Finanzgericht Hamburg Beschluss, 15. Aug. 2016 - 1 V 41/16

bei uns veröffentlicht am15.08.2016

Tatbestand

I.

1

Die Antragstellerin betreibt eine Spielhalle mit Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit (X-Straße, ...). Sie begehrt die Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung von im Rahmen von Hinzuschätzungen geänderten Steuerbescheiden nach dem Hamburgischen Spielvergnügungsteuergesetz (HmbSpVStG) für die Monate August 2014 bis Juni 2015. Streitig ist, ob der Antragsgegner berechtigt war, zu den monatlich angemeldeten Spieleinsätzen Hinzuschätzungen vorzunehmen.

1.

2

Die von der Antragstellerin eingesetzten Geldspielgeräte speichern die Daten ihrer Nutzung (interne Speicherung). Diese werden vom Betreiber mit einem speziellen Gerät ausgelesen. Das Finanzamt kann, sofern es - wie der Antragsgegner - über ein entsprechendes Gerät verfügt, die Daten des Geldspielgeräts im Rahmen einer Nachschau kontrollieren.

3

Im Wege des Auslesens (in der internen Speicherung des Geräts als "Kassierung" bezeichnet) können Daten des Geldspielgeräts extern gespeichert werden. Die Antragstellerin legt ihren Steueranmeldungen die Daten einer solchen externen Speicherung zu Grunde, die sie dem Antragsgegner auch in Form von Ausdrucken zur Verfügung stellt. Im Streitzeitraum war es unter Umständen technisch nicht ausgeschlossen, dass der Inhalt einer externen Speicherung der Spielgerätedaten manipuliert wird.

4

Das Auslesen kann mit einem Löschen der internen Speicherung verbunden werden. Dabei werden die Aufzeichnungen der Nutzungsdaten im Geldspielgerät für den Zeitraum vor der vorherigen Auslesung (Vorauslesezeitraum) gelöscht. Wird jedes Auslesen mit einem Löschen verbunden, kann, sofern nur entsprechend dem Besteuerungs- und Anmeldezeitraum von einem Monat ausgelesen wird, bei einer Nachschau der Datensatz für den ablaufenden Monat und für den Vormonat erkannt werden. Wird hingegen häufiger mit Löschen ausgelesen, so verringert sich der Umfang der in der Nachschau erkennbaren Vorgänge entsprechend. Nach unmittelbar aufeinander folgendem doppelten Auslesen ohne zwischenzeitliche Umsätze mit Löschen (sog. Nullauslesung) sind keine Nutzungsdaten mehr intern gespeichert.

2.

5

Außer den Nutzungsdaten zeichnet ein Geldspielgerät auch eine Liste der Daten auf, wann es ausgelesen wurde.

6

Die Antragstellerin hat das Geldspielgerät mit der Zulassungs-Nummer XXX, für das die Nachschau-Daten in der vorliegenden Steuerakte dokumentiert sind, zu folgenden Zeiten ausgelesen (die Angabe der Uhrzeit ist in die Liste nur aufgenommen worden bei mehreren Auslesungen an einem Tag bzw. für die Nachschautage):

(...)

3.

7

Die Antragstellerin meldete für die streitgegenständlichen und weiteren Monate Spielvergnügungssteuer wie folgt beim Antragsgegner an:

(...)

8

Der Durchschnitt der Einsätze in den ersten fünf Monaten des Jahres 2014 betrug demnach 1.948 € pro Tag für insgesamt 10 Geräte, bzw. 195 € pro Tag und Gerät.

4.

9

a) Mitarbeiter des Antragsgegners hielten mehrfach Nachschau in der Spielhalle der Antragstellerin.

10

aa) Bei ihrer Nachschau am 24.06.2014 (Finanzamtsakte "Schätzungen 08/14 bis 06/15", ...), stellten sie Nutzungsdaten für den Zeitraum vom 2. bis 24.06.2014 (16:28 Uhr) fest (...). Der Gesamtbetrag der Einsätze in allen 8 Geräten lag für diesen Zeitraum bei 92.135,50 €, was bei 22 Tagen einem durchschnittlichen Einsatz von insgesamt 4.188 € pro Tag bzw. 523 € pro Tag und Gerät entsprechen würde (...). Die nachfolgende Steueranmeldung der Antragstellerin basierte auf einem Gesamteinsatz von 107.241 € und lag also um über 80% über den Einsätzen der Anmeldungen der fünf Vormonate.

11

bb) Der Antragsgegner monierte daraufhin in seinem Schreiben vom 27.06.2014 an die Antragstellerin (...), dass sie im Anschluss an die Monatsendauslesungen eine Nullauslesung mit Löschen vornehme. Damit verstoße sie gegen die Verpflichtung gemäß § 146 Abs. 4 Abgabenordnung (AO), alle Buchungen der eingesetzten Geldspielgeräte nachprüfbar gegen Änderungen zu schützen. Bisher sei nur das Kontrollmodul in den Geldspielgeräten wirksam gegen Manipulationen geschützt. Durch ihre Vorgehensweise verhindere die Antragstellerin unzulässig eine sinnvolle Wahrnehmung seiner Kontrollrechte nach § 11 HmbSpVStG durch das Finanzamt. Weiter heißt es in dem Schreiben wörtlich: "Ihnen wird daher für die Zukunft auferlegt, während des laufenden Monats ohne Löschen auszulesen und außerdem so genannte "Nullauslesungen" zu unterlassen". Lediglich anlässlich der Monatsendauslesung, mit der der in die monatliche Steueranmeldung zu übernehmende Spieleinsatz ausgelesen werde, dürfe ein "Ausdruck mit Löschen" erzeugt werden. Abschließend wies der Antragsgegner in dem Schreiben darauf hin, bei einem Verstoß gegen diese Auflage werde ein Zwangsgeldverfahren in Gang gesetzt und es bleibe vorbehalten, die Buchführung dann als nicht ordnungsgemäß zu verwerfen und die Bemessungsgrundlage im Schätzungswege zu ermitteln.

12

cc) Laut Gesprächsnotiz vom 06.08.2014 (...) teilte der Geschäftsführer der Antragstellerin unter anderem mit, "Nullauslesungen" zukünftig zu unterlassen. Auf Auslesungen mit Löschen könne während des laufenden Monats jedoch nicht ganz verzichtet werden, weil regelmäßig Updates aufgespielt werden müssten. Der Antragsgegner schlug daraufhin vor, die Antragstellerin möge vor Auslesungen mit Löschen im laufenden Monat ihn, den Antragsgegner, informieren, damit er gegebenenfalls die vorhandenen Daten vorher auslesen könne.

13

dd) Am 27.08.2014 (...) erhob die Antragstellerin u. a. Einspruch gegen die Auflagen, während des laufenden Monats ohne Löschung auszulesen und sogenannte Nullauslesungen zu unterlassen. Es fehle eine gesetzliche Grundlage für diese Anordnung.

14

ee) Mit Schreiben vom 16.03.2015, das die Antragstellerin als Anlage K 4 vorgelegt hat, erläuterte der Antragsgegner in der Parallelsache der A GmbH (Az. FG Hamburg 1 V 42/16) dem auch dort tätigen Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin, die Aufforderung, Nullauslesungen zu unterlassen und während des laufenden Monats ohne Löschen auszulesen, stelle keinen Verwaltungsakt dar. Eine Rechtswirkung ergebe sich erst, wenn das Finanzamt im Rahmen der Festsetzung die Besteuerungsgrundlagen abweichend von der Buchführung im Schätzungswege ermittle. Der Antragsgegner erklärte, durch dieses Schreiben vom 16.03.2015 werde der Rechtsschein, es handele sich bei dem Schreiben vom 27.06.2014 um einen durchsetzbaren Verwaltungsakt, aufgehoben bzw. beseitigt.

15

b) Bereits am 03.12.2014 führten Mitarbeiter des Antragsgegners eine weitere Nachschau bei der Antragstellerin durch (...). Dabei konnten sie die Zeiträume vom 25.11. bis 02.12.2014 und vom 02. bis 03.12.2014 erfassen. Bei 9 Geldspielgeräten ergab sich ein durchschnittlicher Einsatz pro Tag und Gerät von 586 € für den ersten Zeitraum und 520 € für den zweiten Zeitraum.

16

c) Mitarbeiter des Antragsgegners suchten die Spielhalle der Antragstellerin am 27.07.2015 erneut für eine Nachschau auf. Der von der Hallenaufsicht informierte Geschäftsführer der Antragstellerin erklärte telefonisch, eine Auslesung sei zurzeit nicht möglich, weil er in B sei. Ausweislich des Vermerks des Antragsgegners wurde deshalb mündlich für den 28.07.2015 um 11:00 Uhr ein Termin für die Nachschau vereinbart. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Geschäftsführer in diesem Telefonat aufgefordert worden ist, Löschungen vor der Auslesung zu unterlassen. Der Hallenaufsicht wurde laut Aktenvermerk des Antragsgegners in einem verschlossenen Umschlag ein Schreiben des Antragsgegners an die Antragstellerin ausgehändigt, in dem sie auf die Verpflichtung hingewiesen wurde, zur Sicherstellung des Kontrollzwecks der Nachschau bis zum vereinbarten Termin Geräteauslesungen ausschließlich ohne Löschung durchzuführen und sog. Nullauslesungen grundsätzlich zu unterlassen. Am nächsten Tag berichtete der Geschäftsführer den Mitarbeitern des Antragsgegners, er habe versucht, zwei Geräte auszulesen. Da sein Drucker streike, sei dies nicht gelungen (...). Die Mitarbeiter des Antragsgegners lasen die Geldspielgeräte im Rahmen der Nachschau aus. Ausweislich des Auswertungspapiers (...) hat die Antragstellerin am 28.07.2015 gegen 10:00 Uhr ihre Geldspielgeräte mit Löschen ausgelesen (vgl. Vermerk ...). Die Auslesung ergab für die Zeit vom 22. bis 28.07.2015 einen durchschnittlichen Einsatz pro Tag und Gerät von 427 €.

5.

17

Der Antragsgegner erließ am 05.11.2015 Monatsbescheide, mit denen er die Spielvergnügungssteuer höher als in den Anmeldungen der Antragstellerin festsetzte.

18

Der Antragsgegner errechnete aus den bei den drei Nachschauterminen festgestellten Durchschnittseinsätzen einen Mittelwert von 514 € pro Tag und Geldspielgerät und schätzte auf dieser Grundlage unter Berücksichtigung der angemeldeten Anzahl der Geldspielgeräte die Spieleinsätze in der Spielhalle der Antragstellerin.

(...)

19

Die Antragstellerin legte gegen die Änderungsbescheide unter dem Datum 19.11.2015 Einspruch ein.

20

Die Voraussetzungen für eine Schätzung seien nicht gegeben. Es gebe keine Anhaltspunkte für Zweifel an ihren Anmeldungen. Die Antragstellerin habe ihre spielvergnügungsteuerpflichtigen Umsätze regelmäßig ordnungs- und fristgemäß angemeldet. Ihre Buchführung sei ordnungsgemäß, sie entspreche den Aufzeichnungspflichten nach § 146 Abs. 1 AO. Hierfür reiche es aus, wenn die Daten sich auf geeigneten Speichermedien befinden. Es sei nicht notwendig, dass die Daten jederzeit in den Spielgeräten auslesbar seien. Etwas anderes ergebe sich nicht aus der Vorschrift des § 11 HmbSpVStG, die Rechtsgrundlage für eine Spielvergnügungsteuer-Nachschau sei, aber keine Aufzeichnungspflichten und kein Verbot des Datentransfers normiere. Der Antragsgegner habe seine Aufforderung, die Daten in den Spielgeräten während des laufenden Monats ohne Löschung auszulesen, nach Widerspruch der Antragstellerin zurückgenommen. Eine zeitnahe Auslesung mit Löschung könne erforderlich sein, z. B. wenn eine Aktualisierung der Programme vorgenommen werden müsse.

21

Über die Einsprüche ist noch nicht entschieden.

6.

22

Auf den zugleich mit der Einspruchseinlegung gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gewährte der Antragsgegner am 30.11.2015 Aussetzung der Vollziehung unter Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs und unter der aufschiebenden Bedingung einer Sicherheitsleistung bis zum 31.12.2015. Eine Begründung für die Anforderung einer Sicherheitsleistung enthält der Aussetzungsbescheid nicht.

23

Die Antragstellerin leistete keine Sicherheit.

7.

24

Die Antragstellerin hat am 09.02.2016 einen Antrag auf gerichtliche Aussetzung der Vollziehung gestellt.

25

Die Bescheide seien offensichtlich rechtswidrig. Die Antragstellerin nimmt insoweit Bezug auf ihre Einspruchsbegründung und führt ergänzend aus, dass der Antragsgegner zu Unrecht aus dem HmbSpVStG Aufzeichnungspflichten herleite. Ein Verbot des untermonatlichen Auslesens gebe es nicht. Die ausgelesenen Daten würden mit dem entsprechenden Datenauslesesystem des Herstellers der Geldspielgeräte manipulationssicher elektronisch gespeichert. Die Antragstellerin lese die Geldspielgeräte, deren Inhalt sich in der Spielhalle auf bis zu 120.000 € summieren könnten, halbmonatlich aus, damit ein Abgleich der Aufzeichnungen mit dem Kassenbestand zur routinemäßigen Überprüfung auf etwaige Manipulationen noch durchführbar sei. Die Antragstellerin nehme die Auslesungen mit gleichzeitiger Nullstellung (Löschen) vor, weil sich die Zahlen sonst aufaddieren würden. Ein getrennter Ausweis der halben Monate im Geldspielgerät sei auf Grund der verwendeten Technik derzeit noch nicht möglich. Bei dem vom Antragsgegner monierten Auslesen mit Löschen gingen keine Daten verloren; ein Verstoß gegen § 146 Abs. 4 AO liege nicht vor. Der Buchführung der Antragstellerin komme nach § 158 AO Beweiskraft zu. Da der Antragsgegner in den Vorjahren die Einreichung von Kurzausdrucken ohne Statistikteil anstandslos anerkannt habe, könne er diese Praxis jetzt nicht zu Lasten der Antragstellerin ändern, zumal diese Ausdrucke alle wesentlichen Daten enthielten. Der Antragsgegner könnte nicht geltend machen, der Antragstellerin mit Schreiben vom 27.06.2014 aufgegeben zu haben, dafür Sorge zu tragen, dass er wenigstens einen zusammenhängenden, zurückliegenden Monat auslesen könne. Diese Aufforderung habe er mit Schreiben vom 16.03.2015 zurückgenommen.

26

Die Antragstellerin bestreitet, dass ihr Geschäftsführer am 27.07.2015 in dem Telefonat, das nur sehr kurz gewesen sei, weil er sich im fließenden Straßenverkehr befunden habe, persönlich darauf hingewiesen worden sei, die Spielgeräte vor der Nachschau am nächsten Tag nicht auszulesen. Er habe von dieser Aufforderung erstmals durch das entsprechende Schreiben des Antragsgegners vom 27.07.2015 erfahren, das ihm von der Spielhallenaufsicht allerdings erst im Anschluss an die Nachschau zur Kenntnis gegeben worden sei. Daraufhin habe er es unterlassen, die Geldspielgeräte in der Spielhalle einer anderen Betreibergesellschaft, deren Geschäftsführer er ebenfalls sei, vor der für denselben Tag dort verabredeten Nachschau mit Löschen auszulesen. Die Schätzung sei auch der Höhe nach zu beanstanden. Der Antragsgegner habe den Sachverhalt durch die Nachschauen nicht hinreichend ermittelt. Es wäre problemlos möglich gewesen, einen ganzen Monat auszulesen. Eine Nachschau wie etwa am 03.12.2014 habe notwendigerweise zu einer offensichtlich überhöhten Schätzung führen müssen. Die Einsätze seien zu Anfang eines Monats höher, insbesondere im Dezember. Außerdem habe der Antragsgegner außer Acht gelassen, dass die Öffnungszeiten verlängert worden seien, die Spielhalle an gesetzlichen Feiertagen geschlossen sei und dass es saisonale Schwankungen gebe.

27

Die Antragstellerin meint, bei der Entscheidung über ihren Antrag auf Aussetzung der Vollziehung sei zu ihren Gunsten die hohe Erfolgsaussicht für ihre Einsprüche zu berücksichtigen. Sie nimmt insoweit auch Bezug auf Urteile des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts (Az. 5 A 251/10 und 5 A 252/10), das aufgrund eines Gutachtens eine der HmbSpVSt vergleichbare Steuer, bei der eine Geldspielgerätesteuer ebenfalls auf den Geldeinwurf statt auf den Überschuss erhoben werde, für erdrosselnd und damit verfassungswidrig erachte. Konkrete Anhaltspunkte für die Gefährdung des Steueranspruchs, die Grund für die Anforderung einer Sicherheitsleistung sein könnten, lägen nicht vor. Zum 31.12.2014 habe die Eigenkapitalquote der Antragstellerin 87 % und der Jahresüberschuss 58.000 € betragen. Die wirtschaftliche Situation der Antragstellerin habe sich seitdem nicht zum Negativen verändert. Zum 31.12.2015 habe die Gesellschaft Eigenkapital in Höhe von 141.749 € ausgewiesen. Den vermeintlichen Steuerschulden von rund 25.000 € hätten zum 31.12.2015 Sachwerte in Höhe von über 75.000 € gegenüber gestanden.

28

Die Antragstellerin beantragt,
1. die Vollziehung für die Spielvergnügungsteuerbescheide vom 05.11.2015 jeweils für die Monate August 2014 bis Juni 2015 bis einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidungen auszusetzen,
2. die Verwirkung von Säumniszuschlägen bis zum Ergehen der gerichtlichen Entscheidung über den Aussetzungsantrag aufzuheben.

29

Der Antragsgegner beantragt,
eine Aussetzung der Vollziehung nur unter der Bedingung der Sicherheitsleistung zu gewähren.

30

Die Voraussetzungen für eine Schätzung lägen aus zwei Gründen vor. Zum einen aufgrund der Ergebnisse der drei Nachschauen des Antragsgegners, die jedes Mal einen erheblich höheren Spieleinsatz je Tag und Gerät auswiesen als die Anmeldungen der Antragstellerin. Zum anderen, weil die Buchführung der Antragstellerin formal nicht ordnungsgemäß sei. Die Buchführung der Antragstellerin entspräche nicht den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO. Zu den nach § 146 AO erforderlichen Aufzeichnungen gehörten auch die Aufzeichnungen in den Geldspielgeräten. Bei den Daten, die die Kontrolleinheiten der Geldspielgeräte aufzeichneten, prüften und speicherten, handele es sich um originär digitale Daten. Deshalb würden die BMF-Schreiben vom 07.11.1995 (GoBS), vom 16.07.2001 (GDPdU) und vom 26.11.2010 sowohl für die Geldspielgeräte selbst als auch für die mit Hilfe dieser Geräte erstellten Daten Anwendung finden. Die Antragstellerin habe gegen die Vorschrift des § 146 Abs. 4 AO verstoßen, die das spurlose Löschen, Überschreiben oder Unterdrücken dieser Daten untersage. §§ 10, 11 HmbSpVStG verwiesen auf die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung. § 10 HmbSpVStG ordne an, dass alle durch das Spielgerät erzeugbaren oder von diesem vorgenommenen Aufzeichnungen aufbewahrungspflichtige Unterlagen im Sinne der Abgabenordnung seien und der zuständigen Stelle - hier dem Antragsgegner - unverzüglich und vollständig vorzulegen seien. Mit der bloßen Sammlung von Papierausdrucken der Auslesebelege werde diesen Anforderungen nicht genügt, zumal die Antragstellerin lediglich Kurzausdrucke, nicht aber die geforderten Langausdrucke vorgelegt habe, die allein eine Überprüfung auf Brüche in der Logik der Auslesebelege ermöglichten. Der Antragsgegner bestreitet, die Verpflichtung der Antragstellerin zur Speicherung der Nutzungsdaten im Gerät bzw. dem Unterlassen ihrer Löschung aufgehoben zu haben. Er habe lediglich den Rechtsschein eines Verwaltungsaktes beseitigt. Die Pflicht zur Speicherung ergebe sich bereits aus dem Gesetz. Der Antragsgegner trägt vor, sein Mitarbeiter habe den Geschäftsführer der Antragstellerin am 27.07.2015 während des Telefonats, in dem man sich auf den nächsten Tag verabredet habe, ausdrücklich darauf hingewiesen, dass vor der Nachschau keine Löschung vorgenommen werden solle.

31

Die Schätzung sei auch der Höhe nach rechtmäßig, weil sie dem Ergebnis der Nachschauen entspreche.

32

Der Antragsgegner trägt vor, die Forderung einer Sicherheitsleistung sei angezeigt, weil die spätere Vollstreckung der Steuerforderung infolge der Aussetzung der Vollziehung gefährdet sei. Die letzten für den Antragsgegner verfügbaren Ergebnisse der Antragstellerin seien die des Jahres 2013. Die Antragstellerin habe einen Gewinn von 21.705 € erzielt, der die Steuernachforderung von 25.694 € nicht decke. Selbst wenn die Ertragssituation für 2014 gut gewesen sein sollte, könne sich diese doch schnell wieder ändern oder schon geändert haben. Außerdem trage die Antragstellerin an anderer Stelle vor, sie werde durch Spielvergnügungsteuer wirtschaftlich erdrosselt.

8.

33

Dem Gericht lagen außer den Schriftsätzen nebst Anlagen eine Steuerakte des Antragsgegners "Schätzungen 08/14 bis 06/15" zur Steuernummer der Antragstellerin und eine Steuerakte "AdV" vor.

Entscheidungsgründe

II.

34

Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet. Der Antragstellerin ist schon keine Aussetzung und Aufhebung der Vollziehung zu gewähren. Da der Antragsgegner eine uneingeschränkt beantragte Aussetzung der Vollziehung nur gegen Sicherheitsleistung bewilligt hat, liegt eine (teilweise) Ablehnung durch die Finanzbehörde im Sinne von § 69 Abs. 4 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) vor und ist mithin die besondere Zugangsvoraussetzung nach dieser Norm erfüllt.

1.

35

Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Sätze 2 bis 6 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen bzw. aufheben, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen oder seine Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen (§ 69 Abs. 3 Satz 2 FGO). Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 3 FGO kann das Gericht die Aussetzung von einer Sicherheitsleistung abhängig machen.

36

a) Die Frage der Sicherheitsleistung stellt sich dem Gericht allerdings erst, wenn es nach eigener Prüfung feststellen kann, dass die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Vollziehung vorliegen (Gosch in Beermann/Gosch, AO FGO, § 69 FGO, Rdnr. 170). Wenn die Finanzbehörde bereits eine Aussetzung der Vollziehung gegen Sicherheitsleistung gewährt hat und auch im gerichtlichen Verfahren nur beantragt, dass eine Aussetzung der Vollziehung nicht ohne Sicherheitsleistung gewährt werde, beschränkt sich die Prüfung des Gerichts nicht darauf, ob die Voraussetzungen für die Forderung einer Sicherheitsleistung gegeben sind.

37

Der Senat verkennt nicht, dass der Bundesfinanzhof für einen Sachverhalt, bei dem das Finanzamt Aussetzung der Vollziehung unter der aufschiebenden Bedingung der Sicherheitsleistung gewährt hatte, in seinem Beschluss vom 07.05.2008 (IX S 26/07, BFH/NV 2008, 1498, so auch FG München, Beschuss vom 14.11.2014, 7 V 2594/14, juris) offengelassen hatte, ob und in welchem Umfang ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheids bestanden haben. Da der Antragsgegner in jenem Fall die Aussetzung der Vollziehung bereits angeordnet habe, sei nur darüber zu entscheiden, ob er sie zu Recht von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht hat.

38

Der Senat macht sich diese Sichtweise nicht zu eigen. Die zitierte Entscheidung ist nicht näher, sondern nur durch Bezugnahme auf zwei frühere Beschlüsse des Bundesfinanzhofs vom 04.02.1998 (VIII S 6/97, BFH/NV 1998, 987) und vom 18.12.2000 (VI S 15/98, BFH/NV 2001, 637) begründet worden. In beiden Verfahren war allerdings die Rechtmäßigkeit der auszusetzenden Bescheide ohne Weiteres bereits deswegen zweifelhaft, weil die Antragsteller in den Hauptsacheverfahren gegen die auszusetzenden Bescheide obsiegt und die Finanzbehörde dagegen Revision eingelegt hatte.

39

Der Senat geht davon aus, dass die Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 69 FGO einerseits und § 361 AO andererseits - Gewährung von Aussetzung der Vollziehung durch die Finanzverwaltung - wegen ihrer unterschiedlichen Ausgestaltungen und Folgen gleichwertig und selbständig nebeneinander stehen (vgl. BFH-Beschluss vom 30.08.2010 VII B 83/10, BFH/NV 2010, 2298 unter Bezugnahme auf den Beschluss des Großen Senats des BFH vom 24.06.1985 GrS 1/84, BFHE 144, 124, BStBl II 1985, 587; Gosch in Beermann/Gosch, AO FGO, § 69 FGO, Rdnr. 15.1). Das Finanzgericht überprüft nicht die im finanzbehördlichen Aussetzungsverfahren getroffene Entscheidung, sondern hat nach Maßgabe des § 69 Abs. 3 Satz 1, 2. Halbsatz, Abs. 2 Satz 2 FGO eine eigenständige Entscheidung zu treffen (vgl. BFH-Beschluss vom 12.05.2000 VI B 266/98, BFHE 192, 1, BStBl II 2000, 536; FG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13.05.2015 3 V 1163/12, EFG 2015, 1381; Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, - HHSp -, FGO, § 69 Rdnr. 790). Eine Bindung des Finanzgerichts an von der Finanzbehörde eingeräumten ernstlichen Zweifel bestehen daher nicht (Birkenfeld in HHSp, FGO, § 69 Rdnr. 281). Das Gericht hat deswegen in dem gerichtlichen Eilverfahren eine eigenständige Entscheidung zu treffen (Dumke in Schwarz, FGO, § 69 Rdnr. 93) und nicht (nur) die behördliche Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen.

40

b) Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sind anzunehmen, wenn bei summarischer Prüfung neben Umständen, die für die Rechtmäßigkeit sprechen, gewichtige Umstände zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen auslösen (BFH-Beschluss vom 21.11.2013 II B 46/13, DStR 2013, 2686). Zur Gewährung der Aussetzung der Vollziehung ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (BFH-Beschluss vom 03.04.2013 V B 125/12, BFHE 240, 447, BStBl II 2013, 973). Ist die Rechtslage nicht eindeutig, so ist im summarischen Verfahren nicht abschließend zu entscheiden, sondern im Regelfall die Vollziehung auszusetzen (BFH-Beschlüsse vom 13.03.2012 I B 111/11, BFHE 236, 501, BStBl II 2012, 611; vom 19.05.2010 I B 191/09, BFHE 229, 322, BStBl II 2011, 156). Eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte liegt vor, wenn durch die Vollziehung der angefochtenen Bescheide wirtschaftliche Nachteile drohen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und durch eine etwaige spätere Rückzahlung der eingezogenen Beträge nicht ausgeglichen werden oder nur schwer wieder gutzumachen sind, oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz führen würde (vgl. BFH-Beschluss vom 03.06.2009 IV B 48/09, BFH/NV 2009, 1641 m. w. N.).

41

Das Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung eines Verwaltungsaktes gemäß § 69 Abs. 3 FGO ist als Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ein summarisches Verfahren, in dem wegen der Eilbedürftigkeit nur aufgrund des Sachverhalts entschieden wird, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (BFH-Beschluss vom 03.04.2013 V B 125/12, DStR 2013, 1025). Es ist Sache der Beteiligten, die entscheidungserheblichen Tatsachen darzulegen und glaubhaft zu machen (§ 155 FGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung -ZPO-), soweit ihre Mitwirkungspflicht reicht (BFH-Beschlüsse vom 10.02.2010 V S 24/09, BFH/NV 2010, 930; vom 20.03.2002 IX S 27/00, BFH/NV 2002, 809). Weitergehende Sachverhaltsermittlungen durch das Gericht sind nicht erforderlich.

42

c) Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung, der mit ernstlichen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit oder Unionsrechtskonformität des der Steuerfestsetzung zugrunde liegenden Gesetzes begründet wird, abzulehnen, wenn nach den Umständen des Einzelfalls dem erforderlichen besonderen Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes kein Vorrang vor dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Gesetzes zukommt. Einer Prüfung der Verfassungsmäßigkeit oder Unionsrechtskonformität bedarf es in diesen Fällen grundsätzlich nicht (BFH, Beschluss vom 25.11.2014 VII B 65/14, BFHE 247, 182, BStBl II 2015, 207). Dem Aufhebungsinteresse des Antragstellers ist selbst dann kein Vorrang einzuräumen, wenn das Bundesverfassungsgericht oder der Gerichtshof der Europäischen Union auf eine entsprechende Vorlage bereits mit diesen Fragen befasst worden ist (BFH, Beschluss vom 25.11.2014 VII B 65/14, BFHE 247, 182, BStBl II 2015, 207).

43

Bei der Prüfung, ob ein gegebenenfalls bestehendes besonderes Interesse des Steuerpflichtigen Vorrang hat, kommt es maßgeblich einerseits auf die Bedeutung und die Schwere des durch die Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheids eintretenden Eingriffs beim Steuerpflichtigen und andererseits auf die Auswirkungen einer Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung hinsichtlich des Gesetzesvollzugs und des öffentlichen Interesses an einer geordneten Haushaltsführung an. Dem bis zu einer gegenteiligen Entscheidung der höchsten Gerichte bestehenden Geltungsanspruch jedes formell verfassungsmäßig zustande gekommenen Gesetzes ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs der Vorrang einzuräumen, wenn die Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung eines Steuerbescheids im Ergebnis zur vorläufigen Nichtanwendung eines ganzen Gesetzes führen würde, die Bedeutung und die Schwere des durch die Vollziehung des angefochtenen Bescheids im Einzelfall eintretenden Eingriffs beim Steuerpflichtigen als eher gering einzustufen sind und der Eingriff keine dauerhaften nachteiligen Wirkungen hat (BFH, Beschluss vom 25.11.2014 VII B 65/14, BFHE 247, 182, BStBl II 2015, 207).

2.

44

Nach den zuletzt dargestellten Grundsätzen kann dahinstehen, ob ernstliche Zweifel an der Grundgesetzmäßigkeit des Hamburgischen Spielvergnügungsteuergesetzes und damit an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide bestehen, denn das vom Bundesfinanzhof geforderte besondere Interesse an der Aussetzung der Vollziehung hat die Antragstellerin nicht dargetan und ist auch nicht erkennbar.

45

Ergänzend nimmt der Senat hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des Hamburgischen Spielvergnügungsteuergesetzes auf die bisherige Rechtsprechung Bezug, insbesondere auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 07.12.2011 (II R 51/10, BFH/NV 2012, 790), den Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 27.11.2009 (II B 102/09, juris) und das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 27.08.2014 (2 K 257/13, EFG 2014, 2098). In diesen Entscheidungen wurde die Verfassungsmäßigkeit des streitgegenständlichen Gesetzes bejaht.

3.

46

Nach der gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachvortrags der Beteiligten und der vom Antragsgegner vorgelegten Akten bestehen im Übrigen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Schätzungsbescheide.

47

Der Antragsgegner war befugt, die Spieleinsätze gemäß § 162 AO zu schätzen, denn die Aufzeichnungen der Antragstellerin sind der Besteuerung nicht zugrunde zu legen.

48

a) Nach § 162 AO hat die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Zu schätzen ist gemäß § 162 Abs. 2 AO insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichende Aufklärung zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 AO verletzt (§ 162 Abs. 2 Satz 1 AO). Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben bestehen (§ 162 Abs. 2 Satz 2 AO).

49

Nach § 158 AO sind die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen, der Besteuerung zu Grunde zu legen, soweit nach den Umständen des Einzelfalles kein Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden. Zu den Aufzeichnungen, die ein Steuerpflichtiger zu führen und aufzubewahren hat, gehören nach § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO auch sonstige Unterlagen, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind (Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 25.03.2003 6 K 961/99, EFG 2003, 1215).

50

b) Im zu entscheidenden Fall sind die Buchführung und Aufzeichnungen der Antragstellerin nicht gemäß § 158 AO der Besteuerung zu Grunde zu legen, weil sie wegen des vorzeitigen Löschens der Geldspielgeräte-internen Speicherung der Nutzungsdaten nicht hinreichend den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen (aa) und außerdem weil die Ergebnisse der Nachschauen tatsächliche Anhaltspunkte für die Unvollständigkeit der von der Antragstellerin in ihren Steueranmeldungen gemachten Angaben geben (bb). Beide Umstände begründen unabhängig voneinander die Schätzungsbefugnis des Antragsgegners.

51

aa) Die Antragstellerin hat die Aufzeichnungen in den Geldspielgeräten verfrüht gelöscht und damit gegen ihre Aufbewahrungsvorschriften verstoßen.

52

Nach § 10 Satz 1 HmbSpVStG sind alle durch das Spielgerät erzeugbaren und von diesem vorgenommenen Aufzeichnungen aufbewahrungspflichtige Unterlagen im Sinne der Abgabenordnung. Somit ist die interne Aufzeichnung der Nutzungsdaten im Geldspielgerät grundsätzlich eine aufbewahrungspflichtige Unterlage u. a. im Sinne von § 146 Abs. 4 AO.

53

Diese Pflicht ergibt sich aus dem Gesetz. Sie besteht auch für die Antragstellerin. Der Antragsgegner hat die Antragstellerin von dieser Pflicht nicht entbunden, insbesondere nicht mit seinem Schreiben vom 16.03.2015. In diesem Schreiben stellt er nur klar, dass diese Pflicht nicht durch sein früheres Schreiben vom 27.06.2014 begründet worden ist, sondern unabhängig davon besteht.

54

Es kann an dieser Stelle dahinstehen, welchen genauen zeitlichen Umfang die Aufbewahrungspflichten hinsichtlich der internen Speicherung der Nutzungsdaten in den Geldspielgeräten haben. Jedenfalls kann festgestellt werden, dass die interne Speicherung für einen Anmeldezeitraum von einem Monat grundsätzlich zumindest für einen Monat ungelöscht zu bleiben hat, denn ansonsten wäre die durch die Aufbewahrungspflicht bezweckte Kontrollmöglichkeit nicht gegeben. Eine solche Aufbewahrung bzw. Nichtlöschung ist, wie sich aus dem insoweit nicht widersprechenden Sachvortrag der Beteiligten ergibt, technisch ohne weiteres möglich, sogar dann, wenn die interne Speicherung zu jedem Monatswechsel entsprechend der Anmeldung der Steuer gelöscht würde. Es war der Antragstellerin auch ohne weiteres zuzumuten, ein häufigeres Löschen zu unterlassen. Soweit die Antragstellerin vorträgt, sie habe untermonatlich die Nutzungsdaten ausgelesen, um zu eigenen Kontrollzwecken den Kassenbestand abzugleichen, so hätte dies auch ohne Löschen erfolgen können. Dass ihr die Zahlen ohne vorheriges Löschen nur in aufaddierter Form zur Verfügung stehen, ist unbeachtlich, zumal die aufaddierten Zahlen mit einfacher Rechenoperation für Zwecke der Kassenprüfung zu bereinigen sein dürften. Ergänzend ist anzumerken, dass es sich hierbei um eine Schutzbehauptung handeln dürfte. Denn vor dem ersten Nachschautermin im Juni 2014 hatte die Antragstellerin offenbar keine Veranlassung gesehen, während des laufenden Monats auszulesen, sondern hatte nur jeweils am Anfang ausgelesen - dann allerdings wiederholt und mit umfangreicher Löschfunktion.

55

Es kann dahinstehen, ob, wie die Antragstellerin vorträgt, aber nicht glaubhaft macht, beim Aufspielen eines Software-Updates die interne Aufzeichnung verloren geht. Denn die Antragstellerin hat weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht, wie oft solche Updates aufzuspielen sind noch dass dies nicht jeweils anlässlich eines Monatswechsels erfolgen kann. Für häufig notwendige, unaufschiebbare Updates gibt es auch ansonsten keine Anhaltspunkte. Im Übrigen hatte der Antragsgegner der Antragstellerin angeboten, etwaige Updates während des laufenden Monats aufzuspielen, sofern sie den Antragsgegner darüber informiert. Die Antragstellerin hat von diesem Angebot keinen Gebrauch gemacht.

56

Ob die Antragstellerin bzw. der für sie Handelnde über die Aufbewahrungspflicht irrte - etwa weil sie der Meinung ist, die von ihr vorgenommenen Auslesungen entsprächen den internen Aufzeichnungen der Geldspielgeräte und daher gingen bei einem Löschen keine Daten verloren - und die Aufzeichnungen insoweit aus einem Irrtum heraus gelöscht hat, ist dabei unbeachtlich. Der objektive Verstoß gegen die Ordnungsvorschrift reicht aus, um die Beweiskraft der Buchführung in Frage zu stellen (Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 25.03.2003 6 K 961/99, EFG 2003, 1215). Ein etwaiger Irrtum der Antragstellerin wäre im Übrigen auch deswegen unbeachtlich, weil die Antragstellerin durch den Antragsgegner deutlich auf die Rechtslage hingewiesen worden ist. Verhält sich ein Steuerpflichtiger dann nach seiner eigenen, abweichenden Rechtsauffassung, trägt er insoweit das Risiko eines Irrtums.

57

Da die Aufzeichnungen der Antragstellerin somit in ihrer Gänze nicht den Anforderungen der §§ 140 bis 148 AO i. V. m. § 10 HmbSpVStG entsprechen, bestehen an dem Fehlen der Beweiskraft der Buchführung der Antragstellerin gemäß § 158 AO keine ernstlichen Zweifel.

58

bb) Eine Schätzung ist auch deswegen veranlasst, weil die Ergebnisse der Nachschauen gravierend von den Steueranmeldungen abweichen. Die sachliche Richtigkeit einer (den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechenden) Buchführung ist auch dann widerlegt, wenn die Buchführung nach einer Verprobung nicht richtig sein kann, insbesondere wenn der Steuerpflichtige keine beachtlichen Gründe für die Abweichung vorbringt (vgl. Rüsken in Klein, AO, § 158 Rdnr. 3 m. w. N.).

59

Der Antragsgegner hat berechtigt mehrere Verprobungen durchgeführt, die sämtlich Einsätze erheblich über den auf der Buchführung der Antragstellerin fußenden Steueranmeldungen ergaben. Für diese Abweichungen gibt es keine hinreichenden sachlichen Erklärungen.

60

Der Antragsgegner war gemäß § 11 Abs. 1 HmbSpVStG zur Nachschau berechtigt. Der in den Nachschauen ermittelte Durchschnittswert übersteigt den der Anmeldungen um durchschnittlich 52 % und in 9 von 11 Monaten um mehr als 40 %. Dass es sich um drei Nachschauen zu unterschiedlichen Zeiten handelt, spricht dagegen, dass es sich bei den Abweichungen um einzelne Zufälligkeiten handelt.

61

Es sind keine Umstände ersichtlich und auch von der Antragstellerin nicht vorgetragen und glaubhaft gemacht worden, die eine andere Erklärung für die gravierenden Abweichungen geben als die Fehlerhaftigkeit der Anmeldungen. Die unsubstantiierten und nicht glaubhaft gemachten Hinweise auf saisonale Schwankungen, die Ungenauigkeiten bei der Berücksichtigung der gesetzlichen Feiertage und den Umfang der nachgeschauten Zeiträume vermögen die Abweichungen nicht annähernd zu erklären. Auch wenn - wovon ausgegangen wird - die Anmeldungen der Antragstellerin den mittels der Auslesungen geschaffenen Aufzeichnungen entsprechen, werden dadurch die Ergebnisse der Nachschauen nicht in Frage gestellt. Denn der Antragsgegner hat vorgetragen und die Antragstellerin nicht in Abrede genommen, dass der Auslesevorgang nicht manipulationssicher ist.

62

Im Einzelnen:

63

Die Antragstellerin kann nicht damit gehört werden, die Zeiträume der Nachschau seien zu kurz. Für den streitigen Schätzungszeitraum von 11 Monaten hat der Antragsgegner drei Nachschauzeiträume mit insgesamt mehr als 30 Tagen zugrunde gelegt. Damit hat eine ausreichend umfangreiche Schätzungsbasis vorgelegen. Diese Nachschauzeiträume erfassen im Übrigen nicht überwiegend Monatsanfänge bzw. Monatswechsel, in denen nach dem unsubstantiierten und unbelegten Vortrag der Antragstellerin die Einsätze überdurchschnittlich hoch sein sollen, sondern verschiedene Monatsphasen. Im Übrigen sei, obwohl es darauf in diesem Zusammenhang nicht entscheidend ankommt, darauf hingewiesen, dass es die Antragstellerin zu verantworten hat, wenn der Antragsgegner mit den letzten beiden Nachschauen nicht noch längere Zeiträume erfassen konnte, denn sie hat - entgegen dem Hinweis und der Aufforderung des Antragsgegners - die verfrühte Löschung der internen Speicherung veranlasst.

64

Die Antragstellerin kann nicht damit gehört werden, der Antragsgegner habe saisonale Unterschiede unbeachtet gelassen. Der Antragsgegner hat die drei Nachschauen in verschiedenen Monaten vorgenommen. Die Antragstellerin hat zudem nicht dargelegt und auch nicht glaubhaft gemacht, welche saisonale Schwankungen bei einer Schätzung zu berücksichtigen wären. Es ergeben sich auch aus der Aktenlage keine saisonalen Schwankungen, die die Differenz zwischen Anmeldung und Nachschau erklären könnten. Die von der Antragstellerin in den gesamten streitigen Monaten angemeldeten Einsätze ergeben einen Tagesdurchschnitt von 339 € pro Gerät. Die Anmeldewerte für die Nachschau-Monate Juni, Juli, November (jeweils 2014 und 2015) und Dezember (2014) ergeben einen Tagesdurchschnitt von 350 € pro Gerät und sind damit ca. 3% und damit nur unwesentlich höher. Wird der außergewöhnlich hohe Wert der Anmeldung vom Juni 2014, die nach der ersten Nachschau erfolgte, außer Acht gelassen, ergibt sich lediglich ein Tagesdurchschnitt von 327 € pro Gerät, der sogar unter dem Durchschnittswert für die gesamten streitigen Monate liegt. Unter der zwischen den Beteiligten offenbar unstreitigen Prämisse, dass die Spielhalle der Antragstellerin an den gesetzlichen Feiertagen geschlossen war, moniert die Antragstellerin zwar zu Recht, dass die Anzahl der vom Antragsgegner berücksichtigten Feiertage zu niedrig ist. Statt der vom Antragsgegner berücksichtigen drei Feiertage (jeweils einen im November 2014, Dezember 2014 und März 2015) gab es im Streitzeitraum insgesamt 11 Feiertage (03.10., 25.12., 26.12., 01.01., 03.04., 05.04., 06.04., 01.05., 14.05., 24.05., 25.05.), also acht mehr. Die Abweichung beträgt bezogen auf den gesamten Schätzungszeitraum von 11 Monaten weniger als 2,5 % und vermag die Abweichung zwischen Anmeldung und Nachschau nicht zu erklären - selbst dann nicht, wenn der fragliche Wert von 3 % für saisonale Schwankungen zusätzlich zugunsten der Antragstellerin berücksichtigt würde.

65

Da es für die erheblichen Differenzen zwischen den Steueranmeldungen der Antragstellerin und dem Ergebnis der Nachschauen keine plausiblen Erklärungen gibt, liegen in ihnen Umstände im Sinne des § 158 AO vor, die zweifelsfrei Anlass zur Beanstandung der Buchführung der Antragstellerin geben.

66

c) Die Schätzung ist der Höhe nach nicht zu beanstanden. Insoweit wird auf die Ausführungen unter II 3 b, bb Bezug genommen.

67

Die Berücksichtigung weiterer gesetzlicher Feiertage ergibt lediglich eine Abweichung von weniger als 2,5 %, die nicht zu einer entsprechenden teilweisen Rechtswidrigkeit der Schätzung führt - auch nicht unter Berücksichtigung einer weiteren Ungenauigkeit in der Berechnung des Antragsgegners, der den Durchschnittswert für die erste Nachschau auf der Grundlage von 22 statt 23 Tagen berechnet hat. Die Abweichung wirkt sich im Ergebnis nur mit 1 % aus. Denn die Schätzung darf innerhalb eines Schätzungsrahmens erfolgen. Eine Schätzung, die sich nicht, wie vom Antragsgegner dargestellt, am Mittelwert der bei den Nachschauen ermittelten Einsätze orientiert, sondern insgesamt 3,5 % darüber, bewegt sich ohne Weiteres noch innerhalb des Schätzungsrahmens.

4.

68

Eine Aussetzung der Vollziehung ist auch nicht nach § 69 Abs. 2 Satz 2, 2. Alt. FGO zu gewähren, denn die Antragstellerin hat nicht vorgetragen und es ist auch im Übrigen nicht ersichtlich, dass die Vollziehung der Änderungsbescheide für sie eine unbillige Härte zur Folge hätte.

5.

69

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1.

70

Die Entscheidung über die Zulassung der Beschwerde beruht auf §§ 128 Abs. 3, 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO im Hinblick auf die Frage, ob das Finanzgericht die Voraussetzungen einer Aussetzung der Vollziehung im Verfahren nach § 69 FGO auch dann zu prüfen hat, wenn die Finanzbehörde Aussetzung der Vollziehung unter der aufschiebenden Bedingung einer Sicherheitsleistung bis zum einem im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bereits verstrichenen Termin (hier 31.12.2015) gewährt hat und gegen Sicherheitsleistung nach wie vor zu gewähren bereit ist. Diese Frage ist auch entscheidungsrelevant, denn wenn die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Vollziehung gegeben wären, wäre sie ohne Sicherheitsleistung zu gewähren. Der Antragsgegner hat die Gefährdung des Steueranspruchs nicht schlüssig dargelegt.

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(1) Durch Einlegung des Einspruchs wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 4 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheide

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Wer nach anderen Gesetzen als den Steuergesetzen Bücher und Aufzeichnungen zu führen hat, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, hat die Verpflichtungen, die ihm nach den anderen Gesetzen obliegen, auch für die Besteuerung zu erfüllen.

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(1) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sind täglich festzuhalten. Die Pflicht zur Einzelaufzeichnung nach Satz 1 besteht aus Zumutbarkeitsgründen bei Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen gegen Barzahlung nicht. Das gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige ein elektronisches Aufzeichnungssystem im Sinne des § 146a verwendet.

(2) Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind im Geltungsbereich dieses Gesetzes zu führen und aufzubewahren. Dies gilt nicht, soweit für Betriebstätten außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes nach dortigem Recht eine Verpflichtung besteht, Bücher und Aufzeichnungen zu führen, und diese Verpflichtung erfüllt wird. In diesem Fall sowie bei Organgesellschaften außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes müssen die Ergebnisse der dortigen Buchführung in die Buchführung des hiesigen Unternehmens übernommen werden, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind. Dabei sind die erforderlichen Anpassungen an die steuerrechtlichen Vorschriften im Geltungsbereich dieses Gesetzes vorzunehmen und kenntlich zu machen.

(2a) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann der Steuerpflichtige elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem anderen Mitgliedstaat oder in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union führen und aufbewahren. Macht der Steuerpflichtige von dieser Befugnis Gebrauch, hat er sicherzustellen, dass der Datenzugriff nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes in vollem Umfang möglich ist.

(2b) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann die zuständige Finanzbehörde auf schriftlichen oder elektronischen Antrag des Steuerpflichtigen bewilligen, dass elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem Drittstaat oder in mehreren Drittstaaten geführt und aufbewahrt werden können. Voraussetzung ist, dass

1.
der Steuerpflichtige der zuständigen Finanzbehörde den Standort oder die Standorte des Datenverarbeitungssystems oder bei Beauftragung eines Dritten dessen Namen und Anschrift mitteilt,
2.
der Steuerpflichtige seinen sich aus den §§ 90, 93, 97, 140 bis 147 und 200 Absatz 1 und 2 ergebenden Pflichten ordnungsgemäß nachgekommen ist,
3.
der Datenzugriff nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes in vollem Umfang möglich ist und
4.
die Besteuerung hierdurch nicht beeinträchtigt wird.
Werden der Finanzbehörde Umstände bekannt, die zu einer Beeinträchtigung der Besteuerung führen, hat sie die Bewilligung zu widerrufen und die unverzügliche Rückverlagerung der elektronischen Bücher und sonstigen erforderlichen elektronischen Aufzeichnungen einen oder mehrere Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu verlangen. Eine Änderung der unter Satz 2 Nummer 1 benannten Umstände ist der zuständigen Finanzbehörde unverzüglich mitzuteilen.

(2c) Kommt der Steuerpflichtige der Aufforderung zur Rückverlagerung seiner elektronischen Buchführung oder seinen Pflichten nach Absatz 2b Satz 4, zur Einräumung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6, zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen im Sinne des § 200 Abs. 1 im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nach Bekanntgabe durch die zuständige Finanzbehörde nicht nach oder hat er seine elektronische Buchführung ohne Bewilligung der zuständigen Finanzbehörde in einen oder mehrere Drittstaaten verlagert, kann ein Verzögerungsgeld von 2 500 Euro bis 250 000 Euro festgesetzt werden.

(3) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind in einer lebenden Sprache vorzunehmen. Wird eine andere als die deutsche Sprache verwendet, so kann die Finanzbehörde Übersetzungen verlangen. Werden Abkürzungen, Ziffern, Buchstaben oder Symbole verwendet, muss im Einzelfall deren Bedeutung eindeutig festliegen.

(4) Eine Buchung oder eine Aufzeichnung darf nicht in einer Weise verändert werden, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist. Auch solche Veränderungen dürfen nicht vorgenommen werden, deren Beschaffenheit es ungewiss lässt, ob sie ursprünglich oder erst später gemacht worden sind.

(5) Die Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen können auch in der geordneten Ablage von Belegen bestehen oder auf Datenträgern geführt werden, soweit diese Formen der Buchführung einschließlich des dabei angewandten Verfahrens den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechen; bei Aufzeichnungen, die allein nach den Steuergesetzen vorzunehmen sind, bestimmt sich die Zulässigkeit des angewendeten Verfahrens nach dem Zweck, den die Aufzeichnungen für die Besteuerung erfüllen sollen. Bei der Führung der Bücher und der sonst erforderlichen Aufzeichnungen auf Datenträgern muss insbesondere sichergestellt sein, dass während der Dauer der Aufbewahrungsfrist die Daten jederzeit verfügbar sind und unverzüglich lesbar gemacht werden können. Dies gilt auch für die Befugnisse der Finanzbehörde nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes. Absätze 1 bis 4 gelten sinngemäß.

(6) Die Ordnungsvorschriften gelten auch dann, wenn der Unternehmer Bücher und Aufzeichnungen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, führt, ohne hierzu verpflichtet zu sein.

(1) Die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 entsprechen, sind der Besteuerung zugrunde zu legen.

(2) Absatz 1 gilt nicht,

1.
soweit nach den Umständen des Einzelfalls Anlass besteht, die sachliche Richtigkeit zu beanstanden oder
2.
soweit die elektronischen Daten nicht nach der Vorgabe der einheitlichen digitalen Schnittstellen des § 41 Absatz 1 Satz 7 des Einkommensteuergesetzes in Verbindung mit § 4 Absatz 2a der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung, des § 146a oder des § 147b in Verbindung mit der jeweiligen Rechtsverordnung zur Verfügung gestellt werden.

(1) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sind täglich festzuhalten. Die Pflicht zur Einzelaufzeichnung nach Satz 1 besteht aus Zumutbarkeitsgründen bei Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen gegen Barzahlung nicht. Das gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige ein elektronisches Aufzeichnungssystem im Sinne des § 146a verwendet.

(2) Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind im Geltungsbereich dieses Gesetzes zu führen und aufzubewahren. Dies gilt nicht, soweit für Betriebstätten außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes nach dortigem Recht eine Verpflichtung besteht, Bücher und Aufzeichnungen zu führen, und diese Verpflichtung erfüllt wird. In diesem Fall sowie bei Organgesellschaften außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes müssen die Ergebnisse der dortigen Buchführung in die Buchführung des hiesigen Unternehmens übernommen werden, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind. Dabei sind die erforderlichen Anpassungen an die steuerrechtlichen Vorschriften im Geltungsbereich dieses Gesetzes vorzunehmen und kenntlich zu machen.

(2a) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann der Steuerpflichtige elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem anderen Mitgliedstaat oder in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union führen und aufbewahren. Macht der Steuerpflichtige von dieser Befugnis Gebrauch, hat er sicherzustellen, dass der Datenzugriff nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes in vollem Umfang möglich ist.

(2b) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann die zuständige Finanzbehörde auf schriftlichen oder elektronischen Antrag des Steuerpflichtigen bewilligen, dass elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem Drittstaat oder in mehreren Drittstaaten geführt und aufbewahrt werden können. Voraussetzung ist, dass

1.
der Steuerpflichtige der zuständigen Finanzbehörde den Standort oder die Standorte des Datenverarbeitungssystems oder bei Beauftragung eines Dritten dessen Namen und Anschrift mitteilt,
2.
der Steuerpflichtige seinen sich aus den §§ 90, 93, 97, 140 bis 147 und 200 Absatz 1 und 2 ergebenden Pflichten ordnungsgemäß nachgekommen ist,
3.
der Datenzugriff nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes in vollem Umfang möglich ist und
4.
die Besteuerung hierdurch nicht beeinträchtigt wird.
Werden der Finanzbehörde Umstände bekannt, die zu einer Beeinträchtigung der Besteuerung führen, hat sie die Bewilligung zu widerrufen und die unverzügliche Rückverlagerung der elektronischen Bücher und sonstigen erforderlichen elektronischen Aufzeichnungen einen oder mehrere Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu verlangen. Eine Änderung der unter Satz 2 Nummer 1 benannten Umstände ist der zuständigen Finanzbehörde unverzüglich mitzuteilen.

(2c) Kommt der Steuerpflichtige der Aufforderung zur Rückverlagerung seiner elektronischen Buchführung oder seinen Pflichten nach Absatz 2b Satz 4, zur Einräumung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6, zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen im Sinne des § 200 Abs. 1 im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nach Bekanntgabe durch die zuständige Finanzbehörde nicht nach oder hat er seine elektronische Buchführung ohne Bewilligung der zuständigen Finanzbehörde in einen oder mehrere Drittstaaten verlagert, kann ein Verzögerungsgeld von 2 500 Euro bis 250 000 Euro festgesetzt werden.

(3) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind in einer lebenden Sprache vorzunehmen. Wird eine andere als die deutsche Sprache verwendet, so kann die Finanzbehörde Übersetzungen verlangen. Werden Abkürzungen, Ziffern, Buchstaben oder Symbole verwendet, muss im Einzelfall deren Bedeutung eindeutig festliegen.

(4) Eine Buchung oder eine Aufzeichnung darf nicht in einer Weise verändert werden, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist. Auch solche Veränderungen dürfen nicht vorgenommen werden, deren Beschaffenheit es ungewiss lässt, ob sie ursprünglich oder erst später gemacht worden sind.

(5) Die Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen können auch in der geordneten Ablage von Belegen bestehen oder auf Datenträgern geführt werden, soweit diese Formen der Buchführung einschließlich des dabei angewandten Verfahrens den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechen; bei Aufzeichnungen, die allein nach den Steuergesetzen vorzunehmen sind, bestimmt sich die Zulässigkeit des angewendeten Verfahrens nach dem Zweck, den die Aufzeichnungen für die Besteuerung erfüllen sollen. Bei der Führung der Bücher und der sonst erforderlichen Aufzeichnungen auf Datenträgern muss insbesondere sichergestellt sein, dass während der Dauer der Aufbewahrungsfrist die Daten jederzeit verfügbar sind und unverzüglich lesbar gemacht werden können. Dies gilt auch für die Befugnisse der Finanzbehörde nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes. Absätze 1 bis 4 gelten sinngemäß.

(6) Die Ordnungsvorschriften gelten auch dann, wenn der Unternehmer Bücher und Aufzeichnungen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, führt, ohne hierzu verpflichtet zu sein.

(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.

(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.

Tenor

1. Die Vollziehung des Nachforderungsbescheids hinsichtlich Kapitalertragsteuer für die Jahre 2008 bis 2009 vom 24. Juni 2014 wird bis einen Monat nach Ergehen der Entscheidung über den Einspruch vom 26. Juni 2014 in Höhe von 754.485,75 € gegen Leistung einer Sicherheit von 350.000 € ausgesetzt.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

I. Streitig ist die Gewährung der Aussetzung der Vollziehung (AdV) nur gegen Sicherheitsleistung.

Die Antragstellerin ist eine GmbH und wird unter HRB im Handelsregister beim Amtsgericht geführt. Gegenstand ihres Unternehmens ist die Erbringung von  Beratungs- und Verwaltungsdienstleistungen, insbesondere gegenüber der Firma OP mit Sitz in Dubai, in Bezug auf den Erwerb von Unternehmen und Beteiligungen an Unternehmen in Europa. Geschäftsführer der Antragstellerin ist A, alleiniger Gesellschafter der Antragstellerin ist die OP, deren Geschäftsführer P ist. Entsprechend dem Geschäftsführer-Anstellungsvertrag vom 31. Juli bzw. 2. August 2008 erhielt A eine monatliche Vergütung von 24.000 €. Laut Gesellschaftsvertrag vom 22. November 2007 trägt die Antragstellerin den Gründungsaufwand, insbesondere die Kosten des Notars, der Eintragung ins Handelsregister und der Veröffentlichung bis zu einem Betrag von 2.500 €. Mit Verträgen vom 10. Juni 2008 bzw. 22. Juli 2008 wurden … als Mitglieder des Beirats bestellt, als deren feste Vergütung wurde ein Betrag von 40.000 € bzw. 80.000 € im Jahr vereinbart. Im Fall einer Akquisition wurde eine zusätzliche Vergütung vereinbart.

In einem am 31. Juli 2008 abgeschlossenen Managementvertrag hatte sich die Antragstellerin gegenüber der OP verpflichtet, bestimmte Beratungs- und Managementleistungen gegenüber der OP zu erbringen (Ziffer 2 des Vertrages). Nach Ziffer 6 des Vertrages war es der Antragstellerin gestattet, die mit ihrer Tätigkeit im Zusammenhang stehenden Kosten und Aufwendungen von den Geldern abzuziehen, die sie treuhänderisch für die OP hielt. Außerdem sollte die Antragstellerin bestimmte Management-, Transaktions- und Ausstiegsstrategiehonorare erhalten (Ziffer 10 des Vertrages). Vereinbarungsgemäß sollten die Managementhonorare nach Ablauf des Kalenderjahres gezahlt werden, in dem die Managementleistung erbracht worden war und sich an der Gesamtinvestitionssumme (davon 1 %) orientieren, die seitens der OP zum Ende des jeweiligen Kalenderjahres in „portfolio companies“ investiert worden war. Das Transaktionshonorar für die erfolgreiche Identifizierung eines geeigneten Investitionsobjekts war nach Abschluss einer Akquisition fällig und orientierte sich an der konkreten Investitionssumme (davon 0,75 %). Das Ausstiegsstrategiehonorar wurde nach Vollendung der Aufgabe des Investments fällig und orientierte sich an dem Wert der Gegenleistung, den die OP für die Deinvestition erhält (davon 1,25 %). Laut Ziffer 12 des Vertrages sollte die Antragstellerin exklusiv für die OP tätig sein, die Vertragsdauer bestimmte sich zunächst auf 10 Jahre (Ziffer 13 des Vertrages).

Nach ihren Angaben erzielte die Antragstellerin in den Jahren 2008 und 2009 keine Erlöse und im Jahr 2010 Erlöse in Höhe von 101.249,97 €. Das steuerliche Einlagekonto der Antragstellerin wurde zum 31. 12. 2007 auf 0 €, zum 31. 12. 2008 auf 900.000 €, zum 31.12.2009 auf 1.677.548 € und zum 31. 12. 2010 auf 1.989.548 € festgestellt.

Aufgrund der im Rahmen einer Außenprüfung für die Jahre 2008 bis 2010 getroffenen Feststellungen vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass die im Managementvertrag vom 31. Juli 2008 getroffenen Vergütungsvereinbarungen einem Fremdvergleich nicht standhielten (vgl. Tz. 1.5 des Prüfungsberichts vom 29. Oktober 2013). Daraufhin ermittelte das Finanzamt die Erlöse im Schätzungswege gemäß den Grundsätzen für die Prüfung der Einkunftsabgrenzung bei international verbundenen Unternehmen entsprechend der so genannten Kostenaufschlagsmethode. Dabei wurden die in den Gewinn- und Verlustrechnungen erklärten Kosten als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt und mit einem Gewinnaufschlag von 10 % versehen. Nach „cost plus“ ergaben sich sodann Erlöse von insgesamt 946.262,49 € (2008), 624.013,42 € (2009) und 536.056,27 € (2010). Die Differenz zwischen den durch die Kostenaufschlagsmethode ermittelten Erlösen und den erklärten Erlösen sah das Finanzamt als verhinderte Vermögensmehrung und damit als verdeckte Gewinnausschüttungen an (in Höhe von 946.262,49 € in 2008, in Höhe von 624.013,42 € in 2009 und in Höhe von 536.056,27 € in 2010), die dem Einkommen der Antragstellerin zuzurechnen seien.

Da die Antragstellerin trotz Aufforderung keine Kapitalertragssteueranmeldungen für die Jahre 2008 bis 2010 eingereicht hatte, erließ das Finanzamt  am 24. Juni 2014 einen Nachforderungsbescheid über Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag für die Jahre 2008 bis 2010 in Gesamthöhe von 754.485,75 € . Die am 28. Juli 2014 fälligen Beträge wurden bislang nicht entrichtet.

Mit Schreiben vom 26. Juni 2014 legte die Antragstellerin Einspruch gegen den Nachforderungsbescheid ein, über den noch nicht entschieden wurde. Außerdem beantragte sie Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Bescheids. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2008 legte die Antragstellerin Rechnungen über insgesamt 31.896,95 € vor, denen in Höhe von 26.627,90 € Dienstleistungen der Kanzlei … an die OP (insbesondere Beratungsleistungen im Zusammenhang mit der Änderung der Satzung, Einrichtung des Beirats), in Höhe von 5.000 € Buchhaltungs- und Abschlusskosten der Kanzlei … an die OP sowie Notarskosten von 269,05 €  zugrunde lagen (Bl. 125 Kapitalertragsteuerakte).

Mit Bescheid vom 5. September 2014 gewährte das Finanzamt die beantragte Aussetzung der Vollziehung in Höhe von 754.485,75 € gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 350.000 €. Die Sicherheitsleistung wurde bislang nicht erbracht.

Mit ihrem bei Gericht gestellten Antrag bringt die Antragstellerin im Wesentlichen vor, dass das Finanzamt zu Unrecht von einer verdeckten Gewinnausschüttung ausgegangen sei. Die vertraglich vereinbarten Honorare seien nicht einzeln, sondern zusammen mit der entsprechenden Gewinnbeteiligung im Erfolgsfall (Carried Interest gemäß Ziffer 10) zu berücksichtigen. Aufgrund des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 16. Dezember 2003 (IV A 6-S 2240-153/03) zur einkommensteuerlichen Behandlung von Venture Capital und Private Equity Fonds werde eine regelmäßige jährliche Haftungs- und Geschäftsführungsvergütung zwischen 1,5 % und 2,5 % des Zeichnungskapitals des Fonds als angemessen anerkannt. Die im Streitfall getroffene Vergütung entspreche diesen Vorgaben und halte einem Fremdvergleich stand.

Im Übrigen gehe das Finanzamt zu Unrecht davon aus, dass sich für die Antragstellerin keine weiteren Einnahmequellen erschließen ließen, da sie exklusiv für die OP  tätig sei. Vielmehr seien in der Vergangenheit auch andere Firmen beraten worden, insbesondere die … AG und die Firma … GmbH, die Vergütung richte sich dabei nach einem pauschalen Stundenhonorar von 150 € pro Stunde.

Selbst wenn eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegen sollte, führe dies nicht zu einer Kapitalertragsteuerschuld, soweit gemäß § 27 Abs. 1 KStG eine Einlagenrückgewähr vorliege. Der Ansicht des Finanzamts, dass mangels Bescheinigung gemäß § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG fingiert werde, dass keine Einlagenrückgewähr vorgenommen worden sei, werde entgegengehalten, dass in der Kommentarliteratur insoweit eine einschränkende Auslegung bzw. teleologische Reduktion dieser Vorschrift für den Fall gefordert werde, in denen mangels Ausschüttung keine Steuerbescheinigung erteilt worden sei und beispielsweise im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung später eine verdeckte Gewinnausschüttung festgestellt werde, die bei Anwendung des § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG aus dem steuerlichen Einlagekonto zu finanzieren gewesen wäre. In diesem Zusammenhang liege dem Bundesfinanzhof auch ein Fall zur Revision vor (BFH I R 3/14). Im Streitfall habe es im keinem Fall einen tatsächlichen Gewinn oder auch nur einen Vermögenstransfer an die OP gegeben. Diese habe die Antragstellerin lediglich mittels Einlagen in die Lage versetzt, die entstandenen Kosten zu tragen. Diese Einlagen seien vom Finanzamt zu Unrecht mit einem Kostenaufschlag versehen als verdeckte Gewinnausschüttung gewertet worden, tatsächlich lägen insoweit nur fingierte Kapitalerträge vor. Aufgrund der Höhe des steuerlichen Einlagekontos wäre die verdeckte Gewinnausschüttung allein aus dem steuerlichen Einlagekonto finanziert. Eine Grundlage für die Festsetzung von Kapitalertragsteuer liege daher nicht vor.

Hilfsweise sei anzumerken, dass der vom Finanzamt zugrunde gelegte Kostenaufschlagsatz der Höhe nach unangemessen sei. So seien diverse Kosten, die nicht in Zusammenhang mit Leistungen an die OP stünden, insbesondere Anlaufkosten, Steuerberatungskosten, Beiratskosten und Fremdleistungen, fälschlicherweise in die Bemessung der verdeckten Gewinnausschüttung einbezogen worden. Außerdem sei der angesetzte Aufschlagsatz von 10 % nicht angemessen.

Da die Bescheide vom 26. Juni 2014 evident rechtswidrig seien, bestehe kein Raum für die Anordnung einer Sicherheitsleistung. Das fiskalische Interesse des Staates müsse nach der Rechtsprechung des BFH zurücktreten, wenn mit Gewissheit oder großer Sicherheit ein für den Steuerpflichtigen günstiger Ausgang des Verfahrens zu erwarten sei.

Die Antragstellerin beantragt,

den Bescheid vom 24. Juni 2014 über Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag für die Jahre 2008 bis 2010 in Höhe von 754.485,75 € ohne Sicherheitsleistung von der Vollziehung auszusetzen, hilfsweise beantragt sie die Zulassung der Beschwerde zum Bundesfinanzhof.

Das Finanzamt beantragt,

die Aussetzung der Vollziehung in Höhe von 754.485,75 € gegen Anordnung einer Sicherheitsleistung von 350.000 € zu gewähren.

Das Finanzamt trägt vor, dass die streitigen Leistungen an die OP von der Antragstellerin zu Bedingungen erbracht worden seien, die ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte.

Aus den bislang eingereichten Jahresabschlüssen ergebe sich, dass die Antragstellerin zum 31. Dezember 2012 einen kumulierten Verlust von 2.878.811,82 € erwirtschaftet habe, die Erlöse hätten jeweils 0 € (2008 und 2009), 101.249,97 € (2010), 99.999,96 € (2011) und 122.124,96 € (2012) betragen. Die Antragstellerin habe ihren Betrieb nur auf Grund der Zahlungen der OP unterhalten können. Erst nachdem die OP in die Firma … GmbH investiert habe, erziele die Antragstellerin auch Einnahmen aus einem Beratervertrag mit dieser Firma.

Für das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung spreche auch der Umstand, dass die Antragstellerin Aufwendungen in Höhe von 31.627,90 €, denen Dienstleistungen der Kanzlei sowie eines Notars an die OP zugrunde lagen, im Jahr 2008 übernommen habe. Dabei handle es sich nicht um Aufwendungen im Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung.

Als angemessener Aufschlagssatz sei für das AdV-Verfahren der Mittelwert zwischen dem Satz der Außenprüfung (10 %) und dem von der Antragstellerin beantragten Satz (5 %) gewählt worden. Die Zurechnung der verdeckten Gewinnausschüttung sei in dem Jahr erfolgt, in dem die Dienstleistungen erbracht worden seien.

Auf die verdeckte Gewinnausschüttung sei Kapitalertragsteuer zu erheben, da keine Einlagenrückgewähr i.S.d. § 28 KStG vorliege. § 28 KStG enthalte eine gesetzliche Fiktion, die Verzögerungen durch verspätete Bescheinigungen einer Einlagenrückgewähr vermeiden solle. Außerdem könne für das Jahr 2008 ohnehin keine Einlagenrückgewähr vorliegen, da das steuerliche Einlagekonto zum 31. 12. 2007 0 € betragen habe.

Die Anordnung einer Sicherheitsleistung sei geboten, da die spätere Vollstreckung der Steuerforderung zumindest gefährdet und erschwert sei. Die Antragstellerin weise im Jahresabschluss 2012 einen Jahresfehlbetrag von 468.201,59 € und einen Verlustvortrag von 2.310.610,23 € aus. Den Erträgen von 122.124,96 € stünden Kosten von rund 596.000 € gegenüber, die nur durch Einlagen der Gesellschafterin geleistet werden könnten. Die Kapitalrücklage laut Jahresabschluss betrage 3.089.548,17 €. Im Jahr 2012 sei der Kapitalrücklage ein Betrag von 500.000 € zugeführt worden. Hinzu komme, dass es sich bei der Gesellschafterin der Antragstellerin um eine ausländische kuwaitische Kapitalgesellschaft handle und der Geschäftsführer ebenfalls in Kuwait ansässig sei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze und die vorgelegten Akten Bezug genommen.

Gründe

II. Der Antrag wird abgelehnt.

1. Gemäß § 69 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache, wenn die Voraussetzungen des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO erfüllt sind, ganz oder teilweise die AdV anordnen, und zwar auch gegen Sicherheitsleistung. Da das Finanzamt die AdV bereits angeordnet hat, ist im vorliegenden Verfahren nur darüber zu entscheiden, ob es diese Aussetzung zu Recht von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht hat (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs – BFH - vom 7. Mai 2008 IX S 26/07, BFH/NV 2008, 1498).

Die Aussetzung gegen Leistung einer Sicherheit ist angezeigt, wenn die spätere Vollstreckung der Steuerforderung infolge der AdV gefährdet oder erschwert erscheint, da die Sicherheitsleistung der Vermeidung von Steuerausfällen bei einem für den Steuerpflichtigen ungünstigen Verfahrensausgang dient (vgl. BFH-Beschluss vom 10. Februar 2010 V S 24/09, BFH/NV 2010, 930). Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt. Es ist Sache der Beteiligten, die entscheidungserheblichen Tatsachen darzulegen und glaubhaft zu machen, soweit ihre Mitwirkungspflicht reicht. Für die Anordnung einer Sicherheitsleistung ergibt sich hieraus, dass grundsätzlich die Finanzbehörde die für eine Gefährdung des Steueranspruchs sprechenden Gesichtspunkte vortragen muss und der Steuerpflichtige ggf. Umstände, die ein (dargelegtes) Sicherungsbedürfnis der Behörde entfallen oder unangemessen erscheinen lassen (vgl. hierzu BFH-Beschluss vom 20. März 2002 IX S 27/00, BFH/NV 2002, 809 m.w.N.).

2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist im Streitfall von einer Gefährdung des Steueranspruchs auszugehen. Das Finanzamt hat die Gefährdung des Steueranspruchs schlüssig dargelegt. So weist die Antragstellerin im Jahresabschluss 2012 einen Jahresfehlbetrag von 468.201,59 € und einen Verlustvortrag von 2.310.610,23 € aus. Den Kosten von rund 596.000 € stehen lediglich Erträge von 122.124,96 € gegenüber. Die Kosten können nur durch Einlagen der Gesellschafterin gedeckt werden, die in Kuwait ansässig ist. Aus dem vorliegenden Kontennachweis zur Bilanz zum 31. Dezember 2012 ergibt sich, dass die Antragstellerin im Jahr 2012 über Sachanlagen in Höhe von lediglich 2.327 € und Umlaufvermögen von 184.411,38 € verfügt. Es liegen somit hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass die wirtschaftliche Situation der Antragstellerin derzeit nicht unproblematisch ist. Unter diesen Umständen erscheint eine spätere Vollstreckung der Steuerforderungen infolge der AdV als gefährdet.

Im Übrigen ist im vorliegenden summarischen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, bei dem auf der Grundlage von präsenten Unterlagen zu entscheiden ist, auch nicht mit Blick auf die wirtschaftliche Lage der Antragstellerin von der Leistung einer Sicherheit abzusehen (vgl. Beschluss des FG München vom 4. August 2009 6 V 3474/08 BeckRS 2009, 26027977). Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin zur Sicherheitsleistung außerstande ist, entsprechende Umstände wurden von ihr weder dargelegt noch glaubhaft gemacht, da sie nicht in der erforderlichen Weise vorgetragen hat, dass ihr auf uneingeschränkten vorläufigen Rechtsschutz gerichtetes Begehren gerechtfertigt wäre. Es hätte ihr obgelegen, die Umstände glaubhaft zu machen, die dem Sicherungsbedürfnis der Finanzbehörde genügen oder es als unangemessen erscheinen lassen (vgl. BFH-Beschluss vom 31. Januar 1997 X S 11/96, BFH/NV 1997, 512).

3. Zwar entfällt das öffentliche Interesse an der Vermeidung von Steuerausfällen, wenn mit Gewissheit oder großer Wahrscheinlichkeit ein für den Steuerpflichtigen günstiger Prozessausgang zu erwarten ist (vgl. BFH-Beschl. vom 17. Mai 2005 I B 108/04, BFH/NV 2005, 1778; vom 8. August 2011 XI B 39/11, BFH/NV 2011, 2106 m.w.N.). Dies ist jedoch hier nicht der Fall. Es steht außer Streit, dass ernstliche Zweifel im Sinne des § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO an der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 24. Juni 2014 bestehen. Aus diesem Grund hat das Finanzamt bereits AdV gewährt. Eine der Antragstellerin günstige Entscheidung im Einspruchsverfahren ist jedoch nicht mit Gewissheit oder hinreichend großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Bei summarischer Prüfung hat das Finanzamt die Kostenübernahme der Antragstellerin für die OP zu Recht als verdeckte Gewinnausschüttungen behandelt sowie im Schätzungswege angemessene Erlöse für die von der Antragstellerin gegenüber der OP erbrachten Leistungen festgestellt und in Höhe der Differenz zu den erklärten Erlösen als verdeckte Gewinnausschüttungen behandelt.

3.1. Unter einer verdeckte Gewinnausschüttung i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht (BFH-Urteil vom 7. August 2002 I R 2/02, BStBl II 2004, 131). Im Regelfall ist eine Vermögensminderung durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst, wenn die Kapitalgesellschaft einem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte, sondern nur aufgrund des Verhältnisses zwischen Gesellschafter und Gesellschaft verständlich ist bzw. wenn die Kapitalgesellschaft eine Leistung an die nahestehende Person erbringt, für die es an einer klaren, im Voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung fehlt (BFH-Urteil vom 18. Dezember 1996 I R 139/94, BStBl II 1997, 301 m.w.N.).

Ist der begünstigte Gesellschafter ein beherrschender, so kann eine verdeckte Gewinnausschüttung auch dann anzunehmen sein, wenn die Kapitalgesellschaft eine Leistung an ihn oder an eine ihm nahestehende Person erbringt, für die es an einer klaren und eindeutigen, im Voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung fehlt (ständige Rechtsprechung vgl. BFH-Urteil vom 23. Oktober 2013 I R 60/12, DStR 2014, 641 m.w.N.). Eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis kann auch darin begründet sein, dass das zwischen der Kapitalgesellschaft und ihrem Gesellschafter abgeschlossene Rechtsgeschäft zwar für die Kapitalgesellschaft günstig ist, jedoch aus Gründen des Fremdvergleichs zu dem Schluss zwingt, dass es von Anfang an nicht ernstlich gewollt war (BFH vom 22. November 1995 I R 45/95, BFH/NV 1996, 645).

Bei summarischer Prüfung anhand präsenter Beweismittel ist das Finanzamt zu Recht davon ausgegangen, dass die Antragstellerin die aufgrund des Vertrages vom 31. Juli 2008 erbrachten Leistungen an die OP zu Bedingungen erbracht hat, die ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte. So hält die unter Ziffer 6 des Vertrages getroffene Vereinbarung, dass die Antragstellerin während der zehnjährigen Laufzeit des Vertrages ihre Leistungen ausschließlich der OP anbieten durfte, einem Fremdvergleich nicht stand. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter wäre keine Verpflichtung eingegangen, die es der Antragstellerin verboten hätte, ihre Dienste auch anderen Unternehmen anzubieten. Im Streitfall kann die Antragstellerin keine weiteren Einnahmequellen erschließen, sofern die OP nicht zustimmt. Die Antragstellerin war zur Aufrechterhaltung ihres Unternehmens daher ausschließlich auf die Zahlungen der OP angewiesen.

Soweit die Antragstellerin vorträgt, dass sie nunmehr auch Aufträge von der … GmbH und der … AG erhalten hat, ist ihr entgegenzuhalten, dass die Antragstellerin erst seit der Investition der OP in die … GmbH, deren alleiniger Gesellschafter die OP ist, Einnahmen aus einem Beratervertrag erzielt. Auch der Umstand, dass der Vorsitzende des Aufsichtsrates der … AG zugleich der Vorsitzender des Beirats der Antragstellerin ist, spricht nach Überzeugung des Senats dafür, dass es der Antragstellerin nicht möglich ist, unabhängig von der Einwilligung der OP am allgemeinen Wettbewerb teilzunehmen und neue Kunden zu akquirieren.

Für das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung spricht auch die Vereinbarung, nach der eine Bezahlung für die von der Antragstellerin erbrachten Leistungen nur erfolgt, wenn die OP tatsächlich Investitionen tätigt. Da die Antragstellerin keinen Einfluss auf die Entscheidungen der OP nehmen kann, trägt sie somit das alleinige Risiko vergeblicher Aufwendungen und hat keinen Anspruch auf eine Gewinnbeteiligung im Erfolgsfall (Carried Interest gemäß Ziffer 10). Im Übrigen führt das Finanzamt zutreffend aus, dass durch die im Streitfall gewählte Vergütungsform nicht sichergestellt ist, dass die der Antragstellerin entstehenden Kosten gedeckt und ein angemessener Gewinn erwirtschaftet werden kann. So stehen dem kumulierten Verlust in Höhe von 2.878.811,82 € zum 31. Dezember 2012 lediglich Erlöse von 323.374,89 € in den Jahren 2008 bis 2012 gegenüber.

Auch die Übernahme der Aufwendungen von 31.627,90 € im Jahr 2008, denen Dienstleistungen der Kanzlei sowie eines Notars an die OP zugrunde lagen, hält einem Fremdvergleich nicht stand. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter hätte diese Kosten für einen Nichtgesellschafter nicht übernommen. Im Übrigen stehen diese Kosten auch - anders als die Antragstellerin meint -  nicht im Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung. Nur für die anlässlich einer Kapitalerhöhung anfallenden Kosten hat der BFH entschieden, dass aufgrund des insoweit geltenden Veranlassungsprinzips keine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegt, auch wenn keine entsprechende Satzungsregelung über die Kostenübernahme getroffen wurde (vgl. BFH-Urteil vom 19. Januar 2000 I R 24/99, BStBl II 2000, 545). Im Streitfall wurden jedoch Beratungsleistungen im Zusammenhang mit der Änderung der Satzung und der Einrichtung des Beirats sowie Buchhaltungs- und Abschlusskosten abgerechnet. Bei summarischer Prüfung ist nicht ersichtlich, dass es sich dabei um Kosten handelt, die mit einer Kapitalerhöhung zusammenhängen.

3.2. Für den Streitfall ist bei summarischer Prüfung die Wahl der Kostenaufschlagsmethode zur Überprüfung des tatsächlich vereinbarten Verrechnungspreises und als Grundlage einer Schätzung des Finanzamts nicht zu beanstanden. Diese Methode geht bei Lieferungen oder Leistungen zwischen Nahestehenden von den Kosten des Herstellers oder Leistenden aus. Diese Kosten werden nach den Kalkulationsmethoden ermittelt, die der Liefernde oder Leistende auch bei seiner Preispolitik gegenüber Fremden zugrunde legt oder - wenn keine Lieferungen oder Leistungen gegenüber Fremden erbracht werden - den betriebswirtschaftlichen Grundsätze entsprechen (vgl. BMF-Schreiben vom  23. Februar 1983, IV C 5-S 1341-4/83 Tz. 2.2.4. und vom 13. Oktober 2010, IV B 5-S 1341/08/10003 zu den Grundsätze für die Prüfung der Einkunftsabgrenzung bei international verbundenen Unternehmen bzw. nahe stehenden Personen). Anschließend werden betriebs- oder branchenübliche Gewinnzuschläge gemacht. Grundgedanke dieser Methode liegt in der Annahme, dass ein Unternehmen langfristig nur überleben kann, wenn die erzielten Preise zumindest seine Kosten zuzüglich eines gewissen Gewinns decken können (vgl. auch Urteil des FG München vom 17. September 1998 15 K 4327/93, EFG 1999, 188).

Zwar stehen die sog. Standardmethoden (Preisvergleichsmethode, Wiederverkaufspreismethode, Kostenaufschlagsmethode) an sich gleichberechtigt nebeneinander (vgl. BFH-Urteil vom 17. Oktober 2001 I R 103/00, BStBl II 2004, 171). Vorliegend stellt die Kostenaufschlagsmethode (sogenannte "Cost plus method") jedoch diejenige Methode dar, mit der der Fremdvergleichspreis mit der größtmöglichen Wahrscheinlichkeit seiner Richtigkeit ermittelt werden kann, weil Daten über vergleichbare Geschäftsbeziehungen zwischen fremden Dritten nicht vorliegen. Im Streitfall sind alle Kosten, die der Antragstellerin entstanden sind, bekannt. Somit kann eine Preiskalkulation im Wege der Kostenaufschlagsmethode bezogen auf die einzelnen Kostenstufen der jeweils zutreffende Aufschlagssatz nicht nur für den tatsächlichen Fremdpreis, sondern auch für den Verrechnungspreis an das verbundenes Unternehmen vorgenommen werden.

Der Senat hat auch keine Bedenken hinsichtlich des vom Finanzamt im AdV-Verfahren gewählten Aufschlagsatz von 7,5 %. Dieser Satz entspricht dem Mittelwert zwischen dem Satz in der Außenprüfung zugrunde gelegten Satz von 10 % und dem von der Antragstellerin beantragten Satz von 5 % und bewegt sich in einem Bereich, der betriebswirtschaftlichen Grundsätzen entspricht.

Die Antragstellerin kann sich auch nicht zu ihren Gunsten auf die im BMF-Schreiben vom 16. Dezember 2003 aufgestellten Grundsätzen berufen. Dieses Schreiben enthält eine Abgrenzung der privaten Vermögensverwaltung vom Gewerbebetrieb und regelt ausschließlich die ertragsteuerliche Behandlung von Venture Capital und Private Equity Fonds, die üblicherweise in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG gegründet werden. Dabei werden die Vergütungsstrukturen für den geschäftsführenden Gesellschafter, nach denen dieser regelmäßig eine jährliche Haftungs- und Geschäftsführungsvergütung zwischen 1,5 und 2,5 % des Zeichnungskapitals des Fonds empfängt, lediglich als Beispielsfall dargestellt. Das BMF-Schreiben enthält jedoch keine Aussage dahingehend, dass diese Vergütungsstruktur als Vergleichsmaßstab für eine angemessene Vergütung anzuerkennen ist. Darüber hinaus kann die Vergütung des geschäftsführenden Gesellschafters einer GmbH & Co. KG für seine Tätigkeit als Organ der Personengesellschaft nicht mit der Vergütung der Antragstellerin, die ihre Leistungen nicht aufgrund gesellschaftsrechtlicher Verpflichtungen, sondern aufgrund des Managementvertrages  gegenüber der OP erbringt, verglichen werden.

4. Zu Recht hat das Finanzamt auch Kapitalertragsteuer auf die verdeckte Gewinnausschüttung erhoben. Eine Einlagenrückgewähr i.S.d. § 27 KStG liegt nicht vor. Nach § 27 Abs. 3 Satz 1 KStG ist eine Kapitalgesellschaft, die Leistungen erbringt, die als Abgang aus dem steuerlichen Einlagekonto zu berücksichtigen sind, verpflichtet, ihren Anteilseignern die folgenden Angaben nach amtlich vorgeschriebenem Muster zu bescheinigen: „1. den Namen und die Anschrift des Anteilseigners, 2. die Höhe der Leistungen, soweit das steuerliche Einlagekonto gemindert wurde, 3. den Zahlungstag“. Hieran anknüpfend bestimmt § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG, dass der Betrag der Einlagenrückgewähr als mit 0 Euro bescheinigt gilt, wenn für eine Leistung bis zum Tag der Bekanntgabe der erstmaligen Feststellung im Sinne des Absatzes 2 zum Schluss des Wirtschaftsjahres der Leistung eine Steuerbescheinigung im Sinne des Absatzes 3 nicht erteilt worden.

Eine nachträgliche Änderung des Feststellungsbescheides scheidet auch aus, wenn dieser unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist, da das Gesetz insoweit ausdrücklich nicht auf den Gesichtspunkt der Bestandskraft abstellt. Es handelt sich hierbei um eine zielgerichtete Änderung der bis 2005 geltenden Rechtlage,  welche nicht im Wege der Auslegung und/oder teleologischen Reduktion rückgängig gemacht oder durch sachliche Billigkeitsmaßnahmen korrigiert werden kann. Der Gesetzgeber hat durch die Festschreibung einer Verwendung von 0 Euro eine klare und eindeutige Regelung getroffen und dabei Härten absichtlich in Kauf genommen (vgl. Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 28. November 2013 1 K 35/12, EFG 2014, 581 m.w.N., insbesondere Frotscher/Maas, KStG, § 27 Rn. 88c und 88d und Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. Juli 2014 1 K 1338/12, juris-web).).

Zu Recht weist das Finanzamt auch darauf hin, dass für das Jahr 2008 ohnehin keine Einlagenrückgewähr in Betracht kommen kann, weil das steuerliche Einlagekonto zum 31. Dezember 2007 0 € betragen hat. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist die Verwendung des steuerlichen Einlagekontos ungeachtet unterjähriger Zugänge zum steuerlichen Einlagekonto auf den zum Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahres festgestellten positiven Bestand des Kontos begrenzt (BFH-Urteil vom 30. Januar 2013 I R 35/11, BStBl II 2013, 560 m.w.N.).

4. Im Streitfall bestehen bei summarischer Prüfung keine Bedenken gegen die Höhe der vom Finanzamt angeordneten Sicherheitsleistung. Über den Umfang der Sicherheitsleistung entscheidet das Finanzamt nach pflichtgemäßem Ermessen. Der Höchstbetrag der zu fordernden Sicherheit wird durch den ggf. ausfallbedrohten Steuerbetrag bestimmt (vgl. etwa BFH-Beschluss vom 2.12.1999 I B 62/99, BFH/NV 2000, 845).Bei einer streitigen Steuer von insgesamt 754.485 € erscheint eine Sicherheitsleistung von 350.00 € nicht als unverhältnismäßig, da der Antragstellerin einerseits ein effektiver vorläufiger Rechtsschutz gewährt und andererseits dem öffentlichen Interesse an der Verhinderung von Steuerausfällen Rechnung getragen wird.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

6. Die Beschwerde gegen diesen Beschluss wird nicht zugelassen, da keiner der in § 128 Abs. 3 i. V. m. 115 Abs. 2 FGO genannten Gründe ersichtlich ist.

(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.

(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.

(1) Durch Einlegung des Einspruchs wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 4 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.

(2) Die Finanzbehörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; § 367 Abs. 1 Satz 2 gilt sinngemäß. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für die betroffene Person eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden.

(3) Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheids ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheids auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheids bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheids zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheids die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist.

(4) Durch Einlegung eines Einspruchs gegen die Untersagung des Gewerbebetriebs oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Finanzbehörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. § 367 Abs. 1 Satz 2 gilt sinngemäß.

(5) Gegen die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung kann das Gericht nur nach § 69 Abs. 3 und 5 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung angerufen werden.

Tatbestand

1

I. Die Ehefrau des Antragstellers und Beschwerdegegners (Antragsteller) schuldet dem Bundesland X Lohn- und Umsatzsteuern nebst steuerlichen Nebenleistungen in Höhe von … €. Mit notariellem Vertrag vom 5. Juli 1991 übertrug der Antragsteller ein ihm von seinen Eltern im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragenes Grundstück auf seine Ehefrau. Unter § 3 dieses Vertrages einigten sich die Parteien auf eine unentgeltliche Rückübertragung für den Fall der Scheidung. Unter § 4 vereinbarten sie ein Veräußerungs- und Belastungsverbot. Am 26. Juni 1996 wurde zu Gunsten des Antragstellers eine Rückauflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen. Mit notarieller Erklärung vom 29. Juli 2008 bestellte die Ehefrau des Antragstellers zu dessen Gunsten an dem Grundstück eine Grundschuld in Höhe von 20.000 € zzgl. Zinsen. Schließlich erfolgte mit notarieller Vereinbarung vom 19. November 2008 eine Rückübertragung des Grundstücks an den Antragsteller. Diese Übertragung des Eigentums an dem Grundstück focht der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) gemäß § 4 des Gesetzes über die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Insolvenzverfahrens --Anfechtungsgesetz-- (AnfG) an und erließ am 18. Mai 2009 einen auf § 191 der Abgabenordnung (AO) gestützten Duldungsbescheid. In diesem wird dem Antragsteller mitgeteilt, dass er aufgrund des Rückgewährsanspruchs aus § 11 AnfG in Höhe von … € die Vollstreckung wegen dieses Betrags in das Grundstück zu dulden habe und dass durch die vollzogene Schenkung des Grundstücks das Bundesland X als Gläubiger benachteiligt worden sei. Dagegen legte der Antragsteller Einspruch ein. Zugleich stellte er einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) des Duldungsbescheids, den das FA ablehnte.

2

Am 13. Juli 2009 stellte die Ehefrau des Antragstellers einen Antrag auf Einleitung eines Insolvenzverfahrens. Mit Beschluss vom 19. Oktober 2009 eröffnete das Amtsgericht (AG) das vereinfachte Insolvenzverfahren über das Vermögen der Ehefrau des Antragstellers. Wenige Tage zuvor hatte das FA am 13. Oktober 2009 beim AG einen Antrag auf Eintragung einer Sicherungshypothek gestellt. Unter Hinweis auf diesen Antrag stellte der Antragsteller mit Schreiben vom 28. Oktober 2009 beim Finanzgericht (FG) einen Antrag auf AdV des Duldungsbescheids. Am 17. Februar 2010 trug das AG im Wege des Verwaltungszwangsverfahrens im Grundbuch eine Zwangssicherungshypothek ein.

3

Das FG setzte die Vollziehung des Duldungsbescheids bis zu einer Entscheidung des FA über den Einspruch aus. Zugleich hob es die Vollziehungsmaßnahme der Eintragung einer Zwangssicherungshypothek auf. Dabei vertrat es die Auffassung, dass das Aussetzungsverfahren trotz der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gemäß § 17 AnfG unterbrochen sei. Da die Zwangssicherungshypothek erst nach Eröffnung des vereinfachten Insolvenzverfahrens eingetragen worden sei, sei diese Maßnahme nach § 89 der Insolvenzordnung (InsO) unwirksam, folglich sei die Buchposition herauszugeben bzw. zu löschen. Abzustellen sei auf ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Duldungsbescheids, da nur dieser Verfahrensgegenstand sei. Es sprächen zwar gute Gründe dafür, anzunehmen, dass ein Anfechtungsgrund gegeben sein könne, ernstliche Zweifel ergäben sich aber daraus, dass dieser Bescheid auf Leistung aus dem Grundstück an das Bundesland X gerichtet sei. Nach Eröffnung des vereinfachten Insolvenzverfahrens sei das FA grundsätzlich auf die Anmeldung der Forderung zur Tabelle verwiesen. In entsprechender Anwendung von § 313 Abs. 2 InsO müsse das FA in diesem Fall auf Leistung an den Treuhänder, also zur Insolvenzmasse, antragen (Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 3. Dezember 2009 IX ZR 29/08, Wertpapier-Mitteilungen/Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht --WM-- 2010, 269). Dem entspreche weder der angefochtene Duldungsbescheid noch die Eintragung der Sicherungshypothek.

4

Dagegen richtet sich die vom FG zugelassene Beschwerde des FA, das die Aufhebung der Entscheidung des FG beantragt. Den zugleich gestellten Antrag, die Aufhebung der Vollziehungsmaßnahme der Eintragung der Zwangssicherungshypothek bis zur Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) über die Beschwerde auszusetzen, hat das FG abgelehnt. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat der beschließende Senat mit Beschluss vom 17. Juni 2010 VII B 99/10 als unbegründet zurückgewiesen.

5

Zur Begründung der vorliegenden Beschwerde trägt das FA vor, dass der Antrag auf AdV deshalb unzulässig sei, weil dem Antragsteller infolge der Unterbrechung des Hauptsacheverfahrens gemäß § 17 AnfG das Rechtsschutzinteresse fehle. Die Unterbrechung erstrecke sich auch auf das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (Huber, AnfG, § 17 Rz 14). Ausdrücklich habe das FA mehrmals zugesichert, auf Grundlage der Sicherungshypothek keine Zwangsmaßnahmen vorzunehmen. Auch sei mit Schreiben vom 16. März 2010 der Eintragung eines Widerspruchs nach § 899 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zugestimmt worden. Durch die inzwischen erfolgte Eintragung des Widerspruchs im Grundbuch sei der Antragsteller umfassend geschützt. Obwohl der Antrag auf Eintragung der Zwangssicherungshypothek einen Verwaltungsakt darstelle, habe der Antragsteller dagegen kein Rechtsmittel eingelegt. Zudem bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Duldungsbescheids. Die Voraussetzungen des Anfechtungstatbestands des § 4 AnfG seien im Streitfall erfüllt. Eine entgeltliche Übertragung des Grundstücks liege nicht vor. Insbesondere sei die Rückübertragung nicht in Erfüllung der Verpflichtung aus der Rückauflassungsvormerkung erfolgt. Die Ehefrau habe das Grundstück selbst nicht ohne Zustimmung des Antragstellers belastet oder veräußert. Eine unbillige Härte liege im Streitfall nicht vor. Die vom FG angeordnete Aufhebung der Vollziehungsmaßnahme stelle sich als eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache dar.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Beschwerde des FA ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.

7

1. Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, bezieht sich der Antrag des Antragstellers auf AdV auf den Duldungsbescheid vom 18. Mai 2009 und nicht auf den Antrag des FA auf Eintragung einer Zwangssicherungshypothek, der nach ständiger Rechtsprechung des Senats unter den im Streitfall gegebenen Umständen einen anfechtbaren Verwaltungsakt darstellt (Senatsbeschlüsse vom 26. Juni 1997 VII B 52/97, BFH/NV 1997, 830, und vom 6. November 1990 VII B 79/90, BFH/NV 1991, 608, sowie Hohrmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 322 AO Rz 49, m.w.N.). Rechtsmittel gegen den Antrag auf Eintragung einer Zwangssicherungshypothek hat der Antragsteller jedoch nicht eingelegt und diesbezüglich vorläufigen Rechtsschutz auch nicht begehrt. Wie er mit Schriftsatz vom 2. August 2010 mitgeteilt hat, hat das FA inzwischen die Bewilligung zur Löschung der Sicherungshypothek erteilt.

8

Im Streitfall hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 17. Juni 2009 gegen den am 18. Mai 2009 erlassenen Duldungsbescheid Einspruch eingelegt, über den das FA noch nicht entschieden hat. Inzwischen ist mit Beschluss des AG vom 19. Oktober 2009 das vereinfachte Insolvenzverfahren über das Vermögen der Ehefrau des Antragstellers eröffnet worden. Dies führt in analoger Anwendung von § 17 Abs. 1 Satz 1 AnfG zu einer Unterbrechung des Einspruchsverfahrens über den angefochtenen Duldungsbescheid im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners (Huber, a.a.O., § 17 Rz 4). Ab diesem Zeitpunkt ist, wie der BGH in WM 2010, 269 entschieden hat, im Gegensatz zum normalen Insolvenzverfahren in entsprechender Anwendung von § 313 Abs. 2 Satz 1 InsO der Gläubiger berechtigt, das unterbrochene Verfahren gegen Kostenerstattung fortzusetzen und den Anfechtungsanspruch geltend zu machen. Jedoch gehört infolge des Erlöschens des Einzelgläubigeranfechtungsanspruchs nach § 11 AnfG der Anfechtungsanspruch, d.h. z.B. der Anspruch auf Rückgewähr eines anfechtbar übereigneten Vermögensgegenstandes, nunmehr zur Insolvenzmasse.

9

2. Im Streitfall hat das FA durch Zustellung eines beim Insolvenzgericht nach § 250 der Zivilprozessordnung (ZPO) einzureichenden Schriftsatzes (vgl. zu diesem Erfordernis BGH-Urteil in WM 2010, 269) nicht angezeigt, dass es als Gläubiger das Verfahren nunmehr "fremdnützig" zugunsten der Masse fortführen möchte. Vielmehr hat es nach Eröffnung des vereinfachten Insolvenzverfahrens lediglich gegenüber der für das Grundbuch zuständigen Stelle erklärt, dass der Antrag auf Eintragung einer Sicherungshypothek zu Gunsten des Bundeslandes X aufrechterhalten werde. Eine Aufnahme des nach § 17 Abs. 1 Satz 1 AnfG unterbrochenen Verfahrens ist somit nicht erfolgt, das deshalb weiterhin unterbrochen ist.

10

Die Unterbrechung des Verfahrens hat gemäß § 249 Abs. 2 ZPO zur Folge, dass von einer Partei in Ansehung der Hauptsache vorgenommene Prozesshandlungen der anderen Partei gegenüber ohne rechtliche Wirkung sind. Darüber hinaus gilt das Vollstreckungsverbot des § 89 Abs. 1 InsO. Für die Dauer des Insolvenzverfahrens sind Vollstreckungsmaßnahmen in die Insolvenzmasse unzulässig.

11

3. Für eine Anwendung von § 17 Abs. 1 AnfG auf die vom Antragsteller angestrengten Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes mit der Folge der Unterbrechung der Verfahren ist kein Raum. Der beim FA nach § 361 AO gestellte Antrag auf AdV wurde von der Unterbrechung nicht betroffen, denn das FA hat den Antrag noch vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgelehnt. Erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2009 einen weiteren Antrag auf AdV beim FG gestellt. Zutreffend hat das FG den Antrag als einen solchen nach § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ausgelegt. Die Verfahren nach § 361 AO und § 69 Abs. 3 FGO stehen nach Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte des § 69 FGO wegen ihrer unterschiedlichen Ausgestaltungen und Folgen gleichwertig nebeneinander (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 24. Juni 1985 GrS 1/84, BFHE 144, 124, BStBl II 1985, 587; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 69 Rz 12, und Klein/Brockmeyer, AO, 10. Aufl., § 361 Rz 40, m.w.N.). Folglich hat das FA in der Rechtsbehelfsbelehrung des die AdV ablehnenden Bescheids darauf hingewiesen, dass der Antragsteller gegen die Ablehnung des Antrags Einspruch einlegen oder einen Antrag nach § 361 Abs. 5 AO i.V.m. § 69 Abs. 7 FGO beim FG stellen könne. Die Frage einer Unterbrechung eines Aussetzungsverfahrens nach § 17 Abs. 1 AnfG kann sich somit nicht stellen, wenn ein Antrag nach § 361 AO bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom FA abgelehnt worden ist und der Antragsteller dagegen keinen Einspruch einlegt, sondern sein Rechtsbegehren erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit einem beim FG gestellten Antrag nach § 69 Abs. 3 FGO weiterverfolgt. So liegt es im Streitfall. Somit ist eine Unterbrechung des Verfahrens lediglich hinsichtlich des Einspruchsverfahrens in Bezug auf den Duldungsbescheid eingetreten. Im vereinfachten Insolvenzverfahren kann das unterbrochene Verfahren nicht vom Schuldner, sondern nur vom Einzelgläubiger wieder aufgenommen werden. Wie bereits ausgeführt, hat das FA das Verfahren nicht wieder aufgenommen und auch nicht erklärt, dass es keine Wiederaufnahme beabsichtige.

12

4. Die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erwirkte Eintragung einer Zwangssicherungshypothek erweist sich als unwirksam. Auf Zwangsvollstreckungsmaßnahmen im Eröffnungsverfahren findet § 88 InsO Anwendung; dies gilt auch für die Eintragung einer Zwangssicherungshypothek. Danach wird eine Sicherung an dem zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögen, die ein Insolvenzgläubiger nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlangt hat, mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unwirksam. Nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 19. Januar 2006 IX ZR 232/04, BGHZ 166, 74) führt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens dazu, dass die Zwangshypothek gegenüber jedermann unwirksam wird. Dabei löst die Rückschlagsperre des § 88 InsO eine insolvenzrechtliche Verfügungsbeschränkung aus. Die Eintragung der Zwangshypothek im Grundbuch kann nach erfolgreicher Klage gemäß § 894 BGB oder aufgrund eines Unrichtigkeitsnachweises nach § 22 der Grundbuchordnung beseitigt werden. Einstweiliger Rechtsschutz ist durch Widerspruch gegen die Richtigkeit des Grundbuchs nach § 899 BGB zu erlangen (BGH-Urteil in BGHZ 166, 74, 81). Nach den Ausführungen des FA hat der Antragsteller diesen Weg auch beschritten und außergerichtlich am 11. März 2010 um eine Bewilligung nach § 899 Abs. 2 BGB gebeten. Der Eintragung eines Widerspruchs hat das FA mit Schreiben vom 16. März 2010, d.h. noch vor der Entscheidung des FG über den Aussetzungsantrag, zugestimmt.

13

5. Bei dieser Sach- und Rechtslage bedurfte es jedenfalls bis zur vom FA inzwischen erteilten Löschungsbewilligung keines zweigleisigen Verfahrens. Das insolvenzrechtliche Vollstreckungsverbot des § 89 InsO, die Rückschlagsperre des § 88 InsO sowie die Möglichkeit, einstweiligen Rechtsschutz auf dem Zivilrechtsweg zu erlangen, boten hinreichenden Schutz gegen eine Vollziehung des angefochtenen Duldungsbescheids. Für eine lediglich klarstellende Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung besteht danach kein Raum. Da dem Antragsteller somit das Rechtsschutzbedürfnis für das von ihm nach § 69 Abs. 3 FGO angestrengte Verfahren fehlt, kann die Entscheidung des FG keinen Bestand haben.

14

Zweifel bestehen auch hinsichtlich der Befugnis des Antragstellers, sich durch den Antrag auf AdV des angefochtenen Duldungsbescheids über die kraft Gesetzes eingetretene Unterbrechung des Verfahrens über den Anfechtungsanspruch hinwegzusetzen. Denn das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kann nicht isoliert betrachtet werden. Vielmehr steht es mit dem angefochtenen Duldungsbescheid in einem unmittelbaren Zusammenhang. Wenn es dem Antragsteller, wie ausgeführt, verwehrt ist, das unterbrochene Verfahren über den Anfechtungsanspruch aufzunehmen, ist schwerlich einzusehen, dass es ihm möglich sein soll, vor dem FG ein gerichtliches Verfahren in Bezug auf die Vollziehung des angefochtenen Bescheids anzustrengen, zumal das Insolvenzrecht ausreichenden Schutz vor einer Vollstreckung zugunsten eines Einzelgläubigers bietet. Diese Frage bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung, da dem Antragsteller aus den genannten Gründen das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag nach § 69 Abs. 3 FGO nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fehlt. Im Streitfall ist zudem zu berücksichtigen, dass das FA gemäß § 899 BGB der Eintragung eines Widerspruchs gegen die Richtigkeit des Grundbuchs zugestimmt hat. Auch hat das FA ausdrücklich zugesichert, keine Zwangsmaßnahmen auf Grundlage der Sicherungshypothek zu ergreifen.

(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.

(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.

Tenor

Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die X GmbH, die im Streitjahr noch als Y GmbH firmierte, ist … auf die Antragstellerin, die Z GmbH & Co. KG, verschmolzen worden, was … bei letzterer in das Handelsregister eingetragen worden ist.

2

Mit Bescheiden vom …Mai 2012 setzte der Antragsgegner die Körperschaftsteuer für 2007 auf 9.025,- € und den Gewerbesteuermessbetrag für 2007 auf 2.045,- € fest.

3

Die gegen die Bescheide … gerichteten Einsprüche gingen beim Antragsgegner am … Juni 2012 ein. Der Antragsgegner hat über sie bislang nicht entschieden.

4

Mit Bescheiden vom … Juli 2012 setzte der Antragsgegner die Körperschaftsteuer für 2007 auf 24.724,- € und den Gewerbesteuermessbetrag für 2007 auf 5.185,- € fest. Die gegen die Bescheide vom … Juli 2012 gerichteten Einsprüche gingen beim Antragsgegner am ... August 2012 ein.

5

Am ... August 2012 setzte der Antragsgegner die Vollziehung des Körperschaftsteuerbescheids für 2007 vom … Juli 2012 i.H.v. 9.108,- € und diejenige des Gewerbesteuermessbescheids selben Datums i.H.v. 575,- €, wobei er bestimmte, über eine Sicherheitsleistung sei bei der Aussetzung der Vollziehung des Folgebescheids zu entscheiden, jeweils unter dem Vorbehalt jederzeitigen Widerrufs aus und lehnte eine weitere Aussetzung der Vollziehung ab.

6

Der Antrag auf gerichtliche Aussetzung der Vollziehung ist beim Finanzgericht am … November 2012 eingegangen.

7

Die Einsprüche gegen die Bescheide vom ... Juli 2012 hat der Antragsgegner am ... Februar 2013 als unzulässig verworfen.

8

Die Antragstellerin hat, bevor sie den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt hat, ausgeführt, ein Hauptsacheverfahren sei seit dem ... August 2012 im Rahmen des anhängigen Einspruchsverfahrens beim Antragsgegner anhängig, ohne das früher angestrengte Einspruchsverfahren zu erwähnen, und beantragt, wie folgt zu entscheiden: Die Aussetzung der Vollziehung des streitbefangenen Bescheids über Körperschaftsteuer für 2007 vom ... Juli 2012 wird in Höhe der vom Antragsgegner nicht ausgesetzten Körperschaftsteuer gewährt, bis über das anhängige Einspruchsverfahren und das sich ggf. anschließende Klageverfahren in der Hauptsache rechtskräftig entschieden ist. Die Aussetzung der Vollziehung des streitbefangenen Bescheids über Gewerbesteuermessbetrag für 2007 vom ... Juli 2012 wird in Höhe des vom Antragsgegner nicht ausgesetzten Gewerbesteuermessbetrags gewährt, bis über das anhängige Einspruchsverfahren und das sich ggf. anschließende Klageverfahren in der Hauptsache rechtskräftig entschieden ist.

9

Der Antragsgegner hat vorgetragen, die Antragstellerin habe die Bescheide über Körperschaftsteuer und Gewerbesteuermessbetrag für 2007 nicht nur mit Einsprüchen vom ... August 2012, sondern auch bereits mit Einsprüchen vom ... Juni 2012 angefochten. Die späteren Einsprüche dürften in Ermangelung eines Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig sein. Der Aussetzungsantrag könne sich lediglich auf die älteren Einsprüche stützen.

10

Nunmehr hat auch der Antragsgegner den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und trägt vor, die Antragstellerin habe den gerichtlichen Vollziehungsantrag im Rahmen eines unzulässigen Einspruchsverfahrens gestellt. Die streitbefangenen Bescheide vom ... Juli 2012 seien nicht erst am ... Februar 2013, als der Antragsgegner die gegen jene Bescheide gerichteten Einsprüche vom ... August 2012 als unzulässig verworfen habe, zum Gegenstand der noch anhängigen Einspruchsverfahren geworden, sondern bereits mit Bekanntgabe der Änderungsbescheide.

Entscheidungsgründe

11

II. Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, darf das Gericht aufgrund von § 96 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 FGO in entsprechender Anwendung nicht mehr in der Hauptsache entscheiden (Brandis in Tipke/Kruse, FGO, 135. Lfg., Januar 2014, § 138, Rz. 30), sondern hat auch dann, wenn und obschon der Rechtsstreit sich wie im Streitfall nicht etwa in dieser erledigt hat, lediglich noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden (Brandis in Tipke/Kruse, FGO, 135. Lfg., Januar 2014, § 138, Rz. 29; Ratschow in Gräber, FGO, 7. Aufl., 2010, § 138, Rz. 3 und 31). Dies ergibt sich daraus, dass die Rechtshängigkeit der Hauptsache entfallen ist (Ratschow in Gräber, FGO, 7. Aufl., 2010, § 138, Rz. 7, 17 und 25). Nicht etwa muss das Gericht davon ausgehen, dass die Hauptsache erledigt sei (Ratschow in Gräber, FGO, 7. Aufl., 2010, § 138, Rz. 26; a.A. Brandis in Tipke/Kruse, FGO, 135. Lfg., Januar 2014, § 138, Rz. 30). Denn maßgebend ist ohnehin die sog. formelle Erledigung (Ratschow in Gräber, FGO, 7. Aufl., 2010, § 138, Rz. 2 und 3; Brandis in Tipke/Kruse, 135. Lfg., Januar 2014, § 138, Rz. 3 und 10), insoweit liegt die Prozessherrschaft bei den Beteiligten.

12

1. Die Kosten sind nach Maßgabe des mutmaßlichen Ausgangs des vorliegenden Rechtsstreits bei einer streitigen Entscheidung im Zeitpunkt des erstmaligen Vorliegens übereinstimmender Erledigungserklärungen in der Hauptsache zu verteilen (Ratschow in Gräber, FGO, 7. Aufl., 2010, § 138, Rz. 30, 31, 32 und 40). War der Antrag unzulässig, so sind dem Antragsteller die Kosten aufzuerlegen (Ratschow in Gräber, FGO, 7. Aufl., 2010, § 38, Rz. 41).

13

2. So verhält es sich im Streitfall. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist unzulässig gewesen.

14

a) Es hat der Antragstellerin an einem anzuerkennenden Bedürfnis nach Rechtsschutz in der konkreten von ihr begehrten Form gefehlt.

15

aa) Ihr ursprünglicher Antrag kann nicht dahin gehend ausgelegt werden, dass die Antragstellerin die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide in vollem Umfang durch das Gericht begehrt hätte. Denn dann hätte es der Einschränkung auf denjenigen Teil, dessen Vollziehung der Antragsgegner nicht bereits ausgesetzt hatte, nicht bedurft.

16

Die von einer Steuerberatungsgesellschaft, die ausschließlich durch Organe vertreten wird, die den steuer- und rechtsberatenden Berufen angehören, vertretene Antragstellerin muss sich an ihren Anträgen festhalten lassen. Eine rechtsschutzgewährende Auslegung eines Antrags kommt nur dann in Betracht kommt, wenn die Prozesserklärung hierfür Raum lässt, d.h. nach ihrem objektiven Erklärungsgehalt mehrdeutig ist. Ist die Erklärung des Angehörigen eines steuerberatenden Berufs hingegen zweifelsfrei und eindeutig, so kann sie auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der rechtsschutzgewährenden Auslegung nicht abweichend von ihrem tatsächlichen Inhalt gedeutet werden (BFH-Urteil vom 25. Juni 2014 I R 29/13, juris).

17

bb) Die Antragstellerin hat kein anzuerkennendes Bedürfnis nach einem nach Maßgabe ihres Antrags eingeschränkten Rechtsschutz gehabt.

18

(1) Allerdings besteht ein anzuerkennendes Rechtsschutzbedürfnis auch dann, wenn derjenige, der Rechtsschutz sucht, dies in geringerem Umfang tut, als es der Verletzung in seinen Rechten entspricht.

19

(2) Das Gericht soll die Vollziehung auszusetzen, soweit (vgl. § 69 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 4 FGO) es ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts hegt (Koch in Gräber, FGO, 7. Aufl., 2010, § 69, Rz. 113). Allerdings ist ihm dies nur möglich, soweit es beantragt wird. Denn es darf in entsprechender Anwendung des § 96 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 FGO nicht über das Begehren des Antragstellers hinausgehen. Der Rechtsschutz Suchende kann sein Rechtsschutzbegehren ohne weiteres quantitativ einschränken.

20

(3) Es fehlt aber an einem Rechtsschutzbedürfnis, wenn wie im Streitfall Rechtsschutz nicht lediglich in eingeschränkter Quantität, sondern in einer vergleichsweise ungünstigen Qualität begehrt wird, obwohl ein effektiverer und effizienterer Rechtsschutz ohne auch nur unter einem einzelnen Aspekt größeren Anstrengungen, Anforderungen oder Risiken zu erlangen ist. So hat es sich im Streitfall verhalten.

21

(a) Mit ihrem Antrag hat die Antragstellerin nicht etwa ein wesensgleiches (quantitatives) Minus gegenüber dem (unter denselben Voraussetzungen und somit ebenso einfach, schnell und zu denselben Kosten) möglichen Rechtsschutz begehrt.

22

Das Gericht hat, um den begehrten Rechtsschutz zu gewähren, dieselben ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids hegen müssen, wie sie nötig gewesen sind, um die Aussetzung der Vollziehung ohne die Einschränkung durch den Widerrufsvorbehalt der Finanzbehörde, nämlich durch eine von ihrer Regelung unabhängige Regelung durch das Gericht zu treffen.

23

Das Gericht hätte dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung, an den es gebunden war, allenfalls insoweit stattgeben können, als die Aussetzung der Vollziehung durch die Finanzbehörde und das Gericht zusammen genommen dem Betrag nach den Umfang nicht überschritten, den die Aussetzung der Vollziehung durch das Gericht bei einem uneingeschränkten Umfang gehabt hätte. In letzterem Fall jedoch hätte die Antragstellerin nicht dem Umfang der Aussetzung der Vollziehung dem Betrag nach (quantitativ), wohl aber qualitativ besser gestanden, wäre ihr doch die gerichtliche Aussetzung der Vollziehung auch dann in vollem Umfang erhalten geblieben, wenn die Finanzbehörde vom Widerrufsvorbehalt Gebrauch machte, was nach Maßgabe ihres Antrags gerade nicht der Fall gewesen wäre.

24

Ergeht eine gerichtliche Entscheidung, durch die die Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheids ausgesetzt wird, so bindet diese die betroffene Verwaltungsbehörde; nur das Gericht der Hauptsache kann gemäß § 69 Abs. 6 Satz 1 FGO die von ihm nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO getroffene Aussetzungsanordnung ändern oder aufheben. Eine von der Finanzbehörde – während des gerichtlichen Aussetzungsverfahrens – gewährte, unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs gestellte Aussetzung der Vollziehung erledigt deshalb nicht das – an das Finanzgericht herangetragene – Anliegen des Steuerpflichtigen, vor einer Vollziehung unabhängig von dem Standpunkt der Verwaltungsbehörde geschützt zu sein (BFH-Beschluss vom 12. Mai 2000 VI B 266/98, BStBl II 2000, 536). Die Rechtsstellung des Steuerpflichtigen, dem das Finanzamt Aussetzung der Vollziehung unter dem Vorbehalt des Widerrufs gewährt hat, ist – qualitativ – ungünstiger als die desjenigen Steuerpflichtigen, dem die Aussetzung der Vollziehung ohne eine solche Nebenbestimmung gewährt worden ist (BFH-Beschluss vom 12. Mai 2000 VI B 266/98, BStBl II 2000, 536).

25

(b) Auch hinsichtlich einer etwaigen Sicherheitsleistung, die der Antragsgegner im Wege eines Teilwiderrufs als Nebenbestimmung in seinen Verwaltungsakt hätte aufnehmen können, hätte die Antragstellerin ohne die Einschränkung ihres Antrags ohne gesteigerte Anstrengungen, Voraussetzungen oder Risiken einen weitergehenden als den von ihr beantragten Rechtsschutz erhalten können.

26

Der Antrag war dahingehend auszulegen, dass die Aussetzung des Gewerbesteuermessbescheids, des Grundlagenbescheids gegenüber dem Gewerbesteuerbescheid, unter Ausschluss der Sicherheitsleistung (§ 69 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 6 Halbs. 2 FGO) begehrt wurde. Denn es gab keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin zwar die Aussetzung der Vollziehung des Körperschaftsteuerbescheids ohne Sicherheitsleistung begehrt, ihren Antrag hinsichtlich der Aussetzung des Messbescheids jedoch unter diesem Aspekt eingeschränkt hätte.

27

Das Gericht hätte die Entscheidung über die Sicherheitsleistung im Rahmen einer einheitlichen Ermessensentscheidung treffen müssen (Koch in Gräber, FGO, 7. Aufl., 2010,
§ 69, Rz. 154). Es hätte somit, soweit es eine Gefährdung des Gewerbesteueranspruchs für gefährdet erachtet hätte, eine Sicherheitsleistung auch insoweit anordnen müssen, als bereits der Antragsgegner die Aussetzung der Vollziehung gewährt hatte.

28

Auch hinsichtlich der Sicherheitsleistung hatte die Antragstellerin somit kein anzuerkennendes Bedürfnis nach einem nach Maßgabe ihres Antrags eingeschränktem Rechtsschutz, da sich durch die Einschränkung keine geringere Sicherheitsleistung ergeben konnte.

29

(Im Falle eines (im Streitfall nicht vorliegenden) progressiven Steuertarifs, müsste das Finanzgericht, sollte es eine Gefährdung des Steueraufkommens nur insoweit annehmen, als es dem Betrag nach eine weiter gehende Aussetzung der Vollziehung ausspräche, eine eben diesen Betrag übersteigende Sicherheitsleistung vorsehen, wenn es gesetzeskonform wäre, die Aussetzung der Vollziehung insoweit auszusprechen, als sie nicht bereits von der Finanzbehörde gewährt worden wäre.)

30

cc) Die Einschränkung ihres Antrags durch die Antragstellerin ist nicht etwa durch den Umfang ihres Rechtsschutzbedürfnisses in rechtlich anzuerkennender Weise (quantitativ) gerechtfertigt gewesen.

31

(1) Allerdings soll dem Antragsteller, soweit die Behörde die Aussetzung der Vollziehung gewährt hat, das Rechtsschutzbedürfnis regelmäßig fehlen (Seer in Tipke/Kruse, FGO, 127. Lfg., Oktober 2011, § 69, Rz. 73; Gosch in Beermann/Gosch, FGO, 114. Lfg., Oktober 2010, Rz. 276).

32

(2) Hierbei wird teilweise differenziert:

33

(a) In der Aufnahme eines Widerrufsvorbehalts soll eine Beschwer durch die mit diesem verbundene Rechtsunsicherheit liegen, die bereits ein Rechtsschutzbedürfnis begründe (vgl. Seer in Tipke/Kruse, FGO, 127. Lfg., Oktober 2011, § 69, Rz. 73).

34

(b) Nach anderer Auffassung soll, soweit die Behörde dem Begehren nach Aussetzung der Vollziehung in Höhe eines quantitativ abgegrenzten Teils des Verwaltungsakts entsprochen hat, keine Veranlassung für eine sich auf diesen Teil beziehende richterliche Entscheidung bestehen (Gosch in Beermann/Gosch, FGO, 114. Lfg., Oktober 2010, § 69, Rz. 276).

35

(3) Dem ist nicht zu folgen:

36

(a) Der Rechtsstreit erledigt sich nicht etwa in der Hauptsache, wenn die Finanzbehörde die Aussetzung der Vollziehung zwar dem Betrag nach im begehrten Umfang, jedoch unter Widerrufsvorbehalt gewährt (BFH-Beschluss vom 11. Juni 2010 IV S 1/10, BFH/NV 2010, 1851; Brandis in Tipke/Kruse, FGO, 135. Lfg., Januar 2014, § 138, Rz. 10).

37

(b) Dementsprechend kann ein Rechtsschutzbedürfnis jedenfalls dann nicht verneint werden, wenn die Finanzbehörde einen Widerrufsvorbehalt angebracht hat.

38

dd) Ferner war die Einschränkung des Antrags durch die Antragstellerin auch nicht durch die besonderen Zugangsvoraussetzungen des § 69 Abs. 4 FGO gerechtfertigt. Denn bereits die lediglich teilweise Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung dem Betrage nach verschafft gemäß § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO den Zugang zum gerichtlichen Rechtsschutz nach § 69 Abs. 3 FGO in vollem Umfang, was auch dann gilt, wenn man ein Rechtsschutzbedürfnis verneint, soweit die Aussetzung der Vollziehung unter Widerrufsvorbehalt gewährt worden ist (vgl. Seer in Tipke/Kruse, FGO, 127. Lfg., Oktober 2011, § 69, Rz. 73).

39

b) Das Anliegen der Antragstellerin, soweit der Antragsgegner die Aussetzung der Vollziehung zwar bereits, jedoch lediglich unter Widerrufsvorbehalt gewährt hatte, vor der Vollziehung nur in Abhängigkeit vom Antragsgegner geschützt zu sein, war überdies nicht statthaft. Die FGO sieht einen derart gestalteten einstweiligen Rechtsschutz durch das Finanzgericht nicht vor.

40

aa) Ein Nebeneinander behördlicher und gerichtlicher Aussetzung der Vollziehung ist gesetzeskonform, nicht hingegen ein Ineinandergreifen. Zu Letzterem aber käme es, gäbe das Gericht dem Antrag statt: Das Gericht müsste einerseits die Aussetzung der Vollziehung in weiterem Umfang als die Finanzbehörde (und nicht etwa hinsichtlich weiterer unselbständiger Besteuerungsgrundlagen(§ 157 Abs. 2 AO) aussprechen, andererseits aber diesen Ausspruch durch die Maßgabe, dass der Widerrufsvorbehalt, soweit ihn die Finanzbehörde angebracht habe, bestehen bleibe, einschränken, ohne dass es dafür eine gesetzliche Grundlage gäbe. Damit nähme das Gericht eine einzig der Behörde mögliche Regelung in seine Entscheidung auf.

41

bb) Das Gericht hat jedoch im Verfahren nach § 69 Abs. 3 FGO eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen, nicht aber eine Ermessensentscheidung der Finanzbehörde zu überprüfen und etwaig zu modifizieren.

42

(1) Das gerichtliche Aussetzungsverfahren bildet weder ein Rechtsbehelfs- noch ein Rechtsmittelverfahren. Die materielle Entscheidung ist vom Finanzgericht ist nach denselben Vorgaben wie im behördlichen Aussetzungsverfahren zu treffen. Das Finanzgericht überprüft nicht die im finanzbehördlichen Aussetzungsverfahren getroffene Ermessensentscheidung (Koch in Gräber, FGO, 7. Aufl., 2010, § 69, Rz. 110), sondern hat nach Maßgabe des § 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2, Abs. 2 Satz 2 FGO eine eigenständige Ermessensentscheidung zu treffen (BFH-Beschluss vom 12. Mai 2000 VI B 266/98, BStBl II 2000, 536).

43

(2) Die gemäß § 120 Abs. 1, 2 Nr. 3 und Abs. 3 AO erfolgte Beifügung eines Widerrufsvorbehalts in einer Aussetzungsverfügung des Finanzamts ist der finanzgerichtlichen Kontrolle entzogen. Dies ist die Folge der durch § 69 Abs. 7 FGO und § 361 Abs. 5 AO bewirkten eingeschränkten Rechtsschutzmöglichkeit des Steuerpflichtigen auf dem Gebiete des vorläufigen Rechtsschutzes (BFH-Beschluss vom 12. Mai 2000 VI B 266/98, BStBl II 2000, 536). Gegen die Ablehnung der Vollziehung durch die Finanzbehörde kann zwar das Einspruchsverfahren beschritten werden, gegen die Einspruchsentscheidung ist jedoch eine Klage nicht statthaft (BFH-Beschluss vom 12. Mai 2000 VI B 266/98, BStBl II 2000, 536). Das Verfahren nach § 69 Abs. 3 FGO sieht nicht etwa die Überprüfung einer Verwaltungsentscheidung über die Aussetzung und / oder Aufhebung der Vollziehung eines Verwaltungsakts vor (Seer in Tipke/Kruse, FGO, 127. Lfg., Oktober 2011, § 69, Rz. 152).

44

(3) Die Entscheidung nach § 69 Abs. 3 FGO erwächst aufgrund der Regelung des § 69 Abs. 6 Satz 1 FGO nicht in Rechtskraft, während die Entscheidung der Finanzbehörde in Bestandskraft erwachsen kann.

45

cc) Das durchaus denkbare zeitgleiche Nebeneinander von behördlicher und gerichtlicher Aussetzung der Vollziehung führt zu keinem anderen Ergebnis.

46

Hegt die Finanzbehörde selbst ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des von ihr erlassenen Verwaltungsakts, so wird dies in der Regel mit eben solchen Zweifeln des Gerichts einhergehen, mitunter jedoch auch nicht. Auch müssen sich die Zweifel nicht auf dieselben Besteuerungsgrundlagen beziehen. Ferner kann das Gericht zwar die Zweifel der Finanzbehörde teilen und dennoch eine etwaige Verletzung der Rechte des Inhaltsadressaten des Verwaltungsakts verneinen, weil es erkennt, dass weitere von der Finanzbehörde nicht erkannte Besteuerungsgrundlagen dazu führen, dass z.B. die Steuer im angefochtenen Bescheid zu niedrig festgesetzt worden ist.

47

c) Wollte man den Antrag dahin auszulegen, das Gericht möchte die Aussetzung der Vollziehung mit der Maßgabe gewähren, dass sie dem Betrag nach jeweils den Umfang habe solle, in dem der Antragsgegner sie aktuell (z.B. im Falle eines (Teil)Widerrufs) abgelehnt habe, so hätte der Antrag unter der außerprozessualen Bedingung des Verhalts des Antragsgegners gestanden und wäre daher unzulässig gewesen (vgl. BFH-Beschluss vom 09. November 2000 XI B 107/99, BFH/NV 2001, 615).


Tatbestand

1

I. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ist die geschiedene Ehefrau des im September 2011 verstorbenen Erblassers (E). Aufgrund eines Vermächtnisses des E erhält sie auf Lebenszeit eine monatliche Rente von 2.700 €.

2

Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) setzte für den Erwerb der Antragstellerin in Höhe von 342.015 € (Jahreswert der Rente 32.400 € x Vervielfältiger 10,556) mit Bescheid vom 1. Oktober 2012 Erbschaftsteuer in Höhe von 71.000 € fest, die die Antragstellerin am 2. November 2012 entrichtete.

3

Mit dem Einspruch machte die Antragstellerin im Hinblick auf den Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 27. September 2012 II R 9/11 (BFHE 238, 241, BStBl II 2012, 899) und das damit beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anhängige Verfahren 1 BvL 21/12 die Verfassungswidrigkeit des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der Fassung des Erbschaftsteuerreformgesetzes vom 24. Dezember 2008 --ErbStG-- (BGBl I 2008, 3018) geltend. Das Einspruchsverfahren ruht bis zu einer Entscheidung des BVerfG im Verfahren 1 BvL 21/12.

4

Die von der Antragstellerin beantragte Aussetzung der Vollziehung (AdV) lehnte das FA ab. Die beim Finanzgericht (FG) beantragte Aufhebung der Vollziehung wurde ebenfalls abgelehnt. Das FG führte zur Begründung aus, das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwiege nicht die öffentlichen Interessen am ordnungsgemäßen Gesetzesvollzug und an einer geordneten Haushaltsführung. Die festgesetzte Erbschaftsteuer belaufe sich nur auf knapp 25 % des Erwerbs. Die Antragstellerin könne etwaige finanzielle Härten durch die Wahl der Jahresversteuerung gemäß § 23 ErbStG abmildern. Die Gewährung einer Aufhebung der Vollziehung käme dagegen einem einstweiligen Außerkraftsetzen des ErbStG gleich.

5

Mit der Beschwerde rügt die Antragstellerin die Verletzung des § 69 Abs. 2 Sätze 2 und 7 sowie Abs. 3 Sätze 1 und 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die nach Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) gewährleistete Garantie auf effektiven Rechtsschutz könne einem Steuerpflichtigen bei einem Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht dadurch faktisch entzogen werden, dass nach der Rechtsprechung des BFH dem öffentlichen Interesse an einer geordneten Haushaltswirtschaft der Vorrang vor dem Interesse des Steuerpflichtigen an einer AdV eingeräumt werde (vgl. BFH-Beschluss vom 1. April 2010 II B 168/09, BFHE 228, 149, BStBl II 2010, 558). Außerdem fehle eine gesetzliche Grundlage, die bei ernstlichen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit einer der Besteuerung zugrunde gelegten Norm ein besonderes berechtigtes Interesse des Steuerpflichtigen an der AdV verlange. Die Ablehnung der AdV sei auch nicht damit zu rechtfertigen, dass nach der Rechtsprechung des BFH (II. Senat) regelmäßig keine weitergehende Entscheidung getroffen werden könne als vom BVerfG zu erwarten sei (vgl. BFH-Beschluss vom 17. Juli 2003 II B 20/03, BFHE 202, 380, BStBl II 2003, 807). Dies bedeute eine Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache, weil die fortgesetzte Vollziehung aller Erbschaftsteuerbescheide kaum rückgängig zu machen sei und damit für den einzelnen Steuerpflichtigen dauerhaft nachteilige Wirkungen habe.

6

Die Antragstellerin beantragt, die Vorentscheidung und die Vollziehung des Erbschaftsteuerbescheids vom 1. Oktober 2012 aufzuheben.

7

Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Beschwerde ist begründet. Die Vorentscheidung und die Vollziehung des angefochtenen Erbschaftsteuerbescheids sind aufzuheben. Entgegen der Auffassung des FG kommt dem Interesse der Antragstellerin an der Aufhebung der Vollziehung der Vorrang gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug des ErbStG zu.

9

1. An der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Erbschaftsteuerbescheids bestehen --wie das FG zutreffend ausgeführt hat-- ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO.

10

a) Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO hat das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Steuerbescheids neben den für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen bewirken (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 3. April 2013 V B 125/12, BFHE 240, 447, m.w.N.). Im Falle eines bereits vollzogenen Verwaltungsaktes ist die Vollziehung wieder aufzuheben (§ 69 Abs. 3 Satz 3 FGO).

11

b) Im Streitfall bestehen ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Tarifvorschrift des § 19 Abs. 1 ErbStG. Beim BVerfG ist unter dem Az. 1 BvL 21/12 ein Normenkontrollverfahren zu der Frage anhängig, ob die Vorschrift des § 19 Abs. 1 ErbStG i.V.m. §§ 13a und 13b ErbStG wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verfassungswidrig ist, weil die in §§ 13a und 13b ErbStG vorgesehenen Steuervergünstigungen in wesentlichen Teilbereichen von großer finanzieller Tragweite über das verfassungsrechtlich gerechtfertigte Maß hinausgehen und dadurch die Steuerpflichtigen, die die Vergünstigungen nicht beanspruchen können, in ihrem Recht auf eine gleichmäßige, der Leistungsfähigkeit entsprechende und folgerichtige Besteuerung verletzt werden (vgl. Vorlagebeschluss des BFH in BFHE 238, 241, BStBl II 2012, 899).

12

2. Das Interesse der Antragstellerin an der Aufhebung der Vollziehung ist gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug des ErbStG vorrangig.

13

a) Nach ständiger Rechtsprechung setzt eine Aufhebung der Vollziehung, die mit ernstlichen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit einer dem angefochtenen Steuerbescheid zugrunde liegenden Gesetzesvorschrift begründet wird, voraus, dass nach den Umständen des Einzelfalles ein besonderes berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes besteht, dem der Vorrang vor dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Gesetzes zukommt (vgl. BFH-Beschlüsse in BFHE 228, 149, BStBl II 2010, 558; vom 21. Mai 2010 IV B 88/09, BFH/NV 2010, 1613; vom 9. März 2012 VII B 171/11, BFHE 236, 206, BStBl II 2012, 418; vom 13. März 2012 I B 111/11, BFHE 236, 501, BStBl II 2012, 611; vom 9. Mai 2012 I B 18/12, BFH/NV 2012, 1489; vom 18. Juni 2012 II B 17/12, BFH/NV 2012, 1652; Erfordernis eines berechtigten Interesses offen gelassen: BFH-Beschlüsse vom 23. August 2007 VI B 42/07, BFHE 218, 558, BStBl II 2007, 799, und vom 25. August 2009 VI B 69/09, BFHE 226, 85, BStBl II 2009, 826).

14

Das BVerfG hat dieser Rechtsprechung im Grundsatz zugestimmt (BVerfG-Beschlüsse vom 6. April 1988  1 BvR 146/88, Steuerrechtsprechung in Karteiform --StRK--, Finanzgerichtsordnung, § 69, Rechtsspruch 283; vom 3. April 1992  2 BvR 283/92, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1992, 726; kritisch insoweit Niedersächsisches FG, Beschluss vom 6. Januar 2011  7 V 66/10, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2011, 827; Gosch in Beermann/Gosch, FGO, § 69 Rz 179 ff.; Gräber/ Koch, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 69 Rz 113; Schallmoser, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2010, 297 ff.; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 69 FGO Rz 97; Specker, Deutsche Steuer-Zeitung 2010, 800, 802 f.; einschränkend auch FG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13. Oktober 2011  12 V 12089/11, EFG 2012, 358). In neueren Entscheidungen hat das BVerfG die Frage, ob die Rechtsprechung des BFH (in BFHE 228, 149, BStBl II 2010, 558) in jeder Hinsicht mit Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar ist, wegen der fehlenden Entscheidungserheblichkeit offen gelassen (BVerfG-Beschlüsse vom 24. Oktober 2011  1 BvR 1848/11, 1 BvR 2162/11, HFR 2012, 89, und vom 6. Mai 2013  1 BvR 821/13, HFR 2013, 639).

15

b) Bei der Prüfung, ob ein berechtigtes Interesse des Steuerpflichtigen an der Aussetzung bzw. der Aufhebung der Vollziehung eines Steuerbescheids vorliegt, ist das individuelle Interesse des Steuerpflichtigen mit den gegen die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes sprechenden öffentlichen Belangen abzuwägen. Dabei kommt es maßgeblich einerseits auf die Bedeutung und die Schwere des durch die Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheids eintretenden Eingriffs beim Steuerpflichtigen und andererseits auf die Auswirkungen einer Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung auf den Gesetzesvollzug und das öffentliche Interesse an einer geordneten Haushaltsführung an (BFH-Beschlüsse in BFHE 228, 149, BStBl II 2010, 558; in BFHE 236, 206, BStBl II 2012, 418; in BFHE 236, 501, BStBl II 2012, 611; in BFH/NV 2012, 1489).

16

c) Allerdings hat der BFH in Fällen, in denen die ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes auf Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit einer dem Verwaltungsakt zugrunde liegenden Gesetzesvorschrift beruhen, in verschiedenen Fallgruppen dem Aussetzungsinteresse des Steuerpflichtigen den Vorrang vor den öffentlichen Interessen eingeräumt (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 228, 149, BStBl II 2010, 558, m.w.N.). Dazu zählt auch der Fall, dass der BFH die vom Antragsteller als verfassungswidrig angesehene Vorschrift bereits dem BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 GG zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit vorgelegt hat (vgl. BFH-Beschlüsse in BFHE 228, 149, BStBl II 2010, 558, und vom 23. April 2012 III B 187/11, BFH/NV 2012, 1328, jeweils m.w.N.).

17

Bis zur Entscheidung des BVerfG ist zwar ungewiss, ob dieses die Vorschrift als verfassungswidrig beurteilen und im Fall einer Verfassungswidrigkeit für nichtig oder (nur) für mit dem GG unvereinbar erklären wird und welche Rechtsfolge es hieraus ziehen wird. Jedoch hat der BFH vorläufigen Rechtsschutz auf der Basis seiner, der Vorlage zugrunde liegenden Rechtsauffassung zu gewähren (vgl. BFH-Beschluss vom 22. Dezember 2003 IX B 177/02, BFHE 204, 39, BStBl II 2004, 367, m.w.N.). Eine Einschränkung des vorläufigen Rechtsschutzes bei Verfassungsverstößen, von denen das Gericht überzeugt ist, gegenüber dem bei sonstigen Rechtsverstößen zu gewährenden vorläufigen Rechtsschutz ist dem rechtsuchenden Steuerpflichtigen im Hinblick auf seinen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) nicht zuzumuten (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 204, 39, BStBl II 2004, 367). Mit dem Begehren nach vorläufigem Rechtsschutz muss der Steuerpflichtige auch in Kauf nehmen, dass bei einer Erfolglosigkeit des Einspruchs oder der Klage gegen den Steuerbescheid Aussetzungszinsen nach § 237 der Abgabenordnung (AO) anfallen, die für jeden Monat ein halbes Prozent betragen (§ 238 Abs. 1 Satz 1 AO).

18

d) Ist --wie bei der Erbschaftsteuer-- die dem BVerfG zur Prüfung vorgelegte Vorschrift allerdings eine Tarifnorm, muss im Rahmen der Interessensabwägung auch berücksichtigt werden, dass in diesem Fall die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes praktisch zu einer einstweiligen Nichterhebung der gesamten Steuer führen kann. Die Kompetenz, den Vollzug eines Gesetzes auszusetzen, steht aber nach § 32 Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht allein dem BVerfG zu, das von dieser Möglichkeit nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Gründe Gebrauch machen darf (BVerfG-Beschluss vom 22. Mai 2001  2 BvQ 48/00, BVerfGE 104, 23, 27 f.). Dennoch hat ein Steuerpflichtiger auch in einem solchen Fall Anspruch auf effektiven Rechtsschutz. Nur in Ausnahmefällen können überwiegende öffentliche Belange es rechtfertigen, den Rechtsschutzanspruch des Grundrechtsträgers einstweilen zurückzustellen (vgl. BVerfG-Beschluss in StRK, Finanzgerichtsordnung, § 69, Rechtsspruch 283).

19

e) Nachdem zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 19 Abs. 1 ErbStG i.V.m. §§ 13a und 13b ErbStG aufgrund des Vorlagebeschlusses des BFH (in BFHE 238, 241, BStBl II 2012, 899) ein Normenkontrollverfahren beim BVerfG anhängig ist, ist die Vollziehung eines auf § 19 Abs. 1 ErbStG beruhenden Erbschaftsteuerbescheids auf Antrag des Steuerpflichtigen auszusetzen oder aufzuheben, wenn ein berechtigtes Interesse des Steuerpflichtigen an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes besteht. Ein berechtigtes Interesse liegt jedenfalls vor, wenn der Steuerpflichtige mangels des Erwerbs liquider Mittel (wie z.B. Bargeld, Bankguthaben, mit dem Ableben des Erblassers fällige Versicherungsforderungen) zur Entrichtung der festgesetzten Erbschaftsteuer eigenes Vermögen einsetzen oder die erworbenen Vermögensgegenstände veräußern oder belasten muss. In diesen Fällen kann der Erwerber die Erbschaftsteuer nicht bzw. nicht ohne weitere, ggf. auch verlustbringende Dispositionen aus dem Erwerb begleichen. Es ist ihm hier deshalb nicht zuzumuten, die Erbschaftsteuer vorläufig zu entrichten. Wegen des vorrangigen Interesses des Steuerpflichtigen steht der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht entgegen, dass das ErbStG als formell zustande gekommenes Gesetz bis zu einer gegenteiligen Entscheidung des BVerfG Geltung beansprucht und von den Behörden und Gerichten anzuwenden ist.

20

Gehören dagegen zu dem der Erbschaftsteuer unterliegenden Erwerb auch verfügbare Zahlungsmittel, die zur Entrichtung der Erbschaftsteuer eingesetzt werden können, fehlt regelmäßig ein vorrangiges Interesse des Steuerpflichtigen an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Durch die Begleichung der Erbschaftsteuer vermindern sich lediglich die dem Steuerpflichtigen mit dem Erwerb zugeflossenen Zahlungsmittel, so dass die vorläufige Zahlung der Erbschaftsteuer dem Steuerpflichtigen zuzumuten ist.

21

f) Im Streitfall ist das Interesse der Antragstellerin an der Aufhebung der Vollziehung des Erbschaftsteuerbescheids gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug des ErbStG vorrangig.

22

aa) Die Antragstellerin konnte die mit Bescheid vom 1. Oktober 2012 festgesetzte Erbschaftsteuer von 71.000 € bei Fälligkeit nicht aus den ihr zu diesem Zeitpunkt zugeflossenen Rentenzahlungen von monatlich 2.700 € entrichten. Wegen des Ansatzes der Rente nach § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 14 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes mit dem Kapitalwert war ein Erwerb nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG in Höhe von 342.015 € (Jahreswert der Rente 32.400 € x Vervielfältiger 10,556) zu besteuern. Die dafür festgesetzte Erbschaftsteuer überstieg zum Zeitpunkt der Fälligkeit die Rentenzahlungen, die die Antragstellerin bis dahin für die Zeit nach dem Ableben des E (im September 2011) erhalten hatte. Die Rentenzahlungen dienten im Übrigen --nach dem unbestrittenen Vortrag der Antragstellerin im Einspruchsverfahren-- der Bestreitung ihres Lebensunterhalts, so dass die Antragstellerin den Zahlungseingang von vornherein allenfalls nur in einem hier zu vernachlässigenden Umfang zur Begleichung der Erbschaftsteuer verwenden konnte. Die Erbschaftsteuer musste überwiegend aus eigenen Mitteln der Antragstellerin entrichtet werden. Im Hinblick darauf ist derzeit ein berechtigtes Interesse der Antragstellerin an der Aufhebung der Vollziehung des Erbschaftsteuerbescheids auch insoweit gegeben, als sie in der Zeit ab Fälligkeit der Erbschaftsteuer bis zur Entscheidung über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes weiterhin Rentenzahlungen erhalten hat. Dies schließt einen späteren Änderungsantrag nach § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO nicht aus.

23

bb) Der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes kann nicht entgegen gehalten werden, dass die Antragstellerin das Wahlrecht nach § 23 ErbStG hätte ausüben können.

24

Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 ErbStG können Steuern, die von dem Kapitalwert von Renten zu entrichten sind, nach Wahl des Erwerbers statt vom Kapitalwert jährlich im Voraus von dem Jahreswert entrichtet werden. Durch das Wahlrecht soll die unbillige Härte abgemildert werden, die sich aus der Besteuerung von Renten mit dem Kapitalwert ergibt, wenn dem Erwerber zur Begleichung der hohen Steuer die liquiden Mittel fehlen (vgl. Schuck in Viskorf/Knobel/Schuck, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, 4. Aufl., § 23 ErbStG Rz 1). Das Wahlrecht ist jedoch mit dem Nachteil verbunden, dass die Erbschaftsteuer in diesem Fall nach der wirklichen und nicht nach der auf der Wahrscheinlichkeitsrechnung beruhenden Lebensdauer erhoben wird; lebt der Berechtigte länger als es der Wahrscheinlichkeitsrechnung entspricht, so ist die Gesamtbelastung höher (vgl. Schuck, a.a.O., § 23 ErbStG Rz 16). Zudem muss auch bei Ausübung dieses Wahlrechts die Erbschaftsteuer jährlich im Voraus beglichen werden. Der Antragstellerin muss deshalb die Entscheidung überlassen bleiben, ob sie das gesetzliche Wahlrecht in Anspruch nimmt oder nicht. Allein das Bestehen des einfachgesetzlichen Wahlrechts nach § 23 ErbStG kann nicht dazu führen, das grundgesetzlich geschützte Recht der Antragstellerin auf effektiven Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG einzuschränken. Der Antragstellerin stehen beide Rechte gleichermaßen zu.

25

3. Soweit der Senat bisher vorläufigen Rechtsschutz versagt hat, wenn zu erwarten ist, dass das BVerfG lediglich die Unvereinbarkeit eines Gesetzes mit dem GG aussprechen und dem Gesetzgeber eine Nachbesserungspflicht für die Zukunft aufgeben wird (vgl. BFH-Beschlüsse vom 11. Juni 1986 II B 49/83, BFHE 146, 474, BStBl II 1986, 782; vom 11. September 1996 II B 32/96, BFH/NV 1997, 270; in BFHE 202, 380, BStBl II 2003, 807; vom 5. April 2011 II B 153/10, BFHE 232, 380, BStBl II 2011, 942; vom 4. Mai 2011 II B 151/10, BFH/NV 2011, 1395), wird daran im Hinblick auf die geäußerte Kritik (vgl. Seer, a.a.O., § 69 FGO Rz 96; derselbe, DStR 2012, 325, 328 f.; Gosch, a.a.O., § 69 Rz 180.1; Gräber/Koch, a.a.O., § 69 Rz 113; Anwendung offen gelassen: BFH-Beschlüsse in BFHE 236, 501, BStBl II 2012, 611, und in BFH/NV 2012, 1489) nicht mehr festgehalten.

26

Es ist nicht gerechtfertigt, aufgrund einer Prognose über die Entscheidung des BVerfG vorläufigen Rechtsschutz generell auszuschließen. Ist ein qualifiziertes Interesse des Steuerpflichtigen an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vorhanden, muss es im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG auch effektiv durchsetzbar sein und darf nicht deshalb leerlaufen, weil das BVerfG möglicherweise in einem Normenkontrollverfahren eine Weitergeltung verfassungswidriger Normen anordnet. Aus diesem Grund ist auch im Streitfall eine Aufhebung der Vollziehung unabhängig davon zu gewähren, ob das BVerfG im Verfahren 1 BvR 21/12 für den Fall, dass es zu der Überzeugung gelangt, § 19 Abs. 1 ErbStG sei mit dem GG unvereinbar, die Norm für nichtig erklärt oder wiederum eine zeitlich beschränkte Weitergeltung anordnet. Sollte das BVerfG eine solche Weitergeltungsanordnung treffen und dem Gesetzgeber eine Neuregelung aufgeben, besteht auch die Möglichkeit, dass die Neuregelung des ErbStG den Steuerpflichtigen, deren Erwerbe zeitlich von der Weitergeltungsanordnung erfasst werden, ein Wahlrecht auf Anwendung des neuen Rechts einräumt.

27

4. Die Vollziehung des Erbschaftsteuerbescheids vom 1. Oktober 2012 war ohne Sicherheitsleistung aufzuheben.

28

Nach § 69 Abs. 3 Satz 3 FGO kann die Aufhebung der Vollziehung auch gegen Sicherheit angeordnet werden. Durch die Verknüpfung mit einer Sicherheitsleistung sollen Steuerausfälle bei einem für den Steuerpflichtigen ungünstigen Verfahrensausgang vermieden werden. Die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ist regelmäßig ohne Sicherheitsleistung auszusetzen, wenn seine Rechtmäßigkeit ernstlich zweifelhaft ist und keine konkreten Anhaltspunkte dafür bestehen, dass bei einem Unterliegen des Antragstellers im Hauptsacheverfahren die Durchsetzung des Steueranspruchs gefährdet wäre (BFH-Beschluss vom 12. September 2011 VIII B 70/09, BFH/NV 2012, 229, Rz 21). Im Streitfall gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Antragstellerin nicht über eine gesicherte Vermögenslage verfügt und daher die Gefahr eines Steuerausfalls besteht.

Tatbestand

1

I. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin), eine GmbH, betreibt als Franchisenehmer einer Fast-Food-Kette mehrere Schnellrestaurants. Sie lieferte ihre Produkte --Speisen und Getränke-- sowohl zum Verzehr innerhalb der Restaurants, als auch zum Verzehr außer Haus. Dabei lieferte sie auch sog. "Sparmenüs", bei denen es sich um Produktzusammenstellungen handelte, die neben Speisen wie Sandwiches und Pommes frites auch Getränke in verschiedenen Größen umfassten. Hierfür hatte der Kunde einen Pauschalpreis zu entrichten, der unter der Summe der Einzelveräußerungspreise der Menübestandteile lag. Für den Kunden war keine Aufschlüsselung der auf die einzelnen Bestandteile des Menüs entfallenen Preise erkennbar. Lediglich aus dem Kassenzettel war für den Kunden ersichtlich, dass ein Bestandteil des Pauschalpreises mit dem ermäßigten Steuersatz und einer mit dem Regelsteuersatz besteuert wurde.

2

Den Unterschiedsbetrag zwischen der Summe der Einzelpreise und dem Preis des "Sparmenüs" ("Rabatt") berücksichtigte die Antragstellerin ausschließlich bei dem --dem Regelsteuersatz unterliegenden-- Getränk. Dies führte im Streitjahr 2002 dazu, dass bei einem sog. mittleren Menü der Preis für das Getränk, dessen Einzelverkaufspreis sich auf ca. 27 % der Summe aller Einzelverkaufspreise des "Sparmenüs" belief, im Rahmen des "Sparmenüs" dagegen nur noch ca. 12,6 % des Menüpreises ausmachte.

3

Grundlage hierfür war insbesondere ein Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) vom 4. Oktober 2004 (auf eine Anfrage einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft), wonach "... bei der Lieferung von Menüs, die Getränke einschließen, im Rahmen von Außer-Haus-Verkäufen keine einheitlichen Leistungen vorliegen, sondern mehrere Lieferungen ausgeführt werden. Der jeweilige Unternehmer kann das Gesamtentgelt auf die einzelnen Lieferbestandteile aufteilen. Diese Aufteilung darf jedoch im Hinblick auf die unterschiedlichen Steuersätze nicht missbräuchlich i.S. des § 42 der Abgabenordnung (AO) erfolgen. Damit wird den Unternehmern keine bestimmte Art der Aufteilung des Preisnachlasses vorgeschrieben. Aufgrund der besonders hohen Aufschlagssätze bei den Getränken erscheint eine Rabattgewährung überwiegend bei den Getränken durchaus gerechtfertigt zu sein, wenn die Preisbildung nicht missbräuchlich wird, d.h. das Entgelt kann nach Rabattgewährung noch als angemessen beurteilt werden. Die einzelnen Produkte, aus denen sich das Sparmenü zusammensetzt, können damit zwar unterschiedlich kalkuliert werden, für jedes Produkt des Sparmenüs muss jedoch ein angemessener Gewinnaufschlag verbleiben. Wird das Entgelt für das einzelne Produkt des Sparmenüs aufgrund eines zu geringen Gewinnaufschlags zu niedrig angesetzt, würde sich allerdings die Frage des Gestaltungsmissbrauchs im Sinne von § 42 AO stellen".

4

Im Anschluss an eine Außenprüfung ging der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass die von der Antragstellerin vorgenommene Kaufpreisaufteilung missbräuchlich sei. Die Entgelte seien nach Einzelproduktpreisen ins Verhältnis zu setzen. Daher sei der Menüpreis in dem Verhältnis der Einzelverkaufspreise der Menükomponenten "linear" aufzuteilen und so die Bemessungsgrundlagen für die Besteuerung mit dem Regelsteuersatz (Getränk) einerseits und mit dem ermäßigten Steuersatz (Speisen) andererseits zu ermitteln. Das FA erließ am 8. November 2010 entsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre 2002 bis 2006.

5

Hiergegen legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung (AdV). Mit Verfügung vom 13. Januar 2011 lehnte das FA den Antrag auf AdV der Umsatzsteuerbescheide 2002 bis 2006 vom 8. November 2010 unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zur Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG ab.

6

Auch der beim Finanzgericht (FG) gestellte AdV-Antrag hatte keinen Erfolg. Mit dem in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2013, 172 veröffentlichten Beschluss entschied das FG, dass die Umsätze aus der Lieferung der sog. "Sparmenüs", die zu einem Pauschalpreis angeboten wurden, als "Außer-Haus-Menüs" hinsichtlich der Speisen dem ermäßigten Steuersatz und hinsichtlich des Getränks dem Regelsteuersatz unterlägen. Es sei keine einheitliche Leistung, sondern eine Mehrheit von Leistungen gegeben, die jeweils eigenständig zu beurteilen seien. Der auf die Speisen und auf die Getränke entfallende Teil des Entgelts sei unter Anwendung der einfachst möglichen Berechnungsmethode zu ermitteln. Aus Gründen der Einfachheit und Transparenz bezüglich der Marktpreise sei es sachgerecht, grundsätzlich auf die jeweiligen Einzelveräußerungspreise der Menükomponenten abzustellen. Auf dieser Grundlage sei es unter geringem Ermittlungs- und Berechnungsaufwand auf einfache Weise möglich, das pauschale Entgelt für das Menü in dem Verhältnis, in welchem die Einzelveräußerungspreise der Komponenten zueinander stünden, sachgerecht aufzuteilen. Es bedürfe für diese Form der Ermittlung allein der Heranziehung der im jeweiligen Streitjahr angesetzten Verkaufspreise und des Menüpreises, so dass die Berechnung bei einem aus drei Komponenten bestehenden Menü und gleichbleibenden Verkaufspreisen leicht ermittelbar sei. Dabei entspreche es auch dem Erfordernis der Einfachheit, den Menüpreis im Verhältnis der bekannten Einzelverkaufspreise aufzuteilen und nicht etwa eine oder zwei Komponente(n) mit ihrem Einzelverkaufspreis anzusetzen und den Wert der anderen Komponenten aus der Differenz zwischen diesem Einzelverkaufspreis und dem Pauschalpreis zu ermitteln. Denn bei letzterer Vorgehensweise müsse zudem ein plausibler und sachgerechter Maßstab für die Frage gefunden werden, welche Komponente(n) als Ausgangsgröße(n) heranzuziehen wäre(n) und --wenn nur eine Komponente mit ihrem Einzelverkaufspreis herangezogen werde-- wie sich der Restbetrag auf die verbleibenden Menübestandteile verteile. Diese Problematik stelle sich bei einer Aufteilung im Verhältnis der Einzelverkaufspreise nicht.

7

Die Wahl einer Methode auf der Grundlage tatsächlicher Kosten sei dagegen mit einem nicht nur einmaligen Ermittlungs- und Berechnungsaufwand verbunden, sondern wäre bei unterjährig schwankenden Einkaufspreisen ggf. mehrfach anzupassen. Es müsste neben dem Ausgangswert des Einstandspreises zusätzlich die Streitfrage der jeweiligen Marge pro Menübestandteil geklärt werden, um zu einem konkreten Preis für die Einzelleistungen zu gelangen. Die Antragstellerin habe auch keine transparente, nachvollziehbare einheitliche Methode angewendet. Vielmehr schwankten die auf die Menübestandteile entfallenen Preise, Margen bzw. Aufschlagssätze je nach Art des Menüs und über die Streitjahre hinweg nach einem sich nicht erschließenden System. Die hiergegen vorgebrachten Argumente der Antragstellerin, dass lediglich beim Getränk hinreichend Spielraum für eine Rabattgewährung bestünde, und dass eine verhältnismäßige Rabattgewährung zu einem negativen Rohgewinnaufschlagsatz bei den Hamburgern führen könnte, griffen nicht durch. Denn der Rabatt werde ausschließlich auf das Gesamtpaket in seiner jeweiligen --unveränderbaren-- Zusammenstellung gewährt. Ob das Anbieten eines solchen Leistungspakets zum jeweiligen Pauschalpreis unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten sinnvoll sei, hänge davon ab, in welchem Verhältnis die gesamten Kosten aller Menübestandteile zum pauschalen Verkaufspreis stünden. Es sei insoweit nicht ersichtlich, dass eine rein interne Zuordnung der Verkaufspreise vornehmlich auf die Speisen wirtschaftliche Vorteile für die Antragstellerin habe. Durch die interne "Verschiebung" der Bemessungsgrundlagen werde weder der Gesamtaufwand für die Menükomponenten noch die Summe des eingenommenen Geldes verändert. Es sei nicht erkennbar, weshalb es sich --bei insgesamt gleichbleibenden Kosten und Einnahmen-- als wirtschaftlich ungünstig erweisen sollte, wenn bei der internen Zuordnung der auf einzelne (untrennbare) Menükomponenten entfallene Rohgewinnaufschlag negativ würde.

8

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der vom FG zugelassenen Beschwerde. Die Kunden hätten die Kaufpreisaufteilung der Antragstellerin akzeptiert. Die Wahl des Aufteilungsmaßstabes unterliege der Privatautonomie. Es bestehe Preisbestimmungsautonomie. Aufgrund der hohen Aufschläge könne eine Rabattgewährung überwiegend bei den Getränken gerechtfertigt sein. Es entspreche betriebswirtschaftlichen und kaufmännischen Grundsätzen der Preisbildung, die Preisermäßigung auf den Produktteil mit dem höchsten Kalkulationsaufschlag zu gewähren. Den Vorgaben des BMF sei zu folgen. Im Hinblick auf die hohen Margen bei den Getränken sei der Rabatt bei deren Lieferung vorrangig zu berücksichtigen gewesen. Es liege kein Gestaltungsmissbrauch vor. Zumindest sei Vertrauensschutz zu gewähren. Zu berücksichtigen sei auch die Rechtsprechung zur Vorsteueraufteilung.

9

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des FG aufzuheben und die Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide 2002 bis 2006 vom 8. November 2010 auszusetzen.

10

Das FA beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

II. Die gemäß § 128 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet.

12

1. Nach § 128 Abs. 3 i.V.m. § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen bereits dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheides neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung seit dem Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182; BFH-Beschluss vom 20. Juli 2012 V B 82/11, BFHE 237, 545, BStBl II 2012, 809, unter II.1.). Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (vgl. BFH-Beschlüsse in BFHE 237, 545, BStBl II 2012, 809, unter II.1.; vom 7. September 2011 I B 157/10, BFHE 235, 215, BStBl II 2012, 590, unter II.2.). Zur Gewährung der AdV ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (BFH-Beschluss in BFHE 237, 545, BStBl II 2012, 809, unter II.1.).

13

2. Zwischen den Beteiligten ist zu Recht unstreitig, dass die Antragstellerin im Rahmen des "Sparmenüs" zwei Lieferungen, die des Getränks und die der Speise ausgeführt hat. Offen bleiben kann im Streitfall, ob das FA im Hinblick auf die Lieferung der Speise zu Recht von einer Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in Verbindung mit einer in der Anlage zum UStG genannten Position des Zolltarifs ausgegangen ist. Denn wie das FG zutreffend entschieden hat, bestehen keinerlei ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vom FA vorgenommenen Rabattaufteilung.

14

a) Im summarischen Verfahren geht der Senat --ohne darüber abschließend zu entscheiden-- zugunsten der Antragstellerin davon aus, dass die Speisenlieferung dem ermäßigten Steuersatz unterliegt und die Antragstellerin Gegenstände geliefert hat, die teils dem ermäßigten Steuersatz und teils --als Getränk-- dem Regelsteuersatz unterliegen.

15

Wie das FG zutreffend entschieden hat und im Übrigen zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, kommt es durch die Zusammenfassung von Speise und Getränk im Rahmen eines zum Mitnehmen bestimmten "Sparmenüs" umsatzsteuerrechtlich nicht zu einer einzigen Lieferung; es ist vielmehr bei der gebotenen summarischen Prüfung von zwei selbständigen Lieferungen auszugehen.

16

b) Ist somit im summarischen Verfahren von zwei unterschiedlich zu besteuernden Lieferungen auszugehen, ist der einheitliche Preis für das Menü in zwei Entgeltbestandteile aufzuteilen.

17

aa) Wie der EuGH in seinem Urteil vom 25. Februar 1999 C-349/96, CPP (Slg. 1999, I-973 Rdnr. 31) unter Bezugnahme auf sein Urteil vom 22. Oktober 1998 C-308/96 und C-94/97, Madgett und Baldwin (Slg. 1998, I-6229) entschieden hat, ist, wenn "Kunden trotz des einheitlichen Preises aus ihrer Sicht zwei gesonderte Dienstleistungen erwerben, nämlich eine Versicherungsdienstleistung und eine Kartenregistrierungsdienstleistung, ... der Teil des einheitlichen Preises, der sich auf die Versicherungsdienstleistung bezieht und jedenfalls von der Steuer befreit bliebe, herauszurechnen". Dabei ist die "einfachstmögliche Berechnung- oder Bewertungsmethode" zu verwenden. Nach dieser Rechtsprechung, der sich der BFH angeschlossen hat (BFH-Urteile vom 31. Mai 2001 V R 97/98, BFHE 194, 555, BStBl II 2001, 658, unter II.1.d, und vom 7. Oktober 2010 V R 12/10, BFHE 231, 349, BStBl II 2011, 303, unter II.4.b), ist ein einheitliches Entgelt, das für zwei unterschiedlich zu besteuernde Leistungen entrichtet wird, zum einen aufzuteilen, wobei zum anderen die Aufteilungsmethode zu verwenden ist, die "einfachstmöglich" ist.

18

bb) Der Senat hat dabei im Streitfall nicht zu entscheiden, ob die danach erforderliche Entgeltaufteilung nach der "einfachstmöglichen Berechnungs- oder Bewertungsmethode" jegliches Ermessen des Unternehmers hinsichtlich der Aufteilung ausschließt oder ob für den Unternehmer entsprechend dem Rechtsgedanken des § 15 Abs. 4 UStG die Befugnis zu einer sachgerechten Schätzung besteht. Denn sachgerecht in diesem Sinne ist die vom FA vorgenommene "lineare" Verteilung des Rabattbetrags für das "Sparmenü" nach dem Verhältnis der Einzelverkaufspreise, nicht aber die von der Antragstellerin erstrebte Aufteilung nach den Kosten der beiden Lieferungen, die bereits nach dem eigenen Vortrag der Antragstellerin zu einer komplexen Berechnung zur Aufteilung des Gesamtpreises zwingt, wie das FG zutreffend --insbesondere unter Hinweis auf unterjährige Kostenschwankungen-- entschieden hat.

19

cc) Ob eine hiervon abweichende Beurteilung dann in Betracht kommen könnte, wenn die lineare Aufteilung des Gesamtverkaufspreises nach Maßgabe der Einzelverkaufspreise für eine der im Rahmen des "Sparmenüs" erfolgten Einzellieferungen zu einem Entgelt unter dem Nettoeinkaufspreis führt, ist im Streitfall, dem eine derartige Fallgestaltung weder im Hinblick auf Getränke noch im Hinblick auf die von der Antragstellerin zubereiteten Speisen zugrunde liegt, nicht zu entscheiden.

20

dd) Dem von der Antragstellerin als maßgeblich angesehenen Gesichtspunkt der Preisbestimmungs- und Preisaufteilungsautonomie kommt keine Bedeutung zu. Die Antragstellerin hat ihre Preisbestimmungsautonomie durch die Bildung des von ihr gewählten Gesamtpreises ausgeübt. Eine weiter gehende Preisaufteilungsautonomie im Sinne einer Entscheidungsfreiheit über die sich hieraus ergebenden steuerrechtlichen Rechtsfolgen besteht nicht.

21

ee) Schließlich kann sich die Antragstellerin für die von ihr erstrebte Berücksichtigung des Rabatts bei der Getränkelieferung nicht mit Erfolg auf das von ihr zitierte BMF-Schreiben vom 4. Oktober 2004 berufen, in dem auf einen Beschluss der "Abteilungsleiter" verwiesen wird. Für die dort vertretene Auffassung, wonach aufgrund "der besonders hohen Aufschlagssätze bei den Getränken ... eine Rabattgewährung überwiegend bei den Getränken durchaus gerechtfertigt zu sein [erscheint]", ist eine --mit der EuGH-Rechtsprechung vereinbare-- Rechtsgrundlage nicht ersichtlich. Die dort vertretene Rechtsauffassung ist für die Gerichte im finanzgerichtlichen Verfahren zudem ebenso unbeachtlich, wie eine amtlich veröffentlichte Verwaltungsanweisung, der nur norminterpretierender Charakter zukommt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 10. November 2011 V R 34/10, BFH/NV 2012, 803, m.w.N.). Sie ist daher nicht geeignet, Vertrauensschutz zu begründen.

Tatbestand

1

I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Vollziehung von Bescheiden wegen verfassungsrechtlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der sog. Zinsschranke auszusetzen oder aufzuheben ist.

2

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ist eine AG, die im Jahre 2008 durch Formwechsel einer GmbH entstanden ist. Ihr Unternehmensgegenstand war in den Streitjahren 2008 bis 2010 der Erwerb, die Nutzung und die Verwaltung von Liegenschaften auf eigene Rechnung, nicht aber in gewerbsmäßiger Art und Weise, sowie die Vornahme aller Handlungen, die dem Unternehmen förderlich und zweckdienlich sind. Aktionäre der Antragstellerin waren mit jeweils 50 % der Anteile X und die Y-GmbH. An der Y-GmbH war Z zu 25 % unmittelbar und mittelbar beteiligt. Die Antragstellerin war kein verbundenes Unternehmen i.S. des § 271 Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs. Sie wurde insbesondere nicht in den Konzernabschluss der Y-GmbH nach den Vorschriften über die Vollkonsolidierung einbezogen.

3

Die Antragstellerin war in den Streitjahren Eigentümerin von fünf Immobilienobjekten, deren Erwerb sie zum überwiegenden Teil fremdfinanzierte. Die Finanzierung erfolgte im Wesentlichen durch Bankkredite. Es handelt sich um größtenteils langfristige und objektbezogene Finanzierungen, die erst nach der Fertigstellung der Objekte und ihrer planmäßigen Nutzung langfristig aus den Mietüberschüssen zurückgeführt werden sollen.

4

Aus dem für das größte Objekt (A-Straße in B) vorgelegten Kreditvertrag (nebst Nachträgen) ergibt sich, dass die Antragstellerin verpflichtet ist, sämtliche Mieteinnahmen auf ein Mieteingangskonto einzahlen zu lassen, das an die Bank verpfändet ist. Die Mittel auf dem Mieteingangskonto sind vorrangig für die Begleichung der Betriebskosten, der Zahlungen an die Bank (Zinsen und Tilgungen) und für etwaige weitere Bau- und Baunebenkosten zu verwenden. Erst ab dem 1. Januar 2012 stehen die Mittel auf den Konten der Antragstellerin zur Verfügung. Ab diesem Zeitpunkt ist sie verpflichtet, das Darlehen in Höhe von 3 % aus ... Mio. € pro Jahr zu tilgen.

5

Um die hohe Fremdfinanzierung zu erreichen, stellte die Y-GmbH nachrangige Gesellschafterdarlehen in Höhe von 8,948 Mio. € zum 31. Dezember 2008 zur Verfügung, die sich auf 10,6 Mio. € zum 31. Dezember 2009 und auf 10,758 Mio. € zum 31. Dezember 2010 erhöhten. Die Y-GmbH trat mit ihren Rückzahlungs- und Zinsansprüchen im Rang hinter die Ansprüche der übrigen Gläubiger zurück. Ferner verbürgten sich der unmittelbare Gesellschafter X und der mittelbare Gesellschafter Z anteilig für die Verbindlichkeiten der Antragstellerin. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Banken aufgrund der Bürgschaften auf X und Z in Höhe von mehr als 10 % der die Zinserträge übersteigenden Zinsaufwendungen Rückgriff nehmen können.

6

Ende 2010 wurden vier GmbH & Co. KG gegründet, an denen die Antragstellerin als alleinige Kommanditistin vermögensmäßig zu 100 % beteiligt ist. In jede Gesellschaft brachte die Antragstellerin zum 1. Januar 2011 ein Objekt unentgeltlich ein; die Zinsen und Tilgungen aus den Darlehensverträgen trägt weiterhin die Antragstellerin. Sie selbst behielt nur das größte Objekt A-Straße, in dem stille Reserven von rund ... Mio. € enthalten sind. Allein die auf dieses Objekt entfallenden Zinsaufwendungen betragen unstreitig mehr als 3 Mio. € p.a.

7

Zum 31. Dezember 2007 stellte der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) einen vortragsfähigen Verlust in Höhe von 1.686.796 € fest.

8

Für 2008 wies die Antragstellerin bilanziell einen Jahresfehlbetrag von 3.289.305 € (Ergebnis vor Steuern: ./. 3.279.657,22 €) aus. Die Zinserträge betrugen 38.617 €, während sich die Zinsaufwendungen auf 5.436.312,48 € beliefen. Diese entfielen in Höhe von 5.048.609,44 € auf Zinsen für Bankdarlehen und in Höhe von 387.703,04 € auf Zinsen für Gesellschafterdarlehen. Das FA ließ von den Zinsaufwendungen nur einen Betrag von 1.400.381 € zum Abzug zu. Den Differenzbetrag stellte es als Zinsvortrag fest. Nach Abzug verrechenbarer Verluste setzte das FA für 2008 eine Steuerschuld in Höhe von 9.146 € fest.

9

2009 verbuchte die Antragstellerin einen Zinsaufwand von 5.966.572,75 €, der in Höhe von 5.523.432,75 € auf Zinsen für Bankdarlehen und in Höhe von 443.090 € auf Zinsen für Gesellschafterdarlehen entfiel. Die Zinserträge lagen bei 23.944,36 €. Die Antragstellerin erwirtschaftete einen Jahresüberschuss in Höhe von 178.475,63 € (Ergebnis vor Steuern: 725.756,84 €). Den Zinsaufwand ließ das FA anteilig in Höhe von 2.730.240 € zum Abzug zu. Nach Abzug des verbleibenden Verlustvortrags (595.330 €) setzte das FA Körperschaftsteuer in Höhe von 518.751 € fest (Zahllast nach Abzug der Zinsabschlagsteuer: 516.203 €).

10

Mit Vorauszahlungsbescheid vom 9. Februar 2011 setzte das FA zudem eine Körperschaftsteuervorauszahlung für 2010 in Höhe von 516.203 € fest.

11

Über die gegen diese Bescheide eingelegten Einsprüche ist bislang nicht entschieden worden. Nachdem das FA eine Aussetzung der Vollziehung (AdV) abgelehnt hatte, lehnte auch das Finanzgericht (FG) München einen entsprechenden Antrag ab (Beschluss vom 1. Juni 2011  7 V 822/11, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2011, 1830).

12

Mit ihrer vom FG zugelassenen Beschwerde wendet sich die Antragstellerin gegen die Ablehnung der AdV.

13

Während des anhängigen Beschwerdeverfahrens hat das FA Vorsteuerguthaben der Antragstellerin mit der streitgegenständlichen Körperschaftsteuer 2008 und 2009 verrechnet. Die geschuldete Körperschaftsteuervorauszahlung für das vierte Quartal 2010 ist in Höhe von 126.275 € mit Vorsteuervergütungsansprüchen der Antragstellerin verrechnet worden.

14

Mit dem im hier anhängigen AdV-Verfahren ergangenen Bescheid für 2010 über Körperschaftsteuer vom 31. Januar 2012 hat das FA eine Steuerschuld in Höhe von 586.681 € festgesetzt, auf die Kapitalertragsteuer in Höhe von 1.366 € angerechnet wurde. Hierbei ging es von einem Verlust in Höhe von 135.335 € aus. Von den Zinsaufwendungen in Höhe von 6.386.694 € seien 24.467 € aufgrund der erwirtschafteten Zinserträge und darüber hinaus nur weitere 2.941.447 € als Betriebsausgaben abziehbar.

15

Die Antragstellerin hat zunächst beantragt, den Beschluss des FG München vom 1. Juni 2011  7 V 822/11 aufzuheben und die Vollziehung der Bescheide über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag für 2008 vom 24. Januar 2011 in Höhe von 9.555 € und für 2009 vom 28. Januar 2011 in Höhe von 544.594,39 € sowie des Vorauszahlungsbescheides über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag für 2010 vom 9. Februar 2011 in Höhe von 544.594,16 € jeweils zuzüglich der jeweiligen Säumniszuschläge und ohne Sicherheitsleistung auszusetzen, hilfsweise (soweit diese bereits durch Zahlung oder Aufrechnung vollzogen wurden) aufzuheben.

16

Nach Ersetzung des Vorauszahlungsbescheides für 2010 durch den Jahressteuerbescheid beantragt die Antragstellerin insoweit nunmehr, die Vollziehung des Bescheides für 2010 über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag vom 31. Januar 2012 auszusetzen bzw. aufzuheben.

17

Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

18

II. Die gemäß § 128 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) statthafte Beschwerde des FA führt aus verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, soweit das FG die AdV des Vorauszahlungsbescheides für 2010 über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag abgelehnt hat. An dessen Stelle ist während des Beschwerdeverfahrens analog § 68 FGO der Bescheid für 2010 über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag vom 31. Januar 2012 getreten (zur analogen Anwendbarkeit des § 68 FGO s. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 31. März 2006 V B 13/04, BFH/NV 2006, 1492; vom 15. November 2007 V B 63/06, BFH/NV 2008, 825). Damit liegt dem Beschluss des FG ein nicht mehr existierender Bescheid mit der Folge zugrunde, dass seine ablehnende Entscheidung insoweit ebenfalls gegenstandslos geworden ist (vgl. BFH-Beschluss vom 12. September 2011 VIII B 70/09, BFH/NV 2012, 229).

19

Eine Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Entscheidung ist insoweit zwar zulässig (vgl. BFH-Beschluss vom 26. März 1991 VIII B 83/90, BFHE 163, 510, BStBl II 1991, 463), aber nicht zweckmäßig. Die Sache ist spruchreif. Die Feststellungen des FG und die vorliegenden Akten reichen auch im Hinblick auf den nunmehr erlassenen Bescheid für 2010 über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag aus, um über den Aussetzungsantrag abschließend entscheiden zu können (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2012, 229).

III.

20

Die Beschwerde ist teilweise begründet. Sie führt unter Aufhebung des Beschlusses des FG zur Stattgabe des Antrags der Antragstellerin auf Aufhebung der Vollziehung hinsichtlich der Körperschaftsteuerbescheide 2008 und 2009. Die Vollziehung des Körperschaftsteuerbescheides 2010 ist teilweise auszusetzen. Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet und zurückzuweisen.

21

1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen. Die Aussetzung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO).

22

Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen u.a. dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen bewirken (vgl. BFH-Beschluss vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182, seitdem ständige Rechtsprechung). Die AdV setzt nicht voraus, dass die gegen die Rechtmäßigkeit sprechenden Gründe überwiegen. Ist die Rechtslage nicht eindeutig, so ist im summarischen Verfahren nicht abschließend zu entscheiden, sondern im Regelfall die Vollziehung auszusetzen (Senatsbeschlüsse vom 19. Mai 2010 I B 191/09, BFHE 229, 322, BStBl II 2011, 156; vom 26. August 2010 I B 85/10, BFH/NV 2011, 220). Dies gilt auch für ernstliche Zweifel an der verfassungsrechtlichen Gültigkeit einer dem angefochtenen Verwaltungsakt zugrunde liegenden Norm. An die Zweifel hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sind, wenn die Verfassungswidrigkeit von Normen geltend gemacht wird, keine strengeren Anforderungen zu stellen als im Fall der Geltendmachung fehlerhafter Rechtsanwendung (Senatsbeschlüsse vom 26. August 2010 I B 49/10, BFHE 230, 445, BStBl II 2011, 826; vom 30. März 2011 I B 136/10, BFHE 232, 395).

23

Unter den gleichen Voraussetzungen ist gemäß § 69 Abs. 3 Satz 3 FGO die Vollziehung aufzuheben, wenn der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung bereits vollzogen ist (Senatsbeschluss vom 10. Dezember 1986 I B 121/86, BFHE 149, 6, BStBl II 1987, 389). Insbesondere können bereits verwirkte Säumniszuschläge (§ 240 der Abgabenordnung) ab dem Zeitpunkt, ab dem ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides bestanden haben, rückwirkend durch Aufhebung der Vollziehung beseitigt werden (Senatsbeschluss vom 23. September 2008 I B 92/08, BFHE 223, 73, BStBl II 2009, 524).

24

2. Bei der im Verfahren auf AdV gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist ernstlich zweifelhaft, ob es rechtmäßig ist, dass das FA die von der Antragstellerin gezahlten Schuldzinsen unter Hinweis auf die sog. Zinsschranke nur teilweise als Betriebsausgaben der jeweiligen Streitjahre zum Abzug zuließ.

25

a) Die Schuldzinsen können nach dem Wortlaut der sog. Zinsschranke nur teilweise als Betriebsausgaben abgezogen werden.

26

aa) Zinsaufwendungen eines Betriebs sind hiernach nur in Höhe des verrechenbaren EBITDA, d.h. 30 % des um Zinsaufwendungen und bestimmte Abschreibungen erhöhten Einkommens, abziehbar (vgl. § 8 Abs. 1, § 8a Abs. 1 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes --KStG-- 2002 i.d.F. des Unternehmensteuerreformgesetzes --UntStRefG-- 2008 vom 14. August 2007, BGBl I 2007, 1912 --KStG 2002 n.F.-- i.V.m. § 4h Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG-- 2002 i.d.F. des UntStRefG 2008 --EStG 2002 n.F.--/§ 4h Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG 2009 i.d.F. des Gesetzes zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums --Wachstumsbeschleunigungsgesetz-- vom 22. Dezember 2009, BGBl I 2009, 3950 --EStG 2009 n.F.--). Danach verbleibende nicht abziehbare Zinsaufwendungen sind in die folgenden Wirtschaftsjahre vorzutragen (§ 8 Abs. 1 KStG 2002 i.V.m. § 4h Abs. 1 Satz 2 EStG 2002 n.F./§ 4h Abs. 1 Satz 5 EStG 2009 n.F.). Dass das FA diese Vorgaben in den Bescheiden zutreffend umgesetzt hat, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig und bedarf keiner weiteren Vertiefung.

27

bb) Nach der sog. Stand-alone-Klausel des § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. b EStG 2002 n.F./2009 n.F. (i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG 2002) ist die sog. Zinsschranke nicht anzuwenden, wenn der Betrieb --wie im Streitfall-- nicht oder nur anteilmäßig zu einem Konzern gehört. § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. b EStG 2002 n.F./2009 n.F. ist nach § 8a Abs. 2 KStG 2002 n.F. seinerseits wiederum nur anzuwenden, wenn die Vergütungen für Fremdkapital an einen zu mehr als einem Viertel unmittelbar oder mittelbar am Grund- oder Stammkapital beteiligten Anteilseigner, eine diesem nahestehende Person oder einen Dritten, der auf einen zu mehr als einem Viertel unmittelbar oder mittelbar am Grund- oder Stammkapital beteiligten Anteilseigner oder eine diesem nahestehende Person zurückgreifen kann, nicht mehr als 10 % der die Zinserträge übersteigenden Zinsaufwendungen der Körperschaft i.S. des § 4h Abs. 3 EStG 2002 n.F./2009 n.F. betragen und die Körperschaft dies nachweist. Im Streitfall betragen die Zinsen auf Gesellschafterdarlehen allein zwar nicht mehr als 10 % der den Zinsertrag übersteigenden Zinsaufwendungen. Zwischen den Beteiligten ist jedoch unstreitig, dass die kreditgewährenden Banken aufgrund der Bürgschaften auf X und Z in Höhe von mehr als 10 % der die Zinserträge übersteigenden Zinsaufwendungen Rückgriff nehmen können. Die Voraussetzungen des § 8a Abs. 2 KStG 2002 n.F. in dessen 3. Alternative sind damit erfüllt.

28

b) Der Senat hat im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Einschränkung der sog. Stand-alone-Klausel durch § 8a Abs. 2 KStG 2002 n.F. in dieser 3. Regelungsalternative.

29

aa) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 15. Januar 2008  1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1, BFH/NV 2008, Beilage 3, 247; BVerfG-Urteil vom 9. Dezember 2008  2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, 210, BFH/NV 2009, 338). Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengeren Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 21. Juni 2006  2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164, BFH/NV 2006, Beilage 4, 481; vom 7. November 2006  1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, BStBl II 2007, 192; vom 4. Februar 2009  1 BvL 8/05, BVerfGE 123, 1, BFH/NV 2009, 1068).

30

Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum (vgl. BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 117, 1, BStBl II 2007, 192; in BVerfGE 120, 1, BFH/NV 2008, Beilage 3, 247; in BVerfGE 123, 1, BFH/NV 2009, 1068). Die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es so als rechtlich gleich qualifiziert, wird vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit (vgl. BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 116, 164, BFH/NV 2006, Beilage 4, 481; in BVerfGE 117, 1, BStBl II 2007, 192; BVerfG-Urteil in BVerfGE 122, 210, BFH/NV 2009, 338). Danach muss im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 116, 164, BFH/NV 2006, Beilage 4, 481; BVerfG-Urteil in BVerfGE 122, 210, BFH/NV 2009, 338). Bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands muss die einmal getroffene Belastungsentscheidung zudem folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt werden (BVerfG-Beschluss vom 12. Oktober 2010  1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224, BFH/NV 2011, 181). Ausnahmen von einer folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes (vgl. BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 123, 1, BFH/NV 2009, 1068; vom 21. Juli 2010  1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07, BVerfGE 126, 400, BFH/NV 2010, 1985).

31

bb) Mit den Regelungen zur sog. Zinsschranke (§ 8a KStG 2002 n.F. i.V.m. § 4h EStG 2002 n.F./2009 n.F.) ist der Gesetzgeber von seiner Grundentscheidung abgewichen, dass Betriebsausgaben in dem Jahr abziehbar sein sollen, in dem sie angefallen sind und den Steuerpflichtigen belasten. Hierdurch will er die Abzugsfähigkeit von Zinsaufwendungen in Abhängigkeit vom Gewinn zur Sicherung inländischen Steuersubstrats sowie zur Vermeidung von missbräuchlichen Steuergestaltungen beschränken (BTDrucks 16/4841, S. 35). Aufgrund der weiten Auslegung der unionsrechtlichen Marktfreiheiten durch den Europäischen Gerichtshof (jetzt Gerichtshof der Europäischen Union) werden speziell grenzüberschreitend verbundene Unternehmen in die Lage versetzt, mittels Gesellschafterfremdfinanzierungen inländische Gewinne in das abkommensbegünstigte Ausland zu verlagern und andererseits ohnehin entstehenden Aufwand wie Zinsen gezielt im Inland anfallen zu lassen (Seiler in Kirchhof, EStG, 11. Aufl., § 4h Rz 1; s. auch BTDrucks 16/4841, S. 31). Der Zweck der Zinsschranke zur Vermeidung konzerninterner Gestaltungen zur Gewinnverlagerung kommt insbesondere durch die sog. Stand-alone-Klausel des § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. b EStG 2002 n.F./2009 n.F. zum Ausdruck, nach der Betriebe, die nicht oder nur anteilmäßig zu einem Konzern gehören, insoweit folgerichtig nicht von der Zinsschranke erfasst werden (Rödder, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2007, Beihefter zu Nr. 40, 1, 9).

32

cc) Ob die Zinsschranke --wie unter Hinweis auf das sog. objektive Nettoprinzip im Schrifttum überwiegend und auch von der Antragstellerin vertreten wird (s. z.B. FG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13. Oktober 2011  12 V 12089/11, EFG 2012, 358; Baumgärtel in Ballwieser/Grewe [Hrsg.], Wirtschaftsprüfung im Wandel, 2008, 575, 591; Beiser in Brähler/ Lösel [Hrsg.], Deutsches und internationales Steuerrecht, Gegenwart und Zukunft, Festschrift für Christiana Djanani, 2008, 3, 27; G. Förster in Breithecker/Förster/Förster/Klapdor, Unternehmensteuerreformgesetz 2008, 2007, § 4h EStG Rz 62; Hey, Betriebs-Berater --BB-- 2007, 1303, 1305 f.; dieselbe in Festschrift Djanani, a.a.O., 109, 122 ff.; Eilers in Spindler/ Tipke/Rödder [Hrsg.], Steuerzentrierte Rechtsberatung, Festschrift für Harald Schaumburg, 2009, 275, 285; Goebel/ Eilinghoff, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 2010, 550, 554; Gosch, DStR 2007, 1553, 1559; Gosch KStG, 2. Aufl., Exkurs § 4h EStG Rz 35 f.; Herzig/Bohn, Der Betrieb --DB-- 2007, 1, 2; Hick in Herrmann/Heuer/Raupach, § 4h EStG Rz 6; Kessler/ Dietrich, DB 2010, 240; Korn in Korn, § 4h EStG Rz 21; Lenz/ Dörfler, DB 2010, 18, 19; Seer, Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht 2007/2008, 9, 12; Schmidt/Loschelder, EStG, 30. Aufl., § 4h Rz 3; Seiler in Kirchhof, a.a.O., § 4h Rz 3 f.; Shou, Die Zinsschranke im Unternehmensteuerreformgesetz 2008, 2010, 48)-- bereits grundsätzlich verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, kann im Streitfall dahinstehen. Selbst wenn dies zu verneinen wäre und die in § 8a Abs. 2 KStG 2002 n.F. angeordnete (Rück-)Ausnahme damit lediglich eine (noch) verfassungskonforme Regelungslage (nach § 4h Abs. 1 EStG 2002 n.F./2009 n.F.) wiederherstellen würde, erscheint es bei summarischer Prüfung jedenfalls fraglich, ob ausgehend vom Gesetzeszweck die Rückausnahme des § 8a Abs. 2 Alternative 3 KStG 2002 n.F. sachlich gerechtfertigt werden kann. Durch die weite Formulierung dieser Vorschrift könnten die verfassungsrechtlichen Grenzen einer zulässigen Typisierung überschritten worden sein.

33

aaa) Eine gesetzliche Typisierung darf keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss sich realitätsgerecht am typischen Fall orientieren (BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 127, 224, BFH/NV 2011, 181; vom 6. April 2011  1 BvR 1765/09, BFH/NV 2011, 1277). Zudem muss sich die Typisierung am allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit messen lassen (BVerfG-Beschluss vom 4. April 2001  2 BvL 7/98, BVerfGE 103, 310; Huster in Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum GG, Art. 3 Rz 130 f.). Die ungleichen Rechtsfolgen dürfen nur eine verhältnismäßig geringe Zahl von Personen treffen, und die Nachteile dürfen nicht zu schwer wiegen (BVerfG-Beschlüsse vom 30. Mai 1990  1 BvL 2/83, BVerfGE 82, 126; vom 8. Oktober 1991  1 BvL 50/86, BVerfGE 84, 348; Heun in Dreier, Grundgesetz-Kommentar, 2. Aufl., Art. 3 Rz 33).

34

bbb) Auf dieser Grundlage hat der Senat Bedenken gegen die Verhältnismäßigkeit des typisierenden § 8a Abs. 2 Alternative 3 KStG 2002 n.F. Es ist fraglich, ob die Vorschrift zur Vermeidung von Finanzierungsgestaltungen zwischen einer Körperschaft und ihrem Anteilseigner (BTDrucks 16/4841, S. 74 f.) erforderlich ist; aufgrund ihres weit gefassten Wortlauts hat sie einen deutlich überschießenden Anwendungsbereich.

35

Der Sinn der Ausdehnung des Tatbestandes besteht nur in der Verhinderung von Umgehungen (Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/GewStG/UmwStG, Freiburg 2011, § 8a KStG Rz 117), die darin bestehen können, dass nicht unmittelbar der Anteilseigner oder eine ihm nahestehende Person, sondern ein Dritter (z.B. eine Bank) der Körperschaft ein Darlehen gewährt und der zu mehr als einem Viertel beteiligte Anteilseigner (oder eine diesem nahestehende Person) seinerseits gegen den Dritten oder eine sonstige Person (z.B. gegenüber einer anderen Bank) eine verzinsliche Forderung hat, auf die der Dritte zugreifen kann (sog. Back-to-back-Finanzierung; s. BTDrucks 16/5377, S. 17 f.). Auf den Fall der sog. Back-to-back-Finanzierung, der im Streitfall nicht vorliegt, ist § 8a Abs. 2 Alternative 3 KStG 2002 n.F. indes nicht beschränkt; eine vom Bundesrat beantragte Einschränkung des Gesetzeswortlauts ist --unter pauschalem Hinweis auf eine anderenfalls eintretende Gestaltungsanfälligkeit-- nicht Gesetz geworden (BTDrucks 16/5377, S. 17 f. und S. 27; eine einschränkende Auslegung verlangen gleichwohl G. Förster in Breithecker/Förster/Förster/Klapdor, a.a.O., § 8a KStG Rz 47; Gosch, a.a.O., § 8a Rz 53; Streck/ Schwedhelm, KStG, 7. Aufl., § 8a Rz 43; kritisch auch Mössner/ Seeger/Wienbergen/Kolbe, Körperschaftsteuergesetz, § 8a Rz 147). § 8a Abs. 2 Alternative 3 KStG 2002 n.F. erfasst infolgedessen auch die Fälle, in denen eine Bank ein Darlehen gewährt, hierfür aber eine Bürgschaft oder eine anderweitige Sicherheit eines Gesellschafters oder einer nahestehenden Person verlangt, obwohl es sich hierbei grundsätzlich nicht um eine auf Gewinnverlagerung gerichtete Finanzierungsgestaltung zwischen der Körperschaft und ihrem Anteilseigner handelt. Die Bürgschaft oder Sicherheit ist in der Regel allein erforderlich, damit die Gesellschaft das Darlehen erhält.

36

Damit hat § 8a Abs. 2 Alternative 3 KStG 2002 n.F. aber nicht nur einen überschießenden Anwendungsbereich, sondern führt gerade im Bereich üblicher Fremdfinanzierungen zu unverhältnismäßigen Belastungswirkungen, durch die sich insbesondere die Situation insolvenzbedrohter Unternehmen weiter verschlechtert. Jenseits missbräuchlicher Gestaltungen belastet § 8a Abs. 2 Alternative 3 KStG 2002 n.F. gerade finanz- und ertragsschwache Unternehmen in besonderem Maße, die auf Fremdkapital angewiesen sind, um ihren Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten, dieses aber nur erhalten, wenn sie durch ihre Gesellschafter Sicherheiten stellen können (Schaden/Käshammer, BB 2007, 2259, 2261).

37

3. Entgegen der Auffassung des FG kann die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung im Streitfall nicht mit dem Argument verweigert werden, es fehle an einem besonderen Aussetzungs- oder Aufhebungsinteresse der Antragstellerin.

38

a) Bei der AdV von Steuerbescheiden wegen verfassungsrechtlicher Bedenken gegen die ihnen zugrundeliegenden Vorschriften folgt im Hinblick auf den Geltungsanspruch jedes formell verfassungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes nach der bisher ständigen Rechtsprechung des BFH, dass der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes geltend machen muss. Geboten ist eine Interessenabwägung zwischen der einer AdV entgegenstehenden konkreten Gefährdung der öffentlichen Haushaltsführung und den für eine AdV sprechenden individuellen Interessen des Steuerpflichtigen (BFH-Beschlüsse vom 20. Juli 1990 III B 144/89, BFHE 162, 542, BStBl II 1991, 104; vom 11. Juni 2003 IX B 16/03, BFHE 202, 53, BStBl II 2003, 663; vom 7. Juli 2004 XI B 231/02, BFH/NV 2005, 178; vom 1. April 2010 II B 168/09, BFHE 228, 149, BStBl II 2010, 558). Bei der Abwägung kommt es maßgeblich einerseits auf die Bedeutung und die Schwere des durch die Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheides eintretenden Eingriffs beim Steuerpflichtigen und andererseits auf die Auswirkungen einer AdV hinsichtlich des Gesetzesvollzuges und des öffentlichen Interesses an einer geordneten Haushaltsführung an (BFH-Beschlüsse in BFHE 162, 542, BStBl II 1991, 104; vom 19. August 1994 X B 318, 319/93, BFH/NV 1995, 143; vom 27. August 2002 XI B 94/02, BFHE 199, 566, BStBl II 2003, 18; vom 9. März 2012 VII B 171/11, DStR 2012, 605, BFHE 236, 206). Das Gewicht der ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der betroffenen Vorschrift ist bei dieser Abwägung nicht von ausschlaggebender Bedeutung (BFH-Beschlüsse vom 9. November 1992 X B 137/92, BFH/NV 1994, 324; in BFHE 228, 149, BStBl II 2010, 558).

39

b) Ob an diesem Erfordernis uneingeschränkt festzuhalten ist (kritisch insoweit z.B. Niedersächsisches FG, Beschluss vom 6. Januar 2011  7 V 66/10, EFG 2011, 827; Gosch in Beermann/ Gosch, FGO, § 69 Rz 179 ff.; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 69 Rz 113; Schallmoser, DStR 2010, 297 ff.; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 69 FGO Rz 97; Specker, DStZ 2010, 800, 802 f.; einschränkend auch FG Berlin-Brandenburg, Beschluss in EFG 2012, 358) bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Denn im Streitfall liegt ein gegenüber einem öffentlichen budgetären Interesse überwiegendes besonderes Aussetzungsinteresse der Antragstellerin vor. Denn während die Zinsschranke bei summarischer Prüfung für die Antragstellerin zu einem steuerlichen Eingriff mit erheblichen wirtschaftlichen Folgen führt, ist die öffentliche Haushaltsführung in einem nur vergleichsweise geringen Maß betroffen.

40

aa) Zwar mag anhand der dem Senat vorliegenden Akten nicht feststellbar sein, dass die Antragstellerin durch die Anwendung der Zinsschranke bereits existenzgefährdend betroffen wird und aufgrund der Anwendbarkeit der Zinsschranke die Insolvenz droht. So hat die Antragstellerin in ihrem Jahresabschluss zum 31. Dezember 2010 selbst ausgeführt, trotz der Zinsschranke in den Jahren 2011 und 2012 positive Ergebnisse zu erwarten. Auch die bereits eingetretene bilanzielle Überschuldung stelle wegen der im Anlagevermögen enthaltenen stillen Reserven und der von einem Anteilseigner abgegebenen Rangrücktrittserklärung kein Problem dar.

41

Gleichwohl stellt die steuerliche Belastung für sie eine erhebliche finanzielle Belastung in Höhe von immerhin 1.114.578 € (ohne Solidaritätszuschlag) dar. Ohne die Zinsschranke wäre es aufgrund der zum 31. Dezember 2007 festgestellten hohen Verlustvorträge und des im Jahre 2008 erwirtschafteten Jahresfehlbetrages, der den Verlustvortrag noch weiter erhöht hätte, im Ergebnis zu Nullfestsetzungen in allen drei Streitjahren gekommen. Gemessen an den Ergebnissen der Jahre 2008 und 2010 führt die Zinsschranke darüber hinaus zu einer Substanzbesteuerung, weil die festgesetzte Körperschaftsteuer das Ergebnis vor Steuern jeweils deutlich übersteigt. Auch im Jahre 2009 hat das FA aufgrund der Anwendbarkeit der Zinsschranke Körperschaftsteuer in einer Höhe von 71,48 % des Ergebnisses vor Steuern festgesetzt.

42

Erschwerend kommt hinzu, dass die Antragstellerin bei summarischer Prüfung nicht über die ausreichende Liquidität verfügt, um die Steuern zahlen zu können, zumal sie --ausgehend von dem vorgelegten Darlehensvertrag-- nicht frei über ihre Mieteinnahmen und Vorsteuererstattungen verfügen kann. Da es der Antragstellerin als vermögensverwaltender Gesellschaft kaum zumutbar ist, ihr Aktivvermögen zum Zwecke der Steuerzahlung zu verwerten, muss sie zusätzliches Fremdkapital aufnehmen. Wenn die Antragstellerin auch vorgetragen hat, voraussichtlich weitere 1,8 Mio. € von den Banken erhalten und hiermit die Steuerschulden zahlen zu können, hätte dies aber wahrscheinlich zur Folge, dass sich die Wirkungen der Zinsschranke in den Folgejahren gegenüber dem derzeitigen Zustand nur aus dem Grund verschärfen würden, weil die Antragstellerin sich die Mittel für eine Steuerzahlung durch eine Darlehensaufnahme verschaffen musste. Zudem würde es für die Antragstellerin Probleme aufwerfen, die Zinsaufwendungen für das neu aufgenommene Darlehen zahlen zu können. Da der Darlehensbetrag nicht für ein Ertrag bringendes Projekt, sondern im Wesentlichen für die Steuerzahlung eingesetzt werden würde, müsste die Antragstellerin mit den Einnahmen auch die zusätzlichen Zinsen zahlen. Die Mieteinnahmen und die Vorsteuererstattungen sind indes anderweit gebunden und stehen damit für diese Zinszahlungen nicht zur Verfügung.

43

bb) Der Senat erkennt demgegenüber nicht, dass es bei Stattgabe des Antrags --wie es das FA und das FG meinen-- zu erheblichen haushaltsmäßigen Verwerfungen kommen würde. Durch die Zinsschranke in der für die Streitzeiträume geltenden Fassung wurden Mehreinnahmen in Höhe von 697,5 Mio. € p.a. erwartet (vgl. Bach/Buslei, Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 17/2009, 283 ff.), die im Vergleich zu dem Gesamtsteueraufkommen von geschätzten 229,2 Mrd. € im Jahre 2011 bzw. 247,4 Mrd. € im Jahre 2012 (vgl. Unterrichtung durch die Bundesregierung, Finanzplan des Bundes 2011 bis 2015; abrufbar unter www.bundesfinanzministerium.de) vergleichsweise gering sind (0,30 % des gesamten Steueraufkommens 2011 bzw. 0,28 % des gesamten Steueraufkommens 2012). Die Stattgabe des Antrags führt darüber hinaus auch nicht zu einem (vorübergehenden) Ausfall des Gesamtbetrags, sondern nur zum Ausfall eines Bruchteils. Zum einen stützt der Senat seine Entscheidung auf verfassungsrechtliche Zweifel an der Rückausnahme des § 8a Abs. 2 Alternative 3 KStG 2002 n.F. und stellt hierdurch nur einen Teil der Zinsschranke in Frage, der nur einen engen Kreis der von der Zinsschranke belasteten Steuerpflichtigen betreffen wird. Zum anderen führt die Entscheidung des Senats --anders als eine Entscheidung des BVerfG-- nicht zu einer automatischen Anwendungssperre des Gesetzes in allen von ihm betroffenen Fällen; die Entscheidung führt unmittelbar nur zu einer Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung im konkreten Streitfall (vgl. Seer, DStR 2012, 325, 328). Sie hat allenfalls insoweit mittelbar Breitenwirkung, als in einem vergleichbaren Fall im Rahmen einer Abwägung anhand der Umstände des Einzelfalls das Aussetzungsinteresse das Interesse an einer geordneten Haushaltsführung überwiegt.

44

cc) Gegen eine Gewährung der Aussetzung bzw. der Aufhebung der Vollziehung spricht im Rahmen der Abwägung schließlich nicht, dass nach Auffassung des II. Senats des BFH im AdV-Verfahren regelmäßig keine weiter gehende Entscheidung getroffen werden kann, als vom BVerfG zu erwarten ist (BFH-Beschlüsse vom 17. Juli 2003 II B 20/03, BFHE 202, 380, BStBl II 2003, 807; vom 5. April 2011 II B 153/10, BFHE 232, 380, BStBl II 2011, 942; vom 4. Mai 2011 II B 151/10, BFH/NV 2011, 1395). Sei zu erwarten, dass das BVerfG lediglich die Unvereinbarkeit eines Gesetzes mit dem GG ausspreche und dem Gesetzgeber nur eine Nachbesserungspflicht für die Zukunft aufgebe, könne keine AdV gewährt werden (BFH-Beschluss in BFHE 202, 380, BStBl II 2003, 807).

45

Auch ob dieser Spruchpraxis zu folgen ist, kann im Streitfall dahinstehen (grundsätzlich ablehnend Gosch in Beermann/Gosch, § 69 FGO Rz 180.1; Gräber/Koch, a.a.O., § 69 Rz 113; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 69 FGO Rz 96; derselbe, DStR 2012, 325, 328 f.). Es ist nicht zu erwarten, dass das BVerfG dem Gesetzgeber nur einen Regelungsauftrag für die Zukunft erteilen wird, überdies soll eine pro-futuro-Wirkung nur die Ausnahme darstellen; auch dürfen bei der Unvereinbarkeit eines Gesetzes mit Art. 3 Abs. 1 GG Gerichte und Verwaltungsbehörden die Norm grundsätzlich nicht mehr anwenden (vgl. z.B. BVerfG-Urteil vom 6. März 2002  2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73, BStBl II 2002, 618).

46

4. Die Vollziehung des Körperschaftsteuerbescheides 2010 kann aus prozessrechtlichen Gründen nur in Höhe von 69.112 €, nicht aber in Höhe der gesamten Steuerfestsetzung, ausgesetzt werden.

47

Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 4 i.V.m. Abs. 2 Satz 8 FGO ist die Aussetzung und Aufhebung der Vollziehung bei Steuerbescheiden auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

48

a) Hiernach sind nur 69.112 € der für 2010 festgesetzten Körperschaftsteuer von der Vollziehung auszusetzen, weil das FA Körperschaftsteuer in Höhe von 586.681 € festgesetzt hat und hierauf zum einen die Kapitalertragsteuer in Höhe von 1.366 € anzurechnen und zum anderen die festgesetzten Vorauszahlungen in Höhe von 516.203 € abzuziehen sind.

49

b) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist die für 2010 festgesetzte Körperschaftsteuer nicht ausnahmsweise in vollem Umfang von der Vollziehung auszusetzen, weil dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

50

aa) Der Begriff der wesentlichen Nachteile i.S. des § 69 Abs. 2 Satz 8 FGO ist im Sinne der Rechtsprechung zu § 114 FGO zu verstehen (Senatsbeschluss vom 2. November 1999 I B 49/99, BFHE 190, 59, BStBl II 2000, 57, m.w.N.). Diese Beschränkung ist mit dem GG vereinbar und nicht im Wege verfassungskonformer Auslegung zu korrigieren (BFH-Beschluss vom 24. Januar 2000 X B 99/99, BFHE 192, 197, BStBl II 2000, 559). Wesentliche Nachteile i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 8 Halbsatz 2 FGO sind dann gegeben, wenn durch die Vollziehung der angefochtenen Steuerbescheide die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Steuerpflichtigen unmittelbar und ausschließlich bedroht sein würde (vgl. BFH-Beschlüsse vom 22. November 2001 V B 100/01, BFH/NV 2002, 519; vom 22. Dezember 2003 IX B 177/02, BFHE 204, 39, BStBl II 2004, 367). Darüber hinaus gewährleistet § 69 Abs. 2 Satz 8 FGO aufgrund des Gebots eines effektiven Rechtsschutzes, dass wegen wesentlicher Nachteile zugunsten des Bürgers von den allgemeinen Grundsätzen abgewichen werden kann, wenn ein unabweisbares Interesse dies gebietet (Senatsbeschluss in BFHE 190, 59, BStBl II 2000, 57; s. auch BVerfG-Beschluss vom 7. Dezember 1977  2 BvF 1/77, 2 BvF 2/77, 2 BvF 4/77, 2 BvF 5/77, BVerfGE 46, 337), um eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung von Grundrechten zu vermeiden, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 15. August 2002 1 BvR 1790/00, Neue Juristische Wochenschrift 2002, 3691; vom 16. Mai 1995  1 BvR 1087/91, BVerfGE 93, 1; vom 25. Oktober 1988  2 BvR 745/88, BVerfGE 79, 69). Allein bei einem Überwiegen der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache erscheint eine Aufhebung der Vollziehung zur Vermeidung wesentlicher Nachteile hingegen nicht nötig (Senatsbeschluss in BFHE 190, 59, BStBl II 2000, 57; BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 519). Dies gilt auch im Falle von (schwerwiegenden) Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit der angewandten Steuerrechtsvorschriften (BFH-Beschluss in BFHE 204, 39, BStBl II 2004, 367). Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache können jedoch zur Bejahung wesentlicher Nachteile führen, wenn die Rechtslage klar und eindeutig für die begehrte Regelung spricht und eine abweichende Beurteilung in einem etwa durchzuführenden Hauptsacheverfahren zweifelsfrei auszuschließen ist (BFH-Beschluss in BFHE 204, 39, BStBl II 2004, 367) oder wenn bei Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit einer Norm die Dringlichkeit, ihren Vollzug einstweilen auszusetzen, besonders deutlich wird (vgl. BVerfG-Entscheidung vom 13. November 1957  1 BvR 78/56, BVerfGE 7, 175; BVerfG-Beschluss vom 17. November 1966  1 BvR 52/66, BVerfGE 20, 363, 364). In einem derartigen Fall sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache für das Vorliegen wesentlicher Nachteile in weitem Umfang vorgreiflich (BFH-Beschluss in BFHE 204, 39, BStBl II 2004, 367).

51

bb) Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen führt die Vollziehung im Streitfall nicht zu wesentlichen Nachteilen, die eine AdV in vollem Umfang gebieten würden.

52

Die wirtschaftliche und persönliche Existenz der Antragstellerin ist durch die Vollziehung des Körperschaftsteuerbescheides 2010 nicht unmittelbar und ausschließlich gefährdet. Wie die Antragstellerin vorgetragen hat, erhält sie voraussichtlich einen weiteren Kredit in Höhe von 1,8 Mio. €, der auch zur Zahlung noch offener Steuerschulden verwandt werden könne. Allein der Umstand, dass Steuerpflichtige nicht über die von ihnen verlangten Mittel verfügen und Zahlungen im Wege der Kreditaufnahme finanzieren müssen, ist kein wesentlicher Nachteil i.S. des § 69 Abs. 2 Satz 8 Halbsatz 2 FGO (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 519).

53

Es besteht aber auch im Übrigen kein unabweisbares Interesse der Antragstellerin, das eine AdV in Höhe der gesamten Steuerfestsetzung verlangt. Nicht ausreichend hierfür ist, dass der Senat Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 8a Abs. 2 Alternative 3 KStG 2002 n.F. hat; eine von dem Senat abweichende Beurteilung durch das BVerfG ist nicht zweifelsfrei auszuschließen.

54

Weitere Umstände, die die Dringlichkeit, den Vollzug des Steuerbescheides auszusetzen, besonders deutlich werden lassen, sind schließlich weder von der Antragstellerin substantiiert dargelegt und glaubhaft gemacht worden noch anhand der dem Senat vorliegenden Unterlagen erkennbar.

55

5. Die AdV ist im Streitfall ohne Auferlegung einer Sicherheitsleistung zu gewähren.

56

Die Anordnung einer Sicherheitsleistung nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 FGO ist im Grundsatz dann geboten, wenn die spätere Vollstreckung der Steuerforderung infolge der AdV gefährdet oder erschwert erscheint. Es ist hierbei zunächst einmal Sache des FA, die für die Gefährdung der Forderung sprechenden konkreten Anhaltspunkte vorzutragen und glaubhaft zu machen (vgl. etwa BFH-Beschlüsse vom 20. März 2002 IX S 27/00, BFH/NV 2002, 809; vom 10. Oktober 2002 VII S 28/01, BFH/NV 2003, 12).

57

Im Streitfall ist nicht vorgetragen worden und für den Senat anhand der vorliegenden Akten auch nicht erkennbar, dass die spätere Durchsetzung der Steuerforderungen gefährdet oder erschwert werden könnte. Die Antragstellerin ist vielmehr Eigentümerin eines Grundstücks, in dem stille Reserven in Höhe von … Mio. € enthalten sind. Allein durch die Möglichkeit, dieses Grundstück verwerten zu können, erscheint die Steuerzahlung in ausreichendem Maße gesichert.

58

6. Soweit die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde auch die AdV der Bescheide über die Solidaritätszuschläge begehrt, ist die Beschwerde unbegründet. Das FG hat den Antrag insoweit im Ergebnis zu Recht abgelehnt, weil der Antrag insoweit unzulässig ist. An einer AdV dieser Bescheide besteht kein schutzwürdiges Interesse.

59

In ständiger Rechtsprechung verneint der BFH das schutzwürdige Interesse an einer AdV, wenn die Aussetzung eines Folgebescheides begehrt wird, obwohl ein Grundlagenbescheid bereits ergangen ist und deshalb mit Rücksicht auf die gemäß § 69 Abs. 2 Satz 4 FGO vorzunehmende Folgeaussetzung nur die Aussetzung des Grundlagenbescheides beantragt werden kann (BFH-Beschlüsse vom 21. Dezember 1993 VIII B 107/93, BFHE 173, 158, BStBl II 1994, 300; vom 14. Juli 1998 VIII B 38/98, BFHE 186, 379). Die AdV des Grundlagenbescheides begründet eine Verpflichtung der für den Erlass des Folgebescheides zuständigen Behörde, die Vollziehung dieses Bescheides auszusetzen (BFH-Beschluss vom 25. April 1977 IV S 3/77, BFHE 122, 18, BStBl II 1977, 612).

60

Hiervon ausgehend besteht im Streitfall kein berechtigtes Interesse an einer gerichtlichen AdV der betreffenden Bescheide, weil sie Folgebescheide der Körperschaftsteuerbescheide sind (vgl. Senatsurteil vom 20. April 2011 I R 2/10, BFHE 233, 251, BStBl II 2011, 761; FG Berlin-Brandenburg, Beschluss in EFG 2012, 358). Indem die Antragstellerin vorträgt, die Zinsschranke sei verfassungswidrig, wendet sie sich gegen die Höhe der festgesetzten Körperschaftsteuer, die die Bemessungsgrundlage für den Solidaritätszuschlag darstellt (§ 3 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Satz 1 des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995). Spezifische Einwendungen gegen die Festsetzung des Solidaritätszuschlags hat die Antragstellerin nicht vorgetragen.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob Gewinne aus der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung vom 5. Dezember 1966 --DBA-Spanien-- (BGBl II 1968, 10, BStBl I 1968, 297) in Deutschland besteuert werden dürfen.

2

Die Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) sind Eheleute, die für das Streitjahr (2003) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Sie waren bis zum Streitjahr an der X beteiligt, einer spanischen Gesellschaft in der Rechtsform einer Sociedad en Commandita (S.C.), deren Struktur der einer deutschen Kommanditgesellschaft entspricht. Persönlich haftende Gesellschafterin der X war die Y, eine ebenfalls spanische Gesellschaft in der Rechtsform der Sociedad Anónima (S.A.), die mit einer deutschen Aktiengesellschaft vergleichbar ist. Die Antragsteller zählten zu den Gesellschaftern der Y und hielten ihre Beteiligungen jeweils im Sonderbetriebsvermögen der X.

3

Das Gesellschaftsvermögen der X bestand im Wesentlichen aus einem Hotelbetrieb in Spanien, der auf Grund eines von Y eingeräumten Erbbaurechts errichtet worden und ganz überwiegend verpachtet war. X selbst betrieb in der Hotelanlage eine Boutique; zudem überwachte sie mit der Bewirtschaftung, Unterhaltung und Instandsetzung des Hotelgebäudes beschäftigte Personen. Ob die Geschäftsleitung der Gesellschaften in der Hotelanlage oder im Inland ausgeübt wurde, ist zwischen den Beteiligten streitig. Nach dem Vortrag des Antragsgegners und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) hat Y in Spanien Steuererklärungen abgegeben, ausweislich derer sie keine Aktivitäten entfaltet hat.

4

Im Streitjahr veräußerten die Antragsteller ihre Anteile an X und Y. In der für X abgegebenen Feststellungserklärung für das Streitjahr wurde der dabei erzielte Gewinn als nach dem DBA-Spanien steuerfrei erklärt. Dem folgte das FA im Bescheid zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte nicht; es stellte in Höhe des erklärten Betrags einen tarifbegünstigten Veräußerungsgewinn fest. Über den Einspruch gegen den Feststellungsbescheid ist nach Aktenlage noch nicht entschieden worden.

5

Die Antragsteller beantragten, nachdem das FA zuvor einen entsprechenden Antrag abgelehnt hatte, beim Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg eine Aussetzung der Vollziehung (AdV) des Feststellungsbescheids im Hinblick auf die Veräußerungsgewinne. Das FG lehnte diesen Antrag ab (Beschluss vom 2. November 2009  6 V 2234/09). Dagegen richtet sich die vom FG zugelassene Beschwerde der Antragsteller.

6

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

II. Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Es bedarf in mehrfacher Hinsicht weiterer Sachaufklärung, dies vor allem dazu, ob es sich bei den veräußerten Beteiligungen an der X als auch der Anteile an der Y tatsächlich um Betriebsvermögen bzw. Sonderbetriebsvermögen der Antragsteller handelte oder aber, ob die Beteiligungen in deren Privatvermögen gehalten wurden, weil die X im Streitjahr einer lediglich vermögensverwaltenden Tätigkeit nachging. Davon kann im Ausgangspunkt die Antwort auf die Frage abhängen, ob Deutschland oder aber Spanien das Besteuerungsrecht an den Veräußerungsgewinnen zusteht. Davon hängt es wiederum maßgeblich ab, ob die in Rede stehenden Einkünfte nach dem DBA-Spanien in Deutschland besteuert werden dürfen und ob die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ernstlich zweifelhaft i.S. des § 69 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist.

8

1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Sätze 2 bis 6 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen. Die Vollziehung soll ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen (§ 69 Abs. 2 Satz 2 FGO). Das wiederum ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) der Fall, wenn bei summarischer Prüfung des Verwaltungsaktes gewichtige Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (BFH-Beschluss vom 11. Juni 2003 IX B 16/03, BFHE 202, 53, BStBl II 2003, 663, m.w.N.).

9

Die AdV setzt nicht voraus, dass die gegen die Rechtmäßigkeit sprechenden Gründe überwiegen. Ist die Rechtslage nicht eindeutig, so ist im summarischen Verfahren nicht abschließend zu entscheiden, sondern im Regelfall die Vollziehung auszusetzen (BFH-Beschluss vom 25. August 2009 VI B 69/09, BFHE 226, 85, BStBl II 2009, 826).

10

2. Die Beteiligten gehen im Streitfall übereinstimmend davon aus, dass die im Inland unbeschränkt steuerpflichtigen Antragsteller sowohl durch die Veräußerung ihrer Beteiligungen an der X als auch durch die Veräußerung der Anteile an der Y Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.S. des § 15 des Einkommensteuergesetzes (EStG 2002) erzielt haben. Diese Annahme einer Gewerblichkeit wird zwar nicht abschließend durch Tatsachen und eine dahingehende Subsumtion unter die einschlägigen Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 2 EStG 2002 gestützt. Sie steht aber in Einklang damit, dass es sich nach Aktenlage bei der X um eine gewerblich geprägte Personengesellschaft i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG 2002 gehandelt hat. Dass Y eine Kapitalgesellschaft spanischen Rechts ist, hindert die gewerbliche Prägung der X nicht, da diese auch durch eine ausländische Kapitalgesellschaft vermittelt werden kann (BFH-Urteil vom 14. März 2007 XI R 15/05, BFHE 217, 438, BStBl II 2007, 924).

11

3. Bei der gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist jedoch nicht auszuschließen, dass die Gewinne der Antragsteller aus der Veräußerung der Anteile an der X nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 DBA-Spanien von der deutschen Besteuerung befreit sind. Eine abschließende Entscheidung bedarf jedoch weiterer Sachaufklärung und muss dem FG vorbehalten bleiben.

12

a) Nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 DBA-Spanien werden bei einer in Deutschland (nach Art. 4 Abs. 1 DBA-Spanien) ansässigen Person u.a. die Einkünfte aus Quellen innerhalb Spaniens ausgenommen, die nach dem DBA-Spanien in Spanien besteuert werden können. Das gilt nicht für Einkünfte, auf die Art. 23 Abs. 1 Buchst. b DBA-Spanien anzuwenden ist. Es gilt ferner nur mit Einschränkungen für Dividenden (Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 3 DBA-Spanien).

13

b) Ob die in Rede stehenden Einkünfte i.S. des Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 DBA-Spanien "in Spanien besteuert werden können", ist ernstlich zweifelhaft i.S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO. Der entgegenstehenden Ansicht des FG pflichtet der Senat nicht bei.

14

aa) Nach Art. 13 Abs. 1 DBA-Spanien können Gewinne aus der Veräußerung unbeweglichen Vermögens i.S. des Art. 6 Abs. 2 DBA-Spanien in dem Vertragstaat besteuert werden, in dem dieses Vermögen liegt. Ferner können nach Art. 13 Abs. 2 Satz 1 DBA-Spanien Gewinne aus der Veräußerung beweglichen Vermögens, das Betriebsvermögen einer Betriebstätte darstellt, die ein Unternehmen eines Vertragstaates in dem anderen Vertragstaat hat, sowie derartige Gewinne aus der Veräußerung einer solchen Betriebstätte in dem anderen Staat besteuert werden. Art. 13 Abs. 3 DBA-Spanien, der das alleinige Besteuerungsrecht demgegenüber demjenigen Vertragstaat zuweist, in dem der Veräußerer ansässig ist, betrifft nur die Besteuerung von Gewinnen aus der Veräußerung von Vermögen, das nicht in den Abs. 1 und 2 der Vorschrift genannt ist. Die in Art. 13 Abs. 1 und 2 DBA-Spanien getroffenen Regelungen gehen daher der Regelung in Art. 13 Abs. 3 DBA-Spanien vor.

15

bb) Der Anwendungsvorrang von Art. 13 Abs. 2 DBA-Spanien setzt allerdings (zunächst und unbeschadet der nachfolgend anzustellenden Erwägungen) voraus, dass es sich bei den betreffenden Gewinnen aus der Veräußerung beweglichen Vermögens nicht nur aus innerstaatlicher, sondern auch aus abkommensrechtlicher Sicht um die Veräußerung von Betriebsvermögen handelt. Daran mangelt es bereits im Ausgangspunkt, wenn aus Abkommenssicht (bewegliches) Privatvermögen veräußert wird. Unter den im Streitfall in Rede stehenden Gegebenheiten ist Letzteres jedenfalls dann zu bejahen, sollte die X tatsächlich lediglich vermögensverwaltend und nicht gewerblich tätig gewesen sein. Davon gehen die Beteiligten zwar nicht aus (s. unter II.2.), es ist indes nach Aktenlage nicht von vornherein auszuschließen. Dass es sich nach Lage der Dinge bei der X nach den Maßstäben des § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG 2002 um eine --durch die Y-- gewerblich geprägte Personengesellschaft handelt, schlösse eine bloße Vermögensverwaltung der X nicht aus; die innerstaatliche Gewerbeprägung schlägt auf die Abkommensrechtslage nicht durch. Der gegenteiligen Rechtsauffassung der Finanzverwaltung (vgl. Bundesministerium der Finanzen --BMF--, Schreiben vom 24. Dezember 1999, BStBl I 1999, 1076 Tz. 1.1.5.1, jetzt BMF-Schreiben vom 16. April 2010, BStBl I 2010, 354 Tz. 4.2.1) ist insoweit nicht beizupflichten. Im Einzelnen verweist der Senat dazu auf sein Urteil vom 28. April 2010 I R 81/09 (BFHE 229, 252). Es ist Sache des FG, die tatsächlichen Verhältnisse weiter aufzuklären. Ggf. sind jene Gewinnanteile, welche auf die Veräußerung unbeweglichen und in Spanien belegenen Vermögens herrühren, anteilig zu ermitteln. Ansonsten gebührt das Besteuerungsrecht nach Art. 13 Abs. 3 DBA-Spanien von vornherein Deutschland.

16

cc) Sollte sich hiernach jedoch bestätigen, dass die X unbeschadet der besagten innerstaatlichen Gewerbeprägung tatsächlich gewerblich tätig war, ist weiter zu prüfen, ob Art. 13 Abs. 1 und 2 DBA-Spanien der Besteuerungszuweisung in Art. 13 Abs. 3 DBA-Spanien aus anderen Gründen vorgeht. Das FG hat das verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass sich die Veräußerung auf Anteile an der X bezogen habe und dass X eine Personengesellschaft gewesen sei, die --wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist-- nach spanischem Steuerrecht wie eine juristische Person behandelt wurde. Die Veräußerung von Anteilen an einer solchen nach spanischem Recht "intransparenten" Personengesellschaft unterfalle stets Art. 13 Abs. 3 DBA-Spanien. Diese Ansicht wird zwar von der deutschen Finanzverwaltung vertreten (BMF-Schreiben vom 28. Mai 1998, BStBl I 1998, 557, zwischenzeitlich aufgehoben durch BMF-Schreiben in BStBl I 2010, 354 Tz. 4.2.1 i.V.m. Tz. 4.1.3.3.2) und findet auch im Schrifttum Gefolgschaft (z.B. Herlinghaus in Debatin/ Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 23 Spanien Rz 15). Sie ist aber nicht unbestritten (a.A. z.B. FG Hamburg, Urteil vom 22. August 2006  7 K 139/03, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2007, 101; Lüdemann/Hruschka, Internationales Steuerrecht --IStR-- 2000, 25, 27) und bei summarischer Betrachtung nicht zweifelsfrei zutreffend.

17

Denn Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 DBA-Spanien greift im Streitfall nur dann nicht ein, wenn X den Antragstellern weder unbewegliches Vermögen i.S. des Art. 6 DBA-Spanien noch eine in Spanien belegene Betriebstätte vermittelt hat. Letzteres hat das FG mit der Begründung angenommen, dass sowohl ein vorhandenes unbewegliches Vermögen als auch eine etwa in der Hotelanlage belegene Betriebstätte abkommensrechtlich nicht den Antragstellern, sondern der X zuzuordnen sei. Diese sei selbst "Person" i.S. des Art. 1 DBA-Spanien und als solche abkommensberechtigt, so dass die Veräußerung der Anteile an der X wie eine Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft zu behandeln sei. Diese Beurteilung begegnet ernstlichen Zweifeln, da die Einstufung der X als "Person" von der Auslegung des Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Spanien abhängt und diese Vorschrift in dem hier maßgeblichen Punkt nicht eindeutig ist.

18

aaa) Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. e DBA-Spanien umfasst der Begriff "Person" natürliche Personen und Gesellschaften. Als "Gesellschaft" bezeichnet das DBA-Spanien eine juristische Person oder einen anderen Rechtsträger, der für die Besteuerung wie eine juristische Person behandelt wird (Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Spanien). Diese Definitionen sind für die Auslegung des DBA-Spanien bindend. Streitig ist aber, ob bei der Frage nach dem Vorliegen einer "juristischen Person" oder eines "wie eine juristische Person besteuerten Rechtsträgers" für Zwecke der deutschen Besteuerung stets auf das deutsche Recht (so z.B. Senatsurteil vom 20. August 2008 I R 34/08, BFHE 222, 521, BStBl II 2009, 263 zum Abkommen mit den USA; Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Art. 3 MA Rz 18; Gaffron in Haase, Außensteuergesetz, Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 3 MA Rz 25; Rosenthal, IStR 2007, 610, 611; ebenso wohl FG Hamburg, Urteil in EFG 2007, 101; Suchanek, IStR 2007, 654, 655 f.) oder ggf. auf das Recht des anderen Vertragstaates abzustellen ist (so. z.B. Reimer in Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl., Art. 13 Rz 83; Wilke in Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA-Kommentar, Art. 3 OECD-MA Rz 14; Strunk/Kaminski in Strunk/ Kaminski/Köhler, Außensteuergesetz, Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 3 OECD-MA Rz 15; vgl. auch Schaumburg, IStR, 2. Aufl., Rz 16.171, m.w.N.). Zur Auslegung des --insoweit mit Art. 3 DBA-Spanien vergleichbaren-- Musterabkommens der Organisation for Economic Cooperation and Development zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (OECD-MustAbk) folgt der dazu ergangene einschlägige Kommentar (OECD-MustKomm) der zuletzt genannten Ansicht (OECD-MustKomm Nr. 3 zu Art. 3). Die Finanzverwaltung hat sich dem angeschlossen. Der Senat hält jedoch angesichts des Umstands, dass Art. 3 Abs. 2 DBA-Spanien zur Auslegung von im Abkommen nicht definierten Ausdrücken, wenn der Zusammenhang nichts anderes erfordert, auf das Recht des Rechtsanwenderstaates verweist, die erstgenannte Deutung (auch) im Hinblick auf dieses Abkommen für nicht von vornherein fernliegend.

19

bbb) Dagegen spricht nicht, dass Art. 10 Abs. 4 Satz 2 DBA-Spanien die von einer sociedad de personas --also einer spanischen Personengesellschaft-- an ihre Gesellschafter ausgeschütteten Gewinne den Dividenden zuordnet. Darin kommt zwar zum Ausdruck, dass das Abkommensrecht sich insoweit an der Behandlung jener Gesellschaften im spanischen Steuerrecht orientiert. Es ist aber offen, ob diese Regelung klarstellender Natur ist oder ob sie im Gegenteil von der Annahme ausgeht, dass ohne eine solche Sonderbestimmung die dort behandelten Ausschüttungen in Deutschland --dem System des deutschen Einkommensteuerrechts entsprechend-- als Entnahmen und folglich nicht als Dividenden zu behandeln wären. Letzterenfalls könnte die Vorschrift sogar als Beleg dafür herangezogen werden, dass für Zwecke der Besteuerung in Deutschland die Frage der "Besteuerung wie eine juristische Person" i.S. des Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Spanien ausschließlich nach deutschem Steuerrecht zu beantworten, eine spanische Personengesellschaft also unabhängig von ihrer steuerrechtlichen Behandlung in Spanien nicht als "Gesellschaft" anzusehen ist. Daher muss diese Frage bei summarischer Prüfung als offen angesehen werden.

20

dd) Richtet sich im Streitfall die abkommensrechtliche Behandlung nach den Maßstäben des deutschen Steuerrechts, so ist im Hinblick auf die Anwendung des Art. 13 DBA-Spanien maßgeblich, dass in Deutschland Personengesellschaften nicht nach den für juristische Personen geltenden Regeln besteuert werden.

21

Das deutsche Recht geht vielmehr davon aus, dass die von einer Personengesellschaft erzielten Einkünfte stets deren Gesellschaftern zuzurechnen und bei diesen zu besteuern sind. Das hat abkommensrechtlich zur Folge, dass sowohl ein von einer Personengesellschaft betriebenes Unternehmen als auch die Betriebstätten eines solchen Unternehmens unmittelbar den Gesellschaftern der Personengesellschaft zugeordnet werden (vgl. Senatsurteile vom 18. Dezember 2002 I R 92/01, BFHE 201, 447; vom 17. Oktober 2007 I R 96/06, BFHE 219, 534, BStBl II 2008, 953; in BFHE 222, 521, BStBl II 2009, 263, m.w.N.).

22

Daraus würde zunächst folgen, dass das von X betriebene Unternehmen für die Beurteilung des Streitfalls als deutsches Unternehmen i.S. des Art. 13 Abs. 2 DBA-Spanien anzusehen wäre. Denn dann wären die in Rede stehenden Gewinne aus abkommensrechtlicher Sicht von einem Unternehmen erzielt worden, das von den im Inland ansässigen Antragstellern betrieben wurde, und nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. g DBA-Spanien richtet sich die territoriale Zuordnung eines Unternehmens nach der Ansässigkeit der das Unternehmen betreibenden Person. Das Besteuerungsrecht Spaniens hinge dann davon ab, ob und inwieweit die veräußerten Anteile an der X entweder in Spanien belegenes unbewegliches Vermögen (Art. 13 Abs. 1 DBA-Spanien) oder Betriebsvermögen einer in Spanien unterhaltenen Betriebstätte (Art. 13 Abs. 2 Satz 1 DBA-Spanien) verkörperten. Das kann im summarischen Verfahren wiederum nicht abschließend beurteilt werden.

23

aaa) Zunächst ist aufklärungsbedürftig, inwieweit der bei der Veräußerung der Anteile erzielte Kaufpreis auf den Wert eines in Spanien belegenen unbeweglichen Vermögens entfällt. Das unbewegliche Vermögen der X bestand nach Aktenlage ursprünglich in einem von Y eingeräumten Erbbaurecht. Dieses Erbbaurecht war aber im Jahre 1988 bestellt und dabei auf 15 Jahre befristet worden; es könnte daher im Zeitpunkt der Veräußerung abgelaufen gewesen sein oder zumindest kurz vor dem Ablauf gestanden haben. Das wiederum lässt unklar erscheinen, ob die Anteile an der X im Zeitpunkt ihrer Veräußerung unbewegliches Vermögen i.S. des Art. 13 Abs. 1 DBA-Spanien repräsentiert haben. Dies aber wäre Voraussetzung dafür, dass die Veräußerung als "Veräußerung unbeweglichen Vermögens" i.S. jener Vorschrift angesehen werden könnte.

24

bbb) In Hinblick auf die Anwendung des Art. 13 Abs. 2 DBA-Spanien ist zwischen den Beteiligten streitig, ob im Zusammenhang mit dem Betrieb der X in Spanien eine Betriebstätte unterhalten worden ist, der ein veräußertes bewegliches Vermögen zugeordnet werden könnte. Insoweit hat das FA zwar zu Recht darauf hingewiesen, dass die von X errichtete Hotelanlage verpachtet war und dass ein verpachteter Betrieb regelmäßig nicht als Betriebstätte des Verpächters angesehen werden kann (Senatsurteil vom 13. Juni 2006 I R 84/05, BFHE 214, 178, BStBl II 2007, 94, m.w.N.). Ferner ist dem FA dahin zu folgen, dass bei summarischer Beurteilung zwar die von X in der Hotelanlage betriebene Boutique aus abkommensrechtlicher Sicht eine Betriebstätte der Antragsteller darstellte, dieser Betriebstätte aber zweifelsfrei nicht das gesamte Vermögen der X zuzurechnen ist. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass sich in der verpachteten Anlage eine weitere den Antragstellern zuzurechnende Betriebstätte befand und dass die veräußerten beweglichen Vermögenswerte dieser Betriebstätte als "Betriebsvermögen" i.S. des Art. 13 Abs. 2 Satz 1 DBA-Spanien zuzuordnen sind.

25

aaaa) Der Begriff "Betriebstätte" wird für Zwecke des DBA-Spanien in Art. 5 DBA-Spanien definiert. Danach umfasst er u.a. einen Ort der Leitung (Art. 5 Abs. 2 Buchst. a DBA-Spanien). Dieser liegt dort, wo eine das Unternehmen leitende Person Leitungsaufgaben wahrnimmt und in diesem Zusammenhang Entscheidungen von einigem Gewicht trifft (Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Art. 5 MA Rz 67). Im Streitfall ist in tatsächlicher Hinsicht unklar, ob sich in Spanien ein solcher Ort befunden hat.

26

Die Antragsteller haben dazu vorgetragen, dass in der Hotelanlage ein der X vorbehaltenes Büro vorhanden war und dass dieses Büro für Zwecke der Leitung der X genutzt wurde. Sie haben ferner behauptet, dass der Antragsteller und ein weiterer Gesellschafter der X anstehende Entscheidungen im Zusammenhang mit der Hotelanlage stets vor Ort getroffen haben. Das FA hat diese Angabe zwar in Zweifel gezogen. Die insoweit maßgeblichen Umstände können aber im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht näher aufgeklärt werden. Zudem hat das FG ausdrücklich unterstellt, dass sich in Spanien eine den Antragstellern zuzurechnende Betriebstätte befand; dem Gesamtzusammenhang seiner Entscheidung ist zu entnehmen, dass es damit nicht die von X betriebene Boutique, sondern einen Leitungsort gemeint hat. Daher geht der Senat im vorliegenden Verfahren davon aus, dass in Spanien ein solcher Leitungsort vorhanden war. Ob die genannten Angaben der Antragsteller zutreffen, welche Aufgaben im Zusammenhang mit dem Betrieb der X ggf. in Spanien wahrgenommen wurden und was daraus für die Zuordnung des Betriebsvermögens folgt, wird im Verfahren zur Hauptsache aufgeklärt und entschieden werden müssen.

27

bbbb) Im Streitfall ist daher zu Gunsten der Antragsteller davon auszugehen, dass der hier angenommene Betrieb der X insgesamt in Spanien geleitet worden ist und dass sich außerhalb Spaniens keine weitere Betriebstätte der X befunden hat. Unter dieser Voraussetzung liegt einerseits die Annahme nahe, dass das gesamte Betriebsvermögen der X abkommensrechtlich einer in Spanien belegenen Betriebstätte der Antragsteller zuzuordnen ist. Das würde wiederum dazu führen, dass der Gewinn aus der Veräußerung des beweglichen Betriebsvermögens gemäß Art. 13 Abs. 2 Satz 1 DBA-Spanien insgesamt in Spanien besteuert werden dürfte.

28

c) Eine sich daraus ergebende Befreiung des Gewinns von der deutschen Steuer (Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 DBA-Spanien) würde nicht notwendig durch Art. 23 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. ee DBA-Spanien ausgeschlossen oder beschränkt. Zum einen bezieht sich Art. 23 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. ee DBA-Spanien lediglich auf Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen und aus diesem Vermögen selbst und damit auf Einkünfte gemäß Art. 6 Abs. 1 DBA-Spanien, Veräußerungsgewinne gemäß Art. 13 Abs. 1 DBA-Spanien werden hingegen nicht in Bezug genommen (vgl. Senatsurteil vom 19. Mai 1982 I R 257/78, BFHE 136, 363, BStBl II 1982, 768; FG Münster, Urteil vom 16. Februar 2009  9 K 463/04 K,F, EFG 2009, 1222; Herlinghaus in Debatin/ Wassermeyer, a.a.O., Art. 23 Spanien Rz 25; Suchanek, IStR 2007, 654, 657; Lemaitre/Lüdemann in Wassermeyer/Richter/ Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, 2010, Rz 7.73; Mensching/Tyarks, daselbst, Rz 10.14; anders Oberfinanzdirektion --OFD-- Frankfurt, Verfügung vom 15. März 2001, Betriebs-Berater 2001, 869; OFD Münster, Verfügung vom 29. November 1999, Deutsches Steuerrecht 2000, 522). Zum anderen nimmt die Vorschrift unbewegliches Vermögen, das zu einer in Spanien gelegenen Betriebstätte gehört, von der dort vorgesehenen Steueranrechnung aus; soweit es um in Spanien zu besteuernde Betriebstätteneinkünfte geht, bleibt es mithin auch im Bereich des unbeweglichen Vermögens bei der Steuerbefreiung nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA-Spanien. Um solche Einkünfte würde es indessen im Streitfall zumindest dann gehen, wenn sich in Spanien die einzige Betriebstätte der Antragsteller im Zusammenhang mit dem Betrieb der X befunden hätte.

29

4. Im Ergebnis geht der Senat mithin davon aus, dass die von den Antragstellern erzielten Veräußerungsgewinne möglicherweise nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 DBA-Spanien von der deutschen Steuer freizustellen sind. Vorausgesetzt, die X war eigengewerblich und nicht lediglich vermögensverwaltend tätig, rechtfertigt das die beantragte AdV. Dem steht § 50d Abs. 9 i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2007 (JStG 2007), BGBl I 2006, 2878, BStBl I 2007, 28 --EStG 2002 n.F.-- nicht entgegen.

30

a) Nach § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 n.F. wird eine in einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung vorgesehene Steuerbefreiung nicht gewährt, wenn der andere Vertragstaat das Abkommen so anwendet, dass die in diesem Staat erzielten Einkünfte von der dortigen Besteuerung auszunehmen sind. Diese Situation liegt im Streitfall vor. Denn da das spanische Steuerrecht Personengesellschaften nach Art der X wie Kapitalgesellschaften behandelt, unterliegen Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an einer solchen Gesellschaft aus der Sicht Spaniens grundsätzlich Art. 13 Abs. 3 DBA-Spanien. Anderes gilt allenfalls dann, wenn die Anteile ihrerseits zu einer in Spanien belegenen Betriebstätte eines weiteren Unternehmens gehören; um einen solchen Sachverhalt geht es im Streitfall nicht. In der hier gegebenen Situation weist das DBA-Spanien deshalb nach dem Verständnis Spaniens das Besteuerungsrecht ausschließlich der Bundesrepublik Deutschland zu. Dem entsprechend sind denn auch im Streitfall die Gewinne der Antragsteller aus der Veräußerung der Anteile an der X in Spanien nicht besteuert worden. Das FA macht deshalb zu Recht geltend, dass die in § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 n.F. genannte Voraussetzung im Streitfall erfüllt ist.

31

b) Indessen ist § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 n.F. erst durch das Jahressteuergesetz 2007 geschaffen worden. Dieses Gesetz ist am 14. Dezember 2006 --und damit nach dem Ende des Streitjahres-- in Kraft getreten (Art. 20 Abs. 1 JStG 2007). Nach § 52 Abs. 59a Satz 6 EStG 2002 n.F. ist § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 n.F. zwar für alle Veranlagungszeiträume anzuwenden, soweit Steuerbescheide noch nicht bestandskräftig sind. Es ist aber ernstlich zweifelhaft, ob die hiernach vorgesehene Anwendung der Neuregelung auf den Streitfall mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar ist.

32

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) bedarf es vor dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) einer besonderen Rechtfertigung, wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolgen eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändert. Insbesondere ist eine steuerbegründende oder steuererhöhende Bestimmung in der Regel mit dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbar, wenn und soweit sie für einen Veranlagungszeitraum gelten soll, der im Zeitpunkt der Verkündung des Gesetzes bereits abgeschlossen war (BVerfG-Entscheidung vom 19. Dezember 1961  2 BvL 6/59, BVerfGE 13, 261). Das gilt auch im Zusammenhang mit Rechtsänderungen im Bereich der DBA (BVerfG-Beschlüsse vom 10. März 1971  2 BvL 3/68, BStBl II 1973, 431; vom 14. Mai 1986  2 BvL 2/83, BStBl II 1986, 628).

33

bb) § 52 Abs. 59a Satz 6 EStG 2002 n.F. entfaltet, soweit er eine Anwendung des § 50d Abs. 9 EStG 2002 n.F. für das Streitjahr anordnet, möglicherweise eine "echte" Rückwirkung in diesem Sinne. Diese könnte darin bestehen, dass die Regelung mit Wirkung für abgelaufene Veranlagungszeiträume eine Steuerbefreiung ausschließt, die sich vor ihrer Geltung u.a. aus Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 DBA-Spanien ergab.

34

aaa) Ausweislich der Gesetzesmaterialien hat der Gesetzgeber allerdings angenommen, dass die in § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 n.F. getroffene Regelung klarstellender Natur sei (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 16/2712, S. 61). Er ist mithin davon ausgegangen, dass jene Regelung nur verdeutliche, was ohnehin aus den einzelnen DBA abzuleiten sei. Dies entspricht dem Verständnis des OECD-Musterkommentars, der die in den DBA verwendete Formulierung "nach diesem Abkommen besteuert werden können" nicht allein auf die Auslegung des jeweiligen Abkommens durch den Rechtsanwenderstaat bezieht, sondern darüber hinaus die Sicht des jeweils anderen Vertragstaates berücksichtigt (OECD-MustKomm Nr. 32.1 ff. zu Art. 23). Nach diesem Regelungsverständnis soll namentlich dann, wenn beide Vertragstaaten einen bestimmten Abkommensbegriff auf Grund unterschiedlicher systematischer Vorverständnisse unterschiedlich auslegen und deshalb im Ausgangspunkt sich keiner von beiden für steuerberechtigt hält ("negativer Qualifikationskonflikt"), der betreffende Vorgang nicht "nach dem Abkommen besteuert werden können" und mithin eine an diese Voraussetzung geknüpfte Steuerbefreiung ausscheiden (OECD-MustKomm Nr. 32.6 zu Art. 23). Folgt man dem, so stellt § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 n.F. nur die unmittelbar in den entsprechenden Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung verankerte Rechtslage klar (so z.B. Vogel, IStR 2007, 225, 228; Thiel in Kessler/Förster/Watrin [Hrsg.], Unternehmensbesteuerung, Festschrift für Herzig, 2010, S. 1023). Das gilt auch im Hinblick auf Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 DBA-Spanien.

35

bbb) Eine solche Sicht der Dinge begegnet indessen bei summarischer Betrachtung ernstlichen Zweifeln. Denn in der Zeit vor der Geltung des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 n.F. sind Rechtsprechung und Schrifttum stets davon ausgegangen, dass eine abkommensrechtliche Steuerfreistellung regelmäßig auch dann eingreift, wenn die in Deutschland freigestellten Einkünfte im anderen Vertragstaat nicht besteuert werden. Es sollte insoweit ein "Verbot der virtuellen Doppelbesteuerung" gelten (Senatsurteile vom 14. Dezember 1988 I R 148/87, BFHE 155, 374, BStBl II 1989, 319; vom 17. Dezember 2003 I R 14/02, BFHE 204, 263, BStBl II 2004, 260; Schaumburg, a.a.O., Rz 16.534). Vor diesem Hintergrund stellt sich nunmehr die Frage, ob dieser Grundsatz u.a. die hier in Rede stehende Situation des (negativen) Qualifikationskonflikts erfasst oder ob er nur dann eingreift, wenn der andere Vertragstaat aus anderen als abkommensrechtlichen Gründen von einer Besteuerung absieht. Nimmt man ersteres an, so führt die in § 52 Abs. 59a Satz 6 EStG 2002 n.F. getroffene Anwendungsregelung zu einer "echten" Rückwirkung des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 n.F.

36

Im Schrifttum ist die damit angesprochene Frage streitig. Das u.a. im OECD-Musterkommentar vertretene Verständnis des Ausdrucks "nach diesem Abkommen besteuert werden können" wird von zahlreichen Stimmen angezweifelt (z.B. Jankowiak, Doppelte Nichtbesteuerung im Internationalen Steuerrecht, 2009, S. 235 ff.; Gosch in Kirchhof, EStG, 9. Aufl., § 50d Rz 41; Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Art. 1 MA Rz 28g; M. Lang, IStR 2007, 606, 608; vgl. auch ders., IStR 2010, 114). Darüber hinaus wird die Ansicht vertreten, dass die im Jahr 2000 veröffentlichte Passage des OECD-Musterkommentars (Nr. 32.6 zu Art. 23 OECD-MustAbk) jedenfalls nicht für die "dynamische" Auslegung von schon zuvor in Kraft getretenen DBA maßgeblich sei (z.B. Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Art. 23A MA Rz 46; ders., IStR 2007, 413, 414; Gosch in Schaumburg/Piltz [Hrsg.], Veräußerungsgewinne im Internationalen Steuerrecht, 2004, S. 103, 117; ders. in Kirchhof, a.a.O., § 50d Rz 41). Vor diesem Hintergrund ist die Annahme verbreitet, dass die in § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 59a Satz 6 EStG 2002 n.F. getroffene Regelung rechtsändernd wirke (so z.B. Suchanek/Herbst, Finanz-Rundschau 2006, 1112, 1118; Rosenthal, IStR 2007, 610, 612; Gosch in Kirchhof, a.a.O., § 50d Rz 40; Schönfeld in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 50d Abs. 9 EStG Rz 33; zweifelnd auch Loschelder in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 29. Aufl., § 50d Rz 56) und eine rückwirkende Anwendung daher aus verfassungsrechtlichen Gründen unzulässig sei (Gosch, IStR 2008, 413, 416).

37

ccc) Unabhängig davon ist auch in materiell-rechtlicher Hinsicht ernstlich zu bezweifeln, ob § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 n.F. den verfassungsrechtlichen Anforderungen, die nicht nur durch Art. 20 Abs. 3 GG, sondern auch durch den prinzipiellen Vorrang des Völkervertragsrechts vor "einfachem" Recht zu verlangen sind, uneingeschränkt gerecht wird. Denn aufgrund des vorstehend unter II.4.b bb aaa beschriebenen Abkommensverständnisses spricht manches dafür, dass § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 n.F. unilateral und konstitutiv die mit Spanien in Art. 23 Abs. 1 DBA-Spanien vereinbarte Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung mittels "virtueller" Freistellung (als sog. treaty override) "überschreibt". Das mag prinzipiell in Einklang damit stehen, dass sowohl das Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung infolge dessen Transformation in nationales Recht (vgl. im Hinblick auf das DBA-Spanien: Zustimmungsgesetz vom 16. Januar 1968, BGBl II 1968, 9) als auch das Einkommensteuergesetz in der Normenhierarchie gleichrangig auf derselben Stufe stehen (vgl. z.B. Senatsurteil vom 13. Juli 1994 I R 120/93, BFHE 175, 351, BStBl II 1995, 129). Es fragt sich indessen, ob nicht gleichwohl abkommensrechtlich und verfassungsrechtlich durchschlagende Gründe dafür ersichtlich sein müssen, die die Durchbrechung der völkerrechtlich verbindlich getroffenen Vereinbarungen (Art. 59 Abs. 2 GG) erzwingen und (ausnahmsweise) rechtfertigen können (vgl. jeweils m.w.N. z.B. Vogel in Vogel/Lehner, a.a.O., Einl. Rz 193 ff.; Gosch, IStR 2008, 413).

38

ddd) Die verfassungsrechtliche Beurteilung des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 59a Satz 6 EStG 2002 n.F. kann im summarischen Verfahren nicht abschließend vorgenommen werden. Gegen einen lediglich klarstellenden Charakter der Vorschrift könnte u.a. sprechen, dass die für die Steuerfreistellung maßgebliche Regelung im OECD-Musterabkommen im Jahr 2000 um eine ausdrückliche Bestimmung (Art. 23A Abs. 4 OECD-MustAbk) ergänzt worden ist, die inhaltlich § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 n.F. entspricht; das könnte darauf hindeuten, dass es nach den allgemeinen Grundsätzen der Abkommensauslegung einer solchen positiven Bestimmung bedarf, wenn ein negativer Qualifikationskonflikt zu einem ansonsten nicht bestehenden Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates führen soll. Nicht zuletzt deshalb sind die im Schrifttum geäußerten Bedenken gegen die rückwirkende Anwendung des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 n.F. so gewichtig, dass deren verfassungsrechtliche Zulässigkeit ernstlich zweifelhaft erscheint. Damit erscheint gleichermaßen zweifelhaft, ob diese Vorschrift im Streitfall berücksichtigt werden kann. Sie kann daher die aus abkommensrechtlichen Gründen gebotene AdV nicht hindern; nach den Umständen des Einzelfalles kommt dem Interesse der Antragsteller an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes der Vorrang vor dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Gesetzes zu (vgl. zu diesem Abwägungsmaßstab zuletzt BFH, Beschluss vom 1. April 2010 II B 168/09, BFH/NV 2010, 1033 --zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt--, m.w.N.).

39

5. Im Ergebnis dasselbe gilt im Hinblick auf die Gewinne aus der Veräußerung der Anteile an der Y. Denn nach Aktenlage ist davon auszugehen, dass erstens die Antragsteller nicht nur an X, sondern auch an Y beteiligt waren und dass zweitens Y sich auf die Leitung der X beschränkt und keinen eigenen operativen Geschäftsbetrieb unterhalten hat. Bei einem solchen Sachverhalt gehören nach deutschem Steuerrecht die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft (Y) zum Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters der Personengesellschaft (X). Das wiederum hat nach der Rechtsprechung des Senats zur Folge, dass die Beteiligung abkommensrechtlich einer durch die Personengesellschaft vermittelten Betriebstätte des Gesellschafters zuzurechnen ist (Senatsurteil vom 13. Februar 2008 I R 63/06, BFHE 220, 415, BStBl II 2009, 414; Gosch in Gosch/Kroppen/Grotherr, a.a.O., Art. 13 OECD-MA Rz 80, jeweils m.w.N.). Dieser Grundsatz muss möglicherweise auch im Streitfall gelten. Daraus würde wiederum folgen, dass die Anteile der Antragsteller an der Y einer in Spanien belegenen Betriebstätte zuzuordnen sind und die Gewinne aus ihrer Veräußerung daher gemäß Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 i.V.m. Art. 13 Abs. 2 Satz 1 DBA-Spanien in Deutschland nicht besteuert werden dürfen. Bis zur abschließenden Klärung dieser Frage ist auch insoweit die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids als ernstlich zweifelhaft anzusehen und deshalb seine Vollziehung auszusetzen.

40

Auch insoweit muss der Sachverhalt --vorausgesetzt, X ist tatsächlich einer gewerblichen Betätigung nachgegangen-- weiter aufgeklärt werden. Andernfalls greift abermals die Besteuerungszuordnung des Art. 13 Abs. 3 DBA-Spanien.

41

6. Der Beschluss der Vorinstanz, die verschiedentlich abweichende Rechtsauffassungen vertreten hat, ist aufzuheben. Es bedarf für eine abschließende Entscheidung aus den ausgeführten Gründen umfangreicher weiterer Sachaufklärung, insbesondere zu der vorrangig zu prüfenden Frage danach, ob die X tatsächlich gewerblich oder aber nur vermögensverwaltend tätig war. Davon hängt die Entscheidung über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schon im weichenstellenden Ausgangspunkt ab. Der Senat hält es angesichts dessen für sachgerecht, die Sache an das FG zurückzuverweisen (zur Zurückverweisung im Verfahren auf AdV s. z.B. Gosch in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 69 FGO Rz 309; Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 69 FGO Rz 998 ff., jeweils m.w.N.).

(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.

(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.

Tatbestand

1

I. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin), eine GmbH, betreibt als Franchisenehmer einer Fast-Food-Kette mehrere Schnellrestaurants. Sie lieferte ihre Produkte --Speisen und Getränke-- sowohl zum Verzehr innerhalb der Restaurants, als auch zum Verzehr außer Haus. Dabei lieferte sie auch sog. "Sparmenüs", bei denen es sich um Produktzusammenstellungen handelte, die neben Speisen wie Sandwiches und Pommes frites auch Getränke in verschiedenen Größen umfassten. Hierfür hatte der Kunde einen Pauschalpreis zu entrichten, der unter der Summe der Einzelveräußerungspreise der Menübestandteile lag. Für den Kunden war keine Aufschlüsselung der auf die einzelnen Bestandteile des Menüs entfallenen Preise erkennbar. Lediglich aus dem Kassenzettel war für den Kunden ersichtlich, dass ein Bestandteil des Pauschalpreises mit dem ermäßigten Steuersatz und einer mit dem Regelsteuersatz besteuert wurde.

2

Den Unterschiedsbetrag zwischen der Summe der Einzelpreise und dem Preis des "Sparmenüs" ("Rabatt") berücksichtigte die Antragstellerin ausschließlich bei dem --dem Regelsteuersatz unterliegenden-- Getränk. Dies führte im Streitjahr 2002 dazu, dass bei einem sog. mittleren Menü der Preis für das Getränk, dessen Einzelverkaufspreis sich auf ca. 27 % der Summe aller Einzelverkaufspreise des "Sparmenüs" belief, im Rahmen des "Sparmenüs" dagegen nur noch ca. 12,6 % des Menüpreises ausmachte.

3

Grundlage hierfür war insbesondere ein Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) vom 4. Oktober 2004 (auf eine Anfrage einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft), wonach "... bei der Lieferung von Menüs, die Getränke einschließen, im Rahmen von Außer-Haus-Verkäufen keine einheitlichen Leistungen vorliegen, sondern mehrere Lieferungen ausgeführt werden. Der jeweilige Unternehmer kann das Gesamtentgelt auf die einzelnen Lieferbestandteile aufteilen. Diese Aufteilung darf jedoch im Hinblick auf die unterschiedlichen Steuersätze nicht missbräuchlich i.S. des § 42 der Abgabenordnung (AO) erfolgen. Damit wird den Unternehmern keine bestimmte Art der Aufteilung des Preisnachlasses vorgeschrieben. Aufgrund der besonders hohen Aufschlagssätze bei den Getränken erscheint eine Rabattgewährung überwiegend bei den Getränken durchaus gerechtfertigt zu sein, wenn die Preisbildung nicht missbräuchlich wird, d.h. das Entgelt kann nach Rabattgewährung noch als angemessen beurteilt werden. Die einzelnen Produkte, aus denen sich das Sparmenü zusammensetzt, können damit zwar unterschiedlich kalkuliert werden, für jedes Produkt des Sparmenüs muss jedoch ein angemessener Gewinnaufschlag verbleiben. Wird das Entgelt für das einzelne Produkt des Sparmenüs aufgrund eines zu geringen Gewinnaufschlags zu niedrig angesetzt, würde sich allerdings die Frage des Gestaltungsmissbrauchs im Sinne von § 42 AO stellen".

4

Im Anschluss an eine Außenprüfung ging der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass die von der Antragstellerin vorgenommene Kaufpreisaufteilung missbräuchlich sei. Die Entgelte seien nach Einzelproduktpreisen ins Verhältnis zu setzen. Daher sei der Menüpreis in dem Verhältnis der Einzelverkaufspreise der Menükomponenten "linear" aufzuteilen und so die Bemessungsgrundlagen für die Besteuerung mit dem Regelsteuersatz (Getränk) einerseits und mit dem ermäßigten Steuersatz (Speisen) andererseits zu ermitteln. Das FA erließ am 8. November 2010 entsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre 2002 bis 2006.

5

Hiergegen legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung (AdV). Mit Verfügung vom 13. Januar 2011 lehnte das FA den Antrag auf AdV der Umsatzsteuerbescheide 2002 bis 2006 vom 8. November 2010 unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zur Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG ab.

6

Auch der beim Finanzgericht (FG) gestellte AdV-Antrag hatte keinen Erfolg. Mit dem in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2013, 172 veröffentlichten Beschluss entschied das FG, dass die Umsätze aus der Lieferung der sog. "Sparmenüs", die zu einem Pauschalpreis angeboten wurden, als "Außer-Haus-Menüs" hinsichtlich der Speisen dem ermäßigten Steuersatz und hinsichtlich des Getränks dem Regelsteuersatz unterlägen. Es sei keine einheitliche Leistung, sondern eine Mehrheit von Leistungen gegeben, die jeweils eigenständig zu beurteilen seien. Der auf die Speisen und auf die Getränke entfallende Teil des Entgelts sei unter Anwendung der einfachst möglichen Berechnungsmethode zu ermitteln. Aus Gründen der Einfachheit und Transparenz bezüglich der Marktpreise sei es sachgerecht, grundsätzlich auf die jeweiligen Einzelveräußerungspreise der Menükomponenten abzustellen. Auf dieser Grundlage sei es unter geringem Ermittlungs- und Berechnungsaufwand auf einfache Weise möglich, das pauschale Entgelt für das Menü in dem Verhältnis, in welchem die Einzelveräußerungspreise der Komponenten zueinander stünden, sachgerecht aufzuteilen. Es bedürfe für diese Form der Ermittlung allein der Heranziehung der im jeweiligen Streitjahr angesetzten Verkaufspreise und des Menüpreises, so dass die Berechnung bei einem aus drei Komponenten bestehenden Menü und gleichbleibenden Verkaufspreisen leicht ermittelbar sei. Dabei entspreche es auch dem Erfordernis der Einfachheit, den Menüpreis im Verhältnis der bekannten Einzelverkaufspreise aufzuteilen und nicht etwa eine oder zwei Komponente(n) mit ihrem Einzelverkaufspreis anzusetzen und den Wert der anderen Komponenten aus der Differenz zwischen diesem Einzelverkaufspreis und dem Pauschalpreis zu ermitteln. Denn bei letzterer Vorgehensweise müsse zudem ein plausibler und sachgerechter Maßstab für die Frage gefunden werden, welche Komponente(n) als Ausgangsgröße(n) heranzuziehen wäre(n) und --wenn nur eine Komponente mit ihrem Einzelverkaufspreis herangezogen werde-- wie sich der Restbetrag auf die verbleibenden Menübestandteile verteile. Diese Problematik stelle sich bei einer Aufteilung im Verhältnis der Einzelverkaufspreise nicht.

7

Die Wahl einer Methode auf der Grundlage tatsächlicher Kosten sei dagegen mit einem nicht nur einmaligen Ermittlungs- und Berechnungsaufwand verbunden, sondern wäre bei unterjährig schwankenden Einkaufspreisen ggf. mehrfach anzupassen. Es müsste neben dem Ausgangswert des Einstandspreises zusätzlich die Streitfrage der jeweiligen Marge pro Menübestandteil geklärt werden, um zu einem konkreten Preis für die Einzelleistungen zu gelangen. Die Antragstellerin habe auch keine transparente, nachvollziehbare einheitliche Methode angewendet. Vielmehr schwankten die auf die Menübestandteile entfallenen Preise, Margen bzw. Aufschlagssätze je nach Art des Menüs und über die Streitjahre hinweg nach einem sich nicht erschließenden System. Die hiergegen vorgebrachten Argumente der Antragstellerin, dass lediglich beim Getränk hinreichend Spielraum für eine Rabattgewährung bestünde, und dass eine verhältnismäßige Rabattgewährung zu einem negativen Rohgewinnaufschlagsatz bei den Hamburgern führen könnte, griffen nicht durch. Denn der Rabatt werde ausschließlich auf das Gesamtpaket in seiner jeweiligen --unveränderbaren-- Zusammenstellung gewährt. Ob das Anbieten eines solchen Leistungspakets zum jeweiligen Pauschalpreis unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten sinnvoll sei, hänge davon ab, in welchem Verhältnis die gesamten Kosten aller Menübestandteile zum pauschalen Verkaufspreis stünden. Es sei insoweit nicht ersichtlich, dass eine rein interne Zuordnung der Verkaufspreise vornehmlich auf die Speisen wirtschaftliche Vorteile für die Antragstellerin habe. Durch die interne "Verschiebung" der Bemessungsgrundlagen werde weder der Gesamtaufwand für die Menükomponenten noch die Summe des eingenommenen Geldes verändert. Es sei nicht erkennbar, weshalb es sich --bei insgesamt gleichbleibenden Kosten und Einnahmen-- als wirtschaftlich ungünstig erweisen sollte, wenn bei der internen Zuordnung der auf einzelne (untrennbare) Menükomponenten entfallene Rohgewinnaufschlag negativ würde.

8

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der vom FG zugelassenen Beschwerde. Die Kunden hätten die Kaufpreisaufteilung der Antragstellerin akzeptiert. Die Wahl des Aufteilungsmaßstabes unterliege der Privatautonomie. Es bestehe Preisbestimmungsautonomie. Aufgrund der hohen Aufschläge könne eine Rabattgewährung überwiegend bei den Getränken gerechtfertigt sein. Es entspreche betriebswirtschaftlichen und kaufmännischen Grundsätzen der Preisbildung, die Preisermäßigung auf den Produktteil mit dem höchsten Kalkulationsaufschlag zu gewähren. Den Vorgaben des BMF sei zu folgen. Im Hinblick auf die hohen Margen bei den Getränken sei der Rabatt bei deren Lieferung vorrangig zu berücksichtigen gewesen. Es liege kein Gestaltungsmissbrauch vor. Zumindest sei Vertrauensschutz zu gewähren. Zu berücksichtigen sei auch die Rechtsprechung zur Vorsteueraufteilung.

9

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des FG aufzuheben und die Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide 2002 bis 2006 vom 8. November 2010 auszusetzen.

10

Das FA beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

II. Die gemäß § 128 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet.

12

1. Nach § 128 Abs. 3 i.V.m. § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen bereits dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheides neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung seit dem Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182; BFH-Beschluss vom 20. Juli 2012 V B 82/11, BFHE 237, 545, BStBl II 2012, 809, unter II.1.). Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (vgl. BFH-Beschlüsse in BFHE 237, 545, BStBl II 2012, 809, unter II.1.; vom 7. September 2011 I B 157/10, BFHE 235, 215, BStBl II 2012, 590, unter II.2.). Zur Gewährung der AdV ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (BFH-Beschluss in BFHE 237, 545, BStBl II 2012, 809, unter II.1.).

13

2. Zwischen den Beteiligten ist zu Recht unstreitig, dass die Antragstellerin im Rahmen des "Sparmenüs" zwei Lieferungen, die des Getränks und die der Speise ausgeführt hat. Offen bleiben kann im Streitfall, ob das FA im Hinblick auf die Lieferung der Speise zu Recht von einer Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in Verbindung mit einer in der Anlage zum UStG genannten Position des Zolltarifs ausgegangen ist. Denn wie das FG zutreffend entschieden hat, bestehen keinerlei ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vom FA vorgenommenen Rabattaufteilung.

14

a) Im summarischen Verfahren geht der Senat --ohne darüber abschließend zu entscheiden-- zugunsten der Antragstellerin davon aus, dass die Speisenlieferung dem ermäßigten Steuersatz unterliegt und die Antragstellerin Gegenstände geliefert hat, die teils dem ermäßigten Steuersatz und teils --als Getränk-- dem Regelsteuersatz unterliegen.

15

Wie das FG zutreffend entschieden hat und im Übrigen zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, kommt es durch die Zusammenfassung von Speise und Getränk im Rahmen eines zum Mitnehmen bestimmten "Sparmenüs" umsatzsteuerrechtlich nicht zu einer einzigen Lieferung; es ist vielmehr bei der gebotenen summarischen Prüfung von zwei selbständigen Lieferungen auszugehen.

16

b) Ist somit im summarischen Verfahren von zwei unterschiedlich zu besteuernden Lieferungen auszugehen, ist der einheitliche Preis für das Menü in zwei Entgeltbestandteile aufzuteilen.

17

aa) Wie der EuGH in seinem Urteil vom 25. Februar 1999 C-349/96, CPP (Slg. 1999, I-973 Rdnr. 31) unter Bezugnahme auf sein Urteil vom 22. Oktober 1998 C-308/96 und C-94/97, Madgett und Baldwin (Slg. 1998, I-6229) entschieden hat, ist, wenn "Kunden trotz des einheitlichen Preises aus ihrer Sicht zwei gesonderte Dienstleistungen erwerben, nämlich eine Versicherungsdienstleistung und eine Kartenregistrierungsdienstleistung, ... der Teil des einheitlichen Preises, der sich auf die Versicherungsdienstleistung bezieht und jedenfalls von der Steuer befreit bliebe, herauszurechnen". Dabei ist die "einfachstmögliche Berechnung- oder Bewertungsmethode" zu verwenden. Nach dieser Rechtsprechung, der sich der BFH angeschlossen hat (BFH-Urteile vom 31. Mai 2001 V R 97/98, BFHE 194, 555, BStBl II 2001, 658, unter II.1.d, und vom 7. Oktober 2010 V R 12/10, BFHE 231, 349, BStBl II 2011, 303, unter II.4.b), ist ein einheitliches Entgelt, das für zwei unterschiedlich zu besteuernde Leistungen entrichtet wird, zum einen aufzuteilen, wobei zum anderen die Aufteilungsmethode zu verwenden ist, die "einfachstmöglich" ist.

18

bb) Der Senat hat dabei im Streitfall nicht zu entscheiden, ob die danach erforderliche Entgeltaufteilung nach der "einfachstmöglichen Berechnungs- oder Bewertungsmethode" jegliches Ermessen des Unternehmers hinsichtlich der Aufteilung ausschließt oder ob für den Unternehmer entsprechend dem Rechtsgedanken des § 15 Abs. 4 UStG die Befugnis zu einer sachgerechten Schätzung besteht. Denn sachgerecht in diesem Sinne ist die vom FA vorgenommene "lineare" Verteilung des Rabattbetrags für das "Sparmenü" nach dem Verhältnis der Einzelverkaufspreise, nicht aber die von der Antragstellerin erstrebte Aufteilung nach den Kosten der beiden Lieferungen, die bereits nach dem eigenen Vortrag der Antragstellerin zu einer komplexen Berechnung zur Aufteilung des Gesamtpreises zwingt, wie das FG zutreffend --insbesondere unter Hinweis auf unterjährige Kostenschwankungen-- entschieden hat.

19

cc) Ob eine hiervon abweichende Beurteilung dann in Betracht kommen könnte, wenn die lineare Aufteilung des Gesamtverkaufspreises nach Maßgabe der Einzelverkaufspreise für eine der im Rahmen des "Sparmenüs" erfolgten Einzellieferungen zu einem Entgelt unter dem Nettoeinkaufspreis führt, ist im Streitfall, dem eine derartige Fallgestaltung weder im Hinblick auf Getränke noch im Hinblick auf die von der Antragstellerin zubereiteten Speisen zugrunde liegt, nicht zu entscheiden.

20

dd) Dem von der Antragstellerin als maßgeblich angesehenen Gesichtspunkt der Preisbestimmungs- und Preisaufteilungsautonomie kommt keine Bedeutung zu. Die Antragstellerin hat ihre Preisbestimmungsautonomie durch die Bildung des von ihr gewählten Gesamtpreises ausgeübt. Eine weiter gehende Preisaufteilungsautonomie im Sinne einer Entscheidungsfreiheit über die sich hieraus ergebenden steuerrechtlichen Rechtsfolgen besteht nicht.

21

ee) Schließlich kann sich die Antragstellerin für die von ihr erstrebte Berücksichtigung des Rabatts bei der Getränkelieferung nicht mit Erfolg auf das von ihr zitierte BMF-Schreiben vom 4. Oktober 2004 berufen, in dem auf einen Beschluss der "Abteilungsleiter" verwiesen wird. Für die dort vertretene Auffassung, wonach aufgrund "der besonders hohen Aufschlagssätze bei den Getränken ... eine Rabattgewährung überwiegend bei den Getränken durchaus gerechtfertigt zu sein [erscheint]", ist eine --mit der EuGH-Rechtsprechung vereinbare-- Rechtsgrundlage nicht ersichtlich. Die dort vertretene Rechtsauffassung ist für die Gerichte im finanzgerichtlichen Verfahren zudem ebenso unbeachtlich, wie eine amtlich veröffentlichte Verwaltungsanweisung, der nur norminterpretierender Charakter zukommt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 10. November 2011 V R 34/10, BFH/NV 2012, 803, m.w.N.). Sie ist daher nicht geeignet, Vertrauensschutz zu begründen.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a sinngemäß anzuwenden; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofs der Bundesfinanzhof und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Finanzgerichtsordnung tritt; die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

Tatbestand

1

I. Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) betreibt ein Kernkraftwerk. Nachdem sie in den Kernreaktor Brennelemente eingesetzt und anschließend eine selbsttragende Kettenreaktion ausgelöst hatte, was zur Steuerentstehung nach § 5 Abs. 1 des Kernbrennstoffsteuergesetzes (KernbrStG) führte, gab sie für den Monat, in dem die Steuer entstanden war, eine Steueranmeldung ab. Die in der Steueranmeldung berechnete Steuer ist zunächst bezahlt worden. Der Einspruch hatte keinen Erfolg, worauf die Antragstellerin Klage erhob. Außerdem stellte sie einen Antrag auf Aufhebung der Vollziehung (AdV).

2

Das Finanzgericht (FG) hat durch Beschluss die Vollziehung der Steueranmeldung ohne Sicherheitsleistung mit der Begründung aufgehoben, es sei ernstlich zweifelhaft, ob die Kernbrennstoffsteuer dem verfassungsrechtlichen Typus einer Verbrauchsteuer entspreche und ob dem Bund für die Einführung einer solchen Steuer die Gesetzgebungskompetenz zustehe. Auf die vom Antragsgegner und Beschwerdeführer (Hauptzollamt --HZA--) erhobene Beschwerde hat der beschließende Senat mit Beschluss vom 9. März 2012 VII B 171/11 (BFHE 236, 206, BStBl II 2012, 418) den Beschluss des FG aufgehoben und den Antrag auf AdV abgelehnt. Zur Begründung verwies der Senat unter Beachtung der Verwerfungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) nach § 32 Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) auf die Notwendigkeit eines besonderen berechtigten Interesses des Antragstellers, welches im Streitfall nach der gebotenen Interessenabwägung nicht vorliege, weil die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes einem einstweiligen Außerkraftsetzen des KernbrStG gleichkäme und mit Einnahmeausfällen in Milliardenhöhe verbunden sei. Dass der Antragstellerin durch die sofortige Vollziehung der angefochtenen Steueranmeldung irreparable Nachteile oder eine unzumutbare Härte drohe, habe sie nicht schlüssig dargelegt.

3

Mit Beschluss vom 29. Januar 2013  4 K 270/11 (Zeitschrift für das gesamte Recht der Energiewirtschaft --EnWZ-- 2013, 422) hat das FG das Klageverfahren ausgesetzt und dem BVerfG die Frage vorgelegt, ob das KernbrStG mit dem Grundgesetz (GG) unvereinbar und deshalb ungültig sei. Dabei ist das FG zu der Überzeugung gelangt, dass es sich bei der Kernbrennstoffsteuer um eine formell verfassungswidrige Steuer handele, weil sie keine Verbrauchsteuer sei und infolgedessen dem Bund zum Erlass des KernbrStG die Gesetzgebungskompetenz gefehlt habe. Eine Entscheidung des BVerfG in der Sache 2 BvL 6/13 steht noch aus.

4

Ein Parallelverfahren hat das FG mit Beschluss vom 19. November 2013  4 K 122/13 (EnWZ 2014, 233) ebenfalls ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mehrere Fragen zur Vereinbarkeit des KernbrStG mit unionsrechtlichen Vorgaben, insbesondere mit der Richtlinie 2003/96/EG (EnergieStRL) des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (Amtsblatt der Europäischen Union --ABlEU-- Nr. L 283/51) und mit Art. 107 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) gestellt. Dabei hat das FG seine Zweifel an der Auslegung des Unionsrechts damit begründet, dass die EnergieStRL der Einführung einer nationalen Steuer auf zur gewerblichen Stromerzeugung verwendete Kernbrennstoffe entgegenstehe und es sich bei der Kernbrennstoffsteuer um eine Abgabe handeln könnte, die gegen das Beihilfeverbot (Art. 107 Abs. 1 AEUV) und gegen die Regelungen des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft verstoße. Über das Vorabentscheidungsersuchen (C-5/14) hat der EuGH noch nicht entschieden.

5

Nachdem der erneute Antrag auf AdV der angefochtenen Steueranmeldung vom HZA abgelehnt worden war, hat die Antragstellerin unter Hinweis auf die Vorlagebeschlüsse des FG bei diesem abermals beantragt, die Vollziehung der Steueranmeldung aufzuheben. Daraufhin hat das FG die Vollziehung der Steueranmeldung ohne Sicherheitsleistung mit Wirkung ab Fälligkeit der Steuer aufgehoben und bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist gegen eine das erstinstanzliche Verfahren der Hauptsache abschließende Entscheidung ausgesetzt. In seiner Begründung geht das FG aufgrund der inzwischen gefassten Vorlagebeschlüsse von veränderten Umständen nach § 69 Abs. 6 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aus. Da nicht ausgeschlossen werden könne, dass der EuGH in der Einführung der Kernbrennstoffsteuer eine Verletzung von Unionsrecht sehen werde, bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steueranmeldung. Zudem sei es sogar wahrscheinlich, dass das KernbrStG gegen die EnergieStRL und gegen die Richtlinie 2008/118/EG (VStSystRL) des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABlEU Nr. L 9/12) verstoße. Dabei ergebe sich die Unionsrechtswidrigkeit aufgrund einer analogen Anwendung des einer Input-Besteuerung entgegenstehenden Art. 14 Abs. 1 EnergieStRL und aufgrund des Fehlens einer von Art. 1 Abs. 2 VStSystRL geforderten besonderen Zwecksetzung der als indirekte Steuer auf elektrischen Strom einzustufenden Kernbrennstoffsteuer. Darüber hinaus sei die AdV auch wegen ernstlicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des KernbrStG zu gewähren, denn die ursprünglichen Zweifel an dessen Verfassungskonformität hätten sich nunmehr zur Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit des KernbrStG verdichtet, wie die Vorlage an das BVerfG belege. Zumindest in Bezug auf die durch das Unionsrecht begründeten Zweifel bedürfe es keines zusätzlichen besonderen Interesses der Antragstellerin an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Zweifel liege ein solches Interesse aufgrund der Befassung des BVerfG nunmehr vor. Dabei könne es keinen Unterschied machen, ob der Vorlagebeschluss von einem FG oder vom Bundesfinanzhof (BFH) gefasst worden sei. Von der Anforderung einer Sicherheitsleistung sei abzusehen, weil das HZA keine Umstände hinreichend substantiiert vorgebracht habe, die eine Sicherheitsleistung geboten erscheinen ließen. Eine hinreichend konkrete Gefährdungssituation habe das HZA nicht belegt.

6

Mit seiner Beschwerde begehrt das HZA die Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung und die Ablehnung des Antrags auf AdV der angefochtenen Steueranmeldung, hilfsweise, die AdV nur gegen Sicherheitsleistung anzuordnen. Da aufgrund der Vorlagebeschlüsse des FG keine veränderten Umstände i.S. des § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO vorlägen, sei der Antrag auf AdV unzulässig. Fehl gehe die Annahme des FG, bereits eine Vorlage an das BVerfG begründe ernstliche Zweifel i.S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO, so dass aufgrund der Bindungswirkung in jedem Fall vorläufiger Rechtsschutz gewährt werden müsse. Im Übrigen bestünden hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des KernbrStG --insbesondere am Verbrauchsteuercharakter der Kernbrennstoffsteuer und an der Gesetzgebungskompetenz des Bundes-- keinerlei ernstliche Zweifel. Einstweiliger Rechtsschutz sei auch aufgrund der Vorlage an den EuGH nicht geboten. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die an ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV zu stellenden Anforderungen wesentlich geringer seien als die Voraussetzungen für die Gewährung einer AdV. Ein Gericht könne bereits bei geringen Zweifeln den EuGH anrufen, während die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ein höheres Maß an Zweifeln erfordere. Nach der Rechtsprechung des BFH gehe von einem Vorabentscheidungsersuchen eines FG keine Bindungswirkung aus. Auch im Hinblick auf die Auslegung und Anwendung des Unionsrechts bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Kernbrennstoffsteuer. In diese Richtung wiesen auch die in der Rechtssache C-5/14 abgegebenen schriftlichen Erklärungen der Bundesrepublik Deutschland, der Europäischen Kommission und der Republik Finnland sowie die schriftlichen Erklärungen der Europäischen Kommission in der Rechtssache C-606/13. Insbesondere sei die Kernbrennstoffsteuer keine indirekte Steuer auf Strom, die in den Anwendungsbereich der EnergieStRL falle, und auch keine selektiv begünstigende staatliche Beihilfe. Auch in Anbetracht der Vorlagebeschlüsse des FG sei eine Entscheidung unter Abwägung des Individualinteresses der Antragstellerin und des öffentlichen Vollzugsinteresses zu treffen. Die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes führe zur vorläufigen Nichtanwendung des KernBrStG und damit zu Steuerausfällen in Milliardenhöhe. Das öffentliche Interesse des Bundes an einer geordneten Haushaltsführung sei höher zu gewichten als das Individualinteresse der Antragstellerin. Schließlich habe die Antragstellerin keine hinreichenden Gründe für die Annahme vorgetragen, durch die Vollziehung der angefochtenen Steueranmeldung drohten nicht wiedergutzumachende wirtschaftliche Nachteile, so dass von einer Gefährdung ihrer Existenz ausgegangen werden müsse. Entgegen der Auffassung des FG bestehe aufgrund der Einkommens- und Vermögenslage der Antragstellerin --insbesondere unter Berücksichtigung des Eigenkapitals und der hohen Rückstellungen-- ein Sicherungserfordernis, so dass einstweiliger Rechtsschutz allenfalls gegen eine entsprechende Sicherheitsleistung gewährt werden könne.

7

Die Antragstellerin ist der Beschwerde entgegengetreten. Sie schließt sich im Wesentlichen den Ausführungen des FG an. Allein das Vorabentscheidungsersuchen des FG an den EuGH begründe ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Steueranmeldung, zumal eine inhaltliche Auseinandersetzung des BFH mit den gegen das KernbrStG erhobenen unionsrechtlichen Bedenken noch nicht stattgefunden habe. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes sei auch unter dem Gesichtspunkt des effet-utile-Grundsatzes geboten. Da unionsrechtliche Zweifel bestünden, bedürfe es ihrerseits keines besonderen Interesses, weshalb auch eine Abwägung mit öffentlichen Interessen an einer geordneten Haushaltsführung nicht statthaft sei. Auch komme es auf eine detaillierte Auseinandersetzung mit den für das Hauptsacheverfahren bedeutsamen unions- und verfassungsrechtlichen Erwägungen nicht an. Für eine Gefährdung des Steueranspruchs habe das HZA keine konkreten Anhaltspunkte dargelegt, so dass die AdV ohne Sicherheitsleistung zu gewähren sei. Allein die voraussichtliche Dauer des Verfahrens und die Höhe der Steuernachforderungen könnten die Anforderung einer Sicherheitsleistung nicht rechtfertigen. Im Übrigen bestünden ausweislich des Geschäftsberichts für das Jahr 2013 auch keine konkreten Anhaltspunkte für das Anfallen weiterer Verluste, die zu einer Zahlungsunfähigkeit führen könnten. Ihre aktuelle wirtschaftliche Situation sei gut, sie verfüge zudem über ein kurzfristiges liquides Vermögen und ein Anlagevermögen. In Hinblick auf die streitgegenständlichen Steuerbeträge und etwa anfallende Zinsen habe sie durch liquide Konzernforderungen gesicherte Rückstellungen gebildet, die selbst unter Berücksichtigung der Sicherheitsanforderungen an die Endlagerung von Kernbrennstoffen bis Ende 2016 und des Standortauswahlgesetzes nicht korrigiert werden müssten. Im Übrigen seien die Stellung einer Bankbürgschaft, die Hinterlegung von Anleihen oder Barhinterlegungen unzumutbar.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Beschwerde des HZA ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Ablehnung des Antrags auf AdV.

9

1. Entgegen der Auffassung des HZA ist der erneute Antrag auf AdV zulässig. Da die Entscheidung des Gerichts über einen Antrag nach § 69 Abs. 3 FGO nicht in materielle Rechtskraft erwächst, steht es der Antragstellerin frei, unter den in § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO festgelegten Voraussetzungen jederzeit einen neuen Antrag zu stellen. Jedoch kann sie eine erneute Entscheidung in der Sache nur wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände herbeiführen. Hinsichtlich der unionsrechtlichen Fragestellungen liegen die Voraussetzungen des § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO aufgrund des Vorabentscheidungsersuchens des FG vor. Denn dieses ist an den EuGH erst nach der Entscheidung über den Antrag auf AdV und dem Senatsbeschluss in BFHE 236, 206, BStBl II 2012, 418 gerichtet worden (vgl. BFH-Beschluss vom 21. Oktober 2013 V B 68/13, BFH/NV 2014, 173, und Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, FGO, § 69 FGO Rz 166, unter Hinweis auf ein unveröffentlichtes Urteil des Hessischen FG vom 22. Oktober 2008  7 V 2514/08). Wegen somit veränderter Umstände ist es unerheblich, ob die im Unionsrecht begründeten Zweifel bereits zu einem früheren Zeitpunkt hätten vorgebracht werden können. Auch ist es unerheblich, dass nicht der BFH, sondern ein erstinstanzliches Gericht den EuGH angerufen hat. Ob die Voraussetzungen des § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO auch im Hinblick auf den Vorlagebeschluss nach Art. 100 Abs. 1 GG vorliegen, bedarf aufgrund der Zulässigkeit des Antrags keiner Entscheidung.

10

2. Bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts oder hätte seine Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge, hat das FG im Regelfall dessen Vollziehung auszusetzen oder im Fall eines bereits vollzogenen Verwaltungsakts die Vollziehung wieder aufzuheben (§ 69 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 FGO). Nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen kann trotz Vorliegens solcher Zweifel die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt werden.

11

a) Ein solcher atypischer Fall kommt in Betracht, wenn die ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts auf Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit einer dem Verwaltungsakt zugrunde liegenden Gesetzesvorschrift beruhen (BFH-Beschluss vom 10. Februar 1984 III B 40/83, BFHE 140, 396, BStBl II 1984, 454). Ist dies der Fall, setzt die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wegen des Geltungsanspruchs jedes formell verfassungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes (d.h. im Sinne eines ordnungsgemäßen Gesetzgebungsvorgangs) zusätzlich ein (besonderes) berechtigtes Interesse des Antragstellers voraus (BFH-Beschlüsse vom 1. April 2010 II B 168/09, BFHE 228, 149, BStBl II 2010, 558; vom 27. August 2002 XI B 94/02, BFHE 199, 566, BStBl II 2003, 18; vom 6. November 2001 II B 85/01, BFH/NV 2002, 508; vom 30. Januar 2001 VII B 291/00, BFH/NV 2001, 1031, und vom 17. März 1994 VI B 154/93, BFHE 173, 554, BStBl II 1994, 567).

12

aa) Bei der Prüfung, ob ein solches berechtigtes Interesse des Steuerpflichtigen besteht, ist dieses mit den gegen die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes sprechenden öffentlichen Belangen abzuwägen. Dabei kommt es maßgeblich einerseits auf die Bedeutung und die Schwere des durch die Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheids eintretenden Eingriffs beim Steuerpflichtigen und andererseits auf die Auswirkungen einer Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung hinsichtlich des Gesetzesvollzugs und des öffentlichen Interesses an einer geordneten Haushaltsführung an (BFH-Beschlüsse vom 21. November 2013 II B 46/13, BFHE 243, 162, BStBl II 2014, 263; in BFHE 199, 566, BStBl II 2003, 18; vom 20. Juli 1990 III B 144/89, BFHE 162, 542, BStBl II 1991, 104, und vom 20. Mai 1992 III B 100/91, BFHE 168, 174, BStBl II 1992, 729). Dem bis zu einer gegenteiligen Entscheidung des BVerfG bestehenden Geltungsanspruch jedes formell verfassungsmäßig zustande gekommenen Gesetzes ist der Vorrang einzuräumen, wenn die Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung eines Steuerbescheids im Ergebnis zur vorläufigen Nichtanwendung eines ganzen Gesetzes führen würde, die Bedeutung und die Schwere des durch die Vollziehung des angefochtenen Bescheids im Einzelfall eintretenden Eingriffs beim Steuerpflichtigen als eher gering einzustufen sind und der Eingriff keine dauerhaften nachteiligen Wirkungen hat (BFH-Beschluss in BFHE 228, 149, BStBl II 2010, 558).

13

Im Streitfall ist zu berücksichtigen, dass die AdV einer Steueranmeldung wegen der vom FG angenommenen Verfassungswidrigkeit des KernbrStG nicht nur die konkrete Steueranmeldung der Antragstellerin im Streitfall betrifft. Sie wäre vielmehr in gleicher Weise sämtlichen Adressaten des KernbrStG für jeden Fall einer Steueranmeldung zu gewähren und bedeutete deshalb im Ergebnis die vorläufige Außervollzugsetzung des gesamten ordnungsgemäß zustande gekommenen Steuergesetzes bis zur Entscheidung des BVerfG, d.h. für einen nicht absehbaren Zeitraum.

14

Die Befugnis, eine solche Rechtsfolge herbeizuführen, steht jedoch nur dem BVerfG zu, dem allein die Feststellung der Nichtigkeit eines Gesetzes sowie der sich aus der Nichtigkeit ergebenden Konsequenzen vorbehalten ist und das nach § 32 BVerfGG einen streitigen Zustand bis zu seiner Entscheidung vorläufig regeln, also auch ein Gesetz, über dessen Verfassungsmäßigkeit zu entscheiden ist, vorläufig außer Vollzug setzen kann. Dabei ist nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG ein besonders strenger Maßstab anzulegen. Ohne Rücksicht auf die für die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Maßnahme sprechenden Gründe sind die Nachteile des Ausbleibens einer vorläufigen Maßnahme gegen die Nachteile abzuwägen, die einträten, wenn die Maßnahme des vorläufigen Rechtsschutzes erginge, die Verfassungsbeschwerde aber schließlich ohne Erfolg bliebe (BVerfG-Beschluss vom 27. Juni 2013  1 BvR 1501/13, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht --NVwZ-- 2013, 1145, m.w.N.). Von dieser Möglichkeit ist nach Auffassung des BVerfG nur mit größter Zurückhaltung Gebrauch zu machen, denn der Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen ein Gesetz stellt stets einen erheblichen Eingriff in die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers dar, so dass die Gründe, die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechen, ein besonderes Gewicht haben müssen (BVerfG-Beschlüsse in NVwZ 2013, 1145, und vom 22. Mai 2001  2 BvQ 48/00, BVerfGE 104, 23, 27 f.).

15

Auch wenn die Antragstellerin im konkreten Normenkontrollverfahren nicht nach § 32 BVerfGG, sondern allein beim FG gemäß § 69 FGO vorläufigen Rechtsschutz beantragen kann, ist jedenfalls für den Fall, dass --wie vorliegend-- die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch ein Fachgericht gleichbedeutend ist mit der Außervollzugsetzung eines kompletten Gesetzes, kein Grund ersichtlich, weshalb das Fachgericht insoweit weniger strengen Anforderungen unterliegen sollte als das BVerfG.

16

bb) Wie das BVerfG entschieden hat, verstößt eine solche Interessenabwägung --die auch das öffentliche Interesse an einer geordneten öffentlichen Haushaltsführung berücksichtigt-- nicht grundsätzlich gegen den aus Art. 19 Abs. 4 GG folgenden Anspruch auf umfassenden und effektiven gerichtlichen Schutz, zumindest so lange, wie der sofortige Vollzug des Verwaltungsakts die Ausnahme bleibt; in Ausnahmefällen können deshalb überwiegende öffentliche Belange es rechtfertigen, den Rechtsschutzanspruch des Grundrechtsträgers einstweilen zurückzustellen (BVerfG-Beschluss vom 6. April 1988  1 BvR 146/88, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Finanzgerichtsordnung, § 69, Rz 283; im Ergebnis ebenso BVerfG-Beschlüsse vom 6. Mai 2013  1 BvR 821/13, NVwZ 2013, 935, und vom 24. Oktober 2011  1 BvR 1848/11, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2012, 89).

17

cc) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin gelten diese Grundsätze auch dann, wenn ein Instanzgericht im Rahmen eines Vorlagebeschlusses das BVerfG zur Klärung der Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsnorm oder eines Steuergesetzes angerufen hat.

18

Die Anrufung des BVerfG entfaltet im Hinblick auf das Vorliegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsentscheidung für den BFH keine Bindungswirkung. Wie das BVerfG entschieden hat, begründet das aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG folgende Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes für den BFH keine Bindung an instanzgerichtliche Überzeugungen von der Verfassungswidrigkeit einer Norm, selbst wenn diese durch einen Vorlagebeschluss nach Art. 100 Abs. 1 GG geäußert worden sind (BVerfG-Beschluss in NVwZ 2013, 935). Ebensowenig wird durch einen solchen Vorlagebeschluss der Weg für eine Interessenabwägung versperrt. Mit unterschiedlichen Ergebnissen hat der BFH eine Interessenabwägung zwischen der einer Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes entgegenstehenden konkreten Gefährdung der öffentlichen Haushaltsführung und den für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes sprechenden individuellen Interessen des Steuerpflichtigen selbst in den Fällen vorgenommen, in denen er selbst eine Entscheidung des BVerfG eingeholt hat (BFH-Beschlüsse vom 17. Juli 2003 II B 20/03, BFHE 202, 380, BStBl II 2003, 807, und vom 11. Juni 2003 IX B 16/03, BFHE 202, 53, BStBl II 2003, 663). Entgegen der Auffassung des FG ist auch dem Beschluss des BFH in BFHE 243, 162, BStBl II 2014, 263 nicht zu entnehmen, das Rechtsschutzinteresse des Antragstellers habe stets Vorrang, wenn der BFH in der Sache einen Vorlagebeschluss nach Art. 100 Abs. 1 GG gefasst hat. Vielmehr hat der BFH in der Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, im Rahmen der Interessenabwägung sei der Umstand zu berücksichtigen, dass die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes praktisch zu einer einstweiligen Nichterhebung der gesamten Steuer führen könne und dass in Ausnahmefällen überwiegende öffentliche Belange eine Zurückstellung des Rechtsschutzanspruchs des Grundrechtsträgers rechtfertigen könnten. Im Ergebnis hat er dem Rechtsschutzanspruch des Erbschaftsteuerpflichtigen nur deshalb den Vorrang eingeräumt, weil dieser zur Entrichtung der Erbschaftsteuer eigenes Vermögen hätte einsetzen oder die im Wege der Erbschaft erworbenen Gegenstände veräußern oder belasten müssen.

19

Daraus folgt, dass --selbst wenn der Senat den im Vorlagebeschluss des FG und den in der Literatur geäußerten Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit des KernbrStG folgen könnte (Gärditz, Die Richtervorlage des Finanzgerichts Hamburg zum Kernbrennstoffsteuergesetz, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 2014, 18; Lüdicke, Es gibt Grenzen der Besteuerung!, Der Betrieb 2013, Heft 28 M 1; Fischer, Kernbrennstoffsteuergesetz mangels Gesetzgebungskompetenz verfassungswidrig, ZfZ 2013, 192; Hartmann, Ein neuer Blick auf die Steuergesetzgebungskompetenzen des Grundgesetzes, Deutsche Steuerzeitung 2012, 205; Drüen, Der Steuertypus der Verbrauchsteuer – dargestellt am Negativbeispiel der Kernbrennstoffsteuer, ZfZ 2012, 309; Seer, Vorläufiger Rechtsschutz bei ernstlichen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit eines Steuergesetzes, Deutsches Steuerrecht 2012, 325; Waldhoff, Die Kernbrennstoffsteuer als Verbrauchsteuer und die steuerrechtliche Typenlehre, ZfZ 2012, 57; Bruch/Greve, Die Kernbrennstoffsteuer im Fokus der Finanzgerichtsbarkeit, Betriebs-Berater 2012, 234)-- eine Abwägung des für eine AdV sprechenden individuellen Interesses der Antragstellerin und des einer solchen Maßnahme entgegenstehenden öffentlichen Interesses geboten ist.

20

b) Auch in Bezug auf ernstliche Zweifel an der Unionsrechtskonformität des KernbrStG ist der BFH nicht an die Rechtsauffassung des FG gebunden. Darüber hinaus ist dem Aufhebungsinteresse der Antragstellerin nicht allein aufgrund des Vorabentscheidungsersuchens des FG der Vorrang einzuräumen. Ist ein komplettes Gesetz betroffen, erfordert die AdV eines darauf gestützten Verwaltungsakts ebenfalls ein besonderes Aussetzungsinteresse.

21

aa) Wenn der BFH selbst im Fall eines Vorlagebeschlusses nach Art. 100 Abs. 1 GG nicht an die instanzgerichtliche Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit einer Norm gebunden ist (BVerfG-Beschluss in HFR 2013, 639), kann schwerlich angenommen werden, dass eine solche Bindungswirkung hinsichtlich der unionsrechtlichen Beurteilung des FG besteht (Senatsbeschluss vom 27. Februar 2009 VII B 186/08, BFH/NV 2009, 942), zumal eine Vorlage an den EuGH nach Art. 267 AEUV keine Überzeugung des Gerichts von der Unionsrechtswidrigkeit erfordert. Sofern die richtige Anwendung des Unionsrechts nicht derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt, ist es dem nationalen Gericht unbenommen, den EuGH anzurufen, wenn es dies für angebracht hält (EuGH-Urteil vom 6. Oktober 1982 C-283/81 --CILFIT--, Slg. 1982, 3415). Im Rahmen eines Verfahrens über die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes kann es somit einem Gericht nicht verwehrt werden, hinsichtlich der Beurteilung unionsrechtlicher Fragestellungen zu einer anderen Auffassung als das Gericht zu gelangen, das in einer identischen Rechtsfrage bereits den EuGH angerufen hat (Entscheidungen des FG Münster vom 18. Januar 2013  5 V 3800/12 U, Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 556, und des Hessischen FG vom 17. Mai 2013  1 V 337/13, nicht veröffentlicht). Nach der Rechtsprechung des EuGH richtet sich der einstweilige Rechtsschutz gegen den Vollzug nationaler Gesetze, deren Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht in Frage gestellt wird, allein nach den durch das vom zuständigen Gericht anzuwendende nationale Recht festgelegten Kriterien, sofern diese Kriterien weder weniger günstig ausgestaltet sind als die für entsprechende innerstaatliche Klagen noch die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (EuGH-Urteile vom 22. Dezember 2010 C-279/09 --DEB Deutsche Energiehandels- und Beratungsgesellschaft mbH--, Slg. 2010, I-13849, und vom 13. März 2007 C-432/05 --Unibet (London) Ltd und Unibet (International) Ltd--, Slg. 2007, I-2271). Diesen Grundsätzen steht es nicht entgegen, wenn erstinstanzlichen Vorabentscheidungsersuchen keine Bindungswirkung hinsichtlich der unionsrechtlichen Beurteilung durch andere Gerichte zuerkannt wird.

22

bb) Im Streitfall kann jedoch dahingestellt bleiben, ob die Ausführungen des FG ernstliche Zweifel i.S. des § 69 Abs. 2 FGO begründen, wobei der ergänzende Hinweis geboten erscheint, dass die Europäische Kommission in ihrer schriftlichen Stellungnahme in der Rechtssache C-5/14 die Rechtsauffassung des FG nicht geteilt und die Kernbrennstoffsteuer als mit den unionsrechtlichen Vorgaben vereinbar angesehen hat. Denn selbst wenn aufgrund des an den EuGH gerichteten Vorabentscheidungsersuchens ernstliche Zweifel an der Vereinbarkeit des KernbrStG mit unionsrechtlichen Vorgaben bestehen sollten (zu den verschiedenen Rechtsauffassungen hinsichtlich der sekundärrechtlichen und beihilfenrechtlichen Problemstellungen vgl. Kube, Kernbrennstoffsteuer und EU-Sekundärrecht, Internationales Steuerrecht 2012, 553; Englisch, Steuerliche Sonderbelastung als verbotene Beihilfe – eine unionsrechtliche Achillesverse der Kernbrennstoffsteuer, Steuer und Wirtschaft 2012, 318; Kühling, Die beihilfenrechtliche Bewertung der Kernbrennstoffsteuer – Zeit für eine Ausdehnung der steuerlichen Kontrolle durch das Europarecht?, Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht 2013, 113; Jatzke, Grenzen des mitgliedschaftlichen Steuerfindungsrechts am Beispiel der Kernbrennstoffsteuer, ZfZ 2012, 150, und Schröer-Schallenberg, Anmerkung zum Vorlagebeschluss des FG Hamburg vom 19. November 2013  4 K 122/13 zur Vereinbarkeit der Kernbrennstoffsteuer mit Unionsrecht, EnWZ 2014, 239), wäre die beantragte AdV unter den besonderen Umständen des Streitfalls nur dann zu gewähren, wenn zusätzlich ein (besonderes) berechtigtes Interesse der Antragstellerin an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bestünde.

23

cc) Soweit andere Senate des BFH bei Zweifeln an der Vereinbarkeit steuerrechtlicher Vorschriften mit Unionsrecht die Voraussetzungen für die AdV auf diese Vorschriften gestützter Steuerbescheide bejaht haben, weicht der beschließende Senat im Streitfall nicht von den insoweit vertretenen Rechtsauffassungen ab. Fälle der Außervollzugsetzung eines kompletten Steuergesetzes lagen den Entscheidungen anderer Senate bisher nicht zugrunde. Es ging stets allein um die vorläufige Nichtanwendung einzelner Steuernormen.

24

Zwar hat der BFH entschieden, seine Rechtsprechung, nach der bei der Aussetzung der Vollziehung von Steuerbescheiden wegen der Verfassungswidrigkeit der ihnen zugrunde liegenden Vorschrift die Geltendmachung eines berechtigten Interesses an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes verlangt wird, könne auf die Geltendmachung von Verletzungen des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) nicht übertragen werden, weil die Grundfreiheiten in den Mitgliedstaaten unmittelbares Recht darstellten, das von jedem Gericht unbeschadet der Möglichkeit der Einleitung eines Vorabentscheidungsersuchens zu beachten sei (Entscheidungen des BFH vom 14. Februar 2006 VIII B 107/04, BFHE 212, 285, BStBl II 2006, 523, und vom 24. März 1998 I B 100/97, BFHE 185, 467, entgegen dem Beschluss vom 22. Januar 1992 I B 77/91, BFHE 166, 350, BStBl II 1992, 618, in dem eine Interessenabwägung unter Beachtung des öffentlichen Interesses der Bundesrepublik an einer geordneten Haushaltsführung trotz Vorlagebeschlusses eines FG vorgenommen worden ist). Im Streitfall geht es aber nicht um die Verletzung unionsrechtlich garantierter Grundrechte, deren unmittelbare Geltung der BFH zu beachten hätte. Ungeachtet dessen betrifft der Streitfall jedenfalls nicht die unionsrechtliche Begutachtung einer Steuerrechtsnorm im Einzelfall, welche die Geltung des Gesetzes grundsätzlich nicht in Frage stellt, sondern die Frage der Vereinbarkeit eines Steuergesetzes insgesamt mit den unionsrechtlichen Vorgaben.

25

Ausweislich des Vorlagebeschlusses ist das FG selbst nicht zu der Überzeugung gelangt, dass das KernbrStG gegen geltendes Unionsrecht verstößt, vielmehr hat es die Unionsrechtswidrigkeit ausdrücklich nur für möglich bzw. wahrscheinlich gehalten. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist das nationale Gericht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit die unionsrechtlichen Bestimmungen anzuwenden hat, erforderlichenfalls befugt, jede entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet zu lassen, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Bestimmung auf gesetzgeberischem Wege oder durch irgendein verfassungsrechtliches Verfahren abwarten müsste (EuGH-Urteile vom 18. Juli 2013 C-136/12, Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 2013, 782, Rz 33, und vom 5. Oktober 2010 C-173/09, Slg. 2010, I-8889, Rz 31). Von seiner demnach eingeräumten Befugnis, § 5 Abs. 1 KernbrStG bzw. das KernbrStG insgesamt unangewendet zu lassen, hat das FG jedoch keinen Gebrauch gemacht, sondern seine Zweifel zum Anlass genommen, dem EuGH die abschließende Beurteilung der unionsrechtlichen Fragestellungen zu überlassen. Würde in einem solchen Fall kein berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gefordert, so dass sowohl das vorlegende Gericht als auch der BFH an einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung des öffentlichen Interesses an einer geordneten Haushaltsführung gehindert wären, müsste ein ordnungsgemäß zustande gekommenes Gesetz im Vorgriff auf die noch ausstehende Beurteilung der Rechtslage durch den EuGH bereits dann zumindest vorläufig außer Kraft gesetzt werden, wenn vernünftige Zweifel an der Unionsrechtskonformität bestünden, welche die richtige Anwendung des Unionsrechts nicht offenkundig erscheinen ließen. Ein solch schwerwiegender Eingriff in die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bei ungewissem Ausgang des Verfahrens vor dem EuGH ginge jedoch über das hinaus, was zur Durchsetzung des Unionsrechts erforderlich wäre.

26

Soweit im Vorlagebeschluss des FG die Frage aufgeworfen wird, ob die Erhebung der Kernbrennstoffsteuer gegen das unionsrechtlich kodifizierte Beihilferecht verstößt, ist darauf hinzuweisen, dass es dem mitgliedstaatlichen Gericht nicht obliegt, darüber zu entscheiden, ob eine staatliche Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist. Denn nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ist ausschließlich die Kommission für die Beurteilung der Vereinbarkeit von Beihilfemaßnahmen oder einer Beihilferegelung mit dem Gemeinsamen Markt zuständig (EuGH-Urteile vom 18. Juli 2007 C-119/05, Slg. 2007, I-6199, und vom 22. März 1977 Rs. 78/76, Slg. 1977, 595, Rz 9). Innerstaatlich ist das Beihilfeverbot des Art. 107 Abs. 1 AEUV, das weder absolut noch unbedingt ist, nicht unmittelbar anwendbar (BFH-Urteil vom 31. Juli 2013 I R 82/12, BFHE 243, 180, m.w.N.). Daher lassen sich die BFH-Entscheidungen in BFHE 212, 285, BStBl II 2006, 523 und in BFHE 185, 467 nicht auf den Streitfall übertragen.

27

Zudem lässt sich den Entscheidungen des BFH vom 19. Dezember 2012 V S 30/12 (BFH/NV 2013, 779) und vom 5. Mai 1994 V S 11/93 (BFH/NV 1995, 368), die sich mit der umsatzsteuerrechtlichen Behandlung bestimmter Leistungen (Durchführung ästhetisch-chirurgischer Maßnahmen bzw. entgeltliche Überlassung eines Wohnmobils) und der Auslegung von Bestimmungen der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) --Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 145/1-- befassen, kein Rechtssatz entnehmen, nach dem eine Abwägung der öffentlichen Interessen und der Individualinteressen des Antragstellers bei der Anhängigkeit eines Vorabentscheidungsersuchens beim EuGH in jedem Fall zu unterbleiben hat. Vielmehr hat der V. Senat des BFH aufgrund der von ihm selbst und von einem Gericht eines anderen Mitgliedstaats an den EuGH gerichteten Vorabentscheidungsersuchen --ohne die Vereinbarkeit der streitentscheidenden Vorschriften des nationalen Umsatzsteuerrechts mit den Bestimmungen der Richtlinie 77/388/EWG in Frage zu stellen-- ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide angenommen und einstweiligen Rechtsschutz gewährt, wobei er auf die Frage eines berechtigten Interesses des Antragstellers nicht eingegangen ist. Da sich diese Entscheidungen lediglich auf die steuerrechtliche Beurteilung einzelner Sachverhalte unter Beachtung der sekundärrechtlichen Vorgaben und auf eine entsprechende Auslegung einzelner nationaler Bestimmungen und nicht auf den Geltungsanspruch eines verfassungsmäßig zustande gekommenen Steuergesetzes und dessen Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht beziehen, stehen sie der im Streitfall gebotenen Interessenabwägung nicht entgegen.

28

3. Unter Berücksichtigung vorstehender Grundsätze hat das FG im Streitfall die AdV der angefochtenen Steueranmeldung zu Unrecht angeordnet. Die gebotene Abwägung des für eine AdV sprechenden individuellen Interesses der Antragstellerin und des einer solchen Maßnahme entgegenstehenden öffentlichen Interesses an einer geordneten Haushaltsführung sowie die gebotene Beachtung der Verwerfungskompetenz des BVerfG führen zu dem Ergebnis, dass vorläufiger Rechtsschutz nicht gewährt werden kann.

29

a) Die erforderliche Abwägung der beiderseitigen Interessen fällt im Streitfall zu Lasten der Antragstellerin aus. Das öffentliche Interesse an einer geordneten Haushaltsführung sowie an dem Vollzug eines ordnungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes auch in der vom Gesetzgeber hierfür bestimmten Zeit überwiegt das Interesse der Antragstellerin, das allein darin besteht, die Kernbrennstoffsteuer nicht entrichten zu müssen. Dass die Antragstellerin bei Entrichtung der angemeldeten Steuer nicht wiedergutzumachende Nachteile von erheblichem Gewicht erlitte oder nicht mehr gewinnbringend gewerblich tätig sein könnte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

30

Darüber hinaus führte eine faktische Außerkraftsetzung des KernbrStG zu Einnahmeausfällen in Milliardenhöhe. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der beschließende Senat auf die Ausführungen in seinem Beschluss in BFHE 236, 206, BStBl II 2012, 418. Ausweislich der vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Statistik über das Steueraufkommen betrug das Aufkommen der Kernbrennstoffsteuer in 2011  0,92 Mrd. €, in 2012  1,57 Mrd. € und in 2013  1,28 Mrd. €. Letztlich können Unsicherheiten bei der exakten Bestimmung des Steuerausfalls bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen und ausreichenden summarischen Prüfung auf sich beruhen. Entscheidend ist, dass durch eine AdV der angefochtenen Steueranmeldung das gesamte KernbrStG faktisch mit der Folge drohender hoher Einnahmeausfälle außer Kraft gesetzt würde. Keiner entscheidungserheblichen Bedeutung kommen dabei die Gründe zu, die für die Verfassungswidrigkeit oder Unionsrechtswidrigkeit des KernbrStG sprechen (BVerfG-Beschluss in NVwZ 2013, 1145, m.w.N., und BFH-Beschluss in BFHE 228, 149, BStBl II 2010, 558). Von entscheidender Bedeutung sind vielmehr die Nachteile der Gewährung der beantragten AdV und die Verwerfungskompetenz des BVerfG. In Anbetracht der zeitlichen Begrenzung der Erhebung der Kernbrennstoffsteuer und ihrer wirtschaftspolitischen Zielsetzung hätte die AdV eine so weitreichende Wirkung, wie sie nur durch eine Entscheidung des BVerfG herbeigeführt werden könnte.

31

b) Dem Vorbringen der Antragstellerin ist nicht schlüssig zu entnehmen, dass durch die sofortige Vollziehung der angefochtenen Steueranmeldung irreparable Nachteile oder eine unzumutbare Härte drohen. Nach der Rechtsprechung des BFH setzt eine AdV wegen unbilliger Härte voraus, dass der Betroffene seine wirtschaftliche Lage im Einzelnen vorträgt und glaubhaft macht (BFH-Beschlüsse vom 29. März 2001 III B 80/00, BFH/NV 2001, 1294, und vom 27. August 2002 XI B 94/02, BFHE 199, 566, BStBl II 2003, 18). Nach Einschätzung des Senats ist die (vorläufige) Entrichtung der Steuer der Antragstellerin durchaus zumutbar. Dies wird auch durch den Verzicht des FG auf die Anforderung einer Sicherheitsleistung belegt, den es damit begründet hat, dass Anhaltspunkte für eine Gefährdung des --im Streitfall sehr hohen-- Steueranspruchs nicht ersichtlich seien. Im Übrigen hat die Antragstellerin selbst vorgetragen, die aktuelle wirtschaftliche Situation sei gut und sie verfüge zudem über ein kurzfristig liquides Vermögen und ein Anlagevermögen, das die Steuerforderungen bei Weitem übersteige. Zudem seien die Steuerforderungen durch Rückstellungen gedeckt, denen ausreichend Aktiva gegenüberstehen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betrieb in Hamburg u.a. in der Zeit von Oktober 2005 bis Februar 2007 mehrere Spielhallen, in denen sie Geräte mit Gewinnmöglichkeit nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 des Hamburgischen Spielvergnügungsteuergesetzes (HmbSpVStG) vom 29. September 2005 (Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt --HmbGVBl-- 2005, 409), das durch das Gesetz vom 6. Oktober 2006 (HmbGVBl 2006, 509) rückwirkend zum ursprünglichen Inkrafttreten am 1. Oktober 2005 geändert wurde, und Unterhaltungsspielgeräte nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 HmbSpVStG aufgestellt hatte. Die eingesetzten Gewinnspielgeräte waren teilweise bereits nach der ab dem 1. Januar 2006 geltenden Fassung der Spielverordnung --SpielV-- (Bekanntmachung vom 27. Januar 2006, BGBl I 2006, 280) zugelassen.

2

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte die Spielvergnügungsteuer für Oktober 2005 durch Bescheid vom 8. Februar 2006 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf der Grundlage einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen fest und wies in den Erläuterungen darauf hin, dass die Steuerfestsetzung bei gleich bleibenden Besteuerungsgrundlagen als unbefristete Steuerfestsetzung für die nachfolgenden Monate wirke. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin zunächst Einspruch und im Juli 2006 Untätigkeitsklage. Mit Einspruchsentscheidung vom 19. März 2007 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.

3

Im Hinblick auf die zum 1. Oktober 2005 zurückwirkenden Änderungen des HmbSpVStG durch das Gesetz vom 6. Oktober 2006 gab die Klägerin am 23. März 2007 Spielvergnügungsteueranmeldungen für die Monate Oktober 2005 bis Februar 2007 ab und legte gleichzeitig Einspruch ein. Auf der Grundlage dieser Steueranmeldungen erließ das FA am 17. April 2007 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Steuerbescheide für diese Monate.

4

Nachdem die Klägerin im Oktober 2009 für die Monate November 2005 bis Februar 2007 berichtigte Steueranmeldungen eingereicht hatte, erließ das FA für diesen Zeitraum am 19. März 2010 geänderte Steuerbescheide. Es legte dabei der Besteuerung den Spieleinsatz, soweit dieser aus den von der Klägerin vorgelegten Auslesebelegen ersichtlich war, und im Übrigen die nach der Vereinfachungsregelung des § 12 HmbSpVStG ermittelten Besteuerungsgrundlagen zugrunde. Der Auffassung der Klägerin, als Spieleinsatz i.S. des § 1 Abs. 1 und 3 HmbSpVStG könne für bestimmte Spielgeräte das Dreifache des Einspielergebnisses angesetzt werden, folgte das FA nicht.

5

Das Finanzgericht (FG) gab der Klägerin durch Verfügung vom 28. Juni 2010 auf, zur weiteren Sachverhaltsaufklärung bis zum 16. Juli 2010 alle Tatsachen anzugeben, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren eine Beschwer empfunden wird, und zum Umfang des Streitgegenstandes und der Höhe der festgesetzten Steuer abschließend vorzutragen. Unter Bezugnahme auf §§ 79b, 121 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) wies das FG die Klägerin in der Verfügung darauf hin, dass es Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf dieser Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden könne. Zurückgewiesene Erklärungen und Beweismittel blieben auch in einem Revisionsverfahren ausgeschlossen. Diese Verfügung wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 1. Juli 2010 zugestellt.

6

Mit Schreiben vom 16. Juli 2010 brachte die Klägerin daraufhin vor, bei den Geräten, die Gegenstand des Verfahrens seien, habe es keine Möglichkeit gegeben, den "Einsatz" zu ermitteln. Im Übrigen verwies sie auf die Begründung der u.a. gegen die Steuerbescheide für die Monate November 2005 bis Dezember 2008 eingelegten Einsprüche, die nicht konkret auf die einzelnen Steuerbescheide eingeht.

7

Das FG wies die Klägerin ferner durch Übersendung eines Auszugs aus dem Protokoll über die mündliche Verhandlung im Verfahren 2 K 9/09 auf das Ergebnis der in diesem Verfahren durch Vernehmung eines Sachverständigen durchgeführten Beweiserhebung hin. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hatte an dieser Beweiserhebung als Prozessbevollmächtigter der seinerzeitigen Klägerin teilgenommen.

8

In der mündlichen Verhandlung vor dem FG führte die durch einen Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigten vertretene Klägerin zu dem von ihr in den Steueranmeldungen vom Oktober 2009 teilweise als Bemessungsgrundlage der Steuer angesetzten dreifachen Einspielergebnis aus, hierbei handle es sich nicht um die Anwendung der Vereinfachungsregelung des § 12 Abs. 1 HmbSpVStG, sondern um eine Schätzung des Spieleinsatzes bei Spielgeräten älterer Bauart, bei denen sie den tatsächlichen Spieleinsatz nicht habe ermitteln können. Der Faktor 3 beruhe auf einer Auszahlungsquote von ca. 67 %. Die Ausschüttungsquote von 67 % könne sie allerdings nicht urkundenmäßig belegen. Sie ergebe sich aus der Art der Geräte, die zum Teil die gesetzlich vorgesehene Ausschüttungsquote von 60 % gehabt hätten, teilweise aber anders programmiert gewesen seien, so dass sie höhere Quoten, beispielsweise 70 %, ausgeschüttet hätten, um höhere Anreize für die Spieler zu schaffen. Letztlich ergebe sich daraus der Mittelwert von 67 %.

9

Das FG wies die Klage, mit der die Klägerin die Aufhebung der die Gewinnspielgeräte betreffenden Steuerfestsetzungen beantragt hatte, mit der Begründung ab, Gegenstand des Verfahrens seien nach § 68 Satz 1 FGO der Bescheid vom 17. April 2007 für Oktober 2005 und im Übrigen die geänderten Bescheide vom 19. März 2010. Der Bescheid vom 8. Februar 2006 habe sich nicht nur auf Oktober 2005, sondern ausdrücklich auch auf die folgenden Monate bezogen. Dies habe auf der in § 8 Abs. 2 Satz 1 HmbSpVStG getroffenen Regelung beruht, nach der die Steueranmeldung als unbefristete Steuerfestsetzung wirke. Dies gelte auch für Steuerfestsetzungen durch das FA.

10

Das FG führte zur Begründung seiner Ansicht, die angefochtenen Steuerfestsetzungen seien rechtmäßig, unter Berücksichtigung der in Bezug genommenen Ausführungen des in der mündlichen Verhandlung im Verfahren 2 K 9/09 gehörten Sachverständigen aus, der Spieleinsatz sei eine für die Erhebung der Vergnügungsteuer verfassungsrechtlich zulässige und technisch umsetzbare Bemessungsgrundlage. Zu den der Steuer unterliegenden Spieleinsätzen zählten nicht nur die in die Spielautomaten eingeworfenen Bargeldbeträge, sondern auch die Gewinne, die sich der Spieler nicht auszahlen lasse, obwohl er dies könnte, sondern zum Weiterspielen verwende. In der Nutzung von Gewinnen zum Spielen liege die Verwendung von Vermögen zur Erlangung des Spielvergnügens.

11

Der Spieleinsatz könne sowohl bei den nach der SpielV in der vor dem 1. Januar 2006 geltenden Fassung zugelassenen Spielgeräten als auch bei den Spielgeräten, die ab dem Sommer 2006 von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt zugelassen worden seien und sich ab 2007 flächendeckend am Markt durchgesetzt hätten, zutreffend ermittelt werden. Bei den neuen Geräten würden Geldbeträge, die etwa wegen der Überschreitung der in § 13 Abs. 1 Nr. 6 SpielV bestimmten Obergrenze oder wegen einer nach § 13 Abs. 1 Nr. 5 SpielV eintretenden Spielpause wieder ausgezahlt würden, nicht als Einsatz erfasst. Gleiches gelte für Geldbeträge, die nach dem Einwurf in das Spielgerät ohne vorherige Umwandlung in Punkte wieder ausgezahlt würden. Dass die Umbuchung von Geldbeträgen in den Punktespeicher von dem Kontrollmodul auch bei einer Rückbuchung in den Geldspeicher und Auszahlung an den Spieler als Einsatz aufgezeichnet werde, sei unschädlich. Als Beginn des Spiels sei nämlich auch in steuerrechtlicher Hinsicht bereits die Umwandlung von Geldbeträgen in Spielpunkte anzusehen.

12

Ebenfalls verfassungsrechtlich unbedenklich sei die rückwirkende Änderung des HmbSpVStG durch das Gesetz vom 6. Oktober 2006, da sie die Steuerpflichtigen nicht belaste. Dies gelte insbesondere auch für die Vereinfachungsregelung des § 12 HmbSpVStG.

13

Die Steuer sei auch auf die Spieler abwälzbar. Es genüge insoweit die Möglichkeit einer kalkulatorischen Überwälzung in dem Sinne, dass der Steuerpflichtige die Steuer in die Kalkulation seiner Selbstkosten einsetzen und hiernach die zur Aufrechterhaltung der Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens geeigneten Maßnahmen treffen könne. Dass die Überwälzung in jedem Einzelfall gelinge, sei nicht erforderlich. Im Übrigen sei auch eine unmittelbare Überwälzung der Steuer auf die Spieler zulässig. Eine erdrosselnde Wirkung habe die Steuer nicht.

14

Verfassungsgemäß sei auch der in § 7 HmbSpVStG bestimmte Besteuerungszeitraum von einem Kalendermonat. Das Erfordernis der zeitlichen Abgrenzung sei allen periodischen Steuern wesensgemäß und unterliege keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, zumal die Spielvergnügungsteuer einen proportionalen und keinen progressiven Tarif habe, es also von untergeordneter Bedeutung sei, ob Spieleinsätze noch dem einen oder bereits dem nächsten Monat zugeordnet würden.

15

Es könne auch nicht festgestellt werden, dass die festgesetzten Steuern der Höhe nach rechtswidrig seien. Die Klägerin habe trotz der erfolgten Fristsetzung nach § 79b FGO nicht dargelegt, in welchen Bescheiden, in welcher Höhe und aus welchen Gründen eine fehlerhafte Festsetzung erfolgt sei. Dem Begehren der Klägerin, die Steuer für einzelne Spielgeräte auf den mit dem Faktor 3 multiplizierten Kasseninhalt zu erheben, könne nicht gefolgt werden. Abgesehen von der Frage, ob dies mit § 12 Abs. 1 Satz 1 HmbSpVStG vereinbar wäre, habe die Klägerin ihr Vorbringen insoweit nicht hinreichend substantiiert.

16

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung von Art. 3, 20 und 105 Abs. 2a des Grundgesetzes (GG). Die auf dem Markt befindlichen Spielgeräte ließen eine zutreffende Ermittlung der gesetzlich vorgesehenen Bemessungsgrundlage der Steuer nicht zu. Sie erfassten auch Geldbeträge als Einsatz, die nach der Umwandlung in Punkte nicht zum Spielen verwendet, sondern in den Geldspeicher zurückgebucht und an die Spieler zurückbezahlt worden seien. Die Steuer sei auch nicht auf eine Abwälzung auf die Spieler angelegt. Die Spielgerätebetreiber hätten nämlich keinen Einfluss auf den Spielverlauf und könnten nicht kalkulieren, wie hoch die Steuer sein werde. Dies sei mit dem Charakter einer örtlichen Aufwandsteuer nicht vereinbar. Zudem sei die Vorentscheidung verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. Das FG habe eine Überraschungsentscheidung getroffen, indem es im Urteil ohne vorherige Ankündigung die Auffassung vertreten habe, auch Geldbeträge, die nach der Umwandlung in Punkte nicht zum Spielen verwendet, sondern in den Geldspeicher zurückgebucht und an die Spieler zurückbezahlt worden seien, seien als Einsatz anzusehen. Darüber hinaus habe es das FG zu Unrecht unterlassen, die Höhe der festgesetzten Beträge im Einzelnen zu überprüfen. Eine Aufforderung zur Substantiierung habe es nicht gegeben. Das FG habe insbesondere den von ihr erbrachten Nachweis, dass die Zählwerke der Altgeräte den Einsatz der Spieler nicht zutreffend aufgezeichnet hätten, nicht berücksichtigt. Sie sei zudem berechtigt gewesen, den Spieleinsatz i.S. des § 1 Abs. 3 HmbSpVStG für bestimmte Geräte mit dem Dreifachen des Kasseninhalts zu schätzen. Die Anwendung der vereinfachten Ermittlung der Besteuerungsgrundlage nach § 12 Abs. 1 Satz 1 HmbSpVStG sei insoweit ausgeschlossen, als für ein Spielgerät für einen vorangegangenen Anmeldezeitraum (Kalendermonat, §§ 7, 8 Abs. 1 HmbSpVStG) der Spieleinsatz i.S. des § 1 Abs. 3 HmbSpVStG angemeldet worden sei. Das FA habe es außerdem zu Unrecht abgelehnt, ihren im Oktober 2009 eingereichten berichtigten Steueranmeldungen insoweit zu folgen, als sie ab Meldezeitraum September 2006 die Besteuerungsgrundlage "Spieleinsatz" (§ 1 Abs. 3 HmbSpVStG) für einzelne Spielgeräte rückwirkend durch die nach § 12 Abs. 1 Satz 1 HmbSpVStG ermittelte Bemessungsgrundlage ersetzt habe.

17

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung vom 19. März 2007 sowie die Bescheide vom 8. Februar 2006, 17. April 2007 und 19. März 2010 über Spielvergnügungsteuer für Oktober 2005 bis Februar 2007 aufzuheben, soweit darin Spielvergnügungsteuer für Spielgeräte mit Geldgewinnmöglichkeit festgesetzt ist.

18

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

19

II. Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) zu Recht angenommen, dass die auf die Monate Oktober 2005 bis Februar 2007 bezogene Klage zwar zulässig, aber unbegründet sei.

20

A. Das FG hat zu Recht die Ansicht vertreten, die Klage sei hinsichtlich der Steuerfestsetzungen für die Monate Oktober 2005 bis Februar 2007 insgesamt zulässig.

21

1. Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass bei der Erhebung der Untätigkeitsklage das Einspruchsverfahren noch nicht abgeschlossen war. Dieser Mangel wurde dadurch geheilt, dass das FA während des finanzgerichtlichen Verfahrens über den Einspruch durch die zurückweisende Einspruchsentscheidung vom 19. März 2007 entschieden und die Klägerin die Klage aufrechterhalten hat. Der ganz oder zumindest teilweise erfolglose Abschluss des Vorverfahrens stellt eine Sachentscheidungsvoraussetzung dar, ohne deren Vorliegen --abgesehen von den Sonderregelungen in den §§ 45, 46 FGO-- kein Urteil ergehen kann. Allerdings genügt es, wenn diese Sachentscheidungsvoraussetzung im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem FG vorliegt. Die Klage wächst dann in die Zulässigkeit hinein (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. März 2001 III R 1/99, BFHE 194, 331, BStBl II 2001, 432).

22

2. Ebenfalls zutreffend ist die Auffassung des FG, dass nicht nur der Änderungsbescheid vom 17. April 2007 für Oktober 2005, sondern auch die Änderungsbescheide vom 17. April 2007 und 19. März 2010 für November 2005 bis Februar 2007 gemäß § 68 Satz 1 FGO Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens geworden sind.

23

§ 68 Satz 1 FGO setzt voraus, dass der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt wird. Sowohl der ursprüngliche als auch der neue Bescheid müssen dieselbe Steuersache, d.h. dieselben Beteiligten und denselben Besteuerungsgegenstand betreffen (BFH-Urteil vom 9. Februar 2011 IV R 15/08, BFHE 233, 290, BStBl II 2011, 764, unter II.2.b).

24

Die für November 2005 bis Februar 2007 ergangenen Änderungsbescheide vom 17. April 2007 und 19. März 2010 erfüllen diese Voraussetzungen. Sie wurden nach Ergehen der Einspruchsentscheidung vom 19. März 2007 erlassen und betreffen dieselben Beteiligten und denselben Besteuerungsgegenstand. Durch den Bescheid vom 8. Februar 2006 wurde nicht nur die Steuer für Oktober 2005 festgesetzt. Die Steuerfestsetzung wirkte vielmehr als unbefristete Steuerfestsetzung für die folgenden Monate. § 8 Abs. 2 Satz 1 HmbSpVStG sieht zwar lediglich vor, dass die Steueranmeldung nach § 8 Abs. 1 HmbSpVStG als unbefristete Steuerfestsetzung wirkt. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift muss dies aber entsprechend gelten, wenn das FA die Steuer festsetzt, weil der Steuerpflichtige keine Steueranmeldung abgegeben hat oder das FA von der Anmeldung abweicht.

25

B. Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

26

1. Der Spielvergnügungsteuer unterliegt nach § 1 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 HmbSpVStG u.a. der Aufwand für die Nutzung von Spielgeräten mit Geld- oder Warengewinnmöglichkeit (§ 33c der Gewerbeordnung --GewO--), wenn der Aufwand in einem Spieleinsatz i.S. von § 1 Abs. 3 HmbSpVStG besteht sowie der Aufstellort der Spielgeräte in Hamburg belegen und einer wenn auch begrenzten Öffentlichkeit zugänglich ist. § 33c GewO betrifft Spielgeräte, die mit einer den Spielausgang beeinflussenden technischen Vorrichtung ausgestattet sind und die die Möglichkeit eines Gewinnes bieten. Spieleinsatz ist gemäß § 1 Abs. 3 HmbSpVStG die Verwendung von Einkommen oder Vermögen durch den Spieler zur Erlangung des Spielvergnügens. Steuerschuldner ist nach § 3 Abs. 1 HmbSpVStG der Halter des Spielgerätes. Halter ist derjenige, für dessen Rechnung das Spielgerät aufgestellt wird (Aufsteller). Die Steuer für die Nutzung der Gewinnspielgeräte beträgt gemäß § 4 Abs. 1 Sätze 1 und 2 HmbSpVStG für die Zeit vom 1. Oktober 2005 bis zum 30. April 2006 8 % des Spieleinsatzes und für die Zeit danach 5 % des Spieleinsatzes.

27

a) Was zum Spieleinsatz i.S. von § 1 Abs. 1 und 3 sowie § 4 Abs. 1 Sätze 1 und 2 HmbSpVStG zählt, richtet sich nach § 1 Abs. 3 HmbSpVStG und nicht nach der SpielV; denn § 1 Abs. 3 HmbSpVStG bestimmt den Begriff des Spieleinsatzes eigenständig und verweist zu dessen Definition nicht auf die SpielV (BFH-Beschlüsse vom 27. November 2009 II B 75/09, BFH/NV 2010, 692, unter II.2.a aa, und vom 19. Februar 2010 II B 122/09, BFH/NV 2010, 1144, unter II.2.a aa).

28

b) Zu den Spieleinsätzen i.S. des § 1 Abs. 3 HmbSpVStG zählen nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Vorschrift nicht nur die in die Spielautomaten eingeworfenen Bargeldbeträge (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 7 SpielV), sondern auch Gewinne, die sich der Spieler nicht auszahlen lässt, obwohl er dies könnte, sondern durch entsprechende Vorabeinstellung der bei dem Spielgerät vorhandenen Bedienvorrichtung oder durch Betätigung der Bedienvorrichtung für jeden einzelnen Einsatz unmittelbar zum Weiterspielen verwendet (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 6 Sätze 3 und 4 SpielV). In einer solchen Nutzung von Gewinnen liegt die Verwendung von Vermögen (Anspruch auf Auszahlung der Gewinne) zur Erlangung des Spielvergnügens. Es kann für die Besteuerung nach deren Sinn und Zweck keinen Unterschied machen, ob ein Spieler das ihm aufgrund eines Gewinns ausgezahlte Geld wieder in den Spielautomaten einwirft oder ob er gleichsam in einem abgekürzten Zahlungsweg den Gewinn ohne zwischenzeitliche Auszahlung unmittelbar zum Weiterspielen nutzt. In beiden Fällen entsteht ihm ein Aufwand für das Spielvergnügen in gleicher Höhe (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2010, 692, unter II.2.a bb, und in BFH/NV 2010, 1144, unter II.2.a bb; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts --BVerwG-- vom 10. Dezember 2009  9 C 12/08, BVerwGE 135, 367, unter 2.a aa).

29

c) Ein Spieleinsatz i.S. des § 1 Abs. 3 HmbSpVStG liegt allerdings erst dann vor, wenn der Spieler die Verfügungsmacht über die in ein Spielgerät eingeworfenen Bargeldbeträge oder über die unmittelbar zum Weiterspielen genutzten Gewinne aufgrund des Spielvorgangs endgültig verloren hat. Werden noch nicht endgültig für das Spielen verbrauchte Teilbeträge nach § 13 Abs. 1 Nr. 6 Sätze 1 und 2 SpielV aufgrund Überschreitens der darin bestimmten Obergrenze von 25 € für die Speicherung von Geldbeträgen in Einsatz- und Gewinnspeichern oder nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c SpielV zu Beginn einer gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 5 SpielV erzwungenen Spielpause oder aufgrund einer Verfügung des Spielers über die aufgebuchten Beträge nach § 13 Abs. 1 Nr. 6 Satz 4 SpielV an den Spieler ausgezahlt, fehlt es insoweit an einem der Besteuerung unterliegenden Aufwand für die Nutzung von Spielgeräten i.S. des § 1 Abs. 1 HmbSpVStG und an einer Verwendung von Einkommen oder Vermögen zur Erlangung des Spielvergnügens i.S. des § 1 Abs. 3 HmbSpVStG. Eine Besteuerung auch der zurückgezahlten Teilbeträge würde dem Charakter der Spielvergnügungsteuer als örtlicher Aufwandsteuer i.S. des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG widersprechen. Hinsichtlich dieser Teilbeträge liegt kein das eigentliche Steuergut bildender Vergnügungsaufwand des Spielers vor. Da die Spielgerätebetreiber in Höhe der zurückgezahlten Teilbeträge keine Einnahmen erzielen bzw. keine Aufwendungen für die Auszahlung von Gewinnen ersparen, kann die Steuer insoweit auch nicht auf die Spieler abgewälzt werden. Eine solche Abwälzbarkeit der Steuer ist aber aufgrund einer am Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ausgerichteten, gerechten Zuteilung der Vergnügungsteuerlast erforderlich (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2010, 692, unter II.2.a cc, und in BFH/NV 2010, 1144, unter II.2.a cc).

30

Bei einer teilweisen Auszahlung von noch nicht vollständig zum Spielen verbrauchten Geldbeträgen oder Gewinnen hat die Besteuerung mithin so zu erfolgen, wie wenn der Spieler von vornherein den Betrag in das Spielgerät eingeworfen hätte, über den er die Verfügungsmacht durch den Spielvorgang endgültig verloren hat (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2010, 692, unter II.2.a cc, und in BFH/NV 2010, 1144, unter II.2.a cc).

31

Diese Grundsätze gelten entgegen der Ansicht des FG und des FA auch, soweit von einem Spieler in das Gerät eingeworfene Geldbeträge zunächst in geldwerte Spielpunkte umgewandelt und vor deren Nutzung zum Spielen mit Gewinn- und Verlustmöglichkeit wieder in den Geldspeicher zurückgebucht und an den Spieler ausgezahlt werden. In einem solchen Fall liegt ebenfalls kein das eigentliche Steuergut bildender Vergnügungsaufwand des Spielers vor und ist auch eine Überwälzung der Steuer auf den Spieler nicht möglich. Die bloße Umbuchung von Geld in geldwerte Spielpunkte stellt noch kein Spielgeschehen dar; denn sie führt als solche noch nicht zu einer Gewinn- und Verlustmöglichkeit.

32

d) Lässt sich ein Spieler Gewinne sofort auszahlen, statt sie (zunächst) zum Weiterspielen zu verwenden, ändert dies demgegenüber nichts daran, dass die geleisteten Einsätze der Steuer unterliegen; denn bei der Auszahlung von Gewinnen handelt es sich nicht um eine Rückerstattung der Einsätze, die der Spieler zur Erlangung des Spielvergnügens aufgewandt hat (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2010, 692, unter II.2.a dd, und in BFH/NV 2010, 1144, unter II.2.a dd).

33

e) Die Bemessungsgrundlage der Spielvergnügungsteuer nach § 1 Abs. 1 und 3 HmbSpVStG errechnet sich somit, indem man die Summe aus den von den Spielern eingezahlten Geldbeträgen und den angefallenen Gewinnen um die an die Spieler ausgezahlten Geldbeträge vermindert. In voller Höhe ausgezahlte Gewinne wirken sich danach auf die Bemessungsgrundlage nicht aus. Die in einem bestimmten Zeitraum entstandene Differenz zwischen den eingezahlten und den ausgezahlten Geldbeträgen, die auch negativ sein kann, ergibt sich, wenn man vom Kasseninhalt zum Ende des Zeitraums den anfänglichen Kasseninhalt abzieht, sofern nicht zwischenzeitlich die Kasse aufgefüllt oder daraus Geld entnommen wurde. Derartige Änderungen des Kassenbestands außerhalb des Spielgeschehens müssen bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Steuer zusätzlich berücksichtigt werden, indem in die Kasse eingelegte Geldbeträge dem anfänglichen Kasseninhalt und daraus entnommene Geldbeträge dem zuletzt vorhandenen Kasseninhalt hinzugerechnet werden (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2010, 692, unter II.2.a ff, und in BFH/NV 2010, 1144, unter II.2.a ff).

34

Werden die der Steuer zugrunde liegenden Spieleinsätze auf diese Art und Weise ermittelt, kann zugleich geprüft werden, ob die von den Kontrolleinrichtungen der Spielgeräte aufgezeichneten Einsätze damit übereinstimmen (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2010, 692, unter II.2.a ff, und in BFH/NV 2010, 1144, unter II.2.a ff).

35

f) Für Besteuerungszeiträume, die vor dem 1. Januar 2011 enden, kann die Besteuerungsgrundlage nach Maßgabe des § 12 HmbSpVStG vereinfacht ermittelt werden. Erklärt der Anmeldeverpflichtete für einzelne oder mehrere Spielgeräte i.S. des § 1 Abs. 2 Nr. 1 HmbSpVStG den Spieleinsatz in der Steueranmeldung nach § 8 HmbSpVStG nicht, gilt gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 HmbSpVStG das Vierfache des Einspielergebnisses als Spieleinsatz nach § 1 Abs. 3 HmbSpVStG. Macht der Aufsteller der Spielgeräte von dieser Vereinfachungsmöglichkeit zulässigerweise Gebrauch, braucht nicht ermittelt zu werden, in welcher Höhe Spieler Einkommen oder Vermögen zur Erlangung des Spielvergnügens verwendet haben.

36

2. § 1 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 HmbSpVStG sind verfassungsgemäß.

37

a) Die Gesetzgebungskompetenz des Landesgesetzgebers für das HmbSpVStG ergibt sich aus Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG. Bei der auf die Spielgeräte mit Gewinnmöglichkeit erhobenen Spielvergnügungsteuer handelt es sich dem Typus nach um eine örtliche Aufwandsteuer im Sinne dieser Vorschrift. Dies ist für die Begründung der Gesetzgebungskompetenz entscheidend. Unerheblich ist es in diesem Zusammenhang hingegen, ob die Steuer in ihrer konkreten Ausgestaltung insbesondere hinsichtlich des Besteuerungsmaßstabs und der Frage ihrer Abwälzbarkeit auf die Spieler den verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 4. Februar 2009  1 BvL 8/05, BVerfGE 123, 1, unter C.I.; BVerwG-Urteil in BVerwGE 135, 367, unter 1.; BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2010, 692, unter II.2.b aa, und in BFH/NV 2010, 1144, unter II.2.b aa).

38

b) Die in § 1 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 HmbSpVStG vorgesehene Heranziehung des Spieleinsatzes als Bemessungsgrundlage der Steuer ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

39

aa) Die Spielvergnügungsteuer knüpft an die gewerbliche Veranstaltung von Automatenspielen an. Steuerschuldner ist der Veranstalter des Vergnügens. Eigentliches Steuergut ist gleichwohl der Vergnügungsaufwand des einzelnen Spielers, weil die Steuer darauf abzielt, die mit der Einkommens- und Vermögensverwendung für das Vergnügen zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu belasten. Der sachgerechteste Maßstab für eine derartige Steuer ist danach der individuelle, wirkliche Vergnügungsaufwand (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 123, 1, unter C.II.1.b, m.w.N.; BVerwG-Urteile in BVerwGE 135, 367, unter 2.a, und vom 9. Juni 2010  9 CN 1/09, BVerwGE 137, 123, unter 1.; BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2010, 692, unter II.2.b bb aaa, und in BFH/NV 2010, 1144, unter II.2.b bb aaa). Der Spieleinsatz ist dem Vergnügungsaufwand des Spielers besonders nahe (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 123, 1, unter C.II.2.a bb). Die in § 1 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 HmbSpVStG vorgesehene Besteuerung des Spieleinsatzes entspricht somit den verfassungsrechtlichen Anforderungen.

40

bb) Diese Beurteilung gilt unabhängig davon, ob die von den Spielhallenbetreibern verwendeten Geräte eine zutreffende Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Steuer zulassen oder nicht. Der Hamburger Landesgesetzgeber konnte beim Erlass des HmbSpVStG davon ausgehen, dass die eingesetzten Gewinnspielgeräte die Möglichkeit eröffnen, den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Steueranmeldungen abzugeben. Wie das BVerfG zur Begründung seiner Ansicht, der früher verwendete Stückzahlmaßstab sei bereits seit Anfang 1997 verfassungswidrig, im Beschluss in BVerfGE 123, 1, unter C.II.2.a cc (1) ausgeführt hat, kann der Vergnügungsaufwand der Nutzer von Gewinnspielautomaten seither aufgrund der technischen Entwicklung und einer in den Jahren 1989 und 1990 zwischen den Herstellern von Unterhaltungsautomaten mit Gewinnmöglichkeit und den Verbänden der Unterhaltungsautomatenwirtschaft einerseits sowie den zuständigen Bundesministerien andererseits abgeschlossenen selbstverpflichtenden Vereinbarung hinreichend zuverlässig erfasst werden.

41

Die Aufsteller von Spielgeräten in Hamburg konnten die Verfassungswidrigkeit des HmbSpVStG demgegenüber nicht dadurch herbeiführen, dass sie nach dem Inkrafttreten des HmbSpVStG aufgrund einer freien, da gesetzlich nicht vorgegebenen Entscheidung Spielgeräte aufstellten, die die zutreffende Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Steuer i.S. des § 1 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 HmbSpVStG nicht in jeder Hinsicht ermöglichten. Es oblag vielmehr den Betreibern der Spielgeräte, Vorsorge für eine zutreffende Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Steuer zu treffen (vgl. Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen --OVG NRW-- vom 23. Juni 2010  14 A 597/09, juris, Rz 79).

42

Diese Beurteilung entspricht den Anforderungen der SpielV. Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Buchst. d SpielV muss der Antragsteller mit dem in § 11 SpielV vorgesehenen Antrag auf Zulassung der Bauart eines Spielgerätes i.S. des § 33c Abs. 1 Satz 1 GewO eine schriftliche Erklärung vorlegen, dass bei dem von ihm zur Prüfung eingereichten Geldspielgerät die Möglichkeit vorhanden ist, sämtliche Einsätze, Gewinne und Kasseninhalte für steuerliche Erhebungen zu dokumentieren. Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt darf gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 8 Satz 1 SpielV die Bauart eines Geldspielgerätes nur zulassen, wenn es eine Kontrolleinrichtung beinhaltet, die sämtliche Einsätze, Gewinne und den Kasseninhalt zeitgerecht, unmittelbar und auslesbar erfasst. Unter Geldspielgerät ist nach § 1 Abs. 1 SpielV ein Spielgerät zu verstehen, bei dem der Gewinn in Geld besteht. Im Hinblick auf diese Begriffsbestimmung sowie den Sinn und Zweck der in § 12 Abs. 2 Satz 1 Buchst. d und § 13 Abs. 1 Nr. 8 Satz 1 SpielV getroffenen, auf die Möglichkeit einer zutreffenden Besteuerung abzielenden Regelungen spielt es dabei keine Rolle, ob das Gerät die Gewinne unmittelbar in Geld oder in geldwerten Punkten anzeigt.

43

Im Übrigen hatten die Aufsteller für den Streitzeitraum die Möglichkeit, unter den in § 12 HmbSpVStG genannten Voraussetzungen von der in dieser Vorschrift vorgesehenen vereinfachten Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Steuer Gebrauch zu machen (vgl. oben II.B.1.f und unten II.B.3.). Da es dabei nur auf die Einspielergebnisse ankommt, erübrigte sich bei dieser Bestimmung der Bemessungsgrundlage der Steuer die Ermittlung der Spieleinsätze.

44

cc) Keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen dagegen, dass die Steuer nicht lediglich auf den um die Steuer verminderten Spieleinsatz erhoben wird. Der Gesetzgeber hat bei der Erschließung einer Steuerquelle in Form des Vergnügungsaufwands des Einzelnen gerade auch bei der Wahl des Besteuerungsmaßstabs eine weitgehende Gestaltungsfreiheit. Dieser Gestaltungsfreiheit wird durch Art. 3 Abs. 1 GG erst dort eine Grenze gesetzt, wo eine gleiche oder ungleiche Behandlung von Sachverhalten nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist, wo also ein einleuchtender Grund für die Gleichbehandlung oder Ungleichbehandlung fehlt und diese daher willkürlich ist. Die Gerichte haben nur die Einhaltung dieser äußersten Grenzen nachzuprüfen, nicht aber, ob der Gesetzgeber im Einzelfall die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 123, 1, unter C.II.1.b, m.w.N.; BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2010, 692, unter II.2.b bb bbb, und in BFH/NV 2010, 1144, unter II.2.b bb bbb).

45

Diese Grenzen sind nicht deshalb überschritten, weil die Steuer an den gesamten Spieleinsatz und nicht an den Spieleinsatz abzüglich der Steuer anknüpft. Für diese Steuerbemessung sprechen zum einen Vereinfachungsgründe, da sich die sonst erforderliche Herausrechnung der Steuer aus dem Spieleinsatz erübrigt. Zum anderen ist es dann, wenn der Gesetzgeber eine bestimmte steuerliche Belastung der Spieleinsätze erreichen will, lediglich eine Frage der Gesetzgebungstechnik, ob die Steuer nach dem gesamten Spieleinsatz oder nach dem um die Steuer verminderten Spieleinsatz mit einem entsprechend höheren Steuersatz bemessen wird. Aus einer solchen Frage der bloßen Gesetzgebungstechnik ohne Auswirkungen auf die Höhe der Steuer kann nicht auf die (teilweise) Verfassungswidrigkeit des Gesetzes geschlossen werden (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2010, 692, unter II.2.b bb bbb, und in BFH/NV 2010, 1144, unter II.2.b bb bbb).

46

Das BVerfG hat im Beschluss in BVerfGE 123, 1 ebenfalls nicht ausgeführt, dass der individuelle, wirkliche Vergnügungsaufwand des Spielers nur nach Kürzung um die Vergnügungsteuer als Bemessungsgrundlage dieser Steuer herangezogen werden dürfe. Auch das BVerwG ist der Ansicht, dass der Gesamtbetrag der in ein Spielgerät eingeworfenen Geldbeträge und der für weitere Spiele eingesetzten Gewinne einschließlich des Steueranteils jedenfalls solange der Besteuerung unterworfen werden kann, als es die technische Ausstattung der Spielapparate nicht zulässt, den Vergnügungsaufwand eines jeden Spielers und gleichzeitig die auf jedes Spiel entfallende Steuer zu erfassen (BVerwG-Urteil in BVerwGE 135, 367, unter 2.a aa).

47

c) § 1 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 HmbSpVStG ist auch hinreichend bestimmt.

48

aa) Der Bestimmtheitsgrundsatz verlangt vom Normgeber, die Rechtsvorschriften so genau zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (BVerfG-Urteil vom 17. November 1992  1 BvL 8/87, BVerfGE 87, 234, unter C.II.1.; BVerfG-Beschlüsse vom 9. August 1995  1 BvR 2263/94 u.a., BVerfGE 93, 213, unter C.II.3.a, und vom 18. Mai 2004  2 BvR 2374/99, BVerfGE 110, 370, unter C.I.3.b ee (1); BVerwG-Urteil in BVerwGE 137, 123, unter 2.a). Es genügt, dass die Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können (BVerfG-Urteil in BVerfGE 87, 234, unter C.II.1., m.w.N.).

49

bb) Diesen Anforderungen wird § 1 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 HmbSpVStG gerecht. Wie bereits dargelegt, ist daraus erkennbar, wie die Bemessungsgrundlage der Spielvergnügungsteuer zu berechnen ist (vgl. oben II.B.1.).

50

Ob die von den Aufstellern eingesetzten Spielgeräte eine solche in jeder Hinsicht zutreffende Berechnung zulassen, ist für die Frage der Bestimmtheit der genannten Vorschriften ohne Bedeutung. Wie bereits ausgeführt, obliegt es den Spielgerätebetreibern, in Übereinstimmung mit den Anforderungen der SpielV Vorsorge für die Abgabe einer dem HmbSpVStG entsprechenden Steueranmeldung zu treffen. Der Gesetzgeber ist verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, die Bemessungsgrundlage der Steuer an die jeweils von den Aufstellern betriebenen Geräte anzupassen (ebenso OVG NRW-Urteil vom 23. Juni 2010  14 A 597/09, Rz 79).

51

Zudem hatten die Aufsteller für vor dem 1. Januar 2011 endende Besteuerungszeiträume die Möglichkeit, die Besteuerungsgrundlagen nach § 12 HmbSpVStG vereinfacht zu ermitteln. Diese Ersatzbemessungsgrundlage ist verfassungsgemäß (vgl. unten II.B.3.).

52

3. Die Vereinfachungsregel des § 12 Abs. 1 Satz 1 HmbSpVStG ist ebenfalls verfassungsgemäß.

53

a) Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber auf die vom FG Hamburg im Beschluss vom 9. Mai 2006  7 V 87/06 sowie von Spielgerätebetreibern geäußerten Bedenken hinsichtlich der tatsächlichen Durchführbarkeit des HmbSpVStG reagiert. Diese Bedenken beruhten auf der seinerzeitigen technischen Ausstattung zahlreicher Spielgeräte (vgl. Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Hamburgischen Spielvergnügungsteuergesetzes, BürgerschaftsDrucks 18/4806, S. 1, 4; BFH-Beschluss in BFH/NV 2010, 692).

54

b) Der Gesetzgeber war berechtigt, diesen Bedenken dadurch zu begegnen, dass er die Steueranmeldung und Steuerfestsetzung nach einer Ersatzbemessungsgrundlage zuließ (BFH-Beschluss in BFH/NV 2010, 692, unter II.2.c). Er vermied dadurch die ohne eine gesetzliche Regelung für die Finanzverwaltung und ggf. das FG bestehende Notwendigkeit, für die einzelnen von den technischen Schwierigkeiten betroffenen Spielgeräte die Bemessungsgrundlage der Steuer nach § 1 Nr. 1 des Hamburgischen Abgabengesetzes i.V.m. § 162 Abs. 1 und 2 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) schätzen zu müssen. Eine solche Schätzung wäre mit hohem Verwaltungsaufwand und großen Unsicherheiten behaftet. Eine völlige Freistellung der von den technischen Problemen betroffenen Spielgeräte von der Spielvergnügungsteuer wäre mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht vereinbar gewesen (BFH-Beschluss in BFH/NV 2010, 692, unter II.2.c).

55

c) Der Gesetzgeber ist bei der Bemessung einer Spielvergnügungsteuer von Verfassungs wegen nicht auf einen Wirklichkeitsmaßstab beschränkt. Wählt er statt dieses Maßstabs einen anderen (Ersatz- oder Wahrscheinlichkeits-)Maßstab, so ist er allerdings auf einen solchen beschränkt, der einen bestimmten Vergnügungsaufwand wenigstens wahrscheinlich macht, weil ein anderer Maßstab dem Wesen der Vergnügungsteuer fremd, also nicht sachgerecht und deshalb mit dem Grundsatz der Belastungsgleichheit nicht zu vereinbaren wäre (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 123, 1, unter C.II.1.b).

56

Ein solcher zulässiger Ersatzmaßstab besteht in der Anknüpfung an die Einspielergebnisse der Spielgeräte (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 123, 1, unter C.II.2.a bb; BVerwG-Urteil in BVerwGE 135, 367, unter 2.a bb; OVG NRW-Urteile vom 23. Juni 2010  14 A 597/09, juris, Rz 81 ff., und vom 7. April 2011  14 A 1632/09, juris, Rz 37 ff.).

57

d) Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist auch, dass die in § 12 Abs. 1 Satz 1 HmbSpVStG bestimmte Ersatzbemessungsgrundlage das Vierfache des Einspielergebnisses beträgt. Es handelt sich dabei um einen vom Gesetzgeber als sachgerecht angesehenen Durchschnittswert, der der regelmäßigen Bemessungsgrundlage, nämlich den Spieleinsätzen, nahe kommen soll. Der anzuwendende Faktor berücksichtigt nach der Gesetzesbegründung (BürgerschaftsDrucks 18/4806, S. 4) die Aussagen der Hamburger Spielgeräteaufsteller zu den durchschnittlichen Gewinnausschüttungen an Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit. Für die Vereinfachungsregelung sei der Faktor so zu wählen, dass sie nicht als faktische Begünstigungsvorschrift für den Regelfall und damit als ungerechtfertigte Begünstigung wirke. Bei einem niedrigeren Faktor bestünde die Gefahr, dass dem nach § 1 Abs. 3 HmbSpVStG ermittelten Spieleinsatz des Spielers als der gesetzlich vorgegebenen steuerlichen Bemessungsgrundlage tatsächlich nur noch theoretische Bedeutung zukäme und die steuerliche Bemessungsgrundlage ausschließlich über die Vereinfachungsregelung ermittelt würde. Dass diese Einschätzung des Gesetzgebers zulasten der Spielgerätebetreiber grob fehlerhaft und deshalb aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht mehr hinnehmbar sei, ist nicht ersichtlich und wird von der Klägerin auch nicht konkret geltend gemacht.

58

Das Gesetz verpflichtet den Spielgerätebetreiber im Übrigen nicht dazu, von der Vereinfachungsregel des § 12 HmbSpVStG Gebrauch zu machen. Er ist vielmehr berechtigt, die Steuer auf der Grundlage des Spieleinsatzes i.S. des § 1 Abs. 1 und 3 HmbSpVStG anzumelden. Bildet der nach § 12 Abs. 1 Satz 1 HmbSpVStG auf das Einspielergebnis anzuwendende Faktor 4 die Bemessungsgrundlage nach Ansicht des Steuerschuldners im Einzelfall nicht angemessen ab, steht es ihm nach der Gesetzesbegründung (BürgerschaftsDrucks 18/4806, S. 4) weiterhin frei, den Spieleinsatz auf geeignete Art und Weise nachzuweisen oder glaubhaft zu machen; denn das HmbSpVStG schränke die allgemeinen Grundsätze der AO zur Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen nicht ein.

59

e) Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist auch, dass die Möglichkeit zur vereinfachten Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Steuer nach § 12 Abs. 1 Satz 1 HmbSpVStG durch § 2 des Gesetzes vom 6. Oktober 2006 rückwirkend zum ursprünglichen Inkrafttreten des HmbSpVStG eingeführt wurde. Die Steuerpflichtigen wurden dadurch nicht rückwirkend belastet. Vielmehr wurde nur eine zusätzliche, vereinfachte Möglichkeit zur Bestimmung der Bemessungsgrundlage der Steuer geschaffen, ohne dass die Automatenaufsteller verpflichtet sind, hiervon Gebrauch zu machen. Zudem wurde der Steuersatz für Spielgeräte mit Geld- oder Warengewinnmöglichkeit gleichzeitig rückwirkend zum 1. Oktober 2005 von dem ursprünglich vorgesehenen Steuersatz von 10 % des Spieleinsatzes (§ 4 Abs. 1 HmbSpVStG a.F.) für die Zeit vom 1. Oktober 2005 bis zum 30. April 2006 auf 8 % des Spieleinsatzes und für die Zeit danach auf 5 % des Spieleinsatzes herabgesetzt (§ 4 Abs. 1 Sätze 1 und 2 HmbSpVStG).

60

4. Der in § 4 Abs. 1 Sätze 1 und 2 HmbSpVStG bestimmte Steuersatz von 8 % des Spieleinsatzes für die Zeit vom 1. Oktober 2005 bis zum 30. April 2006 und von 5 % des Spieleinsatzes für die Zeit danach ist ebenfalls verfassungsgemäß. Die Steuer kann auf die Spieler abgewälzt werden. Es genügt dabei die kalkulatorische Abwälzbarkeit in dem Sinn, dass der Steuerpflichtige den von ihm zu zahlenden Betrag in die Kalkulation seiner Selbstkosten einsetzen und hiernach die zur Aufrechterhaltung der Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens geeigneten Maßnahmen treffen kann (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 123, 1, unter C.II.1.c und 3., m.w.N.; BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2010, 692, unter II.2.b cc aaa, und in BFH/NV 2010, 1144, unter II.2.b cc aaa). Die Automatenaufsteller sind weder durch die SpielV noch durch andere Vorschriften gehindert, ihren Geschäftsbetrieb so zu gestalten, dass ihnen nach Deckung aller Kosten und Entrichtung der Spielvergnügungsteuer noch ein Gewinn verbleibt. Dies reicht aus, um die Abwälzbarkeit zu bejahen. Setzen die Spielhallenbetreiber Geräte ein, die insbesondere hinsichtlich der Einsätze und der Gewinne so programmiert sind, dass nach Begleichung aller Kosten und Entrichtung der Steuer kein Gewinn erzielt werden kann, fällt dies in deren Verantwortungsbereich (vgl. im Einzelnen BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2010, 692, unter II.2.b cc, und in BFH/NV 2010, 1144, unter II.2.b cc). Dass die Einspielergebnisse im Verhältnis zu den der Besteuerung unterliegenden Einsätzen und somit auch zu der Steuer schwanken können, liegt in der Natur des Betriebs von Geldspielgeräten und muss von deren Betreibern bei der Gestaltung ihres Geschäftsbetriebs und der Kalkulation berücksichtigt werden. Zur Verfassungswidrigkeit des HmbSpVStG führt dies nicht (vgl. BVerwG-Urteil in BVerwGE 135, 367, unter 2.b).

61

5. Die angefochtenen Steuerfestsetzungen sind auch der Höhe nach nicht zu beanstanden.

62

a) Soweit die Klägerin bei den Steueranmeldungen vom Spieleinsatz i.S. des § 1 Abs. 3 HmbSpVStG ausgegangen sein sollte, ohne dass die von ihr eingesetzten Spielgeräte dessen zutreffende Ermittlung ermöglicht haben, muss sie es hinnehmen, dass möglicherweise auch Beträge als Einsatz erfasst wurden, die die Spieler nach der Umbuchung in den Punktespeicher in den Geldspeicher zurückgebucht haben, ohne sie zum Spielen eingesetzt zu haben (vgl. BVerwG-Beschluss vom 15. Juni 2011  9 B 77/10, juris). Einem etwaigen steuerlichen Nachteil der Klägerin in dieser Hinsicht steht der Vorteil gegenüber, dass die im Punktespeicher erzielten Gewinne nach den Ergebnissen der Beweisaufnahme im Verfahren 2 K 9/09, die der Klägerin aufgrund der Übersendung eines Auszugs aus der Sitzungsniederschrift bekannt waren und deren Richtigkeit die Beteiligten insoweit in der mündlichen Verhandlung vor dem BFH bestätigt haben, auch insoweit nicht in die Bemessungsgrundlage der Steuer eingeflossen sind, als die Spieler sie zum Weiterspielen verwendet haben, obwohl sie die Möglichkeit gehabt hätten, die gewonnenen Punkte in den Geldspeicher umzubuchen und sich deren Geldwert auszahlen zu lassen. Der Geldwert dieser gewonnenen Punkte wäre in die Bemessungsgrundlage der Steuer einzubeziehen gewesen. Dies ist aber nicht geschehen.

63

Die von der Klägerin in diesem Zusammenhang erhobene, allein auf die rechtliche Beurteilung der nach der Umwandlung in Spielpunkte in den Geldspeicher zurückgebuchten und an die Spieler ausgezahlten Geldbeträge bezogene Verfahrensrüge ist somit gegenstandslos.

64

b) Die Rüge der Klägerin, das FG habe den von ihr erbrachten Nachweis, dass die Zählwerke der Altgeräte den Einsatz der Spieler nicht zutreffend aufgezeichnet hätten, nicht berücksichtigt, führt ebenfalls nicht zur Aufhebung der Vorentscheidung. Wenn dies der Fall gewesen sein sollte, kann sich die fehlerhafte Aufzeichnung sowohl zu Gunsten als auch zu Ungunsten der Klägerin ausgewirkt haben. Die Klägerin hat sich dazu entgegen der Aufforderung in der Verfügung des FG vom 28. Juni 2010, die ihr ausweislich des Empfangsbekenntnisses ihres Prozessbevollmächtigten zugestellt wurde, nicht substantiiert geäußert und nicht angegeben, inwieweit die Steuer für die einzelnen Veranlagungszeiträume in diesem Zusammenhang herabzusetzen sein soll. Auch später hat sie dazu keine Angaben gemacht. Dies geht zu ihren Lasten.

65

c) Das FG ist dem Begehren der Klägerin, für bestimmte Spielgeräte nicht das Vierfache, sondern das Dreifache des Einspielergebnisses als Bemessungsgrundlage der Steuer anzusetzen, zu Recht nicht gefolgt.

66

Wie bereits ausgeführt, kann ein Steuerpflichtiger, nach dessen Ansicht der gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 HmbSpVStG anzuwendende Faktor 4 die Bemessungsgrundlage der Steuer im Einzelfall nicht angemessen abbildet, den Spieleinsatz zwar auf geeignete Art und Weise nachweisen oder glaubhaft machen. Das FG war aber zutreffend der Ansicht, es fehle insoweit an einer hinreichenden Substantiierung des Begehrens der Klägerin. Zum Nachweis oder zur Glaubhaftmachung des Spieleinsatzes genügt die Behauptung einer durchschnittlichen Ausschüttungsquote nicht. Vielmehr muss die Ausschüttungsquote, die nach den Angaben der Klägerin von Spielgerät zu Spielgerät unterschiedlich ist, konkret für die Spielautomaten nachgewiesen oder glaubhaft gemacht werden, für die die Anwendung eines von § 12 Abs. 1 Satz 1 HmbSpVStG abweichenden Faktors auf das Einspielergebnis begehrt wird. Dass dies im vorliegenden Fall nicht geschehen ist, geht zulasten der Klägerin.

67

d) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Anwendung des § 12 Abs. 1 Satz 1 HmbSpVStG für die nachfolgenden Anmeldezeiträume nicht bereits dann ausgeschlossen, wenn der Anmeldeverpflichtete für einen Anmeldezeitraum in einer Steueranmeldung nach § 8 HmbSpVStG den Spieleinsatz i.S. des § 1 Abs. 3 HmbSpVStG erklärt hat. Vielmehr ist eine Ermittlung der Besteuerungsgrundlage nach § 12 Abs. 1 Satz 1 HmbSpVStG gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 HmbSpVStG nur dann dauerhaft ausgeschlossen, wenn der Anmeldeverpflichtete mindestens einmal den Spieleinsatz in der Steueranmeldung nach § 8 HmbSpVStG nicht erklärt und nachfolgend in einer Steueranmeldung nach § 8 HmbSpVStG den Spieleinsatz i.S. des § 1 Abs. 3 HmbSpVStG erklärt hat.

68

Diese Regelung trägt den von der Klägerin angesprochenen Fällen Rechnung, in denen der Spieleinsatz zunächst ermittelt werden konnte und demgemäß erklärt wurde, später aber aufgrund einer Umprogrammierung nicht mehr feststellbar war.

69

e) Der Ansicht der Klägerin, das FA habe entsprechend den im Oktober 2009 für die Monate November 2005 bis Februar 2007 abgegebenen berichtigten Steueranmeldungen die bereits am 23. März 2007 angemeldete, nach § 1 Abs. 3 HmbSpVStG ermittelte Bemessungsgrundlage der Steuer für einzelne Spielgeräte rückwirkend durch die Bemessungsgrundlage nach § 12 Abs. 1 Satz 1 HmbSpVStG ersetzen müssen, kann ebenfalls nicht gefolgt werden.

70

Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 HmbSpVStG gilt als Spieleinsatz nach § 1 Abs. 3 HmbSpVStG das Vierfache des Einspielergebnisses, wenn der Anmeldeverpflichtete für einzelne oder mehrere Spielgeräte i.S. des § 1 Abs. 2 Nr. 1 HmbSpVStG den Spieleinsatz in der Steueranmeldung nach § 8 HmbSpVStG nicht erklärt. Hat der Anmeldeverpflichtete den Spieleinsatz in der Steueranmeldung nach § 8 HmbSpVStG erklärt, scheidet somit die vereinfachte Ermittlung der Besteuerungsgrundlage aus. Die Erklärung des Spieleinsatzes stellt eine Tatsache dar, die nicht zurückgenommen werden kann und daher vorbehaltlich der in § 12 Abs. 2 HmbSpVStG vorgesehenen Übergangsregelung die Anwendung des § 12 Abs. 1 Satz 1 HmbSpVStG für den betroffenen Anmeldezeitraum endgültig ausschließt. Die Übergangsregelung beruht darauf, dass § 12 HmbSpVStG erst durch das Gesetz vom 6. Oktober 2006 rückwirkend eingeführt wurde und die Spielgerätebetreiber so gestellt werden sollten, wie wenn § 12 Abs. 1 HmbSpVStG von vornherein im Gesetz enthalten gewesen wäre. Allerdings musste ein entsprechender Änderungsantrag nach § 12 Abs. 2 HmbSpVStG bis zum 31. Dezember 2006 gestellt werden. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Befristung dieser aus sachlichen Gründen eingeführten Übergangsregelung bestehen nicht. Hat der Steuerpflichtige den Spieleinsatz i.S. des § 1 Abs. 3 HmbSpVStG nach Ablauf der Übergangsregelung erklärt, besteht kein begründeter Anlass, nachträglich die Ermittlung der Besteuerungsgrundlage nach § 12 Abs. 1 Satz 1 HmbSpVStG zuzulassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Verfassungsmäßigkeit und die Unionsrechtskonformität der Hamburgischen Spielvergnügungsteuer.

2

Die Klägerin, eine GmbH, wurde im ... 2007 gegründet und betreibt in Hamburg ab Oktober 2007 Spielhallen. Sie meldete für den streitgegenständlichen Zeitraum vom Oktober 2007 bis einschließlich Juli 2012 monatlich Spielvergnügungsteuern in Höhe von insgesamt ... € beim Beklagten an. Darin sind ganz überwiegend auf der Grundlage des Spieleinsatzes (§ 1 Abs. 3 des Hamburgischen Spielvergnügungsteuergesetzes - HmbSpVStG) selbst ermittelte Steuern für den Betrieb von anfangs 48, zuletzt 24 Spielgeräten mit Geld- oder Warengewinnmöglichkeit enthalten. Für die Monate Oktober 2007 bis einschließlich April 2008 meldete die Klägerin auch die Steuer für zunächst 2 - ab November 2007 nur noch 1 - Unterhaltungsspielgeräte - im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 2 HmbSpVStG in Höhe von 160 € (für 2 Geräte) und 80 € (für ein Gerät) an. Der Beklagte folgte den Steueranmeldungen. Nur für den Monat November 2007 setzte er die Steuer abweichend von der Anmeldung auf ... € fest, weil er 2 statt nur 1 Unterhaltungsspielgerät berücksichtigte.

3

Die Klägerin legte - bis auf den Monat April 2010 - gleichzeitig mit oder ein paar Tage nach den Steueranmeldungen jeweils Einsprüche ein. Sie begründete ihre Einsprüche mit verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das Hamburgische Spielvergnügungsteuergesetz, die Gegenstand von mehreren Musterverfahren waren. Die Einsprüche ruhten bis zur Entscheidung des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 7. November 2011 im Verfahren II R 51/10 (BFH/NV 2012, 790).

4

Der Beklage wies die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Einsprüche mit vier Entscheidungen vom 28. August 2012 (betreffend Oktober 2007 bis Dezember 2008, Januar 2009 bis Dezember 2010, Januar bis Dezember 2011 und Januar bis Juli 2012) jeweils als unbegründet zurück. Der BFH habe in der Entscheidung vom 7. November 2011 (II R 51/10) die Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung von Geldspielgeräten nach dem Hamburgischen Spielvergnügungsteuergesetz festgestellt.

5

Die Klägerin hat am 27. September 2012 (2 K 259/12) Klage erhoben. Das Verfahren wurde durch Beschluss des Gerichts vom 19. Februar 2013 ausgesetzt bis zur Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) im Verfahren C-440/12 (Vorabentscheidungsersuchen des Finanzgerichts (FG) Hamburg vom 21. September 2012 3 K 104/11, EFG 2012, 2241). Nach Ergehen der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-440/12 - Metropol-Spielstätten - am 24. Oktober 2013 (DB 2013, 2660) wurde das Verfahren unter dem Aktenzeichen 2 K 257/13 fortgesetzt.

6

Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer Klage vor, dass auf die Vergnügungsteuern jeweils die Umsatzsteuer anzurechnen sei. Der EuGH habe in seinem Urteil vom 24. Oktober 2013 (C-440/12) ausgeführt, dass der Gleichbehandlungssatz des Art. 20 der Grundrechtscharta nicht beachtet werde, wenn bei Wettbewerbern wie den öffentlichen Spielbanken die Umsatzsteuer auf die Spielbankenabgabe angerechnet werden dürfe, eine solche Anrechnung auf die Spielvergnügungsteuer aber nicht gesetzlich vorgesehen sei. Zudem sei das Urteil des EuGH vom 24. Oktober 2013 (C-440/12) unter entscheidungserheblicher Verletzung des Rechts der dortigen Klägerin auf ein faires Verfahren zustande gekommen, weil der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden sei. Das Urteil des EuGH sei auch deshalb nicht anzuwenden, weil es sich als Ultra-vires-Rechtsakt des Gerichtshofs darstelle und der EuGH seine eigene jüngste Rechtsprechung damit konterkariere. Zur näheren Begründung wird auf einen Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Verfahren 3 K 207/13 Bezug genommen.

7

Die streitgegenständlichen Spielvergnügungsteuerbescheide seien auch deshalb rechtswidrig und aufzuheben, weil der Hamburgische Gesetzgeber durch die Einführung der Spielvergnügungsteuer gegen die für technische Vorschriften geltende Notifizierungspflicht des Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 20. November 2006 (ABL. L 363, S. 81) verstoßen habe. Nach Art. 9 Abs. 1 Richtlinie 98/34/EG nähmen die Mitgliedstaaten den Entwurf einer technischen Vorschrift nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Eingang der Mitteilung gemäß Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 98/34/EG bei der Kommission an. Die Mitgliedstaaten übermittelten der Kommission gemäß Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 Halbs. 1 Richtlinie 98/34/EG unverzüglich jeden Entwurf einer technischen Vorschrift, sofern es sich nicht um eine vollständige Übertragung einer internationalen oder europäischen Norm handele. Ein Verstoß gegen die Notifizierungspflicht führe zur Unanwendbarkeit der jeweiligen technischen Vorschrift.

8

Bei den Regelungen des Hamburgischen Spielvergnügungsteuergesetzes handele es sich um sonstige - notifizierungspflichtige - Vorschriften im Sinne von Art. 1 Nr. 4 Richtlinie 98/34/EG. Dies seien Vorschriften für ein Erzeugnis, die keine technische Spezifikationen seien und insbesondere zum Schutz der Verbraucher oder der Umwelt erlassen würden und den Lebenszyklus des Erzeugnisses nach dem Inverkehrbringen beträfen, wie Vorschriften für Gebrauch, Wiederverwertung oder Beseitigung, sofern diese Vorschriften die Zusammensetzung oder die Art des Erzeugnisses oder seine Vermarktung wesentlich beeinflussen können (unter Hinweis auf EuGH-Urteile vom 21. April 2005 C-267/03- Lindberg, Slg 2005, I-3247-3298; vom 19. Juli 2012 C 213/11 - Fortuna, NVwZ-RR 2012, 717). Die Bestimmungen des Hamburgischen Spielvergnügungsteuergesetzes, insbesondere § 4 Abs. 1 HmbSpVStG, könnten die Art oder die Vermarktung der von der Klägerin aufgestellten Automaten wesentlich beeinflussen. Dies folge schon daraus, dass die Steuer auch Lenkungszwecke verfolge. Durch sie solle die Rentabilitätsgrenze abgesenkt und die Zahl der Apparate vermindert werden. Es handele sich darüber hinaus auch um Vorschriften, die im Sinne von Art. 1 Nr. 4 Richtlinie 98/34/EG zum Schutz der Verbraucher erlassen worden seien, wie der Gesetzesbegründung zu entnehmen sei. Die bei der Klägerin aufgestellten Geräte seien zudem sogenannte gedrosselte Casinogeräte. Sie könnten durch Umprogrammierung in öffentlichen Spielhallen als Glückspielautomaten verwendet werden. Dort würden höhere Gewinne ermöglicht. Die Geräte begründeten dort eine größere Gefahr der Abhängigkeit der Spieler, was ihre Art wesentlich beeinflussen könne.

9

Das Hamburgischen Spielvergnügungsteuergesetz verstoße ferner gegen Art. 3 Abs. 1, Art. 12 und Art. 105 Abs. 2a des Grundgesetzes (GG).

10

Die auf dem Markt befindlichen Spielgeräte ließen eine zutreffende Ermittlung der gesetzlich vorgesehenen Bemessungsgrundlage der Steuer nicht zu. Sie erfassten auch Geldbeträge als Einsatz, die nach der Umwandlung in Punkte nicht zum Spielen verwendet, sondern in den Geldspeicher zurückgebucht und an die Spieler zurückgezahlt würden.

11

Die Steuer sei auch nicht auf eine Abwälzung auf die Spieler angelegt. Die Spielgerätebetreiber hätten keinen Einfluss auf den Spielverlauf und könnten nicht kalkulieren, wie hoch die Steuer sein werde. Dies sei mit dem Charakter einer örtlichen Aufwandsteuer nicht vereinbar. Gegen die Möglichkeit zur Abwälzung spreche auch der Umstand, dass bei der Berechnung der Steuer nicht berücksichtigt werde, dass die Klägerin aus den Erlösen, die sie aus dem Spielvergnügen des Gastes erziele, vorab die Umsatzsteuer entrichten müsse.

12

Der Freien und Hansestadt Hamburg fehle auch die Gesetzgebungskompetenz. Art. 105 Abs. 2a GG greife nicht ein. Die Vergnügungsteuer sei zwar weder mit der Umsatzsteuer noch mit der Einkommensteuer gleichartig. Es fehle indes an der kalkulatorischen Abwälzbarkeit. Zudem verfolge der Gesetzgeber überwiegend Lenkungswirkungen mit der Spielvergnügungsteuer, so dass die Besteuerungskompetenz keine ausreichende Gesetzgebungsgrundlage sei. Der Steuergesetzgeber dürfe mit seiner Lenkungsabsicht nicht den vom zuständigen Sachgesetzgeber getroffenen Regelungen widersprechen. So liege es bei der Spielvergnügungsteuer, die die Wirkungen des Gewerbe-, Ordnungs- und Baurechts überlagere.

13

Der Steuermaßstab für die Erhebung der Spielvergnügungsteuer sei unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG. Der mit der Spielvergnügungsteuer verfolgte Lenkungszweck der Suchtprävention sei nicht gleichheitsgerecht ausgestaltet. Insbesondere sei das Kriterium der Erforderlichkeit nicht mehr erfüllt. Ein Steuersatz von 5 % mache ein wirtschaftliches Betreiben einer Spielhalle nahezu unmöglich. Die gesetzgeberische Entscheidung sei folglich unverhältnismäßig und jedenfalls unzumutbar.

14

Dass der Betrieb von Geldspielautomaten der Vergnügungsteuer unterliege, nicht jedoch die Darreichung alkoholischer Getränke in Gast- oder Schankwirtschaften, sei ebenfalls unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG. Die Biersteuer sei wesentlich niedriger. Zudem liege ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG vor. Der Steuersatz von 5 % sei unverhältnismäßig und unzumutbar. Der Zweck - Bekämpfung der Spielsucht - könne durch andere, weniger belastende Mittel in Form von außersteuerlichen Regelungsinstrumenten erreicht werden. Zudem bewirke die Kumulation der die Klägerin betreffenden Regelungen zur Einschränkung des Betriebs ihrer Spielhallen die Unzumutbarkeit der Steuererhebung. Die Vorschriften des Hamburgischen Spielvergnügungsteuergesetzes, des Gewerbe-, Ordnungs-, und Baurechts wirkten kumulativ zusammen und verstärkten sich gegenseitig.

15

Die Klägerin beantragt,
die Spielvergnügungsteuerfestsetzungen für die Monate Oktober 2007 bis Juli 2012, in Gestalt der Einspruchsentscheidungen des Beklagten vom 28. August 2012, aufzuheben.

16

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

17

Er hält die einschlägigen Vorschriften des Hamburgischen Spielvergnügungsteuergesetzes für verfassungsgemäß und für unionsrechtskonform.

18

Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung am 27. August 2014 die Klage in Bezug auf die Steueranmeldung für den Monat April 2010 zurückgenommen. Das diesbezügliche Verfahren wurde abgetrennt und eingestellt.

19

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und den der beigezogenen Anmeldeakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

20

Die Klage ist zulässig (I.), aber unbegründet (II.).

I.

21

Der Rechtsweg ist eröffnet. Nach § 5 Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung der Finanzgerichtsordnung i. V. m. § 33 Abs. 1 Nr. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist der Finanzrechtsweg gegeben in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über Abgabenangelegenheiten, soweit die Abgaben - wie das HmbSpVStG - der Landesgesetzgebung unterliegen und von Landesfinanzbehörden - dem Beklagten - verwaltet werden.

II.

22

Die angefochtenen monatlichen Steueranmeldungen, die gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 HmbSpVStG als unbefristete Steuerfestsetzungen wirken, und die von der Steueranmeldung der Klägerin abweichende Steuerfestsetzung des Beklagten für den Monat November 2007, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 28. August 2012, sind rechtmäßig und verletzten die Klägerin deshalb nicht in ihren Rechten.

1.)

23

Der Spielvergnügungsteuer unterliegt nach § 1 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 HmbSpVStG auch der Aufwand für die Nutzung von Spielgeräten mit Geld- oder Warengewinnmöglichkeit (§ 33c der Gewerbeordnung - GewO -), wenn der Aufwand in einem Spieleinsatz im Sinne von § 1 Abs. 3 HmbSpVStG besteht sowie der Aufstellort der Spielgeräte in Hamburg belegen und einer wenn auch begrenzten Öffentlichkeit zugänglich ist. Der Spieleinsatz wird in § 1 Abs. 3 HmbSpVStG als Verwendung von Einkommen oder Vermögen durch den Spieler zur Erlangung des Spielvergnügens definiert. Steuerschuldner ist nach § 3 Abs. 1 HmbSpVStG der Halter des Spielgerätes. Halter ist derjenige, für dessen Rechnung das Spielgerät aufgestellt wird (Aufsteller). Die Steuer für die Nutzung der Gewinnspielgeräte beträgt gemäß § 4 Abs. 1 Sätze 1 HmbSpVStG ab dem 1. Mai 2006 5 % des Spieleinsatzes.

24

a) Zu den Spieleinsätzen im Sinne des § 1 Abs. 3 HmbSpVStG, der den Begriff des Spieleinsatzes eigenständig definiert (vgl. BFH-Beschlüsse vom 27. November 2009 II B 75/09, BFH/NV 2010, 692 und vom 19. Februar 2010 II B 122/09, BFH/NV 2010, 1144), zählen nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Vorschrift nicht nur die in die Spielautomaten eingeworfenen Bargeldbeträge (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 7 der Spielverordnung - SpielV -), sondern auch Gewinne, die sich der Spieler nicht auszahlen lässt, obwohl er dies könnte, sondern durch entsprechende Vorabeinstellung der bei dem Spielgerät vorhandenen Bedienvorrichtung oder durch Betätigung der Bedienvorrichtung für jeden einzelnen Einsatz unmittelbar zum Weiterspielen verwendet (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 6 Sätze 3 und 4 SpielV). In einer solchen Nutzung von Gewinnen liegt die Verwendung von Vermögen (Anspruch auf Auszahlung der Gewinne) zur Erlangung des Spielvergnügens. Es kann für die Besteuerung nach deren Sinn und Zweck keinen Unterschied machen, ob ein Spieler das ihm aufgrund eines Gewinns ausgezahlte Geld wieder in den Spielautomaten einwirft oder ob er gleichsam in einem abgekürzten Zahlungsweg den Gewinn ohne zwischenzeitliche Auszahlung unmittelbar zum Weiterspielen nutzt. In beiden Fällen entsteht ihm ein Aufwand für das Spielvergnügen in gleicher Höhe (vgl. BFH-Urteil vom 7. Dezember 2011 II R 51/10, BFH/NV 2012, 790 m. w. N.; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 10. Dezember 2009 9 C 12/08, BVerwGE 135, 367).

25

b) Ein Spieleinsatz im Sinne von § 1 Abs. 3 HmbSpVStG liegt allerdings erst dann vor, wenn der Spieler die Verfügungsmacht über die in ein Spielgerät eingeworfenen Bargeldbeträge oder über die unmittelbar zum Weiterspielen genutzten Gewinne aufgrund des Spielvorgangs endgültig verloren hat. Werden noch nicht endgültig für das Spielen verbrauchte Teilbeträge nach § 13 Abs. 1 Nr. 6 Sätze 1 und 2 SpielV aufgrund Überschreitens der darin bestimmten Obergrenze von 25 € für die Speicherung von Geldbeträgen in Einsatz- und Gewinnspeichern oder nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c SpielV zu Beginn einer gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 5 SpielV erzwungenen Spielpause oder aufgrund einer Verfügung des Spielers über die aufgebuchten Beträge nach § 13 Abs. 1 Nr. 6 Satz 4 SpielV an den Spieler ausgezahlt, fehlt es insoweit an einem der Besteuerung unterliegenden Aufwand für die Nutzung von Spielgeräten im Sinne des § 1 Abs. 1 HmbSpVStG und an einer Verwendung von Einkommen oder Vermögen zur Erlangung des Spielvergnügens gemäß § 1 Abs. 3 HmbSpVStG. Die Bemessung der Spielvergnügungsteuer errechnet sich somit, indem man die Summe aus den von den Spielern eingezahlten Geldbeträgen und den angefallenen Gewinnen um die an die Spieler ausgezahlten Geldbeträge vermindert (vgl. BFH-Urteil vom 7. Dezember 2011 II R 51/10, BFH/NV 2012, 790).

2.)

26

Das HmbSpVStG ist unionsrechtskonform. Auf die Spielvergnügungsteuer ist weder die Umsatzsteuer anzurechnen (a) noch ist das Gesetz wegen einer fehlenden Notifizierung bei der EU-Kommission nicht anwendbar (b).

a)

27

Durch die Entscheidung des EuGH vom 24. Oktober 2013 (C-440/12 - Metropol-Spielstätten -, DB 2013, 2660) wurde nochmals bestätigt und ist geklärt, dass Art. 401 Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) in Verbindung mit Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL dahingehend auszulegen ist, dass die Umsatzsteuer und eine innerstaatliche Sonderabgabe auf Glückspiele - wie die Hamburgische Spielvergnügungsteuer - kumulativ erhoben werden dürfen, sofern die Sonderabgabe nicht den Charakter einer Umsatzsteuer hat (vgl. auch BFH-Beschluss vom 26. Februar 2014 V B 1/13, BFH/NV 2014, 915; FG Hamburg Urteil vom 15. Juli 2014 3 K 207/13, juris). Die Hamburgische Spielvergnügungsteuer hat - auch nach Auffassung der Klägerin - keinen solchen Charakter (vgl. etwa bereits BFH-Beschlüsse vom 1. Februar 2007 II B 51/06, BFH/NV 2007, 987; vom 27. September 2009 II B 102/09, juris). Nach der Entscheidung des EuGH vom 24. Oktober 2013 (C-440/12 - Metropol-Spielstätten -, DB 2013, 2660) ist Art. 1 Abs. 2 MwStSystRL dahin auszulegen, dass er einer innerstaatlichen Regelung, wonach die geschuldete Mehrwertsteuer betragsgenau auf eine nicht harmonisierte Abgabe - wie die Hamburgische Spielbankabgabe - angerechnet wird, nicht entgegensteht (vgl. auch BFH-Beschluss vom 26. Februar 2014 V B 1/13, BFH/NV 2014, 915). Die Anrechnung der Umsatzsteuer auf die Hamburgische Spielbankabgabe (§ 3 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über die Zulassung einer öffentlichen Spielbank - HmbSpielbkG -) ist danach unionsrechtlich zulässig, auch wenn eine entsprechende Anrechnung bei der Spielvergnügungsteuer unterbleibt. Der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer wird durch eine solche innerstaatliche Differenzierung nicht verletzt.

28

Der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 20 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EUGrCh) ist in Bezug auf die innerstaatliche Differenzierung bei der Anrechnung der Umsatzsteuer nicht einschlägig. Die Charta gilt gemäß Art. 51 Abs. 1 Satz 1 EUGrCh nur für die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips und für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union. Die Charta dehnt den Geltungsbereich des Unionsrechts nicht über die Zuständigkeiten der Union hinaus aus und begründet weder neue Zuständigkeiten noch neue Aufgaben für die Union, noch ändert sie die in den Verträgen festgelegten Zuständigkeiten und Aufgaben (Art. 51 Abs. 1 EUGrCh). Nicht erfasst vom Anwendungsbereich des Art. 20 EUGrCh wird die sogenannte Inländerdiskriminierung durch die Mitgliedstaaten (vgl. Jarass, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 2. Aufl. 2013, Art. 20 EUGrCh Rn. 3). Hier geht es um eine innerstaatliche Differenzierung in Bezug auf die Anrechnung der Umsatzsteuer auf nationale Sonderabgaben und nicht um die Durchführung des Unionsrechts durch die Mitgliedstaaten. Beschränkungen können sich somit nur aus dem nationalen Recht ergeben (vgl. dazu unten unter 3. dd.).

29

Die dargestellte Auslegung des EuGH in der Entscheidung vom 24. Oktober 2013 (C-440/12 - Metropol-Spielstätten -, DB 2013, 2660) stellt entgegen der Ansicht der Klägerin keine unzulässige Rechtsfortbildung dar, die dazu führte, dass das EuGH-Urteil als sogenannter Ultra-vires-Rechtsakt unanwendbar wäre (vgl. dazu etwa BVerfG-Beschluss vom 6. Juli 2010 2 BvR 2661/06, BVerfGE 126, 286, 302 ff.). Der Senat hat ebenso wie der 3. Senat des Gerichts (Urteil vom 15. Juli 2014 3 K 207/13, juris) keine Zweifel daran, dass der EuGH durch seine Auslegung der MwStSystRL innerhalb seiner Kompetenz gehandelt hat, europäisches Primär- und Sekundärrecht zu interpretieren (Art. 19 des Vertrags über die Europäische Union -EUV-). Eine rechtsmethodisch unvertretbare Auslegung liegt nicht vor. Der EuGH hat sich vielmehr am Wortlaut der einschlägigen Vorschriften der MwStSystRL orientiert und an seine bisherige Rechtsprechung angeknüpft. Die von der Klägerin gerügten Verfahrensverstöße und die geltend gemachte Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör wären selbst im Falle ihres Vorliegens nicht geeignet, die Verbindlichkeit der gefundenen Auslegung für den Senat in Zweifel zu ziehen (so auch FG Hamburg Urteil vom 15. Juli 2014 3 K 207/13, juris). Der Senat sieht deshalb von einem weiteren Vorabentscheidungsersuchen gemäß Art. 267 Abs. 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ab (vgl. auch FG Hamburg Urteil vom 15. Juli 2014 3 K 207/13, juris; BFH-Beschluss vom 26. Februar 2014 V B 1/13, BFH/NV 2014, 915).

b)

30

Der Hamburgische Gesetzgeber hat durch den Erlass des HmbSpVStG vom 29. September 2005 (HmbGVBl. 2005, 409) nicht gegen die für technische Vorschriften geltende Notifizierungspflicht des Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften (ABl L 204 v. 21. Juli 1998, S. 37, geändert durch die Richtlinie 2006/96/EG des Rates vom 20. November 2006, ABl. L 363, S. 81) verstoßen.

31

Nach Art. 9 Abs. 1 Richtlinie 98/34/EG nehmen die Mitgliedstaaten den Entwurf einer technischen Vorschrift nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Eingang der Mitteilung gemäß Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 98/34/EG bei der Kommission an. Gemäß Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 Halbs. 1 Richtlinie 98/34/EG übermitteln die Mitgliedstaaten der Kommission unverzüglich jeden Entwurf einer technischen Vorschrift, sofern es sich nicht um eine vollständige Übertragung einer internationalen oder europäischen Norm handelt. Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 3 Richtlinie 98/34/EG bestimmt, dass die Mitgliedstaaten eine weitere Mitteilung in der vorgenannten Art und Weise machen, wenn sie an dem Entwurf einer technischen Vorschrift wesentliche Änderungen vornehmen, die den Anwendungsbereich ändern, den ursprünglichen Zeitpunkt für die Anwendung vorverlegen, Spezifikationen oder Vorschriften hinzufügen oder verschärfen. Ein Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 Richtlinie 98/34/EG führt zur Unanwendbarkeit der jeweiligen technischen Vorschrift (vgl. VGH München, Beschluss vom 25. Juni 2013 10 CS 13.145, juris; FG Hamburg Urteil vom 15. Juli 2014 3 K 207/13, juris; VG Hamburg, Urteil vom 22. August 2013 2 K 179/13, juris).

32

Unter den Begriff der technischen Vorschrift fällt gemäß Art. 1 Nr. 11 Richtlinie 98/34/EG erstens eine technische Spezifikation im Sinne des Art. 1 Nr. 3 Richtlinie 98/34/EG, die in einem Mitgliedstaat oder in einem großen Teil dieses Staates verbindlich ist, zweitens eine sonstige Vorschrift im Sinne von Art. 1 Nr. 4 Richtlinie 98/34/EG, die in einem Mitgliedstaat oder in einem großen Teil dieses Staates verbindlich ist, und drittens das Verbot von Herstellung, Einfuhr, Inverkehrbringen oder Verwendung eines Erzeugnisses. Keine der drei benannten Kategorien von technischen Vorschriften ist in Bezug auf die einschlägigen Bestimmungen des HmbSpVStG für Spielgeräte mit Geld- oder Warengewinnmöglichkeiten (§ 1 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 HmbSpVStG) einschlägig.

33

§ 1 Abs. 1, Abs. Nr. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 HmbSpVStG regeln die Besteuerung von Geldspielgeräten. Die Vorschriften beinhalten keine technische Spezifikation im Sinne von Art. 1 Nr. 3 Richtlinie 98/34 EG, weil sie sich nicht speziell auf ein Erzeugnis (die Spielgeräte) oder eine Verpackung beziehen und Merkmale im Sinne des Art. 1 Nr. 3 Richtlinie 98/34/EG festlegen (vgl. EuGH-Urteil vom 19. Juli 2012 C-213/11 u. a. - Fortuna -, NvwZ-RR 2012, 717).

34

Ein Verbot von Herstellung, Einfuhr, Inverkehrbringen oder Verwendung eines Erzeugnisses ist ebenfalls nicht gegeben. Begriffliche Voraussetzung eines solchen Verbots ist, dass die in Rede stehenden nationalen Vorschriften in ihrer Tragweite klar über eine Begrenzung bestimmter möglicher Verwendungen des Erzeugnisses hinausgehen und seine Verwendung nicht nur beschränken, sondern bloß eine marginale und keine andere Verwendung, wie man sie für das betreffende Erzeugnis vernünftigerweise erwarten kann, zulassen (vgl. EuGH-Urteile vom 19. Juli 2012 C-213/11 u. a. - Fortuna -, NVwZ-RR 2012, 717; vom 21. April 2005 C-267/03 - Lindberg -, Slg. 2005, I 3247). Die einschlägigen Vorschriften des HmbSpVStG stellen kein Verbot von Geldspielgeräten in diesem Sinne dar. Das Gesetz verfolgt zwar mit der Bekämpfung der Spielsucht auch Lenkungszwecke, und will durch die Spielvergnügungsteuer die Attraktivität des Aufstellens von Geldspielgeräten einschränken (vgl. Bürgerschafts-Drs. 18/2622, S. 5). Diesen Geräten bleibt unter der Besteuerung nach dem HmbSpVStG jedoch mehr als in nur marginalem Umfang Raum für eine bestimmungsmäßige Verwendung, wie schon die gerichtsbekannte Aufstellung zahlreicher solcher Geräte in Hamburg zeigt.

35

Eine sonstige Vorschrift im Sinne von Art. 1 Nr. 4 Richtlinie 98/34/EG liegt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht vor. Begrifflich vorausgesetzt ist danach eine Vorschrift für ein Erzeugnis, die keine technische Spezifikation ist und insbesondere zum Schutz der Verbraucher oder der Umwelt erlassen wird und den Lebenszyklus des Erzeugnisses nach dem Inverkehrbringen betrifft, wie Vorschriften für Gebrauch, Wiederverwertung, Wiederverwendung oder Beseitigung, sofern diese Vorschriften die Zusammensetzung oder die Art des Erzeugnisses oder seine Vermarktung wesentlich beeinflussen können. Mithin umfasst der Begriff der sonstigen Vorschrift nicht schlichtweg jedwede Bestimmung, welche die Absatzmöglichkeiten des Erzeugnisses beeinflussen kann. Anderenfalls wäre eine Begriffsdefinition entbehrlich. Eine sonstige Vorschrift ist nur gegeben, wenn die Bestimmungen Vorschriften darstellen, welche die Art oder die Vermarktung des betreffenden Erzeugnisses wesentlich beeinflussen können (vgl. EuGH-Urteile vom 19. Juli 2012 C-213/11 u. a. - Fortuna -, NVwZ-RR 2012, 717; vom 21. April 2005 C-267/03 - Lindberg -, Slg. 2005, I 3247).

36

Zwar wird nach dem oben Dargelegten mit dem HmbSpVStG auch die Bekämpfung der Spielsucht verfolgt und damit ein Verbraucherschutzgesichtspunkt. Durch das Gesetz soll mittelbar auch die Anzahl der in Hamburg aufgestellten Geldspielgeräte reduziert werden. Aus der Gesetzesbegründung folgt aber, dass der Primärzweck der Spielvergnügungsteuer in der Einnahmeerzielung besteht und dieser Zweck durch die ordnungs- und sozialpolitischen Ziele nicht verdrängt wird (vgl. Bürgerschafts-Drs. 18/2622, S. 5). Auf diesen Primärzweck der Einnahmenerzielung ist im Regelungszusammenhang des § 1 Nr. 4 Richtlinie 98/34/EG abzustellen, der die Zielrichtung des Gesetzgebers ("zum Schutz...") entscheidend in den Blick nimmt. Daraus folgt auch, dass die Vorschriften des HmbSpVStG nicht - wie erforderlich - den Lebenszyklus der Geldspielautomaten nach dem Inverkehrbringen betreffen. Es werden insbesondere keine Regelungen für den Gebrauch - etwa in Form einer Aufstellungsbeschränkung -, die Wiederverwertung, die Wiederverwendung oder die Beseitigung der Geräte getroffen. Zudem ist nicht erkennbar, dass die Vorschriften des HmbSpVStG die Art oder die Vermarktung der Geldspielgeräte wesentlich beeinflussen können, zumal sie nur für den Bereich der Freien und Hansestadt Hamburg gelten und damit lediglich einen vergleichsweise geringen Markt der weltweiten Absatzmöglichkeiten der Gerätehersteller. Die Klägerin behauptet zudem selbst, dass ihre Geräte als Casinogeräte umprogrammiert werden könnten, so dass sich dadurch für den Gerätehersteller weitere Absatzmöglichkeiten ergeben würden. Die von der Klägerin in diesem Zusammenhang angesprochenen Beschränkungen von Gewinnen und Verlusten der Geldspielgeräte, die in Spielhallen aufgestellt werden, ergeben sich im Übrigen nicht aus dem HmbSpVStG, das lediglich die Besteuerung regelt, ohne technische Vorgaben für die Geräte aufzustellen, sondern aus der Spielverordnung. Das von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 27. August 2014 angesprochene Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH aus Ungarn (C-98/14) betrifft einen anderen Sachverhalt (u. a. Verfünffachung der ungarnweit erhobenen Spielsteuer) und gibt weder Veranlassung zu einer anderen Beurteilung noch zu einem eigenständigen Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH nach Art. 267 Abs. 2 AEUV.

3.)

37

Das HmbSpVStG ist verfassungsgemäß. Das hat sowohl der BFH als auch der Senat bereits entschieden (vgl. BFH-Urteil vom 7. Dezember 2011 II R 51/10, BFH/NV 2012, 790; FG Hamburg Urteil vom 26. August 2010 2 K 6/09, juris). Der Vortrag der Klägerin führt zu keiner anderen Beurteilung. Der Hamburgische Gesetzgeber hat die Gesetzgebungskompetenz (a) und das HmbSpVStG verstößt nicht gegen Grundrechte (b).

a)

38

Die Gesetzgebungskompetenz des Landesgesetzgebers für das HmbSpVStG ergibt sich aus Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG. Bei der auf die Spielgeräte mit Gewinnmöglichkeit erhobenen Spielvergnügungsteuer handelt es sich dem Typus nach um eine örtliche Aufwandsteuer im Sinne dieser Vorschrift. Dies ist für die Begründung der Gesetzgebungskompetenz entscheidend. Unerheblich ist es in diesem Zusammenhang hingegen, ob die Steuer in ihrer konkreten Ausgestaltung insbesondere hinsichtlich des Besteuerungsmaßstabs und der Frage ihrer Abwälzbarkeit auf die Spieler den verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht (vgl. BVerfG-Beschluss vom 4. Februar 2009 1 BvL 8/05, BVerfGE 123, 1; BFH-Urteil vom 7. Dezember 2011, II R 51/10, BFH/NV 2012, 790; BVerwG-Urteil vom 10. Dezember 2009 9 C 12/08, BVerwGE 135, 367; FG Bremen Urteil vom 20. Februar 2014 2 K 84/23 (1), EFG 2014, 964). Es kommt für die Begründung der Gesetzgebungskompetenz auch nicht darauf an, ob der Gesetzgeber mit dem HmbSpVStG - zulässigerweise - auch einen Lenkungszweck verfolgt, weil es sich dem Typus nach um eine örtliche Aufwandsteuer handelt (vgl. FG Bremen Urteil vom 20. Februar 2014 2 K 84/23 (1), EFG 2014, 964). Nur wenn die steuerliche Lenkung nach Gewicht und Auswirkung einer verbindlichen Verhaltensregelung nahekommt, die Finanzfunktion der Steuer also durch eine Verwaltungsfunktion mit Verbotscharakter verdrängt wird, bietet die Besteuerungskompetenz keine ausreichende Rechtsgrundlage (vgl. BVerfG-Urteil vom 9. Dezember 2008 2 BvL 1991, 2004/95, BVerfGE 98, 106). Dies ist bei der Hamburgischen Spielvergnügungsteuer nicht der Fall. Aus den obigen Darlegungen folgt, dass der Lenkungszweck - entgegen der Auffassung der Klägerin - bei dem HmbSpVStG nicht im Vordergrund steht, sondern der primäre Zweck der Steuer in der Einnahmeerzielung liegt. Dafür, dass es durch den mitverfolgten Lenkungszweck zu einer Widersprüchlichkeit der Rechtsordnung kommt, bestehen - entgegen der nicht näher begründeten Behauptung der Klägerin - keine Anhaltspunkte.

b)

39

Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG liegt nicht vor.

aa)

40

Die in § 1 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 HmbSpVStG festgelegte Heranziehung des Spieleinsatzes als Bemessungsgrundlage der Steuer ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber hat bei der Wahl des Besteuerungsmaßstabs eine weitgehende Gestaltungsfreiheit. Der sachgerechteste Maßstab für die Spielvergnügungsteuer ist der individuelle, wirkliche Vergnügungsaufwand des Spielers, der in dem Spieleinsatz zum Ausdruck kommt (vgl. BVerfG-Beschluss vom 4. Februar 2009, 1 BvL 8/05, BVerfGE 123, 1; BFH-Urteil vom 7. Dezember 2011, II R 51/10, BFH/NV 2012, 790; BVerwG-Urteil vom 10. Dezember 2009 9 C 12/08, BVerwGE 135, 367). Diese Beurteilung gilt unabhängig davon, ob die von der Klägerin und anderen Spielhallenbetreibern verwendeten Geräte eine zutreffende Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Steuer zulassen oder nicht. Es ist nach den Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2009 (vgl. BVerfG-Beschluss vom 4. Februar 2009, 1 BvL 8/05, BVerfGE 123, 1) auf Grund der technischen Entwicklung schon seit Ende des vorigen Jahrhunderts möglich, den Vergnügungsaufwand zuverlässig durch die Geräte zu erfassen. Es oblag und obliegt den Betreibern der Spielgeräte, Geräte einzusetzen, die dies sicherstellen. Eine abweichende Praxis der Aufsteller berührt nicht die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes (vgl. BFH-Urteil vom 7. Dezember 2011, II R 51/10, BFH/NV 2012, 790).

bb)

41

Eine am Gleichheitssatz ausgerichtete, gerechte Zuteilung der Spielvergnügungsteuerlast erfordert, dass die Steuer jedenfalls im Ergebnis von demjenigen aufgebracht wird, der den von der Steuer erfassten Vergnügungsaufwand betreibt. Es genügt dabei die kalkulatorische Abwälzbarkeit in dem Sinn, dass der Steuerpflichtige den von ihm zu zahlenden Betrag in die Kalkulation seiner Selbstkosten einsetzen und hiernach die zur Aufrechterhaltung der Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens geeigneten Maßnahmen treffen kann (vgl. BVerfG-Beschluss vom 4. Februar 2009 1 BvL 8/05, BVerfGE 123, 1; BFH-Urteil vom 7. Dezember 2011, II R 51/10, BFH/NV 2012, 790; BVerwG-Urteil vom 10. Dezember 2009 9 C 12/08, BVerwGE 135, 367; FG Bremen Urteil vom 20. Februar 2014 2 K 84/13 (1), EFG 2014).

42

Die Automatenaufsteller sind weder durch die Spielverordnung noch durch andere Vorschriften gehindert, ihren Geschäftsbetrieb so zu gestalten, dass ihnen nach Deckung aller Kosten und Entrichtung der Spielvergnügungsteuer noch ein Gewinn verbleibt. Dies reicht aus, um die Abwälzbarkeit zu bejahen. Setzen die Spielhallenbetreiber Geräte ein, die insbesondere hinsichtlich der Einsätze und der Gewinne so programmiert sind, dass nach Begleichung aller Kosten und Entrichtung der Steuer kein Gewinn erzielt werden kann, fällt dies in deren Verantwortungsbereich (vgl. BFH-Urteil vom 7. Dezember 2011, II R 51/10, BFH/NV 2012, 790 ). Dass die Einspielergebnisse im Verhältnis zu den der Besteuerung unterliegenden Einsätzen und somit auch zu der Steuer schwanken können, liegt in der Natur des Betriebs von Geldspielgeräten und muss von deren Betreibern bei der Gestaltung ihres Geschäftsbetriebs und der Kalkulation berücksichtigt werden. Zur Verfassungswidrigkeit des HmbSpVStG führt dies nicht (vgl. BFH-Urteil vom 7. Dezember 2011, II R 51/10, BFH/NV 2012, 790; BVerwG-Urteil vom 10. Dezember 2009 9 C 12/08, BVerwGE 135, 367). Entgegen der Auffassung der Klägerin spricht es nicht gegen die Abwälzbarkeit der Spielvergnügungsteuer, dass sie aus den Erlösen des Spielvergnügens auch die Umsatzsteuer zu entrichten hat. Entscheidend ist allein, ob die Spielvergnügungsteuer zumindest kalkulatorisch auf die Gäste abgewälzt werden kann. Der Senat hat keine Zweifel daran, dass dies möglich ist. Die beiden Steuerarten stehen im Übrigen nebeneinander und haben sowohl einen anderen Besteuerungsgegenstand, als auch einen andere Bemessungsgrundlage (bei der Spielvergnügungsteuer den Spieleinsatz, bei der Umsatzsteuer die Kasseneinahmen; vgl. zu Letzterem FG Hamburg Urteil vom 15. Juli 2014 3 K 207/13, juris).

43

Die Klägerin hat zudem nicht unter Offenlegung ihrer wirtschaftlichen Situation dargelegt, dass sie ihren Geschäftsbetrieb auf Grund der Spielvergnügungsteuer und der Kumulation mit der Umsatzsteuer nicht wirtschaftlich betreiben kann, die Spielvergnügungsteuer also nicht zumindest kalkulatorisch abwälzbar ist. Dafür bestehen für den Senat auch in Bezug auf den Betrieb eines durchschnittlichen Spielhallenbetreibers in Hamburg keine greifbaren Anhaltspunkte. Eine fehlende Abwälzbarkeit oder erdrosselnde Wirkung der Steuer wäre nur dann anzunehmen, wenn die Steuer die wesentliche Ursache für die Unwirtschaftlichkeit des Geschäftsbetriebs darstellt. Die Verluste des Spielhallenbetriebs dürften insbesondere weder auf sonstigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen noch auf dem unternehmerischen Handeln beruhen. Der Unternehmer muss betriebswirtschaftlich angemessen reagiert und insbesondere Einsparpotenziale und Einnahmeverbesserungsmöglichkeiten ausgereizt haben. Diesbezüglich fehlt jeglicher Vortrag.

44

In Bezug auf die Möglichkeit von Einnahmeverbesserungen mag es zwar zweifelhaft sein, ob die Spielhallenbetreiber tatsächlich die Möglichkeit haben, höhere Einnahmen durch den Einsatz von Geldspielgeräten mit geringeren Auszahlungsquoten zu erzielen. Unabhängig davon sind aber auch andere Möglichkeiten der Einnahmeverbesserung denkbar. So könnten etwa Eintrittsgelder verlangt, die Angebotsstruktur verändert (etwa mehr Unterhaltungsspielgeräte) oder die Attraktivität der Spielhallen durch angenehme räumliche Gestaltungen und Ausstattungen oder Auswahl geeigneter Standorte verbessert werden (vgl. dazu etwa BVerfG-Beschluss vom 4. Februar 2009 1 BvL 8/05, BVerfGE 123, 1).

45

Insgesamt gesehen kann der Senat deshalb auch nicht feststellen, dass der Betrieb einer durchschnittlichen Spielhalle in Hamburg auf Grund der Spielvergnügungsteuer in Höhe von 5 % wirtschaftlich nicht möglich ist, die Steuer also eine erdrosselnde Wirkung entfaltet.

cc)

46

Art 3. Abs. 1 GG ist nicht deshalb verletzt, weil die Hamburgische Spielvergnügungssteuer nicht den Konsum von alkoholischen Getränken erfasst. Der Steuergesetzgeber hat bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Spielraum. Der vom Hamburgischen Gesetzgeber mit der Besteuerung auch verfolgte Lenkungszweck der Suchtprävention verlangt es nicht, andere potentiell suchtgefährdende Vergnügungen, wie der Genuss von alkoholischen Getränken, mit zu erfassen und mit dem gleichen Steuersatz zu belegen. Allein die Tatsache, dass verschiedene - potentiell suchtgefährdende - Vergnügungen einen finanziellen Aufwand erfordern, verlangt keine Gleichbehandlung durch den Gesetzgeber durch Einbeziehung in eine Steuerart, die sich traditionell auf die Besteuerung des Aufwands für ein Spielvergnügen beschränkt und sich damit von anderen, auf Alkohol bezogenen Steuerarten abgrenzt (vgl. FG Bremen Urteil vom 20. Februar 2014 2 K 84/13 (1), EFG 2014, 964).

dd)

47

Die Erhebung der Spielvergnügungsteuer nach dem HmbSpVStG verstößt nicht deshalb gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, weil die Umsatzsteuer kumulativ zur Spielvergnügungsteuer erhoben wird, während sie gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 HmbSpielbkG auf die Spielbankabgabe angerechnet wird. Die unterschiedliche Behandlung der Umsatzsteuer auf den Einsatz von Spielgeräten in Spielbanken und in Spielhallen beruht auf den verschiedenen ordnungsrechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen, so dass bereits die der Besteuerung zu Grunde liegenden Sachverhalte nicht vergleichbar sind.

48

Der Bundesgesetzgeber hat einen Unterschied gesehen zwischen den Spielapparaten, die in einer Spielbank (§ 33h GewO) und solchen, die an anderen Plätzen aufgestellt sind. Die in Spielhallen und anderen Plätzen besteuerten Spielgeräte unterliegen für ihre technische Zulassung bestimmten Einschränkungen, die die Gefahr unangemessen hoher Verluste in kurzer Zeit ausschließen sollen (§ 33i GewO; SpielV). Das gewerbsmäßige Aufstellen solcher Spielgeräte ist zwar erlaubnispflichtig (§ 33c GewO), bei Vorliegen der Voraussetzungen besteht jedoch auf die Erteilung der Erlaubnis ein Rechtsanspruch. Die Spielgeräte in einer Spielbank sind demgegenüber uneingeschränkt zum Glücksspiel geeignet. Für sie gelten die Einschränkungen der Gewerbeordnung und der Spielverordnung nicht (§ 33h GewO). Das Glücksspiel ist dort aber nur aufgrund eigens erteilter staatlicher Konzession erlaubt, die gemäß § 2 HmbSpielbkG auf der der Grundlage einer Ermessensentscheidung erteilt wird. Schon diese Unterschiede rechtfertigen eine unterschiedliche steuerliche Behandlung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Juni 2013 9 B 50/12, BFH/NV 2013, 1903 m. w. N).

49

Zudem unterliegen Spielbanken in Hamburg anders als Spielhallen einer besonderen behördlichen Aufsicht. Sie sind nicht nur zur umfassenden Auskunftserteilung verpflichtet (§ 6 HmbSpielbkG), sondern müssen zur Vermeidung der Spielsucht Zutrittskontrollen für sämtliche Spielbankbesucher durchführen - auch für jene, die ausschließlich an Spielgeräten spielen - und gegebenenfalls den Zutritt verweigern (§ 7 Abs. 1, 2 Verordnung über die Spielordnung für die öffentliche Spielbank in Hamburg - HmbSpielO - HmbGVBl. 2006, 605, 639).

50

An diesen wesentlichen ordnungsrechtlichen Unterschieden hat sich auch nach dem Inkrafttreten des Ersten Staatsvertrages zur Änderung des Staatsvertrags zum Glückspielwesen in Deutschland vom 15. Dezember 2011 zum 1. Juli 2012 - GlüStV - (HmbGVBl. 2012, S. 240) und durch das Hamburgische Spielhallengesetz - HmbSpielhG - vom 4. Dezember 2012 (HmbGVBl. 2012, 505) nichts geändert.

51

Betreiber von Spielbanken sind nach § 2 Abs. 2 i. V. m. §§ 8, 23 GlüStV verpflichtet, zum Schutz der Spieler und zur Bekämpfung der Glücksspielsucht Spielverbote auszusprechen. Anders als die Betreiber von Spielhallen sind sie verpflichtet, eine Sperrdatei zu führen (§ 8 Abs. 2 GlüStV, § 4 HmbSpielO) und an einem länderübergreifenden Sperrsystem teilnehmen (vgl. § 23 GlüStV). Dort registrierte Selbst- und Fremdsperren begründen ein Spielverbot, das die Spielbanken durchsetzen müssen. Vergleichbar weitreichende Zugangsbeschränkungen und Spielverbote existieren für Spielhallen nicht. Auch die Verpflichtung eines Spielhallenbetreibers gemäß § 6 Abs. 6 HmbSpielhG, vom Spielverhalten her auffällige Personen vom Spiel auszuschließen, ist hiermit nicht vergleichbar, da sie nicht verhindert, dass ein vorübergehend ausgeschlossener Spieler in einer anderen Spielhalle weiterspielt. Die Verpflichtungen der Spielhallenbetreiber, Spieler über die Suchtrisiken der angebotenen Spiele aufzuklären und Aufklärungsmaterial auszulegen (§ 6 Abs. 3, 7 HmbSpielhG) sind nicht gleich wirksam, da sie einen spielsüchtigen Spieler nicht am Automatenspiel hindern können (vgl. Hamburgisches OVG, Beschluss vom 4. März 2014 - 4 Bs 328/13, juris).

52

Die Hamburgische Spielvergnügungsteuer lässt sich zudem nicht mit der Spielbankabgabe nach § 3 HmbSpbkG vergleichen, da die Spielbankabgabe nach § 6 der Verordnung über öffentliche Spielbanken i. V. m. § 5 Abs. 6 HmbSpbkG - bis auf die Umsatzsteuer - sämtliche durch den Betrieb einer Spielbank zu entrichtenden Abgaben ersetzt. Der Steuersatz ist mit derzeit bis zu 80 vom Hundert des Bruttospielertrags (§ 3 Abs. 1 und 3 HmbSpbkG) dementsprechend hoch. Auch auf Grund dieses unterschiedlichen Besteuerungssystems liegen in Bezug auf die Anrechnung der Umsatzsteuer keine vergleichbaren Sachverhalte vor, so dass die Ungleichbehandlung auch deshalb gerechtfertigt ist. Auf die Frage, wie sich die Gesamtsteuerbelastung der Spielbank Hamburg im Vergleich zu Betreibern von Spielhallen im Einzelfall darstellt, kommt es für die Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung in Bezug auf die Anrechnung der Umsatzsteuer nach alledem nicht an.

ee)

53

In Bezug auf den Steuersatz von 5 % (§ 4 Abs. 1 HmbSpVStG) liegt die geltend gemachte Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG oder Art. 12 Abs. 1 GG nicht vor. Der BFH und der Senat haben bereits entschieden, dass dieser Steuersatz verfassungsgemäß ist (vgl. BFH-Urteil vom 7. Dezember 2011, II R 51/10, BFH/NV 2012, 790; FG Hamburg Urteil vom 26. August 2010 2 K 6/09, juris). Das Gericht hält an dieser Rechtsprechung fest. Der Steuersatz bewegt sich im Rahmen der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit und führt nach den obigen Darlegungen nach wie vor nicht zu einer erdrosselnden Wirkung der Spielvergnügungsteuer, zumal in vielen anderen Bundesländern oder Kommunen in der Belastungswirkung ähnlich hohe oder sogar höhere Steuersätze gelten, ohne dass bislang von der Rechtsprechung eine erdrosselnde Wirkung der Spielvergnügungsteuer angenommen worden ist (vgl. dazu im Einzelnen FG Bremen, Urteil vom 20. Februar 2014 2 K 84/13 (1), EFG 2014, 964). Eine Beschränkung der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Wahl der Berufsfreiheit tritt deshalb nicht ein (vgl. dazu BVerfG-Beschlüsse vom 1. April 1971 1 BvL 22/67, BVerfGE 31, 8; vom 1. März 1997 2 BvR 1599/89 u. a., NVwZ 1997, 573). Als mittelbare Regelungen der Berufsausübung ist die Erhebung der Spielvergnügung-steuer durch gewichtige Interessen der Allgemeinheit gerechtfertigt. Es erscheint angemessen, wenn die Allgemeinheit durch eine Steuer an dem Aufwand für das Vergnügen des Spielens beteiligt wird, auch wenn dadurch die Rentabilitätsgrenze der Gewinnapparate herabgesetzt, die Zahl der Apparate also vermindert worden sein sollte (vgl. dazu BVerfG-Beschlüsse vom 1. April 1971 1 BvL 22/67, BVerfGE 31, 8; vom 1. März 1997 2 BvR 1599/89 u. a., NVwZ 1997, 573; vom 3. Mai 2001 1 BvR 624/00, NVwZ 2001, 709). Bereits der Finanzierungszweck der Spielvergnügungsteuer rechtfertigt somit den Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit (vgl. auch FG Bremen, Urteil vom 20. Februar 2014 2 K 84/13 (1), EFG 2014, 964). Die Frage, ob der zulässigerweise zugleich mit verfolgte Lenkungszweck der Suchtprävention - wie die Klägerin meint - durch andere (ordnungsrechtliche) Maßnahmen wirkungsvoller und für die Aufsteller der Spielgeräte weniger belastend erreicht werden könnte, kann somit dahinstehen. Der Senat geht allerdings davon aus, dass der Lenkungszweck der Suchtprävention unter Berücksichtigung des Einschätzungsspielraums des Gesetzgebers zusätzlich geeignet ist, den Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit zu rechtfertigen (so auch FG Bremen, Urteil vom 20. Februar 2014 2 K 84/13 (1), EFG 2014, 964).

ff)

54

Auch unter dem von der Klägerin geltend gemachten Gesichtspunkt einer Kumulation der den Betrieb einer Spielhalle treffenden baurechtlichen und ordnungsrechtlichen Beschränkungen mit der Spielvergnügungsteuer kann das Gericht keine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG erkennen. Beschränkungen der Berufsausübungsfreiheit durch bau- oder ordnungsrechtliche Maßnahmen können mit den insoweit vorgesehenen Rechtsbehelfen (auf dem Verwaltungsrechtsweg) angegriffen werden. Sie berühren die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung nicht.

55

Der Erhebung der Spielvergnügungsteuer kann auch nicht entgegengehalten werden, die Gesamtwirkung der Regelungen des Hamburgischen Spielhallengesetzes, der BauNVO, der §§ 144 ff. GewO und de HmbSpVStG sei als sogenannter kumulativer oder additiver Grundrechtseingriff unzulässig (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 27. März 2012 2 BvR 2258/09, BVerfGE 130, 372). Diese Rechtsfigur erlaubt es nicht, alle für sich betrachtet zulässigen Grundrechtseingriffe gegen einen Grundrechtsträger in einer Gesamtbetrachtung unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten als unzulässigen kumulativen Grundrechtseingriff zu qualifizieren. Zumindest ist für eine kumulative Gesamtbetrachtung erforderlich, dass es sich um Eingriffe mit gleichem Regelungsziel in den gleichen Lebensbereich handelt (vgl. FG Bremen, Urteil vom 20. Februar 2014 2 K 84/13 (1), EFG 2014, 964; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26. November 2013 14 A 2401/13, juris m. w. N.).

56

Daran fehlt es hier (zum Teil a. A. aber für das Gesetz über eine Vergnügungssteuer in Berlin - Vergnügungssteuergesetz -VgStG- Birk/Haversath, Verfassungsmäßigkeit der kommunalen Vergnügungssteuern auf Geldspielgeräte am Beispiel Berlins, 2013, S. 33). Die Erhebung der Vergnügungsteuer dient - anders als die genannten bau-, gewerbe- und ordnungsrechtlichen Bestimmungen - vornehmlich der Erzielung von Steuereinnahmen.

57

gg) Der Anwendungsbereich der unionsrechtlich verbürgten Grundrechte der Berufsfreiheit (Art. 15 Abs. 1 EUGrCh) und der unternehmerischen Freiheit (Art. 16 EUGrCh) ist in Bezug auf die innerstaatliche Belastung der Klägerin mit Spielvergnügungsteuer gemäß Art. 51 EUGrCh nicht eröffnet (vgl. dazu oben II 2 a).

4.)

58

Die Höhe der streitgegenständlichen Spielvergnügungsteuerfestsetzungen ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat insoweit auch keine auf die jeweilige Anmeldung oder Festsetzung konkret bezogenen Einwendungen erhoben, obwohl das Gericht sie mit Verfügung vom 30. Juni 2014 - unter Setzung einer Ausschlussfrist nach § 79b Abs. 3 FGO - aufgefordert hat, alle Tatsachen anzugeben, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren eine Beschwer empfunden wird.

59

Sofern die Klägerin bei den Steueranmeldungen vom Spieleinsatz im Sinne des § 1 Abs. 3 HmbSpVStG ausgegangen sein sollte, ohne dass die von ihr eingesetzten Spielgeräte dessen zutreffende Ermittlung ermöglicht haben, muss sie es hinnehmen, dass möglicherweise auch Beträge als Einsatz erfasst wurden, die die Spieler nach der Umbuchung in den Punktespeicher in den Geldspeicher zurückgebucht haben, ohne sie zum Spielen eingesetzt zu haben (vgl. BFH-Urteil vom 7. Dezember 2011 II R 51/10, BFH/NV 2012, 790; BVerwG-Beschluss vom 15. Juni 2011 9 B 77/10, juris). Einem etwaigen steuerlichen Nachteil der Klägerin in dieser Hinsicht steht der Vorteil gegenüber, dass die im Punktespeicher erzielten Gewinne auch insoweit nicht in die Bemessungsgrundlage der Steuer eingeflossen sind, als die Spieler sie zum Weiterspielen verwendet haben, obwohl sie die Möglichkeit gehabt hätten, die gewonnenen Punkte in den Geldspeicher umzubuchen und sich deren Geldwert auszahlen zu lassen. Angesichts des gerichtsbekannten Spielverhaltens dürften diese Gewinne auch nicht unbeträchtlich sein. Der Geldwert dieser gewonnenen Punkte wäre in die Bemessungsgrundlage der Steuer einzubeziehen gewesen. Dies ist aber nicht geschehen (vgl. BFH-Urteil vom 7. Dezember 2011 II R 51/10, BFH/NV 2012, 790).

60

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

61

Die Revision ist mangels Vorliegens der Gründe des § 115 Abs. 2 FGO nicht zuzulassen.

(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 verletzt. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen nach § 158 Absatz 2 nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen und der Steuerpflichtige die Zustimmung nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 nicht erteilt. Hat der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb verletzt, so wird widerlegbar vermutet, dass in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte in Bezug zu Staaten oder Gebieten im Sinne des § 3 Absatz 1 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb

1.
bisher nicht erklärt wurden, tatsächlich aber vorhanden sind, oder
2.
bisher zwar erklärt wurden, tatsächlich aber höher sind als erklärt.

(3) Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Absatz 3 dadurch, dass er keine Aufzeichnungen über einen Geschäftsvorfall vorlegt, oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar oder wird festgestellt, dass der Steuerpflichtige Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 Satz 5 nicht zeitnah erstellt hat, so wird widerlegbar vermutet, dass seine im Inland steuerpflichtigen Einkünfte, zu deren Ermittlung die Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 dienen, höher als die von ihm erklärten Einkünfte sind. Hat in solchen Fällen die Finanzbehörde eine Schätzung vorzunehmen und können diese Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, insbesondere nur auf Grund von Preisspannen bestimmt werden, kann dieser Rahmen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeschöpft werden. Bestehen trotz Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen durch den Steuerpflichtigen Anhaltspunkte dafür, dass seine Einkünfte bei Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes höher wären als die auf Grund der Aufzeichnungen erklärten Einkünfte, und können entsprechende Zweifel deswegen nicht aufgeklärt werden, weil eine ausländische, nahe stehende Person ihre Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 oder ihre Auskunftspflichten nach § 93 Abs. 1 nicht erfüllt, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden.

(4) Legt ein Steuerpflichtiger über einen Geschäftsvorfall keine Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 vor oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar, ist ein Zuschlag von 5 000 Euro festzusetzen. Der Zuschlag beträgt mindestens 5 Prozent und höchstens 10 Prozent des Mehrbetrags der Einkünfte, der sich nach einer Berichtigung auf Grund der Anwendung des Absatzes 3 ergibt, wenn sich danach ein Zuschlag von mehr als 5 000 Euro ergibt. Der Zuschlag ist regelmäßig nach Abschluss der Außenprüfung festzusetzen. Bei verspäteter Vorlage von verwertbaren Aufzeichnungen beträgt der Zuschlag bis zu 1 000 000 Euro, mindestens jedoch 100 Euro für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung; er kann für volle Wochen und Monate der verspäteten Vorlage in Teilbeträgen festgesetzt werden. Soweit den Finanzbehörden Ermessen hinsichtlich der Höhe des jeweiligen Zuschlags eingeräumt ist, sind neben dem Zweck dieses Zuschlags, den Steuerpflichtigen zur Erstellung und fristgerechten Vorlage der Aufzeichnungen nach § 90 Absatz 3 anzuhalten, insbesondere die von ihm gezogenen Vorteile und bei verspäteter Vorlage auch die Dauer der Fristüberschreitung zu berücksichtigen. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Pflichten nach § 90 Abs. 3 entschuldbar erscheint oder ein Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen steht dem eigenen Verschulden gleich.

(4a) Verletzt der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Steueroasen-Abwehrgesetzes, ist Absatz 4 entsprechend anzuwenden. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten entschuldbar erscheint oder das Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen ist dem Steuerpflichtigen zuzurechnen.

(5) In den Fällen des § 155 Abs. 2 können die in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden.

(1) Die Beteiligten sind zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet. Sie kommen der Mitwirkungspflicht insbesondere dadurch nach, dass sie die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenlegen und die ihnen bekannten Beweismittel angeben. Der Umfang dieser Pflichten richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.

(2) Ist ein Sachverhalt zu ermitteln und steuerrechtlich zu beurteilen, der sich auf Vorgänge außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes bezieht, so haben die Beteiligten diesen Sachverhalt aufzuklären und die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen. Sie haben dabei alle für sie bestehenden rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten auszuschöpfen. Ein Beteiligter kann sich nicht darauf berufen, dass er Sachverhalte nicht aufklären oder Beweismittel nicht beschaffen kann, wenn er sich nach Lage des Falls bei der Gestaltung seiner Verhältnisse die Möglichkeit dazu hätte beschaffen oder einräumen lassen können.

(3) Ein Steuerpflichtiger hat über die Art und den Inhalt seiner Geschäftsbeziehungen im Sinne des § 1 Absatz 4 des Außensteuergesetzes Aufzeichnungen zu erstellen. Die Aufzeichnungspflicht umfasst neben der Darstellung der Geschäftsvorfälle (Sachverhaltsdokumentation) auch die wirtschaftlichen und rechtlichen Grundlagen für eine den Fremdvergleichsgrundsatz beachtende Vereinbarung von Bedingungen, insbesondere Preisen (Verrechnungspreisen), sowie insbesondere Informationen zum Zeitpunkt der Verrechnungspreisbestimmung, zur verwendeten Verrechnungspreismethode und zu den verwendeten Fremdvergleichsdaten (Angemessenheitsdokumentation). Hat ein Steuerpflichtiger Aufzeichnungen im Sinne des Satzes 1 für ein Unternehmen zu erstellen, das Teil einer multinationalen Unternehmensgruppe ist, so gehört zu den Aufzeichnungen auch ein Überblick über die Art der weltweiten Geschäftstätigkeit der Unternehmensgruppe und über die von ihr angewandte Systematik der Verrechnungspreisbestimmung, es sei denn, der Umsatz des Unternehmens hat im vorangegangenen Wirtschaftsjahr weniger als 100 Millionen Euro betragen. Eine multinationale Unternehmensgruppe besteht aus mindestens zwei in verschiedenen Staaten ansässigen, im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes einander nahestehenden Unternehmen oder aus mindestens einem Unternehmen mit mindestens einer Betriebsstätte in einem anderen Staat. Zu außergewöhnlichen Geschäftsvorfällen sind zeitnah Aufzeichnungen zu erstellen. Die Aufzeichnungen im Sinne dieses Absatzes sind auf Anforderung der Finanzbehörde zu ergänzen.

(4) Die Finanzbehörde kann jederzeit die Vorlage der Aufzeichnungen nach Absatz 3 verlangen; die Vorlage richtet sich nach § 97. Im Falle einer Außenprüfung sind die Aufzeichnungen ohne gesondertes Verlangen vorzulegen. Die Aufzeichnungen sind jeweils innerhalb einer Frist von 30 Tagen nach Anforderung oder nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung vorzulegen. In begründeten Einzelfällen kann die Vorlagefrist verlängert werden.

(5) Um eine einheitliche Rechtsanwendung sicherzustellen, wird das Bundesministerium der Finanzen ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung Art, Inhalt und Umfang der nach den Absätzen 3 und 4 zu erstellenden Aufzeichnungen zu bestimmen.

(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 verletzt. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen nach § 158 Absatz 2 nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen und der Steuerpflichtige die Zustimmung nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 nicht erteilt. Hat der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb verletzt, so wird widerlegbar vermutet, dass in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte in Bezug zu Staaten oder Gebieten im Sinne des § 3 Absatz 1 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb

1.
bisher nicht erklärt wurden, tatsächlich aber vorhanden sind, oder
2.
bisher zwar erklärt wurden, tatsächlich aber höher sind als erklärt.

(3) Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Absatz 3 dadurch, dass er keine Aufzeichnungen über einen Geschäftsvorfall vorlegt, oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar oder wird festgestellt, dass der Steuerpflichtige Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 Satz 5 nicht zeitnah erstellt hat, so wird widerlegbar vermutet, dass seine im Inland steuerpflichtigen Einkünfte, zu deren Ermittlung die Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 dienen, höher als die von ihm erklärten Einkünfte sind. Hat in solchen Fällen die Finanzbehörde eine Schätzung vorzunehmen und können diese Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, insbesondere nur auf Grund von Preisspannen bestimmt werden, kann dieser Rahmen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeschöpft werden. Bestehen trotz Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen durch den Steuerpflichtigen Anhaltspunkte dafür, dass seine Einkünfte bei Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes höher wären als die auf Grund der Aufzeichnungen erklärten Einkünfte, und können entsprechende Zweifel deswegen nicht aufgeklärt werden, weil eine ausländische, nahe stehende Person ihre Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 oder ihre Auskunftspflichten nach § 93 Abs. 1 nicht erfüllt, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden.

(4) Legt ein Steuerpflichtiger über einen Geschäftsvorfall keine Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 vor oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar, ist ein Zuschlag von 5 000 Euro festzusetzen. Der Zuschlag beträgt mindestens 5 Prozent und höchstens 10 Prozent des Mehrbetrags der Einkünfte, der sich nach einer Berichtigung auf Grund der Anwendung des Absatzes 3 ergibt, wenn sich danach ein Zuschlag von mehr als 5 000 Euro ergibt. Der Zuschlag ist regelmäßig nach Abschluss der Außenprüfung festzusetzen. Bei verspäteter Vorlage von verwertbaren Aufzeichnungen beträgt der Zuschlag bis zu 1 000 000 Euro, mindestens jedoch 100 Euro für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung; er kann für volle Wochen und Monate der verspäteten Vorlage in Teilbeträgen festgesetzt werden. Soweit den Finanzbehörden Ermessen hinsichtlich der Höhe des jeweiligen Zuschlags eingeräumt ist, sind neben dem Zweck dieses Zuschlags, den Steuerpflichtigen zur Erstellung und fristgerechten Vorlage der Aufzeichnungen nach § 90 Absatz 3 anzuhalten, insbesondere die von ihm gezogenen Vorteile und bei verspäteter Vorlage auch die Dauer der Fristüberschreitung zu berücksichtigen. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Pflichten nach § 90 Abs. 3 entschuldbar erscheint oder ein Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen steht dem eigenen Verschulden gleich.

(4a) Verletzt der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Steueroasen-Abwehrgesetzes, ist Absatz 4 entsprechend anzuwenden. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten entschuldbar erscheint oder das Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen ist dem Steuerpflichtigen zuzurechnen.

(5) In den Fällen des § 155 Abs. 2 können die in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden.

(1) Die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 entsprechen, sind der Besteuerung zugrunde zu legen.

(2) Absatz 1 gilt nicht,

1.
soweit nach den Umständen des Einzelfalls Anlass besteht, die sachliche Richtigkeit zu beanstanden oder
2.
soweit die elektronischen Daten nicht nach der Vorgabe der einheitlichen digitalen Schnittstellen des § 41 Absatz 1 Satz 7 des Einkommensteuergesetzes in Verbindung mit § 4 Absatz 2a der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung, des § 146a oder des § 147b in Verbindung mit der jeweiligen Rechtsverordnung zur Verfügung gestellt werden.

(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 verletzt. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen nach § 158 Absatz 2 nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen und der Steuerpflichtige die Zustimmung nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 nicht erteilt. Hat der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb verletzt, so wird widerlegbar vermutet, dass in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte in Bezug zu Staaten oder Gebieten im Sinne des § 3 Absatz 1 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb

1.
bisher nicht erklärt wurden, tatsächlich aber vorhanden sind, oder
2.
bisher zwar erklärt wurden, tatsächlich aber höher sind als erklärt.

(3) Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Absatz 3 dadurch, dass er keine Aufzeichnungen über einen Geschäftsvorfall vorlegt, oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar oder wird festgestellt, dass der Steuerpflichtige Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 Satz 5 nicht zeitnah erstellt hat, so wird widerlegbar vermutet, dass seine im Inland steuerpflichtigen Einkünfte, zu deren Ermittlung die Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 dienen, höher als die von ihm erklärten Einkünfte sind. Hat in solchen Fällen die Finanzbehörde eine Schätzung vorzunehmen und können diese Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, insbesondere nur auf Grund von Preisspannen bestimmt werden, kann dieser Rahmen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeschöpft werden. Bestehen trotz Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen durch den Steuerpflichtigen Anhaltspunkte dafür, dass seine Einkünfte bei Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes höher wären als die auf Grund der Aufzeichnungen erklärten Einkünfte, und können entsprechende Zweifel deswegen nicht aufgeklärt werden, weil eine ausländische, nahe stehende Person ihre Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 oder ihre Auskunftspflichten nach § 93 Abs. 1 nicht erfüllt, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden.

(4) Legt ein Steuerpflichtiger über einen Geschäftsvorfall keine Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 vor oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar, ist ein Zuschlag von 5 000 Euro festzusetzen. Der Zuschlag beträgt mindestens 5 Prozent und höchstens 10 Prozent des Mehrbetrags der Einkünfte, der sich nach einer Berichtigung auf Grund der Anwendung des Absatzes 3 ergibt, wenn sich danach ein Zuschlag von mehr als 5 000 Euro ergibt. Der Zuschlag ist regelmäßig nach Abschluss der Außenprüfung festzusetzen. Bei verspäteter Vorlage von verwertbaren Aufzeichnungen beträgt der Zuschlag bis zu 1 000 000 Euro, mindestens jedoch 100 Euro für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung; er kann für volle Wochen und Monate der verspäteten Vorlage in Teilbeträgen festgesetzt werden. Soweit den Finanzbehörden Ermessen hinsichtlich der Höhe des jeweiligen Zuschlags eingeräumt ist, sind neben dem Zweck dieses Zuschlags, den Steuerpflichtigen zur Erstellung und fristgerechten Vorlage der Aufzeichnungen nach § 90 Absatz 3 anzuhalten, insbesondere die von ihm gezogenen Vorteile und bei verspäteter Vorlage auch die Dauer der Fristüberschreitung zu berücksichtigen. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Pflichten nach § 90 Abs. 3 entschuldbar erscheint oder ein Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen steht dem eigenen Verschulden gleich.

(4a) Verletzt der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Steueroasen-Abwehrgesetzes, ist Absatz 4 entsprechend anzuwenden. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten entschuldbar erscheint oder das Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen ist dem Steuerpflichtigen zuzurechnen.

(5) In den Fällen des § 155 Abs. 2 können die in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden.

(1) Die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 entsprechen, sind der Besteuerung zugrunde zu legen.

(2) Absatz 1 gilt nicht,

1.
soweit nach den Umständen des Einzelfalls Anlass besteht, die sachliche Richtigkeit zu beanstanden oder
2.
soweit die elektronischen Daten nicht nach der Vorgabe der einheitlichen digitalen Schnittstellen des § 41 Absatz 1 Satz 7 des Einkommensteuergesetzes in Verbindung mit § 4 Absatz 2a der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung, des § 146a oder des § 147b in Verbindung mit der jeweiligen Rechtsverordnung zur Verfügung gestellt werden.

(1) Die folgenden Unterlagen sind geordnet aufzubewahren:

1.
Bücher und Aufzeichnungen, Inventare, Jahresabschlüsse, Lageberichte, die Eröffnungsbilanz sowie die zu ihrem Verständnis erforderlichen Arbeitsanweisungen und sonstigen Organisationsunterlagen,
2.
die empfangenen Handels- oder Geschäftsbriefe,
3.
Wiedergaben der abgesandten Handels- oder Geschäftsbriefe,
4.
Buchungsbelege,
4a.
Unterlagen nach Artikel 15 Absatz 1 und Artikel 163 des Zollkodex der Union,
5.
sonstige Unterlagen, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind.

(2) Mit Ausnahme der Jahresabschlüsse, der Eröffnungsbilanz und der Unterlagen nach Absatz 1 Nummer 4a, sofern es sich bei letztgenannten Unterlagen um amtliche Urkunden oder handschriftlich zu unterschreibende nicht förmliche Präferenznachweise handelt, können die in Absatz 1 aufgeführten Unterlagen auch als Wiedergabe auf einem Bildträger oder auf anderen Datenträgern aufbewahrt werden, wenn dies den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspricht und sichergestellt ist, dass die Wiedergabe oder die Daten

1.
mit den empfangenen Handels- oder Geschäftsbriefen und den Buchungsbelegen bildlich und mit den anderen Unterlagen inhaltlich übereinstimmen, wenn sie lesbar gemacht werden,
2.
während der Dauer der Aufbewahrungsfrist jederzeit verfügbar sind, unverzüglich lesbar gemacht und maschinell ausgewertet werden können.

(3) Die in Absatz 1 Nr. 1, 4 und 4a aufgeführten Unterlagen sind zehn Jahre, die sonstigen in Absatz 1 aufgeführten Unterlagen sechs Jahre aufzubewahren, sofern nicht in anderen Steuergesetzen kürzere Aufbewahrungsfristen zugelassen sind. Kürzere Aufbewahrungsfristen nach außersteuerlichen Gesetzen lassen die in Satz 1 bestimmte Frist unberührt. Bei empfangenen Lieferscheinen, die keine Buchungsbelege nach Absatz 1 Nummer 4 sind, endet die Aufbewahrungsfrist mit dem Erhalt der Rechnung. Für abgesandte Lieferscheine, die keine Buchungsbelege nach Absatz 1 Nummer 4 sind, endet die Aufbewahrungsfrist mit dem Versand der Rechnung. Die Aufbewahrungsfrist läuft jedoch nicht ab, soweit und solange die Unterlagen für Steuern von Bedeutung sind, für welche die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist; § 169 Abs. 2 Satz 2 gilt nicht.

(4) Die Aufbewahrungsfrist beginnt mit dem Schluss des Kalenderjahrs, in dem die letzte Eintragung in das Buch gemacht, das Inventar, die Eröffnungsbilanz, der Jahresabschluss oder der Lagebericht aufgestellt, der Handels- oder Geschäftsbrief empfangen oder abgesandt worden oder der Buchungsbeleg entstanden ist, ferner die Aufzeichnung vorgenommen worden ist oder die sonstigen Unterlagen entstanden sind.

(5) Wer aufzubewahrende Unterlagen in der Form einer Wiedergabe auf einem Bildträger oder auf anderen Datenträgern vorlegt, ist verpflichtet, auf seine Kosten diejenigen Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen, die erforderlich sind, um die Unterlagen lesbar zu machen; auf Verlangen der Finanzbehörde hat er auf seine Kosten die Unterlagen unverzüglich ganz oder teilweise auszudrucken oder ohne Hilfsmittel lesbare Reproduktionen beizubringen.

(6) Sind die Unterlagen nach Absatz 1 mit Hilfe eines Datenverarbeitungssystems erstellt worden,

1.
hat die Finanzbehörde im Rahmen einer Außenprüfung das Recht, Einsicht in die gespeicherten Daten zu nehmen und das Datenverarbeitungssystem zur Prüfung dieser Unterlagen zu nutzen,
2.
kann die Finanzbehörde verlangen, dass die Daten nach ihren Vorgaben maschinell ausgewertet zur Verfügung gestellt werden, oder
3.
kann die Finanzbehörde verlangen, dass die Daten nach ihren Vorgaben in einem maschinell auswertbaren Format an sie übertragen werden.
Teilt der Steuerpflichtige der Finanzbehörde mit, dass sich seine Daten nach Absatz 1 bei einem Dritten befinden, so hat der Dritte
1.
der Finanzbehörde Einsicht in die für den Steuerpflichtigen gespeicherten Daten zu gewähren oder
2.
diese Daten nach den Vorgaben der Finanzbehörde maschinell auszuwerten oder
3.
ihr nach ihren Vorgaben die für den Steuerpflichtigen gespeicherten Daten in einem maschinell auswertbaren Format zu übertragen.
Die Kosten trägt der Steuerpflichtige. In Fällen des Satzes 3 hat der mit der Außenprüfung betraute Amtsträger den in § 3 und § 4 Nummer 1 und 2 des Steuerberatungsgesetzes bezeichneten Personen sein Erscheinen in angemessener Frist anzukündigen. Sofern noch nicht mit einer Außenprüfung begonnen wurde, ist es im Fall eines Wechsels des Datenverarbeitungssystems oder im Fall der Auslagerung von aufzeichnungs- und aufbewahrungspflichtigen Daten aus dem Produktivsystem in ein anderes Datenverarbeitungssystem ausreichend, wenn der Steuerpflichtige nach Ablauf des fünften Kalenderjahres, das auf die Umstellung oder Auslagerung folgt, diese Daten ausschließlich auf einem maschinell lesbaren und maschinell auswertbaren Datenträger vorhält.

(7) Die Verarbeitung und Aufbewahrung der nach Absatz 6 zur Verfügung gestellten Daten ist auch auf mobilen Datenverarbeitungssystemen der Finanzbehörden unabhängig von deren Einsatzort zulässig, sofern diese unter Berücksichtigung des Stands der Technik gegen unbefugten Zugriff gesichert sind. Die Finanzbehörde darf die nach Absatz 6 zur Verfügung gestellten und gespeicherten Daten bis zur Unanfechtbarkeit der die Daten betreffenden Verwaltungsakte auch auf den mobilen Datenverarbeitungssystemen unabhängig von deren Einsatzort aufbewahren.

(1) Die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 entsprechen, sind der Besteuerung zugrunde zu legen.

(2) Absatz 1 gilt nicht,

1.
soweit nach den Umständen des Einzelfalls Anlass besteht, die sachliche Richtigkeit zu beanstanden oder
2.
soweit die elektronischen Daten nicht nach der Vorgabe der einheitlichen digitalen Schnittstellen des § 41 Absatz 1 Satz 7 des Einkommensteuergesetzes in Verbindung mit § 4 Absatz 2a der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung, des § 146a oder des § 147b in Verbindung mit der jeweiligen Rechtsverordnung zur Verfügung gestellt werden.

(1) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sind täglich festzuhalten. Die Pflicht zur Einzelaufzeichnung nach Satz 1 besteht aus Zumutbarkeitsgründen bei Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen gegen Barzahlung nicht. Das gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige ein elektronisches Aufzeichnungssystem im Sinne des § 146a verwendet.

(2) Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind im Geltungsbereich dieses Gesetzes zu führen und aufzubewahren. Dies gilt nicht, soweit für Betriebstätten außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes nach dortigem Recht eine Verpflichtung besteht, Bücher und Aufzeichnungen zu führen, und diese Verpflichtung erfüllt wird. In diesem Fall sowie bei Organgesellschaften außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes müssen die Ergebnisse der dortigen Buchführung in die Buchführung des hiesigen Unternehmens übernommen werden, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind. Dabei sind die erforderlichen Anpassungen an die steuerrechtlichen Vorschriften im Geltungsbereich dieses Gesetzes vorzunehmen und kenntlich zu machen.

(2a) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann der Steuerpflichtige elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem anderen Mitgliedstaat oder in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union führen und aufbewahren. Macht der Steuerpflichtige von dieser Befugnis Gebrauch, hat er sicherzustellen, dass der Datenzugriff nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes in vollem Umfang möglich ist.

(2b) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann die zuständige Finanzbehörde auf schriftlichen oder elektronischen Antrag des Steuerpflichtigen bewilligen, dass elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem Drittstaat oder in mehreren Drittstaaten geführt und aufbewahrt werden können. Voraussetzung ist, dass

1.
der Steuerpflichtige der zuständigen Finanzbehörde den Standort oder die Standorte des Datenverarbeitungssystems oder bei Beauftragung eines Dritten dessen Namen und Anschrift mitteilt,
2.
der Steuerpflichtige seinen sich aus den §§ 90, 93, 97, 140 bis 147 und 200 Absatz 1 und 2 ergebenden Pflichten ordnungsgemäß nachgekommen ist,
3.
der Datenzugriff nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes in vollem Umfang möglich ist und
4.
die Besteuerung hierdurch nicht beeinträchtigt wird.
Werden der Finanzbehörde Umstände bekannt, die zu einer Beeinträchtigung der Besteuerung führen, hat sie die Bewilligung zu widerrufen und die unverzügliche Rückverlagerung der elektronischen Bücher und sonstigen erforderlichen elektronischen Aufzeichnungen einen oder mehrere Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu verlangen. Eine Änderung der unter Satz 2 Nummer 1 benannten Umstände ist der zuständigen Finanzbehörde unverzüglich mitzuteilen.

(2c) Kommt der Steuerpflichtige der Aufforderung zur Rückverlagerung seiner elektronischen Buchführung oder seinen Pflichten nach Absatz 2b Satz 4, zur Einräumung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6, zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen im Sinne des § 200 Abs. 1 im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nach Bekanntgabe durch die zuständige Finanzbehörde nicht nach oder hat er seine elektronische Buchführung ohne Bewilligung der zuständigen Finanzbehörde in einen oder mehrere Drittstaaten verlagert, kann ein Verzögerungsgeld von 2 500 Euro bis 250 000 Euro festgesetzt werden.

(3) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind in einer lebenden Sprache vorzunehmen. Wird eine andere als die deutsche Sprache verwendet, so kann die Finanzbehörde Übersetzungen verlangen. Werden Abkürzungen, Ziffern, Buchstaben oder Symbole verwendet, muss im Einzelfall deren Bedeutung eindeutig festliegen.

(4) Eine Buchung oder eine Aufzeichnung darf nicht in einer Weise verändert werden, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist. Auch solche Veränderungen dürfen nicht vorgenommen werden, deren Beschaffenheit es ungewiss lässt, ob sie ursprünglich oder erst später gemacht worden sind.

(5) Die Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen können auch in der geordneten Ablage von Belegen bestehen oder auf Datenträgern geführt werden, soweit diese Formen der Buchführung einschließlich des dabei angewandten Verfahrens den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechen; bei Aufzeichnungen, die allein nach den Steuergesetzen vorzunehmen sind, bestimmt sich die Zulässigkeit des angewendeten Verfahrens nach dem Zweck, den die Aufzeichnungen für die Besteuerung erfüllen sollen. Bei der Führung der Bücher und der sonst erforderlichen Aufzeichnungen auf Datenträgern muss insbesondere sichergestellt sein, dass während der Dauer der Aufbewahrungsfrist die Daten jederzeit verfügbar sind und unverzüglich lesbar gemacht werden können. Dies gilt auch für die Befugnisse der Finanzbehörde nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes. Absätze 1 bis 4 gelten sinngemäß.

(6) Die Ordnungsvorschriften gelten auch dann, wenn der Unternehmer Bücher und Aufzeichnungen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, führt, ohne hierzu verpflichtet zu sein.

(1) Die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 entsprechen, sind der Besteuerung zugrunde zu legen.

(2) Absatz 1 gilt nicht,

1.
soweit nach den Umständen des Einzelfalls Anlass besteht, die sachliche Richtigkeit zu beanstanden oder
2.
soweit die elektronischen Daten nicht nach der Vorgabe der einheitlichen digitalen Schnittstellen des § 41 Absatz 1 Satz 7 des Einkommensteuergesetzes in Verbindung mit § 4 Absatz 2a der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung, des § 146a oder des § 147b in Verbindung mit der jeweiligen Rechtsverordnung zur Verfügung gestellt werden.

(1) Gegen die Entscheidungen des Finanzgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an den Bundesfinanzhof zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozessleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über die Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse nach §§ 91a und 93a, Beschlüsse über die Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen, Sachverständigen und Dolmetschern, Einstellungsbeschlüsse nach Klagerücknahme sowie Beschlüsse im Verfahren der Prozesskostenhilfe können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Gegen die Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 und 5 und über einstweilige Anordnungen nach § 114 Abs. 1 steht den Beteiligten die Beschwerde nur zu, wenn sie in der Entscheidung zugelassen worden ist. Für die Zulassung gilt § 115 Abs. 2 entsprechend.

(4) In Streitigkeiten über Kosten ist die Beschwerde nicht gegeben. Das gilt nicht für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision.

(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.

(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.