Bundesfinanzhof Beschluss, 16. Okt. 2013 - IX B 73/13

published on 16/10/2013 00:00
Bundesfinanzhof Beschluss, 16. Okt. 2013 - IX B 73/13
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Gericht

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Gründe

1

Die Beschwerde ist begründet. Das Finanzgericht (FG) hat zu Unrecht ein Prozessurteil erlassen. Der darin liegende Verfahrensmangel führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 116 Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

2

1. Das FG hat die Klage, mit der die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) die Berücksichtigung eines höheren Verlusts begehren, als unzulässig abgewiesen. Die fachkundig vertretenen Kläger hätten sich mit der Klage eindeutig nur gegen den Einkommensteuerbescheid gewandt, in dem die Einkommensteuer auf null € festgesetzt worden ist. Dass sich die Klage stattdessen gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer richten sollte, könne ihr im Wege der Auslegung nicht entnommen werden. Außerdem sei dieser Bescheid bestandskräftig.

3

2. Das FG hat zu Unrecht angenommen, dass die Klage allein gegen den Einkommensteuerbescheid gerichtet und im Übrigen nicht auslegungsfähig sei.

4

a) Prozesserklärungen sind wie sonstige Willenserklärungen auslegungsfähig. Ziel der Auslegung ist es, den wirklichen Willen des Erklärenden zu erforschen (§ 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches). Bei der Auslegung können auch außerhalb der Erklärung liegende weitere Umstände berücksichtigt werden. Die Auslegung einer Prozesserklärung darf nicht zur Annahme eines Erklärungsinhalts führen, für den sich in der (verkörperten) Erklärung selbst keine Anhaltspunkte mehr finden lassen. Auf die Wortwahl und die Bezeichnung kommt es jedoch nicht entscheidend an, sondern auf den gesamten Inhalt der Willenserklärung (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 18. März 1998 II R 41/97, BFH/NV 1998, 1235).

5

b) Die Auslegung der Klage ergibt, dass sie gegen den Verlustfeststellungsbescheid gerichtet ist.

6

aa) Dafür spricht --entgegen der Auffassung des FG-- bereits der in der Klageschrift angekündigte Antrag. Dieser geht dahin, den Einkommensteuerbescheid "wie beantragt" zu ändern. Verständlich wird der Antrag nur durch die Bezugnahme auf das Antragsschreiben der Kläger vom 15. Juli 2009, den der Klage beigefügten ablehnenden Bescheid vom 8. Oktober 2010 sowie die ebenfalls der Klage beigefügte Einspruchsentscheidung vom 3. Mai 2011. Aus beiden Bescheiden, die bei der Auslegung des Klagebegehrens zu berücksichtigen sind, ergibt sich eindeutig, dass die Kläger ihr ursprünglich zu Recht gegen den Einkommensteuerbescheid gerichtetes Begehren auf Berücksichtigung eines höheren Verlusts "bei der Einkommensteuer" weiterverfolgen wollten. Dafür spricht auch, dass die Kläger den Gegenstand der Klage mit "Ablehnung des Antrags auf Änderung der Einkommensteuer für das Jahr 2000" umschrieben und im Übrigen ausdrücklich beantragt haben, den Ablehnungsbescheid über den Antrag auf Änderung der Einkommensteuer für das Jahr 2000 vom 8. Oktober 2010 aufzuheben.

7

bb) Zwar konnten die Kläger, nachdem der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) am 23. November 2010 den verbleibenden Verlustvortrag gesondert auf null € festgestellt hatte, die Berücksichtigung eines höheren Verlusts nur noch erreichen, indem sie sich gegen diesen Bescheid wandten (§ 351 Abs. 2 der Abgabenordnung --AO--). Das haben die Kläger offenbar übersehen und im Klageantrag mit der Erwähnung des Einkommensteuerbescheids nicht richtig zum Ausdruck gebracht. Diese Fehlbezeichnung schadet jedoch nicht, da sich aus dem Zusammenhang eindeutig ergibt, dass sich die Klage gegen die Nichtberücksichtigung des geltend gemachten Verlusts richten sollte.

8

c) Die Entscheidung des FG erweist sich auch nicht deshalb als richtig (§ 126 Abs. 4 FGO), weil die Klage aus anderen Gründen unzulässig ist. Insbesondere fehlt es nicht an der erfolglosen Durchführung eines Vorverfahrens (§ 44 FGO).

9

aa) Zwar hätte das FA über den Einspruch wegen Ablehnung des Änderungsantrags zur Einkommensteuer 2000 nicht mehr in der Sache entscheiden dürfen; ohne Rücksicht darauf hat das FA jedoch durch Einspruchsentscheidung vom 3. Mai 2011 über das Begehren der Kläger entschieden und die Berücksichtigung des Verlusts (erneut) mit sachlichen Erwägungen abgelehnt. Diese Entscheidung konnte nur in einem Einspruchsverfahren gegen den Verlustfeststellungsbescheid ergehen. Unter diesen Umständen ist dem Erfordernis eines erfolglosen Vorverfahrens nach seinem Sinn und Zweck Genüge getan, denn das FA hat sich vor Erhebung der Klage die Gelegenheit genommen, seine Entscheidung noch einmal sachlich zu überprüfen.

10

bb) Die Klage ist auch nicht deshalb unzulässig, weil die Kläger es möglicherweise versäumt haben, gegen den Verlustfeststellungsbescheid vom 23. November 2010 rechtzeitig Einspruch zu erheben. Hat die Finanzbehörde zu Unrecht in der Sache über den Einspruch entschieden, z.B. weil sie die Einspruchsfrist als gewahrt angesehen, Wiedereinsetzung gewährt, einen wirksamen Rechtsbehelfsverzicht (§ 354 AO) oder eine Rücknahme des Rechtsbehelfs (§ 362 AO) verneint hat, hat dies nicht die Unzulässigkeit der Klage zur Folge. Allerdings ist dann die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Klage wegen eingetretener Bestandskraft des angefochtenen Verwaltungsakts als unbegründet abzuweisen (vgl. nur Steinhauff in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 44 FGO Rz 212). Dasselbe gilt auch dann, wenn die Behörde nicht geprüft hat, ob überhaupt Einspruch eingelegt worden ist. Die Zulässigkeit des Einspruchs einschließlich der Frage, ob überhaupt Einspruch eingelegt worden ist, unterliegt der vollen sachlichen Überprüfung durch das FG.

11

d) Das FG wird deshalb zunächst prüfen müssen, ob die Kläger gegen den Verlustfeststellungsbescheid vom 23. November 2010 rechtzeitig Einspruch eingelegt haben.

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(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss. (2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück. (3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof 1. in der Sache selbs

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden. (2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
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published on 08/07/2015 00:00

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen. Tatbestand 1 Die Beteiligten streiten über eine Steuerbefreiung von Umsätzen aus dem Betrieb von Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit. 2 Die Klä
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Annotations

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder Abschrift des Urteils, gegen das Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht im Falle der elektronischen Beschwerdeeinlegung.

(3) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. In der Begründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 dargelegt werden. Die Begründungsfrist kann von dem Vorsitzenden auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag um einen weiteren Monat verlängert werden.

(4) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Der Bundesfinanzhof entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch den Bundesfinanzhof wird das Urteil rechtskräftig.

(6) Liegen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann der Bundesfinanzhof in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(7) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt, wenn nicht der Bundesfinanzhof das angefochtene Urteil nach Absatz 6 aufhebt; der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt für den Beschwerdeführer die Revisionsbegründungsfrist, für die übrigen Beteiligten die Revisions- und die Revisionsbegründungsfrist. Auf Satz 1 und 2 ist in dem Beschluss hinzuweisen.

(1) Verwaltungsakte, die unanfechtbare Verwaltungsakte ändern, können nur insoweit angegriffen werden, als die Änderung reicht, es sei denn, dass sich aus den Vorschriften über die Aufhebung und Änderung von Verwaltungsakten etwas anderes ergibt.

(2) Entscheidungen in einem Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10) können nur durch Anfechtung dieses Bescheids, nicht auch durch Anfechtung des Folgebescheids, angegriffen werden.

(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss.

(2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück.

(3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof

1.
in der Sache selbst entscheiden oder
2.
das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
Der Bundesfinanzhof verweist den Rechtsstreit zurück, wenn der in dem Revisionsverfahren nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Beigeladene ein berechtigtes Interesse daran hat.

(4) Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Bundesfinanzhofs zugrunde zu legen.

(6) Die Entscheidung über die Revision bedarf keiner Begründung, soweit der Bundesfinanzhof Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Das gilt nicht für Rügen nach § 119 und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(1) In den Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist, ist die Klage vorbehaltlich der §§ 45 und 46 nur zulässig, wenn das Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist.

(2) Gegenstand der Anfechtungsklage nach einem Vorverfahren ist der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf gefunden hat.

(1) Auf Einlegung eines Einspruchs kann nach Erlass des Verwaltungsakts verzichtet werden. Der Verzicht kann auch bei Abgabe einer Steueranmeldung für den Fall ausgesprochen werden, dass die Steuer nicht abweichend von der Steueranmeldung festgesetzt wird. Durch den Verzicht wird der Einspruch unzulässig.

(1a) Soweit Besteuerungsgrundlagen für ein Verständigungs- oder ein Schiedsverfahren nach einem Vertrag im Sinne des § 2 von Bedeutung sein können, kann auf die Einlegung eines Einspruchs insoweit verzichtet werden. Die Besteuerungsgrundlage, auf die sich der Verzicht beziehen soll, ist genau zu bezeichnen.

(1b) Auf die Einlegung eines Einspruchs kann bereits vor Erlass des Verwaltungsakts verzichtet werden, soweit durch den Verwaltungsakt eine Verständigungsvereinbarung oder ein Schiedsspruch nach einem Vertrag im Sinne des § 2 zutreffend umgesetzt wird. § 89a Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 bleibt unberührt.

(2) Der Verzicht ist gegenüber der zuständigen Finanzbehörde schriftlich oder zur Niederschrift zu erklären; er darf keine weiteren Erklärungen enthalten. Wird nachträglich die Unwirksamkeit des Verzichts geltend gemacht, so gilt § 110 Abs. 3 sinngemäß.

(1) Der Einspruch kann bis zur Bekanntgabe der Entscheidung über den Einspruch zurückgenommen werden. § 357 Abs. 1 und 2 gilt sinngemäß.

(1a) Soweit Besteuerungsgrundlagen für ein Verständigungs- oder ein Schiedsverfahren nach einem Vertrag im Sinne des § 2 von Bedeutung sein können, kann der Einspruch hierauf begrenzt zurückgenommen werden. § 354 Abs. 1a Satz 2 gilt entsprechend.

(2) Die Rücknahme hat den Verlust des eingelegten Einspruchs zur Folge. Wird nachträglich die Unwirksamkeit der Rücknahme geltend gemacht, so gilt § 110 Abs. 3 sinngemäß.

(1) In den Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist, ist die Klage vorbehaltlich der §§ 45 und 46 nur zulässig, wenn das Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist.

(2) Gegenstand der Anfechtungsklage nach einem Vorverfahren ist der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf gefunden hat.