Finanzgericht Hamburg Gerichtsbescheid, 04. Okt. 2018 - 3 K 69/18

bei uns veröffentlicht am04.10.2018

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte zur Änderung eines Einkommensteuerbescheides zuungunsten der Kläger befugt war.

2

Die Kläger sind verheiratet und wurden im Streitjahr 2014 zusammen veranlagt. Der Kläger zu 1. (im Folgenden: Kläger; geb. am ...) war Beamter der Freien und Hansestadt Hamburg und zuletzt bei der A tätig. Seit 2009 erhielt er nur noch Versorgungsbezüge. Die Klägerin zu 2. bezog im Streitjahr 2014 eine Rente.

3

In der dem Kläger von seiner Arbeitgeberin übersandten Lohnsteuerbescheinigung vom 09.09.2014 war für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 30.09.2014 ein Bruttoarbeitslohn in Höhe von 29.221,11 € eingetragen. Die hierin enthaltenen Versorgungsbezüge sollten sich auf denselben Betrag belaufen. In einer weiteren Lohnsteuerbescheinigung vom 25.03.2015 für den Zeitraum vom 01.10.2014 bis zum 31.12.2014 waren ein Bruttoarbeitslohn in Höhe von 9.740,37 € und hierin enthaltene Versorgungsbezüge in identischer Höhe bescheinigt.

4

Am 23.09.2014 übermittelte die Arbeitgeberin des Klägers dem Beklagten elektronisch die Lohnsteuerdaten für den Kläger für Januar bis September und am 19.04.2015 die Daten für Oktober bis Dezember des Streitjahres, letztere allerdings ohne Angabe der Versorgungsbezüge in Höhe von 9.740,37 €. Für das Streitjahr übermittelt wurden mithin ein Bruttoarbeitslohn in Höhe von insgesamt 38.961,48 € und Versorgungsbezüge in Höhe von nur 29.221,11 €.

5

Am ... 2015 suchte der Kläger die Informations- und Annahmestelle (im Folgenden: IAS) des Beklagten mit der ausgefüllten Einkommensteuererklärung für 2014 und diversen Belegen auf. In der Anlage N war in Zeile 6 ein Bruttoarbeitslohn in Höhe von 38.961 € eingetragen. Die Zeile 11 ("Steuerbegünstigte Versorgungsbezüge, in Zeile 6 enthalten") enthielt keine Eintragung. Unter den Belegen befanden sich auch die beiden Lohnsteuerbescheinigungen der Arbeitgeberin. Die Sachbearbeiterin in der IAS hakte die entsprechenden Eintragungen in der Steuererklärung nach Prüfung der Belege ab und händigte dem Kläger die Belege wieder aus. Die Lohnsteuerbescheinigungen sah sich die Bearbeiterin wegen der vorliegenden elektronischen Daten vor der Rückgabe an den Kläger nicht an.

6

Die Steuererklärung wurde anschließend an die Eingangsstelle zum Scannen weitergegeben. Der in der Eingangsstelle tätige Bearbeiter ergänzte handschriftlich die in der Anlage N zur Einkommensteuererklärung fehlende Angabe zu den Versorgungsbezügen mit dem von der Arbeitgeberin elektronisch übermittelten Betrag von 29.221,11 €.

7

Der Beklagte erließ am 01.06.2015 den Einkommensteuerbescheid für 2014 (festgesetzte Steuer: 1.554 €). Hierin berücksichtigte er beim Kläger einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 38.961 €, einen Freibetrag für Versorgungsbezüge in Höhe von 3.276 €, Werbungskosten zu Versorgungsbezügen in Höhe von 102 € und - auf der Grundlage von Versorgungsbezügen lediglich in Höhe von 29.221 € und damit unterhalb des Bruttoarbeitslohns - den Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 1.000 € sowie einen Altersentlastungsbetrag in Höhe von 1.368 €.

8

Am 17.06.2015 übermittelte die Arbeitgeberin des Klägers elektronisch korrigierte Daten für das Streitjahr. Die Versorgungsbezüge wurden nunmehr in Höhe von 38.961,48 €, also in voller Höhe des Bruttoarbeitslohns, übermittelt. Den Kläger informierte die Arbeitgeberin mit Schreiben vom 31.07.2015 darüber, dass die in dem zuvor übersandten Ausdruck der Lohnsteuerbescheinigung für Oktober bis Dezember 2014 enthaltenen Daten fehlerhaft gewesen seien, und übersandte eine Lohnsteuerbescheinigung vom 05.06.2015 für diesen Zeitraum, die allerdings gegenüber der zuerst übersandten Bescheinigung keine Änderung enthielt.

9

Der Beklagte erließ daraufhin am 07.06.2016 einen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) geänderten Bescheid, in dem er den Arbeitnehmer-Pauschbetrag und den Altersentlastungsbetrag nicht mehr mindernd berücksichtigte und die Einkommensteuer auf 2.158 € festsetzte.

10

Hiergegen legten die Kläger am 04.07.2016 Einspruch ein und trugen zur Begründung vor, dass die Lohnsteuerbescheinigung vom 05.06.2015 die Versorgungsbezüge zutreffend ausweise und dem Beklagten aus der Vergangenheit bekannt sei, dass der Kläger in voller Höhe Versorgungsbezüge erhalte. Die Voraussetzungen des § 173 AO seien somit nicht erfüllt. Ferner sei die zumutbare Belastung nach § 33 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) unrichtig berechnet worden.

11

Am 19.12.2017 erließ der Beklagte einen nur im Hinblick auf die zumutbare Belastung antragsgemäß geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr, in dem er die Einkommensteuer auf 2.120 € herabsetzte.

12

Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 09.03.2018 als unbegründet zurück. Die Bescheidänderung sei nach § 129 AO zulässig gewesen, da die Übernahme fehlerhafter Lohndaten als ähnliche offenbare Unrichtigkeit im Sinne dieser Vorschrift einzustufen sei. Das Vorliegen eines Rechtsfehlers sei bei der Übernahme elektronisch übermittelter Daten ausgeschlossen. Darüber hinaus habe der ursprüngliche Bescheid auch nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geändert werden dürfen. Die Tatsache, dass die Versorgungsbezüge mit einem höheren Betrag anzusetzen gewesen seien, sei für ihn, den Beklagten, neu gewesen.

13

Die Kläger haben am 06.04.2018 Klage erhoben. Sie tragen vor, dass die Voraussetzungen für eine Berichtigung nach § 129 AO nicht vorlägen. Wenn der Tatbestand des § 129 AO nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteil vom 16.01.2018 VI R 41/16) nicht erfüllt sei, wenn das Finanzamt bei einer Abweichung zwischen erklärtem Arbeitslohn und elektronisch übermittelten Daten letztere ohne weitere Prüfung übernehme, müsse dies ebenfalls gelten, wenn Versorgungsbezüge übermittelt würden, die nicht erklärt worden seien. Der Beklagte hätte im Rahmen der Veranlagung seinen Ermittlungspflichten nachkommen müssen.

14

Eine neue Tatsache i. S. des § 173 AO liege nicht vor, weil der Kläger dem Beklagten am 27.04.2015 die Lohnsteuerbescheinigungen mit den korrekten Eintragungen vorgelegt habe.

15

Die Kläger beantragen sinngemäß,
den geänderten Einkommensteuerbescheid für 2014 vom 07.06.2016 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 19.12.2017 und der Einspruchsentscheidung vom 09.03.2018 aufzuheben.

16

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

17

Der Beklagte nimmt zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung Bezug und trägt ergänzend vor, dass es im Unterschied zu dem vom BFH im Urteil vom 16.01.2018 (VI R 41/16) entschiedenen Fall vorliegend keinen Ermittlungsfehler auf seiner, des Beklagten, Seite gebe. Insbesondere habe er, anders als das Finanzamt im BFH-Fall, die elektronisch übermittelten nicht mit den erklärten Daten abgleichen können, weil die Einkommensteuererklärung keine Angabe zu den Versorgungsbezügen enthalten habe. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Fehler auf rechtlichen oder tatsächlichen Erwägungen oder einem Versäumnis bei der Sachverhaltsermittlung beruhe.

18

Die Änderung sei auch nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO möglich gewesen. Die tatsächliche Höhe der Versorgungsbezüge sei eine neue Tatsache, weil die zur Bearbeitung des Steuerfalls berufenen Personen keine Kenntnis von den Lohnsteuerbescheinigungen in Papierform gehabt hätten. Die Bearbeiterin in der IAS sehe sich die Lohnsteuerbescheinigungen in Papierform wegen der elektronisch übermittelten Daten grundsätzlich nicht an. Dass die elektronischen Daten, wie hier, fehlerhaft seien, sei eine absolute Ausnahme. Da die Lohnsteuerbescheinigungen nicht zu den Akten genommen worden seien, hätten die anderen mit dem Fall befassten Bearbeiter hiervon keine Kenntnis haben können.

19

Insbesondere liege auch kein die Änderungsmöglichkeit ausschließender Ermittlungsfehler auf seiner, des Beklagten, Seite vor. Die Finanzbehörde verletzte ihre Sachaufklärungspflicht erst dann, wenn sie Zweifelsfragen nicht nachgehe, die sich ihr den Umständen nach ohne weiteres hätten aufdrängen müssen. Vorliegend habe der Kläger in der Steuererklärung keine Angaben zu den Versorgungsbezügen gemacht, obwohl es ihm zuzumuten gewesen wäre, auch dieses Feld auszufüllen; er sei seiner Erklärungspflicht somit nicht vollumfänglich nachgekommen. Demgegenüber habe er, der Beklagte, seiner Ermittlungspflicht genügt, indem er die fehlenden Angaben mit den elektronischen Daten ergänzt habe.

20

Auf die Sitzungsniederschrift des Erörterungstermins am 06.07.2018 wird Bezug genommen (Finanzgerichtsakten -FGA- Bl. 38 ff.).

...

Entscheidungsgründe

21

Der Senat entscheidet gemäß § 90 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid.

I.

22

Die zulässige Klage ist begründet.

23

Der angefochtene Änderungsbescheid vom 07.06.2016, nochmals geändert am 19.12.2017 und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 09.03.2018, ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte war zur Änderung des bestandskräftigen Einkommensteuerbescheides für 2014 vom 01.06.2015 nicht befugt. Die Voraussetzungen für eine Berichtigung gemäß § 129 AO (1.) oder eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO (2.) oder § 175b AO (3.) lagen nicht vor. Die Anwendung weiterer Änderungsvorschriften kommt nicht in Betracht.

24

1. Der Beklagte konnte den ursprünglichen Bescheid nicht nach § 129 AO berichtigen.

25

a) Nach § 129 Satz 1 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen.

26

aa) Solche offenbare Unrichtigkeiten sind insbesondere mechanische Versehen, beispielsweise Eingabe- oder Übertragungsfehler. Dagegen zählen zu solchen offenbaren Unrichtigkeiten nicht Fehler bei der Auslegung oder Anwendung einer Rechtsnorm, eine unrichtige Tatsachenwürdigung oder die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts. Dabei ist § 129 AO schon dann nicht anwendbar, wenn auch nur die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache in einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- oder Überlegungsfehler begründet ist oder auf mangelnder Sachverhaltsaufklärung beruht (BFH-Urteil vom Beschluss vom 28.05.2015 VI R 63/13, BFH/NV 2015, 1078, m. w. N.).

27

bb) Die Berichtigungsmöglichkeit nach § 129 AO setzt grundsätzlich voraus, dass der offenbare Fehler in der Sphäre der den Verwaltungsakt erlassenden Finanzbehörde entstanden ist. Da die Unrichtigkeit nicht aus dem Bescheid selbst erkennbar sein muss, ist die Vorschrift aber auch dann anwendbar, wenn das Finanzamt offenbar fehlerhafte Angaben des Steuerpflichtigen als eigene übernimmt (BFH-Urteile vom 17.05.2017 X R 45/16, BFH/NV 2018, 10; vom 03.08.2016 X R 20/15, BFH/NV 2017, 438).

28

cc) Nicht jede versehentlich unberücksichtigte Tatsache ist mit einer unvollständigen Sachverhaltsermittlung gleichzusetzen. Eine der Berichtigung entgegenstehende unvollständige Sachverhaltsermittlung ist erst anzunehmen, wenn für die Besteuerung wesentliche Tatsachen nicht durch ein mechanisches Versehen unberücksichtigt geblieben sind. Ermittlungsfehler gehen über mechanische Versehen bei der Heranziehung des Sachverhalts zur Steuerfestsetzung hinaus, weil ein Teil des rechtserheblichen Sachverhalts wegen fehlerhaft unterlassener oder unrichtiger Tatsachenaufklärung noch nicht bekannt ist. Ist dagegen ohne weitere Prüfung erkennbar, dass ein Teil des bekannten Sachverhalts aus Unachtsamkeit bei der Steuerfestsetzung nicht erfasst worden ist, darf diese offenbare Unrichtigkeit zugunsten und zuungunsten des Steuerpflichtigen durch Berichtigung der versehentlich fehlerhaften Steuerfestsetzung korrigiert werden (BFH-Urteil vom 16.01.2018 VI R 41/16, BStBl II 2018, 378).

29

dd) Dementsprechend hat der BFH das Vorliegen einer offenbaren Unrichtigkeit abgelehnt in einem Fall, in dem die Klägerin den Arbeitslohn in der Papiererklärung richtig angegeben und das Finanzamt den elektronisch unrichtig übermittelten, niedrigeren Betrag angesetzt hatte. Der BFH führte zur Begründung aus, dass das Finanzamt im Vertrauen auf die Richtigkeit der elektronisch übermittelten Daten bewusst keinen Abgleich mit der Einkommensteuererklärung vorgenommen habe. Der daraus resultierende Fehler sei kein mechanisches Versehen. Insbesondere liege kein bloßes Übersehen erklärter Daten vor, das grundsätzlich zu einer Berichtigungsmöglichkeit nach § 129 AO führe. Das Finanzamt habe vielmehr trotz der Diskrepanz zwischen Erklärung und Datenübermittlung den zutreffenden Arbeitslohn nicht aufgeklärt, was einen Ermittlungsfehler darstelle (BFH-Urteil vom 16.01.2018 VI R 41/16, BStBl II 2018, 378).

30

b) Danach liegt im Streitfall keine zu einer Berichtigung nach § 129 AO berechtigende offenbare Unrichtigkeit vor.

31

Der Ansatz der Versorgungsbezüge in der zu geringen Höhe beruht nicht auf einem mechanischen Versehen der Bearbeiter des Beklagten. Denn auch wenn der Kläger die Eintragung der Versorgungsbezüge in der Zeile 11 der Anlage N offenbar versehentlich unterlassen hat, hat der Beklagte diesen Fehler gerade nicht als eigenen übernommen, was als mechanisches Versehen zu werten wäre, sondern die fehlende Angabe aufgrund einer - unzutreffenden - Sachverhaltsermittlung durch Abgleich der Erklärung mit den elektronischen Daten ergänzt.

32

Der Sachverhalt im Streitfall ist mit dem vom BFH entschiedenen Fall (s. oben a. dd.) vergleichbar. Zwar hat der Kläger hier, anders als in dem BFH-Fall, die zutreffende Eintragung der Versorgungsbezüge in der Anlage N unterlassen. Dieser Umstand ist nach Auffassung des erkennenden Senates jedoch nicht entscheidungserheblich. Denn der Kläger hat bei Abgabe der Erklärung in der IAS die Lohnsteuerbescheinigungen vorgelegt, in denen die zutreffenden Beträge enthalten waren, und seiner Erklärungspflicht auf diese Weise genügt. Bei einem Abgleich zwischen den vorgelegten Bescheinigungen und der Erklärung, der vom Beklagten ohne die elektronische Datenübermittlung in jedem Fall vorgenommen worden wäre, wäre die Diskrepanz aufgefallen und der richtige Betrag angesetzt worden. Daher ist es für die Beurteilung nicht wesentlich, ob die richtige Eintragung in der Erklärung vorgenommen oder ob sie zwar unterlassen, aber eine entsprechende Bescheinigung vorgelegt wurde.

33

Die in der IAS tätige Bearbeiterin hat die vorgelegten Ausdrucke der Lohnsteuerbescheinigungen indes bewusst ignoriert und sie nicht zur Akte genommen bzw. zur Erfassung weitergeleitet, weil der Beklagte bei der Veranlagung im Vertrauen auf die Richtigkeit der elektronischen Datenübermittlung grundsätzlich diese Daten ansetzt. Der unterlassene Abgleich zwischen den Lohnsteuerbescheinigungen in Papier- und in elektronischer Form stellt ebenso einen die Berichtigung nach § 129 AO ausschließenden Ermittlungsfehler dar wie der unterlassene Abgleich zwischen den Angaben in der Erklärung selbst und den elektronischen Daten.

34

2. Eine Bescheidänderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO kommt ebenso wenig in Betracht.

35

Nach dieser Vorschrift sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen.

36

a) aa) Tatsache i. S. des § 173 Abs. 1 AO ist alles, was Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Steuertatbestands sein kann, also Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften materieller oder immaterieller Art. Die Höhe von Einkünften oder Einnahmen ist eine Tatsache in diesem Sinne (BFH-Urteil vom 21.02.2017 VIII R 46/13, BStBl II 2017, 745).

37

bb) Dass der vom Kläger im Streitjahr bezogene Bruttoarbeitslohn in voller Höhe und nicht lediglich in Höhe von 29.221,11 € aus Versorgungsbezügen bestand, ist eine Tatsache.

38

b) Diese Tatsache führt auch zu einer höheren Steuer.

39

aa) Der Altersentlastungsbetrag ist nach § 24a Satz 1 EStG ein nach einem Protzentsatz ermittelter Betrag des Arbeitslohns und der positiven Summe der Einkünfte, die nicht solche aus nichtselbständiger Arbeit sind. Nach Satz 2 Nr. 1 der Vorschrift bleiben Versorgungsbezüge i.S. des § 19 Abs. 2 EStG dabei außer Betracht.

40

bb) Von den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit ist, soweit es sich um Versorgungsbezüge handelt, nach § 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG lediglich ein Pauschbetrag von 102 € abzuziehen statt des ansonsten bei Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit abziehbaren Arbeitnehmer-Pauschbetrages von 1.000 € (Buchst. a der Regelung).

41

cc) Da der Kläger im Streitjahr ausschließlich Versorgungsbezüge bezog, waren der im ursprünglichen Bescheid vom 01.06.2015 berücksichtigte Arbeitnehmer-Pauschbetrag und der Altersentlastungsbetrag tatsächlich nicht abzuziehen, was zu einer höheren Steuer führt.

42

c) Ob die Tatsache dem Beklagten nachträglich bekannt wurde, kann im Streitfall dahinstehen.

43

aa) Nachträglich bekannt geworden ist eine Tatsache, wenn sie das Finanzamt beim Erlass des geänderten Steuerbescheids noch nicht kannte (BFH-Urteil vom 29.11.2017 II R 52/15, BStBl II 2018, 419).

44

aaa) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH gilt der Inhalt der in der zuständigen Dienststelle geführten Steuerakten als bekannt, ohne dass es auf die individuelle Kenntnis des jeweiligen Bearbeiters ankommt (BFH-Beschluss vom 14.05.2013 X B 33/13, BStBl II 2013, 997; BFH-Urteil vom 03.05.1991 V R 36/90, BFH/NV 1992, 221). Dazu gehören alle Schriftstücke, die bei der Dienststelle vorliegen oder sie im Dienstgang erreichen (Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 173 AO Rz. 34).

45

bbb) Bei Tatsachen, die sich nicht aus den Akten ergeben, ist hingegen die positive Kenntnis des zuständigen Bearbeiters erforderlich; ein Kennenmüssen reicht hier nicht aus (BFH-Urteile vom 29.11.2017 II R 52/15, BStBl II 2018, 419; vom 14.05.2013 X B 33/13, BStBl II 2013, 997).

46

ccc) Nur ausnahmsweise können dem mit dem Fall befassten Bearbeiter auch nicht aktenkundige Tatsachen nach dem Inhalt der zu bearbeitenden Steuererklärung oder der präsenten Akten ohne positive Kenntnis als bekannt zuzurechnen sein, etwa aus anderen steuerlichen Verfahren, wenn zur Hinzuziehung dieses Vorgangs Anlass bestand (BFH-Beschluss vom 18.06.2015 VI R 84/13, BFH/NV 2015, 1342).

47

ddd) Die Finanzbehörde muss sich zudem die Kenntnisse aller mit dem Steuerfall befassten Bearbeiter zurechnen lassen, auch wenn diese den Fall zur weiteren Bearbeitung an einer andere Stelle weitergegeben haben (Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 173 AO Rz. 34). Müssen mehrere Dienststellen nach ihrem Aufgabenbereich zusammenwirken und Kenntnisse austauschen, muss sich die zuständige Dienststelle die Kenntnisse der anderen Dienststelle zurechnen lassen (vgl. BFH-Urteil vom 23.03.1983 I R 182/82, BStBl II 1983, 548, für das Verhältnis zwischen Veranlagungsdienststelle und Rechtsbehelfsstelle).

48

bb) Die tatsächliche Höhe der Versorgungsbezüge des Klägers war dem Bearbeiter in der zuständigen Veranlagungsdienststelle des Beklagten nicht positiv bekannt und ergab sich auch nicht aus dem Inhalt der der Dienststelle vorliegenden Akten. Gleichwohl spricht Einiges dafür, dass der Inhalt der ausgedruckten Lohnsteuerbescheinigungen als dem Bearbeiter bekannt gelten muss, weil sie vom Kläger vorgelegt und ihm sogleich zurückgegeben wurden, ohne dass sie zum Aktenbestandteil gemacht worden wären, obwohl die Möglichkeit dazu bestand, und weil sich die zuständige Veranlagungsdienststelle dieses Verhalten der für die Annahme und Vorprüfung der Einkommensteuererklärungen zuständigen IAS zurechnen lassen muss. Im Ergebnis kann der Senat diese Frage allerdings offen lassen.

49

d) Denn jedenfalls steht der Grundsatz von Treu und Glauben der Bescheidänderung entgegen.

50

aa) Die Änderung eines Steuerbescheids zum Nachteil des Steuerpflichtigen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO kann nach den Grundsätzen von Treu und Glauben ausgeschlossen sein, wenn dem Finanzamt die nachträglich bekannt gewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre. Hierauf kann sich der Steuerpflichtige grundsätzlich aber nur dann berufen, wenn er seinerseits seine Mitwirkungspflicht in zumutbarer Weise erfüllt hat (BFH-Urteil vom 16.06.2004 X R 56/01, BFH/NV 2004, 1502). Haben es sowohl der Steuerpflichtige als auch das Finanzamt versäumt, den Sachverhalt aufzuklären, trifft in der Regel den Steuerpflichtigen die Verantwortung mit der Folge, dass der Steuerbescheid geändert werden kann (BFH-Urteil vom 29.11.2017 II R 52/15, BStBl II 2018, 419; BFH-Beschluss vom 06.02.2013 X B 164/12, BFH/NV 2013, 694). Eine Änderungsbefugnis des Finanzamts ist in solchen Fällen insbesondere dann zu bejahen, wenn der Steuerpflichtige in abgabenrechtlichen Antragsvordrucken zu entscheidungsrelevanten Tatsachenfragen entweder überhaupt keine oder sogar inhaltlich unrichtige Angaben gemacht hat (BFH-Urteile vom 29.11.2017 II R 52/15, BStBl II 2018, 419; vom 17.12.1997 III R 39/93, BFH/NV 1998, 81). Demgegenüber scheidet in Fällen beiderseitiger Pflichtverletzungen eine Änderungsmöglichkeit aus, wenn der Verstoß des Finanzamt deutlich überwiegt (BFH-Urteile vom 29.11.2017 II R 52/15, BStBl II 2018, 419; vom 14.05.2013 X B 33/13, BStBl II 2013, 997). Das Finanzamt verletzt seine Ermittlungspflicht (§ 88 AO), wenn es ersichtlichen Unklarheiten oder Zweifelsfragen, die sich bei einer Prüfung der Steuererklärung sowie der eingereichten Unterlagen ohne Weiteres aufdrängen mussten, nicht nachgeht (BFH-Urteile vom 29.11.2017 II R 52/15, BStBl II 2018, 419; vom 16.06.2004 X R 56/01, BFH/NV 2004, 1502), beispielsweise wenn Angaben in der Steuererklärung mit den dazu eingereichten Bescheinigungen nicht übereinstimmen (Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 173 AO Rz. 66).

51

bb) Im Streitfall liegen beiderseitige Pflichtverstöße vor, doch überwiegt der Pflichtverstoß des Beklagten deutlich.

52

aaa) Der Kläger hat die Eintragung der im Bruttoarbeitslohn enthaltenen Versorgungsbezüge in die Anlage N der Einkommensteuererklärung zwar - offenbar versehentlich - unterlassen. Dieser Pflichtverstoß wiegt jedoch nicht schwer, weil der Kläger der Bearbeiterin in der IAS des Beklagten zusammen mit der Steuererklärung die Lohnsteuerbescheinigungen mit den zutreffenden Eintragungen vorgelegt hat, sodass die fahrlässig unterlassene Eintragung unschwer erkennbar gewesen wäre. Der Kläger hat nicht versäumt, den entscheidungserheblichen Sachverhalt aufzuklären, sondern dem Beklagten inhaltlich zutreffende Bescheinigungen vorgelegt.

53

bbb) Vor allem war der Pflichtverstoß des Klägers für die unrichtige Veranlagung durch den Bescheid vom 01.06.2015 nicht kausal. Zu der materiell unrichtigen Erstveranlagung kam es nicht, weil der Beklagte der - unvollständig ausgefüllten - Steuererklärung gefolgt wäre. Der Beklagte hat die Unvollständigkeit vielmehr erkannt und die fehlende Angabe eigenständig, aber unzutreffend ermittelt und ergänzt. Zwar wiegt auch dieser Pflichtverstoß für sich genommen nicht schwer, denn das Finanzamt kann und muss sich grundsätzlich auf die Richtigkeit der von den Arbeitgebern elektronisch übermittelten Lohnsteuerdaten verlassen. Doch hätte der Beklagte im Streitfall wegen der Diskrepanz zwischen der in den Ausdrucken der Lohnsteuerbescheinigungen ausgewiesenen und der elektronisch übermittelten Höhe der Versorgungsbezüge Anlass gehabt zu weiteren Ermittlungen. Zweifel an der Richtigkeit der elektronisch übermittelten Daten hätten sich ihm auch nicht nur bei einem Abgleich mit den ausgedruckten Bescheinigungen aufdrängen müssen, sondern darüber hinaus auch bei einem Vergleich mit den Veranlagungen der Vorjahre, in denen der Kläger durchgehend ausschließlich Versorgungsbezüge bezogen hatte. Dass der Beklagte diese Vergleiche unterlassen, die ausgedruckten Bescheinigungen dem Kläger unbesehen wieder mitgegeben und von vornherein allein auf die Richtigkeit der elektronischen Daten vertraut hat, hat allein zu der materiell unrichtigen Erstveranlagung geführt und wiegt im Ergebnis deutlich schwerer als die vom Kläger unterlassene Eintragung in der Anlage N.

54

3. Die durch Gesetz vom 18.07.2016 (BGBl I 2016, 1679) mit Wirkung vom 01.01.2017 eingeführte Änderungsvorschrift des § 175b Abs. 1 AO, die eine Bescheidänderung bei unzutreffender Berücksichtigung von nach § 93c AO mitgeteilten Daten ermöglicht, ist gemäß Art. 97 § 27 Abs. 2 EGAO erst für Besteuerungszeiträume nach 2016 anwendbar und gilt für das Streitjahr folglich nicht.

II.

55

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

56

2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 1 und 3 FGO i. V. m. §§ 708, 711 der Zivilprozessordnung.

57

3. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.

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Abgabenordnung - AO 1977 | § 93c Datenübermittlung durch Dritte


(1) Sind steuerliche Daten eines Steuerpflichtigen auf Grund gesetzlicher Vorschriften von einem Dritten (mitteilungspflichtige Stelle) an Finanzbehörden elektronisch zu übermitteln, so gilt vorbehaltlich abweichender Bestimmungen in den Steuergesetz

Einkommensteuergesetz - EStG | § 24a Altersentlastungsbetrag


1Der Altersentlastungsbetrag ist bis zu einem Höchstbetrag im Kalenderjahr ein nach einem Prozentsatz ermittelter Betrag des Arbeitslohns und der positiven Summe der Einkünfte, die nicht solche aus nichtselbständiger Arbeit sind. 2Bei der Bemessung d

Abgabenordnung - AO 1977 | § 175b Änderung von Steuerbescheiden bei Datenübermittlung durch Dritte


(1) Ein Steuerbescheid ist aufzuheben oder zu ändern, soweit von der mitteilungspflichtigen Stelle an die Finanzbehörden übermittelte Daten im Sinne des § 93c bei der Steuerfestsetzung nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden. (2) Gelten

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Finanzgericht Hamburg Gerichtsbescheid, 04. Okt. 2018 - 3 K 69/18 zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).

Finanzgericht Hamburg Gerichtsbescheid, 04. Okt. 2018 - 3 K 69/18 zitiert 7 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesfinanzhof Urteil, 16. Jan. 2018 - VI R 41/16

bei uns veröffentlicht am 16.01.2018

Tenor Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 14. März 2016  5 K 1920/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Bundesfinanzhof Urteil, 29. Nov. 2017 - II R 52/15

bei uns veröffentlicht am 29.11.2017

Tenor Auf die Revision der Kläger werden das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 26. August 2015  4 K 4035/10, die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 24. November 2010 sowie die Bescheide über

Bundesfinanzhof Urteil, 03. Aug. 2016 - X R 20/15

bei uns veröffentlicht am 03.08.2016

Tenor Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 3. Juli 2014  4 K 2025/11 aufgehoben.

Bundesfinanzhof Beschluss, 18. Juni 2015 - VI R 84/13

bei uns veröffentlicht am 18.06.2015

Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts des Saarlandes vom 13. März 2013  2 K 1503/08 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Bundesfinanzhof Beschluss, 28. Mai 2015 - VI R 63/13

bei uns veröffentlicht am 28.05.2015

Tenor Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. April 2013  4 K 2093/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Bundesfinanzhof Beschluss, 14. Mai 2013 - X B 33/13

bei uns veröffentlicht am 14.05.2013

Tatbestand 1 I. Die Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) sind Eheleute, die in den Streitjahren 2006 und 2007 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden.

Bundesfinanzhof Beschluss, 06. Feb. 2013 - X B 164/12

bei uns veröffentlicht am 06.02.2013

Tatbestand 1 I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Eheleute, die in den Streitjahren 2005 bis 2007 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden. Der Kläger wa

Referenzen

(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Wird zu einem schriftlich ergangenen Verwaltungsakt die Berichtigung begehrt, ist die Finanzbehörde berechtigt, die Vorlage des Schriftstücks zu verlangen, das berichtigt werden soll.

(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Wird zu einem schriftlich ergangenen Verwaltungsakt die Berichtigung begehrt, ist die Finanzbehörde berechtigt, die Vorlage des Schriftstücks zu verlangen, das berichtigt werden soll.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 14. März 2016  5 K 1920/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute und wurden für das Streitjahr (2011) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Die Klägerin war im Streitjahr vom 1. Januar bis zum 31. August 2011 zunächst bei der Firma X GmbH und vom 1. September bis zum 31. Dezember 2011 bei der Firma Y GmbH beschäftigt. Ihre Einkommensteuererklärung für das Streitjahr reichten die Kläger am 14. Mai 2012 in Maschinenschrift zusammen mit Belegen beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) ein. Für die Klägerin erklärten sie in der Anlage N den Bruttoarbeitslohn zutreffend mit ... €.

2

Im Einkommensteuerbescheid vom 10. Juli 2012 setzte das FA bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit den Bruttoarbeitslohn mit ... € an. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

3

Im November 2013 stellte das FA fest, dass seit dem 22. August 2012 Lohndaten aus dem Beschäftigungsverhältnis der Klägerin bei der Firma X GmbH vorlagen, die in dem Bescheid nicht berücksichtigt worden waren. Die Daten summierten sich mit den im Steuerbescheid --aus dem Beschäftigungsverhältnis bei der Firma Y GmbH-- berücksichtigten Daten auf den Betrag, den die Klägerin in der Steuererklärung angegeben hatte.

4

Das FA erließ daraufhin am 9. Dezember 2013 einen --zunächst auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) gestützten-- Änderungsbescheid. Grundlage für die Änderung seien die von der X GmbH nach der Veranlagung übermittelten geänderten Lohndaten.

5

Den Einspruch der Kläger wies das FA --nun unter Heranziehung von § 129 Satz 1 AO-- als unbegründet zurück.

6

Das Finanzgericht (FG) gab der im Anschluss erhobenen Klage statt.

7

Es war im Wesentlichen der Ansicht, das FA sei zu einer Berichtigung nach § 129 Satz 1 AO nicht befugt gewesen. Denn bei der im Streitfall --ungeprüften-- Übernahme/Beistellung der nicht vollständig übermittelten Lohnsteuerdaten in das Veranlagungsprogramm handele es sich weder um einen Schreibfehler oder Rechenfehler noch um eine ähnliche offenbare Unrichtigkeit. Es liege vielmehr ein Fehler bei der Sachverhaltsermittlung vor, da die Veranlagungsbeamtin bei ihrer Vorgehensweise bewusst und gewollt in Kauf genommen habe, dass ggf. ein unzutreffender Sachverhalt der Veranlagung zugrunde gelegt werde.

8

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

9

Es beantragt,
das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

10

Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

11

Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht entschieden, dass das FA nicht befugt war, den bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid zu ändern.

12

1. Nach § 129 Satz 1 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen.

13

a) Solche offenbare Unrichtigkeiten sind insbesondere mechanische Versehen, beispielsweise Eingabe- oder Übertragungsfehler. Dagegen zählen zu solchen offenbaren Unrichtigkeiten nicht Fehler bei der Auslegung oder Anwendung einer Rechtsnorm, eine unrichtige Tatsachenwürdigung oder die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts. Dabei ist § 129 AO schon dann nicht anwendbar, wenn auch nur die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache auf einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- oder Überlegungsfehler gründet oder auf mangelnder Sachverhaltsaufklärung beruht (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschluss vom 28. Mai 2015 VI R 63/13, BFH/NV 2015, 1078, m.w.N.). Diese Möglichkeit darf allerdings nicht nur theoretischer Natur sein. Vielmehr muss sie sich durch vom Gericht festgestellte Tatsachen belegen lassen. Deuten die Gesamtumstände des Falles auf ein mechanisches Versehen hin und liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Fehler auf rechtliche oder tatsächliche Erwägungen zurückzuführen ist, so kann berichtigt werden (Senatsurteil vom 13. Juni 2012 VI R 85/10, BFHE 238, 295, BStBl II 2013, 5).

14

b) Entsprechend ist nicht jede versehentlich unberücksichtigte Tatsache mit einer unvollständigen Sachverhaltsermittlung gleichzusetzen. Eine der Berichtigung entgegenstehende unvollständige Sachverhaltsermittlung ist erst anzunehmen, wenn für die Besteuerung wesentliche Tatsachen nicht durch ein mechanisches Versehen unberücksichtigt geblieben sind. Ermittlungsfehler gehen über mechanische Versehen bei der Heranziehung des Sachverhalts zur Steuerfestsetzung hinaus, weil ein Teil des rechtserheblichen Sachverhalts wegen fehlerhaft unterlassener oder unrichtiger Tatsachenaufklärung noch nicht bekannt ist. Ist dagegen ohne weitere Prüfung erkennbar, dass ein Teil des bekannten Sachverhalts aus Unachtsamkeit bei der Steuerfestsetzung nicht erfasst worden ist, darf diese offenbare Unrichtigkeit zugunsten und zuungunsten des Steuerpflichtigen durch Berichtigung der versehentlich fehlerhaften Steuerfestsetzung korrigiert werden (Senatsurteil vom 26. April 1989 VI R 39/85, BFH/NV 1989, 619; Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 13. November 1997 V R 138/92, BFH/NV 1998, 419).

15

c) Liegt eine offenbare Unrichtigkeit vor, ist die Berichtigungsmöglichkeit nach § 129 Satz 1 AO nicht von Verschuldensfragen abhängig, weshalb die oberflächliche Behandlung eines Steuerfalls grundsätzlich eine Berichtigung nach dieser Vorschrift nicht hindert (BFH-Urteile vom 28. November 1985 IV R 178/83, BFHE 145, 226, BStBl II 1986, 293; vom 10. September 1987 V R 69/84, BFHE 150, 509, BStBl II 1987, 834; vom 4. November 1992 XI R 40/91, BFH/NV 1993, 509; vom 11. Juli 2007 XI R 17/05, BFH/NV 2007, 1810; vom 21. Januar 2010 III R 22/08, BFH/NV 2010, 1410; vom 7. November 2013 IV R 13/11, BFH/NV 2014, 657, und Senatsbeschluss in BFH/NV 2015, 1078). Anders ist dies erst, wenn sich die Unachtsamkeit bei der Bearbeitung des Falls häuft und Zweifeln, die sich aufdrängen, nicht nachgegangen wird (BFH-Urteil in BFH/NV 1993, 509).

16

2. Bei Heranziehung dieser Grundsätze hat das FG zu Recht eine Berichtigung des Einkommensteuerbescheids 2011 nach § 129 AO abgelehnt.

17

Im Streitfall hat die Klägerin den von ihr im Streitjahr bezogenen Arbeitslohn zutreffend gegenüber dem FA erklärt. Das FA hat diese Angaben auf Seite 1 der Anlage N jedoch --aus verwaltungsökonomischen Gründen möglicherweise nachvollziehbar-- bewusst nicht in den Blick genommen, weil es allgemein darauf vertraute, dass die vom Arbeitgeber elektronisch übermittelten Daten --wie üblich-- zutreffend sind und vor Beginn der Bearbeitung der Steuererklärung vollständig vom Computersystem der Finanzbehörden übernommen werden. Es hat deshalb insbesondere bewusst keinen Abgleich der der Einkommensteuererklärung der Kläger elektronisch "beigestellten" Daten mit den von diesen erklärten Daten vorgenommen. Führt diese vom FA gewählte Vorgehensweise bei der Bearbeitung einer Einkommensteuererklärung zu einer unzutreffenden Erfassung des Arbeitslohns, stellt dieser Fehler keine einem Schreib- oder Rechenfehler gleichgestellte ähnliche offenbare Unrichtigkeit und damit kein mechanisches Versehen dar. Durch den bewusst unterlassenen Abgleich der der Steuererklärung elektronisch beigestellten Daten mit den vom Steuerpflichtigen erklärten Daten liegt insbesondere kein bloßes Übersehen erklärter Daten vor, das regelmäßig zu einer Berichtigungsmöglichkeit nach § 129 AO führt (z.B. Senatsurteile vom 29. März 1985 VI R 140/81, BFHE 144, 118, BStBl II 1985, 569, und in BFH/NV 1989, 619). Das FA hat vielmehr im Streitfall den zutreffenden Arbeitslohn nicht aufgeklärt, obwohl der von den Klägern erklärte Arbeitslohn nicht mit dem elektronisch beigestellten Arbeitslohn übereinstimmte. Insoweit liegt ein Ermittlungsfehler des FA vor, der eine spätere Berichtigung des infolgedessen aufgetretenen Fehlers ausschließt.

18

3. Das FG hat zudem rechtsfehlerfrei entschieden, dass eine Änderung gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht möglich ist, was das FA auch nicht in Frage stellt. Der Senat sieht daher insoweit von einer weiteren Begründung ab.

19

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 14. März 2016  5 K 1920/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute und wurden für das Streitjahr (2011) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Die Klägerin war im Streitjahr vom 1. Januar bis zum 31. August 2011 zunächst bei der Firma X GmbH und vom 1. September bis zum 31. Dezember 2011 bei der Firma Y GmbH beschäftigt. Ihre Einkommensteuererklärung für das Streitjahr reichten die Kläger am 14. Mai 2012 in Maschinenschrift zusammen mit Belegen beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) ein. Für die Klägerin erklärten sie in der Anlage N den Bruttoarbeitslohn zutreffend mit ... €.

2

Im Einkommensteuerbescheid vom 10. Juli 2012 setzte das FA bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit den Bruttoarbeitslohn mit ... € an. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

3

Im November 2013 stellte das FA fest, dass seit dem 22. August 2012 Lohndaten aus dem Beschäftigungsverhältnis der Klägerin bei der Firma X GmbH vorlagen, die in dem Bescheid nicht berücksichtigt worden waren. Die Daten summierten sich mit den im Steuerbescheid --aus dem Beschäftigungsverhältnis bei der Firma Y GmbH-- berücksichtigten Daten auf den Betrag, den die Klägerin in der Steuererklärung angegeben hatte.

4

Das FA erließ daraufhin am 9. Dezember 2013 einen --zunächst auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) gestützten-- Änderungsbescheid. Grundlage für die Änderung seien die von der X GmbH nach der Veranlagung übermittelten geänderten Lohndaten.

5

Den Einspruch der Kläger wies das FA --nun unter Heranziehung von § 129 Satz 1 AO-- als unbegründet zurück.

6

Das Finanzgericht (FG) gab der im Anschluss erhobenen Klage statt.

7

Es war im Wesentlichen der Ansicht, das FA sei zu einer Berichtigung nach § 129 Satz 1 AO nicht befugt gewesen. Denn bei der im Streitfall --ungeprüften-- Übernahme/Beistellung der nicht vollständig übermittelten Lohnsteuerdaten in das Veranlagungsprogramm handele es sich weder um einen Schreibfehler oder Rechenfehler noch um eine ähnliche offenbare Unrichtigkeit. Es liege vielmehr ein Fehler bei der Sachverhaltsermittlung vor, da die Veranlagungsbeamtin bei ihrer Vorgehensweise bewusst und gewollt in Kauf genommen habe, dass ggf. ein unzutreffender Sachverhalt der Veranlagung zugrunde gelegt werde.

8

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

9

Es beantragt,
das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

10

Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

11

Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht entschieden, dass das FA nicht befugt war, den bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid zu ändern.

12

1. Nach § 129 Satz 1 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen.

13

a) Solche offenbare Unrichtigkeiten sind insbesondere mechanische Versehen, beispielsweise Eingabe- oder Übertragungsfehler. Dagegen zählen zu solchen offenbaren Unrichtigkeiten nicht Fehler bei der Auslegung oder Anwendung einer Rechtsnorm, eine unrichtige Tatsachenwürdigung oder die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts. Dabei ist § 129 AO schon dann nicht anwendbar, wenn auch nur die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache auf einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- oder Überlegungsfehler gründet oder auf mangelnder Sachverhaltsaufklärung beruht (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschluss vom 28. Mai 2015 VI R 63/13, BFH/NV 2015, 1078, m.w.N.). Diese Möglichkeit darf allerdings nicht nur theoretischer Natur sein. Vielmehr muss sie sich durch vom Gericht festgestellte Tatsachen belegen lassen. Deuten die Gesamtumstände des Falles auf ein mechanisches Versehen hin und liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Fehler auf rechtliche oder tatsächliche Erwägungen zurückzuführen ist, so kann berichtigt werden (Senatsurteil vom 13. Juni 2012 VI R 85/10, BFHE 238, 295, BStBl II 2013, 5).

14

b) Entsprechend ist nicht jede versehentlich unberücksichtigte Tatsache mit einer unvollständigen Sachverhaltsermittlung gleichzusetzen. Eine der Berichtigung entgegenstehende unvollständige Sachverhaltsermittlung ist erst anzunehmen, wenn für die Besteuerung wesentliche Tatsachen nicht durch ein mechanisches Versehen unberücksichtigt geblieben sind. Ermittlungsfehler gehen über mechanische Versehen bei der Heranziehung des Sachverhalts zur Steuerfestsetzung hinaus, weil ein Teil des rechtserheblichen Sachverhalts wegen fehlerhaft unterlassener oder unrichtiger Tatsachenaufklärung noch nicht bekannt ist. Ist dagegen ohne weitere Prüfung erkennbar, dass ein Teil des bekannten Sachverhalts aus Unachtsamkeit bei der Steuerfestsetzung nicht erfasst worden ist, darf diese offenbare Unrichtigkeit zugunsten und zuungunsten des Steuerpflichtigen durch Berichtigung der versehentlich fehlerhaften Steuerfestsetzung korrigiert werden (Senatsurteil vom 26. April 1989 VI R 39/85, BFH/NV 1989, 619; Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 13. November 1997 V R 138/92, BFH/NV 1998, 419).

15

c) Liegt eine offenbare Unrichtigkeit vor, ist die Berichtigungsmöglichkeit nach § 129 Satz 1 AO nicht von Verschuldensfragen abhängig, weshalb die oberflächliche Behandlung eines Steuerfalls grundsätzlich eine Berichtigung nach dieser Vorschrift nicht hindert (BFH-Urteile vom 28. November 1985 IV R 178/83, BFHE 145, 226, BStBl II 1986, 293; vom 10. September 1987 V R 69/84, BFHE 150, 509, BStBl II 1987, 834; vom 4. November 1992 XI R 40/91, BFH/NV 1993, 509; vom 11. Juli 2007 XI R 17/05, BFH/NV 2007, 1810; vom 21. Januar 2010 III R 22/08, BFH/NV 2010, 1410; vom 7. November 2013 IV R 13/11, BFH/NV 2014, 657, und Senatsbeschluss in BFH/NV 2015, 1078). Anders ist dies erst, wenn sich die Unachtsamkeit bei der Bearbeitung des Falls häuft und Zweifeln, die sich aufdrängen, nicht nachgegangen wird (BFH-Urteil in BFH/NV 1993, 509).

16

2. Bei Heranziehung dieser Grundsätze hat das FG zu Recht eine Berichtigung des Einkommensteuerbescheids 2011 nach § 129 AO abgelehnt.

17

Im Streitfall hat die Klägerin den von ihr im Streitjahr bezogenen Arbeitslohn zutreffend gegenüber dem FA erklärt. Das FA hat diese Angaben auf Seite 1 der Anlage N jedoch --aus verwaltungsökonomischen Gründen möglicherweise nachvollziehbar-- bewusst nicht in den Blick genommen, weil es allgemein darauf vertraute, dass die vom Arbeitgeber elektronisch übermittelten Daten --wie üblich-- zutreffend sind und vor Beginn der Bearbeitung der Steuererklärung vollständig vom Computersystem der Finanzbehörden übernommen werden. Es hat deshalb insbesondere bewusst keinen Abgleich der der Einkommensteuererklärung der Kläger elektronisch "beigestellten" Daten mit den von diesen erklärten Daten vorgenommen. Führt diese vom FA gewählte Vorgehensweise bei der Bearbeitung einer Einkommensteuererklärung zu einer unzutreffenden Erfassung des Arbeitslohns, stellt dieser Fehler keine einem Schreib- oder Rechenfehler gleichgestellte ähnliche offenbare Unrichtigkeit und damit kein mechanisches Versehen dar. Durch den bewusst unterlassenen Abgleich der der Steuererklärung elektronisch beigestellten Daten mit den vom Steuerpflichtigen erklärten Daten liegt insbesondere kein bloßes Übersehen erklärter Daten vor, das regelmäßig zu einer Berichtigungsmöglichkeit nach § 129 AO führt (z.B. Senatsurteile vom 29. März 1985 VI R 140/81, BFHE 144, 118, BStBl II 1985, 569, und in BFH/NV 1989, 619). Das FA hat vielmehr im Streitfall den zutreffenden Arbeitslohn nicht aufgeklärt, obwohl der von den Klägern erklärte Arbeitslohn nicht mit dem elektronisch beigestellten Arbeitslohn übereinstimmte. Insoweit liegt ein Ermittlungsfehler des FA vor, der eine spätere Berichtigung des infolgedessen aufgetretenen Fehlers ausschließt.

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3. Das FG hat zudem rechtsfehlerfrei entschieden, dass eine Änderung gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht möglich ist, was das FA auch nicht in Frage stellt. Der Senat sieht daher insoweit von einer weiteren Begründung ab.

19

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an die rechtliche Beurteilung gebunden, die der Aufhebung zugrunde liegt, an die tatsächliche so weit, als nicht neu bekannt werdende Tatsachen und Beweismittel eine andere Beurteilung rechtfertigen. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Finanzbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, dass die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Satz 1 gilt nicht, soweit der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht nachgekommen ist und deshalb die Besteuerungsgrundlagen geschätzt worden sind. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlass des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, dass Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluss kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Wird zu einem schriftlich ergangenen Verwaltungsakt die Berichtigung begehrt, ist die Finanzbehörde berechtigt, die Vorlage des Schriftstücks zu verlangen, das berichtigt werden soll.

(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

(1) Ein Steuerbescheid ist aufzuheben oder zu ändern, soweit von der mitteilungspflichtigen Stelle an die Finanzbehörden übermittelte Daten im Sinne des § 93c bei der Steuerfestsetzung nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden.

(2) Gelten Daten, die von mitteilungspflichtigen Stellen nach Maßgabe des § 93c an die Finanzverwaltung übermittelt wurden, nach § 150 Absatz 7 Satz 2 als Angaben des Steuerpflichtigen, ist der Steuerbescheid aufzuheben oder zu ändern, soweit diese Daten zu Ungunsten des Steuerpflichtigen unrichtig sind.

(3) Ist eine Einwilligung des Steuerpflichtigen in die Übermittlung von Daten im Sinne des § 93c an die Finanzbehörden Voraussetzung für die steuerliche Berücksichtigung der Daten, so ist ein Steuerbescheid aufzuheben oder zu ändern, soweit die Einwilligung nicht vorliegt.

(4) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht, wenn nachträglich übermittelte Daten im Sinne des § 93c Absatz 1 oder 3 nicht rechtserheblich sind.

Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Wird zu einem schriftlich ergangenen Verwaltungsakt die Berichtigung begehrt, ist die Finanzbehörde berechtigt, die Vorlage des Schriftstücks zu verlangen, das berichtigt werden soll.

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. April 2013  4 K 2093/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob ein bestandskräftiger Einkommensteuerbescheid wegen offenbarer Unrichtigkeit geändert werden durfte.

2

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger), Eheleute, begehrten im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (2009) für haushaltsnahe Dienstleistungen in Höhe von 278 € die Steuervergünstigung nach § 35a des Einkommensteuergesetzes. Bei der Steuerveranlagung verminderte der Veranlagungsbeamte die anzuerkennenden haushaltsnahen Dienstleistungen auf 252 €, weil 26 € bereits im Vorjahr berücksichtigt worden waren. Dementsprechend hatte er im Mantelbogen den erklärten Betrag (278 €) von Hand durchgestrichen und den korrigierten Betrag (252 €) dem gestrichenen Betrag handschriftlich vorangestellt. In dem darauf ergangenen Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 6. April 2011 ermäßigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Einkommensteuer allerdings nicht auf der Grundlage des korrigierten Betrags von 252 €, sondern um 4.000 €; in den Erläuterungen wies das FA darauf hin, dass die Schornsteinfegerrechnung vom 3. Dezember 2008 (26 €) bereits in der Veranlagung 2008 berücksichtigt worden sei.

3

Nachdem das FA bemerkt hatte, dass die Steuerermäßigung für die haushaltsnahe Dienstleistung um 3.949 € zu hoch angesetzt worden war, erließ es ohne vorherige Anhörung der Kläger den hier streitigen geänderten Einkommensteuerbescheid vom 11. Mai 2012. Gestützt auf § 129 der Abgabenordnung (AO) reduzierte das FA die Steuerermäßigung von 4.000 € auf 51 € (20 % von 252 €) und erhöhte dementsprechend die festzusetzende Einkommensteuer für 2009 um 3.949 €. In den Erläuterungen zur Festsetzung war ausgeführt, dass aufgrund eines Eingabefehlers ein zu hoher Betrag angerechnet worden sei. Die Aufwendungen hätten nicht mit 278 €, sondern mit 252 € angesetzt werden sollen, es sei aber die Zahl 278252 eingegeben worden.

4

Bei Eingabe des fehlerhaften Betrags von 278.252 € habe das Programm nach Mitteilung des FA einen Hinweis mit folgendem Text ausgegeben: "Bitte die Aufwendungen für die Inanspruchnahme haushaltsnaher Dienstleistungen/einer Hilfe im Haushalt (Kz. 18.210) prüfen, ggfs. Rechnung und Zahlungsnachweis anfordern."

5

Die Kläger wandten sich mit der Anfechtungsklage gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid vom 11. Mai 2012 und begehrten dessen ersatzlose Aufhebung.

6

Im Streitfall sei nicht von einem bloßen Schreib- oder Rechenfehler auszugehen. Sie --die Kläger-- bestritten, dass die fehlerhafte Eintragung auf einen fehlerhaften Doppelklick in der Eintragungsposition der Bearbeitungsmaske zurückzuführen sei. Aus dem Steuerbescheid selbst sei nicht erkennbar, dass es an dieser Position zu Fehlern gekommen sei, nachdem der Ausgangsbescheid ausdrücklich erläutert hätte, dass die Position in ihrer Höhe überprüft und entsprechend angesetzt worden sei. Es liege eine Sachentscheidung und nicht etwa ein bloßer Eingabefehler vor.

7

Wenn eine Plausibilitätskontrolle stattgefunden habe, der Bearbeiter jedoch offensichtlich keine Veranlassung für eine nochmalige Prüfung der Aufwendungen gesehen habe, liege damit kein bloßer Schreib- oder Rechenfehler vor. Vielmehr habe der Sachbearbeiter aufgrund eigener Prüfung eine inhaltliche Entscheidung getroffen. Dies gehe über einen bloßen Schreib- und Rechenfehler hinaus, so dass § 129 AO nicht anwendbar sei.

8

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 1978 veröffentlichten Gründen abgewiesen.

9

Die Kläger rügen mit der Revision die Verletzung des § 129 AO. Im Streitfall liege insbesondere eine eigenständige Entscheidung des Sachbearbeiters zu Grunde, den Kontrollhinweis unbeachtet zu lassen. Dies sei nicht mehr von § 129 AO erfasst und auch nicht vergleichbar mit anderen offensichtlichen Unrichtigkeiten. Der Fall sei auch nicht mit dem Übersehen einer Hinweismitteilung als Nachlässigkeit im Sinne der Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 18. April 1986 VI R 4/83 (BFHE 146, 350, BStBl II 1986, 541) vergleichbar. Denn hier sei vom FG festgestellt, dass der Bearbeiter keine Veranlassung gesehen habe, die Eintragung nochmals zu überprüfen, so dass insoweit gerade kein Flüchtigkeitsfehler vorliege, sondern eine bewusste Entscheidung, diese Frage nicht nochmals aufzugreifen. Diese konkrete Willensbildung des Sachbearbeiters, eine Überprüfung nicht mehr vorzunehmen, sei an § 129 AO zu messen. Danach scheide eine Änderung des bestandskräftigen Bescheids aus.

10

Sie beantragen,
unter Aufhebung des Urteils des FG Rheinland-Pfalz vom 18. April 2013 sowie der Einspruchsentscheidung des FA vom 29. Juni 2012 den Änderungsbescheid über Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag für das Jahr 2009 vom 11. Mai 2012 aufzuheben.

11

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

12

II. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Revision ist daher als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

13

1. Nach § 129 Satz 1 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Solche offenbare Unrichtigkeiten sind insbesondere mechanische Versehen, beispielsweise Eingabe- oder Übertragungsfehler. Dagegen zählen zu solchen offenbaren Unrichtigkeiten nicht Fehler bei der Auslegung oder Anwendung einer Rechtsnorm, eine unrichtige Tatsachenwürdigung oder die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts. Dabei ist § 129 AO schon dann nicht anwendbar, wenn auch nur die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache auf einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- oder Überlegungsfehler gründet oder auf mangelnder Sachverhaltsaufklärung beruht (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 1. August 2012 IX R 4/12, BFH/NV 2013, 1; vom 13. Juni 2012 VI R 85/10, BFHE 238, 295, BStBl II 2013, 5; vom 27. Mai 2009 X R 47/08, BFHE 226, 8, BStBl II 2009, 946).

14

2. Gemessen daran begegnet die Entscheidung und Würdigung des FG, dass im Streitfall ein mechanisches Versehen i.S. des § 129 AO vorliegt und ein Tatsachen- oder Rechtsirrtum ausgeschlossen werden kann, keinen revisionsrechtlichen Bedenken.

15

a) Das FG hat zutreffend entschieden, dass die Eingabe des Betrags "252" ohne vorherige Streichung des Betrags "278" eine solche offenbare Unrichtigkeit im Sinne eines Schreibfehlers ist. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig; denn auch die Kläger räumen ein, dass dieser Eintrag als Schreibfehler zu behandeln sei, da es nicht darauf ankomme, ob dieser Fehler per Hand oder durch Eingabe in einen Rechner erfolge. Dem ist zuzustimmen.

16

b) Die Würdigung des FG, dass trotz des ergangenen Prüfhinweises ein möglicher Rechtsanwendungsfehler ausgeschlossen werden könne, hält ebenfalls revisionsrechtlicher Überprüfung stand.

17

aa) Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des BFH, dass das Übersehen eines Prüfhinweises oder eine besonders oberflächliche Behandlung des Steuerfalls durch die Behörde unabhängig von Verschuldenserwägungen eine Berichtigung des Steuerbescheids nicht ausschließt, solange die diesbezügliche Überprüfung nicht zu einer neuen Willensbildung des zuständigen Veranlagungsbeamten im Tatsachen- oder Rechtsbereich geführt hat (Senatsurteil in BFHE 146, 350, BStBl II 1986, 541; BFH-Urteile vom 11. Juli 2007 XI R 17/05, BFH/NV 2007, 1810; vom 7. November 2013 IV R 13/11, BFH/NV 2014, 657). Bleibt ein Prüfhinweis unbeachtet, perpetuiert sich lediglich der Eingabefehler des Sachbearbeiters. Die Frage, ob ein mechanisches Versehen oder ein die Berichtigung nach § 129 AO ausschließender Tatsachen- oder Rechtsirrtum vorliegt, beurteilt sich nach den Verhältnissen des Einzelfalls, insbesondere nach der Aktenlage, ist mithin im Wesentlichen eine Tatfrage und unterliegt damit der revisionsgerichtlichen Prüfung nur in eingeschränktem Umfang (BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 657, m.w.N.).

18

bb) Das FG hat seine Überzeugung, dass auch nach Ergehen des Prüfhinweises keine Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Willensbildung durch den Veranlagungsbeamten vorlägen, im Wesentlichen darauf gestützt, dass ein geschulter Veranlagungsbeamter nicht die unzutreffende Rechtsansicht entwickeln könnte, bei einem für haushaltsnahe Dienstleistungen geltend gemachten Betrag von 278 € seien mindestens 20.000 € als haushaltsnahe Dienstleistungen steuermindernd zu berücksichtigen; dies läge außerhalb des Vorstellbaren. Angesichts dessen sei die tatsächlich gewährte Steuerermäßigung in Höhe von 4.000 € nur erklärlich, wenn man davon ausgehe, dass der Veranlagungsbeamte entgegen dem Prüfhinweis die inhaltliche Kontrolle der haushaltsnahen Dienstleistungen pflichtwidrig unterlassen habe. Ein solches pflichtwidriges Unterlassen bedeute aber nicht, dass der Veranlagungsbeamte die fehlerhafte Gewährung auch rechtlich gebilligt hätte. Vielmehr liege lediglich ein besonders nachlässiges Verhalten vor, das aber nicht die Annahme rechtfertige, der Veranlagungsbeamte sei einem Rechtsirrtum unterlegen. Diese Würdigung des FG ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden; sie ist angesichts der konkreten Tatumstände jedenfalls möglich, wenn nicht sogar naheliegend.

19

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Wird zu einem schriftlich ergangenen Verwaltungsakt die Berichtigung begehrt, ist die Finanzbehörde berechtigt, die Vorlage des Schriftstücks zu verlangen, das berichtigt werden soll.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 3. Juli 2014  4 K 2025/11 aufgehoben.

Die Sache wird an das Finanzgericht Köln zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erzielte im Streitjahr 2008 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und aus Kapitalvermögen. In seiner ohne Mitwirkung eines steuerlichen Beraters erstellten, am 9. Juni 2009 bei dem damals für die Veranlagung zuständigen Finanzamt A-Stadt in Papierform eingereichten Einkommensteuererklärung für 2008 nahm er in Zeile 64 des Mantelbogens "Beiträge zu (...) eigenen kapital-gedeckten Rentenversicherungen (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b EStG) mit Laufzeitbeginn nach dem 31.12.2004" keine Eintragung vor. Allerdings enthielt die der Steuererklärung beigefügte Belegsammlung nach den --vom Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) nicht angegriffenen-- Feststellungen der Vorinstanz eine Bescheinigung der X-Versicherung vom 17. Februar 2009, die das Finanzgericht (FG) durch Bezugnahme zum Gegenstand seines Urteils gemacht hat. Die Bescheinigung hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

        

"Sehr geehrter Herr (...),
wir bescheinigen Ihnen für das Kalenderjahr 2008 folgende Versicherungsbeiträge:
(...) 2.460,00 EUR
Wir bestätigen, dass es sich um als Sonderausgaben abzugsfähige Beiträge zu einem Basisrentenvertrag (...) gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2b EStG handelt.
Der Vertrag sieht die Zahlung einer lebenslangen Leibrente vor, die nicht vor Vollendung des 60. Lebensjahres erbracht wird.
Die Versorgungsansprüche sind nicht
–   beleihbar
–   vererblich
–   veräußerbar
–   übertragbar
–   oder kapitalisierbar.
Von den gezahlten Beträgen werden mindestens 50 % für die Hauptversicherung (Altersversorgung) verwendet."

2

Zu der in § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Streitjahres (EStG 2008) für den Sonderausgabenabzug zusätzlich normierten Voraussetzung, wonach "darüber hinaus kein Anspruch auf Auszahlungen" bestehen darf, enthielt die Bescheinigung keine Angaben.

3

Das Finanzamt A-Stadt setzte die Einkommensteuer des Klägers für das Jahr 2008 mit Bescheid vom 22. Juni 2009 erklärungsgemäß fest. Einen Sonderausgabenabzug gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG 2008 gewährte es nicht, weil der zuständige Bearbeiter nach --vom FA ebenfalls nicht beanstandeter-- Überzeugung der Vorinstanz bei "lebensnaher Betrachtung der Verhältnisse des Einzelfalls (...) die vorliegende Bescheinigung der X-Versicherung bei Durchführung der Einkommensteuerveranlagungen 2008 schlicht übersehen" habe. Der Einkommensteuerbescheid wurde bestandskräftig.

4

Einen mit Schreiben vom 24. April 2010 gestellten Antrag des inzwischen steuerlich beratenen Klägers, die Einkommensteuerfestsetzung für 2008 wegen des unterbliebenen Sonderausgaben-abzugs gemäß § 129 der Abgabenordnung (AO) zu berichtigen, lehnte das Finanzamt A-Stadt mit Bescheid vom 5. Mai 2010 ab.

5

Seinen dagegen gerichteten Einspruch begründete der Kläger damit, er habe die Beiträge für die Basisrenten-Versicherung bei der Erstellung der Steuererklärung zwar zutreffend in eine Entwurfsfassung des Mantelbogens eingetragen, bei der Fertigung der Reinschrift diese Eintragung aber versehentlich nicht übernommen, was für das Finanzamt wegen der beigefügten Bescheinigung der X-Versicherung offensichtlich gewesen sei. Damit liege ein schlichter Übertragungsfehler vor, den das Finanzamt als offenbare Unrichtigkeit übernommen habe. Aus der Bescheinigung sei eindeutig erkennbar gewesen, dass der Versicherungsvertrag die Voraussetzungen des Sonderausgabenabzugs nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG 2008 erfülle. Zum Beleg seiner Rechtsauffassung führte er das Senatsurteil vom 27. Mai 2009 X R 47/08 (BFHE 226, 8, BStBl II 2009, 946) an.

6

Das zwischenzeitlich zuständig gewordene FA wies den Einspruch aus tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen als unbegründet zurück.

7

Der daraufhin erhobenen Klage gab das FG mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 1582 veröffentlichtem Urteil vom 3. Juli 2014 statt und verpflichtete das FA unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung dazu, den Kläger hinsichtlich des Anspruchs auf Änderung der bestandskräftigen Einkommensteuerfestsetzung 2008 in Bezug auf die Berücksichtigung der Beiträge für die Basisrenten-Versicherung in Höhe von 2.460 € als Sonderausgaben unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Es erkannte, in der Nichtberücksichtigung der zwar nicht im Erklärungsvordruck, jedoch in der beigefügten Bescheinigung der X-Versicherung ausgewiesenen Versicherungsbeiträge liege ein von dem Finanzamt übernommener offenbarer Fehler der Steuererklärung. Dies begründe im Streitfall eine ähnliche offenbare Unrichtigkeit i.S. von § 129 Satz 1 AO. Allerdings sei der begehrte Sonderausgabenabzug von dem Nachweis abhängig, dass darüber hinaus kein Anspruch auf Auszahlungen gegeben sei. Insoweit bestehe noch Klärungsbedarf, sodass es in der Sache an der Spruchreife fehle.

8

Das FA stützt seine hiergegen eingelegte Revision auf die Verletzung materiellen Rechts (§ 129 AO) und von Verfahrensrecht (§ 76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Vorinstanz habe Bundesrecht verletzt, indem sie die Anwendbarkeit von § 129 Satz 1 AO im Streitfall bejaht habe, obwohl sie noch weitere Sachverhaltsaufklärung bezüglich der materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug für erforderlich gehalten habe. Darin liege der maßgebliche Unterschied zu dem vom FG zitierten Senatsbeschluss vom 27. Februar 2014 X B 157/13 (BFH/NV 2014, 825). In jenem Fall sei die dort streitgegenständliche steuerliche Relevanz der Renteneinkünfte eindeutig und vollständig aus dem Rentenbescheid hervorgegangen, was vorliegend gerade nicht der Fall sei. Die Sachaufklärungsrüge sei begründet, weil das FG pflichtwidrig nicht ermittelt habe, ob --was in der Bescheinigung der X-Versicherung offengeblieben sei-- weitergehende Auszahlungsansprüche aus der streitgegenständlichen Rentenversicherung bestünden.

9

Das FA beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise das Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

10

Der Kläger schließt sich der vom FG vertretenen Rechtsauffassung an und beantragt sinngemäß,
die Revision zurückzuweisen.

11

Die Entscheidung des FG, den Streitfall wegen weiterer Sachverhaltsaufklärungen an das FA "zurückzuverweisen", schließe die Annahme einer offenbaren Unrichtigkeit nicht grundsätzlich aus, was an dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 27. August 2013 VIII R 9/11 (BFHE 242, 302, BStBl II 2014, 439) deutlich werde. Außerdem sei dem Senatsbeschluss in BFH/NV 2014, 825 eine besondere Bedeutung für die vorliegende Rechtsfrage beizumessen. Dieser Fall sei mit dem Streitfall vergleichbar; die Einwendungen des FA, wonach sich aus der Bescheinigung der X-Versicherung nicht alle Tatbestandsmerkmale des Gesetzes ergäben, sei nicht zielführend, da bei jeder Bescheinigung ein Überprüfungsrecht der Finanzverwaltung bestehe. Außerdem sei der streitgegenständliche Basisrentenvertrag am 14. Dezember 2010 durch das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) zertifiziert und der Sonderausgabenabzug in den auf das Streitjahr folgenden Veranlagungszeiträumen zugelassen worden. Weitere Ermittlungsmaßnahmen seien demnach nicht erforderlich gewesen. Falls § 129 Satz 1 AO im Streitfall tatsächlich nicht einschlägig sei, müsse im Übrigen die Anwendbarkeit von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO geprüft werden.

Entscheidungsgründe

12

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).

13

Die Vorentscheidung ist bereits aus materiell-rechtlichen Gründen aufzuheben, weil das FG zu Unrecht entschieden hat, im Streitfall gestatte § 129 AO eine Berichtigung des streitgegenständlichen Einkommensteuerbescheids (unter 1.). Auf die vom FA erhobene Sachaufklärungsrüge kommt es folglich nicht mehr an. Die Sache ist indessen nicht spruchreif. Anhand der vom FG getroffenen Feststellungen kann der Senat nicht endgültig beurteilen, ob die vom Kläger beantragte Berücksichtigung der Versicherungsbeiträge als Sonderausgaben auf § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO gestützt werden kann (unter 2.).

14

1. Nach § 129 Satz 1 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes unterlaufen sind, jederzeit (innerhalb der Verjährungsfrist) berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen (§ 129 Satz 2 AO).

15

a) Offenbare Unrichtigkeiten i.S. von § 129 AO sind mechanische Versehen wie beispielsweise Eingabe- oder Übertragungsfehler. Dagegen schließen Fehler bei der Auslegung oder Anwendung einer Rechtsnorm, eine unrichtige Tatsachenwürdigung oder die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts eine offenbare Unrichtigkeit aus. § 129 AO ist ferner nicht anwendbar, wenn auch nur die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache in einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- oder Überlegungsfehler begründet ist oder auf mangelnder Sachverhaltsaufklärung beruht. Die Berichtigungsmöglichkeit nach § 129 AO setzt grundsätzlich voraus, dass der offenbare Fehler in der Sphäre der den Verwaltungsakt erlassenden Finanzbehörde entstanden ist (s. z.B. BFH-Urteil vom 16. September 2015 IX R 37/14, BFHE 250, 332, BStBl II 2015, 1040, Rz 17). Da die Unrichtigkeit nicht aus dem Bescheid selbst erkennbar sein muss, ist die Vorschrift aber auch dann anwendbar, wenn das Finanzamt offenbar fehlerhafte Angaben des Steuerpflichtigen als eigene übernimmt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil in BFHE 242, 302, BStBl II 2014, 439, Rz 15, m.w.N.).

16

Ob ein mechanisches Versehen oder ein die Berichtigung nach § 129 AO ausschließender Tatsachen- oder Rechtsirrtum vorliegt, muss nach den Verhältnissen des Einzelfalls und dabei insbesondere nach der Aktenlage beurteilt werden (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 5. Februar 1998 IV R 17/97, BFHE 185, 345, BStBl II 1998, 535; vom 16. März 2000 IV R 3/99, BFHE 191, 226, BStBl II 2000, 372, und vom 11. Juli 2007 XI R 17/05, BFH/NV 2007, 1810; jeweils m.w.N.). Dabei handelt es sich im Wesentlichen um eine Tatfrage, die der revisionsgerichtlichen Prüfung nur in eingeschränktem Umfang unterliegt (vgl. BFH-Urteile vom 1. Juli 2010 IV R 56/07, BFH/NV 2010, 2004, Rz 20, und vom 13. Juni 2012 VI R 85/10, BFHE 238, 295, BStBl II 2013, 5, Rz 18).

17

b) Die Würdigung des FG, mit der es eine Berichtigung des Einkommensteuerbescheids 2008 dem Grunde nach zugelassen hat, hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.

18

aa) Das FG hat in der Nichtberücksichtigung der Beiträge des Klägers zur Basisrenten-Versicherung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG 2008 eine aus dem unvollständig ausgefüllten Mantelbogen übernommene offenbare Unrichtigkeit gesehen, weil die Angaben in der dem FA vorgelegten Bescheinigung der X-Versicherung einen offensichtlichen Widerspruch zu den fehlenden Eintragungen in Zeile 64 des Erklärungsvordrucks begründeten. Somit hat die Vorinstanz hinsichtlich der Offenbarkeit der von ihr angenommenen Unrichtigkeit wesentlich auf den Inhalt der --nach ihrer Überzeugung vom Veranlagungssachbearbeiter "schlicht übersehen(en)"-- Versicherungsbescheinigung abgestellt.

19

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist eine Unrichtigkeit hingegen dann offenbar, wenn der Fehler bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und eindeutig als offenbare Unrichtigkeit erkennbar ist (z.B. BFH-Urteile vom 4. Juni 2008 X R 47/07, BFH/NV 2008, 1801, Rz 13; in BFHE 238, 295, BStBl II 2013, 5, Rz 19; vom 6. November 2012 VIII R 15/10, BFHE 239, 296, BStBl II 2013, 307, Rz 15, und in BFHE 242, 302, BStBl II 2014, 439, Rz 14).

20

bb) Bei Anwendung dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung auf den Streitfall ist eine Berichtigung des Einkommensteuerbescheids 2008 gemäß § 129 AO nicht möglich.

21

(1) Da von einer objektivierten Sichtweise auszugehen ist, ist bei dem (fiktiven) unvoreingenommenen Dritten grundsätzlich vom Akteninhalt --Steuererklärung, deren Anlagen sowie die Unterlagen für das betreffende Veranlagungsjahr-- auszugehen. Dies findet seine Begründung darin, dass eine Anknüpfung an aktenkundige Umstände bei objektiver Betrachtungsweise regelmäßig besonders naheliegt (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2010, 2004, Rz 24). Im Streitfall bedeutet dies, dass dem unvoreingenommenen Dritten aufgrund der beigefügten Bescheinigung der X-Versicherung deren Inhalte bekannt waren.

22

(2) Die Bescheinigung äußerte sich indes nicht zu allen in § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG 2008 für den Sonderausgabenabzug aufgestellten Tatbestandsvoraussetzungen. Es fehlte an Angaben dazu, ob dem Kläger aufgrund des mit der X-Versicherung geschlossenen Vertrags über die Basisrenten-Versicherung neben dem Rentenauszahlungsanspruch weitere ("darüber hinaus") wie auch immer geartete Auszahlungsansprüche zustanden. Nur wenn dem nicht so gewesen sein sollte, wäre eine Unrichtigkeit des streitgegenständlichen Einkommensteuerbescheids aufgrund Nichtberücksichtigung der Versicherungsbeiträge als Sonderausgaben für jeden unvoreingenommenen Dritten anhand des Inhalts der Versicherungsbescheinigung klar und eindeutig als offenbare Unrichtigkeit erkennbar gewesen. Dem war hier jedoch nicht so. Vielmehr hätte es in diesem --die Sonderausgabenabzugsberechtigung dem Grunde nach betreffenden-- Punkt einer weiteren Sachaufklärung durch das FA bedurft (ebenso Graw, EFG 2015, 1583, 1584). In einer solchen Situation kann aber nicht mehr davon gesprochen werden, die Unrichtigkeit des betroffenen Verwaltungsaktes sei im genannten Sinne offenbar gewesen. Eine --in Abgrenzung dazu-- denklogisch nicht ausgeschlossene, jedoch nach den Umständen des Einzelfalls weder "auf der Hand" liegende noch durchschaubare, eindeutige oder augenfällige Unrichtigkeit gestattet die Vornahme einer Berichtigung nach § 129 Satz 1 AO gerade nicht (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 2014, 825, Rz 10).

23

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die X-Versicherung in der genannten Bescheinigung bestätigte, "dass es sich um als Sonderausgaben abzugsfähige Beiträge (...) gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2b EStG handelt". An dieses Vorbringen war das FA gemäß § 88 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 AO nicht gebunden. Dies gilt umso mehr, als in der Bescheinigung im Anschluss die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Halbsatz 4 EStG 2008 genannten Negativtatbestandsmerkmale in Spiegelstrichen aufgezählt wurden, wobei in dieser Aufzählung die zuletzt geforderte Abzugsvoraussetzung --"darüber hinaus kein Anspruch auf Auszahlungen"-- augenscheinlich fehlte.

24

Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang auf der Tatsachenebene eingewendet hat, der streitgegenständliche Basisrentenvertrag sei durch das BZSt zertifiziert gewesen, handelt es sich dabei --ungeachtet dessen, dass diese Zertifizierung erst im Jahr 2010, also nach Ausstellung der Versicherungsbescheinigung, erfolgt sein soll-- um einen außerhalb der Feststellungen des FG liegenden Umstand. Damit kann er im Revisionsverfahren nicht gehört werden (§ 118 Abs. 2 FGO).

25

(3) Dies unterscheidet den Streitfall von der Konstellation im Senatsbeschluss in BFH/NV 2014, 825, in der die nachträgliche Erfassung von Renteneinkünften keiner weiteren Prüfung durch das FA mehr unterzogen werden musste. Aus dem Rentenbescheid ergaben sich sämtliche für die Besteuerung maßgeblichen Informationen.

26

Aus der vom Kläger zitierten Entscheidung des VIII. Senats in BFHE 242, 302, BStBl II 2014, 439 geht ebenfalls nichts Abweichendes hervor. In jenem Fall waren die bei der Ermittlung der Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit geleisteten Umsatzsteuervorauszahlungen bei der Einkommensteuerfestsetzung unberücksichtigt geblieben, obwohl sich diese aus den zeitgleich eingereichten Umsatzsteuererklärungen ergaben und die Umsatzsteuer jeweils erklärungsgemäß vom FA festgesetzt worden war. Demnach war auch dort die Unrichtigkeit (Nichtabzug der gezahlten Vorsteuer als Betriebsausgabe) offenbar i.S. von § 129 Satz 1 AO (BFH-Urteil in BFHE 242, 302, BStBl II 2014, 439, unter II.2.). Zur Zurückverweisung dieser Sache an die Vorinstanz kam es allein aus prozessualen Gründen, weil die bisherigen tatsächlichen Feststellungen des FG nicht ausreichten, um den VIII. Senat in die Lage zu versetzen, die Höhe des Betriebsausgabenabzugs selbst zu bestimmen (BFH-Urteil in BFHE 242, 302, BStBl II 2014, 439, unter II.3.). Die für ein "Durchentscheiden" i.S. von § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO erforderlichen Tatsachen kann das Revisionsgericht --im Gegensatz zum FG-- nicht feststellen.

27

2. Auch vorliegend ist die Sache nicht spruchreif. Das FG hat sich --unter Zugrundelegung seiner Rechtsauffassung konsequent-- nicht mit dem Vorliegen der Voraussetzungen der Änderungsvorschrift des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO befasst und dementsprechend auch keine darauf bezogenen spezifischen Feststellungen getroffen. Diese sind nunmehr nachzuholen.

28

Sollte sich im zweiten Rechtsgang herausstellen, dass dem Kläger aufgrund des Basisrentenvertrags mit der X-Versicherung tatsächlich kein über den Rentenauszahlungsanspruch hinausgehender Auszahlungsanspruch zustand, wird das FG insbesondere aufklären und tatrichterlich bewerten müssen, ob den Kläger am nachträglichen Bekanntwerden dieser --für eine eventuelle Bescheidsänderung letztlich entscheidenden-- Tatsache ein grobes Verschulden trifft. Anknüpfungspunkte dieser Verschuldensprüfung können sowohl Versäumnisse bei der Erstellung der Steuererklärung (z.B. BFH-Beschluss vom 30. Januar 1997 III B 99/95, BFH/NV 1997, 385) als auch bei der Überprüfung des noch nicht bestandskräftigen Steuerbescheids sein (z.B. BFH-Urteil vom 4. Februar 1998 XI R 47/97, BFH/NV 1998, 682, unter II.c; s.a. Klein/Rüsken, Abgabenordnung, 13. Aufl., § 173 Rz 131 f.). Der dabei anzulegende Sorgfaltsmaßstab wird sich u.a. an der Überschaubarkeit der steuerlichen Verhältnisse des Klägers, d.h. dem Umfang und der Komplexität der von ihm sonst im Erklärungsvordruck vorgenommenen Eintragungen, und der --dazu ins Verhältnis zu setzenden-- wirtschaftlichen Bedeutung des nicht berücksichtigten Sonderausgabenabzugsbetrags auszurichten haben. Ein die Änderung ausschließendes grobes Verschulden läge danach dann vor, wenn das FG zu der Überzeugung gelangte, der nicht erfolgte Übertrag bzw. die Nichtberücksichtigung der Versicherungsbeiträge im Steuerbescheid hätten sich bereits bei einer nur flüchtigen Kontrolle des Mantelbogens bzw. Steuerbescheids durch den Kläger unschwer feststellen lassen.

29

Zu dem vom Kläger in diesem Zusammenhang zitierten BFH-Urteil vom 10. Februar 2015 IX R 18/14 (BFHE 249, 195) ist abschließend zu bemerken, dass der Begriff des Verschuldens i.S. von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO bei schriftlich und elektronisch gefertigten Steuererklärungen identisch auszulegen ist (Senatsurteil vom 18. März 2014 X R 8/11, BFH/NV 2014, 1347, unter II.3.). Danach ist es --wie auch hier-- im Wesentlichen Tatfrage, ob ein Beteiligter grob fahrlässig gehandelt hat.

30

3. Der Senat hält es für angebracht, ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu entscheiden (§ 90a Abs. 1, § 121 Satz 1 FGO).

31

Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 14. März 2016  5 K 1920/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute und wurden für das Streitjahr (2011) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Die Klägerin war im Streitjahr vom 1. Januar bis zum 31. August 2011 zunächst bei der Firma X GmbH und vom 1. September bis zum 31. Dezember 2011 bei der Firma Y GmbH beschäftigt. Ihre Einkommensteuererklärung für das Streitjahr reichten die Kläger am 14. Mai 2012 in Maschinenschrift zusammen mit Belegen beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) ein. Für die Klägerin erklärten sie in der Anlage N den Bruttoarbeitslohn zutreffend mit ... €.

2

Im Einkommensteuerbescheid vom 10. Juli 2012 setzte das FA bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit den Bruttoarbeitslohn mit ... € an. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

3

Im November 2013 stellte das FA fest, dass seit dem 22. August 2012 Lohndaten aus dem Beschäftigungsverhältnis der Klägerin bei der Firma X GmbH vorlagen, die in dem Bescheid nicht berücksichtigt worden waren. Die Daten summierten sich mit den im Steuerbescheid --aus dem Beschäftigungsverhältnis bei der Firma Y GmbH-- berücksichtigten Daten auf den Betrag, den die Klägerin in der Steuererklärung angegeben hatte.

4

Das FA erließ daraufhin am 9. Dezember 2013 einen --zunächst auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) gestützten-- Änderungsbescheid. Grundlage für die Änderung seien die von der X GmbH nach der Veranlagung übermittelten geänderten Lohndaten.

5

Den Einspruch der Kläger wies das FA --nun unter Heranziehung von § 129 Satz 1 AO-- als unbegründet zurück.

6

Das Finanzgericht (FG) gab der im Anschluss erhobenen Klage statt.

7

Es war im Wesentlichen der Ansicht, das FA sei zu einer Berichtigung nach § 129 Satz 1 AO nicht befugt gewesen. Denn bei der im Streitfall --ungeprüften-- Übernahme/Beistellung der nicht vollständig übermittelten Lohnsteuerdaten in das Veranlagungsprogramm handele es sich weder um einen Schreibfehler oder Rechenfehler noch um eine ähnliche offenbare Unrichtigkeit. Es liege vielmehr ein Fehler bei der Sachverhaltsermittlung vor, da die Veranlagungsbeamtin bei ihrer Vorgehensweise bewusst und gewollt in Kauf genommen habe, dass ggf. ein unzutreffender Sachverhalt der Veranlagung zugrunde gelegt werde.

8

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

9

Es beantragt,
das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

10

Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

11

Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht entschieden, dass das FA nicht befugt war, den bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid zu ändern.

12

1. Nach § 129 Satz 1 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen.

13

a) Solche offenbare Unrichtigkeiten sind insbesondere mechanische Versehen, beispielsweise Eingabe- oder Übertragungsfehler. Dagegen zählen zu solchen offenbaren Unrichtigkeiten nicht Fehler bei der Auslegung oder Anwendung einer Rechtsnorm, eine unrichtige Tatsachenwürdigung oder die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts. Dabei ist § 129 AO schon dann nicht anwendbar, wenn auch nur die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache auf einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- oder Überlegungsfehler gründet oder auf mangelnder Sachverhaltsaufklärung beruht (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschluss vom 28. Mai 2015 VI R 63/13, BFH/NV 2015, 1078, m.w.N.). Diese Möglichkeit darf allerdings nicht nur theoretischer Natur sein. Vielmehr muss sie sich durch vom Gericht festgestellte Tatsachen belegen lassen. Deuten die Gesamtumstände des Falles auf ein mechanisches Versehen hin und liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Fehler auf rechtliche oder tatsächliche Erwägungen zurückzuführen ist, so kann berichtigt werden (Senatsurteil vom 13. Juni 2012 VI R 85/10, BFHE 238, 295, BStBl II 2013, 5).

14

b) Entsprechend ist nicht jede versehentlich unberücksichtigte Tatsache mit einer unvollständigen Sachverhaltsermittlung gleichzusetzen. Eine der Berichtigung entgegenstehende unvollständige Sachverhaltsermittlung ist erst anzunehmen, wenn für die Besteuerung wesentliche Tatsachen nicht durch ein mechanisches Versehen unberücksichtigt geblieben sind. Ermittlungsfehler gehen über mechanische Versehen bei der Heranziehung des Sachverhalts zur Steuerfestsetzung hinaus, weil ein Teil des rechtserheblichen Sachverhalts wegen fehlerhaft unterlassener oder unrichtiger Tatsachenaufklärung noch nicht bekannt ist. Ist dagegen ohne weitere Prüfung erkennbar, dass ein Teil des bekannten Sachverhalts aus Unachtsamkeit bei der Steuerfestsetzung nicht erfasst worden ist, darf diese offenbare Unrichtigkeit zugunsten und zuungunsten des Steuerpflichtigen durch Berichtigung der versehentlich fehlerhaften Steuerfestsetzung korrigiert werden (Senatsurteil vom 26. April 1989 VI R 39/85, BFH/NV 1989, 619; Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 13. November 1997 V R 138/92, BFH/NV 1998, 419).

15

c) Liegt eine offenbare Unrichtigkeit vor, ist die Berichtigungsmöglichkeit nach § 129 Satz 1 AO nicht von Verschuldensfragen abhängig, weshalb die oberflächliche Behandlung eines Steuerfalls grundsätzlich eine Berichtigung nach dieser Vorschrift nicht hindert (BFH-Urteile vom 28. November 1985 IV R 178/83, BFHE 145, 226, BStBl II 1986, 293; vom 10. September 1987 V R 69/84, BFHE 150, 509, BStBl II 1987, 834; vom 4. November 1992 XI R 40/91, BFH/NV 1993, 509; vom 11. Juli 2007 XI R 17/05, BFH/NV 2007, 1810; vom 21. Januar 2010 III R 22/08, BFH/NV 2010, 1410; vom 7. November 2013 IV R 13/11, BFH/NV 2014, 657, und Senatsbeschluss in BFH/NV 2015, 1078). Anders ist dies erst, wenn sich die Unachtsamkeit bei der Bearbeitung des Falls häuft und Zweifeln, die sich aufdrängen, nicht nachgegangen wird (BFH-Urteil in BFH/NV 1993, 509).

16

2. Bei Heranziehung dieser Grundsätze hat das FG zu Recht eine Berichtigung des Einkommensteuerbescheids 2011 nach § 129 AO abgelehnt.

17

Im Streitfall hat die Klägerin den von ihr im Streitjahr bezogenen Arbeitslohn zutreffend gegenüber dem FA erklärt. Das FA hat diese Angaben auf Seite 1 der Anlage N jedoch --aus verwaltungsökonomischen Gründen möglicherweise nachvollziehbar-- bewusst nicht in den Blick genommen, weil es allgemein darauf vertraute, dass die vom Arbeitgeber elektronisch übermittelten Daten --wie üblich-- zutreffend sind und vor Beginn der Bearbeitung der Steuererklärung vollständig vom Computersystem der Finanzbehörden übernommen werden. Es hat deshalb insbesondere bewusst keinen Abgleich der der Einkommensteuererklärung der Kläger elektronisch "beigestellten" Daten mit den von diesen erklärten Daten vorgenommen. Führt diese vom FA gewählte Vorgehensweise bei der Bearbeitung einer Einkommensteuererklärung zu einer unzutreffenden Erfassung des Arbeitslohns, stellt dieser Fehler keine einem Schreib- oder Rechenfehler gleichgestellte ähnliche offenbare Unrichtigkeit und damit kein mechanisches Versehen dar. Durch den bewusst unterlassenen Abgleich der der Steuererklärung elektronisch beigestellten Daten mit den vom Steuerpflichtigen erklärten Daten liegt insbesondere kein bloßes Übersehen erklärter Daten vor, das regelmäßig zu einer Berichtigungsmöglichkeit nach § 129 AO führt (z.B. Senatsurteile vom 29. März 1985 VI R 140/81, BFHE 144, 118, BStBl II 1985, 569, und in BFH/NV 1989, 619). Das FA hat vielmehr im Streitfall den zutreffenden Arbeitslohn nicht aufgeklärt, obwohl der von den Klägern erklärte Arbeitslohn nicht mit dem elektronisch beigestellten Arbeitslohn übereinstimmte. Insoweit liegt ein Ermittlungsfehler des FA vor, der eine spätere Berichtigung des infolgedessen aufgetretenen Fehlers ausschließt.

18

3. Das FG hat zudem rechtsfehlerfrei entschieden, dass eine Änderung gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht möglich ist, was das FA auch nicht in Frage stellt. Der Senat sieht daher insoweit von einer weiteren Begründung ab.

19

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Wird zu einem schriftlich ergangenen Verwaltungsakt die Berichtigung begehrt, ist die Finanzbehörde berechtigt, die Vorlage des Schriftstücks zu verlangen, das berichtigt werden soll.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 14. März 2016  5 K 1920/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute und wurden für das Streitjahr (2011) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Die Klägerin war im Streitjahr vom 1. Januar bis zum 31. August 2011 zunächst bei der Firma X GmbH und vom 1. September bis zum 31. Dezember 2011 bei der Firma Y GmbH beschäftigt. Ihre Einkommensteuererklärung für das Streitjahr reichten die Kläger am 14. Mai 2012 in Maschinenschrift zusammen mit Belegen beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) ein. Für die Klägerin erklärten sie in der Anlage N den Bruttoarbeitslohn zutreffend mit ... €.

2

Im Einkommensteuerbescheid vom 10. Juli 2012 setzte das FA bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit den Bruttoarbeitslohn mit ... € an. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

3

Im November 2013 stellte das FA fest, dass seit dem 22. August 2012 Lohndaten aus dem Beschäftigungsverhältnis der Klägerin bei der Firma X GmbH vorlagen, die in dem Bescheid nicht berücksichtigt worden waren. Die Daten summierten sich mit den im Steuerbescheid --aus dem Beschäftigungsverhältnis bei der Firma Y GmbH-- berücksichtigten Daten auf den Betrag, den die Klägerin in der Steuererklärung angegeben hatte.

4

Das FA erließ daraufhin am 9. Dezember 2013 einen --zunächst auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) gestützten-- Änderungsbescheid. Grundlage für die Änderung seien die von der X GmbH nach der Veranlagung übermittelten geänderten Lohndaten.

5

Den Einspruch der Kläger wies das FA --nun unter Heranziehung von § 129 Satz 1 AO-- als unbegründet zurück.

6

Das Finanzgericht (FG) gab der im Anschluss erhobenen Klage statt.

7

Es war im Wesentlichen der Ansicht, das FA sei zu einer Berichtigung nach § 129 Satz 1 AO nicht befugt gewesen. Denn bei der im Streitfall --ungeprüften-- Übernahme/Beistellung der nicht vollständig übermittelten Lohnsteuerdaten in das Veranlagungsprogramm handele es sich weder um einen Schreibfehler oder Rechenfehler noch um eine ähnliche offenbare Unrichtigkeit. Es liege vielmehr ein Fehler bei der Sachverhaltsermittlung vor, da die Veranlagungsbeamtin bei ihrer Vorgehensweise bewusst und gewollt in Kauf genommen habe, dass ggf. ein unzutreffender Sachverhalt der Veranlagung zugrunde gelegt werde.

8

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

9

Es beantragt,
das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

10

Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

11

Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht entschieden, dass das FA nicht befugt war, den bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid zu ändern.

12

1. Nach § 129 Satz 1 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen.

13

a) Solche offenbare Unrichtigkeiten sind insbesondere mechanische Versehen, beispielsweise Eingabe- oder Übertragungsfehler. Dagegen zählen zu solchen offenbaren Unrichtigkeiten nicht Fehler bei der Auslegung oder Anwendung einer Rechtsnorm, eine unrichtige Tatsachenwürdigung oder die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts. Dabei ist § 129 AO schon dann nicht anwendbar, wenn auch nur die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache auf einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- oder Überlegungsfehler gründet oder auf mangelnder Sachverhaltsaufklärung beruht (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschluss vom 28. Mai 2015 VI R 63/13, BFH/NV 2015, 1078, m.w.N.). Diese Möglichkeit darf allerdings nicht nur theoretischer Natur sein. Vielmehr muss sie sich durch vom Gericht festgestellte Tatsachen belegen lassen. Deuten die Gesamtumstände des Falles auf ein mechanisches Versehen hin und liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Fehler auf rechtliche oder tatsächliche Erwägungen zurückzuführen ist, so kann berichtigt werden (Senatsurteil vom 13. Juni 2012 VI R 85/10, BFHE 238, 295, BStBl II 2013, 5).

14

b) Entsprechend ist nicht jede versehentlich unberücksichtigte Tatsache mit einer unvollständigen Sachverhaltsermittlung gleichzusetzen. Eine der Berichtigung entgegenstehende unvollständige Sachverhaltsermittlung ist erst anzunehmen, wenn für die Besteuerung wesentliche Tatsachen nicht durch ein mechanisches Versehen unberücksichtigt geblieben sind. Ermittlungsfehler gehen über mechanische Versehen bei der Heranziehung des Sachverhalts zur Steuerfestsetzung hinaus, weil ein Teil des rechtserheblichen Sachverhalts wegen fehlerhaft unterlassener oder unrichtiger Tatsachenaufklärung noch nicht bekannt ist. Ist dagegen ohne weitere Prüfung erkennbar, dass ein Teil des bekannten Sachverhalts aus Unachtsamkeit bei der Steuerfestsetzung nicht erfasst worden ist, darf diese offenbare Unrichtigkeit zugunsten und zuungunsten des Steuerpflichtigen durch Berichtigung der versehentlich fehlerhaften Steuerfestsetzung korrigiert werden (Senatsurteil vom 26. April 1989 VI R 39/85, BFH/NV 1989, 619; Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 13. November 1997 V R 138/92, BFH/NV 1998, 419).

15

c) Liegt eine offenbare Unrichtigkeit vor, ist die Berichtigungsmöglichkeit nach § 129 Satz 1 AO nicht von Verschuldensfragen abhängig, weshalb die oberflächliche Behandlung eines Steuerfalls grundsätzlich eine Berichtigung nach dieser Vorschrift nicht hindert (BFH-Urteile vom 28. November 1985 IV R 178/83, BFHE 145, 226, BStBl II 1986, 293; vom 10. September 1987 V R 69/84, BFHE 150, 509, BStBl II 1987, 834; vom 4. November 1992 XI R 40/91, BFH/NV 1993, 509; vom 11. Juli 2007 XI R 17/05, BFH/NV 2007, 1810; vom 21. Januar 2010 III R 22/08, BFH/NV 2010, 1410; vom 7. November 2013 IV R 13/11, BFH/NV 2014, 657, und Senatsbeschluss in BFH/NV 2015, 1078). Anders ist dies erst, wenn sich die Unachtsamkeit bei der Bearbeitung des Falls häuft und Zweifeln, die sich aufdrängen, nicht nachgegangen wird (BFH-Urteil in BFH/NV 1993, 509).

16

2. Bei Heranziehung dieser Grundsätze hat das FG zu Recht eine Berichtigung des Einkommensteuerbescheids 2011 nach § 129 AO abgelehnt.

17

Im Streitfall hat die Klägerin den von ihr im Streitjahr bezogenen Arbeitslohn zutreffend gegenüber dem FA erklärt. Das FA hat diese Angaben auf Seite 1 der Anlage N jedoch --aus verwaltungsökonomischen Gründen möglicherweise nachvollziehbar-- bewusst nicht in den Blick genommen, weil es allgemein darauf vertraute, dass die vom Arbeitgeber elektronisch übermittelten Daten --wie üblich-- zutreffend sind und vor Beginn der Bearbeitung der Steuererklärung vollständig vom Computersystem der Finanzbehörden übernommen werden. Es hat deshalb insbesondere bewusst keinen Abgleich der der Einkommensteuererklärung der Kläger elektronisch "beigestellten" Daten mit den von diesen erklärten Daten vorgenommen. Führt diese vom FA gewählte Vorgehensweise bei der Bearbeitung einer Einkommensteuererklärung zu einer unzutreffenden Erfassung des Arbeitslohns, stellt dieser Fehler keine einem Schreib- oder Rechenfehler gleichgestellte ähnliche offenbare Unrichtigkeit und damit kein mechanisches Versehen dar. Durch den bewusst unterlassenen Abgleich der der Steuererklärung elektronisch beigestellten Daten mit den vom Steuerpflichtigen erklärten Daten liegt insbesondere kein bloßes Übersehen erklärter Daten vor, das regelmäßig zu einer Berichtigungsmöglichkeit nach § 129 AO führt (z.B. Senatsurteile vom 29. März 1985 VI R 140/81, BFHE 144, 118, BStBl II 1985, 569, und in BFH/NV 1989, 619). Das FA hat vielmehr im Streitfall den zutreffenden Arbeitslohn nicht aufgeklärt, obwohl der von den Klägern erklärte Arbeitslohn nicht mit dem elektronisch beigestellten Arbeitslohn übereinstimmte. Insoweit liegt ein Ermittlungsfehler des FA vor, der eine spätere Berichtigung des infolgedessen aufgetretenen Fehlers ausschließt.

18

3. Das FG hat zudem rechtsfehlerfrei entschieden, dass eine Änderung gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht möglich ist, was das FA auch nicht in Frage stellt. Der Senat sieht daher insoweit von einer weiteren Begründung ab.

19

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Wird zu einem schriftlich ergangenen Verwaltungsakt die Berichtigung begehrt, ist die Finanzbehörde berechtigt, die Vorlage des Schriftstücks zu verlangen, das berichtigt werden soll.

(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

1Der Altersentlastungsbetrag ist bis zu einem Höchstbetrag im Kalenderjahr ein nach einem Prozentsatz ermittelter Betrag des Arbeitslohns und der positiven Summe der Einkünfte, die nicht solche aus nichtselbständiger Arbeit sind.2Bei der Bemessung des Betrags bleiben außer Betracht:

1.
Versorgungsbezüge im Sinne des § 19 Absatz 2;
2.
Einkünfte aus Leibrenten im Sinne des § 22 Nummer 1 Satz 3 Buchstabe a;
3.
Einkünfte im Sinne des § 22 Nummer 4 Satz 4 Buchstabe b;
4.
Einkünfte im Sinne des § 22 Nummer 5 Satz 1, soweit § 22 Nummer 5 Satz 11 anzuwenden ist;
5.
Einkünfte im Sinne des § 22 Nummer 5 Satz 2 Buchstabe a.
3Der Altersentlastungsbetrag wird einem Steuerpflichtigen gewährt, der vor dem Beginn des Kalenderjahres, in dem er sein Einkommen bezogen hat, das 64. Lebensjahr vollendet hatte.4Im Fall der Zusammenveranlagung von Ehegatten zur Einkommensteuer sind die Sätze 1 bis 3 für jeden Ehegatten gesondert anzuwenden.5Der maßgebende Prozentsatz und der Höchstbetrag des Altersentlastungsbetrags sind der nachstehenden Tabelle zu entnehmen:

Das auf die
Vollendung des
64. Lebensjahres
folgende
Kalenderjahr
Altersentlastungsbetrag
in % der EinkünfteHöchstbetrag in Euro
200540,01 900
200638,41 824
200736,81 748
200835,21 672
200933,61 596
201032,01 520
201130,41 444
201228,81 368
201327,21 292
201425,61 216
201524,01 140
201622,41 064
201720,8988
201819,2912
201917,6836
202016,0760
202115,2722
202214,4684
202313,6646
202412,8608
202512,0570
202611,2532
202710,4494
20289,6456
20298,8418
20308,0380
20317,2342
20326,4304
20335,6266
20344,8228
20354,0190
20363,2152
20372,4114
20381,676
20390,838
20400,00

(1)1Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören

1.
Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst;
1a.
Zuwendungen des Arbeitgebers an seinen Arbeitnehmer und dessen Begleitpersonen anlässlich von Veranstaltungen auf betrieblicher Ebene mit gesellschaftlichem Charakter (Betriebsveranstaltung).2Zuwendungen im Sinne des Satzes 1 sind alle Aufwendungen des Arbeitgebers einschließlich Umsatzsteuer unabhängig davon, ob sie einzelnen Arbeitnehmern individuell zurechenbar sind oder ob es sich um einen rechnerischen Anteil an den Kosten der Betriebsveranstaltung handelt, die der Arbeitgeber gegenüber Dritten für den äußeren Rahmen der Betriebsveranstaltung aufwendet.3Soweit solche Zuwendungen den Betrag von 110 Euro je Betriebsveranstaltung und teilnehmenden Arbeitnehmer nicht übersteigen, gehören sie nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, wenn die Teilnahme an der Betriebsveranstaltung allen Angehörigen des Betriebs oder eines Betriebsteils offensteht.4Satz 3 gilt für bis zu zwei Betriebsveranstaltungen jährlich.5Die Zuwendungen im Sinne des Satzes 1 sind abweichend von § 8 Absatz 2 mit den anteilig auf den Arbeitnehmer und dessen Begleitpersonen entfallenden Aufwendungen des Arbeitgebers im Sinne des Satzes 2 anzusetzen;
2.
Wartegelder, Ruhegelder, Witwen- und Waisengelder und andere Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen, auch soweit sie von Arbeitgebern ausgleichspflichtiger Personen an ausgleichsberechtigte Personen infolge einer nach § 10 oder § 14 des Versorgungsausgleichsgesetzes durchgeführten Teilung geleistet werden;
3.
laufende Beiträge und laufende Zuwendungen des Arbeitgebers aus einem bestehenden Dienstverhältnis an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder für eine Direktversicherung für eine betriebliche Altersversorgung.2Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören auch Sonderzahlungen, die der Arbeitgeber neben den laufenden Beiträgen und Zuwendungen an eine solche Versorgungseinrichtung leistet, mit Ausnahme der Zahlungen des Arbeitgebers
a)
zur erstmaligen Bereitstellung der Kapitalausstattung zur Erfüllung der Solvabilitätskapitalanforderung nach den §§ 89, 213, 234g oder 238 des Versicherungsaufsichtsgesetzes,
b)
zur Wiederherstellung einer angemessenen Kapitalausstattung nach unvorhersehbaren Verlusten oder zur Finanzierung der Verstärkung der Rechnungsgrundlagen auf Grund einer unvorhersehbaren und nicht nur vorübergehenden Änderung der Verhältnisse, wobei die Sonderzahlungen nicht zu einer Absenkung des laufenden Beitrags führen oder durch die Absenkung des laufenden Beitrags Sonderzahlungen ausgelöst werden dürfen,
c)
in der Rentenbezugszeit nach § 236 Absatz 2 des Versicherungsaufsichtsgesetzes oder
d)
in Form von Sanierungsgeldern;
Sonderzahlungen des Arbeitgebers sind insbesondere Zahlungen an eine Pensionskasse anlässlich
a)
seines Ausscheidens aus einer nicht im Wege der Kapitaldeckung finanzierten betrieblichen Altersversorgung oder
b)
des Wechsels von einer nicht im Wege der Kapitaldeckung zu einer anderen nicht im Wege der Kapitaldeckung finanzierten betrieblichen Altersversorgung.
3Von Sonderzahlungen im Sinne des Satzes 2 zweiter Halbsatz Buchstabe b ist bei laufenden und wiederkehrenden Zahlungen entsprechend dem periodischen Bedarf nur auszugehen, soweit die Bemessung der Zahlungsverpflichtungen des Arbeitgebers in das Versorgungssystem nach dem Wechsel die Bemessung der Zahlungsverpflichtung zum Zeitpunkt des Wechsels übersteigt.4Sanierungsgelder sind Sonderzahlungen des Arbeitgebers an eine Pensionskasse anlässlich der Systemumstellung einer nicht im Wege der Kapitaldeckung finanzierten betrieblichen Altersversorgung auf der Finanzierungs- oder Leistungsseite, die der Finanzierung der zum Zeitpunkt der Umstellung bestehenden Versorgungsverpflichtungen oder Versorgungsanwartschaften dienen; bei laufenden und wiederkehrenden Zahlungen entsprechend dem periodischen Bedarf ist nur von Sanierungsgeldern auszugehen, soweit die Bemessung der Zahlungsverpflichtungen des Arbeitgebers in das Versorgungssystem nach der Systemumstellung die Bemessung der Zahlungsverpflichtung zum Zeitpunkt der Systemumstellung übersteigt.
2Es ist gleichgültig, ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt und ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht.

(2)1Von Versorgungsbezügen bleiben ein nach einem Prozentsatz ermittelter, auf einen Höchstbetrag begrenzter Betrag (Versorgungsfreibetrag) und ein Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag steuerfrei.2Versorgungsbezüge sind

1.
das Ruhegehalt, Witwen- oder Waisengeld, der Unterhaltsbeitrag oder ein gleichartiger Bezug
a)
auf Grund beamtenrechtlicher oder entsprechender gesetzlicher Vorschriften,
b)
nach beamtenrechtlichen Grundsätzen von Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtlichen Verbänden von Körperschaften
oder
2.
in anderen Fällen Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen wegen Erreichens einer Altersgrenze, verminderter Erwerbsfähigkeit oder Hinterbliebenenbezüge; Bezüge wegen Erreichens einer Altersgrenze gelten erst dann als Versorgungsbezüge, wenn der Steuerpflichtige das 63. Lebensjahr oder, wenn er schwerbehindert ist, das 60. Lebensjahr vollendet hat.
3Der maßgebende Prozentsatz, der Höchstbetrag des Versorgungsfreibetrags und der Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag sind der nachstehenden Tabelle zu entnehmen:

Jahr des
Versorgungs-
beginns
VersorgungsfreibetragZuschlag zum
Versorgungs-
freibetrag
in Euro
in % der
Versorgungs-
bezüge
Höchstbetrag
in Euro
bis 200540,03 000900
ab 200638,42 880864
200736,82 760828
200835,22 640792
200933,62 520756
201032,02 400720
201130,42 280684
201228,82 160648
201327,22 040612
201425,61 920576
201524,01 800540
201622,41 680504
201720,81 560468
201819,21 440432
201917,61 320396
202016,01 200360
202115,21 140342
202214,41 080324
202313,61 020306
202412,8960288
202512,0900270
202611,2840252
202710,4780234
20289,6720216
20298,8660198
20308,0600180
20317,2540162
20326,4480144
20335,6420126
20344,8360108
20354,030090
20363,224072
20372,418054
20381,612036
20390,86018
20400,000


4Bemessungsgrundlage für den Versorgungsfreibetrag ist
a)
bei Versorgungsbeginn vor 2005das Zwölffache des Versorgungsbezugs für Januar 2005,
b)
bei Versorgungsbeginn ab 2005das Zwölffache des Versorgungsbezugs für den ersten vollen Monat,
jeweils zuzüglich voraussichtlicher Sonderzahlungen im Kalenderjahr, auf die zu diesem Zeitpunkt ein Rechtsanspruch besteht.5Der Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag darf nur bis zur Höhe der um den Versorgungsfreibetrag geminderten Bemessungsgrundlage berücksichtigt werden.6Bei mehreren Versorgungsbezügen mit unterschiedlichem Bezugsbeginn bestimmen sich der insgesamt berücksichtigungsfähige Höchstbetrag des Versorgungsfreibetrags und der Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag nach dem Jahr des Beginns des ersten Versorgungsbezugs.7Folgt ein Hinterbliebenenbezug einem Versorgungsbezug, bestimmen sich der Prozentsatz, der Höchstbetrag des Versorgungsfreibetrags und der Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag für den Hinterbliebenenbezug nach dem Jahr des Beginns des Versorgungsbezugs.8Der nach den Sätzen 3 bis 7 berechnete Versorgungsfreibetrag und Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag gelten für die gesamte Laufzeit des Versorgungsbezugs.9Regelmäßige Anpassungen des Versorgungsbezugs führen nicht zu einer Neuberechnung.10Abweichend hiervon sind der Versorgungsfreibetrag und der Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag neu zu berechnen, wenn sich der Versorgungsbezug wegen Anwendung von Anrechnungs-, Ruhens-, Erhöhungs- oder Kürzungsregelungen erhöht oder vermindert.11In diesen Fällen sind die Sätze 3 bis 7 mit dem geänderten Versorgungsbezug als Bemessungsgrundlage im Sinne des Satzes 4 anzuwenden; im Kalenderjahr der Änderung sind der höchste Versorgungsfreibetrag und Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag maßgebend.12Für jeden vollen Kalendermonat, für den keine Versorgungsbezüge gezahlt werden, ermäßigen sich der Versorgungsfreibetrag und der Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag in diesem Kalenderjahr um je ein Zwölftel.

(3)1Die Energiepreispauschale nach dem Versorgungsrechtlichen Energiepreispauschalen-Gewährungsgesetz oder vergleichbare Leistungen zum Ausgleich gestiegener Energiepreise nach Landesrecht sind als Einnahmen nach Absatz 2 zu berücksichtigen.2Sie gelten nicht als Sonderzahlung im Sinne von Absatz 2 Satz 4, jedoch als regelmäßige Anpassung des Versorgungsbezugs im Sinne von Absatz 2 Satz 9.3Im Lohnsteuerabzugsverfahren sind die Energiepreispauschale und vergleichbare Leistungen bei der Berechnung einer Vorsorgepauschale nach § 39b Absatz 2 Satz 5 Nummer 3 Buchstabe b und c nicht zu berücksichtigen.4In den Fällen des Satzes 1 sind die §§ 3 und 24a nicht anzuwenden.

Tenor

Auf die Revision der Kläger werden das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 26. August 2015  4 K 4035/10, die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 24. November 2010 sowie die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 18. Januar 2003 vom 9. September 2009 und vom 15. Dezember 2009 aufgehoben.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zu drei gleichen Teilen Erben der am 18. Januar 2003 verstorbenen Erblasserin. Zum Erbe gehören verschiedene Miet- und Geschäftsgrundstücke. Am 27. April 2004 bat das für die Erbschaftsteuer zuständige Finanzamt den Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) um Feststellung des Grundbesitzwerts für die in dessen Zuständigkeitsbereich belegenen Grundstücke.

2

Mit Schreiben vom 8. Juli 2004 forderte das FA den Kläger zu 1. auf, nähere Angaben zu den ererbten Grundstücken zu machen.

3

Wörtlich lautete die Aufforderung auszugsweise wie folgt:
"Aus Vereinfachungsgründen verzichte ich auf das Ausfüllen der ausführlichen Erklärungen und bitte Sie statt dessen in der Tabelle die Nettokaltmieten der letzten drei Jahre vom Sterbemonat an berechnet anzugeben. Geben Sie bitte gesondert an, ob und ggf. in welchem Zeitraum eine oder mehrere Wohnungen nicht vermietet oder an Angehörige überlassen waren."

4

Es folgte eine Aufstellung der Grundstücke. Für ein Betriebsgrundstück der ... KG, an der die Erblasserin beteiligt war, bat das FA um Mitteilung des Steuerbilanzwerts zum 18. Januar 2003. Der Kläger zu 1. folgte der Aufforderung, gab für die betroffenen Grundstücke entsprechende Erklärungen ab und teilte den Steuerbilanzwert für das Betriebsgrundstück mit.

5

Am 27. Dezember 2004 erließ das FA für das Betriebsgrundstück einen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 18. Januar 2003 für Zwecke der Erbschaftsteuer. Dabei berücksichtigte es den vom Kläger zu 1. mitgeteilten Steuerbilanzwert und stellte einen Wert nach § 147 des Bewertungsgesetzes in der beim Eintritt des Erbfalls geltenden Fassung (BewG a.F.) in Höhe von 650.500 € (Bodenwert 531.506 € zuzüglich ertragsteuerlicher Gebäudewert 119.330 €, abgerundet auf volle 500 €) fest. Der Bescheid erging nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

6

Gegen diesen Bescheid legten die Kläger Einspruch ein. Das FA erließ am 4. Mai 2005 einen Änderungsbescheid, korrigierte den Grundbesitzwert auf (nach Rundung) 531.500 € (Bodenwert 531.506 € zuzüglich ertragsteuerlicher Gebäudewert 2 €) und rechnete das Grundstück der KG als bisheriger Eigentümerin zu. Nach erneutem Einspruch wurde die Zurechnung mit Bescheid vom 2. November 2005 nochmals korrigiert und das Grundstück der KG als bisheriger und neuer Eigentümerin zugerechnet. Der Bescheid erging weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

7

Im Rahmen einer Außenprüfung wegen Erbschaft- und Schenkungsteuer wurde festgestellt, dass das Betriebsgrundstück vom 1. Januar 1996 bis zum 31. Dezember 2005 zu einem monatlichen Mietpreis von 16.898 € verpachtet war. Daraufhin änderte das FA seine Bewertungsmethode und erließ am 9. September 2009 einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheid. Es legte für die Feststellung des Grundbesitzwerts nicht mehr den Steuerbilanzwert zu Grunde, sondern stellte gemäß § 146 BewG a.F. ausgehend von einer erzielbaren Miete in Höhe von 14.000 € je Monat einen Grundbesitzwert auf den 18. Januar 2003 in Höhe von 1.627.500 € fest. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben.

8

Dagegen wandten sich die Kläger mit dem Einspruch. Ihrer Auffassung nach war im Zeitpunkt des Erlasses des letzten Änderungsbescheids bereits Feststellungsverjährung eingetreten. Die vierjährige Feststellungsfrist habe mit Ablauf des Jahres 2003 zu laufen begonnen und folglich am 31. Dezember 2007 geendet. Während des Einspruchsverfahrens erließ das FA am 15. Dezember 2009 einen geänderten Feststellungsbescheid und wies im Erläuterungstext unter Bezugnahme auf § 181 Abs. 5 AO darauf hin, dass der Bescheid nur noch für die Steuerfestsetzungen, für die die Festsetzungsverjährung noch nicht abgelaufen sei, bedeutsam sei. Mit Einspruchsentscheidung vom 24. November 2010 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.

9

Die Klage hatte keinen Erfolg. Nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) durfte das FA die Änderung der gesonderten und einheitlichen Feststellung auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO stützen. Die Vermietbarkeit sei im Zeitpunkt der erstmaligen Feststellung noch nicht bekannt und die Änderung des Bescheids auch nicht nach Treu und Glauben ausgeschlossen gewesen. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016, 13 veröffentlicht.

10

Dagegen wenden sich die Kläger mit ihrer Revision. Sie rügen die unzutreffende Auslegung der §§ 88, 90 und 173 Abs. 1 Nr. 1 AO, sowie der §§ 146 und 147 BewG a.F.

11

Die Kläger beantragen,
die Vorentscheidung, den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 18. Januar 2003 für Zwecke der Erbschaftsteuer vom 9. September 2009 und 15. Dezember 2009 sowie die Einspruchsentscheidung vom 24. November 2010 aufzuheben.

12

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

13

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und der angefochtenen Bescheide (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass der Ablauf der Feststellungsfrist dem Erlass des unter Hinweis auf § 181 Abs. 5 AO ergangenen Änderungsbescheids vom 15. Dezember 2009 nicht entgegenstand. Entgegen der Auffassung des FG durfte jedoch das FA den bestandskräftigen Feststellungsbescheid vom 2. November 2005 durch den Bescheid vom 15. Dezember 2009 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht ändern.

14

1. Der Ablauf der Feststellungsfrist steht dem Erlass des Bescheids vom 9. September 2009, nicht aber dem Erlass des Bescheids vom 15. Dezember 2009 entgegen.

15

a) Nach § 138 ff. BewG a.F. sind Grundbesitzwerte gesondert festzustellen, wenn die Werte für die Erbschaftsteuer von Bedeutung sind. Für den Erlass von Feststellungsbescheiden sieht die AO eine eigenständige Feststellungsfrist vor, die unabhängig von der Festsetzungsverjährung der Folgesteuern zu ermitteln ist (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 6. Juli 2005 II R 9/04, BFHE 210, 65, BStBl II 2005, 780, unter II.2.a, m.w.N.). Nach § 181 Abs. 1 Satz 1 AO gelten für die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen sinngemäß auch die Vorschriften über die Festsetzungsverjährung (§§ 169 ff. AO).

16

b) Nach § 181 Abs. 5 Satz 1 AO kann eine gesonderte Feststellung auch nach Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfrist insoweit erfolgen, als die gesonderte Feststellung für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist; hierbei bleibt § 171 Abs. 10 AO außer Betracht. § 181 Abs. 5 Satz 1 AO trägt dem Umstand Rechnung, dass die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nur eine Vorstufe der Steuerfestsetzung ist, d.h. nur eine dienende Funktion hat. Aus der Technik der getrennten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen sollen dem Steuerpflichtigen keine Nachteile, aber auch keine Vorteile entstehen (BFH-Urteile vom 11. Februar 2015 I R 5/13, BFHE 250, 172, BStBl II 2016, 353, Rz 11, m.w.N.; BTDrucks VI/1982, S. 157). Die Vorschrift gilt nicht nur für den erstmaligen Erlass, sondern ihrem Sinn und Zweck entsprechend auch für die Änderung oder Berichtigung von Feststellungsbescheiden (BFH-Urteil vom 6. Juli 2005 XI R 27/04, BFH/NV 2006, 16, unter II.2.c aa).

17

c) Das Finanzamt hat beim Erlass eines Feststellungsbescheids nach Ablauf der Feststellungsfrist in dem Bescheid darauf hinzuweisen, dass die getroffenen Feststellungen nur noch für solche Steuerfestsetzungen Bedeutung haben sollen, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist (§ 181 Abs. 5 Satz 2 AO).

18

d) Der Ablauf der Feststellungsfrist stand danach dem Erlass des Bescheids vom 9. September 2009, nicht aber dem Erlass des Bescheids vom 15. Dezember 2009 entgegen.

19

Die Feststellungsfrist begann mit Ablauf des 31. Dezember 2003 und endete vier Jahre später mit Ablauf des 31. Dezember 2007. Die beiden Feststellungsbescheide vom 9. September 2009 und vom 15. Dezember 2009 ergingen folglich nach Ablauf der Feststellungsfrist. Der Bescheid vom 15. Dezember 2009 durfte nach § 181 Abs. 5 AO gleichwohl ergehen, weil die gesonderte Feststellung für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung war, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen war, und dieser Bescheid --anders als der Bescheid vom 9. September 2009-- einen Hinweis auf seine einschränkende Wirkung enthält. Das FA und das FG mussten nicht prüfen, ob die gesonderte Feststellung tatsächlich noch für eine Besteuerung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen war.

20

2. Das FA durfte den bestandskräftigen Feststellungsbescheid vom 2. November 2005 gleichwohl nicht ändern. Es fehlt an einer dafür erforderlichen Änderungsnorm.

21

a) Der Feststellungsbescheid konnte nicht nach § 164 Abs. 2 AO geändert werden, obwohl der Vorbehalt der Nachprüfung nicht aufgehoben war.

22

aa) Nach § 164 Abs. 4 Satz 1 AO entfällt der Vorbehalt der Nachprüfung, wenn die Festsetzungsfrist abläuft. Diese Vorschrift gilt gemäß § 181 Abs. 1 Satz 1 AO für die Feststellungsfrist sinngemäß (BFH-Urteil vom 31. Oktober 2000 VIII R 14/00, BFHE 193, 392, BStBl II 2001, 156). § 181 Abs. 5 Satz 1 AO bewirkt kein "Wiederaufleben" des entfallenen Nachprüfungsvorbehalts (vgl. BFH-Urteil vom 11. November 2014 I R 46/13, BFH/NV 2015, 353, Rz 27).

23

bb) Die nach §§ 172 ff. AO gebotenen Änderungen des Feststellungsbescheids können zwar unter den Voraussetzungen des § 181 Abs. 5 AO trotz Ablaufs der Feststellungsfrist durchgeführt werden. Ein unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehender Feststellungsbescheid kann aber nach Ablauf der Feststellungsfrist wegen des damit verbundenen Wegfalls des Vorbehalts der Nachprüfung nicht mehr nach § 164 Abs. 2 AO geändert werden (BFH-Urteil in BFH/NV 2015, 353, Rz 28, m.w.N.). § 181 Abs. 5 Satz 1 AO entbindet die Finanzbehörde nämlich nicht davon, die ihrer Ansicht nach erforderliche Nachprüfung innerhalb der Feststellungsfrist durchzuführen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2015, 353, Rz 29). Würde man einen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Feststellungsbescheid auch noch nach Ablauf der Feststellungsfrist ändern können, würde die Erstfeststellung auf unabsehbare Zeit nicht nur punktuell, sondern umfassend nach allen Seiten offen bleiben. Dies wäre mit dem Zweck der Verjährungsvorschriften, Rechtsfrieden zu schaffen, nicht zu vereinbaren und lässt sich auch nicht mit dem Gesichtspunkt, dass der gesonderten Feststellung gegenüber der Festsetzung eine rein dienende Funktion zukommt, rechtfertigen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2015, 353, Rz 29).

24

b) An einer Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ist das FA nach Treu und Glauben gehindert.

25

aa) Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekanntwerden, die zu einer höheren Steuer führen. Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 AO ist alles, was Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Steuertatbestands sein kann, also Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften materieller oder immaterieller Art. Keine Tatsachen i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind demgegenüber Schlussfolgerungen aller Art, insbesondere juristische Subsumtionen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 21. Februar 2017 VIII R 46/13, BFHE 257, 198, BStBl II 2017, 745, Rz 34, m.w.N.). Nachträglich bekannt geworden ist eine Tatsache, wenn sie das Finanzamt beim Erlass des geänderten Steuerbescheids noch nicht kannte (z.B. BFH-Urteil in BFHE 257, 198, BStBl II 2017, 745, Rz 35).

26

bb) Die Änderung eines Steuerbescheids zum Nachteil des Steuerpflichtigen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO kann nach den Grundsätzen von Treu und Glauben ausgeschlossen sein, wenn dem Finanzamt die nachträglich bekannt gewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre. Hierauf kann sich der Steuerpflichtige grundsätzlich aber nur dann berufen, wenn er seinerseits seine Mitwirkungspflicht erfüllt hat. Haben es sowohl der Steuerpflichtige als auch das Finanzamt versäumt, den Sachverhalt aufzuklären, trifft in der Regel den Steuerpflichtigen die Verantwortung, mit der Folge, dass der Steuerbescheid geändert werden kann (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 6. Februar 2013 X B 164/12, BFH/NV 2013, 694, und BFH-Urteil in BFHE 257, 198, BStBl II 2017, 745, Rz 45, m.w.N.).

27

cc) Das Finanzamt verletzt seine Ermittlungspflicht (§ 88 AO), wenn es ersichtlichen Unklarheiten oder Zweifelsfragen, die sich bei einer Prüfung der Steuererklärung sowie der eingereichten Unterlagen ohne weiteres aufdrängen mussten, nicht nachgeht (BFH-Urteil vom 16. Juni 2004 X R 56/01, BFH/NV 2004, 1502, unter II.2.c aa, m.w.N.). Verzichtet das Finanzamt gegenüber dem Steuerpflichtigen ausdrücklich auf die Abgabe einer förmlichen Erklärung und fordert ihn stattdessen zu bestimmten Angaben auf, verletzt es seine Ermittlungspflicht, wenn die geforderten Angaben für die Ermittlung des für die Steuerfestsetzung maßgebenden Sachverhalts nicht ausreichen und es auch später vor Erlass des Steuerbescheids keine weiteren Fragen stellt. Erfüllt der Steuerpflichtige in einem solchen Fall seinerseits seine Mitwirkungspflichten, indem er die vom Finanzamt gestellten Fragen zutreffend und vollständig beantwortet, ist das Finanzamt nach Treu und Glauben an einer Änderung der bestandskräftigen Steuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO gehindert, wenn es später Kenntnis von steuererhöhenden Tatsachen erlangt. Der Steuerpflichtige ist nicht verpflichtet, auf der Grundlage der maßgebenden steuerrechtlichen Vorschriften zu prüfen, ob die vom Finanzamt erbetenen Angaben eine zutreffende Steuerfestsetzung ermöglichen oder ob dazu weitere Angaben erforderlich wären. Es fällt vielmehr in den Verantwortungsbereich des Finanzamts, die entscheidungserheblichen Fragen zu stellen.

28

Entsprechendes gilt auch für Feststellungsbescheide.

29

dd) Das FA durfte danach den bestandskräftigen Feststellungsbescheid vom 2. November 2005 nicht nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ändern.

30

Dem FA war zwar beim Erlass dieses Bescheids nicht bekannt, dass das Betriebsgrundstück vermietet worden war. Es war aber nach Treu und Glauben an einer Änderung des Bescheids gehindert. Es hatte seine Ermittlungspflichten verletzt. Für das Betriebsgrundstück hatte es mit dem Schreiben vom 8. Juli 2004 lediglich um die Angabe des Steuerbilanzwerts gebeten. Nur für die anderen in dem Schreiben genannten Grundstücke hatte es nach den Nettokaltmieten gefragt. Die Kläger haben ihre Mitwirkungspflichten nicht verletzt. Sie haben die vom FA geforderten Angaben zutreffend gemacht. Sie waren mangels einer entsprechenden Frage des FA nicht verpflichtet, auf die Vermietung des Betriebsgrundstücks hinzuweisen und die erzielten Mieten anzugeben. Eine Feststellungserklärung mussten sie nicht abgeben. Eine Verpflichtung zur Abgabe einer Feststellungserklärung bestand nach § 138 Abs. 6 Satz 1 BewG a.F. nur bei einem entsprechenden Verlangen des Finanzamts. Im Streitfall hatte das FA darauf aber ausdrücklich verzichtet.

31

3. Da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten. Sie sind daher ebenso wie die Einspruchsentscheidung aufzuheben.

32

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Tatbestand

1

I. Die Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) sind Eheleute, die in den Streitjahren 2006 und 2007 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden. Der Antragsteller erzielte als angestellter Arzt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, ferner in geringem Umfang Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit. Die Antragstellerin war als Arbeitnehmerin tätig.

2

Der Antragsteller ist Mitglied eines berufsständischen Versorgungswerks. Zu den Pflichtbeiträgen, die der Höhe nach denen zur gesetzlichen Rentenversicherung entsprechen, zahlt der Arbeitgeber aufgrund gesetzlicher Regelungen (in den Streitjahren § 172 Abs. 2 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch --SGB VI--; seit 1. Januar 2012 § 172a SGB VI) einen hälftigen Zuschuss.

3

In den vom Arbeitgeber des Antragstellers erstellten Lohnsteuerbescheinigungen für die Streitjahre waren die Beiträge zur Altersvorsorge --gesondert nach Arbeitnehmeranteil und Arbeitgeberzuschuss-- angegeben. Dass es sich um Beiträge an ein Versorgungswerk handelte, war nach dem unbestrittenen Vorbringen des Antragsgegners und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) aus den Lohnsteuerbescheinigungen nicht erkennbar.

4

Zusätzlich stellte das Versorgungswerk jeweils einen "Jahreskontoausweis" aus. Dieser lautete für das Streitjahr 2007: "wir dürfen Ihnen mit Kontostand vom 31.12.2007 die auf Ihrem Konto im Jahr 2007 bei ... eingegangene Beitragssumme mitteilen: 10.865,52 €". Hinweise darauf, dass es sich hierbei um den Pflichtbeitrag für Arbeitnehmer handelt, der einen hälftigen Arbeitgeberzuschuss enthält, sind in der Bescheinigung nicht enthalten. Nach dem Vorbringen der Antragsteller hat das Versorgungswerk für das Jahr 2006 einen vergleichbaren Jahreskontoausweis ausgestellt. Da der Antragsteller über den Pflichtbeitrag hinaus keine freiwilligen Mehrzahlungen an das Versorgungswerk geleistet hatte, waren die im Jahreskontoausweis bescheinigten Beiträge mit der Summe der in den Lohnsteuerbescheinigungen aufgeführten Beiträge identisch.

5

Die Antragsteller reichten ihre Einkommensteuererklärungen für 2006 und 2007, die durch eine Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vorbereitet worden waren, jeweils im Folgejahr beim FA ein. Sie gaben in den Zeilen 61 und 65 der dritten Seite des Mantelbogens die aus den Lohnsteuerbescheinigungen ersichtlichen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge an. Zusätzlich trugen sie in der Zeile 63 die in den Jahreskontoausweisen des Versorgungswerks genannten Beträge ein. Ihrer Einkommensteuererklärung 2007 fügten sie den entsprechenden Jahreskontoausweis bei; ob dies auch für das Jahr 2006 geschehen ist, ist zwischen den Beteiligten streitig.

6

Insgesamt erklärten die Antragsteller die folgenden Altersvorsorgeaufwendungen:

        

2006   

2007   

Zeile 61 (Antragsteller)

5.148 €

5.433 €

Zeile 61 (Antragstellerin)

1.339 €

1.356 €

Zeile 63 (Antragsteller)

10.296 €

10.866 €

Zeile 65 (Antragsteller)

5.148 €

5.432 €

Zeile 65 (Antragstellerin)

1.338 €

1.355 €

7

Die Vordrucke zur Einkommensteuererklärung enthalten zu diesen Zeilen die folgenden Angaben:

8
        

-       

Zeile 61: "Beiträge zu gesetzlichen Rentenversicherungen u. zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen lt. Nr. 23 d. Lohnsteuerbescheinigung (Arbeitnehmeranteil)";

-       

Zeile 63 (Fassung 2006): "Beiträge zu freiwilligen Versicherungen in den gesetzlichen Rentenversicherungen und Pflichtbeiträge von Nichtarbeitnehmern zu den gesetzlichen Rentenversicherungen";

-       

Zeile 63 (Fassung 2007): "Beiträge zu freiwilligen Versicherungen in den gesetzlichen Rentenversicherungen und zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen sowie Pflichtbeiträge von Nichtarbeitnehmern zu den gesetzlichen Rentenversicherungen";

-       

Zeile 65: "Arbeitgeberanteil zu gesetzlichen Rentenversicherungen, Zuschüsse zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen lt. Nr. 22 der Lohnsteuerbescheinigung".

9

Die Einkommensteuererklärung der Antragsteller für 2006 war im FA nur zur überschlägigen Prüfung vorgesehen. Der zuständige Bearbeiter vermerkte in der Prüfungsdokumentation durch Ankreuzen der entsprechenden Formularfelder, die Erklärung sei vollständig, schlüssig und glaubhaft. Demgegenüber war die Steuererklärung für 2007 zur Intensivprüfung vorgesehen. Im elektronisch unterstützten Veranlagungsverfahren wurden dem Bearbeiter zahlreiche maschinelle Prüfhinweise vorgegeben. Einer dieser Hinweise lautete: "Schwerpunktprüfung: Es liegen Eintragungen zu Kz 52.35/36 [= Zeile 63 des Mantelbogens] vor, die zur Anwendung des neuen Rechts führen. Bitte prüfen. Sollte es sich um steuerpflichtige Beiträge zur VBL/ZVK handeln, sind diese in Kz 52.44/46 einzutragen." Der Sachbearbeiter richtete mit Schreiben vom 1. und 11. August 2008 an die Antragsteller zahlreiche Rückfragen zur Steuererklärung, die allerdings nicht die hier streitigen Beiträge zur Altersversorgung betrafen. Im weiteren Verlauf der Bearbeitung versah er die von den Antragstellern in Zeile 63 eingetragene Zahl mit einem Haken und bescheinigte in der Prüfungsdokumentation, er habe die Intensivprüfung vorgenommen, insbesondere bei den Einkünften aus Kapitalvermögen, den freiberuflichen Einkünften und den Steuerberatungskosten.

10

Im Ergebnis veranlagte das FA die Antragsteller hinsichtlich der Altersvorsorgeaufwendungen in den nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen ursprünglichen Bescheiden für 2006 und 2007 erklärungsgemäß. Dies führte dazu, dass der Gesamtbeitrag des Antragstellers zum Versorgungswerk doppelt berücksichtigt wurde und die folgenden Beträge der Besteuerung zugrunde gelegt wurden:

11
                     
     

2006   

2007 

gesamte Altersvorsorgeaufwendungen

23.269 €

24.442 €

als Sonderausgaben abziehbarer Anteil

7.941 €

8.856 €

12

Die Antragsteller legten gegen beide Bescheide aus nicht mehr im Streit befindlichen Gründen Einsprüche ein, denen das FA jeweils abhalf.

13

In der Folgezeit entwickelte die für die Risikoprüfung zuständige Mittelbehörde ein Prüfungsraster, mit dem Fälle, in denen es möglicherweise zu einem doppelten Ansatz von Altersvorsorgeaufwendungen gekommen war, maschinell erkannt werden konnten. Am 9. März 2011 richtete sie an das FA eine Kontrollmitteilung, in der es u.a. hieß: "Die Prüfung der Kennzahlen 52.30/47/32/35 ... zeigte für o.g. Steuerpflichtigen Merkmale des in der ESt-Kurzinformation 06/2010 beschriebenen Sachverhalts. ... Bitte kontrollieren Sie die berücksichtigten Sonderausgaben, insbesondere hinsichtlich möglicher Mehrfacherklärung/-erfassung von Zahlungen aufgrund einer Bescheinigung des Versorgungsträgers zusätzlich zum Ausweis der Beiträge auf der Lohnsteuerbescheinigung. Von einer rein summarischen Kontrolle ist abzuraten, da neben Jahresverschiebungen vereinzelt private Zusatzzahlungen festgestellt wurden."

14

Nach entsprechender Ankündigung erließ das FA am 23. Februar 2012 die im Hauptsacheverfahren angefochtenen geänderten Einkommensteuerbescheide für 2006 und 2007, die es verfahrensrechtlich auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) gestützt hat. Darin wurden --materiell-rechtlich zutreffend-- nur noch die folgenden Altersvorsorgeaufwendungen angesetzt:

15
                 
        

2006   

2007   

gesamte Altersvorsorgeaufwendungen

12.973 €

13.576 €

als Sonderausgaben abziehbarer Anteil

1.558 €

1.902 €

16

Das FA vertrat zur Anwendbarkeit des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO die Auffassung, ihm sei die Tatsache, dass die in Zeile 63 eingetragenen Beiträge an das Versorgungswerk nicht zusätzlich zu den in den Lohnsteuerbescheinigungen enthaltenen Altersvorsorgeaufwendungen geleistet worden seien, erst nachträglich bekannt geworden. Es habe auch seine Ermittlungspflicht nicht verletzt. Denn es habe davon ausgehen dürfen, dass die Eintragungen in den Steuererklärungen zutreffend gewesen seien, weil sowohl die Höhe der in den Zeilen 61 und 65 eingetragenen Beträge mit den Angaben in den Lohnsteuerbescheinigungen als auch die Höhe der in der Zeile 63 eingetragenen Beträge mit den Angaben im Jahreskontoausweis übereingestimmt habe. Selbst wenn dem FA aber eine Verletzung seiner Ermittlungspflicht unterlaufen sein sollte, werde diese durch die Verletzung der Mitwirkungspflicht der Antragsteller überwogen. Denn es müsse sowohl steuerlich unkundigen Steuerpflichtigen als auch --erst recht-- einem Steuerberater klar sein, dass dieselben Aufwendungen nicht mehrfach steuermindernd geltend gemacht werden dürfen. Daher sei, obwohl für das Jahr 2006 die reguläre Festsetzungsfrist bereits abgelaufen sei, auch insoweit eine Änderung zulässig, da den Antragstellern eine leichtfertige Steuerverkürzung vorzuwerfen sei und sich die Festsetzungsfrist auf fünf Jahre verlängere.

17

Die Antragsteller brachten vor, es gehe im Streitfall nicht um eine Tatsachenfrage, sondern um eine rechtliche Würdigung, die keine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO rechtfertige. Jedenfalls sei ihnen keine Pflichtverletzung vorzuwerfen, da sie in den Steuererklärungen alle erforderlichen Angaben gemacht und auf die --als unklar anzusehenden-- Bescheinigungen des Versorgungswerks ebenso hätten vertrauen dürfen wie das FA. Weder für die Antragsteller noch für das FA sei offensichtlich gewesen, "welche Beiträge nun eigentlich in welcher Bescheinigung bestätigt wurden". Gerade das FA hätte aber aufgrund der vorgelegten Bescheinigungen den Doppelansatz erkennen können. Außerdem hätten sich dem FA Zweifel an der Richtigkeit der Angaben in den Steuererklärungen aufdrängen müssen, da nach § 16 der Satzung des Versorgungswerks angestellte Mitglieder einen Beitrag in Höhe desjenigen Betrages zu entrichten hätten, der dem ansonsten in die gesetzliche Rentenversicherung zu zahlenden Beitrag entspreche. Zusätzliche freiwillige Zahlungen seien nach der Satzung nicht zulässig. Das FA hätte unschwer erkennen können, dass die in der Steuererklärung geltend gemachten Beiträge nicht zur Höhe des Arbeitslohns gepasst hätten. Da der Antragsteller Pflichtmitglied im Versorgungswerk sei, habe eindeutig festgestanden, dass die Angaben in den Lohnsteuerbescheinigungen sich nur auf die Beiträge an das Versorgungswerk hätten beziehen können.

18

Der Einspruch blieb ebenso wie der beim FA gestellte Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) ohne Erfolg. Die anschließend erhobene Klage ist noch beim Finanzgericht (FG) anhängig.

19

Mit dem im vorliegenden Beschwerdeverfahren angefochtenen Beschluss lehnte das FG den Antrag auf AdV ab. Es sei nicht ernstlich zweifelhaft, dass das FA die Bescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO habe ändern dürfen. Maßgebende Tatsache sei, dass den Antragstellern Altersvorsorgeaufwendungen nur in Höhe von etwa der Hälfte der in den Zeilen 61 bis 65 insgesamt erklärten Beträge entstanden seien, weil sie die in Zeile 63 angegebenen Beträge nicht zusätzlich zu den in den Zeilen 61 und 65 eingetragenen Beträgen gezahlt hätten. Diese Tatsache sei dem FA erst nach Durchführung der ursprünglichen Veranlagungen bekannt geworden, da aus dem Jahreskontoausweis des Versorgungswerks nur hervorgehe, in welcher Höhe dort Beiträge eingegangen seien, nicht aber, dass darin die in der Lohnsteuerbescheinigung angegebenen Beträge enthalten seien.

20

Eine Änderung sei auch nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben ausgeschlossen. Zwar habe das FA seine Ermittlungspflicht verletzt, weil es die Eintragung in Zeile 63 zum Anlass für weitere Ermittlungen hätte nehmen müssen. Im Rahmen der in diesen Fällen vorzunehmenden Abwägung überwiege die Pflichtverletzung der Antragsteller aber eindeutig. Die Festsetzungsfrist für 2006 sei wegen des Vorliegens einer leichtfertigen Steuerverkürzung noch nicht abgelaufen.

21

Mit ihrer Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, wiederholen und vertiefen die Antragsteller ihr Vorbringen aus dem bisherigen Verfahren. Zusätzlich bringen sie vor, die Steuererklärungen seien im Büro ihres Steuerberaters von einem erfahrenen Steuerfachangestellten bearbeitet worden. Der Steuerberater habe darauf vertrauen dürfen, dass der Angestellte die Steuererklärungen ordnungsgemäß erstelle. Damit treffe den Steuerberater kein eigenes Verschulden; ein eventuelles Verschulden des Steuerfachangestellten sei den Antragstellern aber nicht zurechenbar.

22

Die Antragsteller haben im Beschwerdeverfahren keinen ausdrücklichen Antrag gestellt, jedoch erklärt, an der "Klage" festhalten zu wollen.

23

Das FA beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.

24

Der für das Jahr 2007 vorliegende Jahreskontoausweis des Versorgungswerks habe den Bearbeiter eher darin bestärkt, dass die Angaben in der Steuererklärung zutreffend seien. Eine Tatsache sei dem FA nur dann nicht nachträglich bekannt geworden, wenn sie dem Bearbeiter bereits beim Erlass des vorangehenden Bescheids positiv bekannt gewesen sei. Die bloße Möglichkeit, die Tatsachen ermitteln zu können, reiche grundsätzlich nicht aus.

Entscheidungsgründe

25

II. Die Beschwerde ist für das Streitjahr 2006 begründet; sie führt insoweit zur Gewährung der beantragten AdV. Hinsichtlich des Jahres 2007 ist die Beschwerde unbegründet.

26

1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) soll das Gericht die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts u.a. aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen. Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung, vgl. aus neuerer Zeit Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 6. Februar 2013 XI B 125/12, BFH/NV 2013, 615, unter II.2.b, mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

27

Nach diesen Maßstäben hat das FG zutreffend ernstliche Zweifel an der Anwendbarkeit des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO verneint (dazu unten 2.). Es hat aber verkannt, dass hinsichtlich der Wahrung der Festsetzungsfrist ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des geänderten Einkommensteuerbescheids für 2006 bestehen (unten 3.).

28

2. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel daran, dass das FA die Einkommensteuerbescheide für 2006 und 2007 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ändern durfte. Die ursprünglichen Bescheide waren --was zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig ist-- materiell-rechtlich unrichtig. Der zuständigen Stelle im FA sind Tatsachen (dazu unten a) nachträglich bekannt geworden (unten b). Die Grundsätze von Treu und Glauben führen nicht dazu, dass ausnahmsweise von der Anwendung des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO abzusehen wäre (unten c).

29

a) Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 AO ist jeder Lebenssachverhalt, der Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Tatbestands sein kann, also Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften materieller oder immaterieller Art (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Entscheidungen vom 30. Oktober 2003 III R 24/02, BFHE 204, 10, BStBl II 2004, 394, unter II.1., und vom 19. Oktober 2011 X R 29/10, BFH/NV 2012, 227, unter II.1.a).

30

Vor dem materiell-rechtlichen steuergesetzlichen Hintergrund, dass nur tatsächlich gezahlte Altersvorsorgeaufwendungen den Tatbestand des § 10 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes erfüllen, ist im vorliegenden Fall als "Tatsache" der Umstand anzusehen, dass der Antragsteller in den Streitjahren lediglich Altersvorsorgeaufwendungen (einschließlich der Zuschüsse des Arbeitgebers) in Höhe von 10.296 € (2006) bzw. 10.865 € (2007) geleistet hatte, nicht aber die wesentlich höheren in den Steuererklärungen insgesamt als Altersvorsorgeaufwendungen angegebenen Beträge.

31

b) Diese Tatsache ist dem FA nachträglich bekannt geworden.

32

Maßgebend ist der Zeitpunkt, in dem die Willensbildung über die vorangegangene Steuerfestsetzung abgeschlossen war (BFH-Urteil vom 22. April 2010 VI R 40/08, BFHE 229, 57, BStBl II 2010, 951, unter II.1.c), im Streitfall also die Zeichnung des Eingabewertbogens zum Erlass der Abhilfebescheide auf die jeweils gegen die Erstbescheide eingelegten Einsprüche hin. Die Kontrollmitteilung der Mittelbehörde ging erst nach Zeichnung dieser Eingabewertbögen im zuständigen Veranlagungsbezirk ein.

33

Hinsichtlich des Grades der erforderlichen Kenntnis ist zu differenzieren: Der Inhalt der in der zuständigen Dienststelle geführten Steuerakten gilt als bekannt, ohne dass es insoweit auf die individuelle Kenntnis des jeweiligen Bearbeiters ankommt (BFH-Urteil vom 3. Mai 1991 V R 36/90, BFH/NV 1992, 221, unter II.1.b, m.w.N.). Bei Tatsachen, die sich nicht aus den Akten ergeben, ist hingegen die positive Kenntnis des zuständigen Bearbeiters erforderlich; ein Kennenmüssen reicht hier nicht aus (BFH-Urteil vom 19. November 2008 II R 10/08, BFH/NV 2009, 548, unter II.1.).

34

Vorliegend ergab sich die Höhe der in den Streitjahren tatsächlich vom Antragsteller geleisteten Altersvorsorgeaufwendungen weder aus den Akten noch war sie dem zuständigen Bearbeiter positiv bekannt. Die eingereichten Lohnsteuerbescheinigungen ließen nicht erkennen, dass es sich bei den dort eingetragenen Altersvorsorgeaufwendungen um Beiträge zum Versorgungswerk handelte. Anders als die Antragsteller meinen, folgt eine entsprechende Tatsachenkenntnis des zuständigen Sachbearbeiters auch nicht daraus, dass aus den Steuererklärungen die berufliche Tätigkeit des Antragstellers als Arzt erkennbar war. Denn auch nichtselbständig tätige Ärzte unterliegen grundsätzlich der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht. Ihre Befreiung von dieser Versicherungspflicht durch Mitgliedschaft in einem Versorgungswerk ist nur unter den --vom Gesetzgeber zunehmend eingeschränkten-- Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI möglich und setzt sowohl einen entsprechenden Antrag des Pflichtversicherten (§ 6 Abs. 2 SGB VI) als auch eine positive Bescheidung dieses Antrags durch den Rentenversicherungsträger (§ 6 Abs. 3 SGB VI) voraus. Umgekehrt enthielten die Jahreskontoausweise des Versorgungswerks keine Hinweise darauf, dass es sich um Pflichtbeiträge für einen von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreiten Arbeitnehmer handelte und in den bescheinigten Beträgen ein hälftiger Arbeitgeberzuschuss enthalten war.

35

Der Umstand, dass dem Bearbeiter bei einer sorgfältigen Analyse der Steuererklärungen Zweifel an der Richtigkeit der dort gemachten Angaben hätten kommen können bzw. müssen, ändert nichts daran, dass ihm die maßgebende Tatsache --objektiv-- nachträglich bekannt geworden ist. Dieser Umstand ist allerdings im Rahmen der Prüfung, ob eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nach Treu und Glauben ausgeschlossen ist, zu berücksichtigen.

36

c) Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist die Änderung eines Bescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO trotz Vorliegens aller Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm in Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben ausgeschlossen, wenn dem FA die nachträglich bekannt gewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre. Allerdings muss der Steuerpflichtige dann seinerseits seine Mitwirkungspflicht erfüllt haben. Haben sowohl der Steuerpflichtige als auch das FA es versäumt, den Sachverhalt aufzuklären, trifft in der Regel den Steuerpflichtigen die Verantwortung, mit der Folge, dass die Berufung des FA auf die Erfüllung der Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht als treuwidrig anzusehen ist (BFH-Entscheidungen vom 28. Juni 2006 XI R 58/05, BFHE 214, 319, BStBl II 2006, 835, und vom 6. Februar 2013 X B 164/12, BFH/NV 2013, 694, unter II.2.b). Demgegenüber scheidet in Fällen beiderseitiger Pflichtverletzungen eine Änderungsmöglichkeit aus, wenn der Verstoß des FA deutlich überwiegt (BFH-Urteil vom 20. Dezember 1988 VIII R 121/83, BFHE 156, 339, BStBl II 1989, 585, unter II.6.).

37

aa) Vorliegend hat das FA bei Bearbeitung der Steuererklärungen der Antragsteller seine Ermittlungspflichten verletzt. Sowohl der Umstand, dass Ärzte sich in vielen --wenngleich nicht in allen-- Fällen von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreien lassen, als auch die --allerdings nur durch Vornahme einer Rechenoperation erkennbare-- betragsmäßige Übereinstimmung der Summe der in den Zeilen 61 und 65 eingetragenen Beträge mit dem in Zeile 63 eingetragenen Betrag hätten Anlass zu einer entsprechenden Nachfrage geben müssen. Die zahlreichen anderweitigen Rückfragen des Sachbearbeiters zu der --durchaus umfangreichen-- Steuererklärung 2007 zeigen, dass der Bearbeiter die ihm vorgegebene Intensivprüfung vorgenommen hat und ihm im Rahmen dieser Intensivprüfung zahlreiche andere Unstimmigkeiten aufgefallen sind.

38

bb) Jedoch haben auch die Antragsteller ihre Mitwirkungspflichten verletzt.

39

(1) Gemäß § 150 Abs. 2 Satz 1 AO sind Angaben in Steuererklärungen wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu machen. Daran fehlt es, da der Antragsteller seine tatsächlich nur einmal geleisteten Beiträge zum Versorgungswerk doppelt in den Steuererklärungen angegeben hatte. Die in der doppelten Eintragung derselben Aufwendungen liegende Pflichtverletzung entfällt ersichtlich auch nicht deshalb, weil die Antragsteller --was für das Jahr 2006 ohnehin streitig ist-- ihren Steuererklärungen die Jahreskontoausweise des Versorgungswerks beigefügt hatten.

40

(2) Nicht zu folgen vermag der Senat der Argumentation der Antragsteller, sie hätten ihre Mitwirkungspflichten (Steuererklärungspflichten) nicht verletzt, weil die Fehler allein einem weitestgehend selbständig arbeitenden Steuerfachgehilfen unterlaufen seien und Fehler einer solchen Hilfsperson --anders als Fehler des Steuerberaters selbst-- ihnen nicht zurechenbar seien.

41

Das --aus den Grundsätzen von Treu und Glauben abzuleitende und daher einen Ausnahmetatbestand darstellende-- Änderungsverbot bewirkt, dass das FA trotz Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO an einer Erhöhung der Steuerfestsetzung gehindert ist. Bei Zugrundelegung der Grundsätze von Treu und Glauben kann der Steuerpflichtige seine verfahrensrechtliche Position aber nicht dadurch verbessern, dass er seine Steuererklärung durch einen Steuerberater fertigen lässt und der Steuerberater insoweit vorbereitende Tätigkeiten seinem Büropersonal überträgt (vgl. hierzu bereits Senatsbeschluss in BFH/NV 2013, 694, unter II.2.c).

42

Ergänzend weist der Senat auf § 3 der Berufsordnung der Bundessteuerberaterkammer (BO-BStBK) hin: Danach sind Steuerberater verpflichtet, ihre Tätigkeit in eigener Verantwortung auszuüben; sie bilden sich ihr Urteil selbst und treffen ihre Entscheidungen selbständig. Die Beschäftigung von Mitarbeitern ist gemäß § 17 BO-BStBK nur zulässig, soweit diese weisungsgebunden unter der fachlichen Aufsicht und beruflichen Verantwortung des Steuerberaters tätig werden. Auch soweit diese berufsrechtlichen Anforderungen in der Kanzlei des Steuerberaters der Antragsteller nicht erfüllt sein sollten, wären die Antragsteller im Anwendungsbereich der Grundsätze von Treu und Glauben daran gehindert, sich zu ihren eigenen Gunsten auf derartige Organisationsmängel zu berufen.

43

cc) Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass die Verletzung der Ermittlungspflichten auf Seiten des FA jedenfalls nicht schwerer wiegt als die Verletzung der Steuererklärungspflichten der Antragsteller, so dass die Grundsätze von Treu und Glauben der Anwendung des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht entgegenstehen.

44

Maßgebend hierfür ist zum einen, dass allein die Antragsteller --jedenfalls auf einer abstrakten Ebene-- über die volle Kenntnis des Sachverhalts verfügten. Sie wussten sowohl, dass der Antragsteller ausschließlich Pflichtbeiträge zum Versorgungswerk, nicht aber Einzahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung leistete, und dass die Eintragungen in den Lohnsteuerbescheinigungen sich auf die Beiträge zum Versorgungswerk bezogen. Ferner wussten sie, dass die in den Jahreskontoausweisen des Versorgungswerks bescheinigten Beträge mit den aus den Lohnsteuerbescheinigungen ersichtlichen Beträgen identisch sein mussten, weil der Antragsteller keine über die Pflichtbeiträge hinausgehenden Einzahlungen geleistet hatte.

45

Der beim FA zuständige Bearbeiter der Steuererklärung hatte von diesen Umständen des Sachverhalts hingegen --anders als die Antragsteller-- keine positive Kenntnis. Ihm ist nur anzulasten, dass er sich Kenntnis hätte verschaffen können, wenn er den aufgezeigten Ermittlungsansätzen nachgegangen wäre. Hinzu kommt, dass die betragsmäßige Übereinstimmung der Eintragungen in den Zeilen 61 und 65 einerseits und in der Zeile 63 andererseits vom Sachbearbeiter nur durch Addition zweier vierstelliger Zahlen erkannt werden können, was nicht jedem auf den ersten Blick möglich ist.

46

Zwar hatte der Sachbearbeiter für das Jahr 2007 einen Prüfhinweis zu Zeile 63 der Steuererklärung zu bearbeiten. Der Text des Prüfhinweises war aber nicht auf die Vermeidung einer doppelten Berücksichtigung von Beiträgen an das Versorgungswerk gerichtet, sondern stand in Zusammenhang mit Beiträgen zu Zusatzversorgungseinrichtungen des öffentlichen Dienstes und war daher für die Steuererklärung der Antragsteller nicht einschlägig. Zudem waren gerade die Eintragungen der Antragsteller für das Jahr 2007 durchaus plausibel, weil in Zeile 63 des Erklärungsvordrucks ausdrücklich auch "Beiträge zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen" zu erfassen waren und sowohl für die Eintragungen in den Zeilen 61 und 65 (Lohnsteuerbescheinigung) als auch für die Eintragung in Zeile 63 (Jahreskontoausweis) entsprechende Belege vorlagen.

47

Unzutreffend ist in diesem Zusammenhang die Auffassung der Antragsteller, aus § 16 der Satzung des Versorgungswerks ergebe sich, dass bei Leistung von Pflichtbeiträgen an das Versorgungswerk (Zeilen 61 und 65) die Zahlung zusätzlicher freiwilliger Beiträge (Zeile 63) ausgeschlossen sei. Das Gegenteil ist der Fall, da gemäß § 21 der Satzung freiwillige Mehrzahlungen bis zum allgemeinen Jahreshöchstbetrag zulässig sind und in der Praxis auch häufig geleistet werden. Dieser Jahreshöchstbetrag liegt gemäß § 21 Abs. 2 Satz 2 der Satzung i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 8 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes beim Zweieinhalbfachen der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung und ist durch die Pflichtbeiträge des Antragstellers bei Weitem nicht ausgeschöpft worden. Die Eintragung in Zeile 63 war daher aus Sicht des FA auch insoweit --dem Grunde nach-- plausibel, als sie zusätzlich zu Eintragungen in den Zeilen 61 und 65 erfolgte.

48

Die Antragsteller haben im Verlaufe des Verfahrens mehrfach vorgetragen, sie hätten auf die unklaren Jahreskontoausweise des Versorgungswerks ebenso vertrauen dürfen wie das FA. Wenn danach aber beide Seiten gleichermaßen in die Irre geleitet worden sind und jedenfalls keine überwiegende Pflichtverletzung des FA erkennbar ist, liegt kein Ausnahmefall vor, in dem trotz Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO die Anwendung dieser Vorschrift nach den Grundsätzen von Treu und Glauben ausgeschlossen ist.

49

3. Es bestehen jedoch insoweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des geänderten Einkommensteuerbescheids für 2006, als das FG angenommen hat, dieser Bescheid habe die Festsetzungsfrist gewahrt, weil den Antragstellern eine leichtfertige Steuerverkürzung vorzuwerfen sei.

50

a) Im Zeitpunkt des Ergehens des Änderungsbescheids (23. Februar 2012) war die reguläre Festsetzungsfrist für den Veranlagungszeitraum 2006 bereits abgelaufen. Die Antragsteller hatten ihre Steuererklärung im Jahr 2007 abgegeben; die vierjährige Festsetzungsfrist endete daher mit Ablauf des 31. Dezember 2011.

51

b) Die Festsetzungsfrist würde sich gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO auf fünf Jahre verlängern und wäre durch den Änderungsbescheid vom 23. Februar 2012 gewahrt worden, wenn die Steuer, die aufgrund der doppelten Geltendmachung der Altersvorsorgeaufwendungen in der Steuererklärung 2006 zunächst nicht festgesetzt worden war, als leichtfertig verkürzt (§ 378 Abs. 1 Satz 1 AO) anzusehen wäre.

52

Leichtfertigkeit bedeutet einen erheblichen Grad an Fahrlässigkeit, der etwa der groben Fahrlässigkeit des bürgerlichen Rechts entspricht, im Gegensatz dazu aber auf die persönlichen Fähigkeiten des Täters abstellt (BFH-Urteil vom 19. Dezember 2002 IV R 37/01, BFHE 200, 495, BStBl II 2003, 385, unter II.2., m.w.N.). Um den subjektiven Tatbestand einer leichtfertigen Steuerverkürzung feststellen zu können, muss das FG den Steuerpflichtigen jedenfalls in Grenzfällen persönlich anhören, wenn sich nicht bereits aus dokumentierten Äußerungen, Urkunden oder sonstigen Indizien die Leichtfertigkeit eindeutig ergibt (BFH-Urteil vom 17. November 2011 IV R 2/09, BFH/NV 2012, 1309, unter II.4.b cc).

53

c) Danach bestehen auf der Grundlage des gegenwärtigen Sach- und Streitstands ernstliche Zweifel daran, ob der Antragsteller leichtfertig gehandelt hat. Zwar enthält die Steuererklärung objektiv falsche Angaben. Ob der Antragsteller oder sein Steuerberater aber auch den subjektiven Tatbestand der leichtfertigen Steuerverkürzung erfüllt hat, ergibt sich weder aus dokumentierten Äußerungen, Urkunden oder sonstigen Indizien noch hat das FG seine Würdigung auf eine persönliche Anhörung des Antragstellers oder seines Steuerberaters gestützt.

54

Zwar weist das FA im Ansatz zutreffend darauf hin, jeder Steuerpflichtige und jeder Steuerberater --oder Steuerfachgehilfe-- müsse wissen, dass dieselben Aufwendungen nicht doppelt geltend gemacht werden dürften. Angesichts der fehlenden Erläuterungen sowohl in der Lohnsteuerbescheinigung als auch in den Jahreskontoauszügen liegt aber die Würdigung nahe, dass --aus Sicht des Steuerberaters-- nicht schon der Umstand, dass zusätzlich zur Lohnsteuerbescheinigung noch freiwillige Beiträge an das Versorgungswerk geltend gemacht wurden, sondern erst die betragsmäßige Übereinstimmung der Beträge zu einer Überprüfung hätten Anlass geben müssen. Ebenso wie bei der Würdigung des Grades der Verletzung der Ermittlungspflichten des Sachbearbeiters des FA (dazu oben 2.c cc) ist aber auch bei der Prüfung des Verschuldens des Steuerberaters zu würdigen, dass das Erkennen der betragsmäßigen Übereinstimmung die Addition vierstelliger Zahlen voraussetzte, deren Ergebnis nicht ohne weiteres ins Auge springt. Ob den Antragstellern bei der --ihnen trotz Einschaltung eines Steuerberaters eigenverantwortlich obliegenden-- Überprüfung der vorbereiteten Steuererklärung der doppelte Ansatz der Altersvorsorgeaufwendungen hätte ins Auge springen müssen, ist Tatfrage und bedarf der weiteren Aufklärung im noch anhängigen Hauptsacheverfahren.

(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

Tenor

Auf die Revision der Kläger werden das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 26. August 2015  4 K 4035/10, die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 24. November 2010 sowie die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 18. Januar 2003 vom 9. September 2009 und vom 15. Dezember 2009 aufgehoben.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zu drei gleichen Teilen Erben der am 18. Januar 2003 verstorbenen Erblasserin. Zum Erbe gehören verschiedene Miet- und Geschäftsgrundstücke. Am 27. April 2004 bat das für die Erbschaftsteuer zuständige Finanzamt den Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) um Feststellung des Grundbesitzwerts für die in dessen Zuständigkeitsbereich belegenen Grundstücke.

2

Mit Schreiben vom 8. Juli 2004 forderte das FA den Kläger zu 1. auf, nähere Angaben zu den ererbten Grundstücken zu machen.

3

Wörtlich lautete die Aufforderung auszugsweise wie folgt:
"Aus Vereinfachungsgründen verzichte ich auf das Ausfüllen der ausführlichen Erklärungen und bitte Sie statt dessen in der Tabelle die Nettokaltmieten der letzten drei Jahre vom Sterbemonat an berechnet anzugeben. Geben Sie bitte gesondert an, ob und ggf. in welchem Zeitraum eine oder mehrere Wohnungen nicht vermietet oder an Angehörige überlassen waren."

4

Es folgte eine Aufstellung der Grundstücke. Für ein Betriebsgrundstück der ... KG, an der die Erblasserin beteiligt war, bat das FA um Mitteilung des Steuerbilanzwerts zum 18. Januar 2003. Der Kläger zu 1. folgte der Aufforderung, gab für die betroffenen Grundstücke entsprechende Erklärungen ab und teilte den Steuerbilanzwert für das Betriebsgrundstück mit.

5

Am 27. Dezember 2004 erließ das FA für das Betriebsgrundstück einen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 18. Januar 2003 für Zwecke der Erbschaftsteuer. Dabei berücksichtigte es den vom Kläger zu 1. mitgeteilten Steuerbilanzwert und stellte einen Wert nach § 147 des Bewertungsgesetzes in der beim Eintritt des Erbfalls geltenden Fassung (BewG a.F.) in Höhe von 650.500 € (Bodenwert 531.506 € zuzüglich ertragsteuerlicher Gebäudewert 119.330 €, abgerundet auf volle 500 €) fest. Der Bescheid erging nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

6

Gegen diesen Bescheid legten die Kläger Einspruch ein. Das FA erließ am 4. Mai 2005 einen Änderungsbescheid, korrigierte den Grundbesitzwert auf (nach Rundung) 531.500 € (Bodenwert 531.506 € zuzüglich ertragsteuerlicher Gebäudewert 2 €) und rechnete das Grundstück der KG als bisheriger Eigentümerin zu. Nach erneutem Einspruch wurde die Zurechnung mit Bescheid vom 2. November 2005 nochmals korrigiert und das Grundstück der KG als bisheriger und neuer Eigentümerin zugerechnet. Der Bescheid erging weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

7

Im Rahmen einer Außenprüfung wegen Erbschaft- und Schenkungsteuer wurde festgestellt, dass das Betriebsgrundstück vom 1. Januar 1996 bis zum 31. Dezember 2005 zu einem monatlichen Mietpreis von 16.898 € verpachtet war. Daraufhin änderte das FA seine Bewertungsmethode und erließ am 9. September 2009 einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheid. Es legte für die Feststellung des Grundbesitzwerts nicht mehr den Steuerbilanzwert zu Grunde, sondern stellte gemäß § 146 BewG a.F. ausgehend von einer erzielbaren Miete in Höhe von 14.000 € je Monat einen Grundbesitzwert auf den 18. Januar 2003 in Höhe von 1.627.500 € fest. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben.

8

Dagegen wandten sich die Kläger mit dem Einspruch. Ihrer Auffassung nach war im Zeitpunkt des Erlasses des letzten Änderungsbescheids bereits Feststellungsverjährung eingetreten. Die vierjährige Feststellungsfrist habe mit Ablauf des Jahres 2003 zu laufen begonnen und folglich am 31. Dezember 2007 geendet. Während des Einspruchsverfahrens erließ das FA am 15. Dezember 2009 einen geänderten Feststellungsbescheid und wies im Erläuterungstext unter Bezugnahme auf § 181 Abs. 5 AO darauf hin, dass der Bescheid nur noch für die Steuerfestsetzungen, für die die Festsetzungsverjährung noch nicht abgelaufen sei, bedeutsam sei. Mit Einspruchsentscheidung vom 24. November 2010 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.

9

Die Klage hatte keinen Erfolg. Nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) durfte das FA die Änderung der gesonderten und einheitlichen Feststellung auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO stützen. Die Vermietbarkeit sei im Zeitpunkt der erstmaligen Feststellung noch nicht bekannt und die Änderung des Bescheids auch nicht nach Treu und Glauben ausgeschlossen gewesen. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016, 13 veröffentlicht.

10

Dagegen wenden sich die Kläger mit ihrer Revision. Sie rügen die unzutreffende Auslegung der §§ 88, 90 und 173 Abs. 1 Nr. 1 AO, sowie der §§ 146 und 147 BewG a.F.

11

Die Kläger beantragen,
die Vorentscheidung, den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 18. Januar 2003 für Zwecke der Erbschaftsteuer vom 9. September 2009 und 15. Dezember 2009 sowie die Einspruchsentscheidung vom 24. November 2010 aufzuheben.

12

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

13

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und der angefochtenen Bescheide (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass der Ablauf der Feststellungsfrist dem Erlass des unter Hinweis auf § 181 Abs. 5 AO ergangenen Änderungsbescheids vom 15. Dezember 2009 nicht entgegenstand. Entgegen der Auffassung des FG durfte jedoch das FA den bestandskräftigen Feststellungsbescheid vom 2. November 2005 durch den Bescheid vom 15. Dezember 2009 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht ändern.

14

1. Der Ablauf der Feststellungsfrist steht dem Erlass des Bescheids vom 9. September 2009, nicht aber dem Erlass des Bescheids vom 15. Dezember 2009 entgegen.

15

a) Nach § 138 ff. BewG a.F. sind Grundbesitzwerte gesondert festzustellen, wenn die Werte für die Erbschaftsteuer von Bedeutung sind. Für den Erlass von Feststellungsbescheiden sieht die AO eine eigenständige Feststellungsfrist vor, die unabhängig von der Festsetzungsverjährung der Folgesteuern zu ermitteln ist (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 6. Juli 2005 II R 9/04, BFHE 210, 65, BStBl II 2005, 780, unter II.2.a, m.w.N.). Nach § 181 Abs. 1 Satz 1 AO gelten für die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen sinngemäß auch die Vorschriften über die Festsetzungsverjährung (§§ 169 ff. AO).

16

b) Nach § 181 Abs. 5 Satz 1 AO kann eine gesonderte Feststellung auch nach Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfrist insoweit erfolgen, als die gesonderte Feststellung für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist; hierbei bleibt § 171 Abs. 10 AO außer Betracht. § 181 Abs. 5 Satz 1 AO trägt dem Umstand Rechnung, dass die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nur eine Vorstufe der Steuerfestsetzung ist, d.h. nur eine dienende Funktion hat. Aus der Technik der getrennten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen sollen dem Steuerpflichtigen keine Nachteile, aber auch keine Vorteile entstehen (BFH-Urteile vom 11. Februar 2015 I R 5/13, BFHE 250, 172, BStBl II 2016, 353, Rz 11, m.w.N.; BTDrucks VI/1982, S. 157). Die Vorschrift gilt nicht nur für den erstmaligen Erlass, sondern ihrem Sinn und Zweck entsprechend auch für die Änderung oder Berichtigung von Feststellungsbescheiden (BFH-Urteil vom 6. Juli 2005 XI R 27/04, BFH/NV 2006, 16, unter II.2.c aa).

17

c) Das Finanzamt hat beim Erlass eines Feststellungsbescheids nach Ablauf der Feststellungsfrist in dem Bescheid darauf hinzuweisen, dass die getroffenen Feststellungen nur noch für solche Steuerfestsetzungen Bedeutung haben sollen, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist (§ 181 Abs. 5 Satz 2 AO).

18

d) Der Ablauf der Feststellungsfrist stand danach dem Erlass des Bescheids vom 9. September 2009, nicht aber dem Erlass des Bescheids vom 15. Dezember 2009 entgegen.

19

Die Feststellungsfrist begann mit Ablauf des 31. Dezember 2003 und endete vier Jahre später mit Ablauf des 31. Dezember 2007. Die beiden Feststellungsbescheide vom 9. September 2009 und vom 15. Dezember 2009 ergingen folglich nach Ablauf der Feststellungsfrist. Der Bescheid vom 15. Dezember 2009 durfte nach § 181 Abs. 5 AO gleichwohl ergehen, weil die gesonderte Feststellung für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung war, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen war, und dieser Bescheid --anders als der Bescheid vom 9. September 2009-- einen Hinweis auf seine einschränkende Wirkung enthält. Das FA und das FG mussten nicht prüfen, ob die gesonderte Feststellung tatsächlich noch für eine Besteuerung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen war.

20

2. Das FA durfte den bestandskräftigen Feststellungsbescheid vom 2. November 2005 gleichwohl nicht ändern. Es fehlt an einer dafür erforderlichen Änderungsnorm.

21

a) Der Feststellungsbescheid konnte nicht nach § 164 Abs. 2 AO geändert werden, obwohl der Vorbehalt der Nachprüfung nicht aufgehoben war.

22

aa) Nach § 164 Abs. 4 Satz 1 AO entfällt der Vorbehalt der Nachprüfung, wenn die Festsetzungsfrist abläuft. Diese Vorschrift gilt gemäß § 181 Abs. 1 Satz 1 AO für die Feststellungsfrist sinngemäß (BFH-Urteil vom 31. Oktober 2000 VIII R 14/00, BFHE 193, 392, BStBl II 2001, 156). § 181 Abs. 5 Satz 1 AO bewirkt kein "Wiederaufleben" des entfallenen Nachprüfungsvorbehalts (vgl. BFH-Urteil vom 11. November 2014 I R 46/13, BFH/NV 2015, 353, Rz 27).

23

bb) Die nach §§ 172 ff. AO gebotenen Änderungen des Feststellungsbescheids können zwar unter den Voraussetzungen des § 181 Abs. 5 AO trotz Ablaufs der Feststellungsfrist durchgeführt werden. Ein unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehender Feststellungsbescheid kann aber nach Ablauf der Feststellungsfrist wegen des damit verbundenen Wegfalls des Vorbehalts der Nachprüfung nicht mehr nach § 164 Abs. 2 AO geändert werden (BFH-Urteil in BFH/NV 2015, 353, Rz 28, m.w.N.). § 181 Abs. 5 Satz 1 AO entbindet die Finanzbehörde nämlich nicht davon, die ihrer Ansicht nach erforderliche Nachprüfung innerhalb der Feststellungsfrist durchzuführen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2015, 353, Rz 29). Würde man einen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Feststellungsbescheid auch noch nach Ablauf der Feststellungsfrist ändern können, würde die Erstfeststellung auf unabsehbare Zeit nicht nur punktuell, sondern umfassend nach allen Seiten offen bleiben. Dies wäre mit dem Zweck der Verjährungsvorschriften, Rechtsfrieden zu schaffen, nicht zu vereinbaren und lässt sich auch nicht mit dem Gesichtspunkt, dass der gesonderten Feststellung gegenüber der Festsetzung eine rein dienende Funktion zukommt, rechtfertigen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2015, 353, Rz 29).

24

b) An einer Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ist das FA nach Treu und Glauben gehindert.

25

aa) Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekanntwerden, die zu einer höheren Steuer führen. Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 AO ist alles, was Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Steuertatbestands sein kann, also Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften materieller oder immaterieller Art. Keine Tatsachen i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind demgegenüber Schlussfolgerungen aller Art, insbesondere juristische Subsumtionen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 21. Februar 2017 VIII R 46/13, BFHE 257, 198, BStBl II 2017, 745, Rz 34, m.w.N.). Nachträglich bekannt geworden ist eine Tatsache, wenn sie das Finanzamt beim Erlass des geänderten Steuerbescheids noch nicht kannte (z.B. BFH-Urteil in BFHE 257, 198, BStBl II 2017, 745, Rz 35).

26

bb) Die Änderung eines Steuerbescheids zum Nachteil des Steuerpflichtigen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO kann nach den Grundsätzen von Treu und Glauben ausgeschlossen sein, wenn dem Finanzamt die nachträglich bekannt gewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre. Hierauf kann sich der Steuerpflichtige grundsätzlich aber nur dann berufen, wenn er seinerseits seine Mitwirkungspflicht erfüllt hat. Haben es sowohl der Steuerpflichtige als auch das Finanzamt versäumt, den Sachverhalt aufzuklären, trifft in der Regel den Steuerpflichtigen die Verantwortung, mit der Folge, dass der Steuerbescheid geändert werden kann (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 6. Februar 2013 X B 164/12, BFH/NV 2013, 694, und BFH-Urteil in BFHE 257, 198, BStBl II 2017, 745, Rz 45, m.w.N.).

27

cc) Das Finanzamt verletzt seine Ermittlungspflicht (§ 88 AO), wenn es ersichtlichen Unklarheiten oder Zweifelsfragen, die sich bei einer Prüfung der Steuererklärung sowie der eingereichten Unterlagen ohne weiteres aufdrängen mussten, nicht nachgeht (BFH-Urteil vom 16. Juni 2004 X R 56/01, BFH/NV 2004, 1502, unter II.2.c aa, m.w.N.). Verzichtet das Finanzamt gegenüber dem Steuerpflichtigen ausdrücklich auf die Abgabe einer förmlichen Erklärung und fordert ihn stattdessen zu bestimmten Angaben auf, verletzt es seine Ermittlungspflicht, wenn die geforderten Angaben für die Ermittlung des für die Steuerfestsetzung maßgebenden Sachverhalts nicht ausreichen und es auch später vor Erlass des Steuerbescheids keine weiteren Fragen stellt. Erfüllt der Steuerpflichtige in einem solchen Fall seinerseits seine Mitwirkungspflichten, indem er die vom Finanzamt gestellten Fragen zutreffend und vollständig beantwortet, ist das Finanzamt nach Treu und Glauben an einer Änderung der bestandskräftigen Steuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO gehindert, wenn es später Kenntnis von steuererhöhenden Tatsachen erlangt. Der Steuerpflichtige ist nicht verpflichtet, auf der Grundlage der maßgebenden steuerrechtlichen Vorschriften zu prüfen, ob die vom Finanzamt erbetenen Angaben eine zutreffende Steuerfestsetzung ermöglichen oder ob dazu weitere Angaben erforderlich wären. Es fällt vielmehr in den Verantwortungsbereich des Finanzamts, die entscheidungserheblichen Fragen zu stellen.

28

Entsprechendes gilt auch für Feststellungsbescheide.

29

dd) Das FA durfte danach den bestandskräftigen Feststellungsbescheid vom 2. November 2005 nicht nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ändern.

30

Dem FA war zwar beim Erlass dieses Bescheids nicht bekannt, dass das Betriebsgrundstück vermietet worden war. Es war aber nach Treu und Glauben an einer Änderung des Bescheids gehindert. Es hatte seine Ermittlungspflichten verletzt. Für das Betriebsgrundstück hatte es mit dem Schreiben vom 8. Juli 2004 lediglich um die Angabe des Steuerbilanzwerts gebeten. Nur für die anderen in dem Schreiben genannten Grundstücke hatte es nach den Nettokaltmieten gefragt. Die Kläger haben ihre Mitwirkungspflichten nicht verletzt. Sie haben die vom FA geforderten Angaben zutreffend gemacht. Sie waren mangels einer entsprechenden Frage des FA nicht verpflichtet, auf die Vermietung des Betriebsgrundstücks hinzuweisen und die erzielten Mieten anzugeben. Eine Feststellungserklärung mussten sie nicht abgeben. Eine Verpflichtung zur Abgabe einer Feststellungserklärung bestand nach § 138 Abs. 6 Satz 1 BewG a.F. nur bei einem entsprechenden Verlangen des Finanzamts. Im Streitfall hatte das FA darauf aber ausdrücklich verzichtet.

31

3. Da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten. Sie sind daher ebenso wie die Einspruchsentscheidung aufzuheben.

32

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Tatbestand

1

I. Die Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) sind Eheleute, die in den Streitjahren 2006 und 2007 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden. Der Antragsteller erzielte als angestellter Arzt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, ferner in geringem Umfang Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit. Die Antragstellerin war als Arbeitnehmerin tätig.

2

Der Antragsteller ist Mitglied eines berufsständischen Versorgungswerks. Zu den Pflichtbeiträgen, die der Höhe nach denen zur gesetzlichen Rentenversicherung entsprechen, zahlt der Arbeitgeber aufgrund gesetzlicher Regelungen (in den Streitjahren § 172 Abs. 2 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch --SGB VI--; seit 1. Januar 2012 § 172a SGB VI) einen hälftigen Zuschuss.

3

In den vom Arbeitgeber des Antragstellers erstellten Lohnsteuerbescheinigungen für die Streitjahre waren die Beiträge zur Altersvorsorge --gesondert nach Arbeitnehmeranteil und Arbeitgeberzuschuss-- angegeben. Dass es sich um Beiträge an ein Versorgungswerk handelte, war nach dem unbestrittenen Vorbringen des Antragsgegners und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) aus den Lohnsteuerbescheinigungen nicht erkennbar.

4

Zusätzlich stellte das Versorgungswerk jeweils einen "Jahreskontoausweis" aus. Dieser lautete für das Streitjahr 2007: "wir dürfen Ihnen mit Kontostand vom 31.12.2007 die auf Ihrem Konto im Jahr 2007 bei ... eingegangene Beitragssumme mitteilen: 10.865,52 €". Hinweise darauf, dass es sich hierbei um den Pflichtbeitrag für Arbeitnehmer handelt, der einen hälftigen Arbeitgeberzuschuss enthält, sind in der Bescheinigung nicht enthalten. Nach dem Vorbringen der Antragsteller hat das Versorgungswerk für das Jahr 2006 einen vergleichbaren Jahreskontoausweis ausgestellt. Da der Antragsteller über den Pflichtbeitrag hinaus keine freiwilligen Mehrzahlungen an das Versorgungswerk geleistet hatte, waren die im Jahreskontoausweis bescheinigten Beiträge mit der Summe der in den Lohnsteuerbescheinigungen aufgeführten Beiträge identisch.

5

Die Antragsteller reichten ihre Einkommensteuererklärungen für 2006 und 2007, die durch eine Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vorbereitet worden waren, jeweils im Folgejahr beim FA ein. Sie gaben in den Zeilen 61 und 65 der dritten Seite des Mantelbogens die aus den Lohnsteuerbescheinigungen ersichtlichen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge an. Zusätzlich trugen sie in der Zeile 63 die in den Jahreskontoausweisen des Versorgungswerks genannten Beträge ein. Ihrer Einkommensteuererklärung 2007 fügten sie den entsprechenden Jahreskontoausweis bei; ob dies auch für das Jahr 2006 geschehen ist, ist zwischen den Beteiligten streitig.

6

Insgesamt erklärten die Antragsteller die folgenden Altersvorsorgeaufwendungen:

        

2006   

2007   

Zeile 61 (Antragsteller)

5.148 €

5.433 €

Zeile 61 (Antragstellerin)

1.339 €

1.356 €

Zeile 63 (Antragsteller)

10.296 €

10.866 €

Zeile 65 (Antragsteller)

5.148 €

5.432 €

Zeile 65 (Antragstellerin)

1.338 €

1.355 €

7

Die Vordrucke zur Einkommensteuererklärung enthalten zu diesen Zeilen die folgenden Angaben:

8
        

-       

Zeile 61: "Beiträge zu gesetzlichen Rentenversicherungen u. zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen lt. Nr. 23 d. Lohnsteuerbescheinigung (Arbeitnehmeranteil)";

-       

Zeile 63 (Fassung 2006): "Beiträge zu freiwilligen Versicherungen in den gesetzlichen Rentenversicherungen und Pflichtbeiträge von Nichtarbeitnehmern zu den gesetzlichen Rentenversicherungen";

-       

Zeile 63 (Fassung 2007): "Beiträge zu freiwilligen Versicherungen in den gesetzlichen Rentenversicherungen und zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen sowie Pflichtbeiträge von Nichtarbeitnehmern zu den gesetzlichen Rentenversicherungen";

-       

Zeile 65: "Arbeitgeberanteil zu gesetzlichen Rentenversicherungen, Zuschüsse zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen lt. Nr. 22 der Lohnsteuerbescheinigung".

9

Die Einkommensteuererklärung der Antragsteller für 2006 war im FA nur zur überschlägigen Prüfung vorgesehen. Der zuständige Bearbeiter vermerkte in der Prüfungsdokumentation durch Ankreuzen der entsprechenden Formularfelder, die Erklärung sei vollständig, schlüssig und glaubhaft. Demgegenüber war die Steuererklärung für 2007 zur Intensivprüfung vorgesehen. Im elektronisch unterstützten Veranlagungsverfahren wurden dem Bearbeiter zahlreiche maschinelle Prüfhinweise vorgegeben. Einer dieser Hinweise lautete: "Schwerpunktprüfung: Es liegen Eintragungen zu Kz 52.35/36 [= Zeile 63 des Mantelbogens] vor, die zur Anwendung des neuen Rechts führen. Bitte prüfen. Sollte es sich um steuerpflichtige Beiträge zur VBL/ZVK handeln, sind diese in Kz 52.44/46 einzutragen." Der Sachbearbeiter richtete mit Schreiben vom 1. und 11. August 2008 an die Antragsteller zahlreiche Rückfragen zur Steuererklärung, die allerdings nicht die hier streitigen Beiträge zur Altersversorgung betrafen. Im weiteren Verlauf der Bearbeitung versah er die von den Antragstellern in Zeile 63 eingetragene Zahl mit einem Haken und bescheinigte in der Prüfungsdokumentation, er habe die Intensivprüfung vorgenommen, insbesondere bei den Einkünften aus Kapitalvermögen, den freiberuflichen Einkünften und den Steuerberatungskosten.

10

Im Ergebnis veranlagte das FA die Antragsteller hinsichtlich der Altersvorsorgeaufwendungen in den nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen ursprünglichen Bescheiden für 2006 und 2007 erklärungsgemäß. Dies führte dazu, dass der Gesamtbeitrag des Antragstellers zum Versorgungswerk doppelt berücksichtigt wurde und die folgenden Beträge der Besteuerung zugrunde gelegt wurden:

11
                     
     

2006   

2007 

gesamte Altersvorsorgeaufwendungen

23.269 €

24.442 €

als Sonderausgaben abziehbarer Anteil

7.941 €

8.856 €

12

Die Antragsteller legten gegen beide Bescheide aus nicht mehr im Streit befindlichen Gründen Einsprüche ein, denen das FA jeweils abhalf.

13

In der Folgezeit entwickelte die für die Risikoprüfung zuständige Mittelbehörde ein Prüfungsraster, mit dem Fälle, in denen es möglicherweise zu einem doppelten Ansatz von Altersvorsorgeaufwendungen gekommen war, maschinell erkannt werden konnten. Am 9. März 2011 richtete sie an das FA eine Kontrollmitteilung, in der es u.a. hieß: "Die Prüfung der Kennzahlen 52.30/47/32/35 ... zeigte für o.g. Steuerpflichtigen Merkmale des in der ESt-Kurzinformation 06/2010 beschriebenen Sachverhalts. ... Bitte kontrollieren Sie die berücksichtigten Sonderausgaben, insbesondere hinsichtlich möglicher Mehrfacherklärung/-erfassung von Zahlungen aufgrund einer Bescheinigung des Versorgungsträgers zusätzlich zum Ausweis der Beiträge auf der Lohnsteuerbescheinigung. Von einer rein summarischen Kontrolle ist abzuraten, da neben Jahresverschiebungen vereinzelt private Zusatzzahlungen festgestellt wurden."

14

Nach entsprechender Ankündigung erließ das FA am 23. Februar 2012 die im Hauptsacheverfahren angefochtenen geänderten Einkommensteuerbescheide für 2006 und 2007, die es verfahrensrechtlich auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) gestützt hat. Darin wurden --materiell-rechtlich zutreffend-- nur noch die folgenden Altersvorsorgeaufwendungen angesetzt:

15
                 
        

2006   

2007   

gesamte Altersvorsorgeaufwendungen

12.973 €

13.576 €

als Sonderausgaben abziehbarer Anteil

1.558 €

1.902 €

16

Das FA vertrat zur Anwendbarkeit des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO die Auffassung, ihm sei die Tatsache, dass die in Zeile 63 eingetragenen Beiträge an das Versorgungswerk nicht zusätzlich zu den in den Lohnsteuerbescheinigungen enthaltenen Altersvorsorgeaufwendungen geleistet worden seien, erst nachträglich bekannt geworden. Es habe auch seine Ermittlungspflicht nicht verletzt. Denn es habe davon ausgehen dürfen, dass die Eintragungen in den Steuererklärungen zutreffend gewesen seien, weil sowohl die Höhe der in den Zeilen 61 und 65 eingetragenen Beträge mit den Angaben in den Lohnsteuerbescheinigungen als auch die Höhe der in der Zeile 63 eingetragenen Beträge mit den Angaben im Jahreskontoausweis übereingestimmt habe. Selbst wenn dem FA aber eine Verletzung seiner Ermittlungspflicht unterlaufen sein sollte, werde diese durch die Verletzung der Mitwirkungspflicht der Antragsteller überwogen. Denn es müsse sowohl steuerlich unkundigen Steuerpflichtigen als auch --erst recht-- einem Steuerberater klar sein, dass dieselben Aufwendungen nicht mehrfach steuermindernd geltend gemacht werden dürfen. Daher sei, obwohl für das Jahr 2006 die reguläre Festsetzungsfrist bereits abgelaufen sei, auch insoweit eine Änderung zulässig, da den Antragstellern eine leichtfertige Steuerverkürzung vorzuwerfen sei und sich die Festsetzungsfrist auf fünf Jahre verlängere.

17

Die Antragsteller brachten vor, es gehe im Streitfall nicht um eine Tatsachenfrage, sondern um eine rechtliche Würdigung, die keine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO rechtfertige. Jedenfalls sei ihnen keine Pflichtverletzung vorzuwerfen, da sie in den Steuererklärungen alle erforderlichen Angaben gemacht und auf die --als unklar anzusehenden-- Bescheinigungen des Versorgungswerks ebenso hätten vertrauen dürfen wie das FA. Weder für die Antragsteller noch für das FA sei offensichtlich gewesen, "welche Beiträge nun eigentlich in welcher Bescheinigung bestätigt wurden". Gerade das FA hätte aber aufgrund der vorgelegten Bescheinigungen den Doppelansatz erkennen können. Außerdem hätten sich dem FA Zweifel an der Richtigkeit der Angaben in den Steuererklärungen aufdrängen müssen, da nach § 16 der Satzung des Versorgungswerks angestellte Mitglieder einen Beitrag in Höhe desjenigen Betrages zu entrichten hätten, der dem ansonsten in die gesetzliche Rentenversicherung zu zahlenden Beitrag entspreche. Zusätzliche freiwillige Zahlungen seien nach der Satzung nicht zulässig. Das FA hätte unschwer erkennen können, dass die in der Steuererklärung geltend gemachten Beiträge nicht zur Höhe des Arbeitslohns gepasst hätten. Da der Antragsteller Pflichtmitglied im Versorgungswerk sei, habe eindeutig festgestanden, dass die Angaben in den Lohnsteuerbescheinigungen sich nur auf die Beiträge an das Versorgungswerk hätten beziehen können.

18

Der Einspruch blieb ebenso wie der beim FA gestellte Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) ohne Erfolg. Die anschließend erhobene Klage ist noch beim Finanzgericht (FG) anhängig.

19

Mit dem im vorliegenden Beschwerdeverfahren angefochtenen Beschluss lehnte das FG den Antrag auf AdV ab. Es sei nicht ernstlich zweifelhaft, dass das FA die Bescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO habe ändern dürfen. Maßgebende Tatsache sei, dass den Antragstellern Altersvorsorgeaufwendungen nur in Höhe von etwa der Hälfte der in den Zeilen 61 bis 65 insgesamt erklärten Beträge entstanden seien, weil sie die in Zeile 63 angegebenen Beträge nicht zusätzlich zu den in den Zeilen 61 und 65 eingetragenen Beträgen gezahlt hätten. Diese Tatsache sei dem FA erst nach Durchführung der ursprünglichen Veranlagungen bekannt geworden, da aus dem Jahreskontoausweis des Versorgungswerks nur hervorgehe, in welcher Höhe dort Beiträge eingegangen seien, nicht aber, dass darin die in der Lohnsteuerbescheinigung angegebenen Beträge enthalten seien.

20

Eine Änderung sei auch nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben ausgeschlossen. Zwar habe das FA seine Ermittlungspflicht verletzt, weil es die Eintragung in Zeile 63 zum Anlass für weitere Ermittlungen hätte nehmen müssen. Im Rahmen der in diesen Fällen vorzunehmenden Abwägung überwiege die Pflichtverletzung der Antragsteller aber eindeutig. Die Festsetzungsfrist für 2006 sei wegen des Vorliegens einer leichtfertigen Steuerverkürzung noch nicht abgelaufen.

21

Mit ihrer Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, wiederholen und vertiefen die Antragsteller ihr Vorbringen aus dem bisherigen Verfahren. Zusätzlich bringen sie vor, die Steuererklärungen seien im Büro ihres Steuerberaters von einem erfahrenen Steuerfachangestellten bearbeitet worden. Der Steuerberater habe darauf vertrauen dürfen, dass der Angestellte die Steuererklärungen ordnungsgemäß erstelle. Damit treffe den Steuerberater kein eigenes Verschulden; ein eventuelles Verschulden des Steuerfachangestellten sei den Antragstellern aber nicht zurechenbar.

22

Die Antragsteller haben im Beschwerdeverfahren keinen ausdrücklichen Antrag gestellt, jedoch erklärt, an der "Klage" festhalten zu wollen.

23

Das FA beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.

24

Der für das Jahr 2007 vorliegende Jahreskontoausweis des Versorgungswerks habe den Bearbeiter eher darin bestärkt, dass die Angaben in der Steuererklärung zutreffend seien. Eine Tatsache sei dem FA nur dann nicht nachträglich bekannt geworden, wenn sie dem Bearbeiter bereits beim Erlass des vorangehenden Bescheids positiv bekannt gewesen sei. Die bloße Möglichkeit, die Tatsachen ermitteln zu können, reiche grundsätzlich nicht aus.

Entscheidungsgründe

25

II. Die Beschwerde ist für das Streitjahr 2006 begründet; sie führt insoweit zur Gewährung der beantragten AdV. Hinsichtlich des Jahres 2007 ist die Beschwerde unbegründet.

26

1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) soll das Gericht die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts u.a. aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen. Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung, vgl. aus neuerer Zeit Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 6. Februar 2013 XI B 125/12, BFH/NV 2013, 615, unter II.2.b, mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

27

Nach diesen Maßstäben hat das FG zutreffend ernstliche Zweifel an der Anwendbarkeit des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO verneint (dazu unten 2.). Es hat aber verkannt, dass hinsichtlich der Wahrung der Festsetzungsfrist ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des geänderten Einkommensteuerbescheids für 2006 bestehen (unten 3.).

28

2. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel daran, dass das FA die Einkommensteuerbescheide für 2006 und 2007 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ändern durfte. Die ursprünglichen Bescheide waren --was zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig ist-- materiell-rechtlich unrichtig. Der zuständigen Stelle im FA sind Tatsachen (dazu unten a) nachträglich bekannt geworden (unten b). Die Grundsätze von Treu und Glauben führen nicht dazu, dass ausnahmsweise von der Anwendung des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO abzusehen wäre (unten c).

29

a) Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 AO ist jeder Lebenssachverhalt, der Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Tatbestands sein kann, also Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften materieller oder immaterieller Art (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Entscheidungen vom 30. Oktober 2003 III R 24/02, BFHE 204, 10, BStBl II 2004, 394, unter II.1., und vom 19. Oktober 2011 X R 29/10, BFH/NV 2012, 227, unter II.1.a).

30

Vor dem materiell-rechtlichen steuergesetzlichen Hintergrund, dass nur tatsächlich gezahlte Altersvorsorgeaufwendungen den Tatbestand des § 10 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes erfüllen, ist im vorliegenden Fall als "Tatsache" der Umstand anzusehen, dass der Antragsteller in den Streitjahren lediglich Altersvorsorgeaufwendungen (einschließlich der Zuschüsse des Arbeitgebers) in Höhe von 10.296 € (2006) bzw. 10.865 € (2007) geleistet hatte, nicht aber die wesentlich höheren in den Steuererklärungen insgesamt als Altersvorsorgeaufwendungen angegebenen Beträge.

31

b) Diese Tatsache ist dem FA nachträglich bekannt geworden.

32

Maßgebend ist der Zeitpunkt, in dem die Willensbildung über die vorangegangene Steuerfestsetzung abgeschlossen war (BFH-Urteil vom 22. April 2010 VI R 40/08, BFHE 229, 57, BStBl II 2010, 951, unter II.1.c), im Streitfall also die Zeichnung des Eingabewertbogens zum Erlass der Abhilfebescheide auf die jeweils gegen die Erstbescheide eingelegten Einsprüche hin. Die Kontrollmitteilung der Mittelbehörde ging erst nach Zeichnung dieser Eingabewertbögen im zuständigen Veranlagungsbezirk ein.

33

Hinsichtlich des Grades der erforderlichen Kenntnis ist zu differenzieren: Der Inhalt der in der zuständigen Dienststelle geführten Steuerakten gilt als bekannt, ohne dass es insoweit auf die individuelle Kenntnis des jeweiligen Bearbeiters ankommt (BFH-Urteil vom 3. Mai 1991 V R 36/90, BFH/NV 1992, 221, unter II.1.b, m.w.N.). Bei Tatsachen, die sich nicht aus den Akten ergeben, ist hingegen die positive Kenntnis des zuständigen Bearbeiters erforderlich; ein Kennenmüssen reicht hier nicht aus (BFH-Urteil vom 19. November 2008 II R 10/08, BFH/NV 2009, 548, unter II.1.).

34

Vorliegend ergab sich die Höhe der in den Streitjahren tatsächlich vom Antragsteller geleisteten Altersvorsorgeaufwendungen weder aus den Akten noch war sie dem zuständigen Bearbeiter positiv bekannt. Die eingereichten Lohnsteuerbescheinigungen ließen nicht erkennen, dass es sich bei den dort eingetragenen Altersvorsorgeaufwendungen um Beiträge zum Versorgungswerk handelte. Anders als die Antragsteller meinen, folgt eine entsprechende Tatsachenkenntnis des zuständigen Sachbearbeiters auch nicht daraus, dass aus den Steuererklärungen die berufliche Tätigkeit des Antragstellers als Arzt erkennbar war. Denn auch nichtselbständig tätige Ärzte unterliegen grundsätzlich der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht. Ihre Befreiung von dieser Versicherungspflicht durch Mitgliedschaft in einem Versorgungswerk ist nur unter den --vom Gesetzgeber zunehmend eingeschränkten-- Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI möglich und setzt sowohl einen entsprechenden Antrag des Pflichtversicherten (§ 6 Abs. 2 SGB VI) als auch eine positive Bescheidung dieses Antrags durch den Rentenversicherungsträger (§ 6 Abs. 3 SGB VI) voraus. Umgekehrt enthielten die Jahreskontoausweise des Versorgungswerks keine Hinweise darauf, dass es sich um Pflichtbeiträge für einen von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreiten Arbeitnehmer handelte und in den bescheinigten Beträgen ein hälftiger Arbeitgeberzuschuss enthalten war.

35

Der Umstand, dass dem Bearbeiter bei einer sorgfältigen Analyse der Steuererklärungen Zweifel an der Richtigkeit der dort gemachten Angaben hätten kommen können bzw. müssen, ändert nichts daran, dass ihm die maßgebende Tatsache --objektiv-- nachträglich bekannt geworden ist. Dieser Umstand ist allerdings im Rahmen der Prüfung, ob eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nach Treu und Glauben ausgeschlossen ist, zu berücksichtigen.

36

c) Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist die Änderung eines Bescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO trotz Vorliegens aller Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm in Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben ausgeschlossen, wenn dem FA die nachträglich bekannt gewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre. Allerdings muss der Steuerpflichtige dann seinerseits seine Mitwirkungspflicht erfüllt haben. Haben sowohl der Steuerpflichtige als auch das FA es versäumt, den Sachverhalt aufzuklären, trifft in der Regel den Steuerpflichtigen die Verantwortung, mit der Folge, dass die Berufung des FA auf die Erfüllung der Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht als treuwidrig anzusehen ist (BFH-Entscheidungen vom 28. Juni 2006 XI R 58/05, BFHE 214, 319, BStBl II 2006, 835, und vom 6. Februar 2013 X B 164/12, BFH/NV 2013, 694, unter II.2.b). Demgegenüber scheidet in Fällen beiderseitiger Pflichtverletzungen eine Änderungsmöglichkeit aus, wenn der Verstoß des FA deutlich überwiegt (BFH-Urteil vom 20. Dezember 1988 VIII R 121/83, BFHE 156, 339, BStBl II 1989, 585, unter II.6.).

37

aa) Vorliegend hat das FA bei Bearbeitung der Steuererklärungen der Antragsteller seine Ermittlungspflichten verletzt. Sowohl der Umstand, dass Ärzte sich in vielen --wenngleich nicht in allen-- Fällen von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreien lassen, als auch die --allerdings nur durch Vornahme einer Rechenoperation erkennbare-- betragsmäßige Übereinstimmung der Summe der in den Zeilen 61 und 65 eingetragenen Beträge mit dem in Zeile 63 eingetragenen Betrag hätten Anlass zu einer entsprechenden Nachfrage geben müssen. Die zahlreichen anderweitigen Rückfragen des Sachbearbeiters zu der --durchaus umfangreichen-- Steuererklärung 2007 zeigen, dass der Bearbeiter die ihm vorgegebene Intensivprüfung vorgenommen hat und ihm im Rahmen dieser Intensivprüfung zahlreiche andere Unstimmigkeiten aufgefallen sind.

38

bb) Jedoch haben auch die Antragsteller ihre Mitwirkungspflichten verletzt.

39

(1) Gemäß § 150 Abs. 2 Satz 1 AO sind Angaben in Steuererklärungen wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu machen. Daran fehlt es, da der Antragsteller seine tatsächlich nur einmal geleisteten Beiträge zum Versorgungswerk doppelt in den Steuererklärungen angegeben hatte. Die in der doppelten Eintragung derselben Aufwendungen liegende Pflichtverletzung entfällt ersichtlich auch nicht deshalb, weil die Antragsteller --was für das Jahr 2006 ohnehin streitig ist-- ihren Steuererklärungen die Jahreskontoausweise des Versorgungswerks beigefügt hatten.

40

(2) Nicht zu folgen vermag der Senat der Argumentation der Antragsteller, sie hätten ihre Mitwirkungspflichten (Steuererklärungspflichten) nicht verletzt, weil die Fehler allein einem weitestgehend selbständig arbeitenden Steuerfachgehilfen unterlaufen seien und Fehler einer solchen Hilfsperson --anders als Fehler des Steuerberaters selbst-- ihnen nicht zurechenbar seien.

41

Das --aus den Grundsätzen von Treu und Glauben abzuleitende und daher einen Ausnahmetatbestand darstellende-- Änderungsverbot bewirkt, dass das FA trotz Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO an einer Erhöhung der Steuerfestsetzung gehindert ist. Bei Zugrundelegung der Grundsätze von Treu und Glauben kann der Steuerpflichtige seine verfahrensrechtliche Position aber nicht dadurch verbessern, dass er seine Steuererklärung durch einen Steuerberater fertigen lässt und der Steuerberater insoweit vorbereitende Tätigkeiten seinem Büropersonal überträgt (vgl. hierzu bereits Senatsbeschluss in BFH/NV 2013, 694, unter II.2.c).

42

Ergänzend weist der Senat auf § 3 der Berufsordnung der Bundessteuerberaterkammer (BO-BStBK) hin: Danach sind Steuerberater verpflichtet, ihre Tätigkeit in eigener Verantwortung auszuüben; sie bilden sich ihr Urteil selbst und treffen ihre Entscheidungen selbständig. Die Beschäftigung von Mitarbeitern ist gemäß § 17 BO-BStBK nur zulässig, soweit diese weisungsgebunden unter der fachlichen Aufsicht und beruflichen Verantwortung des Steuerberaters tätig werden. Auch soweit diese berufsrechtlichen Anforderungen in der Kanzlei des Steuerberaters der Antragsteller nicht erfüllt sein sollten, wären die Antragsteller im Anwendungsbereich der Grundsätze von Treu und Glauben daran gehindert, sich zu ihren eigenen Gunsten auf derartige Organisationsmängel zu berufen.

43

cc) Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass die Verletzung der Ermittlungspflichten auf Seiten des FA jedenfalls nicht schwerer wiegt als die Verletzung der Steuererklärungspflichten der Antragsteller, so dass die Grundsätze von Treu und Glauben der Anwendung des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht entgegenstehen.

44

Maßgebend hierfür ist zum einen, dass allein die Antragsteller --jedenfalls auf einer abstrakten Ebene-- über die volle Kenntnis des Sachverhalts verfügten. Sie wussten sowohl, dass der Antragsteller ausschließlich Pflichtbeiträge zum Versorgungswerk, nicht aber Einzahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung leistete, und dass die Eintragungen in den Lohnsteuerbescheinigungen sich auf die Beiträge zum Versorgungswerk bezogen. Ferner wussten sie, dass die in den Jahreskontoausweisen des Versorgungswerks bescheinigten Beträge mit den aus den Lohnsteuerbescheinigungen ersichtlichen Beträgen identisch sein mussten, weil der Antragsteller keine über die Pflichtbeiträge hinausgehenden Einzahlungen geleistet hatte.

45

Der beim FA zuständige Bearbeiter der Steuererklärung hatte von diesen Umständen des Sachverhalts hingegen --anders als die Antragsteller-- keine positive Kenntnis. Ihm ist nur anzulasten, dass er sich Kenntnis hätte verschaffen können, wenn er den aufgezeigten Ermittlungsansätzen nachgegangen wäre. Hinzu kommt, dass die betragsmäßige Übereinstimmung der Eintragungen in den Zeilen 61 und 65 einerseits und in der Zeile 63 andererseits vom Sachbearbeiter nur durch Addition zweier vierstelliger Zahlen erkannt werden können, was nicht jedem auf den ersten Blick möglich ist.

46

Zwar hatte der Sachbearbeiter für das Jahr 2007 einen Prüfhinweis zu Zeile 63 der Steuererklärung zu bearbeiten. Der Text des Prüfhinweises war aber nicht auf die Vermeidung einer doppelten Berücksichtigung von Beiträgen an das Versorgungswerk gerichtet, sondern stand in Zusammenhang mit Beiträgen zu Zusatzversorgungseinrichtungen des öffentlichen Dienstes und war daher für die Steuererklärung der Antragsteller nicht einschlägig. Zudem waren gerade die Eintragungen der Antragsteller für das Jahr 2007 durchaus plausibel, weil in Zeile 63 des Erklärungsvordrucks ausdrücklich auch "Beiträge zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen" zu erfassen waren und sowohl für die Eintragungen in den Zeilen 61 und 65 (Lohnsteuerbescheinigung) als auch für die Eintragung in Zeile 63 (Jahreskontoausweis) entsprechende Belege vorlagen.

47

Unzutreffend ist in diesem Zusammenhang die Auffassung der Antragsteller, aus § 16 der Satzung des Versorgungswerks ergebe sich, dass bei Leistung von Pflichtbeiträgen an das Versorgungswerk (Zeilen 61 und 65) die Zahlung zusätzlicher freiwilliger Beiträge (Zeile 63) ausgeschlossen sei. Das Gegenteil ist der Fall, da gemäß § 21 der Satzung freiwillige Mehrzahlungen bis zum allgemeinen Jahreshöchstbetrag zulässig sind und in der Praxis auch häufig geleistet werden. Dieser Jahreshöchstbetrag liegt gemäß § 21 Abs. 2 Satz 2 der Satzung i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 8 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes beim Zweieinhalbfachen der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung und ist durch die Pflichtbeiträge des Antragstellers bei Weitem nicht ausgeschöpft worden. Die Eintragung in Zeile 63 war daher aus Sicht des FA auch insoweit --dem Grunde nach-- plausibel, als sie zusätzlich zu Eintragungen in den Zeilen 61 und 65 erfolgte.

48

Die Antragsteller haben im Verlaufe des Verfahrens mehrfach vorgetragen, sie hätten auf die unklaren Jahreskontoausweise des Versorgungswerks ebenso vertrauen dürfen wie das FA. Wenn danach aber beide Seiten gleichermaßen in die Irre geleitet worden sind und jedenfalls keine überwiegende Pflichtverletzung des FA erkennbar ist, liegt kein Ausnahmefall vor, in dem trotz Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO die Anwendung dieser Vorschrift nach den Grundsätzen von Treu und Glauben ausgeschlossen ist.

49

3. Es bestehen jedoch insoweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des geänderten Einkommensteuerbescheids für 2006, als das FG angenommen hat, dieser Bescheid habe die Festsetzungsfrist gewahrt, weil den Antragstellern eine leichtfertige Steuerverkürzung vorzuwerfen sei.

50

a) Im Zeitpunkt des Ergehens des Änderungsbescheids (23. Februar 2012) war die reguläre Festsetzungsfrist für den Veranlagungszeitraum 2006 bereits abgelaufen. Die Antragsteller hatten ihre Steuererklärung im Jahr 2007 abgegeben; die vierjährige Festsetzungsfrist endete daher mit Ablauf des 31. Dezember 2011.

51

b) Die Festsetzungsfrist würde sich gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO auf fünf Jahre verlängern und wäre durch den Änderungsbescheid vom 23. Februar 2012 gewahrt worden, wenn die Steuer, die aufgrund der doppelten Geltendmachung der Altersvorsorgeaufwendungen in der Steuererklärung 2006 zunächst nicht festgesetzt worden war, als leichtfertig verkürzt (§ 378 Abs. 1 Satz 1 AO) anzusehen wäre.

52

Leichtfertigkeit bedeutet einen erheblichen Grad an Fahrlässigkeit, der etwa der groben Fahrlässigkeit des bürgerlichen Rechts entspricht, im Gegensatz dazu aber auf die persönlichen Fähigkeiten des Täters abstellt (BFH-Urteil vom 19. Dezember 2002 IV R 37/01, BFHE 200, 495, BStBl II 2003, 385, unter II.2., m.w.N.). Um den subjektiven Tatbestand einer leichtfertigen Steuerverkürzung feststellen zu können, muss das FG den Steuerpflichtigen jedenfalls in Grenzfällen persönlich anhören, wenn sich nicht bereits aus dokumentierten Äußerungen, Urkunden oder sonstigen Indizien die Leichtfertigkeit eindeutig ergibt (BFH-Urteil vom 17. November 2011 IV R 2/09, BFH/NV 2012, 1309, unter II.4.b cc).

53

c) Danach bestehen auf der Grundlage des gegenwärtigen Sach- und Streitstands ernstliche Zweifel daran, ob der Antragsteller leichtfertig gehandelt hat. Zwar enthält die Steuererklärung objektiv falsche Angaben. Ob der Antragsteller oder sein Steuerberater aber auch den subjektiven Tatbestand der leichtfertigen Steuerverkürzung erfüllt hat, ergibt sich weder aus dokumentierten Äußerungen, Urkunden oder sonstigen Indizien noch hat das FG seine Würdigung auf eine persönliche Anhörung des Antragstellers oder seines Steuerberaters gestützt.

54

Zwar weist das FA im Ansatz zutreffend darauf hin, jeder Steuerpflichtige und jeder Steuerberater --oder Steuerfachgehilfe-- müsse wissen, dass dieselben Aufwendungen nicht doppelt geltend gemacht werden dürften. Angesichts der fehlenden Erläuterungen sowohl in der Lohnsteuerbescheinigung als auch in den Jahreskontoauszügen liegt aber die Würdigung nahe, dass --aus Sicht des Steuerberaters-- nicht schon der Umstand, dass zusätzlich zur Lohnsteuerbescheinigung noch freiwillige Beiträge an das Versorgungswerk geltend gemacht wurden, sondern erst die betragsmäßige Übereinstimmung der Beträge zu einer Überprüfung hätten Anlass geben müssen. Ebenso wie bei der Würdigung des Grades der Verletzung der Ermittlungspflichten des Sachbearbeiters des FA (dazu oben 2.c cc) ist aber auch bei der Prüfung des Verschuldens des Steuerberaters zu würdigen, dass das Erkennen der betragsmäßigen Übereinstimmung die Addition vierstelliger Zahlen voraussetzte, deren Ergebnis nicht ohne weiteres ins Auge springt. Ob den Antragstellern bei der --ihnen trotz Einschaltung eines Steuerberaters eigenverantwortlich obliegenden-- Überprüfung der vorbereiteten Steuererklärung der doppelte Ansatz der Altersvorsorgeaufwendungen hätte ins Auge springen müssen, ist Tatfrage und bedarf der weiteren Aufklärung im noch anhängigen Hauptsacheverfahren.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts des Saarlandes vom 13. März 2013  2 K 1503/08 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Das Verfahren befindet sich im zweiten Rechtsgang.

2

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Gesamtrechtsnachfolgerin ihres 2007 verstorbenen Ehemanns (E). In ihrer am 22. Oktober 2001 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) eingereichten Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (2000) machten die Eheleute Unterhaltsaufwendungen für ihren Sohn (S) als außergewöhnliche Belastungen geltend. Aus der Erklärung ergab sich, dass S als Student in Frankreich lebte und dort einen gemeinsamen Haushalt mit Ehefrau und zwei Kindern unterhielt. Die Klägerin und E teilten die eigenen Einkünfte des S, die sich im Streitjahr tatsächlich auf 31.047 DM beliefen, durch vier und gaben sie in der Einkommensteuererklärung dementsprechend nur in Höhe von 7.762 DM an.

3

In dem am 24. Oktober 2001 vom zuständigen Sachbearbeiter (B) freigegebenen Einkommensteuerbescheid vom 7. November 2001 berücksichtigte das FA die Unterhaltsaufwendungen für S in Höhe von 6.938 DM als außergewöhnliche Belastungen. Das FA ging dabei von eigenen Einkünften des S in Höhe von 7.762 DM aus.

4

S hatte seine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr am 9. Oktober 2001 beim FA abgegeben. Er war ebenfalls von dem Sachbearbeiter B mit Bescheid vom 29. Oktober 2001 veranlagt worden, nachdem dieser am 12. Oktober 2001 die abschließende Zeichnung vorgenommen hatte. Der Gesamtbetrag der Einkünfte des S belief sich auf 31.047 DM.

5

Das FA änderte den Einkommensteuerbescheid vom 7. November 2001 am 19. Dezember 2002 --soweit es hier von Bedeutung ist-- gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO). Es ließ in diesem Bescheid wegen der Höhe der Einkünfte des S die Unterhaltsaufwendungen nicht mehr zum Abzug als außergewöhnliche Belastungen zu.

6

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) im ersten Rechtsgang ab. Allerdings berücksichtigte das FA in dem während des Klageverfahrens gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geänderten Bescheid vom 2. Juli 2009 Unterhaltsaufwendungen als außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 3.920 DM.

7

Mit Urteil vom 13. Juni 2012 VI R 85/10 (BFHE 238, 295, BStBl II 2013, 5) hob der Bundesfinanzhof (BFH) das FG-Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück. Das FG habe nicht aufgeklärt, ob der für die Veranlagung der Klägerin und des S zuständige Sachbearbeiter B im maßgeblichen Zeitpunkt, in dem die Willensbildung über die Steuerfestsetzung abgeschlossen gewesen sei, positive Kenntnis von der Höhe der Einkünfte des S gehabt habe. Das FG müsse daher im zweiten Rechtsgang aufklären, ob B im Zeitpunkt der Veranlagung der Klägerin und des E aufgrund der wenige Tage zuvor erfolgten Bearbeitung des Steuerfalls des S positive Kenntnis von dessen verwandtschaftlichen Beziehungen zur Klägerin sowie von dessen Einkünften im Streitjahr besessen habe. Könne der Sachverhalt nicht (mehr) aufgeklärt werden, sei nach den Regeln der Beweislast zu entscheiden.

8

Im zweiten Rechtsgang wies das FG die Klage nach Vernehmung des B als Zeuge erneut ab. Die Beweisaufnahme habe nicht ergeben, dass der Zeuge B, an dessen Glaubwürdigkeit keine Zweifel bestünden, im Zeitpunkt der Veranlagung der Klägerin und des E aufgrund der wenige Tage zuvor erfolgten Bearbeitung des Steuerfalls des S positive Kenntnis von dessen verwandtschaftlichen Beziehungen zur Klägerin und von dessen Einkünften im Streitjahr besessen habe. B habe glaubhaft bekundet, dass er sich weder an den Namen der Klägerin und des S noch an den konkreten Fall erinnern könne.

9

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

10

Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und unter Änderung des Einkommensteuerbescheids für 2000 vom 2. Juli 2009 die Einkommensteuer unter Berücksichtigung von weiteren außergewöhnlichen Belastungen in Höhe von 3.018 DM (1.543,08 €) festzusetzen.

11

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

12

II. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

13

Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass das FA den bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid vom 7. November 2001 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO berichtigen durfte.

14

1. Im ersten Rechtsgang hat der beschließende Senat --für das FG bindend (§ 126 Abs. 5 FGO)-- entschieden, dass das FG im zweiten Rechtsgang aufklären müsse, ob B im Zeitpunkt der Veranlagung der Klägerin und des E aufgrund der wenige Tage zuvor erfolgten Bearbeitung des Steuerfalls des S positive Kenntnis von dessen verwandtschaftlichen Beziehungen zur Klägerin und von dessen Einkünften im Streitjahr besessen habe.

15

Das FG hat daraufhin im zweiten Rechtsgang unter Beachtung der Bindungswirkung des § 126 Abs. 5 FGO den B als Zeuge für die von dem beschließenden Senat als entscheidungserheblich erachtete Frage vernommen.

16

Das FG hat aufgrund der in der Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung wiedergegebenen Aussage des Zeugen B --insoweit nachvollziehbar-- festgestellt, dass sich der Zeuge B weder an den Namen der Klägerin oder des S noch sonst an den konkreten Fall erinnern konnte. Da dem Zeugen B der nach dem Senatsurteil in BFHE 238, 295, BStBl II 2013, 5 entscheidungserhebliche Sachverhalt bei seiner Vernehmung durch das FG somit überhaupt nicht mehr erinnerlich war, verbleibt es bei der auch für den Senat im zweiten Rechtsgang grundsätzlich bindenden rechtlichen Würdigung in dem zurückverweisenden Urteil (dazu BFH-Urteile vom 4. November 2004 III R 38/02, BFHE 208, 155, BStBl II 2005, 271, und vom 23. Oktober 1991 I R 52/90, BFH/NV 1992, 271), dass nach den Regeln der objektiven Beweislast zu entscheiden ist, wenn der Sachverhalt nicht (mehr) aufgeklärt werden kann.

17

Zwar hat das FG gegen die Bindungswirkung des § 126 Abs. 5 FGO verstoßen, indem es die Auffassung vertreten hat, dass die Regeln über die objektive Feststellungslast im Streitfall nicht maßgeblich seien. Die Vorentscheidung stellt sich jedoch aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar. Denn auch bei Anwendung der Regeln über die objektive Feststellungslast durfte das FA den bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ändern.

18

2. Die objektive Beweislast (Feststellungslast) für die tatsächlichen Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO trägt grundsätzlich das FA (BFH-Urteile vom 23. Januar 2002 XI R 55/00, BFH/NV 2002, 1009; vom 6. Dezember 1994 IX R 11/91, BFHE 176, 221, BStBl II 1995, 192; vom 22. April 1988 III R 89/86, BFH/NV 1988, 768, und vom 20. Dezember 1988 VIII R 121/83, BFHE 156, 339, BStBl II 1989, 585; Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 173 AO Rz 53, 85). Dies gilt jedoch nicht, soweit es nicht um die objektive Beweislast für die "neue Tatsache", sondern um die Verletzung der Ermittlungspflicht des FA geht. Diese Feststellungslast trifft den Steuerpflichtigen (BFH-Urteil vom 19. Mai 1998 I R 140/97, BFHE 186, 124, BStBl II 1998, 599).

19

a) Nach ständiger Rechtsprechung gilt dem FA der Inhalt der Akten als bekannt, die in der zuständigen Dienststelle für den zu veranlagenden Steuerpflichtigen geführt werden (Senatsurteil in BFHE 238, 295, BStBl II 2013, 5, unter II.2.c, m.w.N.). Dagegen gelten Tatsachen, die sich aus den Akten anderer Steuerpflichtiger ergeben, auch dann nicht als bekannt, wenn für deren Bearbeitung dieselbe Person zuständig ist. Nach diesen Maßstäben war die tatsächliche Höhe der Einkünfte des S in Bezug auf die Einkommensteuerfestsetzung der Klägerin und des E im Grundsatz eine neue steuererhöhende Tatsache, die das FA grundsätzlich zum Erlass des angefochtenen Änderungsbescheids gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO berechtigte. Denn nach den nicht mit zulässigen Verfahrensrügen angegriffenen und den Senat daher nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG ergaben sich die von S im Streitjahr tatsächlich erzielten Einkünfte nicht aus den für die Klägerin und E beim FA geführten Steuerakten.

20

b) Allerdings muss sich der zuständige Bearbeiter das Wissen aus einem anderen steuerlichen Verfahren zurechnen lassen, wenn zur Hinzuziehung des entsprechenden Vorgangs nach den Umständen des Falles, insbesondere nach dem Inhalt der zu bearbeitenden Steuererklärung oder der präsenten Akten, eine besondere Veranlassung bestand. Denn andernfalls zöge das Unterlassen der Beiziehung eine Verletzung der Ermittlungspflicht nach sich. Deshalb hat der beschließende Senat dem FG in dem zurückverweisenden Urteil aufgegeben aufzuklären, ob der für die Veranlagung der Klägerin und des S zuständige Sachbearbeiter in sonstiger Weise im maßgeblichen Zeitpunkt positive Kenntnis von der Höhe der Einkünfte des S hatte.

21

c) Die Beweislast dafür, dass dem für die Veranlagung des Steuerpflichtigen zuständigen Sachbearbeiter ausnahmsweise auch nicht aktenkundige Tatsachen dienstlich bekannt waren oder nach dem Inhalt der zu bearbeitenden Steuererklärung oder der präsenten Akten als bekannt zuzurechnen sind, trägt jedoch der Steuerpflichtige. Dies gilt insbesondere dann, wenn wegen des Unterlassens der Beiziehung "anderer" Akten die Verletzung der Ermittlungspflicht in Rede steht. Lassen sich entsprechende Umstände oder ein dahingehendes Fehlverhalten --wie im Streitfall-- nicht nachweisen, gelten nicht aktenkundige Tatsachen folglich nicht als bekannt und erlauben dem FA eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO.

22

Da der Zeuge B im Streitfall bei seiner Vernehmung durch das FG keinerlei Erinnerung mehr an den konkreten Steuerfall der Klägerin und des S hatte, lässt sich nicht mehr feststellen, ob dem Zeugen B als dem damals zuständigen Sachbearbeiter im Zeitpunkt der Veranlagung der Klägerin und des E die verwandtschaftlichen Beziehungen der Klägerin zu S und die Einkünfte des S im Streitjahr bekannt waren. Es ist somit auch nicht mehr feststellbar, ob der Zeuge B seinerzeit bei der Veranlagung der Klägerin und des E eine besondere Veranlassung hatte, hinsichtlich der Höhe der Einkünfte des S dessen Steuerakten beizuziehen. Folglich kann auch nicht (mehr) festgestellt werden, ob der Zeuge B durch das Unterlassen der Beiziehung der Steuerakten des S seine Ermittlungspflicht verletzt hat. Der Umstand, dass hiernach eine Verletzung der Ermittlungspflicht des FA im Streitfall nicht feststellbar ist, geht nach den oben dargelegten Grundsätzen der objektiven Beweislast zu Lasten der Klägerin.

23

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

Tenor

Auf die Revision der Kläger werden das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 26. August 2015  4 K 4035/10, die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 24. November 2010 sowie die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 18. Januar 2003 vom 9. September 2009 und vom 15. Dezember 2009 aufgehoben.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zu drei gleichen Teilen Erben der am 18. Januar 2003 verstorbenen Erblasserin. Zum Erbe gehören verschiedene Miet- und Geschäftsgrundstücke. Am 27. April 2004 bat das für die Erbschaftsteuer zuständige Finanzamt den Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) um Feststellung des Grundbesitzwerts für die in dessen Zuständigkeitsbereich belegenen Grundstücke.

2

Mit Schreiben vom 8. Juli 2004 forderte das FA den Kläger zu 1. auf, nähere Angaben zu den ererbten Grundstücken zu machen.

3

Wörtlich lautete die Aufforderung auszugsweise wie folgt:
"Aus Vereinfachungsgründen verzichte ich auf das Ausfüllen der ausführlichen Erklärungen und bitte Sie statt dessen in der Tabelle die Nettokaltmieten der letzten drei Jahre vom Sterbemonat an berechnet anzugeben. Geben Sie bitte gesondert an, ob und ggf. in welchem Zeitraum eine oder mehrere Wohnungen nicht vermietet oder an Angehörige überlassen waren."

4

Es folgte eine Aufstellung der Grundstücke. Für ein Betriebsgrundstück der ... KG, an der die Erblasserin beteiligt war, bat das FA um Mitteilung des Steuerbilanzwerts zum 18. Januar 2003. Der Kläger zu 1. folgte der Aufforderung, gab für die betroffenen Grundstücke entsprechende Erklärungen ab und teilte den Steuerbilanzwert für das Betriebsgrundstück mit.

5

Am 27. Dezember 2004 erließ das FA für das Betriebsgrundstück einen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 18. Januar 2003 für Zwecke der Erbschaftsteuer. Dabei berücksichtigte es den vom Kläger zu 1. mitgeteilten Steuerbilanzwert und stellte einen Wert nach § 147 des Bewertungsgesetzes in der beim Eintritt des Erbfalls geltenden Fassung (BewG a.F.) in Höhe von 650.500 € (Bodenwert 531.506 € zuzüglich ertragsteuerlicher Gebäudewert 119.330 €, abgerundet auf volle 500 €) fest. Der Bescheid erging nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

6

Gegen diesen Bescheid legten die Kläger Einspruch ein. Das FA erließ am 4. Mai 2005 einen Änderungsbescheid, korrigierte den Grundbesitzwert auf (nach Rundung) 531.500 € (Bodenwert 531.506 € zuzüglich ertragsteuerlicher Gebäudewert 2 €) und rechnete das Grundstück der KG als bisheriger Eigentümerin zu. Nach erneutem Einspruch wurde die Zurechnung mit Bescheid vom 2. November 2005 nochmals korrigiert und das Grundstück der KG als bisheriger und neuer Eigentümerin zugerechnet. Der Bescheid erging weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

7

Im Rahmen einer Außenprüfung wegen Erbschaft- und Schenkungsteuer wurde festgestellt, dass das Betriebsgrundstück vom 1. Januar 1996 bis zum 31. Dezember 2005 zu einem monatlichen Mietpreis von 16.898 € verpachtet war. Daraufhin änderte das FA seine Bewertungsmethode und erließ am 9. September 2009 einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheid. Es legte für die Feststellung des Grundbesitzwerts nicht mehr den Steuerbilanzwert zu Grunde, sondern stellte gemäß § 146 BewG a.F. ausgehend von einer erzielbaren Miete in Höhe von 14.000 € je Monat einen Grundbesitzwert auf den 18. Januar 2003 in Höhe von 1.627.500 € fest. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben.

8

Dagegen wandten sich die Kläger mit dem Einspruch. Ihrer Auffassung nach war im Zeitpunkt des Erlasses des letzten Änderungsbescheids bereits Feststellungsverjährung eingetreten. Die vierjährige Feststellungsfrist habe mit Ablauf des Jahres 2003 zu laufen begonnen und folglich am 31. Dezember 2007 geendet. Während des Einspruchsverfahrens erließ das FA am 15. Dezember 2009 einen geänderten Feststellungsbescheid und wies im Erläuterungstext unter Bezugnahme auf § 181 Abs. 5 AO darauf hin, dass der Bescheid nur noch für die Steuerfestsetzungen, für die die Festsetzungsverjährung noch nicht abgelaufen sei, bedeutsam sei. Mit Einspruchsentscheidung vom 24. November 2010 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.

9

Die Klage hatte keinen Erfolg. Nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) durfte das FA die Änderung der gesonderten und einheitlichen Feststellung auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO stützen. Die Vermietbarkeit sei im Zeitpunkt der erstmaligen Feststellung noch nicht bekannt und die Änderung des Bescheids auch nicht nach Treu und Glauben ausgeschlossen gewesen. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016, 13 veröffentlicht.

10

Dagegen wenden sich die Kläger mit ihrer Revision. Sie rügen die unzutreffende Auslegung der §§ 88, 90 und 173 Abs. 1 Nr. 1 AO, sowie der §§ 146 und 147 BewG a.F.

11

Die Kläger beantragen,
die Vorentscheidung, den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 18. Januar 2003 für Zwecke der Erbschaftsteuer vom 9. September 2009 und 15. Dezember 2009 sowie die Einspruchsentscheidung vom 24. November 2010 aufzuheben.

12

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

13

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und der angefochtenen Bescheide (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass der Ablauf der Feststellungsfrist dem Erlass des unter Hinweis auf § 181 Abs. 5 AO ergangenen Änderungsbescheids vom 15. Dezember 2009 nicht entgegenstand. Entgegen der Auffassung des FG durfte jedoch das FA den bestandskräftigen Feststellungsbescheid vom 2. November 2005 durch den Bescheid vom 15. Dezember 2009 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht ändern.

14

1. Der Ablauf der Feststellungsfrist steht dem Erlass des Bescheids vom 9. September 2009, nicht aber dem Erlass des Bescheids vom 15. Dezember 2009 entgegen.

15

a) Nach § 138 ff. BewG a.F. sind Grundbesitzwerte gesondert festzustellen, wenn die Werte für die Erbschaftsteuer von Bedeutung sind. Für den Erlass von Feststellungsbescheiden sieht die AO eine eigenständige Feststellungsfrist vor, die unabhängig von der Festsetzungsverjährung der Folgesteuern zu ermitteln ist (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 6. Juli 2005 II R 9/04, BFHE 210, 65, BStBl II 2005, 780, unter II.2.a, m.w.N.). Nach § 181 Abs. 1 Satz 1 AO gelten für die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen sinngemäß auch die Vorschriften über die Festsetzungsverjährung (§§ 169 ff. AO).

16

b) Nach § 181 Abs. 5 Satz 1 AO kann eine gesonderte Feststellung auch nach Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfrist insoweit erfolgen, als die gesonderte Feststellung für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist; hierbei bleibt § 171 Abs. 10 AO außer Betracht. § 181 Abs. 5 Satz 1 AO trägt dem Umstand Rechnung, dass die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nur eine Vorstufe der Steuerfestsetzung ist, d.h. nur eine dienende Funktion hat. Aus der Technik der getrennten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen sollen dem Steuerpflichtigen keine Nachteile, aber auch keine Vorteile entstehen (BFH-Urteile vom 11. Februar 2015 I R 5/13, BFHE 250, 172, BStBl II 2016, 353, Rz 11, m.w.N.; BTDrucks VI/1982, S. 157). Die Vorschrift gilt nicht nur für den erstmaligen Erlass, sondern ihrem Sinn und Zweck entsprechend auch für die Änderung oder Berichtigung von Feststellungsbescheiden (BFH-Urteil vom 6. Juli 2005 XI R 27/04, BFH/NV 2006, 16, unter II.2.c aa).

17

c) Das Finanzamt hat beim Erlass eines Feststellungsbescheids nach Ablauf der Feststellungsfrist in dem Bescheid darauf hinzuweisen, dass die getroffenen Feststellungen nur noch für solche Steuerfestsetzungen Bedeutung haben sollen, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist (§ 181 Abs. 5 Satz 2 AO).

18

d) Der Ablauf der Feststellungsfrist stand danach dem Erlass des Bescheids vom 9. September 2009, nicht aber dem Erlass des Bescheids vom 15. Dezember 2009 entgegen.

19

Die Feststellungsfrist begann mit Ablauf des 31. Dezember 2003 und endete vier Jahre später mit Ablauf des 31. Dezember 2007. Die beiden Feststellungsbescheide vom 9. September 2009 und vom 15. Dezember 2009 ergingen folglich nach Ablauf der Feststellungsfrist. Der Bescheid vom 15. Dezember 2009 durfte nach § 181 Abs. 5 AO gleichwohl ergehen, weil die gesonderte Feststellung für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung war, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen war, und dieser Bescheid --anders als der Bescheid vom 9. September 2009-- einen Hinweis auf seine einschränkende Wirkung enthält. Das FA und das FG mussten nicht prüfen, ob die gesonderte Feststellung tatsächlich noch für eine Besteuerung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen war.

20

2. Das FA durfte den bestandskräftigen Feststellungsbescheid vom 2. November 2005 gleichwohl nicht ändern. Es fehlt an einer dafür erforderlichen Änderungsnorm.

21

a) Der Feststellungsbescheid konnte nicht nach § 164 Abs. 2 AO geändert werden, obwohl der Vorbehalt der Nachprüfung nicht aufgehoben war.

22

aa) Nach § 164 Abs. 4 Satz 1 AO entfällt der Vorbehalt der Nachprüfung, wenn die Festsetzungsfrist abläuft. Diese Vorschrift gilt gemäß § 181 Abs. 1 Satz 1 AO für die Feststellungsfrist sinngemäß (BFH-Urteil vom 31. Oktober 2000 VIII R 14/00, BFHE 193, 392, BStBl II 2001, 156). § 181 Abs. 5 Satz 1 AO bewirkt kein "Wiederaufleben" des entfallenen Nachprüfungsvorbehalts (vgl. BFH-Urteil vom 11. November 2014 I R 46/13, BFH/NV 2015, 353, Rz 27).

23

bb) Die nach §§ 172 ff. AO gebotenen Änderungen des Feststellungsbescheids können zwar unter den Voraussetzungen des § 181 Abs. 5 AO trotz Ablaufs der Feststellungsfrist durchgeführt werden. Ein unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehender Feststellungsbescheid kann aber nach Ablauf der Feststellungsfrist wegen des damit verbundenen Wegfalls des Vorbehalts der Nachprüfung nicht mehr nach § 164 Abs. 2 AO geändert werden (BFH-Urteil in BFH/NV 2015, 353, Rz 28, m.w.N.). § 181 Abs. 5 Satz 1 AO entbindet die Finanzbehörde nämlich nicht davon, die ihrer Ansicht nach erforderliche Nachprüfung innerhalb der Feststellungsfrist durchzuführen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2015, 353, Rz 29). Würde man einen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Feststellungsbescheid auch noch nach Ablauf der Feststellungsfrist ändern können, würde die Erstfeststellung auf unabsehbare Zeit nicht nur punktuell, sondern umfassend nach allen Seiten offen bleiben. Dies wäre mit dem Zweck der Verjährungsvorschriften, Rechtsfrieden zu schaffen, nicht zu vereinbaren und lässt sich auch nicht mit dem Gesichtspunkt, dass der gesonderten Feststellung gegenüber der Festsetzung eine rein dienende Funktion zukommt, rechtfertigen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2015, 353, Rz 29).

24

b) An einer Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ist das FA nach Treu und Glauben gehindert.

25

aa) Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekanntwerden, die zu einer höheren Steuer führen. Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 AO ist alles, was Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Steuertatbestands sein kann, also Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften materieller oder immaterieller Art. Keine Tatsachen i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind demgegenüber Schlussfolgerungen aller Art, insbesondere juristische Subsumtionen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 21. Februar 2017 VIII R 46/13, BFHE 257, 198, BStBl II 2017, 745, Rz 34, m.w.N.). Nachträglich bekannt geworden ist eine Tatsache, wenn sie das Finanzamt beim Erlass des geänderten Steuerbescheids noch nicht kannte (z.B. BFH-Urteil in BFHE 257, 198, BStBl II 2017, 745, Rz 35).

26

bb) Die Änderung eines Steuerbescheids zum Nachteil des Steuerpflichtigen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO kann nach den Grundsätzen von Treu und Glauben ausgeschlossen sein, wenn dem Finanzamt die nachträglich bekannt gewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre. Hierauf kann sich der Steuerpflichtige grundsätzlich aber nur dann berufen, wenn er seinerseits seine Mitwirkungspflicht erfüllt hat. Haben es sowohl der Steuerpflichtige als auch das Finanzamt versäumt, den Sachverhalt aufzuklären, trifft in der Regel den Steuerpflichtigen die Verantwortung, mit der Folge, dass der Steuerbescheid geändert werden kann (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 6. Februar 2013 X B 164/12, BFH/NV 2013, 694, und BFH-Urteil in BFHE 257, 198, BStBl II 2017, 745, Rz 45, m.w.N.).

27

cc) Das Finanzamt verletzt seine Ermittlungspflicht (§ 88 AO), wenn es ersichtlichen Unklarheiten oder Zweifelsfragen, die sich bei einer Prüfung der Steuererklärung sowie der eingereichten Unterlagen ohne weiteres aufdrängen mussten, nicht nachgeht (BFH-Urteil vom 16. Juni 2004 X R 56/01, BFH/NV 2004, 1502, unter II.2.c aa, m.w.N.). Verzichtet das Finanzamt gegenüber dem Steuerpflichtigen ausdrücklich auf die Abgabe einer förmlichen Erklärung und fordert ihn stattdessen zu bestimmten Angaben auf, verletzt es seine Ermittlungspflicht, wenn die geforderten Angaben für die Ermittlung des für die Steuerfestsetzung maßgebenden Sachverhalts nicht ausreichen und es auch später vor Erlass des Steuerbescheids keine weiteren Fragen stellt. Erfüllt der Steuerpflichtige in einem solchen Fall seinerseits seine Mitwirkungspflichten, indem er die vom Finanzamt gestellten Fragen zutreffend und vollständig beantwortet, ist das Finanzamt nach Treu und Glauben an einer Änderung der bestandskräftigen Steuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO gehindert, wenn es später Kenntnis von steuererhöhenden Tatsachen erlangt. Der Steuerpflichtige ist nicht verpflichtet, auf der Grundlage der maßgebenden steuerrechtlichen Vorschriften zu prüfen, ob die vom Finanzamt erbetenen Angaben eine zutreffende Steuerfestsetzung ermöglichen oder ob dazu weitere Angaben erforderlich wären. Es fällt vielmehr in den Verantwortungsbereich des Finanzamts, die entscheidungserheblichen Fragen zu stellen.

28

Entsprechendes gilt auch für Feststellungsbescheide.

29

dd) Das FA durfte danach den bestandskräftigen Feststellungsbescheid vom 2. November 2005 nicht nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ändern.

30

Dem FA war zwar beim Erlass dieses Bescheids nicht bekannt, dass das Betriebsgrundstück vermietet worden war. Es war aber nach Treu und Glauben an einer Änderung des Bescheids gehindert. Es hatte seine Ermittlungspflichten verletzt. Für das Betriebsgrundstück hatte es mit dem Schreiben vom 8. Juli 2004 lediglich um die Angabe des Steuerbilanzwerts gebeten. Nur für die anderen in dem Schreiben genannten Grundstücke hatte es nach den Nettokaltmieten gefragt. Die Kläger haben ihre Mitwirkungspflichten nicht verletzt. Sie haben die vom FA geforderten Angaben zutreffend gemacht. Sie waren mangels einer entsprechenden Frage des FA nicht verpflichtet, auf die Vermietung des Betriebsgrundstücks hinzuweisen und die erzielten Mieten anzugeben. Eine Feststellungserklärung mussten sie nicht abgeben. Eine Verpflichtung zur Abgabe einer Feststellungserklärung bestand nach § 138 Abs. 6 Satz 1 BewG a.F. nur bei einem entsprechenden Verlangen des Finanzamts. Im Streitfall hatte das FA darauf aber ausdrücklich verzichtet.

31

3. Da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten. Sie sind daher ebenso wie die Einspruchsentscheidung aufzuheben.

32

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Tatbestand

1

I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Eheleute, die in den Streitjahren 2005 bis 2007 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden. Der Kläger war einer von sieben Gesellschafter-Geschäftsführern einer GmbH. Sechs der Geschäftsführer hatten von der GmbH eine Pensionszusage erhalten, der siebente nicht. Zwischen den Beteiligten ist in materiell-rechtlicher Hinsicht unstreitig, dass beim Kläger im Rahmen des Abzugs der Vorsorgeaufwendungen der Vorwegabzug (§ 10 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes --EStG-- in der bis 2004 geltenden Fassung, die im Rahmen der Günstigerprüfung gemäß § 10 Abs. 4a EStG in der ab 2005 geltenden Fassung auch in den Streitjahren weiter anzuwenden ist) zu kürzen ist, weil die GmbH nicht sämtlichen Gesellschaftern eine Pensionszusage erteilt hat.

2

Bei der Einkommensteuerveranlagung für das den Streitjahren vorangehende Jahr (2004) nahm der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) zunächst --erklärungsgemäß-- eine Kürzung des Vorwegabzugs vor. Hiergegen legten die Kläger Einspruch ein und trugen u.a. vor: "Der Einspruch richtet sich gegen die Kürzung des Vorwegabzugs des Gesellschafter-Geschäftsführers Herrn . Herr ... ist Mitgesellschafter bei der ...-GmbH und von der Sozialversicherung befreit. Die ...-GmbH hat den Gesellschafter-Geschäftsführern jeweils eine Altersvorsorge (Pensionszusage) in gleicher Höhe ausgesprochen. Nach den neuesten Rechtsprechungen des BFH bezahlt somit der Gesellschafter-Geschäftsführer seine Vorsorgeaufwendungen selbst, da dieser auf Gewinnausschüttungen verzichtet. Dies gilt auch für Mehr-Personen-Kapitalgesellschaften."

3

Die für die Einkommensteuerveranlagung zuständige Sachbearbeiterin des FA (S) vermerkte aufgrund einer Anfrage bei der Körperschaftsteuerstelle in den Akten, dass es sich um sieben mit jeweils 14,29 % beteiligte Gesellschafter handele, die gleichberechtigte Geschäftsführer seien. Sie forderte die Kläger auf, "Nachweise über die Gesellschafter-Geschäftsführer-Regelung" sowie eine "Berechnung der Altersvorsorge aller Gesellschafter" einzureichen. Die Kläger übersandten daraufhin die sechs bestehenden Pensionszusagen. Anschließend vermerkte S in den Akten: "Alle denselben Vertrag --> Urteil ist anzuwenden" und half dem Einspruch ab, indem sie den ungekürzten Vorwegabzug gewährte.

4

In der Folgezeit gaben die Kläger ihre Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 2005 bis 2007 ab. In der Rubrik "Es bestand keine gesetzliche Rentenversicherungspflicht aus ... der Tätigkeit als ... Gesellschafter-Geschäftsführer" kreuzten sie jeweils die Antwort "Nein" an. Das FA sah für die Streitjahre von einer Kürzung des Vorwegabzugs ab. Die entsprechenden Einkommensteuerbescheide ergingen nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

5

Im Anschluss an eine im Oktober 2009 bei der GmbH durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung teilte der Prüfer dem Veranlagungsbezirk mit, dass der siebente Geschäftsführer keine Pensionszusage erhalten hatte. Das FA erließ daraufhin die angefochtenen, auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) gestützten Änderungsbescheide für 2005 bis 2007, in denen es nunmehr den Vorwegabzug kürzte.

6

Einspruch und Klage blieben in diesem Punkt ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO seien erfüllt. Der S sei weder beim Erlass des Abhilfebescheids für 2004 noch beim Erlass der ursprünglichen Bescheide für die Streitjahre 2005 bis 2007 bekannt gewesen, dass einer der Geschäftsführer keine Pensionszusage erhalten hatte. Das FA sei auch nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben an einer Änderung der Bescheide gehindert. Zwar habe S ihre Ermittlungspflichten verletzt, weil sie --entgegen einer einschlägigen Verwaltungsanweisung-- nicht darauf bestanden habe, dass auch eine Berechnung der Anwartschaftsbarwerte vorgelegt werde, und zudem dem offensichtlichen Widerspruch zwischen der Zahl der Gesellschafter-Geschäftsführer und der (geringeren) Zahl der vorgelegten Pensionszusagen nicht nachgegangen sei. Jedoch hätten die Kläger ihre Mitwirkungspflichten gleich mehrfach verletzt. Zum einen hätten sie dem FA im Einspruchsschreiben einen objektiv unzutreffenden Sachverhalt unterbreitet, indem sie erklärt hätten, die Gesellschafter-Geschäftsführer hätten jeweils eine Pensionszusage in gleicher Höhe erhalten. Zum anderen hätten sie bei Übersendung der sechs Pensionszusagen nicht kenntlich gemacht, dass ein weiterer Gesellschafter-Geschäftsführer vorhanden sei, der gerade keine Pensionszusage erhalten habe. In der Abwägung der jeweiligen Pflichtverletzungen zeige sich jedenfalls kein deutliches Überwiegen der Ermittlungspflichtverletzung des FA, was aber Voraussetzung für eine auf die Grundsätze von Treu und Glauben gestützte Nichtanwendung des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO wäre.

7

Mit ihrer Beschwerde begehren die Kläger die Zulassung der Revision wegen Divergenz, greifbarer Gesetzwidrigkeit der Vorentscheidung sowie Verfahrensmängeln.

8

Das FA hält die Beschwerde für unbegründet.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Beschwerde ist --bei Zweifeln daran, ob die gesetzlichen Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) überhaupt erfüllt sind-- jedenfalls unbegründet.

10

1. Die Revision ist nicht wegen Divergenz (Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung) gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO zuzulassen.

11

Die Darlegung dieses Zulassungsgrundes setzt die Gegenüberstellung einander widersprechender abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und der herangezogenen Divergenzentscheidung andererseits voraus (Senatsbeschluss vom 18. Januar 2011 X B 34/10, BFH/NV 2011, 813, unter 1.c, m.w.N.). Daran fehlt es.

12

a) Die Kläger entnehmen dem angefochtenen Urteil den Rechtssatz, ein Steuerpflichtiger verletzte seine Mitwirkungspflicht "in erheblichem Maße", wenn sein Steuerberater im Einspruchsverfahren ohne Ermittlung des Sachverhalts objektiv unzutreffend vortrage und den Sachverhalt während des anschließend mit dem FA geführten Schriftwechsels nicht erneut prüfe, so dass dem Einspruch mit einem fehlerhaften Abhilfebescheid stattgegeben werde. Dem stehe nicht entgegen, dass auch das FA seine Ermittlungspflicht verletzt habe, indem es eine einschlägige Verwaltungsanweisung nicht beachtet, einen offensichtlichen Widerspruch im Einspruchsvorbringen nicht aufgeklärt und entscheidungserhebliche Unterlagen nicht erneut angefordert habe, obwohl die Streitfrage einen Ausnahmetatbestand betreffe, der per se höhere Anforderungen an die Amtsermittlungspflicht stelle.

13

Der Senat hat bereits erhebliche Zweifel daran, ob es sich hierbei --was für die Darlegung einer Divergenz erforderlich wäre-- um einen "Rechtssatz" handelt oder nicht vielmehr um eine Würdigung des konkreten Einzelfalls durch das FG, die von vornherein nicht Gegenstand einer Divergenz sein könnte (vgl. zur Unbeachtlichkeit bloßer Subsumtionsfehler Senatsbeschluss vom 11. Mai 2010 X B 183/09, BFH/NV 2010, 2077).

14

Im Übrigen enthält das FG-Urteil weder die von den Klägern behauptete Aussage, sie hätten ihre Mitwirkungspflicht "in erheblichem Maße" verletzt, noch die Wertung, die Streitfrage habe einen Ausnahmetatbestand betroffen, der höhere Anforderungen an die Amtsermittlungspflicht stelle. Dabei handelt es sich vielmehr um Interpretationen der Kläger, die im angefochtenen Urteil keine Grundlage haben.

15

Letztlich können die Zweifel an der Divergenzfähigkeit der Aussagen, die die Kläger dem angefochtenen Urteil entnehmen, aber dahinstehen, da tatsächlich zu keinem der Zitate, die die Kläger aus den vermeintlichen Divergenzentscheidungen anführen, eine Abweichung in rechtlicher Hinsicht gegeben ist.

16

b) Dies gilt zunächst, soweit die Kläger sich auf Entscheidungen berufen, in denen die jeweiligen Gerichte bereits keine Verletzung von Mitwirkungspflichten auf Seiten des Steuerpflichtigen hatten feststellen können (Urteil des FG München vom 16. Juni 1982 IX 187/80 E, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1983, 55; Urteil des FG Düsseldorf vom 18. Dezember 1998  11 K 9757/97 E, EFG 1999, 260, unter 3.; Urteil des FG Bremen vom 13. Oktober 1999 499108, K 3, EFG 2000, 175, Revision gemäß § 126a FGO als unbegründet zurückgewiesen durch nicht veröffentlichten Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. Mai 2002 XI R 73/00; BFH-Urteil vom 3. Juli 2002 XI R 17/01, BFH/NV 2003, 137; Urteil des Hessischen FG vom 3. April 2008  5 K 1766/05, juris; Urteil des FG München vom 26. Juni 2009  8 K 1338/07, EFG 2009, 1995, unter II.1.3., Revision als unbegründet zurückgewiesen durch BFH-Urteil vom 8. Dezember 2011 VI R 49/09, BFH/NV 2012, 692; Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 22. Februar 2011  3 K 2208/08, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2011, 1150, unter 2.c). Denn vorliegend hat das FG --auch nach dem von den Klägern gebildeten "Rechtssatz"-- ausdrücklich sowohl eine Verletzung von Mitwirkungspflichten der Kläger als auch der Ermittlungspflichten des FA festgestellt.

17

c) Eine Divergenz zum BFH-Urteil vom 15. November 1974 VI R 58/72 (BFHE 114, 318, BStBl II 1975, 369) liegt ebenfalls nicht vor. Zwar betraf diese Entscheidung einen Fall, in dem neben einer Ermittlungspflichtverletzung des FA auch eine Verletzung von Mitwirkungspflichten auf Seiten des Steuerpflichtigen gegeben war. Der dortige Steuerpflichtige hatte im Rahmen der Geltendmachung von Beiträgen an Bausparkassen als Sonderausgaben --durch Nichtankreuzen des entsprechenden Verneinungs-Feldes-- erklärt, für diese Beiträge auch eine Wohnungsbau- bzw. Sparprämie beantragt zu haben. Bereits diese Erklärung hätte den Sonderausgabenabzug der Beiträge aufgrund des seinerzeit geltenden Verbots der Doppelförderung ausgeschlossen. Die Pflichtverletzung des Steuerpflichtigen bestand allein darin, dass er die weiteren im Erklärungsvordruck enthaltenen Fragen, ob es sich um eine Wohnungsbau- oder Sparprämie handelte und bei welchem Institut die Anlage getätigt worden sei, nicht beantwortet hatte. Damit ist der vorliegende Sachverhalt, in dem die Kläger dem FA objektiv falsche Angaben unterbreitet haben, nicht vergleichbar.

18

In dem Fall, der dem Urteil des FG Baden-Württemberg vom 20. April 2009  8 K 360/09 (EFG 2009, 1174, Nichtzulassungsbeschwerde als unbegründet zurückgewiesen durch BFH-Beschluss vom 10. November 2009 VI B 54/09, BFH/NV 2010, 602) zugrunde lag, hat das FG den dortigen Sachverhalt dahingehend gewürdigt, dass der Steuerpflichtige zwar anfänglich seine Mitwirkungspflichten verletzt habe, dieser Pflichtenverstoß jedoch durch eine vollständige und wahrheitsgemäße Offenlegung der für die Besteuerung maßgeblichen Tatsachen im weiteren Verlauf des Verfahrens geheilt worden sei. Zu einer solchen Offenlegung ist es vorliegend aber nie gekommen.

19

Im Beschluss des FG Düsseldorf vom 25. November 1997  11 V 7605/97 A (E) (EFG 1998, 527) wurde der dort zu beurteilende Sachverhalt --im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung-- dahingehend gewürdigt, dass eine "mögliche Mitwirkungspflichtverletzung" durch die Verletzung der dem FA obliegenden Ermittlungspflichten deutlich überwogen werde. Dem dortigen Steuerpflichtigen waren indes keine Falschangaben zur Last zu legen; er hatte lediglich die für die rechtliche Beurteilung einer Abfindung maßgebenden Verträge nicht von sich aus vorgelegt.

20

d) Der Rechtssatz, den die Kläger dem BFH-Urteil vom 7. Juli 2004 XI R 10/03 (BFHE 206, 303, BStBl II 2004, 911) entnehmen, weist keinen Bezug zu dem Rechtssatz auf, den sie aus dem angefochtenen Urteil abgeleitet haben.

21

2. Die Revision ist auch nicht deshalb zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, weil das finanzgerichtliche Urteil unter einem schwerwiegenden Rechtsfehler leiden würde.

22

a) Wenn auch eine allgemeingültige Definition derartiger Fehler von der Rechtsprechung noch nicht entwickelt worden ist, liegen diese Voraussetzungen jedenfalls dann vor, wenn die Entscheidung des FG objektiv willkürlich erscheint oder auf sachfremden Erwägungen beruht und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar --d.h. greifbar gesetzwidrig-- ist und das Vertrauen in die Rechtsprechung nur durch eine höchstrichterliche Korrektur wieder hergestellt werden kann (BFH-Beschluss vom 13. Oktober 2003 IV B 85/02, BFHE 203, 404, BStBl II 2004, 25). Eine Entscheidung ist nur dann (objektiv) willkürlich, wenn die fehlerhafte Rechtsanwendung bei verständiger Würdigung nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht. Greifbare Gesetzwidrigkeit ist anzunehmen, wenn das Urteil jeglicher gesetzlichen Grundlage entbehrt oder auf einer offensichtlich Wortlaut und Gesetzeszweck widersprechenden Gesetzesauslegung beruht. Diese besonderen Umstände sind in der Beschwerdeschrift auszuführen (Senatsbeschlüsse vom 25. Februar 2009 X B 121/08, BFH/NV 2009, 890, unter 3., und vom 5. Mai 2011 X B 155/10, BFH/NV 2011, 1294, unter II.2.).

23

b) Daran fehlt es. Das FG hat alle gesetzlichen Tatbestandsmerkmale des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO gewürdigt und seiner Entscheidung darüber hinaus die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt, wonach die Änderung eines Bescheids nach dieser Vorschrift in Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben ausgeschlossen ist, wenn dem FA die nachträglich bekannt gewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre. Allerdings muss der Steuerpflichtige dann seinerseits seine Mitwirkungspflicht erfüllt haben. Haben sowohl der Steuerpflichtige als auch das FA es versäumt, den Sachverhalt aufzuklären, trifft in der Regel den Steuerpflichtigen die Verantwortung, mit der Folge, dass der Steuerbescheid geändert werden kann (BFH-Urteil vom 28. Juni 2006 XI R 58/05, BFHE 214, 319, BStBl II 2006, 835). In Fällen beiderseitiger Pflichtverletzungen scheidet eine Änderungsmöglichkeit allerdings aus, wenn der Verstoß des FA deutlich überwiegt (BFH-Urteil vom 20. Dezember 1988 VIII R 121/83, BFHE 156, 339, BStBl II 1989, 585, unter II.6.).

24

c) Nach den Feststellungen des FG haben die Kläger in ihrem Einspruchsschreiben eine objektiv unzutreffende Sachverhaltsdarstellung abgegeben und diese auch im weiteren Verlauf des Einspruchsverfahrens nicht korrigiert. Auf dieser Grundlage ist die Würdigung des FG, dass die festgestellten Ermittlungspflichtverletzungen des FA die Verstöße des Steuerpflichtigen gegen dessen Mitwirkungspflichten jedenfalls nicht deutlich überwiegen, nicht greifbar gesetzwidrig, sondern im Gegenteil ausgesprochen naheliegend.

25

Das --aus den Grundsätzen von Treu und Glauben abzuleitende und daher einen Ausnahmetatbestand darstellende-- Änderungsverbot bewirkt, dass das FA trotz Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO an einer Erhöhung der Steuerfestsetzung gehindert ist. Bei Zugrundelegung der Grundsätze von Treu und Glauben kann der Steuerpflichtige seine verfahrensrechtliche Position aber nicht dadurch verbessern, dass er das Einspruchsschreiben durch einen Steuerberater fertigen lässt und der Steuerberater die weitere Bearbeitung des Einspruchsverfahrens seinem Büropersonal überträgt.

26

Letztlich erschöpft sich die Beschwerdebegründung --trotz vordergründiger Heranziehung der Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 FGO-- darin, die Sachverhaltswürdigung des FG anzugreifen, indem die Kläger ihre eigene Mitwirkungspflichtverletzung negieren bzw. als unbedeutend darzustellen versuchen, während sie die Ermittlungspflichtverletzungen des FA als gravierend werten. Mit derartigen materiell-rechtlichen Einwendungen kann die Zulassung der Revision indes nicht erreicht werden (vgl. BFH-Beschluss vom 24. September 2008 IX B 110/08, BFH/NV 2009, 39).

27

3. Soweit die Beschwerde als Verfahrensmangel rügt, das FG habe eine vorweggenommene Beweiswürdigung vorgenommen, fehlt es an Darlegungen dazu, welche Beweise das FG in welcher Weise gewürdigt haben soll und welche Beweise es zusätzlich hätte erheben müssen.

28

4. Von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.

Tenor

Auf die Revision der Kläger werden das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 26. August 2015  4 K 4035/10, die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 24. November 2010 sowie die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 18. Januar 2003 vom 9. September 2009 und vom 15. Dezember 2009 aufgehoben.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zu drei gleichen Teilen Erben der am 18. Januar 2003 verstorbenen Erblasserin. Zum Erbe gehören verschiedene Miet- und Geschäftsgrundstücke. Am 27. April 2004 bat das für die Erbschaftsteuer zuständige Finanzamt den Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) um Feststellung des Grundbesitzwerts für die in dessen Zuständigkeitsbereich belegenen Grundstücke.

2

Mit Schreiben vom 8. Juli 2004 forderte das FA den Kläger zu 1. auf, nähere Angaben zu den ererbten Grundstücken zu machen.

3

Wörtlich lautete die Aufforderung auszugsweise wie folgt:
"Aus Vereinfachungsgründen verzichte ich auf das Ausfüllen der ausführlichen Erklärungen und bitte Sie statt dessen in der Tabelle die Nettokaltmieten der letzten drei Jahre vom Sterbemonat an berechnet anzugeben. Geben Sie bitte gesondert an, ob und ggf. in welchem Zeitraum eine oder mehrere Wohnungen nicht vermietet oder an Angehörige überlassen waren."

4

Es folgte eine Aufstellung der Grundstücke. Für ein Betriebsgrundstück der ... KG, an der die Erblasserin beteiligt war, bat das FA um Mitteilung des Steuerbilanzwerts zum 18. Januar 2003. Der Kläger zu 1. folgte der Aufforderung, gab für die betroffenen Grundstücke entsprechende Erklärungen ab und teilte den Steuerbilanzwert für das Betriebsgrundstück mit.

5

Am 27. Dezember 2004 erließ das FA für das Betriebsgrundstück einen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 18. Januar 2003 für Zwecke der Erbschaftsteuer. Dabei berücksichtigte es den vom Kläger zu 1. mitgeteilten Steuerbilanzwert und stellte einen Wert nach § 147 des Bewertungsgesetzes in der beim Eintritt des Erbfalls geltenden Fassung (BewG a.F.) in Höhe von 650.500 € (Bodenwert 531.506 € zuzüglich ertragsteuerlicher Gebäudewert 119.330 €, abgerundet auf volle 500 €) fest. Der Bescheid erging nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

6

Gegen diesen Bescheid legten die Kläger Einspruch ein. Das FA erließ am 4. Mai 2005 einen Änderungsbescheid, korrigierte den Grundbesitzwert auf (nach Rundung) 531.500 € (Bodenwert 531.506 € zuzüglich ertragsteuerlicher Gebäudewert 2 €) und rechnete das Grundstück der KG als bisheriger Eigentümerin zu. Nach erneutem Einspruch wurde die Zurechnung mit Bescheid vom 2. November 2005 nochmals korrigiert und das Grundstück der KG als bisheriger und neuer Eigentümerin zugerechnet. Der Bescheid erging weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

7

Im Rahmen einer Außenprüfung wegen Erbschaft- und Schenkungsteuer wurde festgestellt, dass das Betriebsgrundstück vom 1. Januar 1996 bis zum 31. Dezember 2005 zu einem monatlichen Mietpreis von 16.898 € verpachtet war. Daraufhin änderte das FA seine Bewertungsmethode und erließ am 9. September 2009 einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheid. Es legte für die Feststellung des Grundbesitzwerts nicht mehr den Steuerbilanzwert zu Grunde, sondern stellte gemäß § 146 BewG a.F. ausgehend von einer erzielbaren Miete in Höhe von 14.000 € je Monat einen Grundbesitzwert auf den 18. Januar 2003 in Höhe von 1.627.500 € fest. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben.

8

Dagegen wandten sich die Kläger mit dem Einspruch. Ihrer Auffassung nach war im Zeitpunkt des Erlasses des letzten Änderungsbescheids bereits Feststellungsverjährung eingetreten. Die vierjährige Feststellungsfrist habe mit Ablauf des Jahres 2003 zu laufen begonnen und folglich am 31. Dezember 2007 geendet. Während des Einspruchsverfahrens erließ das FA am 15. Dezember 2009 einen geänderten Feststellungsbescheid und wies im Erläuterungstext unter Bezugnahme auf § 181 Abs. 5 AO darauf hin, dass der Bescheid nur noch für die Steuerfestsetzungen, für die die Festsetzungsverjährung noch nicht abgelaufen sei, bedeutsam sei. Mit Einspruchsentscheidung vom 24. November 2010 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.

9

Die Klage hatte keinen Erfolg. Nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) durfte das FA die Änderung der gesonderten und einheitlichen Feststellung auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO stützen. Die Vermietbarkeit sei im Zeitpunkt der erstmaligen Feststellung noch nicht bekannt und die Änderung des Bescheids auch nicht nach Treu und Glauben ausgeschlossen gewesen. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016, 13 veröffentlicht.

10

Dagegen wenden sich die Kläger mit ihrer Revision. Sie rügen die unzutreffende Auslegung der §§ 88, 90 und 173 Abs. 1 Nr. 1 AO, sowie der §§ 146 und 147 BewG a.F.

11

Die Kläger beantragen,
die Vorentscheidung, den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 18. Januar 2003 für Zwecke der Erbschaftsteuer vom 9. September 2009 und 15. Dezember 2009 sowie die Einspruchsentscheidung vom 24. November 2010 aufzuheben.

12

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

13

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und der angefochtenen Bescheide (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass der Ablauf der Feststellungsfrist dem Erlass des unter Hinweis auf § 181 Abs. 5 AO ergangenen Änderungsbescheids vom 15. Dezember 2009 nicht entgegenstand. Entgegen der Auffassung des FG durfte jedoch das FA den bestandskräftigen Feststellungsbescheid vom 2. November 2005 durch den Bescheid vom 15. Dezember 2009 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht ändern.

14

1. Der Ablauf der Feststellungsfrist steht dem Erlass des Bescheids vom 9. September 2009, nicht aber dem Erlass des Bescheids vom 15. Dezember 2009 entgegen.

15

a) Nach § 138 ff. BewG a.F. sind Grundbesitzwerte gesondert festzustellen, wenn die Werte für die Erbschaftsteuer von Bedeutung sind. Für den Erlass von Feststellungsbescheiden sieht die AO eine eigenständige Feststellungsfrist vor, die unabhängig von der Festsetzungsverjährung der Folgesteuern zu ermitteln ist (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 6. Juli 2005 II R 9/04, BFHE 210, 65, BStBl II 2005, 780, unter II.2.a, m.w.N.). Nach § 181 Abs. 1 Satz 1 AO gelten für die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen sinngemäß auch die Vorschriften über die Festsetzungsverjährung (§§ 169 ff. AO).

16

b) Nach § 181 Abs. 5 Satz 1 AO kann eine gesonderte Feststellung auch nach Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfrist insoweit erfolgen, als die gesonderte Feststellung für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist; hierbei bleibt § 171 Abs. 10 AO außer Betracht. § 181 Abs. 5 Satz 1 AO trägt dem Umstand Rechnung, dass die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nur eine Vorstufe der Steuerfestsetzung ist, d.h. nur eine dienende Funktion hat. Aus der Technik der getrennten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen sollen dem Steuerpflichtigen keine Nachteile, aber auch keine Vorteile entstehen (BFH-Urteile vom 11. Februar 2015 I R 5/13, BFHE 250, 172, BStBl II 2016, 353, Rz 11, m.w.N.; BTDrucks VI/1982, S. 157). Die Vorschrift gilt nicht nur für den erstmaligen Erlass, sondern ihrem Sinn und Zweck entsprechend auch für die Änderung oder Berichtigung von Feststellungsbescheiden (BFH-Urteil vom 6. Juli 2005 XI R 27/04, BFH/NV 2006, 16, unter II.2.c aa).

17

c) Das Finanzamt hat beim Erlass eines Feststellungsbescheids nach Ablauf der Feststellungsfrist in dem Bescheid darauf hinzuweisen, dass die getroffenen Feststellungen nur noch für solche Steuerfestsetzungen Bedeutung haben sollen, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist (§ 181 Abs. 5 Satz 2 AO).

18

d) Der Ablauf der Feststellungsfrist stand danach dem Erlass des Bescheids vom 9. September 2009, nicht aber dem Erlass des Bescheids vom 15. Dezember 2009 entgegen.

19

Die Feststellungsfrist begann mit Ablauf des 31. Dezember 2003 und endete vier Jahre später mit Ablauf des 31. Dezember 2007. Die beiden Feststellungsbescheide vom 9. September 2009 und vom 15. Dezember 2009 ergingen folglich nach Ablauf der Feststellungsfrist. Der Bescheid vom 15. Dezember 2009 durfte nach § 181 Abs. 5 AO gleichwohl ergehen, weil die gesonderte Feststellung für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung war, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen war, und dieser Bescheid --anders als der Bescheid vom 9. September 2009-- einen Hinweis auf seine einschränkende Wirkung enthält. Das FA und das FG mussten nicht prüfen, ob die gesonderte Feststellung tatsächlich noch für eine Besteuerung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen war.

20

2. Das FA durfte den bestandskräftigen Feststellungsbescheid vom 2. November 2005 gleichwohl nicht ändern. Es fehlt an einer dafür erforderlichen Änderungsnorm.

21

a) Der Feststellungsbescheid konnte nicht nach § 164 Abs. 2 AO geändert werden, obwohl der Vorbehalt der Nachprüfung nicht aufgehoben war.

22

aa) Nach § 164 Abs. 4 Satz 1 AO entfällt der Vorbehalt der Nachprüfung, wenn die Festsetzungsfrist abläuft. Diese Vorschrift gilt gemäß § 181 Abs. 1 Satz 1 AO für die Feststellungsfrist sinngemäß (BFH-Urteil vom 31. Oktober 2000 VIII R 14/00, BFHE 193, 392, BStBl II 2001, 156). § 181 Abs. 5 Satz 1 AO bewirkt kein "Wiederaufleben" des entfallenen Nachprüfungsvorbehalts (vgl. BFH-Urteil vom 11. November 2014 I R 46/13, BFH/NV 2015, 353, Rz 27).

23

bb) Die nach §§ 172 ff. AO gebotenen Änderungen des Feststellungsbescheids können zwar unter den Voraussetzungen des § 181 Abs. 5 AO trotz Ablaufs der Feststellungsfrist durchgeführt werden. Ein unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehender Feststellungsbescheid kann aber nach Ablauf der Feststellungsfrist wegen des damit verbundenen Wegfalls des Vorbehalts der Nachprüfung nicht mehr nach § 164 Abs. 2 AO geändert werden (BFH-Urteil in BFH/NV 2015, 353, Rz 28, m.w.N.). § 181 Abs. 5 Satz 1 AO entbindet die Finanzbehörde nämlich nicht davon, die ihrer Ansicht nach erforderliche Nachprüfung innerhalb der Feststellungsfrist durchzuführen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2015, 353, Rz 29). Würde man einen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Feststellungsbescheid auch noch nach Ablauf der Feststellungsfrist ändern können, würde die Erstfeststellung auf unabsehbare Zeit nicht nur punktuell, sondern umfassend nach allen Seiten offen bleiben. Dies wäre mit dem Zweck der Verjährungsvorschriften, Rechtsfrieden zu schaffen, nicht zu vereinbaren und lässt sich auch nicht mit dem Gesichtspunkt, dass der gesonderten Feststellung gegenüber der Festsetzung eine rein dienende Funktion zukommt, rechtfertigen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2015, 353, Rz 29).

24

b) An einer Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ist das FA nach Treu und Glauben gehindert.

25

aa) Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekanntwerden, die zu einer höheren Steuer führen. Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 AO ist alles, was Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Steuertatbestands sein kann, also Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften materieller oder immaterieller Art. Keine Tatsachen i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind demgegenüber Schlussfolgerungen aller Art, insbesondere juristische Subsumtionen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 21. Februar 2017 VIII R 46/13, BFHE 257, 198, BStBl II 2017, 745, Rz 34, m.w.N.). Nachträglich bekannt geworden ist eine Tatsache, wenn sie das Finanzamt beim Erlass des geänderten Steuerbescheids noch nicht kannte (z.B. BFH-Urteil in BFHE 257, 198, BStBl II 2017, 745, Rz 35).

26

bb) Die Änderung eines Steuerbescheids zum Nachteil des Steuerpflichtigen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO kann nach den Grundsätzen von Treu und Glauben ausgeschlossen sein, wenn dem Finanzamt die nachträglich bekannt gewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre. Hierauf kann sich der Steuerpflichtige grundsätzlich aber nur dann berufen, wenn er seinerseits seine Mitwirkungspflicht erfüllt hat. Haben es sowohl der Steuerpflichtige als auch das Finanzamt versäumt, den Sachverhalt aufzuklären, trifft in der Regel den Steuerpflichtigen die Verantwortung, mit der Folge, dass der Steuerbescheid geändert werden kann (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 6. Februar 2013 X B 164/12, BFH/NV 2013, 694, und BFH-Urteil in BFHE 257, 198, BStBl II 2017, 745, Rz 45, m.w.N.).

27

cc) Das Finanzamt verletzt seine Ermittlungspflicht (§ 88 AO), wenn es ersichtlichen Unklarheiten oder Zweifelsfragen, die sich bei einer Prüfung der Steuererklärung sowie der eingereichten Unterlagen ohne weiteres aufdrängen mussten, nicht nachgeht (BFH-Urteil vom 16. Juni 2004 X R 56/01, BFH/NV 2004, 1502, unter II.2.c aa, m.w.N.). Verzichtet das Finanzamt gegenüber dem Steuerpflichtigen ausdrücklich auf die Abgabe einer förmlichen Erklärung und fordert ihn stattdessen zu bestimmten Angaben auf, verletzt es seine Ermittlungspflicht, wenn die geforderten Angaben für die Ermittlung des für die Steuerfestsetzung maßgebenden Sachverhalts nicht ausreichen und es auch später vor Erlass des Steuerbescheids keine weiteren Fragen stellt. Erfüllt der Steuerpflichtige in einem solchen Fall seinerseits seine Mitwirkungspflichten, indem er die vom Finanzamt gestellten Fragen zutreffend und vollständig beantwortet, ist das Finanzamt nach Treu und Glauben an einer Änderung der bestandskräftigen Steuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO gehindert, wenn es später Kenntnis von steuererhöhenden Tatsachen erlangt. Der Steuerpflichtige ist nicht verpflichtet, auf der Grundlage der maßgebenden steuerrechtlichen Vorschriften zu prüfen, ob die vom Finanzamt erbetenen Angaben eine zutreffende Steuerfestsetzung ermöglichen oder ob dazu weitere Angaben erforderlich wären. Es fällt vielmehr in den Verantwortungsbereich des Finanzamts, die entscheidungserheblichen Fragen zu stellen.

28

Entsprechendes gilt auch für Feststellungsbescheide.

29

dd) Das FA durfte danach den bestandskräftigen Feststellungsbescheid vom 2. November 2005 nicht nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ändern.

30

Dem FA war zwar beim Erlass dieses Bescheids nicht bekannt, dass das Betriebsgrundstück vermietet worden war. Es war aber nach Treu und Glauben an einer Änderung des Bescheids gehindert. Es hatte seine Ermittlungspflichten verletzt. Für das Betriebsgrundstück hatte es mit dem Schreiben vom 8. Juli 2004 lediglich um die Angabe des Steuerbilanzwerts gebeten. Nur für die anderen in dem Schreiben genannten Grundstücke hatte es nach den Nettokaltmieten gefragt. Die Kläger haben ihre Mitwirkungspflichten nicht verletzt. Sie haben die vom FA geforderten Angaben zutreffend gemacht. Sie waren mangels einer entsprechenden Frage des FA nicht verpflichtet, auf die Vermietung des Betriebsgrundstücks hinzuweisen und die erzielten Mieten anzugeben. Eine Feststellungserklärung mussten sie nicht abgeben. Eine Verpflichtung zur Abgabe einer Feststellungserklärung bestand nach § 138 Abs. 6 Satz 1 BewG a.F. nur bei einem entsprechenden Verlangen des Finanzamts. Im Streitfall hatte das FA darauf aber ausdrücklich verzichtet.

31

3. Da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten. Sie sind daher ebenso wie die Einspruchsentscheidung aufzuheben.

32

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Tatbestand

1

I. Die Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) sind Eheleute, die in den Streitjahren 2006 und 2007 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden. Der Antragsteller erzielte als angestellter Arzt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, ferner in geringem Umfang Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit. Die Antragstellerin war als Arbeitnehmerin tätig.

2

Der Antragsteller ist Mitglied eines berufsständischen Versorgungswerks. Zu den Pflichtbeiträgen, die der Höhe nach denen zur gesetzlichen Rentenversicherung entsprechen, zahlt der Arbeitgeber aufgrund gesetzlicher Regelungen (in den Streitjahren § 172 Abs. 2 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch --SGB VI--; seit 1. Januar 2012 § 172a SGB VI) einen hälftigen Zuschuss.

3

In den vom Arbeitgeber des Antragstellers erstellten Lohnsteuerbescheinigungen für die Streitjahre waren die Beiträge zur Altersvorsorge --gesondert nach Arbeitnehmeranteil und Arbeitgeberzuschuss-- angegeben. Dass es sich um Beiträge an ein Versorgungswerk handelte, war nach dem unbestrittenen Vorbringen des Antragsgegners und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) aus den Lohnsteuerbescheinigungen nicht erkennbar.

4

Zusätzlich stellte das Versorgungswerk jeweils einen "Jahreskontoausweis" aus. Dieser lautete für das Streitjahr 2007: "wir dürfen Ihnen mit Kontostand vom 31.12.2007 die auf Ihrem Konto im Jahr 2007 bei ... eingegangene Beitragssumme mitteilen: 10.865,52 €". Hinweise darauf, dass es sich hierbei um den Pflichtbeitrag für Arbeitnehmer handelt, der einen hälftigen Arbeitgeberzuschuss enthält, sind in der Bescheinigung nicht enthalten. Nach dem Vorbringen der Antragsteller hat das Versorgungswerk für das Jahr 2006 einen vergleichbaren Jahreskontoausweis ausgestellt. Da der Antragsteller über den Pflichtbeitrag hinaus keine freiwilligen Mehrzahlungen an das Versorgungswerk geleistet hatte, waren die im Jahreskontoausweis bescheinigten Beiträge mit der Summe der in den Lohnsteuerbescheinigungen aufgeführten Beiträge identisch.

5

Die Antragsteller reichten ihre Einkommensteuererklärungen für 2006 und 2007, die durch eine Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vorbereitet worden waren, jeweils im Folgejahr beim FA ein. Sie gaben in den Zeilen 61 und 65 der dritten Seite des Mantelbogens die aus den Lohnsteuerbescheinigungen ersichtlichen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge an. Zusätzlich trugen sie in der Zeile 63 die in den Jahreskontoausweisen des Versorgungswerks genannten Beträge ein. Ihrer Einkommensteuererklärung 2007 fügten sie den entsprechenden Jahreskontoausweis bei; ob dies auch für das Jahr 2006 geschehen ist, ist zwischen den Beteiligten streitig.

6

Insgesamt erklärten die Antragsteller die folgenden Altersvorsorgeaufwendungen:

        

2006   

2007   

Zeile 61 (Antragsteller)

5.148 €

5.433 €

Zeile 61 (Antragstellerin)

1.339 €

1.356 €

Zeile 63 (Antragsteller)

10.296 €

10.866 €

Zeile 65 (Antragsteller)

5.148 €

5.432 €

Zeile 65 (Antragstellerin)

1.338 €

1.355 €

7

Die Vordrucke zur Einkommensteuererklärung enthalten zu diesen Zeilen die folgenden Angaben:

8
        

-       

Zeile 61: "Beiträge zu gesetzlichen Rentenversicherungen u. zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen lt. Nr. 23 d. Lohnsteuerbescheinigung (Arbeitnehmeranteil)";

-       

Zeile 63 (Fassung 2006): "Beiträge zu freiwilligen Versicherungen in den gesetzlichen Rentenversicherungen und Pflichtbeiträge von Nichtarbeitnehmern zu den gesetzlichen Rentenversicherungen";

-       

Zeile 63 (Fassung 2007): "Beiträge zu freiwilligen Versicherungen in den gesetzlichen Rentenversicherungen und zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen sowie Pflichtbeiträge von Nichtarbeitnehmern zu den gesetzlichen Rentenversicherungen";

-       

Zeile 65: "Arbeitgeberanteil zu gesetzlichen Rentenversicherungen, Zuschüsse zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen lt. Nr. 22 der Lohnsteuerbescheinigung".

9

Die Einkommensteuererklärung der Antragsteller für 2006 war im FA nur zur überschlägigen Prüfung vorgesehen. Der zuständige Bearbeiter vermerkte in der Prüfungsdokumentation durch Ankreuzen der entsprechenden Formularfelder, die Erklärung sei vollständig, schlüssig und glaubhaft. Demgegenüber war die Steuererklärung für 2007 zur Intensivprüfung vorgesehen. Im elektronisch unterstützten Veranlagungsverfahren wurden dem Bearbeiter zahlreiche maschinelle Prüfhinweise vorgegeben. Einer dieser Hinweise lautete: "Schwerpunktprüfung: Es liegen Eintragungen zu Kz 52.35/36 [= Zeile 63 des Mantelbogens] vor, die zur Anwendung des neuen Rechts führen. Bitte prüfen. Sollte es sich um steuerpflichtige Beiträge zur VBL/ZVK handeln, sind diese in Kz 52.44/46 einzutragen." Der Sachbearbeiter richtete mit Schreiben vom 1. und 11. August 2008 an die Antragsteller zahlreiche Rückfragen zur Steuererklärung, die allerdings nicht die hier streitigen Beiträge zur Altersversorgung betrafen. Im weiteren Verlauf der Bearbeitung versah er die von den Antragstellern in Zeile 63 eingetragene Zahl mit einem Haken und bescheinigte in der Prüfungsdokumentation, er habe die Intensivprüfung vorgenommen, insbesondere bei den Einkünften aus Kapitalvermögen, den freiberuflichen Einkünften und den Steuerberatungskosten.

10

Im Ergebnis veranlagte das FA die Antragsteller hinsichtlich der Altersvorsorgeaufwendungen in den nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen ursprünglichen Bescheiden für 2006 und 2007 erklärungsgemäß. Dies führte dazu, dass der Gesamtbeitrag des Antragstellers zum Versorgungswerk doppelt berücksichtigt wurde und die folgenden Beträge der Besteuerung zugrunde gelegt wurden:

11
                     
     

2006   

2007 

gesamte Altersvorsorgeaufwendungen

23.269 €

24.442 €

als Sonderausgaben abziehbarer Anteil

7.941 €

8.856 €

12

Die Antragsteller legten gegen beide Bescheide aus nicht mehr im Streit befindlichen Gründen Einsprüche ein, denen das FA jeweils abhalf.

13

In der Folgezeit entwickelte die für die Risikoprüfung zuständige Mittelbehörde ein Prüfungsraster, mit dem Fälle, in denen es möglicherweise zu einem doppelten Ansatz von Altersvorsorgeaufwendungen gekommen war, maschinell erkannt werden konnten. Am 9. März 2011 richtete sie an das FA eine Kontrollmitteilung, in der es u.a. hieß: "Die Prüfung der Kennzahlen 52.30/47/32/35 ... zeigte für o.g. Steuerpflichtigen Merkmale des in der ESt-Kurzinformation 06/2010 beschriebenen Sachverhalts. ... Bitte kontrollieren Sie die berücksichtigten Sonderausgaben, insbesondere hinsichtlich möglicher Mehrfacherklärung/-erfassung von Zahlungen aufgrund einer Bescheinigung des Versorgungsträgers zusätzlich zum Ausweis der Beiträge auf der Lohnsteuerbescheinigung. Von einer rein summarischen Kontrolle ist abzuraten, da neben Jahresverschiebungen vereinzelt private Zusatzzahlungen festgestellt wurden."

14

Nach entsprechender Ankündigung erließ das FA am 23. Februar 2012 die im Hauptsacheverfahren angefochtenen geänderten Einkommensteuerbescheide für 2006 und 2007, die es verfahrensrechtlich auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) gestützt hat. Darin wurden --materiell-rechtlich zutreffend-- nur noch die folgenden Altersvorsorgeaufwendungen angesetzt:

15
                 
        

2006   

2007   

gesamte Altersvorsorgeaufwendungen

12.973 €

13.576 €

als Sonderausgaben abziehbarer Anteil

1.558 €

1.902 €

16

Das FA vertrat zur Anwendbarkeit des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO die Auffassung, ihm sei die Tatsache, dass die in Zeile 63 eingetragenen Beiträge an das Versorgungswerk nicht zusätzlich zu den in den Lohnsteuerbescheinigungen enthaltenen Altersvorsorgeaufwendungen geleistet worden seien, erst nachträglich bekannt geworden. Es habe auch seine Ermittlungspflicht nicht verletzt. Denn es habe davon ausgehen dürfen, dass die Eintragungen in den Steuererklärungen zutreffend gewesen seien, weil sowohl die Höhe der in den Zeilen 61 und 65 eingetragenen Beträge mit den Angaben in den Lohnsteuerbescheinigungen als auch die Höhe der in der Zeile 63 eingetragenen Beträge mit den Angaben im Jahreskontoausweis übereingestimmt habe. Selbst wenn dem FA aber eine Verletzung seiner Ermittlungspflicht unterlaufen sein sollte, werde diese durch die Verletzung der Mitwirkungspflicht der Antragsteller überwogen. Denn es müsse sowohl steuerlich unkundigen Steuerpflichtigen als auch --erst recht-- einem Steuerberater klar sein, dass dieselben Aufwendungen nicht mehrfach steuermindernd geltend gemacht werden dürfen. Daher sei, obwohl für das Jahr 2006 die reguläre Festsetzungsfrist bereits abgelaufen sei, auch insoweit eine Änderung zulässig, da den Antragstellern eine leichtfertige Steuerverkürzung vorzuwerfen sei und sich die Festsetzungsfrist auf fünf Jahre verlängere.

17

Die Antragsteller brachten vor, es gehe im Streitfall nicht um eine Tatsachenfrage, sondern um eine rechtliche Würdigung, die keine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO rechtfertige. Jedenfalls sei ihnen keine Pflichtverletzung vorzuwerfen, da sie in den Steuererklärungen alle erforderlichen Angaben gemacht und auf die --als unklar anzusehenden-- Bescheinigungen des Versorgungswerks ebenso hätten vertrauen dürfen wie das FA. Weder für die Antragsteller noch für das FA sei offensichtlich gewesen, "welche Beiträge nun eigentlich in welcher Bescheinigung bestätigt wurden". Gerade das FA hätte aber aufgrund der vorgelegten Bescheinigungen den Doppelansatz erkennen können. Außerdem hätten sich dem FA Zweifel an der Richtigkeit der Angaben in den Steuererklärungen aufdrängen müssen, da nach § 16 der Satzung des Versorgungswerks angestellte Mitglieder einen Beitrag in Höhe desjenigen Betrages zu entrichten hätten, der dem ansonsten in die gesetzliche Rentenversicherung zu zahlenden Beitrag entspreche. Zusätzliche freiwillige Zahlungen seien nach der Satzung nicht zulässig. Das FA hätte unschwer erkennen können, dass die in der Steuererklärung geltend gemachten Beiträge nicht zur Höhe des Arbeitslohns gepasst hätten. Da der Antragsteller Pflichtmitglied im Versorgungswerk sei, habe eindeutig festgestanden, dass die Angaben in den Lohnsteuerbescheinigungen sich nur auf die Beiträge an das Versorgungswerk hätten beziehen können.

18

Der Einspruch blieb ebenso wie der beim FA gestellte Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) ohne Erfolg. Die anschließend erhobene Klage ist noch beim Finanzgericht (FG) anhängig.

19

Mit dem im vorliegenden Beschwerdeverfahren angefochtenen Beschluss lehnte das FG den Antrag auf AdV ab. Es sei nicht ernstlich zweifelhaft, dass das FA die Bescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO habe ändern dürfen. Maßgebende Tatsache sei, dass den Antragstellern Altersvorsorgeaufwendungen nur in Höhe von etwa der Hälfte der in den Zeilen 61 bis 65 insgesamt erklärten Beträge entstanden seien, weil sie die in Zeile 63 angegebenen Beträge nicht zusätzlich zu den in den Zeilen 61 und 65 eingetragenen Beträgen gezahlt hätten. Diese Tatsache sei dem FA erst nach Durchführung der ursprünglichen Veranlagungen bekannt geworden, da aus dem Jahreskontoausweis des Versorgungswerks nur hervorgehe, in welcher Höhe dort Beiträge eingegangen seien, nicht aber, dass darin die in der Lohnsteuerbescheinigung angegebenen Beträge enthalten seien.

20

Eine Änderung sei auch nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben ausgeschlossen. Zwar habe das FA seine Ermittlungspflicht verletzt, weil es die Eintragung in Zeile 63 zum Anlass für weitere Ermittlungen hätte nehmen müssen. Im Rahmen der in diesen Fällen vorzunehmenden Abwägung überwiege die Pflichtverletzung der Antragsteller aber eindeutig. Die Festsetzungsfrist für 2006 sei wegen des Vorliegens einer leichtfertigen Steuerverkürzung noch nicht abgelaufen.

21

Mit ihrer Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, wiederholen und vertiefen die Antragsteller ihr Vorbringen aus dem bisherigen Verfahren. Zusätzlich bringen sie vor, die Steuererklärungen seien im Büro ihres Steuerberaters von einem erfahrenen Steuerfachangestellten bearbeitet worden. Der Steuerberater habe darauf vertrauen dürfen, dass der Angestellte die Steuererklärungen ordnungsgemäß erstelle. Damit treffe den Steuerberater kein eigenes Verschulden; ein eventuelles Verschulden des Steuerfachangestellten sei den Antragstellern aber nicht zurechenbar.

22

Die Antragsteller haben im Beschwerdeverfahren keinen ausdrücklichen Antrag gestellt, jedoch erklärt, an der "Klage" festhalten zu wollen.

23

Das FA beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.

24

Der für das Jahr 2007 vorliegende Jahreskontoausweis des Versorgungswerks habe den Bearbeiter eher darin bestärkt, dass die Angaben in der Steuererklärung zutreffend seien. Eine Tatsache sei dem FA nur dann nicht nachträglich bekannt geworden, wenn sie dem Bearbeiter bereits beim Erlass des vorangehenden Bescheids positiv bekannt gewesen sei. Die bloße Möglichkeit, die Tatsachen ermitteln zu können, reiche grundsätzlich nicht aus.

Entscheidungsgründe

25

II. Die Beschwerde ist für das Streitjahr 2006 begründet; sie führt insoweit zur Gewährung der beantragten AdV. Hinsichtlich des Jahres 2007 ist die Beschwerde unbegründet.

26

1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) soll das Gericht die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts u.a. aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen. Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung, vgl. aus neuerer Zeit Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 6. Februar 2013 XI B 125/12, BFH/NV 2013, 615, unter II.2.b, mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

27

Nach diesen Maßstäben hat das FG zutreffend ernstliche Zweifel an der Anwendbarkeit des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO verneint (dazu unten 2.). Es hat aber verkannt, dass hinsichtlich der Wahrung der Festsetzungsfrist ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des geänderten Einkommensteuerbescheids für 2006 bestehen (unten 3.).

28

2. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel daran, dass das FA die Einkommensteuerbescheide für 2006 und 2007 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ändern durfte. Die ursprünglichen Bescheide waren --was zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig ist-- materiell-rechtlich unrichtig. Der zuständigen Stelle im FA sind Tatsachen (dazu unten a) nachträglich bekannt geworden (unten b). Die Grundsätze von Treu und Glauben führen nicht dazu, dass ausnahmsweise von der Anwendung des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO abzusehen wäre (unten c).

29

a) Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 AO ist jeder Lebenssachverhalt, der Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Tatbestands sein kann, also Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften materieller oder immaterieller Art (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Entscheidungen vom 30. Oktober 2003 III R 24/02, BFHE 204, 10, BStBl II 2004, 394, unter II.1., und vom 19. Oktober 2011 X R 29/10, BFH/NV 2012, 227, unter II.1.a).

30

Vor dem materiell-rechtlichen steuergesetzlichen Hintergrund, dass nur tatsächlich gezahlte Altersvorsorgeaufwendungen den Tatbestand des § 10 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes erfüllen, ist im vorliegenden Fall als "Tatsache" der Umstand anzusehen, dass der Antragsteller in den Streitjahren lediglich Altersvorsorgeaufwendungen (einschließlich der Zuschüsse des Arbeitgebers) in Höhe von 10.296 € (2006) bzw. 10.865 € (2007) geleistet hatte, nicht aber die wesentlich höheren in den Steuererklärungen insgesamt als Altersvorsorgeaufwendungen angegebenen Beträge.

31

b) Diese Tatsache ist dem FA nachträglich bekannt geworden.

32

Maßgebend ist der Zeitpunkt, in dem die Willensbildung über die vorangegangene Steuerfestsetzung abgeschlossen war (BFH-Urteil vom 22. April 2010 VI R 40/08, BFHE 229, 57, BStBl II 2010, 951, unter II.1.c), im Streitfall also die Zeichnung des Eingabewertbogens zum Erlass der Abhilfebescheide auf die jeweils gegen die Erstbescheide eingelegten Einsprüche hin. Die Kontrollmitteilung der Mittelbehörde ging erst nach Zeichnung dieser Eingabewertbögen im zuständigen Veranlagungsbezirk ein.

33

Hinsichtlich des Grades der erforderlichen Kenntnis ist zu differenzieren: Der Inhalt der in der zuständigen Dienststelle geführten Steuerakten gilt als bekannt, ohne dass es insoweit auf die individuelle Kenntnis des jeweiligen Bearbeiters ankommt (BFH-Urteil vom 3. Mai 1991 V R 36/90, BFH/NV 1992, 221, unter II.1.b, m.w.N.). Bei Tatsachen, die sich nicht aus den Akten ergeben, ist hingegen die positive Kenntnis des zuständigen Bearbeiters erforderlich; ein Kennenmüssen reicht hier nicht aus (BFH-Urteil vom 19. November 2008 II R 10/08, BFH/NV 2009, 548, unter II.1.).

34

Vorliegend ergab sich die Höhe der in den Streitjahren tatsächlich vom Antragsteller geleisteten Altersvorsorgeaufwendungen weder aus den Akten noch war sie dem zuständigen Bearbeiter positiv bekannt. Die eingereichten Lohnsteuerbescheinigungen ließen nicht erkennen, dass es sich bei den dort eingetragenen Altersvorsorgeaufwendungen um Beiträge zum Versorgungswerk handelte. Anders als die Antragsteller meinen, folgt eine entsprechende Tatsachenkenntnis des zuständigen Sachbearbeiters auch nicht daraus, dass aus den Steuererklärungen die berufliche Tätigkeit des Antragstellers als Arzt erkennbar war. Denn auch nichtselbständig tätige Ärzte unterliegen grundsätzlich der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht. Ihre Befreiung von dieser Versicherungspflicht durch Mitgliedschaft in einem Versorgungswerk ist nur unter den --vom Gesetzgeber zunehmend eingeschränkten-- Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI möglich und setzt sowohl einen entsprechenden Antrag des Pflichtversicherten (§ 6 Abs. 2 SGB VI) als auch eine positive Bescheidung dieses Antrags durch den Rentenversicherungsträger (§ 6 Abs. 3 SGB VI) voraus. Umgekehrt enthielten die Jahreskontoausweise des Versorgungswerks keine Hinweise darauf, dass es sich um Pflichtbeiträge für einen von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreiten Arbeitnehmer handelte und in den bescheinigten Beträgen ein hälftiger Arbeitgeberzuschuss enthalten war.

35

Der Umstand, dass dem Bearbeiter bei einer sorgfältigen Analyse der Steuererklärungen Zweifel an der Richtigkeit der dort gemachten Angaben hätten kommen können bzw. müssen, ändert nichts daran, dass ihm die maßgebende Tatsache --objektiv-- nachträglich bekannt geworden ist. Dieser Umstand ist allerdings im Rahmen der Prüfung, ob eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nach Treu und Glauben ausgeschlossen ist, zu berücksichtigen.

36

c) Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist die Änderung eines Bescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO trotz Vorliegens aller Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm in Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben ausgeschlossen, wenn dem FA die nachträglich bekannt gewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre. Allerdings muss der Steuerpflichtige dann seinerseits seine Mitwirkungspflicht erfüllt haben. Haben sowohl der Steuerpflichtige als auch das FA es versäumt, den Sachverhalt aufzuklären, trifft in der Regel den Steuerpflichtigen die Verantwortung, mit der Folge, dass die Berufung des FA auf die Erfüllung der Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht als treuwidrig anzusehen ist (BFH-Entscheidungen vom 28. Juni 2006 XI R 58/05, BFHE 214, 319, BStBl II 2006, 835, und vom 6. Februar 2013 X B 164/12, BFH/NV 2013, 694, unter II.2.b). Demgegenüber scheidet in Fällen beiderseitiger Pflichtverletzungen eine Änderungsmöglichkeit aus, wenn der Verstoß des FA deutlich überwiegt (BFH-Urteil vom 20. Dezember 1988 VIII R 121/83, BFHE 156, 339, BStBl II 1989, 585, unter II.6.).

37

aa) Vorliegend hat das FA bei Bearbeitung der Steuererklärungen der Antragsteller seine Ermittlungspflichten verletzt. Sowohl der Umstand, dass Ärzte sich in vielen --wenngleich nicht in allen-- Fällen von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreien lassen, als auch die --allerdings nur durch Vornahme einer Rechenoperation erkennbare-- betragsmäßige Übereinstimmung der Summe der in den Zeilen 61 und 65 eingetragenen Beträge mit dem in Zeile 63 eingetragenen Betrag hätten Anlass zu einer entsprechenden Nachfrage geben müssen. Die zahlreichen anderweitigen Rückfragen des Sachbearbeiters zu der --durchaus umfangreichen-- Steuererklärung 2007 zeigen, dass der Bearbeiter die ihm vorgegebene Intensivprüfung vorgenommen hat und ihm im Rahmen dieser Intensivprüfung zahlreiche andere Unstimmigkeiten aufgefallen sind.

38

bb) Jedoch haben auch die Antragsteller ihre Mitwirkungspflichten verletzt.

39

(1) Gemäß § 150 Abs. 2 Satz 1 AO sind Angaben in Steuererklärungen wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu machen. Daran fehlt es, da der Antragsteller seine tatsächlich nur einmal geleisteten Beiträge zum Versorgungswerk doppelt in den Steuererklärungen angegeben hatte. Die in der doppelten Eintragung derselben Aufwendungen liegende Pflichtverletzung entfällt ersichtlich auch nicht deshalb, weil die Antragsteller --was für das Jahr 2006 ohnehin streitig ist-- ihren Steuererklärungen die Jahreskontoausweise des Versorgungswerks beigefügt hatten.

40

(2) Nicht zu folgen vermag der Senat der Argumentation der Antragsteller, sie hätten ihre Mitwirkungspflichten (Steuererklärungspflichten) nicht verletzt, weil die Fehler allein einem weitestgehend selbständig arbeitenden Steuerfachgehilfen unterlaufen seien und Fehler einer solchen Hilfsperson --anders als Fehler des Steuerberaters selbst-- ihnen nicht zurechenbar seien.

41

Das --aus den Grundsätzen von Treu und Glauben abzuleitende und daher einen Ausnahmetatbestand darstellende-- Änderungsverbot bewirkt, dass das FA trotz Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO an einer Erhöhung der Steuerfestsetzung gehindert ist. Bei Zugrundelegung der Grundsätze von Treu und Glauben kann der Steuerpflichtige seine verfahrensrechtliche Position aber nicht dadurch verbessern, dass er seine Steuererklärung durch einen Steuerberater fertigen lässt und der Steuerberater insoweit vorbereitende Tätigkeiten seinem Büropersonal überträgt (vgl. hierzu bereits Senatsbeschluss in BFH/NV 2013, 694, unter II.2.c).

42

Ergänzend weist der Senat auf § 3 der Berufsordnung der Bundessteuerberaterkammer (BO-BStBK) hin: Danach sind Steuerberater verpflichtet, ihre Tätigkeit in eigener Verantwortung auszuüben; sie bilden sich ihr Urteil selbst und treffen ihre Entscheidungen selbständig. Die Beschäftigung von Mitarbeitern ist gemäß § 17 BO-BStBK nur zulässig, soweit diese weisungsgebunden unter der fachlichen Aufsicht und beruflichen Verantwortung des Steuerberaters tätig werden. Auch soweit diese berufsrechtlichen Anforderungen in der Kanzlei des Steuerberaters der Antragsteller nicht erfüllt sein sollten, wären die Antragsteller im Anwendungsbereich der Grundsätze von Treu und Glauben daran gehindert, sich zu ihren eigenen Gunsten auf derartige Organisationsmängel zu berufen.

43

cc) Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass die Verletzung der Ermittlungspflichten auf Seiten des FA jedenfalls nicht schwerer wiegt als die Verletzung der Steuererklärungspflichten der Antragsteller, so dass die Grundsätze von Treu und Glauben der Anwendung des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht entgegenstehen.

44

Maßgebend hierfür ist zum einen, dass allein die Antragsteller --jedenfalls auf einer abstrakten Ebene-- über die volle Kenntnis des Sachverhalts verfügten. Sie wussten sowohl, dass der Antragsteller ausschließlich Pflichtbeiträge zum Versorgungswerk, nicht aber Einzahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung leistete, und dass die Eintragungen in den Lohnsteuerbescheinigungen sich auf die Beiträge zum Versorgungswerk bezogen. Ferner wussten sie, dass die in den Jahreskontoausweisen des Versorgungswerks bescheinigten Beträge mit den aus den Lohnsteuerbescheinigungen ersichtlichen Beträgen identisch sein mussten, weil der Antragsteller keine über die Pflichtbeiträge hinausgehenden Einzahlungen geleistet hatte.

45

Der beim FA zuständige Bearbeiter der Steuererklärung hatte von diesen Umständen des Sachverhalts hingegen --anders als die Antragsteller-- keine positive Kenntnis. Ihm ist nur anzulasten, dass er sich Kenntnis hätte verschaffen können, wenn er den aufgezeigten Ermittlungsansätzen nachgegangen wäre. Hinzu kommt, dass die betragsmäßige Übereinstimmung der Eintragungen in den Zeilen 61 und 65 einerseits und in der Zeile 63 andererseits vom Sachbearbeiter nur durch Addition zweier vierstelliger Zahlen erkannt werden können, was nicht jedem auf den ersten Blick möglich ist.

46

Zwar hatte der Sachbearbeiter für das Jahr 2007 einen Prüfhinweis zu Zeile 63 der Steuererklärung zu bearbeiten. Der Text des Prüfhinweises war aber nicht auf die Vermeidung einer doppelten Berücksichtigung von Beiträgen an das Versorgungswerk gerichtet, sondern stand in Zusammenhang mit Beiträgen zu Zusatzversorgungseinrichtungen des öffentlichen Dienstes und war daher für die Steuererklärung der Antragsteller nicht einschlägig. Zudem waren gerade die Eintragungen der Antragsteller für das Jahr 2007 durchaus plausibel, weil in Zeile 63 des Erklärungsvordrucks ausdrücklich auch "Beiträge zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen" zu erfassen waren und sowohl für die Eintragungen in den Zeilen 61 und 65 (Lohnsteuerbescheinigung) als auch für die Eintragung in Zeile 63 (Jahreskontoausweis) entsprechende Belege vorlagen.

47

Unzutreffend ist in diesem Zusammenhang die Auffassung der Antragsteller, aus § 16 der Satzung des Versorgungswerks ergebe sich, dass bei Leistung von Pflichtbeiträgen an das Versorgungswerk (Zeilen 61 und 65) die Zahlung zusätzlicher freiwilliger Beiträge (Zeile 63) ausgeschlossen sei. Das Gegenteil ist der Fall, da gemäß § 21 der Satzung freiwillige Mehrzahlungen bis zum allgemeinen Jahreshöchstbetrag zulässig sind und in der Praxis auch häufig geleistet werden. Dieser Jahreshöchstbetrag liegt gemäß § 21 Abs. 2 Satz 2 der Satzung i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 8 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes beim Zweieinhalbfachen der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung und ist durch die Pflichtbeiträge des Antragstellers bei Weitem nicht ausgeschöpft worden. Die Eintragung in Zeile 63 war daher aus Sicht des FA auch insoweit --dem Grunde nach-- plausibel, als sie zusätzlich zu Eintragungen in den Zeilen 61 und 65 erfolgte.

48

Die Antragsteller haben im Verlaufe des Verfahrens mehrfach vorgetragen, sie hätten auf die unklaren Jahreskontoausweise des Versorgungswerks ebenso vertrauen dürfen wie das FA. Wenn danach aber beide Seiten gleichermaßen in die Irre geleitet worden sind und jedenfalls keine überwiegende Pflichtverletzung des FA erkennbar ist, liegt kein Ausnahmefall vor, in dem trotz Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO die Anwendung dieser Vorschrift nach den Grundsätzen von Treu und Glauben ausgeschlossen ist.

49

3. Es bestehen jedoch insoweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des geänderten Einkommensteuerbescheids für 2006, als das FG angenommen hat, dieser Bescheid habe die Festsetzungsfrist gewahrt, weil den Antragstellern eine leichtfertige Steuerverkürzung vorzuwerfen sei.

50

a) Im Zeitpunkt des Ergehens des Änderungsbescheids (23. Februar 2012) war die reguläre Festsetzungsfrist für den Veranlagungszeitraum 2006 bereits abgelaufen. Die Antragsteller hatten ihre Steuererklärung im Jahr 2007 abgegeben; die vierjährige Festsetzungsfrist endete daher mit Ablauf des 31. Dezember 2011.

51

b) Die Festsetzungsfrist würde sich gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO auf fünf Jahre verlängern und wäre durch den Änderungsbescheid vom 23. Februar 2012 gewahrt worden, wenn die Steuer, die aufgrund der doppelten Geltendmachung der Altersvorsorgeaufwendungen in der Steuererklärung 2006 zunächst nicht festgesetzt worden war, als leichtfertig verkürzt (§ 378 Abs. 1 Satz 1 AO) anzusehen wäre.

52

Leichtfertigkeit bedeutet einen erheblichen Grad an Fahrlässigkeit, der etwa der groben Fahrlässigkeit des bürgerlichen Rechts entspricht, im Gegensatz dazu aber auf die persönlichen Fähigkeiten des Täters abstellt (BFH-Urteil vom 19. Dezember 2002 IV R 37/01, BFHE 200, 495, BStBl II 2003, 385, unter II.2., m.w.N.). Um den subjektiven Tatbestand einer leichtfertigen Steuerverkürzung feststellen zu können, muss das FG den Steuerpflichtigen jedenfalls in Grenzfällen persönlich anhören, wenn sich nicht bereits aus dokumentierten Äußerungen, Urkunden oder sonstigen Indizien die Leichtfertigkeit eindeutig ergibt (BFH-Urteil vom 17. November 2011 IV R 2/09, BFH/NV 2012, 1309, unter II.4.b cc).

53

c) Danach bestehen auf der Grundlage des gegenwärtigen Sach- und Streitstands ernstliche Zweifel daran, ob der Antragsteller leichtfertig gehandelt hat. Zwar enthält die Steuererklärung objektiv falsche Angaben. Ob der Antragsteller oder sein Steuerberater aber auch den subjektiven Tatbestand der leichtfertigen Steuerverkürzung erfüllt hat, ergibt sich weder aus dokumentierten Äußerungen, Urkunden oder sonstigen Indizien noch hat das FG seine Würdigung auf eine persönliche Anhörung des Antragstellers oder seines Steuerberaters gestützt.

54

Zwar weist das FA im Ansatz zutreffend darauf hin, jeder Steuerpflichtige und jeder Steuerberater --oder Steuerfachgehilfe-- müsse wissen, dass dieselben Aufwendungen nicht doppelt geltend gemacht werden dürften. Angesichts der fehlenden Erläuterungen sowohl in der Lohnsteuerbescheinigung als auch in den Jahreskontoauszügen liegt aber die Würdigung nahe, dass --aus Sicht des Steuerberaters-- nicht schon der Umstand, dass zusätzlich zur Lohnsteuerbescheinigung noch freiwillige Beiträge an das Versorgungswerk geltend gemacht wurden, sondern erst die betragsmäßige Übereinstimmung der Beträge zu einer Überprüfung hätten Anlass geben müssen. Ebenso wie bei der Würdigung des Grades der Verletzung der Ermittlungspflichten des Sachbearbeiters des FA (dazu oben 2.c cc) ist aber auch bei der Prüfung des Verschuldens des Steuerberaters zu würdigen, dass das Erkennen der betragsmäßigen Übereinstimmung die Addition vierstelliger Zahlen voraussetzte, deren Ergebnis nicht ohne weiteres ins Auge springt. Ob den Antragstellern bei der --ihnen trotz Einschaltung eines Steuerberaters eigenverantwortlich obliegenden-- Überprüfung der vorbereiteten Steuererklärung der doppelte Ansatz der Altersvorsorgeaufwendungen hätte ins Auge springen müssen, ist Tatfrage und bedarf der weiteren Aufklärung im noch anhängigen Hauptsacheverfahren.

(1) Die Finanzbehörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Dabei hat sie alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.

(2) Die Finanzbehörde bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen nach den Umständen des Einzelfalls sowie nach den Grundsätzen der Gleichmäßigkeit, Gesetzmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden. Bei der Entscheidung über Art und Umfang der Ermittlungen können allgemeine Erfahrungen der Finanzbehörden sowie Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit berücksichtigt werden.

(3) Zur Gewährleistung eines zeitnahen und gleichmäßigen Vollzugs der Steuergesetze können die obersten Finanzbehörden für bestimmte oder bestimmbare Fallgruppen Weisungen über Art und Umfang der Ermittlungen und der Verarbeitung von erhobenen oder erfassten Daten erteilen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist. Bei diesen Weisungen können allgemeine Erfahrungen der Finanzbehörden sowie Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit berücksichtigt werden. Die Weisungen dürfen nicht veröffentlicht werden, soweit dies die Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung gefährden könnte. Weisungen der obersten Finanzbehörden der Länder nach Satz 1 bedürfen des Einvernehmens mit dem Bundesministerium der Finanzen, soweit die Landesfinanzbehörden Steuern im Auftrag des Bundes verwalten.

(4) Das Bundeszentralamt für Steuern und die zentrale Stelle im Sinne des § 81 des Einkommensteuergesetzes können auf eine Weiterleitung ihnen zugegangener und zur Weiterleitung an die Landesfinanzbehörden bestimmter Daten an die Landesfinanzbehörden verzichten, soweit sie die Daten nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand einem bestimmten Steuerpflichtigen oder einem bestimmten Finanzamt zuordnen können. Nach Satz 1 einem bestimmten Steuerpflichtigen oder einem bestimmten Finanzamt zugeordnete Daten sind unter Beachtung von Weisungen gemäß Absatz 3 des Bundesministeriums der Finanzen weiterzuleiten. Nicht an die Landesfinanzbehörden weitergeleitete Daten sind vom Bundeszentralamt für Steuern für Zwecke von Verfahren im Sinne des § 30 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a und b bis zum Ablauf des 15. Jahres nach dem Jahr des Datenzugangs zu speichern. Nach Satz 3 gespeicherte Daten dürfen nur für Verfahren im Sinne des § 30 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a und b sowie zur Datenschutzkontrolle verarbeitet werden.

(5) Die Finanzbehörden können zur Beurteilung der Notwendigkeit weiterer Ermittlungen und Prüfungen für eine gleichmäßige und gesetzmäßige Festsetzung von Steuern und Steuervergütungen sowie Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen automationsgestützte Systeme einsetzen (Risikomanagementsysteme). Dabei soll auch der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Verwaltung berücksichtigt werden. Das Risikomanagementsystem muss mindestens folgende Anforderungen erfüllen:

1.
die Gewährleistung, dass durch Zufallsauswahl eine hinreichende Anzahl von Fällen zur umfassenden Prüfung durch Amtsträger ausgewählt wird,
2.
die Prüfung der als prüfungsbedürftig ausgesteuerten Sachverhalte durch Amtsträger,
3.
die Gewährleistung, dass Amtsträger Fälle für eine umfassende Prüfung auswählen können,
4.
die regelmäßige Überprüfung der Risikomanagementsysteme auf ihre Zielerfüllung.
Einzelheiten der Risikomanagementsysteme dürfen nicht veröffentlicht werden, soweit dies die Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung gefährden könnte. Auf dem Gebiet der von den Landesfinanzbehörden im Auftrag des Bundes verwalteten Steuern legen die obersten Finanzbehörden der Länder die Einzelheiten der Risikomanagementsysteme zur Gewährleistung eines bundeseinheitlichen Vollzugs der Steuergesetze im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen fest.

Tenor

Auf die Revision der Kläger werden das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 26. August 2015  4 K 4035/10, die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 24. November 2010 sowie die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 18. Januar 2003 vom 9. September 2009 und vom 15. Dezember 2009 aufgehoben.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zu drei gleichen Teilen Erben der am 18. Januar 2003 verstorbenen Erblasserin. Zum Erbe gehören verschiedene Miet- und Geschäftsgrundstücke. Am 27. April 2004 bat das für die Erbschaftsteuer zuständige Finanzamt den Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) um Feststellung des Grundbesitzwerts für die in dessen Zuständigkeitsbereich belegenen Grundstücke.

2

Mit Schreiben vom 8. Juli 2004 forderte das FA den Kläger zu 1. auf, nähere Angaben zu den ererbten Grundstücken zu machen.

3

Wörtlich lautete die Aufforderung auszugsweise wie folgt:
"Aus Vereinfachungsgründen verzichte ich auf das Ausfüllen der ausführlichen Erklärungen und bitte Sie statt dessen in der Tabelle die Nettokaltmieten der letzten drei Jahre vom Sterbemonat an berechnet anzugeben. Geben Sie bitte gesondert an, ob und ggf. in welchem Zeitraum eine oder mehrere Wohnungen nicht vermietet oder an Angehörige überlassen waren."

4

Es folgte eine Aufstellung der Grundstücke. Für ein Betriebsgrundstück der ... KG, an der die Erblasserin beteiligt war, bat das FA um Mitteilung des Steuerbilanzwerts zum 18. Januar 2003. Der Kläger zu 1. folgte der Aufforderung, gab für die betroffenen Grundstücke entsprechende Erklärungen ab und teilte den Steuerbilanzwert für das Betriebsgrundstück mit.

5

Am 27. Dezember 2004 erließ das FA für das Betriebsgrundstück einen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 18. Januar 2003 für Zwecke der Erbschaftsteuer. Dabei berücksichtigte es den vom Kläger zu 1. mitgeteilten Steuerbilanzwert und stellte einen Wert nach § 147 des Bewertungsgesetzes in der beim Eintritt des Erbfalls geltenden Fassung (BewG a.F.) in Höhe von 650.500 € (Bodenwert 531.506 € zuzüglich ertragsteuerlicher Gebäudewert 119.330 €, abgerundet auf volle 500 €) fest. Der Bescheid erging nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

6

Gegen diesen Bescheid legten die Kläger Einspruch ein. Das FA erließ am 4. Mai 2005 einen Änderungsbescheid, korrigierte den Grundbesitzwert auf (nach Rundung) 531.500 € (Bodenwert 531.506 € zuzüglich ertragsteuerlicher Gebäudewert 2 €) und rechnete das Grundstück der KG als bisheriger Eigentümerin zu. Nach erneutem Einspruch wurde die Zurechnung mit Bescheid vom 2. November 2005 nochmals korrigiert und das Grundstück der KG als bisheriger und neuer Eigentümerin zugerechnet. Der Bescheid erging weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

7

Im Rahmen einer Außenprüfung wegen Erbschaft- und Schenkungsteuer wurde festgestellt, dass das Betriebsgrundstück vom 1. Januar 1996 bis zum 31. Dezember 2005 zu einem monatlichen Mietpreis von 16.898 € verpachtet war. Daraufhin änderte das FA seine Bewertungsmethode und erließ am 9. September 2009 einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheid. Es legte für die Feststellung des Grundbesitzwerts nicht mehr den Steuerbilanzwert zu Grunde, sondern stellte gemäß § 146 BewG a.F. ausgehend von einer erzielbaren Miete in Höhe von 14.000 € je Monat einen Grundbesitzwert auf den 18. Januar 2003 in Höhe von 1.627.500 € fest. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben.

8

Dagegen wandten sich die Kläger mit dem Einspruch. Ihrer Auffassung nach war im Zeitpunkt des Erlasses des letzten Änderungsbescheids bereits Feststellungsverjährung eingetreten. Die vierjährige Feststellungsfrist habe mit Ablauf des Jahres 2003 zu laufen begonnen und folglich am 31. Dezember 2007 geendet. Während des Einspruchsverfahrens erließ das FA am 15. Dezember 2009 einen geänderten Feststellungsbescheid und wies im Erläuterungstext unter Bezugnahme auf § 181 Abs. 5 AO darauf hin, dass der Bescheid nur noch für die Steuerfestsetzungen, für die die Festsetzungsverjährung noch nicht abgelaufen sei, bedeutsam sei. Mit Einspruchsentscheidung vom 24. November 2010 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.

9

Die Klage hatte keinen Erfolg. Nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) durfte das FA die Änderung der gesonderten und einheitlichen Feststellung auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO stützen. Die Vermietbarkeit sei im Zeitpunkt der erstmaligen Feststellung noch nicht bekannt und die Änderung des Bescheids auch nicht nach Treu und Glauben ausgeschlossen gewesen. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016, 13 veröffentlicht.

10

Dagegen wenden sich die Kläger mit ihrer Revision. Sie rügen die unzutreffende Auslegung der §§ 88, 90 und 173 Abs. 1 Nr. 1 AO, sowie der §§ 146 und 147 BewG a.F.

11

Die Kläger beantragen,
die Vorentscheidung, den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 18. Januar 2003 für Zwecke der Erbschaftsteuer vom 9. September 2009 und 15. Dezember 2009 sowie die Einspruchsentscheidung vom 24. November 2010 aufzuheben.

12

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

13

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und der angefochtenen Bescheide (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass der Ablauf der Feststellungsfrist dem Erlass des unter Hinweis auf § 181 Abs. 5 AO ergangenen Änderungsbescheids vom 15. Dezember 2009 nicht entgegenstand. Entgegen der Auffassung des FG durfte jedoch das FA den bestandskräftigen Feststellungsbescheid vom 2. November 2005 durch den Bescheid vom 15. Dezember 2009 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht ändern.

14

1. Der Ablauf der Feststellungsfrist steht dem Erlass des Bescheids vom 9. September 2009, nicht aber dem Erlass des Bescheids vom 15. Dezember 2009 entgegen.

15

a) Nach § 138 ff. BewG a.F. sind Grundbesitzwerte gesondert festzustellen, wenn die Werte für die Erbschaftsteuer von Bedeutung sind. Für den Erlass von Feststellungsbescheiden sieht die AO eine eigenständige Feststellungsfrist vor, die unabhängig von der Festsetzungsverjährung der Folgesteuern zu ermitteln ist (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 6. Juli 2005 II R 9/04, BFHE 210, 65, BStBl II 2005, 780, unter II.2.a, m.w.N.). Nach § 181 Abs. 1 Satz 1 AO gelten für die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen sinngemäß auch die Vorschriften über die Festsetzungsverjährung (§§ 169 ff. AO).

16

b) Nach § 181 Abs. 5 Satz 1 AO kann eine gesonderte Feststellung auch nach Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfrist insoweit erfolgen, als die gesonderte Feststellung für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist; hierbei bleibt § 171 Abs. 10 AO außer Betracht. § 181 Abs. 5 Satz 1 AO trägt dem Umstand Rechnung, dass die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nur eine Vorstufe der Steuerfestsetzung ist, d.h. nur eine dienende Funktion hat. Aus der Technik der getrennten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen sollen dem Steuerpflichtigen keine Nachteile, aber auch keine Vorteile entstehen (BFH-Urteile vom 11. Februar 2015 I R 5/13, BFHE 250, 172, BStBl II 2016, 353, Rz 11, m.w.N.; BTDrucks VI/1982, S. 157). Die Vorschrift gilt nicht nur für den erstmaligen Erlass, sondern ihrem Sinn und Zweck entsprechend auch für die Änderung oder Berichtigung von Feststellungsbescheiden (BFH-Urteil vom 6. Juli 2005 XI R 27/04, BFH/NV 2006, 16, unter II.2.c aa).

17

c) Das Finanzamt hat beim Erlass eines Feststellungsbescheids nach Ablauf der Feststellungsfrist in dem Bescheid darauf hinzuweisen, dass die getroffenen Feststellungen nur noch für solche Steuerfestsetzungen Bedeutung haben sollen, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist (§ 181 Abs. 5 Satz 2 AO).

18

d) Der Ablauf der Feststellungsfrist stand danach dem Erlass des Bescheids vom 9. September 2009, nicht aber dem Erlass des Bescheids vom 15. Dezember 2009 entgegen.

19

Die Feststellungsfrist begann mit Ablauf des 31. Dezember 2003 und endete vier Jahre später mit Ablauf des 31. Dezember 2007. Die beiden Feststellungsbescheide vom 9. September 2009 und vom 15. Dezember 2009 ergingen folglich nach Ablauf der Feststellungsfrist. Der Bescheid vom 15. Dezember 2009 durfte nach § 181 Abs. 5 AO gleichwohl ergehen, weil die gesonderte Feststellung für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung war, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen war, und dieser Bescheid --anders als der Bescheid vom 9. September 2009-- einen Hinweis auf seine einschränkende Wirkung enthält. Das FA und das FG mussten nicht prüfen, ob die gesonderte Feststellung tatsächlich noch für eine Besteuerung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen war.

20

2. Das FA durfte den bestandskräftigen Feststellungsbescheid vom 2. November 2005 gleichwohl nicht ändern. Es fehlt an einer dafür erforderlichen Änderungsnorm.

21

a) Der Feststellungsbescheid konnte nicht nach § 164 Abs. 2 AO geändert werden, obwohl der Vorbehalt der Nachprüfung nicht aufgehoben war.

22

aa) Nach § 164 Abs. 4 Satz 1 AO entfällt der Vorbehalt der Nachprüfung, wenn die Festsetzungsfrist abläuft. Diese Vorschrift gilt gemäß § 181 Abs. 1 Satz 1 AO für die Feststellungsfrist sinngemäß (BFH-Urteil vom 31. Oktober 2000 VIII R 14/00, BFHE 193, 392, BStBl II 2001, 156). § 181 Abs. 5 Satz 1 AO bewirkt kein "Wiederaufleben" des entfallenen Nachprüfungsvorbehalts (vgl. BFH-Urteil vom 11. November 2014 I R 46/13, BFH/NV 2015, 353, Rz 27).

23

bb) Die nach §§ 172 ff. AO gebotenen Änderungen des Feststellungsbescheids können zwar unter den Voraussetzungen des § 181 Abs. 5 AO trotz Ablaufs der Feststellungsfrist durchgeführt werden. Ein unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehender Feststellungsbescheid kann aber nach Ablauf der Feststellungsfrist wegen des damit verbundenen Wegfalls des Vorbehalts der Nachprüfung nicht mehr nach § 164 Abs. 2 AO geändert werden (BFH-Urteil in BFH/NV 2015, 353, Rz 28, m.w.N.). § 181 Abs. 5 Satz 1 AO entbindet die Finanzbehörde nämlich nicht davon, die ihrer Ansicht nach erforderliche Nachprüfung innerhalb der Feststellungsfrist durchzuführen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2015, 353, Rz 29). Würde man einen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Feststellungsbescheid auch noch nach Ablauf der Feststellungsfrist ändern können, würde die Erstfeststellung auf unabsehbare Zeit nicht nur punktuell, sondern umfassend nach allen Seiten offen bleiben. Dies wäre mit dem Zweck der Verjährungsvorschriften, Rechtsfrieden zu schaffen, nicht zu vereinbaren und lässt sich auch nicht mit dem Gesichtspunkt, dass der gesonderten Feststellung gegenüber der Festsetzung eine rein dienende Funktion zukommt, rechtfertigen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2015, 353, Rz 29).

24

b) An einer Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ist das FA nach Treu und Glauben gehindert.

25

aa) Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekanntwerden, die zu einer höheren Steuer führen. Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 AO ist alles, was Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Steuertatbestands sein kann, also Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften materieller oder immaterieller Art. Keine Tatsachen i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind demgegenüber Schlussfolgerungen aller Art, insbesondere juristische Subsumtionen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 21. Februar 2017 VIII R 46/13, BFHE 257, 198, BStBl II 2017, 745, Rz 34, m.w.N.). Nachträglich bekannt geworden ist eine Tatsache, wenn sie das Finanzamt beim Erlass des geänderten Steuerbescheids noch nicht kannte (z.B. BFH-Urteil in BFHE 257, 198, BStBl II 2017, 745, Rz 35).

26

bb) Die Änderung eines Steuerbescheids zum Nachteil des Steuerpflichtigen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO kann nach den Grundsätzen von Treu und Glauben ausgeschlossen sein, wenn dem Finanzamt die nachträglich bekannt gewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre. Hierauf kann sich der Steuerpflichtige grundsätzlich aber nur dann berufen, wenn er seinerseits seine Mitwirkungspflicht erfüllt hat. Haben es sowohl der Steuerpflichtige als auch das Finanzamt versäumt, den Sachverhalt aufzuklären, trifft in der Regel den Steuerpflichtigen die Verantwortung, mit der Folge, dass der Steuerbescheid geändert werden kann (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 6. Februar 2013 X B 164/12, BFH/NV 2013, 694, und BFH-Urteil in BFHE 257, 198, BStBl II 2017, 745, Rz 45, m.w.N.).

27

cc) Das Finanzamt verletzt seine Ermittlungspflicht (§ 88 AO), wenn es ersichtlichen Unklarheiten oder Zweifelsfragen, die sich bei einer Prüfung der Steuererklärung sowie der eingereichten Unterlagen ohne weiteres aufdrängen mussten, nicht nachgeht (BFH-Urteil vom 16. Juni 2004 X R 56/01, BFH/NV 2004, 1502, unter II.2.c aa, m.w.N.). Verzichtet das Finanzamt gegenüber dem Steuerpflichtigen ausdrücklich auf die Abgabe einer förmlichen Erklärung und fordert ihn stattdessen zu bestimmten Angaben auf, verletzt es seine Ermittlungspflicht, wenn die geforderten Angaben für die Ermittlung des für die Steuerfestsetzung maßgebenden Sachverhalts nicht ausreichen und es auch später vor Erlass des Steuerbescheids keine weiteren Fragen stellt. Erfüllt der Steuerpflichtige in einem solchen Fall seinerseits seine Mitwirkungspflichten, indem er die vom Finanzamt gestellten Fragen zutreffend und vollständig beantwortet, ist das Finanzamt nach Treu und Glauben an einer Änderung der bestandskräftigen Steuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO gehindert, wenn es später Kenntnis von steuererhöhenden Tatsachen erlangt. Der Steuerpflichtige ist nicht verpflichtet, auf der Grundlage der maßgebenden steuerrechtlichen Vorschriften zu prüfen, ob die vom Finanzamt erbetenen Angaben eine zutreffende Steuerfestsetzung ermöglichen oder ob dazu weitere Angaben erforderlich wären. Es fällt vielmehr in den Verantwortungsbereich des Finanzamts, die entscheidungserheblichen Fragen zu stellen.

28

Entsprechendes gilt auch für Feststellungsbescheide.

29

dd) Das FA durfte danach den bestandskräftigen Feststellungsbescheid vom 2. November 2005 nicht nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ändern.

30

Dem FA war zwar beim Erlass dieses Bescheids nicht bekannt, dass das Betriebsgrundstück vermietet worden war. Es war aber nach Treu und Glauben an einer Änderung des Bescheids gehindert. Es hatte seine Ermittlungspflichten verletzt. Für das Betriebsgrundstück hatte es mit dem Schreiben vom 8. Juli 2004 lediglich um die Angabe des Steuerbilanzwerts gebeten. Nur für die anderen in dem Schreiben genannten Grundstücke hatte es nach den Nettokaltmieten gefragt. Die Kläger haben ihre Mitwirkungspflichten nicht verletzt. Sie haben die vom FA geforderten Angaben zutreffend gemacht. Sie waren mangels einer entsprechenden Frage des FA nicht verpflichtet, auf die Vermietung des Betriebsgrundstücks hinzuweisen und die erzielten Mieten anzugeben. Eine Feststellungserklärung mussten sie nicht abgeben. Eine Verpflichtung zur Abgabe einer Feststellungserklärung bestand nach § 138 Abs. 6 Satz 1 BewG a.F. nur bei einem entsprechenden Verlangen des Finanzamts. Im Streitfall hatte das FA darauf aber ausdrücklich verzichtet.

31

3. Da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten. Sie sind daher ebenso wie die Einspruchsentscheidung aufzuheben.

32

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

(1) Ein Steuerbescheid ist aufzuheben oder zu ändern, soweit von der mitteilungspflichtigen Stelle an die Finanzbehörden übermittelte Daten im Sinne des § 93c bei der Steuerfestsetzung nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden.

(2) Gelten Daten, die von mitteilungspflichtigen Stellen nach Maßgabe des § 93c an die Finanzverwaltung übermittelt wurden, nach § 150 Absatz 7 Satz 2 als Angaben des Steuerpflichtigen, ist der Steuerbescheid aufzuheben oder zu ändern, soweit diese Daten zu Ungunsten des Steuerpflichtigen unrichtig sind.

(3) Ist eine Einwilligung des Steuerpflichtigen in die Übermittlung von Daten im Sinne des § 93c an die Finanzbehörden Voraussetzung für die steuerliche Berücksichtigung der Daten, so ist ein Steuerbescheid aufzuheben oder zu ändern, soweit die Einwilligung nicht vorliegt.

(4) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht, wenn nachträglich übermittelte Daten im Sinne des § 93c Absatz 1 oder 3 nicht rechtserheblich sind.

(1) Sind steuerliche Daten eines Steuerpflichtigen auf Grund gesetzlicher Vorschriften von einem Dritten (mitteilungspflichtige Stelle) an Finanzbehörden elektronisch zu übermitteln, so gilt vorbehaltlich abweichender Bestimmungen in den Steuergesetzen Folgendes:

1.
Die mitteilungspflichtige Stelle muss die Daten nach Ablauf des Besteuerungszeitraums bis zum letzten Tag des Monats Februar des folgenden Jahres nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung über die amtlich bestimmte Schnittstelle übermitteln; bezieht sich die Übermittlungspflicht auf einen Besteuerungszeitpunkt, sind die Daten bis zum Ablauf des zweiten Kalendermonats nach Ablauf des Monats zu übermitteln, in dem der Besteuerungszeitpunkt liegt.
2.
Der Datensatz muss folgende Angaben enthalten:
a)
den Namen, die Anschrift, das Ordnungsmerkmal und die Kontaktdaten der mitteilungspflichtigen Stelle sowie ihr Identifikationsmerkmal nach den §§ 139a bis 139c oder, soweit dieses nicht vergeben wurde, ihre Steuernummer;
b)
hat die mitteilungspflichtige Stelle einen Auftragnehmer im Sinne des § 87d mit der Datenübermittlung beauftragt, so sind zusätzlich zu den Angaben nach Buchstabe a der Name, die Anschrift und die Kontaktdaten des Auftragnehmers sowie dessen Identifikationsmerkmal nach den §§ 139a bis 139c oder, wenn dieses nicht vergeben wurde, dessen Steuernummer anzugeben;
c)
den Familiennamen, den Vornamen, den Tag der Geburt, die Anschrift des Steuerpflichtigen und dessen Identifikationsnummer nach § 139b;
d)
handelt es sich bei dem Steuerpflichtigen nicht um eine natürliche Person, so sind dessen Firma oder Name, Anschrift und Wirtschafts-Identifikationsnummer nach § 139c oder, wenn diese noch nicht vergeben wurde, dessen Steuernummer anzugeben;
e)
den Zeitpunkt der Erstellung des Datensatzes oder eines anderen Ereignisses, anhand dessen die Daten in der zeitlichen Reihenfolge geordnet werden können, die Art der Mitteilung, den betroffenen Besteuerungszeitraum oder Besteuerungszeitpunkt und die Angabe, ob es sich um eine erstmalige, korrigierte oder stornierende Mitteilung handelt.
3.
Die mitteilungspflichtige Stelle hat den Steuerpflichtigen darüber zu informieren, welche für seine Besteuerung relevanten Daten sie an die Finanzbehörden übermittelt hat oder übermitteln wird. Diese Information hat in geeigneter Weise, mit Zustimmung des Steuerpflichtigen elektronisch, und binnen angemessener Frist zu erfolgen. Auskunftspflichten nach anderen Gesetzen bleiben unberührt.
4.
Die mitteilungspflichtige Stelle hat die übermittelten Daten aufzuzeichnen und diese Aufzeichnungen sowie die der Mitteilung zugrunde liegenden Unterlagen bis zum Ablauf des siebten auf den Besteuerungszeitraum oder Besteuerungszeitpunkt folgenden Kalenderjahres aufzubewahren; die §§ 146 und 147 Absatz 2, 5 und 6 gelten entsprechend.

(2) Die mitteilungspflichtige Stelle soll Daten nicht übermitteln, wenn sie erst nach Ablauf des siebten auf den Besteuerungszeitraum oder Besteuerungszeitpunkt folgenden Kalenderjahres erkennt, dass sie zur Datenübermittlung verpflichtet war.

(3) Stellt die mitteilungspflichtige Stelle bis zum Ablauf des siebten auf den Besteuerungszeitraum oder Besteuerungszeitpunkt folgenden Kalenderjahres fest, dass

1.
die nach Maßgabe des Absatzes 1 übermittelten Daten unzutreffend waren oder
2.
ein Datensatz übermittelt wurde, obwohl die Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen,
so hat die mitteilungspflichtige Stelle dies vorbehaltlich abweichender Bestimmungen in den Steuergesetzen unverzüglich durch Übermittlung eines weiteren Datensatzes zu korrigieren oder zu stornieren. Absatz 1 Nummer 2 bis 4 gilt entsprechend.

(4) Die nach den Steuergesetzen zuständige Finanzbehörde kann ermitteln, ob die mitteilungspflichtige Stelle

1.
ihre Pflichten nach Absatz 1 Nummer 1, 2 und 4 und Absatz 3 erfüllt und
2.
den Inhalt des Datensatzes nach den Vorgaben des jeweiligen Steuergesetzes bestimmt hat.
Die Rechte und Pflichten der für die Besteuerung des Steuerpflichtigen zuständigen Finanzbehörde hinsichtlich der Ermittlung des Sachverhalts bleiben unberührt.

(5) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die nach den Steuergesetzen für die Entgegennahme der Daten zuständige Finanzbehörde auch für die Anwendung des Absatzes 4 und des § 72a Absatz 4 zuständig.

(6) Die Finanzbehörden dürfen von den mitteilungspflichtigen Stellen mitgeteilte Daten im Sinne der Absätze 1 und 3 verarbeiten, wenn dies zur Erfüllung der ihnen obliegenden Aufgaben oder in Ausübung öffentlicher Gewalt, die ihnen übertragen wurde, erforderlich ist.

(7) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, darf die mitteilungspflichtige Stelle die ausschließlich zum Zweck der Übermittlung erhobenen und gespeicherten Daten des Steuerpflichtigen nur für diesen Zweck verwenden.

(8) Die Absätze 1 bis 7 sind nicht anzuwenden auf

1.
Datenübermittlungspflichten nach § 51a Absatz 2c oder Abschnitt XI des Einkommensteuergesetzes,
2.
Datenübermittlungspflichten gegenüber den Zollbehörden,
3.
Datenübermittlungen zwischen Finanzbehörden und
4.
Datenübermittlungspflichten ausländischer öffentlicher Stellen.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Soll gegen den Bund, ein Land, einen Gemeindeverband, eine Gemeinde, eine Körperschaft, eine Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts vollstreckt werden, so gilt für die Zwangsvollstreckung das Achte Buch der Zivilprozessordnung sinngemäß; § 150 bleibt unberührt. Vollstreckungsgericht ist das Finanzgericht.

(2) Vollstreckt wird

1.
aus rechtskräftigen und aus vorläufig vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidungen,
2.
aus einstweiligen Anordnungen,
3.
aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen.

(3) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(4) Für die Vollstreckung können den Beteiligten auf ihren Antrag Ausfertigungen des Urteils ohne Tatbestand und ohne Entscheidungsgründe erteilt werden, deren Zustellung in den Wirkungen der Zustellung eines vollständigen Urteils gleichsteht.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.