seitdem ist B weitere einzelvertretungsbefugte Geschäftsführerin der V-GmbH. Die A-KG betrieb ein sog. Seniorenzentrum als Wohn- und Pflegeheim. Sie sah die von ihr erbrachten Pflegeleistungen gemäß § 4 Nr. 16 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) als steuerfrei an.

4

Die Klägerin erbrachte in den Streitjahren 2003 bis 2008 auf der Grundlage eines im Juni 1998 abgeschlossenen Vertrags entgeltliche Leistungen im Bereich der Speisenversorgung an die A-KG, die die KG in der von ihr betriebenen Altenhilfeeinrichtung verwendete. Nach dem Vertrag hatte die Klägerin "die komplette Verpflegung von zur Zeit 334 Bewohnern mit Speisen und Getränken nach Anweisung und in Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern des Auftraggebers" zu übernehmen. Die KG teilte der Klägerin "die Anzahl der täglich zu liefernden Portionen und ggf. die vom behandelnden Arzt vorgegebenen Ernährungskriterien der einzelnen Bewohner mit". Die Verpflegung war in einem "Tablettsystem" zusammenzustellen und auf Transportwagen zu laden, die vom Hol- und Bringdienst der A-KG auf die Wohnbereiche des Seniorenzentrums gebracht und später wieder abgeholt wurden. Weitere Leistungen erbrachte die Klägerin aufgrund eines gleichfalls im Juni 1998 abgeschlossenen "Wäscherei-Full-Servicevertrags" und eines "Hausreinigungs-Full-Servicevertrags". Darüber hinaus war die Klägerin bei der Bewirtschaftung eines Kiosks, einer Cafeteria und in der Personalkantine für die A-KG gegen Entgelt tätig.

5

Die Klägerin ging in ihren Umsatzsteuerjahreserklärungen 2003 bis 2007 und in den Umsatzsteuervoranmeldungen 2008 davon aus, dass sie steuerpflichtige Leistungen erbracht habe, die dem ermäßigten Steuersatz unterliegen.

6

Im Anschluss an eine Außenprüfung und an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung war der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) demgegenüber der Auffassung, dass der Regelsteuersatz anzuwenden sei und erließ am 6. Juli 2009 nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderte Umsatzsteuerjahresbescheide 2003 bis 2007 sowie einen erstmaligen Umsatzsteuerjahresbescheid 2008. Einem Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen gab das FA nicht statt.

7

Einspruch und Klage zum Finanzgericht (FG) hatten keinen Erfolg. Nach dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 1344 veröffentlichten Urteil des FG liegt eine Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG, die die Klägerin erstmals nach der Sonderprüfung im Einspruchsverfahren geltend gemacht hatte, nicht vor. Auf die daher steuerpflichtigen Leistungen sei der Regelsteuersatz anzuwenden. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen.

8

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts geltend macht. Im Hinblick auf die zwischen den Beteiligten streitige Frage der Organschaft und die hierfür zu berücksichtigende Bedeutung des Unionsrechts (Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern --Richtlinie 77/388/EWG-- und ab dem Streitjahr 2007 Art. 11 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vom 28. November 2006 --MwStSystRL--) hat der Senat mit Beschluss vom 30. Juli 2014 das Ruhen des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) in der verbundenen Rechtssache Larentia + Minerva C-108/14 und Marenave Schifffahrt C-109/14 --EU:C:2015:496-- (Vorlagebeschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. Dezember 2013 XI R 17/11, BFHE 244, 79, BStBl II 2014, 417, und vom 11. Dezember 2013 XI R 38/12, BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428) angeordnet.

9

Mit Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt vom 16. Juli 2015 (EU:C:2015:496) hat der EuGH in dieser verbundenen Rechtssache zur Auslegung der unionsrechtlichen Grundlagen der Organschaft wie folgt entschieden:

"2.

Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die in dieser Bestimmung vorgesehene Möglichkeit, eine Gruppe von Personen zu bilden, die als ein Mehrwertsteuerpflichtiger behandelt werden können, allein den Einheiten vorbehält, die juristische Personen sind und mit dem Organträger dieser Gruppe durch ein Unterordnungsverhältnis verbunden sind, es sei denn, dass diese beiden Anforderungen Maßnahmen darstellen, die für die Erreichung der Ziele der Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung erforderlich und geeignet sind, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat.

3.

Bei Art. 4 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung kann nicht davon ausgegangen werden, dass er unmittelbare Wirkung hat, so dass Steuerpflichtige dessen Inanspruchnahme gegenüber ihrem Mitgliedstaat geltend machen könnten, falls dessen Rechtsvorschriften nicht mit dieser Bestimmung vereinbar wären und nicht in mit ihr zu vereinbarender Weise ausgelegt werden könnten."

10

Die Klägerin macht hierzu geltend, dass unionsrechtliche Erfordernisse bei der Auslegung des nationalen Rechts trotz der fehlenden Berufbarkeit zu berücksichtigen seien. Die Gefahr eines Rechtsmissbrauchs oder die Möglichkeit einer Steuerhinterziehung sprächen nicht gegen eine Rückkehr zur früheren Rechtsprechung, nach der eine mittelbare finanzielle Eingliederung über gemeinsame Gesellschafter möglich war. Rechtsmissbrauch und Steuerhinterziehung seien zudem für die bisherige BFH-Rechtsprechung zur Organschaft ohne Bedeutung gewesen. Die finanzielle Eingliederung sei erst aufgrund einer geänderten Beurteilung durch die Rechtsprechung des BFH entfallen. Eine Beherrschung der Klägerin durch die A-KG ergebe sich aus der beiden Gesellschaften übergeordneten Struktur. Die A-KG habe der Klägerin Anweisungen für die tägliche Arbeit erteilt. Die Klägerin sei in den Räumlichkeiten der A-KG tätig geworden. Bei der Klägerin habe es sich um die Ausgliederung eines zuvor von der A-KG selbst wahrgenommenen Arbeitsbereichs gehandelt. Gleichwohl habe die A-KG bei der Klägerin durchregieren können. Die nach dem Unionsrecht enge Verbindung liege vor. Zu ihren Gunsten sei zumindest eine Übergangsregelung der Finanzverwaltung anzuwenden. Auch in Bezug auf die Frage des anwendbaren Steuersatzes sei ihr Vertrauensschutz zu gewähren.

11

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Umsatzsteuerbescheide 2003 bis 2008 vom 6. Juli 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Oktober 2011 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer nach Maßgabe der im Einspruchsverfahren eingereichten geänderten Umsatzsteuererklärungen festgesetzt wird,
hilfsweise, das FA unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 31. August 2012 und der Einspruchsentscheidung vom 2. Oktober 2012 zu verpflichten, die Umsatzsteuerbescheide vom 6. Juli 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Oktober 2011 aus Billigkeitsgründen entsprechend der im Einspruchsverfahren eingereichten Umsatzsteuererklärungen festzusetzen.

12

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

13

Bei dem sich aus dem nationalen Recht ergebenden Erfordernis der Eingliederung handele es sich um eine geeignete und erforderliche Maßnahme zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und zur Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung. Das Erfordernis der Überordnung diene auch der Rechtssicherheit. Das nationale Recht verstoße daher nicht gegen das Unionsrecht. Zudem knüpfe das nationale Recht zur Organschaft nicht an den Unternehmerbegriff des § 2 Abs. 1 UStG, sondern an das Merkmal der Selbständigkeit an. Damit habe der nationale Gesetzgeber eine andere Regelungstechnik gewählt als der Richtliniengeber, der am Begriff des Steuerpflichtigen ansetze. Aufgrund des Verlustes der Selbständigkeit gingen die steuerlichen Verpflichtungen wie etwa die Abgabe von Steuererklärungen auf den Organträger über. Im Hinblick auf diesen Übergang komme dem Gebot der Rechtssicherheit große Bedeutung zu. Ohne Über- und Unterordnung entstünden Abgrenzungsschwierigkeiten, die zu einer Verschleierung der für den Organkreis verantwortlichen Person führen könnten. Es drohe die Gefahr der Steuerhinterziehung und -umgehung. Zudem fehle es auch an einer organisatorischen Eingliederung. Alleinige Geschäftsführerin der Klägerin sei B gewesen, während D bis zum Oktober 2007 alleinige Geschäftsführerin bei der Komplementär-GmbH der A-KG gewesen sei. Es seien keine Standardspeisen abgegeben worden.

14

Das Bundesministerium der Finanzen ist dem Verfahren gemäß § 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beigetreten und macht geltend, dass hinsichtlich der Beschränkung auf juristische Personen keine Möglichkeit bestehe, das nationale Recht unionsrechtskonform auszulegen. Am Erfordernis des Unterordnungsverhältnisses sei festzuhalten. Das Erfordernis der Mehrheitsbeteiligung entspreche den unionsrechtlichen Vorgaben. Das Gebot der Rechtssicherheit sei zu beachten. Zu berücksichtigen sei auch die Entstehungsgeschichte von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG.

Entscheidungsgründe

15

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Auch unter Berücksichtigung der zum Unionsrecht ergangenen EuGH-Rechtsprechung gehört die Klägerin mangels finanzieller und organisatorischer Eingliederung weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht einer mit der A-KG bestehenden Organschaft an, so dass das FG zu Recht entschieden hat, dass die Klägerin Leistungen erbracht hat, die dem Regelsteuersatz unterliegen. Es ist auch kein Billigkeitserlass zu gewähren.

16

1. Die Klägerin ist nicht finanziell in das Unternehmen der A-KG eingegliedert.

17

a) Die finanzielle Eingliederung setzt nach nationalem Recht eine eigene Mehrheitsbeteiligung des Organträgers an einer juristischen Person voraus.

18

aa) Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Die Organschaft dient der   Verwaltungsvereinfachung   (vgl. BTDrucks V/48, § 2, BTDrucks IV/1590, S. 36, zum gesetzlichen Festhalten an der vorkonstitutionellen Organschaft des UStG 1934, RStBl 1934, 1549 ff.; zum Vereinfachungszweck vgl. Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 2 Rz 784, und zum Unionsrecht EuGH-Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, Rz 41) und führt zu einer Zusammenfassung zu einem Unternehmen beim Organträger. Der Organträger ist entsprechend dem Vereinfachungszweck Steuerschuldner auch für die aufgrund der Organschaft unselbständig tätige Person. Die Rechtsfolgen der Organschaft treten von Gesetzes wegen ein. Hinsichtlich der Voraussetzungen der Organschaft ist nicht danach zu differenzieren, ob ein Steuerschuldner --hier die Klägerin-- oder der Steuergläubiger Rechtsfolgen aus der Organschaft zu seinen Gunsten ableitet.

19

bb) Da sich die mit der Organschaft verbundene Verlagerung der Steuerschuld auf den Organträger finanziell belastend auswirken kann, müssen die Voraussetzungen der Organschaft rechtssicher bestimmbar sein (BFH-Urteil vom 22. April 2010 V R 9/09, BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.3.b bb(1), m.w.N. zur Rechtsprechung von EuGH und BFH). Dementsprechend erfordert die finanzielle Eingliederung eine Mehrheitsbeteiligung des Organträgers an der juristischen Person (BFH-Urteile vom 22. November 2001 V R 50/00, BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a; vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd; vom 30. April 2009 V R 3/08, BFHE 226, 144, BFHE II 2013, 873, unter II.2.b aa; vom 22. April 2010 V R 9/09, BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.2.; vom 1. Dezember 2010 XI R 43/08, BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600, unter II.2., und vom 7. Juli 2011 V R 53/10, BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218, unter II.2.a).

20

cc) Der Organträger muss zudem über eine eigene Mehrheitsbeteiligung an der juristischen Person verfügen. Diese kann sich entweder aus einer unmittelbaren Beteiligung oder mittelbar aus einer über eine Tochtergesellschaft gehaltenen Beteiligung ergeben. Demgegenüber ist bei einer Beteiligung mehrerer Gesellschafter an zwei Schwestergesellschaften nicht rechtssicher bestimmbar, unter welchen Voraussetzungen der Beteiligungsbesitz der Gesellschafter zusammengerechnet werden kann, um eine finanzielle Eingliederung der einen in die andere Schwestergesellschaft zu begründen (BFH-Urteil in BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.3.b bb (2)). Darüber hinaus ist die finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft nach dem BFH-Urteil des XI. Senats in BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600, Leitsatz 1 auch dann zu verneinen, wenn nur ein Gesellschafter über die Stimmenmehrheit an den beiden Schwestergesellschaften verfügt.

21

dd) Der erkennende Senat hält an dieser Rechtsprechung zur rechtssicheren wie auch einfachen Bestimmung der Voraussetzungen der Organschaft fest:

22

(1) Das nationale Recht sieht weder einen Antrag noch ein besonderes Verfahren zur Feststellung der Voraussetzungen der Organschaft vor. Da es dementsprechend an einem Grundlagenbescheid fehlt, ist es entgegen der Auffassung der Klägerin nicht möglich, für die Organschaft anstelle einer eigenen Mehrheitsbeteiligung auf das unbestimmte wie auch unpräzise Merkmal einer lediglich engen finanziellen Verbindung zwischen mehreren Personen abzustellen. Eine derartige Verbindung ermöglicht es nicht, die Person rechtssicher zu bestimmen, die die steuerrechtlichen Verpflichtungen für den Organkreis als Organträger und damit als einzige Steuerschuldnerin zu erfüllen hat. So könnte z.B. ohne Erfordernis einer eigenen Mehrheitsbeteiligung auch eine mittelbare finanzielle Eingliederung zwischen zwei Schwesterkapitalgesellschaften bestehen, bei der dann mangels eines besonderen Feststellungsverfahrens die Person des Organträgers und die der Organgesellschaft nicht bestimmt werden könnte.

23

Ebenso ist es im Grundsatz im Verhältnis einer Kapitalgesellschaft zu ihrer Schwesterpersonengesellschaft. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der erkennende Senat § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG aus Gründen der Rechtsformneutralität erweiternd auch auf einzelne eingegliederte Personengesellschaften anwendet. Zu den Voraussetzungen hierfür verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf sein Urteil vom 2. Dezember 2015 V R 25/13 (BFHE 251, 534, unter II.2.c).

24

(2) Bei der Auslegung der Eingliederungsvoraussetzungen ist auch der mit der Organschaft verfolgte   Vereinfachungszweck   zu berücksichtigen. Dieser erfordert, dass die Organschaft auch für den Organträger als Steuerschuldner für die organschaftlich zusammengefassten Unternehmen einfach anzuwenden ist. Ohne Antrags- und ohne Feststellungsverfahren muss es dem Organträger daher aufgrund der Eingliederung möglich sein, die --nach § 370 AO strafbewährte-- Verantwortung für die Umsatztätigkeit der mit ihm verbundenen juristischen Person zu übernehmen. Dies setzt in Form der Eingliederung i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG Durchgriffsmöglichkeiten voraus, aufgrund derer der Organträger --ähnlich wie bei unselbständigen Betriebsabteilungen im Unternehmeneiner Person-- die für die Abgabe von Steueranmeldungen und Steuererklärungen notwendigen Informationsansprüche wie auch die zur Erfüllung von Steueransprüchen notwendigen Ausgleichsansprüche (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 8. August 2013 V R 18/13, BFHE 242, 433, unter II.3.a) gegen die Organgesellschaft durchsetzen kann (vgl. auch Stadie in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 2 Anm. 913).

25

b) Im Streitfall ist die Klägerin nach nationalem Recht nicht Organgesellschaft der A-KG. Die finanzielle Eingliederung der Klägerin in die A-KG scheitert bereits daran, dass die A-KG keine eigene Mehrheitsbeteiligung an der Klägerin in ihrem Gesamthandsvermögen hielt, sondern nur über ihre Gesellschafterin D mit der Klägerin verbunden war. Ohne eigene Mehrheitsbeteiligung ist die Person des Organträgers im Verhältnis zwischen der Klägerin, einer GmbH, und ihrer Schwester-KG nicht eindeutig bestimmbar. Es bestehen keine rechtsverbindlichen Regelungen zur Zusammenrechnung eines mehreren Gesellschaftern zustehenden Anteilsbesitzes. Dies gilt auch für den Fall einer familiären Verbundenheit mehrerer Gesellschafter. Der von D mit ihrer Tochter getroffenen Stimmbindungsvereinbarung kommt keine Bedeutung zu, da diese nicht in der Satzung der Klägerin vereinbart war. Der Senat verweist auch insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf sein Urteil vom 2. Dezember 2015 V R 25/13, unter II.1.c cc (1).

26

Mangels eigener Mehrheitsbeteiligung standen der A-KG somit keine eigenen Durchgriffsrechte zu. Ihr, wie auch der für sie organschaftlich handelnden Komplementär-GmbH, war es nicht möglich, die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass die A-KG Umsätze der Klägerin gegenüber Dritten ordnungsgemäß versteuert, oder dafür verantwortlich zu sein, dass derartige Umsätze nicht vorliegen.

27

c) Das Unionsrecht führt nicht zu einer gegenüber der bisherigen BFH-Rechtsprechung geänderten Beurteilung.

28

aa) Nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG steht es jedem Mitgliedstaat frei, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln. Diese Regelung dient der "Verwaltungsvereinfachung" und der "Verhinderung bestimmter Missbräuche (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schifffahrt, EU:C:2015:496, Rz 40).

29

bb) Der Steuerpflichtige kann sich gegenüber dem nationalen Recht nicht auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG berufen.

30

(1) Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG erfüllt "nicht die Voraussetzungen, um unmittelbare Wirkung zu entfalten", sondern hat nur "bedingten Charakter". Dies beruht darauf, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene enge Verbindung in finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht einer "Präzisierung auf nationaler Ebene" bedarf und die "Anwendung nationaler Rechtsvorschriften voraussetzt, die den konkreten Umfang dieser Verbindungen bestimmen" (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 50 f.).

31

(2) Entscheiden sich Mitgliedstaaten auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG dafür, Regelungen zur Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen zu schaffen, haben sie bei der Ausübung der ihnen zustehenden Präzisierungsbefugnis die hierfür unionsrechtlich bestehenden Anforderungen zu berücksichtigen.

32

(a) Die Mitgliedstaaten haben zu beachten, dass sie die nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG mögliche Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen nicht von weiteren als den in dieser Bestimmung genannten Bedingungen abhängig machen dürfen (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 38) und dass das Unionsrecht die Regelung zur Mehrwertsteuergruppe nicht allein den Einheiten vorbehält, die sich in einem Verhältnis der Unterordnung zum Organträger befinden (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 44). Auf eine Unterordnung darf nur ausnahmsweise abgestellt werden, etwa wenn diese Bedingung "in einem bestimmten nationalen Kontext" zur "Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen" erforderlich und geeignet ist (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 45). Hierüber hat das nationale Gericht zu entscheiden (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 46).

33

(b) Die auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG getroffenen Regelungen haben --wie stets-- den Grundsatz der Rechtssicherheit zu beachten. Danach müssen "die Vorschriften des Unionsrechts eindeutig sein" und ihre Anwendung muss für die Betroffenen vorhersehbar sein, "wobei dieses Gebot der Rechtssicherheit in besonderem Maß gilt, wenn es sich um Vorschriften handelt, die finanzielle Konsequenzen haben können, denn die Betroffenen müssen in der Lage sein, den Umfang der ihnen durch diese Vorschriften auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen". Zudem "müssen die Rechtsnormen der Mitgliedstaaten auf den vom Unionsrecht erfassten Gebieten eindeutig formuliert sein, so dass den betroffenen Personen die klare und genaue Kenntnis ihrer Rechte und Pflichten ermöglicht wird, und die innerstaatlichen Gerichte in die Lage versetzt werden, deren Einhaltung sicherzustellen" (EuGH-Urteil Tomoiaga vom 9. Juli 2015 C-144/14, EU:C:2015:452, Rz 35, m.w.N. zur EuGH-Rechtsprechung). Bei der Organschaft als Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen beim Organträger handelt es sich aufgrund der damit verbundenen Verlagerung der Steuerschuld von der Organgesellschaft auf den Organträger "um Vorschriften ..., die finanzielle Konsequenzen haben können".

34

cc) Für das sich aus dem nationalen Recht ergebende Erfordernis einer Eingliederung mit Durchgriffsrechten i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG besteht eine hinreichende Grundlage im Unionsrecht.

35

(1) Obwohl sich die Voraussetzung eines Antrags nicht aus Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG ergibt, der die Bedingungen für die Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen abschließend aufzählt (s. oben II.1.c bb(2)(a)), haben einzelne Mitgliedstaaten diese Zusammenfassung antragsabhängig ausgestaltet (vgl. z.B. zu dem in der Republik Irland für die Gruppenbesteuerung bestehenden Antragserfordernis EuGH-Urteil Kommission/Irland vom 9. April 2013 C-85/11, EU:C:2013:217, Rz 8), ohne dass der EuGH dies beanstandet (vgl. EuGH-Urteil Kommission/Irland, EU:C:2013:217; vgl. auch Stadie in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 2, Anm. 816).

36

Der erkennende Senat versteht dies dahingehend, dass das Erfordernis einer rechtssicheren Präzisierung von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG Sonderbedingungen wie ein von der Richtlinie nicht vorgesehenes Antragserfordernis rechtfertigt, bei dem es sich um ein bloßes Verfahrenserfordernis oder auch um ein materiell-rechtliches Wahlrecht handeln kann. Im   Kontext des nationalen Rechts,   in dem es an einem besonderen Verfahren und einem Grundlagenbescheid zur Feststellung der Organschaft und damit an einer für alle am Organkreis Beteiligten verbindlichen Festlegung, ob eine Organschaft besteht und wer Steuerschuldner für diese ist, fehlt, kann   nur   anhand des Merkmals der Eingliederung die Person bestimmt werden, die die Verantwortung dafür zu tragen hat, dass die Umsätze des im Organkreis zusammengefassten Unternehmens ordnungsgemäß versteuert werden (s. oben II.1.a bb). Daher können die Mitgliedstaaten das Erfordernis der Rechtssicherheit auch bei der ihnen obliegenden Präzisierung (s. oben II.1.c bb(1)) des "konkreten Umfangs" der erforderlichen Verbindungen berücksichtigen. Dies rechtfertigt ein Abstellen auf eine Eingliederung mit Durchgriffsrechten, da sich hieraus die Organschaft als Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen beim Organträger rechtssicher ergibt (s. oben II.1.a dd). Damit wird dem Vereinfachungszweck der Zusammenfassung Rechnung getragen, da Beurteilungsschwierigkeiten, die sich auf der Grundlage einer bloßen engen Verbindung, aus der sich aufgrund ihrer Präzisierungsbedürftigkeit keine verbindlichen Voraussetzungen ergeben, entfallen.

37

Der Senat berücksichtigt dabei auch, dass die Finanzverwaltung berechtigt ist, das Bestehen einer z.B. zunächst rechtsfehlerhaft unerkannt gebliebenen Organschaft mit Wirkung für die Vergangenheit geltend zu machen. Unterschiedliche Anforderungen an die Organschaft, die sich danach richten, ob der Steuerpflichtige --zur Vermeidung nicht abziehbarer Vorsteuerbeträge wie im Streitfall-- oder die Finanzverwaltung aus Insolvenz- oder Vollstreckungsgründen ein Interesse am Bestehen der Organschaft hat, sind weder mit dem nationalen Recht noch mit dem Unionsrecht zu vereinbaren.

38

(2) Dient die Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen trotz rechtlicher Selbständigkeit dazu, "Missbräuche zu verhindern wie z.B. die Aufspaltung eines Unternehmens zwischen mehreren Steuerpflichtigen, um in den Genuss einer Sonderregelung zu gelangen" (EuGH-Urteile Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 40, und Kommission/Irland, EU:C:2013:217, Rz 47), können die Mitgliedstaaten bei Ausübung der ihnen unionsrechtlich zur Missbrauchsbekämpfung zustehenden Regelungsbefugnis (s. oben II.1.c bb(2)(a)) berücksichtigen, dass die Zusammenfassung zu nichtsteuerbaren Leistungen zwischen den zusammengefassten Personen führt. Durch diese Nichtsteuerbarkeit von Innenleistungen könnte es bei einem fehlenden Recht zum Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers nach § 15 Abs. 2 UStG (Art. 17 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 77/388/EWG) zu einer Umgehung des insoweit bestehenden Abzugsverbots kommen (zu den sich aus einer Organschaft insoweit ergebenden "Gestaltungswirkungen" vgl. z.B. Grune/Mönckedieck, Umsatzsteuer-Rundschau 2012, 541; Heintzen, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1999, 1799; Leonard, DStR 2010, 721). Die Gestaltungswirkung, die auch von der Klägerin mit der Organschaft erstrebt wird, besteht darin, den --ohne Organschaft-- eintretenden Nachteil einer Steuerentstehung ohne Recht auf Vorsteuerabzug zu vermeiden. Diese Folge ist mit dem Vereinfachungszweck der Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen nicht zu vereinbaren und rechtfertigt eine Beschränkung der Organschaft auf die Fälle, in denen die organschaftlichen Unternehmensteile aufgrund einer Eingliederung ebenso eng wie Betriebsabteilungen eines Einheitsunternehmens miteinander verbunden sind. Die Eingliederung bewirkt somit, dass derartige Vorteile nur den Organschaften zugutekommen, deren Unternehmen ähnlich eng   wie bei einem rechtlichen Einheitsunternehmen   miteinander verbunden sind.

39

dd) Durch den Übergang von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG zu dem ab 2007 geltenden Art. 11 MwStSystRL ist es nicht zu inhaltlichen Änderungen des Unionsrechts gekommen (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 36 und 42).

40

ee) Die hiergegen gerichteten Einwendungen der Klägerin greifen nicht durch. Der erkennende Senat hat bereits in der Vergangenheit maßgeblich auf das Erfordernis der Rechtssicherheit abgestellt (BFH-Urteil in BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597). Hiermit nicht vereinbar ist es, für die Organschaft auf die Entstehungsgeschichte der miteinander verbundenen Unternehmen abzustellen.

41

2. Bis zum Oktober 2007 fehlte es zudem an der erforderlichen organisatorischen Eingliederung.

42

a) Nach der Rechtsprechung des BFH setzt die organisatorische Eingliederung voraus, dass der Organträger die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung wahrnimmt, wobei er die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrschen muss. Hiervon ist z.B. dann auszugehen, wenn bei zwei GmbHs eine Personenidentität in den Geschäftsführungsorganen besteht. Sind für die Organ-GmbH z.B. mehrere einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer bestellt, reicht es aus, dass zumindest einer von ihnen auch Geschäftsführer der Organträger-GmbH ist, der Organträger über ein umfassendes Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsführung der Organ-GmbH verfügt und zur Bestellung und Abberufung aller Geschäftsführer der Organ-GmbH berechtigt ist. Nicht ausreichend ist demgegenüber, dass eine vom Organträger abweichende Willensbildung in der Organgesellschaft ausgeschlossen ist (BFH-Urteil in BFHE 242, 433, unter II.2.b und 3.).

43

Soweit der Senat hierfür in einem Einzelfall auf eine "institutionell abgesicherte unmittelbare Eingriffsmöglichkeit in den Kernbereich der laufenden Geschäftsführung" (BFH-Urteil vom 3. April 2008 V R 76/05, BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.4.) abgestellt hat, folgt hieraus nichts anderes, als dass im Regelfall eine personelle Verflechtung über die Geschäftsführung der juristischen Person als Organgesellschaft bestehen muss. Nicht ausreichend sind Weisungsrechte, Berichtspflichten (BFH-Urteil in BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.4.) oder ein Zustimmungsvorbehalt zugunsten der Gesellschafterversammlung oder zugunsten des Mehrheitsgesellschafters (BFH-Urteil in BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218, unter II.3.a cc).

44

b) Gegen diese Anforderungen bestehen auch unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt (EU:C:2015, 496) keine Bedenken in unionsrechtlicher Hinsicht. Auch das Erfordernis einer in organisatorischer Hinsicht bestehenden Durchgriffsmöglichkeit dient insbesondere der rechtssicheren Bestimmung der Eingliederungsvoraussetzungen, der Verwaltungsvereinfachung und der Missbrauchsverhinderung (vgl. oben II.1.c cc).

45

c) Damit fehlt es bis zum Oktober 2007 auch an einer organisatorischen Eingliederung der Klägerin in die A-KG. Denn bis dahin bestand eine organisatorische Trennung zwischen der Klägerin, deren einzige Geschäftsführerin B war, und der A-KG, die organschaftlich durch ihre Komplementär-GmbH vertreten wurde, bei der D einzige Geschäftsführerin war. Zu der im Sinne des BFH-Urteils in BFHE 242, 433, unter II.2.b und 3. erforderlichen organisatorischen Verflechtung über das Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan der Klägerin kam es erst dadurch, dass die Geschäftsführerin der Klägerin auch zur Geschäftsführerin bei der Komplementär-GmbH der A-AG bestellt wurde.

46

3. Die mangels Organschaft steuerbaren Leistungen der Klägerin unterliegen nicht dem ermäßigten Steuersatz.

47

Das FG hat insoweit zutreffend entschieden, dass es für die Anwendung der Steuersatzermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG an der dort vorausgesetzten Lieferung von in der Anlage bezeichneten Gegenständen fehlt und sich hierfür zu Recht auf die BFH-Rechtsprechung bezogen, nach der die in einer Großküche eines Altenwohnheims und Pflegeheims zur Verpflegung der Bewohner zubereiteten Speisen keine "Standardspeisen" als Ergebnis einfacher und standardisierter Zubereitungsvorgänge nach Art eines Imbissstandes sind, so dass deren Abgabe zu festen Zeitpunkten in Warmhaltebehältern keine Lieferung, sondern eine dem Regelsteuersatz unterliegende sonstige Leistung ist (BFH-Urteil vom 12. Oktober 2011 V R 66/09, BFHE 235, 525, BStBl II 2013, 250). Ebenso wie in diesem Fall hat auch die Klägerin entgeltliche Leistungen zur Versorgung der in einem Heim vollstationär untergebrachten Personen mit Speisen und Getränken erbracht, wobei Speiseplanvorgaben einzuhalten waren. Es ist auch im Streitfall davon auszugehen, dass sich die Tätigkeit bei der Speisenversorgung nicht auf die Abgabe von Standardspeisen als Ergebnis einfacher und standardisierter Zubereitungen nach Art eines z.B. Imbissstandes beschränkte.

48

4. Dem Erlass der Änderungsbescheide steht auch nicht § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO entgegen.

49

Nach dieser Vorschrift darf bei der Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, dass sich die Rechtsprechung eines obersten Gerichtshofs des Bundes geändert hat, die bei der bisherigen Steuerfestsetzung von der Finanzbehörde angewandt worden ist.

50

a) Die Anwendung dieser Vorschrift scheitert bereits daran, dass die Klägerin das Bestehen einer Organschaft erstmals im Einspruchsverfahren und damit nach Erlass der hier streitigen Steuerbescheide geltend gemacht hat. Damit lag den Steuerbescheiden vor Erlass der angefochtenen Änderungsbescheide keine BFH-Rechtsprechung zur Organschaft zugrunde, so dass die Rechtsauffassung vor der Rechtsprechungsänderung durch das BFH-Urteil in BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597 ohne Bedeutung war.

51

b) In Bezug auf die Frage der Abgrenzung von Lieferungen und sonstigen Leistungen bei der Abgabe von Speisen ergibt sich für die Klägerin ein Anspruch auf Vertrauensschutz auch nicht daraus, dass der erkennende Senat mit seinem Urteil in BFHE 235, 525, BStBl II 2013, 250 die Rechtsprechung "fortentwickelt" hat. Denn unabhängig hiervon hatte sich der BFH vor diesem Urteil zur Frage der Speisenversorgung in Altenwohnheimen und Pflegeheimen nicht unmittelbar geäußert.

52

5. Das FG hat den von der Klägerin geltend gemachten Erlass aus Billigkeitsgründen zutreffend abgelehnt.

53

a) Nach § 163 Satz 1 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne die Steuer erhöhende Besteuerungsgrundlagen unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls aus sachlichen oder aus persönlichen Gründen unbillig wäre.

54

Die nach § 163 AO zu treffende Billigkeitsentscheidung ist eine Ermessensentscheidung der Finanzbehörde i.S. des § 5 AO, die grundsätzlich nur eingeschränkter gerichtlicher Nachprüfung unterliegt (§ 102, § 121 FGO). Sie kann im finanzgerichtlichen Verfahren nur dahin geprüft werden, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Oktober 1971 GmS-OGB 3/70, BStBl II 1972, 603; BFH-Urteile vom 26. Oktober 1994 X R 104/92, BFHE 176, 3, BStBl II 1995, 297; vom 10. Oktober 2001 XI R 52/00, BFHE 196, 572, BStBl II 2002, 201; vom 7. Oktober 2010 V R 17/09, BFH/NV 2011, 865; vom 6. September 2011 VIII R 55/10, BFH/NV 2012, 269).

55

b) Die Festsetzung einer Steuer ist aus sachlichen Gründen unbillig, wenn sie zwar dem Wortlaut des Gesetzes entspricht, aber den Wertungen des Gesetzes zuwiderläuft (vgl. BFH-Urteile vom 11. Juli 1996 V R 18/95, BFHE 180, 524, BStBl II 1997, 259; vom 18. Dezember 2007 VI R 13/05, BFH/NV 2008, 794; in BFH/NV 2011, 865). Das setzt voraus, dass der Gesetzgeber die Grundlagen für die Steuerfestsetzung anders als tatsächlich geschehen geregelt hätte, wenn er die zu beurteilende Frage als regelungsbedürftig erkannt hätte (vgl. BFH-Beschluss vom 12. September 2007 X B 18/03, BFH/NV 2008, 102, m.w.N.).

56

c) Rechtsfehlerfrei hat das FG erkannt, dass das FA die Voraussetzungen einer sachlichen oder persönlichen Unbilligkeit zutreffend verneint hat. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass für einen über § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO hinausgehenden Vertrauensschutz im Fall einer Änderung der Rechtsprechung im Allgemeinen keine Notwendigkeit besteht, wenn sich der Steuerpflichtige die vom BFH aufgegebene Rechtsprechung erst in einem Einspruchsverfahren zu eigen macht. Zudem hat das FG zutreffend berücksichtigt, dass Verwaltungsanweisungen, zu denen auch dort getroffene Übergangsregelungen gehören, nicht wie Gesetze auslegungsfähig sind, sondern im Allgemeinen entsprechend dem Verständnis der Finanzverwaltung anzuwenden sind (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 13. Januar 2011 V R 43/09, BFHE 233, 58, BStBl II 2011, 610, zur "Vertretbarkeit" der von einer Finanzbehörde vorgenommenen Auslegung einer von der Finanzverwaltung getroffenen Übergangsregelung). Im Hinblick auf die Vermögenssituation der Klägerin konnte das FG auch persönliche Billigkeitsgründe verneinen.

57

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

(1) Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt, unabhängig davon, ob er nach anderen Vorschriften rechtsfähig ist. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.

(2) Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nicht selbständig ausgeübt,

1.
soweit natürliche Personen, einzeln oder zusammengeschlossen, einem Unternehmen so eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind,
2.
wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Die Wirkungen der Organschaft sind auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt. Diese Unternehmensteile sind als ein Unternehmen zu behandeln. Hat der Organträger seine Geschäftsleitung im Ausland, gilt der wirtschaftlich bedeutendste Unternehmensteil im Inland als der Unternehmer.

(3) (weggefallen)

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 12. Februar 2013  15 K 4005/11 U,AO wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, als Organgesellschaft nichtsteuerbare Leistungen an die A-GmbH & Co. KG (A-KG) als Organträger erbracht hat.

2

Gesellschafter der Klägerin waren in den Streitjahren D und ihre Tochter B mit einer Beteiligung von jeweils 50 %. D und B hatten eine Stimmbindungsvereinbarung geschlossen, in der sich beide verpflichteten, ihr Stimmrecht als Gesellschafter nur einheitlich auszuüben, wobei B ihr Stimmverhalten an der Stimmabgabe durch D auszurichten hatte. Alleinige Geschäftsführerin der Klägerin war B.

3

D war darüber hinaus alleinige Kommanditistin der A-KG und Alleingesellschafterin der V-GmbH, die Komplementärin der A-KG war. D war zudem bis zum 23. Oktober 2007 einzige Geschäftsführerin der V-GmbH. Seitdem ist B weitere einzelvertretungsbefugte Geschäftsführerin der V-GmbH. Die A-KG betrieb ein sog. Seniorenzentrum als Wohn- und Pflegeheim. Sie sah die von ihr erbrachten Pflegeleistungen gemäß § 4 Nr. 16 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) als steuerfrei an.

4

Die Klägerin erbrachte in den Streitjahren 2003 bis 2008 auf der Grundlage eines im Juni 1998 abgeschlossenen Vertrags entgeltliche Leistungen im Bereich der Speisenversorgung an die A-KG, die die KG in der von ihr betriebenen Altenhilfeeinrichtung verwendete. Nach dem Vertrag hatte die Klägerin "die komplette Verpflegung von zur Zeit 334 Bewohnern mit Speisen und Getränken nach Anweisung und in Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern des Auftraggebers" zu übernehmen. Die KG teilte der Klägerin "die Anzahl der täglich zu liefernden Portionen und ggf. die vom behandelnden Arzt vorgegebenen Ernährungskriterien der einzelnen Bewohner mit". Die Verpflegung war in einem "Tablettsystem" zusammenzustellen und auf Transportwagen zu laden, die vom Hol- und Bringdienst der A-KG auf die Wohnbereiche des Seniorenzentrums gebracht und später wieder abgeholt wurden. Weitere Leistungen erbrachte die Klägerin aufgrund eines gleichfalls im Juni 1998 abgeschlossenen "Wäscherei-Full-Servicevertrags" und eines "Hausreinigungs-Full-Servicevertrags". Darüber hinaus war die Klägerin bei der Bewirtschaftung eines Kiosks, einer Cafeteria und in der Personalkantine für die A-KG gegen Entgelt tätig.

5

Die Klägerin ging in ihren Umsatzsteuerjahreserklärungen 2003 bis 2007 und in den Umsatzsteuervoranmeldungen 2008 davon aus, dass sie steuerpflichtige Leistungen erbracht habe, die dem ermäßigten Steuersatz unterliegen.

6

Im Anschluss an eine Außenprüfung und an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung war der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) demgegenüber der Auffassung, dass der Regelsteuersatz anzuwenden sei und erließ am 6. Juli 2009 nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderte Umsatzsteuerjahresbescheide 2003 bis 2007 sowie einen erstmaligen Umsatzsteuerjahresbescheid 2008. Einem Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen gab das FA nicht statt.

7

Einspruch und Klage zum Finanzgericht (FG) hatten keinen Erfolg. Nach dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 1344 veröffentlichten Urteil des FG liegt eine Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG, die die Klägerin erstmals nach der Sonderprüfung im Einspruchsverfahren geltend gemacht hatte, nicht vor. Auf die daher steuerpflichtigen Leistungen sei der Regelsteuersatz anzuwenden. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen.

8

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts geltend macht. Im Hinblick auf die zwischen den Beteiligten streitige Frage der Organschaft und die hierfür zu berücksichtigende Bedeutung des Unionsrechts (Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern --Richtlinie 77/388/EWG-- und ab dem Streitjahr 2007 Art. 11 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vom 28. November 2006 --MwStSystRL--) hat der Senat mit Beschluss vom 30. Juli 2014 das Ruhen des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) in der verbundenen Rechtssache Larentia + Minerva C-108/14 und Marenave Schifffahrt C-109/14 --EU:C:2015:496-- (Vorlagebeschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. Dezember 2013 XI R 17/11, BFHE 244, 79, BStBl II 2014, 417, und vom 11. Dezember 2013 XI R 38/12, BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428) angeordnet.

9

Mit Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt vom 16. Juli 2015 (EU:C:2015:496) hat der EuGH in dieser verbundenen Rechtssache zur Auslegung der unionsrechtlichen Grundlagen der Organschaft wie folgt entschieden:

"2.

Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die in dieser Bestimmung vorgesehene Möglichkeit, eine Gruppe von Personen zu bilden, die als ein Mehrwertsteuerpflichtiger behandelt werden können, allein den Einheiten vorbehält, die juristische Personen sind und mit dem Organträger dieser Gruppe durch ein Unterordnungsverhältnis verbunden sind, es sei denn, dass diese beiden Anforderungen Maßnahmen darstellen, die für die Erreichung der Ziele der Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung erforderlich und geeignet sind, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat.

3.

Bei Art. 4 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung kann nicht davon ausgegangen werden, dass er unmittelbare Wirkung hat, so dass Steuerpflichtige dessen Inanspruchnahme gegenüber ihrem Mitgliedstaat geltend machen könnten, falls dessen Rechtsvorschriften nicht mit dieser Bestimmung vereinbar wären und nicht in mit ihr zu vereinbarender Weise ausgelegt werden könnten."

10

Die Klägerin macht hierzu geltend, dass unionsrechtliche Erfordernisse bei der Auslegung des nationalen Rechts trotz der fehlenden Berufbarkeit zu berücksichtigen seien. Die Gefahr eines Rechtsmissbrauchs oder die Möglichkeit einer Steuerhinterziehung sprächen nicht gegen eine Rückkehr zur früheren Rechtsprechung, nach der eine mittelbare finanzielle Eingliederung über gemeinsame Gesellschafter möglich war. Rechtsmissbrauch und Steuerhinterziehung seien zudem für die bisherige BFH-Rechtsprechung zur Organschaft ohne Bedeutung gewesen. Die finanzielle Eingliederung sei erst aufgrund einer geänderten Beurteilung durch die Rechtsprechung des BFH entfallen. Eine Beherrschung der Klägerin durch die A-KG ergebe sich aus der beiden Gesellschaften übergeordneten Struktur. Die A-KG habe der Klägerin Anweisungen für die tägliche Arbeit erteilt. Die Klägerin sei in den Räumlichkeiten der A-KG tätig geworden. Bei der Klägerin habe es sich um die Ausgliederung eines zuvor von der A-KG selbst wahrgenommenen Arbeitsbereichs gehandelt. Gleichwohl habe die A-KG bei der Klägerin durchregieren können. Die nach dem Unionsrecht enge Verbindung liege vor. Zu ihren Gunsten sei zumindest eine Übergangsregelung der Finanzverwaltung anzuwenden. Auch in Bezug auf die Frage des anwendbaren Steuersatzes sei ihr Vertrauensschutz zu gewähren.

11

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Umsatzsteuerbescheide 2003 bis 2008 vom 6. Juli 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Oktober 2011 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer nach Maßgabe der im Einspruchsverfahren eingereichten geänderten Umsatzsteuererklärungen festgesetzt wird,
hilfsweise, das FA unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 31. August 2012 und der Einspruchsentscheidung vom 2. Oktober 2012 zu verpflichten, die Umsatzsteuerbescheide vom 6. Juli 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Oktober 2011 aus Billigkeitsgründen entsprechend der im Einspruchsverfahren eingereichten Umsatzsteuererklärungen festzusetzen.

12

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

13

Bei dem sich aus dem nationalen Recht ergebenden Erfordernis der Eingliederung handele es sich um eine geeignete und erforderliche Maßnahme zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und zur Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung. Das Erfordernis der Überordnung diene auch der Rechtssicherheit. Das nationale Recht verstoße daher nicht gegen das Unionsrecht. Zudem knüpfe das nationale Recht zur Organschaft nicht an den Unternehmerbegriff des § 2 Abs. 1 UStG, sondern an das Merkmal der Selbständigkeit an. Damit habe der nationale Gesetzgeber eine andere Regelungstechnik gewählt als der Richtliniengeber, der am Begriff des Steuerpflichtigen ansetze. Aufgrund des Verlustes der Selbständigkeit gingen die steuerlichen Verpflichtungen wie etwa die Abgabe von Steuererklärungen auf den Organträger über. Im Hinblick auf diesen Übergang komme dem Gebot der Rechtssicherheit große Bedeutung zu. Ohne Über- und Unterordnung entstünden Abgrenzungsschwierigkeiten, die zu einer Verschleierung der für den Organkreis verantwortlichen Person führen könnten. Es drohe die Gefahr der Steuerhinterziehung und -umgehung. Zudem fehle es auch an einer organisatorischen Eingliederung. Alleinige Geschäftsführerin der Klägerin sei B gewesen, während D bis zum Oktober 2007 alleinige Geschäftsführerin bei der Komplementär-GmbH der A-KG gewesen sei. Es seien keine Standardspeisen abgegeben worden.

14

Das Bundesministerium der Finanzen ist dem Verfahren gemäß § 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beigetreten und macht geltend, dass hinsichtlich der Beschränkung auf juristische Personen keine Möglichkeit bestehe, das nationale Recht unionsrechtskonform auszulegen. Am Erfordernis des Unterordnungsverhältnisses sei festzuhalten. Das Erfordernis der Mehrheitsbeteiligung entspreche den unionsrechtlichen Vorgaben. Das Gebot der Rechtssicherheit sei zu beachten. Zu berücksichtigen sei auch die Entstehungsgeschichte von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG.

Entscheidungsgründe

15

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Auch unter Berücksichtigung der zum Unionsrecht ergangenen EuGH-Rechtsprechung gehört die Klägerin mangels finanzieller und organisatorischer Eingliederung weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht einer mit der A-KG bestehenden Organschaft an, so dass das FG zu Recht entschieden hat, dass die Klägerin Leistungen erbracht hat, die dem Regelsteuersatz unterliegen. Es ist auch kein Billigkeitserlass zu gewähren.

16

1. Die Klägerin ist nicht finanziell in das Unternehmen der A-KG eingegliedert.

17

a) Die finanzielle Eingliederung setzt nach nationalem Recht eine eigene Mehrheitsbeteiligung des Organträgers an einer juristischen Person voraus.

18

aa) Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Die Organschaft dient der   Verwaltungsvereinfachung   (vgl. BTDrucks V/48, § 2, BTDrucks IV/1590, S. 36, zum gesetzlichen Festhalten an der vorkonstitutionellen Organschaft des UStG 1934, RStBl 1934, 1549 ff.; zum Vereinfachungszweck vgl. Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 2 Rz 784, und zum Unionsrecht EuGH-Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, Rz 41) und führt zu einer Zusammenfassung zu einem Unternehmen beim Organträger. Der Organträger ist entsprechend dem Vereinfachungszweck Steuerschuldner auch für die aufgrund der Organschaft unselbständig tätige Person. Die Rechtsfolgen der Organschaft treten von Gesetzes wegen ein. Hinsichtlich der Voraussetzungen der Organschaft ist nicht danach zu differenzieren, ob ein Steuerschuldner --hier die Klägerin-- oder der Steuergläubiger Rechtsfolgen aus der Organschaft zu seinen Gunsten ableitet.

19

bb) Da sich die mit der Organschaft verbundene Verlagerung der Steuerschuld auf den Organträger finanziell belastend auswirken kann, müssen die Voraussetzungen der Organschaft rechtssicher bestimmbar sein (BFH-Urteil vom 22. April 2010 V R 9/09, BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.3.b bb(1), m.w.N. zur Rechtsprechung von EuGH und BFH). Dementsprechend erfordert die finanzielle Eingliederung eine Mehrheitsbeteiligung des Organträgers an der juristischen Person (BFH-Urteile vom 22. November 2001 V R 50/00, BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a; vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd; vom 30. April 2009 V R 3/08, BFHE 226, 144, BFHE II 2013, 873, unter II.2.b aa; vom 22. April 2010 V R 9/09, BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.2.; vom 1. Dezember 2010 XI R 43/08, BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600, unter II.2., und vom 7. Juli 2011 V R 53/10, BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218, unter II.2.a).

20

cc) Der Organträger muss zudem über eine eigene Mehrheitsbeteiligung an der juristischen Person verfügen. Diese kann sich entweder aus einer unmittelbaren Beteiligung oder mittelbar aus einer über eine Tochtergesellschaft gehaltenen Beteiligung ergeben. Demgegenüber ist bei einer Beteiligung mehrerer Gesellschafter an zwei Schwestergesellschaften nicht rechtssicher bestimmbar, unter welchen Voraussetzungen der Beteiligungsbesitz der Gesellschafter zusammengerechnet werden kann, um eine finanzielle Eingliederung der einen in die andere Schwestergesellschaft zu begründen (BFH-Urteil in BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.3.b bb (2)). Darüber hinaus ist die finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft nach dem BFH-Urteil des XI. Senats in BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600, Leitsatz 1 auch dann zu verneinen, wenn nur ein Gesellschafter über die Stimmenmehrheit an den beiden Schwestergesellschaften verfügt.

21

dd) Der erkennende Senat hält an dieser Rechtsprechung zur rechtssicheren wie auch einfachen Bestimmung der Voraussetzungen der Organschaft fest:

22

(1) Das nationale Recht sieht weder einen Antrag noch ein besonderes Verfahren zur Feststellung der Voraussetzungen der Organschaft vor. Da es dementsprechend an einem Grundlagenbescheid fehlt, ist es entgegen der Auffassung der Klägerin nicht möglich, für die Organschaft anstelle einer eigenen Mehrheitsbeteiligung auf das unbestimmte wie auch unpräzise Merkmal einer lediglich engen finanziellen Verbindung zwischen mehreren Personen abzustellen. Eine derartige Verbindung ermöglicht es nicht, die Person rechtssicher zu bestimmen, die die steuerrechtlichen Verpflichtungen für den Organkreis als Organträger und damit als einzige Steuerschuldnerin zu erfüllen hat. So könnte z.B. ohne Erfordernis einer eigenen Mehrheitsbeteiligung auch eine mittelbare finanzielle Eingliederung zwischen zwei Schwesterkapitalgesellschaften bestehen, bei der dann mangels eines besonderen Feststellungsverfahrens die Person des Organträgers und die der Organgesellschaft nicht bestimmt werden könnte.

23

Ebenso ist es im Grundsatz im Verhältnis einer Kapitalgesellschaft zu ihrer Schwesterpersonengesellschaft. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der erkennende Senat § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG aus Gründen der Rechtsformneutralität erweiternd auch auf einzelne eingegliederte Personengesellschaften anwendet. Zu den Voraussetzungen hierfür verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf sein Urteil vom 2. Dezember 2015 V R 25/13 (BFHE 251, 534, unter II.2.c).

24

(2) Bei der Auslegung der Eingliederungsvoraussetzungen ist auch der mit der Organschaft verfolgte   Vereinfachungszweck   zu berücksichtigen. Dieser erfordert, dass die Organschaft auch für den Organträger als Steuerschuldner für die organschaftlich zusammengefassten Unternehmen einfach anzuwenden ist. Ohne Antrags- und ohne Feststellungsverfahren muss es dem Organträger daher aufgrund der Eingliederung möglich sein, die --nach § 370 AO strafbewährte-- Verantwortung für die Umsatztätigkeit der mit ihm verbundenen juristischen Person zu übernehmen. Dies setzt in Form der Eingliederung i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG Durchgriffsmöglichkeiten voraus, aufgrund derer der Organträger --ähnlich wie bei unselbständigen Betriebsabteilungen im Unternehmeneiner Person-- die für die Abgabe von Steueranmeldungen und Steuererklärungen notwendigen Informationsansprüche wie auch die zur Erfüllung von Steueransprüchen notwendigen Ausgleichsansprüche (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 8. August 2013 V R 18/13, BFHE 242, 433, unter II.3.a) gegen die Organgesellschaft durchsetzen kann (vgl. auch Stadie in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 2 Anm. 913).

25

b) Im Streitfall ist die Klägerin nach nationalem Recht nicht Organgesellschaft der A-KG. Die finanzielle Eingliederung der Klägerin in die A-KG scheitert bereits daran, dass die A-KG keine eigene Mehrheitsbeteiligung an der Klägerin in ihrem Gesamthandsvermögen hielt, sondern nur über ihre Gesellschafterin D mit der Klägerin verbunden war. Ohne eigene Mehrheitsbeteiligung ist die Person des Organträgers im Verhältnis zwischen der Klägerin, einer GmbH, und ihrer Schwester-KG nicht eindeutig bestimmbar. Es bestehen keine rechtsverbindlichen Regelungen zur Zusammenrechnung eines mehreren Gesellschaftern zustehenden Anteilsbesitzes. Dies gilt auch für den Fall einer familiären Verbundenheit mehrerer Gesellschafter. Der von D mit ihrer Tochter getroffenen Stimmbindungsvereinbarung kommt keine Bedeutung zu, da diese nicht in der Satzung der Klägerin vereinbart war. Der Senat verweist auch insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf sein Urteil vom 2. Dezember 2015 V R 25/13, unter II.1.c cc (1).

26

Mangels eigener Mehrheitsbeteiligung standen der A-KG somit keine eigenen Durchgriffsrechte zu. Ihr, wie auch der für sie organschaftlich handelnden Komplementär-GmbH, war es nicht möglich, die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass die A-KG Umsätze der Klägerin gegenüber Dritten ordnungsgemäß versteuert, oder dafür verantwortlich zu sein, dass derartige Umsätze nicht vorliegen.

27

c) Das Unionsrecht führt nicht zu einer gegenüber der bisherigen BFH-Rechtsprechung geänderten Beurteilung.

28

aa) Nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG steht es jedem Mitgliedstaat frei, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln. Diese Regelung dient der "Verwaltungsvereinfachung" und der "Verhinderung bestimmter Missbräuche (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schifffahrt, EU:C:2015:496, Rz 40).

29

bb) Der Steuerpflichtige kann sich gegenüber dem nationalen Recht nicht auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG berufen.

30

(1) Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG erfüllt "nicht die Voraussetzungen, um unmittelbare Wirkung zu entfalten", sondern hat nur "bedingten Charakter". Dies beruht darauf, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene enge Verbindung in finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht einer "Präzisierung auf nationaler Ebene" bedarf und die "Anwendung nationaler Rechtsvorschriften voraussetzt, die den konkreten Umfang dieser Verbindungen bestimmen" (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 50 f.).

31

(2) Entscheiden sich Mitgliedstaaten auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG dafür, Regelungen zur Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen zu schaffen, haben sie bei der Ausübung der ihnen zustehenden Präzisierungsbefugnis die hierfür unionsrechtlich bestehenden Anforderungen zu berücksichtigen.

32

(a) Die Mitgliedstaaten haben zu beachten, dass sie die nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG mögliche Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen nicht von weiteren als den in dieser Bestimmung genannten Bedingungen abhängig machen dürfen (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 38) und dass das Unionsrecht die Regelung zur Mehrwertsteuergruppe nicht allein den Einheiten vorbehält, die sich in einem Verhältnis der Unterordnung zum Organträger befinden (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 44). Auf eine Unterordnung darf nur ausnahmsweise abgestellt werden, etwa wenn diese Bedingung "in einem bestimmten nationalen Kontext" zur "Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen" erforderlich und geeignet ist (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 45). Hierüber hat das nationale Gericht zu entscheiden (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 46).

33

(b) Die auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG getroffenen Regelungen haben --wie stets-- den Grundsatz der Rechtssicherheit zu beachten. Danach müssen "die Vorschriften des Unionsrechts eindeutig sein" und ihre Anwendung muss für die Betroffenen vorhersehbar sein, "wobei dieses Gebot der Rechtssicherheit in besonderem Maß gilt, wenn es sich um Vorschriften handelt, die finanzielle Konsequenzen haben können, denn die Betroffenen müssen in der Lage sein, den Umfang der ihnen durch diese Vorschriften auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen". Zudem "müssen die Rechtsnormen der Mitgliedstaaten auf den vom Unionsrecht erfassten Gebieten eindeutig formuliert sein, so dass den betroffenen Personen die klare und genaue Kenntnis ihrer Rechte und Pflichten ermöglicht wird, und die innerstaatlichen Gerichte in die Lage versetzt werden, deren Einhaltung sicherzustellen" (EuGH-Urteil Tomoiaga vom 9. Juli 2015 C-144/14, EU:C:2015:452, Rz 35, m.w.N. zur EuGH-Rechtsprechung). Bei der Organschaft als Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen beim Organträger handelt es sich aufgrund der damit verbundenen Verlagerung der Steuerschuld von der Organgesellschaft auf den Organträger "um Vorschriften ..., die finanzielle Konsequenzen haben können".

34

cc) Für das sich aus dem nationalen Recht ergebende Erfordernis einer Eingliederung mit Durchgriffsrechten i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG besteht eine hinreichende Grundlage im Unionsrecht.

35

(1) Obwohl sich die Voraussetzung eines Antrags nicht aus Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG ergibt, der die Bedingungen für die Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen abschließend aufzählt (s. oben II.1.c bb(2)(a)), haben einzelne Mitgliedstaaten diese Zusammenfassung antragsabhängig ausgestaltet (vgl. z.B. zu dem in der Republik Irland für die Gruppenbesteuerung bestehenden Antragserfordernis EuGH-Urteil Kommission/Irland vom 9. April 2013 C-85/11, EU:C:2013:217, Rz 8), ohne dass der EuGH dies beanstandet (vgl. EuGH-Urteil Kommission/Irland, EU:C:2013:217; vgl. auch Stadie in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 2, Anm. 816).

36

Der erkennende Senat versteht dies dahingehend, dass das Erfordernis einer rechtssicheren Präzisierung von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG Sonderbedingungen wie ein von der Richtlinie nicht vorgesehenes Antragserfordernis rechtfertigt, bei dem es sich um ein bloßes Verfahrenserfordernis oder auch um ein materiell-rechtliches Wahlrecht handeln kann. Im   Kontext des nationalen Rechts,   in dem es an einem besonderen Verfahren und einem Grundlagenbescheid zur Feststellung der Organschaft und damit an einer für alle am Organkreis Beteiligten verbindlichen Festlegung, ob eine Organschaft besteht und wer Steuerschuldner für diese ist, fehlt, kann   nur   anhand des Merkmals der Eingliederung die Person bestimmt werden, die die Verantwortung dafür zu tragen hat, dass die Umsätze des im Organkreis zusammengefassten Unternehmens ordnungsgemäß versteuert werden (s. oben II.1.a bb). Daher können die Mitgliedstaaten das Erfordernis der Rechtssicherheit auch bei der ihnen obliegenden Präzisierung (s. oben II.1.c bb(1)) des "konkreten Umfangs" der erforderlichen Verbindungen berücksichtigen. Dies rechtfertigt ein Abstellen auf eine Eingliederung mit Durchgriffsrechten, da sich hieraus die Organschaft als Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen beim Organträger rechtssicher ergibt (s. oben II.1.a dd). Damit wird dem Vereinfachungszweck der Zusammenfassung Rechnung getragen, da Beurteilungsschwierigkeiten, die sich auf der Grundlage einer bloßen engen Verbindung, aus der sich aufgrund ihrer Präzisierungsbedürftigkeit keine verbindlichen Voraussetzungen ergeben, entfallen.

37

Der Senat berücksichtigt dabei auch, dass die Finanzverwaltung berechtigt ist, das Bestehen einer z.B. zunächst rechtsfehlerhaft unerkannt gebliebenen Organschaft mit Wirkung für die Vergangenheit geltend zu machen. Unterschiedliche Anforderungen an die Organschaft, die sich danach richten, ob der Steuerpflichtige --zur Vermeidung nicht abziehbarer Vorsteuerbeträge wie im Streitfall-- oder die Finanzverwaltung aus Insolvenz- oder Vollstreckungsgründen ein Interesse am Bestehen der Organschaft hat, sind weder mit dem nationalen Recht noch mit dem Unionsrecht zu vereinbaren.

38

(2) Dient die Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen trotz rechtlicher Selbständigkeit dazu, "Missbräuche zu verhindern wie z.B. die Aufspaltung eines Unternehmens zwischen mehreren Steuerpflichtigen, um in den Genuss einer Sonderregelung zu gelangen" (EuGH-Urteile Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 40, und Kommission/Irland, EU:C:2013:217, Rz 47), können die Mitgliedstaaten bei Ausübung der ihnen unionsrechtlich zur Missbrauchsbekämpfung zustehenden Regelungsbefugnis (s. oben II.1.c bb(2)(a)) berücksichtigen, dass die Zusammenfassung zu nichtsteuerbaren Leistungen zwischen den zusammengefassten Personen führt. Durch diese Nichtsteuerbarkeit von Innenleistungen könnte es bei einem fehlenden Recht zum Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers nach § 15 Abs. 2 UStG (Art. 17 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 77/388/EWG) zu einer Umgehung des insoweit bestehenden Abzugsverbots kommen (zu den sich aus einer Organschaft insoweit ergebenden "Gestaltungswirkungen" vgl. z.B. Grune/Mönckedieck, Umsatzsteuer-Rundschau 2012, 541; Heintzen, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1999, 1799; Leonard, DStR 2010, 721). Die Gestaltungswirkung, die auch von der Klägerin mit der Organschaft erstrebt wird, besteht darin, den --ohne Organschaft-- eintretenden Nachteil einer Steuerentstehung ohne Recht auf Vorsteuerabzug zu vermeiden. Diese Folge ist mit dem Vereinfachungszweck der Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen nicht zu vereinbaren und rechtfertigt eine Beschränkung der Organschaft auf die Fälle, in denen die organschaftlichen Unternehmensteile aufgrund einer Eingliederung ebenso eng wie Betriebsabteilungen eines Einheitsunternehmens miteinander verbunden sind. Die Eingliederung bewirkt somit, dass derartige Vorteile nur den Organschaften zugutekommen, deren Unternehmen ähnlich eng   wie bei einem rechtlichen Einheitsunternehmen   miteinander verbunden sind.

39

dd) Durch den Übergang von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG zu dem ab 2007 geltenden Art. 11 MwStSystRL ist es nicht zu inhaltlichen Änderungen des Unionsrechts gekommen (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 36 und 42).

40

ee) Die hiergegen gerichteten Einwendungen der Klägerin greifen nicht durch. Der erkennende Senat hat bereits in der Vergangenheit maßgeblich auf das Erfordernis der Rechtssicherheit abgestellt (BFH-Urteil in BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597). Hiermit nicht vereinbar ist es, für die Organschaft auf die Entstehungsgeschichte der miteinander verbundenen Unternehmen abzustellen.

41

2. Bis zum Oktober 2007 fehlte es zudem an der erforderlichen organisatorischen Eingliederung.

42

a) Nach der Rechtsprechung des BFH setzt die organisatorische Eingliederung voraus, dass der Organträger die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung wahrnimmt, wobei er die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrschen muss. Hiervon ist z.B. dann auszugehen, wenn bei zwei GmbHs eine Personenidentität in den Geschäftsführungsorganen besteht. Sind für die Organ-GmbH z.B. mehrere einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer bestellt, reicht es aus, dass zumindest einer von ihnen auch Geschäftsführer der Organträger-GmbH ist, der Organträger über ein umfassendes Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsführung der Organ-GmbH verfügt und zur Bestellung und Abberufung aller Geschäftsführer der Organ-GmbH berechtigt ist. Nicht ausreichend ist demgegenüber, dass eine vom Organträger abweichende Willensbildung in der Organgesellschaft ausgeschlossen ist (BFH-Urteil in BFHE 242, 433, unter II.2.b und 3.).

43

Soweit der Senat hierfür in einem Einzelfall auf eine "institutionell abgesicherte unmittelbare Eingriffsmöglichkeit in den Kernbereich der laufenden Geschäftsführung" (BFH-Urteil vom 3. April 2008 V R 76/05, BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.4.) abgestellt hat, folgt hieraus nichts anderes, als dass im Regelfall eine personelle Verflechtung über die Geschäftsführung der juristischen Person als Organgesellschaft bestehen muss. Nicht ausreichend sind Weisungsrechte, Berichtspflichten (BFH-Urteil in BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.4.) oder ein Zustimmungsvorbehalt zugunsten der Gesellschafterversammlung oder zugunsten des Mehrheitsgesellschafters (BFH-Urteil in BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218, unter II.3.a cc).

44

b) Gegen diese Anforderungen bestehen auch unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt (EU:C:2015, 496) keine Bedenken in unionsrechtlicher Hinsicht. Auch das Erfordernis einer in organisatorischer Hinsicht bestehenden Durchgriffsmöglichkeit dient insbesondere der rechtssicheren Bestimmung der Eingliederungsvoraussetzungen, der Verwaltungsvereinfachung und der Missbrauchsverhinderung (vgl. oben II.1.c cc).

45

c) Damit fehlt es bis zum Oktober 2007 auch an einer organisatorischen Eingliederung der Klägerin in die A-KG. Denn bis dahin bestand eine organisatorische Trennung zwischen der Klägerin, deren einzige Geschäftsführerin B war, und der A-KG, die organschaftlich durch ihre Komplementär-GmbH vertreten wurde, bei der D einzige Geschäftsführerin war. Zu der im Sinne des BFH-Urteils in BFHE 242, 433, unter II.2.b und 3. erforderlichen organisatorischen Verflechtung über das Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan der Klägerin kam es erst dadurch, dass die Geschäftsführerin der Klägerin auch zur Geschäftsführerin bei der Komplementär-GmbH der A-AG bestellt wurde.

46

3. Die mangels Organschaft steuerbaren Leistungen der Klägerin unterliegen nicht dem ermäßigten Steuersatz.

47

Das FG hat insoweit zutreffend entschieden, dass es für die Anwendung der Steuersatzermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG an der dort vorausgesetzten Lieferung von in der Anlage bezeichneten Gegenständen fehlt und sich hierfür zu Recht auf die BFH-Rechtsprechung bezogen, nach der die in einer Großküche eines Altenwohnheims und Pflegeheims zur Verpflegung der Bewohner zubereiteten Speisen keine "Standardspeisen" als Ergebnis einfacher und standardisierter Zubereitungsvorgänge nach Art eines Imbissstandes sind, so dass deren Abgabe zu festen Zeitpunkten in Warmhaltebehältern keine Lieferung, sondern eine dem Regelsteuersatz unterliegende sonstige Leistung ist (BFH-Urteil vom 12. Oktober 2011 V R 66/09, BFHE 235, 525, BStBl II 2013, 250). Ebenso wie in diesem Fall hat auch die Klägerin entgeltliche Leistungen zur Versorgung der in einem Heim vollstationär untergebrachten Personen mit Speisen und Getränken erbracht, wobei Speiseplanvorgaben einzuhalten waren. Es ist auch im Streitfall davon auszugehen, dass sich die Tätigkeit bei der Speisenversorgung nicht auf die Abgabe von Standardspeisen als Ergebnis einfacher und standardisierter Zubereitungen nach Art eines z.B. Imbissstandes beschränkte.

48

4. Dem Erlass der Änderungsbescheide steht auch nicht § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO entgegen.

49

Nach dieser Vorschrift darf bei der Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, dass sich die Rechtsprechung eines obersten Gerichtshofs des Bundes geändert hat, die bei der bisherigen Steuerfestsetzung von der Finanzbehörde angewandt worden ist.

50

a) Die Anwendung dieser Vorschrift scheitert bereits daran, dass die Klägerin das Bestehen einer Organschaft erstmals im Einspruchsverfahren und damit nach Erlass der hier streitigen Steuerbescheide geltend gemacht hat. Damit lag den Steuerbescheiden vor Erlass der angefochtenen Änderungsbescheide keine BFH-Rechtsprechung zur Organschaft zugrunde, so dass die Rechtsauffassung vor der Rechtsprechungsänderung durch das BFH-Urteil in BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597 ohne Bedeutung war.

51

b) In Bezug auf die Frage der Abgrenzung von Lieferungen und sonstigen Leistungen bei der Abgabe von Speisen ergibt sich für die Klägerin ein Anspruch auf Vertrauensschutz auch nicht daraus, dass der erkennende Senat mit seinem Urteil in BFHE 235, 525, BStBl II 2013, 250 die Rechtsprechung "fortentwickelt" hat. Denn unabhängig hiervon hatte sich der BFH vor diesem Urteil zur Frage der Speisenversorgung in Altenwohnheimen und Pflegeheimen nicht unmittelbar geäußert.

52

5. Das FG hat den von der Klägerin geltend gemachten Erlass aus Billigkeitsgründen zutreffend abgelehnt.

53

a) Nach § 163 Satz 1 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne die Steuer erhöhende Besteuerungsgrundlagen unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls aus sachlichen oder aus persönlichen Gründen unbillig wäre.

54

Die nach § 163 AO zu treffende Billigkeitsentscheidung ist eine Ermessensentscheidung der Finanzbehörde i.S. des § 5 AO, die grundsätzlich nur eingeschränkter gerichtlicher Nachprüfung unterliegt (§ 102, § 121 FGO). Sie kann im finanzgerichtlichen Verfahren nur dahin geprüft werden, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Oktober 1971 GmS-OGB 3/70, BStBl II 1972, 603; BFH-Urteile vom 26. Oktober 1994 X R 104/92, BFHE 176, 3, BStBl II 1995, 297; vom 10. Oktober 2001 XI R 52/00, BFHE 196, 572, BStBl II 2002, 201; vom 7. Oktober 2010 V R 17/09, BFH/NV 2011, 865; vom 6. September 2011 VIII R 55/10, BFH/NV 2012, 269).

55

b) Die Festsetzung einer Steuer ist aus sachlichen Gründen unbillig, wenn sie zwar dem Wortlaut des Gesetzes entspricht, aber den Wertungen des Gesetzes zuwiderläuft (vgl. BFH-Urteile vom 11. Juli 1996 V R 18/95, BFHE 180, 524, BStBl II 1997, 259; vom 18. Dezember 2007 VI R 13/05, BFH/NV 2008, 794; in BFH/NV 2011, 865). Das setzt voraus, dass der Gesetzgeber die Grundlagen für die Steuerfestsetzung anders als tatsächlich geschehen geregelt hätte, wenn er die zu beurteilende Frage als regelungsbedürftig erkannt hätte (vgl. BFH-Beschluss vom 12. September 2007 X B 18/03, BFH/NV 2008, 102, m.w.N.).

56

c) Rechtsfehlerfrei hat das FG erkannt, dass das FA die Voraussetzungen einer sachlichen oder persönlichen Unbilligkeit zutreffend verneint hat. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass für einen über § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO hinausgehenden Vertrauensschutz im Fall einer Änderung der Rechtsprechung im Allgemeinen keine Notwendigkeit besteht, wenn sich der Steuerpflichtige die vom BFH aufgegebene Rechtsprechung erst in einem Einspruchsverfahren zu eigen macht. Zudem hat das FG zutreffend berücksichtigt, dass Verwaltungsanweisungen, zu denen auch dort getroffene Übergangsregelungen gehören, nicht wie Gesetze auslegungsfähig sind, sondern im Allgemeinen entsprechend dem Verständnis der Finanzverwaltung anzuwenden sind (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 13. Januar 2011 V R 43/09, BFHE 233, 58, BStBl II 2011, 610, zur "Vertretbarkeit" der von einer Finanzbehörde vorgenommenen Auslegung einer von der Finanzverwaltung getroffenen Übergangsregelung). Im Hinblick auf die Vermögenssituation der Klägerin konnte das FG auch persönliche Billigkeitsgründe verneinen.

57

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

(1) Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt, unabhängig davon, ob er nach anderen Vorschriften rechtsfähig ist. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.

(2) Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nicht selbständig ausgeübt,

1.
soweit natürliche Personen, einzeln oder zusammengeschlossen, einem Unternehmen so eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind,
2.
wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Die Wirkungen der Organschaft sind auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt. Diese Unternehmensteile sind als ein Unternehmen zu behandeln. Hat der Organträger seine Geschäftsleitung im Ausland, gilt der wirtschaftlich bedeutendste Unternehmensteil im Inland als der Unternehmer.

(3) (weggefallen)

(1) Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung als solche hat selbständig ihre Rechte und Pflichten; sie kann Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben, vor Gericht klagen und verklagt werden.

(2) Für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet den Gläubigern derselben nur das Gesellschaftsvermögen.

(3) Die Gesellschaft gilt als Handelsgesellschaft im Sinne des Handelsgesetzbuchs.

(1) Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt, unabhängig davon, ob er nach anderen Vorschriften rechtsfähig ist. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.

(2) Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nicht selbständig ausgeübt,

1.
soweit natürliche Personen, einzeln oder zusammengeschlossen, einem Unternehmen so eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind,
2.
wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Die Wirkungen der Organschaft sind auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt. Diese Unternehmensteile sind als ein Unternehmen zu behandeln. Hat der Organträger seine Geschäftsleitung im Ausland, gilt der wirtschaftlich bedeutendste Unternehmensteil im Inland als der Unternehmer.

(3) (weggefallen)

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, vom 28. November 2012  14 K 2883/10 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) --eine GmbH mit einem Arzt und einem Rechtsanwalt als Gesellschafter-- betrieb in den Jahren 2003 bis 2006 (Streitjahre) ein nach § 30 der Gewerbeordnung konzessioniertes Krankenhaus für Psychosomatik, Psychotherapie und Krisenintervention.

2

Sie erbrachte allgemeine Krankenhausleistungen i.S. des § 2 der Verordnung zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (Bundespflegesatzverordnung --BPflV--). Eine Förderung nach dem Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (Krankenhausfinanzierungsgesetz --KHG--) erhielt die Klägerin nicht. Ihr Krankenhaus war nicht zur Behandlung von Kassenpatienten i.S. des § 108 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassen; es war aber vom Landesamt für Besoldung und Versorgung als Akutkrankenhaus i.S. des § 107 SGB V anerkannt. Die Klägerin behandelte in den Streitjahren privat versicherte Patienten und Selbstzahler, im Wesentlichen beihilfeberechtigte Personen. Die Therapie und den Aufenthalt der Patienten rechnete die Klägerin mit einem pauschalen Tagespflegesatz ab.

3

Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) hat die Klägerin in den Streitjahren in ca. 13 % der Jahrespflegetage Wahlleistungen erbracht. Mindestens 40 % der Belegungstage entfielen auf Patienten, bei denen die Kosten durch die Beihilfe erstattungsfähig waren. Die Klägerin hat den jeweiligen Tagespflegesatz nicht in einer der BPflV entsprechenden (Vergleichs-)Berechnung auf Selbstkostenbasis ermittelt.

4

Für die den Streitjahren vorausgegangenen Besteuerungszeiträume hatte die Klägerin im Einvernehmen mit dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) zum Teil nach § 4 Nr. 14 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) a.F. steuerfreie und zum Teil steuerpflichtige Umsätze erklärt.

5

Auf die Mitteilung der Klägerin über eine beabsichtigte Änderung des Aufteilungsschlüssels vom 11. April 2002 äußerte sich das FA mit Schreiben vom 17. April 2002 dahingehend, dass "einem vorläufigen Aufteilungsschlüssel, wie in Ihrem obigen Schreiben dargestellt, ... zugestimmt [wird]. Bei der Erstellung des Jahresabschlusses ist dieser nochmals zu überprüfen". Zudem teilte das FA der Klägerin, die am 3. Mai 2002 verbindliche Auskunft über die Aufteilung der Tagespflegesätze beantragt hatte, mit Schreiben vom 15. August 2003 mit, dass sich aus ihrer Darlegung vom 8. August 2003 eine vorläufige Aufteilung des einheitlichen Pflegekostensatzes von 50 % steuerfreien und 50 % steuerpflichtigen Leistungen ergebe, was bei der Erstellung des jeweiligen Jahresabschlusses zu überprüfen sei.

6

Anlässlich einer im Jahr 2004 bei der Klägerin durchgeführten Außenprüfung, die den Zeitraum 1999 bis 2002 betraf, beanstandete das FA die Aufteilung der Tagespflegesätze dem Grunde nach nicht.

7

In ihren Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre teilte die Klägerin die Umsätze in einen nach § 4 Nr. 14 Satz 3 UStG a.F. steuerfreien Teil für ärztliche Leistungen (in Höhe von 57 %) und in einen dem Regelsteuersatz zu unterwerfenden steuerpflichtigen Teil für mit dem Krankenhausbetrieb verbundene Leistungen für Unterkunft und Verpflegung der stationär aufgenommenen Patienten (in Höhe von 43 %) auf. Die übrigen Umsätze --Einzelzimmerzuschläge, Telefongebühren, Entgelte aus der Überlassung von Telefon- und Fernsehgeräten, Gästeübernachtung, Personalessen, Kraftfahrzeugnutzung, Reinigung und Gastessen-- behandelte sie gleichfalls als steuerpflichtig und unterwarf auch diese dem Regelsteuersatz.

8

Das FA war dagegen der Ansicht, dass § 4 Nr. 14 UStG a.F. auf Umsätze von Krankenhäusern grundsätzlich nicht (mehr) anzuwenden sei, auch soweit sie ärztliche Heilbehandlungen beträfen. Nach einer Außenprüfung, bei der der Prüfer --anders als das FA-- der Ansicht war, die Klägerin genieße hinsichtlich der Aufteilung der Umsätze Vertrauensschutz, erhöhte es sowohl die in den jeweiligen Streitjahren ausgeführten Umsätze aus Lieferungen und sonstigen Leistungen als auch die abziehbaren Vorsteuern und setzte jeweils mit Bescheid vom 16. Dezember 2008 die Umsatzsteuer für die Streitjahre dementsprechend fest.

9

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage, die auf die Steuerfreiheit nicht nur der ärztlichen Heilbehandlungen, sondern darüber hinaus nunmehr auch der mit dem Betrieb des Krankenhauses eng verbundenen Umsätze gerichtet war, hatte Erfolg.

10

Das FG änderte die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre vom 16. Dezember 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. Juli 2010 und setzte jeweils die festgesetzte Umsatzsteuer entsprechend dem Klageantrag herab.

11

Zur Begründung seiner Entscheidung führte das FG aus, die streitbefangenen Umsätze der Klägerin seien zwar weder nach § 4 Nr. 14 Satz 3 UStG a.F. noch nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. steuerfrei. Die Klägerin könne sich jedoch unmittelbar auf die Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) --nunmehr Art. 132 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL)-- berufen.

12

Die Vorentscheidung ist veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2013, 558.

13

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

14

Entgegen der Auffassung des FG könne sich die Klägerin für die Steuerfreiheit ihrer Umsätze nicht auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG berufen.

15

Der nationale Gesetzgeber habe das Recht, Regeln aufzustellen, nach denen eine Einrichtung i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG anerkannt werde. Vorliegend habe dieser mit § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. i.V.m. § 67 der Abgabenordnung (AO) eine entsprechende Regelung getroffen, die hinsichtlich der danach vorausgesetzten 40 %-Grenze weder unions- noch verfassungsrechtlich zu beanstanden sei.

16

Das FA beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

17

Die Klägerin beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

18

Zwar erfülle sie die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. nicht. Sie könne sich jedoch unmittelbar auf die in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG vorgesehene Steuerbefreiung berufen, um sich, wie der V. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) mit Urteil vom 23. Oktober 2014 V R 20/14 (zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, BFH/NV 2015, 631, Rz 22) entschieden habe, einer nationalen Regelung zu widersetzen, die mit dieser Bestimmung unvereinbar sei.

19

Sie müsse als ordnungsgemäß anerkannte Einrichtung im Sinne des Unionsrechts angesehen werden. Hierfür reiche es aus, dass sie in ihrem Akutkrankenhaus im Wesentlichen Beihilfeberechtigte mit Kostenerstattungsansprüchen behandelt habe.

20

Auch habe sie ihre Leistungen in sozialer Hinsicht unter vergleichbaren Bedingungen wie die Krankenhäuser erbracht, die in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft stünden oder nach § 108 SGB V zugelassen seien. Dies ergebe sich bereits daraus, dass die Ausstattung ihres Krankenhauses der Regelausstattung eines sogenannten Plankrankenhauses entsprochen habe und zwischen den Behandlungen von gesetzlich Versicherten und Privatpatienten keine Unterschiede bestanden hätten. Hinsichtlich der Pflegesatzhöhe sei zu berücksichtigen, dass Einrichtungen in öffentlicher Trägerschaft regelmäßig die Immobilien kostenfrei gestellt bekämen und mit Mitteln nach dem KHG unterstützt würden, während sie, die Klägerin, die Investitionskosten aus den vereinnahmten (höheren) Vergütungssätzen bestreiten und ihren Kapitalgebern eine angemessene Verzinsung zur Verfügung stellen müsse. Im Übrigen sei es für die Vergleichbarkeit in sozialer Hinsicht rechtsunerheblich, ob --wie sich gleichfalls aus dem BFH-Urteil in BFH/NV 2015, 631, Rz 27 ergebe-- sie, die Klägerin, höhere Vergütungssätze als ein vergleichbares Universitätsklinikum verlange.

21

Zumindest hinsichtlich der ärztlichen Leistungen könne sie, die Klägerin, sich auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Satz 3 UStG a.F. als das günstigere nationale Recht selbst dann berufen, wenn diese Vorschrift dem Unionsrecht widerspreche. Diese Steuerbefreiung dürfe nicht im Hinblick auf ihre Rechtsform als GmbH versagt werden; die Rechtsform des Unternehmens, das die Heilbehandlungen erbringe, rechtfertigte keine unterschiedliche umsatzsteuerrechtliche Behandlung der ärztlichen Leistungen.

22

An der Schlüssigkeit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH), nach der die Vorschriften Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG einerseits und Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG andererseits unterschiedliche Anwendungsbereiche hätten, bestünden zudem Zweifel. Gleiche ärztliche Leistungen würden hiernach unterschiedlich mit Umsatzsteuer belastet. Der EuGH müsse daher die Rechtsfrage klären, ob ärztliche Heilbehandlungen in einem Krankenhaus, die nach der Art der Leistung mit Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin übereinstimmten, unabhängig von den Bedingungen steuerfrei seien, die für die Steuerfreiheit der Krankenhausbehandlung gelten würden.

23

Im Übrigen sei das FA nach den Grundsätzen von Treu und Glauben daran gehindert, die zuvor als steuerfrei behandelten ärztlichen Leistungen nunmehr als steuerpflichtig zu behandeln. Die Aufteilung des Pflegekostensatzes in steuerfreie und steuerpflichtige Leistungen sei ihr, der Klägerin, zudem von den Amtsträgern A und B mündlich zugesichert worden.

Entscheidungsgründe

24

II. Die Revision des FA ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

25

Das FG hat zwar zu Recht entschieden, dass die streitbefangenen Umsätze weder nach § 4 Nr. 14 Satz 3 UStG a.F. noch nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. steuerfrei sind. Es geht aber unzutreffend davon aus, die Klägerin könne sich unmittelbar auf die Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG berufen.

26

1. Die Klägerin kann die Steuerbefreiung der streitbefangenen Umsätze nicht nach § 4 Nr. 14 Satz 3 UStG a.F. beanspruchen - auch nicht, soweit sie auf ärztliche Leistungen entfallen.

27

a) Nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG a.F. waren "die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut (Krankengymnast), Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes und aus der Tätigkeit als klinischer Chemiker" steuerfrei (durch Art. 5 Nr. 4 Buchst. c Doppelbuchst. aa des Steueränderungsgesetzes 2003 vom 15. Dezember 2003, BGBl I 2003, 2645, wurde die Angabe "im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes" mit Wirkung vom 20. Dezember 2003 gestrichen). Nach § 4 Nr. 14 Satz 3 UStG a.F. waren zudem "die Umsätze eines Arztes aus dem Betrieb eines Krankenhauses ... mit Ausnahme der ärztlichen Leistungen nur steuerfrei, wenn die in Nr. 16 Buchst. b bezeichneten Voraussetzungen erfüllt sind".

28

b) Diese Vorschrift ist, wie das FG zutreffend erkannt hat, vorliegend nicht einschlägig. Umsätze aus dem Betrieb privater Krankenhäuser, die --wie hier-- nicht von einem Arzt betrieben wurden, waren, auch soweit sie ärztliche Heilbehandlungen einschlossen, nur dann steuerfrei, wenn sie die Voraussetzungen des § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. i.V.m. § 67 AO erfüllten; die Befreiungsvorschrift nach § 4 Nr. 14 UStG a.F. fand auf sie grundsätzlich keine Anwendung (vgl. dazu BFH-Urteile vom 18. März 2004 V R 53/00, BFHE 204, 503, BStBl II 2004, 677, Leitsatz; vom 26. August 2010 V R 5/08, BFHE 231, 298, BStBl II 2011, 296, Rz 40, m.w.N.; vom 18. August 2011 V R 27/10, BFHE 235, 58, BFH/NV 2011, 2214, Rz 27). Die Zuordnung der Leistungen eines Krankenhauses zu dem Befreiungstatbestand des § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. war verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. dazu Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 31. Mai 2007  1 BvR 1316/04, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2007, 737, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2007, 1028, unter IV.2.b).

29

c) Es trifft zwar zu, dass, wie die Klägerin vorbringt, die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Satz 3 UStG a.F. nicht mit Rücksicht auf die Rechtsform der Klägerin versagt werden darf. Die Versagung der Steuerbefreiung erfolgt jedoch nicht wegen der Rechtsform der Klägerin, sondern der Systematik der Befreiungstatbestände. Tragender Grund für den Ausschluss einer Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Satz 3 UStG a.F. ist vorliegend die Zuordnung der Leistungen eines Krankenhauses zum Befreiungstatbestand des § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. (vgl. dazu BVerfG-Beschluss in UR 2007, 737, HFR 2007, 1028, unter IV.2.b; BFH-Urteil in BFHE 204, 503, BStBl II 2004, 677, Leitsatz). Aus dem BFH-Urteil in BFHE 235, 58, BFH/NV 2011, 2214, Rz 27 ergibt sich insoweit nichts anderes. Im dortigen Fall ging es nicht um einen Arzt, der ein Krankenhaus betrieb.

30

d) Aus der Gesetzesbegründung zu § 4 Nr. 14 UStG a.F. folgt nichts anderes.

31

Daraus ergibt sich vielmehr, dass die Umsätze aus dem Betrieb privater Krankenhäuser, die nicht von einem Arzt betrieben werden, nicht unter die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 14 UStG 1980 fallen (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 204, 503, BStBl II 2004, 677, unter II.7.).

32

2. Die streitbefangenen Umsätze sind ebenso wenig nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. steuerfrei.

33

a) Steuerfrei waren in den Streitjahren nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. "die mit dem Betrieb der Krankenhäuser ... eng verbundenen Umsätze, wenn ... bei Krankenhäusern im vorangegangenen Kalenderjahr die in § 67 Abs. 1 oder 2 der Abgabenordnung bezeichneten Voraussetzungen erfüllt" wurden.

34

§ 67 Abs. 1 und 2 AO in der in den Streitjahren 2003 bis 2006 geltenden Fassung lauten:

35

"(1) Ein Krankenhaus, das in den Anwendungsbereich des Krankenhausentgeltgesetzes oder der Bundespflegesatzverordnung fällt, ist ein Zweckbetrieb, wenn mindestens 40 Prozent der jährlichen Belegungstage oder Berechnungstage auf Patienten entfallen, bei denen nur Entgelte für allgemeine Krankenhausleistungen (§ 7 des Krankenhausentgeltgesetzes, § 10 der Bundespflegesatzverordnung) berechnet werden.

36

(2) Ein Krankenhaus, das nicht in den Anwendungsbereich des Krankenhausentgeltgesetzes oder der Bundespflegesatzverordnung fällt, ist ein Zweckbetrieb, wenn mindestens 40 Prozent der jährlichen Belegungstage oder Berechnungstage auf Patienten entfallen, bei denen für die Krankenhausleistungen kein höheres Entgelt als nach Absatz 1 berechnet wird."

37

b) Die Voraussetzungen, unter denen nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. i.V.m. § 67 Abs. 1 oder 2 AO Krankenhausleistungen steuerfrei waren, sind vorliegend nicht erfüllt.

38

aa) Auf das Krankenhaus der Klägerin ist --wovon das FG zu Recht ausging-- § 67 Abs. 1 AO nicht anwendbar. Die Klägerin fiel in den Streitjahren weder in den Anwendungsbereich des Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntgG) noch in den der BPflV; sie rechnete nicht nach Fallpauschalen ab und hatte keine Pflegesatzvereinbarungen mit den Krankenkassen geschlossen.

39

bb) Die streitbefangenen Umsätze sind gleichfalls nicht nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. i.V.m. § 67 Abs. 2 AO steuerfrei, weil die Klägerin --wie vom FG unwidersprochen festgestellt wurde-- keine der BPflV entsprechende (Vergleichs-)Berechnung der Pflegesätze auf Selbstkostenbasis vorgenommen hat. Eine Vorauskalkulation der eigenen Selbstkosten, für die --soweit möglich-- die Bestimmungen der BPflV zur Kostenkalkulation zu berücksichtigen sind, ist aber Voraussetzung für die Anwendung des § 67 Abs. 2 AO (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 231, 298, BStBl II 2011, 296; ferner Musil in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 67 AO Rz 22; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 67 AO Rz 4, jeweils m.w.N.). Es reicht insoweit nicht aus, dass --wie das FG gleichfalls unwidersprochen festgestellt hat-- mindestens 40 % der Belegungstage auf Patienten entfielen, bei denen die Kosten durch die Beihilfe erstattungsfähig waren.

40

3. Die Klägerin kann sich --entgegen der Ansicht des FG-- nicht auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG --nunmehr Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL-- berufen.

41

a) Nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG befreien die Mitgliedstaaten von der Steuer die "Krankenhausbehandlung und die ärztliche Heilbehandlung sowie die mit ihnen eng verbundenen Umsätze". Handelt es sich bei dem Steuerpflichtigen, der diese Leistungen erbringt, nicht um eine Einrichtung des öffentlichen Rechts, sind diese Umsätze steuerfrei, wenn sie "unter Bedingungen, welche mit den Bedingungen für diese Einrichtungen in sozialer Hinsicht vergleichbar sind, von Krankenanstalten, Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik und anderen ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen gleicher Art durchgeführt beziehungsweise bewirkt werden". Diese unionsrechtliche Bestimmung zur Steuerfreiheit von Krankenhausleistungen wurde inhaltsgleich mit Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL fortgeführt.

42

b) Die vorgenannte unionsrechtliche Bestimmung legt die Voraussetzungen und Modalitäten der Anerkennung nicht fest. Es ist daher grundsätzlich Sache des innerstaatlichen Rechts jedes Mitgliedstaats, die Regeln aufzustellen, nach denen diesen Einrichtungen eine solche Anerkennung gewährt werden kann. Die Mitgliedstaaten verfügen insoweit über ein Ermessen (vgl. dazu EuGH-Urteile Kingscrest Associates und Montecello vom 26. Mai 2005 C-498/03, EU:C:2005:322, UR 2005, 453, Rz 49, 51; CopyGene vom 10. Juni 2010 C-262/08, EU:C:2010:328, UR 2010, 526, Rz 63; Zimmermann vom 15. November 2012 C-174/11, EU:C:2012:716, UR 2013, 35, Rz 26).

43

c) Die zuständigen Behörden haben bei der Ausübung des ihnen zustehenden Ermessens die unionsrechtlichen Grundsätze, insbesondere den Grundsatz der Neutralität des Mehrwertsteuerrechts zu beachten (vgl. dazu EuGH-Urteil CopyGene, EU:C:2010:328, UR 2010, 526, Rz 64, m.w.N.). Die nationalen Gerichte haben zu prüfen, ob die zuständigen Behörden die Grenzen des ihnen eingeräumten Ermessens eingehalten haben (vgl. entsprechend zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG EuGH-Urteil Zimmermann, EU:C:2012:716, UR 2013, 35, Rz 33, m.w.N.).

44

d) Im Hinblick auf die Anerkennung von Krankenanstalten, die von anderen Steuerpflichtigen als von Einrichtungen des öffentlichen Rechts betrieben werden, überschritt die nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. i.V.m. § 67 Abs. 2 AO erforderliche Schwelle von 40 % hinsichtlich der Belegungs- oder Berechnungstage, die auf Patienten entfallen mussten, bei denen für die Krankenhausleistungen kein höheres Entgelt als nach § 67 Abs. 1 AO für allgemeine Krankenhausleistungen berechnet wurde, das von der Richtlinie den Mitgliedstaaten eingeräumte Ermessen nicht.

45

aa) Der EuGH hat hinsichtlich der Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG für die Anerkennung einer anderen Einrichtung mit sozialem Charakter die Zwei-Drittel-Grenze des § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG a.F. sowie die dort normierte Bedingung, dass die Kosten für die betreffenden Leistungen der ambulanten Pflege ganz oder zum überwiegenden Teil von den gesetzlichen Sozialversicherungs- oder Sozialhilfeträgern übernommen worden sein müssen, ausdrücklich gebilligt (vgl. dazu EuGH-Urteil Zimmermann, EU:C:2012:712, UR 2013, 35, Rz 35; ferner BFH-Urteil vom 19. März 2013 XI R 47/07, BFHE 240, 439, HFR 2013, 629, Rz 37).

46

bb) Im Zusammenhang mit der in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG vorgesehenen Befreiung hat der EuGH entschieden, dass --was die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG a.F. betraf-- der Mitgliedstaat das ihm nach dieser Bestimmung zustehende Ermessen nicht schon dadurch überschreite, dass er für die Anerkennung als in privatrechtlicher Form organisierte Labors im Rahmen der Anwendung dieser Bestimmung verlangt, dass mindestens 40 % der medizinischen Analysen der betreffenden Labors Personen zugutekommen, die bei einem Träger der Sozialversicherung versichert sind (vgl. dazu EuGH-Urteile L.u.P. vom 8. Juni 2006 C-106/05, EU:C:2006:380, UR 2006, 464, Rz 53 und 54; Zimmermann, EU:C:2012:716, UR 2013, 35, Rz 36).

47

cc) Danach wurde auch durch die erforderliche Schwelle, nach der die übrigen Krankenhäuser i.S. des § 67 Abs. 2 AO für ihre Krankenhausleistungen im Umfang von mindestens 40 % der Belegungs- oder Berechnungstage kein höheres Entgelt als die in den Anwendungsbereich des KHEntgG oder der BPflV fallenden Krankenhäuser i.S. des § 67 Abs. 1 AO für allgemeine Krankenhausleistungen nach § 7 KHEntgG, § 10 BPflV berechnen durften, dem Bedürfnis entsprochen, bei der Anwendung des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG die Bedingungen, welche mit den Bedingungen von Einrichtungen des öffentlichen Rechts in sozialer Hinsicht vergleichbar sind, anzuerkennen.

48

e) Zudem verstieß die sog. 40 %-Grenze des § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. i.V.m. § 67 AO nicht gegen den Grundsatz der mehrwertsteuerrechtlichen Neutralität (vgl. EuGH-Urteil L.u.P., EU:C:2006:380, UR 2006, 464, Rz 54).

49

aa) Die Wahrung des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität verlangt bei der Umsetzung des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG, dass alle Einrichtungen, die keine Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind, in Bezug auf ihre Anerkennung bei der Erbringung vergleichbarer Leistungen gleich behandelt werden (vgl. dazu EuGH-Urteile L.u.P., EU:C:2006:380, UR 2006, 464, Rz 50; CopyGene, EU:C:2010:328, UR 2010, 526, Rz 64; entsprechend zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG EuGH-Urteil Zimmermann, EU:C:2012:716, UR 2013, 35, Rz 43).

50

bb) Dies ist hier der Fall. Das nationale Recht sah im Hinblick auf die Bedingungen, welche mit denen für die Einrichtungen des öffentlichen Rechts in sozialer Hinsicht i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG vergleichbar sind, keine unterschiedlichen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung von Krankenhausleistungen vor.

51

Die Bedingungen nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. i.V.m. § 67 Abs. 1 und 2 AO, unter denen Krankenhausleistungen steuerfrei waren, wurden gleichermaßen auf alle unter das Privatrecht fallende Betreiber von Krankenhäusern angewandt. Die Regelung unterschied weder danach, ob das betreffende Krankenhaus in den Anwendungsbereich des KHEntgG oder der BPflV fiel, weil die nach § 67 Abs. 1 AO zum Entgelt getroffene Regelung nach Abs. 2 dieser Bestimmung auf die übrigen Krankenhäuser übertragen wurde, noch sah sie unterschiedliche Bedingungen für Einheiten mit Gewinnerzielungsabsicht einerseits und solche ohne Gewinnerzielungsabsicht andererseits vor.

52

cc) Danach galten für alle Kategorien privatrechtlicher Einrichtungen i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG in Bezug auf die Erbringung vergleichbarer Krankenhausleistungen nach dem nationalen Recht die gleichen Bedingungen für ihre Anerkennung. Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. i.V.m. § 67 Abs. 1 und 2 AO, die von keinem Bedarfsvorbehalt abhängig war, war dementsprechend mit dem unionsrechtlichen Grundsatz der steuerlichen Neutralität zu vereinbaren.

53

f) Soweit der nationale Gesetzgeber in § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. auf die Verhältnisse des vorangegangen Kalenderjahrs abgestellt hat, wofür Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG keine Grundlage bietet (vgl. entsprechend zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG EuGH-Urteil Zimmermann, EU:C:2012:716, UR 2013, 35, Rz 40, 41; ferner BFH-Urteil in BFHE 240, 439, HFR 2013, 629, Rz 37), wird der Streitfall hiervon nicht betroffen.

54

4. Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des V. Senats des BFH.

55

a) Dieser hat entschieden, dass die Steuerbefreiungsvorschrift § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. richtlinienkonform unter Berücksichtigung ihrer Entstehungsgeschichte auszulegen sei (vgl. BFH-Urteil in BFHE 231, 298, BStBl II 2011, 296, Rz 12 ff.; BFH-Beschluss vom 19. Juni 2013 V S 20/13, BFH/NV 2013, 1643; s.a. BFH-Urteil in BFHE 204, 503, BStBl II 2004, 677, unter II.8.c und 9.; anders zu § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG BFH-Urteil vom 15. März 2007 V R 55/03, BFHE 217, 48, BStBl II 2008, 31).

56

b) Soweit der V. Senat des BFH mit Urteil in BFH/NV 2015, 631 entschieden hat, dass ein Unternehmer, der eine private Krankenanstalt betreibt, sich für die Steuerfreiheit seiner Umsätze auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL gegenüber der wegen eines Bedarfsvorbehalts unionsrechtswidrigen Regelung in § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa UStG i.V.m. §§ 108, 109 SGB V berufen kann (Leitsatz), betraf dies die ab 1. Januar 2009 geltende (andere) Rechtslage (vgl. dazu auch Senatsurteil vom 18. März 2015 XI R 38/13, BFHE 249, 380, www.bundesfinanzhof.de) und nicht die im vorliegenden Streitfall maßgebende Rechtslage in den Streitjahren 2003 bis 2006.

57

5. Zweifel an der Auslegung des für die Entscheidung im Streitfall einschlägigen Unionsrechts bestehen angesichts der bereits vorliegenden einschlägigen EuGH-Rechtsprechung nicht. Eine Vorlage an den EuGH nach Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union --wie von der Klägerin angeregt-- ist daher nicht geboten (vgl. zu den Voraussetzungen einer EuGH-Vorlage: EuGH-Urteile CILFIT vom 6. Oktober 1982 C-283/81, EU:C:1982:335, Neue Juristische Wochenschrift 1983, 1257, Rz 21; Gaston Schul Douane-expediteur vom 6. Dezember 2005 C-461/03, EU:C:2005:742, HFR 2006, 416, Rz 16; Intermodal Transports vom 15. September 2005 C-495/03, EU:C:2005:552, HFR 2005, 1236, Rz 31).

58

6. Das FA war schließlich nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben daran gehindert, die ärztlichen Leistungen nunmehr als umsatzsteuerpflichtig zu behandeln.

59

a) Dies käme nur dann in Betracht, wenn der Klägerin eine bestimmte steuerrechtliche Behandlung zugesagt worden wäre oder wenn die Finanzbehörde durch ihr früheres Verhalten außerhalb einer Zusage einen Vertrauenstatbestand geschaffen hätte (vgl. BFH-Urteil vom 30. März 2011 XI R 30/09, BFHE 233, 18, BStBl II 2011, 613, Rz 30, m.w.N.).

60

b) Der Klägerin ist keine bestimmte steuerrechtliche Behandlung zugesagt worden.

61

aa) Das FA hat weder in dem Schreiben vom 17. April 2002 noch in dem vom 15. August 2003 eine verbindliche Auskunft erteilt. Das ergibt sich schon eindeutig aus den jeweiligen Ausführungen, dass einem "vorläufigen" Aufteilungsschlüssel mit einem Aufteilungssatz von 50 % zu 50 % zugestimmt werde, der bei der Erstellung des jeweiligen Jahresabschlusses nochmals zu überprüfen sei.

62

bb) Für dieses Verständnis ist ohne Belang, ob die Voraussetzungen zur Erteilung einer verbindlichen Zusage nach Maßgabe des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen vom 24. Juni 1987 IV A 5-S 0430-9/87 (BStBl I 1987, 474) vorlagen oder leicht hätten geschaffen werden können oder ob das FA zu einer dahingehenden Beratung gemäß § 89 AO verpflichtet war (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 233, 18, BStBl II 2011, 613, Rz 33).

63

c) Das FA hat auch nicht durch sein Verhalten außerhalb einer verbindlichen Zusage einen Vertrauenstatbestand geschaffen.

64

aa) Ein Vertrauenstatbestand besteht in einem bestimmten Verhalten des einen Teils, aufgrund dessen der andere bei objektiver Beurteilung annehmen konnte, jener werde an seiner Position oder seinem Verhalten konsequent und auf Dauer festhalten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 233, 18, BStBl II 2011, 613, Rz 36, m.w.N.).

65

bb) Die Klägerin konnte selbst dann nicht davon ausgehen, das FA werde an seiner in den Schreiben vom 17. April 2002 und 15. August 2003 vertretenen Rechtsauffassung, dass der Pflegekostensatz in steuerfreie und steuerpflichtige Leistungen aufzuteilen sei, auf Dauer festhalten werde, wenn dies --wie sie behauptet-- die Amtsträger A und B mündlich zugesichert hätten. Denn diese (unverbindliche) Auskunft hätte wegen der Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung offensichtlich unter dem Vorbehalt gestanden, dass sich die Rechtslage nicht änderte, was hier hinsichtlich der Besteuerung der bis zur Veröffentlichung des BFH-Urteils in BFHE 204, 503, BStBl II 2004, 677 nach § 4 Nr. 14 UStG a.F. steuerfrei belassenen Umsätze aus ärztlichen Heilbehandlungen aber der Fall war.

66

cc) Es entspricht im Übrigen dem von der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz der Abschnittsbesteuerung, dass das FA --wie hier-- in jedem Veranlagungs- bzw. Besteuerungszeitraum die einschlägigen Besteuerungsgrundlagen erneut zu prüfen und rechtlich zu würdigen hat. Das FA ist an eine bei einer früheren Veranlagung bzw. Besteuerung zugrunde gelegte Rechtsauffassung auch dann nicht gebunden, wenn der Steuerpflichtige im Vertrauen darauf disponiert hat (vgl. BFH-Urteile in BFHE 233, 18, BStBl II 2011, 613, Rz 38; vom 14. Mai 2014 XI R 13/11, BFHE 245, 424, BStBl II 2014, 734, Rz 39, jeweils m.w.N.).

67

7. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif im Sinne einer Abweisung der Klage.

68

8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1, § 143 Abs. 1 FGO.

(1) Die Aufrechnung ist unzulässig,

1.
wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist,
2.
wenn ein Insolvenzgläubiger seine Forderung erst nach der Eröffnung des Verfahrens von einem anderen Gläubiger erworben hat,
3.
wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat,
4.
wenn ein Gläubiger, dessen Forderung aus dem freien Vermögen des Schuldners zu erfüllen ist, etwas zur Insolvenzmasse schuldet.

(2) Absatz 1 sowie § 95 Abs. 1 Satz 3 stehen nicht der Verfügung über Finanzsicherheiten im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes oder der Verrechnung von Ansprüchen und Leistungen aus Zahlungsaufträgen, Aufträgen zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschalteten Stellen oder Aufträgen zur Übertragung von Wertpapieren entgegen, die in Systeme im Sinne des § 1 Abs. 16 des Kreditwesengesetzes eingebracht wurden, das der Ausführung solcher Verträge dient, sofern die Verrechnung spätestens am Tage der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt; ist der andere Teil ein Systembetreiber oder Teilnehmer in dem System, bestimmt sich der Tag der Eröffnung nach dem Geschäftstag im Sinne des § 1 Absatz 16b des Kreditwesengesetzes.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung, in den Fällen des § 100 Abs. 2 auch die Änderung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) oder zu einer anderen Leistung begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts oder einer anderen Leistung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(3) Verwaltet eine Finanzbehörde des Bundes oder eines Landes eine Abgabe ganz oder teilweise für andere Abgabenberechtigte, so können diese in den Fällen Klage erheben, in denen der Bund oder das Land die Abgabe oder einen Teil der Abgabe unmittelbar oder mittelbar schulden würde.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.