Tatbestand

1

Der 1948 geborene frühere Soldat trat 1968 den Dienst in der Bundeswehr als Offizieranwärter an. Er wurde 1971 in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten berufen. Zuletzt wurde er 1994 zum Oberstleutnant befördert und Anfang 2000 in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 15 eingewiesen. Seine Dienstzeit endete zum 30. September 2006.

2

Der frühere Soldat war nach zahlreichen Verwendungen ab Mai 2001 beim A als Dezernatsleiter ..., eingesetzt. In dieser Funktion war er - in Zusammenarbeit mit dem Einsatzunterstützungskommando - mitverantwortlich für das Erstellen von Leistungsbeschreibungen für Lufttransporte, auf deren Basis das Bundesamt für Wehrverwaltung (BAWV) die benötigten Leistungen ausschrieb und die entsprechenden Verträge mit Speditionsfirmen schloss. Ab Oktober 2002 übernahm das Logistikzentrum der Bundeswehr diese Aufgabe des vom früheren Soldaten geleiteten Dezernats.

3

Mit Verfügung des Befehlshabers A vom 20. Dezember 2004 wurde der frühere Soldat wegen des streitgegenständlichen Sachverhalts ab dem 23. Dezember 2004 bis zu seinem Dienstzeitende vorläufig des Dienstes enthoben. Ab dem 1. Februar 2005 wurde die Hälfte seiner Dienstbezüge einbehalten; die Einbehaltung eines Teils der Versorgungsbezüge wurde nicht angeordnet.

4

Die Leistungen des früheren Soldaten wurden in der letzten planmäßigen Beurteilung vom 22. August 2001 viermal mit der seinerzeit höchsten Wertungsstufe "7", einmal mit der Wertungsstufe "5" und im Übrigen mit der Wertungsstufe "6" bewertet. Ergänzend ist im Wesentlichen ausgeführt, der Soldat setze sich beispielhaft und überaus erfolgreich für die Erreichung gesetzter Ziele ein, gebe auch bei wachsenden Widerständen nicht auf und erreiche mit Tatkraft, Beharrlichkeit und Zielstrebigkeit stets herausragende Ergebnisse. Seine stark ausgeprägte Expertise führe insbesondere bei der Planung von Verlegeoperationen zu allseitiger Anerkennung. Der Soldat überzeuge durch eine konstruktive, selbstständige und vorausschauende Aufgabenwahrnehmung. Er habe neben seiner unmittelbaren Zuständigkeit auch in "ad hoc"-Arbeitsgruppen beispielhaft und mit hohem zeitlichen Aufwand mitgewirkt. Unermüdlicher Fleiß und kreative Ideen seien seine herausragenden Merkmale. In der Eignungs- und Befähigungsbeurteilung erhielt der frühere Soldat für das Merkmal "Verantwortungsbewusstsein" die höchste Wertung "E". Dazu heißt es, der Soldat sei ein Stabsoffizier mit sehr stark ausgeprägtem Verantwortungs- und Pflichtbewusstsein sowie beispielhafter Loyalität. Er nehme seinen Aufgabenbereich eigenständig und professionell wahr, biete sich über den unmittelbaren Zuständigkeitsbereich hinaus in wohltuender Weise an und fühle sich für den Gesamtauftrag verantwortlich. Die weiteren Merkmale wurden mit "D" bewertet. Der Soldat sei ein selbstbewusster, tatkräftiger, durchsetzungsfähiger und ehrgeiziger Stabsoffizier. Seine erkennbare Freude an der beruflichen Aufgabenstellung strahle auf sein gesamtes Umfeld aus und wirke auf Mitarbeiter motivierend. Seine Expertise solle zukünftig durch herausgehobene Verwendungen auf der A 16-Ebene oder einem Dienstposten des Generalstabsdienstes gefördert werden.

5

Der nächsthöhere Vorgesetzte des früheren Soldaten und seinerzeitige Abteilungsleiter der Abteilung ... im A, Brigadegeneral a.D. Schw., hat dessen Förderungswürdigkeit mit der zweithöchsten Stufe "D" festgesetzt und hervorgehoben, der Soldat verstehe es durch sein ausgezeichnetes Planungsverhalten und sein hervorragendes organisatorisches Können in ganz außergewöhnlichem Maße, seine Mitarbeiter zu sehr guten Leistungen anzuhalten. Er schätze dessen Fähigkeiten als Verhandlungsführer und guter Motivator.

Vor dem Truppendienstgericht hat der Zeuge Brigadegeneral a.D. Schw. ergänzend ausgeführt, der frühere Soldat habe seinen Zuständigkeitsbereich perfekt beherrscht. Er sei hoch motiviert und aufgrund seiner Leistungen auch für eine Verwendung als Leiter der Abteilung "Verkehr- und Transport" geeignet gewesen. Allerdings hätte er vor Übernahme dieser Funktion an seinem Führungsverhalten arbeiten müssen. In der Berufungshauptverhandlung hat der Zeuge erläutert, der frühere Soldat sei ein Offizier gewesen, der auch kantige Seiten gehabt habe und gut habe verhandeln können. Es sei allerdings nicht immer einfach mit ihm gewesen. Auch wenn er selbst ein gutes Verhältnis zu ihm gehabt habe, habe er sich in Gespräche des früheren Soldaten mit anderen Institutionen gelegentlich einschalten müssen; dies habe auch das BAWV betroffen.

6

Dem früheren Soldaten wurden vier förmliche Anerkennungen erteilt. Die letzte erhielt er im April 2002 für sein beispielhaftes Engagement und seine außergewöhnliche Einsatzbereitschaft im Zusammenhang mit der in den streitbefangenen Zeitraum fallenden Planung und Sicherstellung des Deutschen Anteils am Lufttransport für Afghanistan. Nach der Auskunft aus dem Zentralregister vom 12. September 2013 ist der frühere Soldat, von der sachgleichen Verurteilung wegen Bestechlichkeit in Tateinheit mit Geheimnisverrat und Geheimnisverrat in zwei Fällen abgesehen, strafrechtlich nicht vorbelastet.

7

Der verheiratete frühere Soldat erhält nach dem Stand September 2013 ein monatliches Ruhegehalt von 4 327,50 € brutto und 3 681,01 € netto. Seine erwachsenen Kinder sind finanziell unabhängig. Neben einem Einfamilienhaus in M. (Wohnsitz) und einem vermieteten Reihenhaus in S., deren Eigentümer er jeweils zur Hälfte ist, ist er Alleineigentümer eines Apartmenthauses auf Rügen ("..."). Sein Jahresgesamteinkommen beziffert er mit ca. 100 000 € netto. Die monatliche Belastung für die Finanzierung des Apartmenthauses liegt bei ca. 8 500 €.

8

1. Durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts ... (Strafgericht) vom 19. Oktober 2007 (Strafurteil) wurde der frühere Soldat wegen Bestechlichkeit in Tateinheit mit Geheimnisverrat und Geheimnisverrat in zwei Fällen zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt. Die von der Staatsanwaltschaft gegen das Strafurteil eingelegte Berufung wurde zurückgenommen. Der Zeuge Schm. wurde 2006 wegen Bestechung zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt.

9

Vor der Verkündung des Strafurteils in der Hauptverhandlung am 19. Oktober 2007 hatten am 8. Dezember 2006 und am 27. Juni 2007 Hauptverhandlungen stattgefunden. Zu keiner der Hauptverhandlungen, in der der frühere Soldat von einem anderen Rechtsanwalt verteidigt worden war, waren Zeugen geladen worden, obwohl die Anklageschrift als Beweismittel 19 Zeugen benannt hatte. Im Protokoll zur Verhandlung vom 8. Dezember 2006 ist vermerkt, dass sich alle Verfahrensbeteiligten vor Verlesung der Anklageschrift zu einem Rechtsgespräch zurückgezogen hätten. Vor dem Vertagungsbeschluss ist die Feststellung, dass die Sache nicht zu Ende verhandelt werden könne, protokolliert. Im Protokoll zur Verhandlung vom 27. Juni 2007 findet sich vor einem weiteren Vertagungsbeschluss die Feststellung, dass die Akte noch beim Rentenamt sei.

10

Ausweislich der Niederschrift über die Sitzung am 19. Oktober 2007 erklärte der Verteidiger des früheren Soldaten unter anderem, dass "der Anklage nicht entgegentreten werde". Die Anklagevorwürfe seien "voll umfänglich zutreffend". Sein Mandant habe einen Fehler gemacht, indem er 25 056 € angenommen habe; weitere ihm angelastete Beträge habe er aber zurückgewiesen. Das Gericht wies in der Sitzung darauf hin, dass eine Verurteilung wegen Bestechlichkeit in Tateinheit mit Geheimnisverrat in Betracht komme, und stellte das Verfahren hinsichtlich des Anklagepunktes 4 ein. Zu einer förmlichen Beweisaufnahme kam es nicht. Der frühere Soldat erklärte abschließend, sich den Ausführungen seines Verteidigers anzuschließen.

11

In den Urteilsgründen, die wörtlich den in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft ... (vom 8. November 2006) enthaltenen Formulierungen von den dem früheren Soldaten zur Last gelegten Taten entsprechen und sich auch zum Anklagepunkt 4 verhalten, heißt es ausschließlich, die tatsächlichen Feststellungen beruhten auf der umfänglichen geständigen Einlassung des früheren Soldaten. Hinsichtlich der Strafzumessung sei es deshalb vertretbar, bei der Bestechlichkeit die Mindeststrafe von 6 Monaten um lediglich 2 Monate zu erhöhen, weil der frühere Soldat dem Gericht durch sein Geständnis eine umfangreiche Beweisaufnahme erspart habe.

12

Im Rahmen einer richterlichen Vernehmung nach einer Festnahme des früheren Soldaten im Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Bestechlichkeit hatte dieser bereits am 16. Dezember 2004 erklärt:

"Es ist richtig, dass ich die 25.000 Euro um die es hier geht von der Firma A. erhalten habe. Hintergrund dieser Zahlung war nicht die Bezahlung eines Mietzinses für Appartements auf Rügen. Die diesbezüglichen Verträge die man bei mir in der Küche gefunden hat, stimmen so nicht. Entgegen den Inhalt dieser Verträge war nie beabsichtigt das Mitarbeiter der Firma A. ein Appartement auf Rügen beziehen sollen. Mehr Geld als diese 25.000 Euro habe ich von der Firma A. nicht im Besitz. Es ist zwar versucht worden mir noch zweimal diese Summe zu überweisen, das habe ich aber zurück überwiesen. Das wollte ich nicht haben. Weder ich noch meine Frau, noch meine Kinder haben von der Firma A. bzw. der Firma M. oder einer Tochter oder Schwestergesellschaft der beiden weiteres Geld erhalten."

13

2. Der frühere Soldat wurde vor Einleitung des disziplinargerichtlichen Verfahrens am 17. Dezember 2004 angehört. Die Niederschrift über die Anhörung enthält den Hinweis, dass der frühere Soldat der Anhörung der Vertrauensperson widersprochen habe. Abschließendes Gehör wurde durch die Wehrdisziplinaranwaltschaft in der Form von Gelegenheit zu schriftlichen Stellungnahmen gewährt, die der Soldat mehrfach nutzte.

14

3. In dem durch den Befehlshaber A durch Verfügung vom 20. Dezember 2004 eingeleiteten gerichtlichen Disziplinarverfahren legte die Wehrdisziplinaranwaltschaft in der dem früheren Soldaten am 7. März 2011 zugestellten Anschuldigungsschrift vom 28. Februar 2011 folgendes Dienstvergehen zur Last:

"1.

a) Der frühere Soldat übersandte dem Zeugen Schm. (damals Geschäftsführer des Speditionsunternehmens Firma M. ) am oder unmittelbar vor dem 18.01.2002 vorsätzlich den Entwurf seiner Bedarfsanforderung für den Auftrag ... (Stichworte: Bereitstellung von 10 Transportflügen mit Flugzeugen des Typs ... von ... nach ... im Zuge der Durchführung des Auslandseinsatzes 'Beteiligung der Bundeswehr an ISAF ' und 'Enduring Freedom '), der vom Zeugen Schm. überarbeitet wurde, mit der Folge, dass dessen Vorgaben zu den Ziffern 2. und 3. der 'Erläuterungen zum Leistungsinhalt' übernommen und zum Gegenstand der nachfolgenden Ausschreibung des Auftrags durch das Bundesamt für Wehrverwaltung (BAWV) gemacht wurden.

hilfsweise:

Nach Erhalt der Leistungsbeschreibung für den Auftrag ... des BAWV (Stichworte: Bereitstellung von 10 Transportflügen mit Flugzeugen des Typs ... von ... nach ... im Zuge der Durchführung des Auslandseinsatzes 'Beteiligung der Bundeswehr an ISAF und EF') - spätestens aufgrund der Übersendung per Fax am 18.01.2002 - 11:12 Uhr durch das BAWV an die Firma M. -, wurde diese in den Ziffern 1. sowie 4. bis 6. der 'Erläuterungen zum Leistungsinhalt' vom Zeugen Schm. (damals Geschäftsführer des Speditionsunternehmens Firma M.) für 'ok' sowie in den Ziffern 2. und 3. für änderungswürdig befunden. Die vom Zeugen Schm. oder einem anderen Angehörigen der Firma M. auf nicht näher feststellbare Weise sodann an den früheren Soldaten herangetragenen, aus der Sicht des Zeugen Schm. im Interesse seines Unternehmens für änderungswürdig befundenen Passagen wurden seitens des früheren Soldaten vorsätzlich bei der von ihm als Dezernatsleiter A zu verantwortenden Bedarfsforderung des A gegenüber dem BAWV zum nachfolgenden weiteren Auftrag ... (Stichworte: bis zu 78 Flüge mit ... oder bis zu 160 Flüge mit ... im Zeitraum 23./24.01. bis 01.04.2002 für die Strecke ... oder ... und bei Bedarf retour) eingebracht, an das BAWV mit Fax vom 18.01.2002 - 22:59 Uhr übersandt (Absenderkennung: A) und durch das BAWV bei der Ausschreibung des Auftrags ... vom 21.01.2002 unter 'Leistungsbeschreibung' bzw. Ziffer 2. der 'Erläuterungen zum Leistungsinhalt' mitberücksichtigt. Mit seinem Verhalten eröffnete der frühere Soldat der Firma M. in Person des Zeugen Schm. vorsätzlich die Möglichkeit, in wettbewerbswidriger Weise auf die von ihm zu verantwortende Bedarfsforderung des A gegenüber dem BAWV und damit auf das Vergabeverfahren Einfluss zu nehmen.

b) Den als Verschlusssache (VS) 'VS - NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH' eingestuften Befehl des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr (EinsFüKdoBw) vom 18.01.2002 betreffend die Folgeverlegung von Truppen nach Afghanistan übermittelte der frühere Soldat noch am selben Tag per Telefax an die private Telefax-Nummer des Zeugen Schm. Die von dem Zeugen Schm. vertretene Firma M. war an den nachfolgenden Ausschreibungen des BAWV als Bieter beteiligt. Der frühere Soldat verschaffte der Firma M. durch sein Vorgehen Wettbewerbsvorteile zumindest in Form von Informationsvorsprüngen.

hilfsweise:

Der frühere Soldat übermittelte vorsätzlich eigenmächtig am 19.01.2002 - 13:02 Uhr per Telefax vom Faxgerät seines Dezernats aus (Absenderkennung: A) dem Zeugen Schm. (private TelefaxNummer: ...) den als Verschlusssache 'VS - NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH' eingestuften Entwurf des Befehls des EinsFüKdoBw 'Befehl für die Folgeverlegung EinsKtgt AFG im Rahmen einer 'International Security Assistance Force' in AFG (ISAF)' vom 18.01.2002 - in dem Art und Umfang des anstehenden Transportbedarfs detailliert dargestellt werden - bzw. ließ diesen vorsätzlich eigenmächtig übermitteln. Der frühere Soldat verschaffte damit der Firma M. bewusst und gewollt Zugang zu einem dienstinternen Dokument. Die Firma M. erlangte so als potentieller Bieter/Auftragnehmer für die im Weiteren zu vergebenden Lufttransportleistungen jedenfalls einen Informationsvorsprung gegenüber Mitbewerbern.

2. Der frühere Soldat kam im Laufe des Februar 2002 mit dem Zeugen Schm. überein, sich gegen Zahlung von Geld - getarnt als Mietzins für die Nutzung zweier im Eigentum des früheren Soldaten befindlicher Ferienappartements auf der Insel Rügen - für die Belange der Firma M. als potentiellem Auftragnehmer von durch die Bundeswehr zu vergebenden Aufträgen auf den Geschäftsfeldern der Firma M. so einzusetzen, dass der Firma M. hieraus Vorteile - zumindest in Form von Informationsvorsprüngen - gegenüber möglichen Wettbewerbern erwachsen sollten, und erhielt hierfür - veranlasst durch den Zeugen Schm. - einen Betrag in Höhe von € 25.056,-- auf sein Girokonto bei der ... Bank (Kontonummer: ...) überwiesen und am 24.05.2002 gutgeschrieben. In Erfüllung dieser Übereinkunft verhielt sich der frühere Soldat wie unter den nachfolgenden Ziffern 3. und 4. angeschuldigt.

hilfsweise:

Im Februar 2002 kamen der frühere Soldat und der Zeuge Schm. überein, dass der frühere Soldat vom Zeugen Schm. einen Geldbetrag - getarnt als Mietzins für die Nutzung zweier im Eigentum des früheren Soldaten befindlicher Ferienappartements auf der Insel Rügen - erhalten sollte. Der Zeuge Schm. verband mit der avisierten Zahlung tatsächlich allein die Erwartung, dass der frühere Soldat durch seine weitere Dienstausübung der Firma M. als potentiellem Auftragnehmer von durch die Bundeswehr zu vergebenden Aufträgen auf den Geschäftsfeldern der Firma M. Vorteile - zumindest in Form von Informationsvorsprüngen gegenüber möglichen Wettbewerbern verschaffen würde. Eine Nutzung der Ferienappartements war für den Zeugen Schm. zu keinem Zeitpunkt der Beweggrund für die später getätigte Zahlung. Dem früheren Soldaten war bewusst, dass die avisierte Zahlung - selbst wenn nicht ausschließlich, dann gleichwohl entscheidend - aufgrund der vorgenannten Erwartung erfolgen sollte. Er verhielt sich hiernach wie unter den nachfolgenden Ziffern 3. und 4. angeschuldigt und erhielt im Weiteren - veranlasst durch den Zeugen Schm. in Erfüllung der Übereinkunft - einen Betrag in Höhe von € 25.056,-- auf sein Girokonto bei der ... Bank (Kontonummer: ...) überwiesen und am 24.05.2002 gutgeschrieben. Der frühere Soldat nahm die Zahlung - mangels Remonstration/Rücküberweisung - zumindest konkludent an.

3.

a) Der frühere Soldat übersandte bereits am 13.03.2002 per Telefax vorsätzlich dem Zeugen Schm. die Entwürfe der Leistungsbeschreibungen für die beiden Lose des späteren Transportauftrags ... des BAWV (Stichworte Los 1: bis zu zehn Flüge pro Woche mit ... von ... nach ... und retour // Stichworte Los 2: bis zu zehn Flüge pro Woche mit ... von ... nach ... und retour - beide Lose ab spätestens 01.04.2002 für zunächst sechs Monate), wohingegen die Mitbewerber von diesem Auftrag erst über die Ausschreibung durch das BAWV am 19.03.2002 erfuhren.

hilfsweise:

Der frühere Soldat ließ der Firma M. auf nicht näher feststellbare Weise vorsätzlich eigenmächtig zwischen dem 11.03.2002 und vor dem 19.03.2002 eine(n) ihn als Bearbeiter ausweisende(n), vom A an das EinsFüKdoBw gerichtete(n) 'Begleitzettel/Kurzmitteilung' vom 11.03.2002 inklusive in den Anlagen 1 und 2 gemachter Vorschläge für Leistungsbeschreibungen für weitere Lufttransportleistungen für ISAF - die später in die Leistungsbeschreibungen für die beiden Lose des am 19.03.2002 ausgeschriebenen Auftrags ... des BAWV mündeten (Stichworte Los 1: bis zu zehn Flüge pro Woche mit ... von ... nach ... und retour // Stichworte Los 2: bis zu zehn Flüge pro Woche mit ... von ... nach ... und retour - beide Lose ab spätestens 01.04.2002 für zunächst sechs Monate) - zukommen und verschaffte so der Firma M. bewusst und gewollt Zugang zu dienstinternen Dokumenten. Die Firma M. erlangte so zumindest einen Informationsvorsprung gegenüber potentiellen Wettbewerbern.

b) Er übermittelte vorsätzlich eigenmächtig am 22.03.2002 - 19:18 Uhr per Telefax von seinem privaten Telefax-Anschluss an den Zeugen Schm. (private Telefax-Nummer: ...) oder an die Firma M. ein den damals seinem Dezernat angehörenden Fregattenkapitän J. als Bearbeiter und Unterzeichner ausweisendes dienstinternes Schreiben (ohne Unterschrift) an das Vergabereferat des BAWV (BAWV ...) vom selben Tag betreffend die Vor- bzw. Nachläufe von den Depots zum APOE (airport of embarkation) ... bzw. ließ dieses vorsätzlich eigenmächtig übersenden und verschaffte so der Firma M. bewusst und gewollt Zugang zu einem dienstinternen Dokument.

c) Er übersandte vorsätzlich eigenmächtig am 09.04.2002 ein von ihm gefertigtes als Verschlusssache 'VS - NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH' eingestuftes Schreiben des A an das EinsFüKdoBw vom selben Tag betreffend den Einsatz der Bundeswehr im Ausland (Vergabe von Transportleistungen - vertragliche Grundlagen/Leistungsabruf/Abrechnungsprobleme bei OEF) und einen Vermerk (Rechtliche Aspekte aus Sicht A) an den Zeugen Schm.

hilfsweise:

Er übersandte vorsätzlich eigenmächtig am 09.04.2002 - 17:02 Uhr per Telefax vom Faxgerät seines Dezernats (Absenderkennung: A) ein ihn als Unterzeichner ausweisendes und als Verschlusssache 'VS - NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH' eingestuftes Schreiben des A an das EinsFüKdoBw vom 09.04.2002 betreffend den Einsatz der Bundeswehr im Ausland sowie einen ebenfalls als Verschlusssache 'VS - NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH' eingestuften Vermerk (Rechtliche Aspekte aus Sicht A) an die Firma M. (Telefax-Nummer: ...) bzw. ließ diese vorsätzlich eigenmächtig übersenden und verschaffte so der Firma M. bewusst und gewollt Zugang zu dienstinternen Dokumenten.

d) Er übersandte vorsätzlich eigenmächtig am 16.04.2002 - 17:42 Uhr per Telefax vom Faxgerät seines Dezernats (Absenderkennung: A) an die Firma M. (Telefax-Nummer: ...) u.a. eine von ihm unterzeichnete dienstliche 'Kurzmitteilung' des A an das EinsFüKdoBw ... vom 15.04.2002 betreffend die Sicherstellung der ISAF-Folgeversorgung - Destination Kabul, in der er ein diesbezügliches Angebot der Firma M. bewertet und eine Empfehlung gegenüber dem ... ausgesprochen hatte, bzw. ließ dieses vorsätzlich eigenmächtig übersenden und verschaffte so der Firma M. bewusst und gewollt Zugang zu einem dienstinternen Dokument.

4. Der frühere Soldat manipulierte Schriftverkehr zwischen der Firma M. und dem BAWV, indem er in Zusammenarbeit mit dem Zeugen Schm. und dem Zeugen H. - als Angehörigen der Firma M. - ein auf den 07.02.2002 datiertes Schreiben fingierte, nach dessen Inhalt eine Firma D. gegenüber der Firma M. über angeblich schlechte Erfahrungen mit der Fluglinie ... berichtete. Dieses Schreiben enthält eine von dem früheren Soldaten verfasste Passage, wonach die Firma D. gegenüber der Firma M. die Empfehlung ausspricht, '... für diese Operation nicht anzubieten'. Dieses Schreiben ist anschließend von der Firma M. an die Bundeswehr als Beleg für die vermeintliche Unzuverlässigkeit der Firma ... weitergeleitet worden. Dem früheren Soldaten ging es hierbei darum, eine vermeintlich höhere Zuverlässigkeit der Fluglinie A. darzustellen und damit die Beschränkung in den Leistungsverzeichnissen auf den Subunternehmer A. zu rechtfertigen.

hilfsweise:

Am 06.08.2002 empfahl der frühere Soldat dem Zeugen H. (damals Angehöriger der Firma M.) zu einem ihm vom Zeugen H. gezeigten, auf den 07.02.2002 datierten Entwurfsschreiben, in dem unter dem Kopf der Firma M. an den Zeugen Schm. gerichtet zum 'Einsatz von ... bei Charteroperationen' negativ berichtet wird, das Entwurfsschreiben dahingehend zu ändern, dass ein Dritter als Absender sowie zumindest sinngemäß der Satz: 'Aufgrund dieses Sachverhalts haben wir uns dazu entschlossen, Ihnen ... für diese Operation nicht anzubieten.' eingefügt werden sollte."

15

4. Mit Urteil vom 23. Mai 2012 hat das Truppendienstgericht dem früheren Soldaten das Ruhegehalt aberkannt und die Gewährung des Unterhaltsbeitrags ausgeschlossen.

16

a) Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, es sehe sich an die strafgerichtlichen Tatsachenfeststellungen grundsätzlich gebunden. Dies gelte allerdings nicht hinsichtlich des Anschuldigungspunktes 4, weil das Strafgericht das Verfahren insoweit eingestellt habe, und auch nicht hinsichtlich der Annahme in den Anschuldigungspunkten 1 a) und 1 b), die Übermittlung der Dokumente sei am oder vor dem 18. Januar 2002 erfolgt; insoweit handele es sich um einen offensichtlichen Fehler, sodass vom 19. Januar 2002 auszugehen sei. Außer zum Anschuldigungspunkt 4 fehle es auch hinsichtlich der Anschuldigungspunkte 3 b) und 3 d) an bindenden strafgerichtlichen Feststellungen.

17

Hinsichtlich der sonstigen strafgerichtlichen Tatsachenfeststellungen lägen die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Lösungsbeschluss nicht vor. Es seien insbesondere keine offenkundigen Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass die Tatsachenfeststellungen des Strafgerichts unter Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften zustande gekommen seien. Für die von dem früheren Soldaten behauptete rechtswidrige Urteilsabsprache ("Deal") ergäben sich weder aus den Urteilsgründen noch aus dem Protokoll Anhaltspunkte. Vor allem der Umstand, dass Staatsanwaltschaft und Verteidigung unterschiedliche Anträge gestellt und keinen Rechtsmittelverzicht erklärt hätten, spräche nicht dafür. Auch für ein sogenanntes "Formalgeständnis" ergäben sich keine Anhaltspunkte. Ein solches wäre grundsätzlich nur im Zusammenhang mit einem "Deal" sinnvoll. Vorliegend habe der frühere Soldat aber mangels eines "Deals" und wegen des Ziels der Staatsanwaltschaft, eine höhere Strafe zu erreichen, davon ausgehen müssen, dass das Urteil mit der Berufung angegriffen werde. Ebenso wenig ergäben sich aus dem Urteil und dem strafgerichtlichen Protokoll Hinweise, dass das Strafgericht seine Pflicht zur Würdigung der geständigen Einlassung verletzt habe. Es habe keinen Anlass gehabt, die Richtigkeit der Erklärung in Zweifel zu ziehen. Sie habe keinen plötzlichen Bruch in der Einlassung des früheren Soldaten dargestellt, sondern auf der Linie dessen gelegen, was er bereits am 16. Dezember 2004 vor dem Amtsgericht ... eingeräumt habe.

18

b) Auf der Grundlage der bindenden Tatsachenfeststellungen und im Übrigen der eigenen Beweiswürdigung stehe fest, dass der frühere Soldat vom Anschuldigungspunkt 3 d) freizustellen und hinsichtlich des sonstigen angeschuldigten Verhaltens bis auf den Anschuldigungspunkt 1 b), der von ihm in der Form des hilfsweise angeschuldigten Vorwurfs vorsätzlich verwirklicht worden sei, jeweils der vorsätzlichen Begehung der hauptsächlich angeschuldigten Vorwürfe überführt sei. Der frühere Soldat habe damit vorsätzlich gegen die Pflicht verstoßen, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen (§ 7 SG), über die ihm bei seiner dienstlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren (§ 14 Abs. 1 Satz 1 SG), keine Belohnungen oder Geschenke in Bezug auf seine dienstliche Tätigkeit anzunehmen (§ 19 Satz 1 SG), und sich so zu verhalten, dass er dem Ansehen der Bundeswehr und der Achtung und dem Vertrauen gerecht wird, die sein Dienst als Soldat erfordere (§ 17 Abs. 2 Satz 1, 2. Alternative SG).

19

c) Das Dienstvergehen wiege außerordentlich schwer. Sein Schwerpunkt liege in der Entgegennahme der 25 056 €. Es entspreche der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass ein Beamter oder Soldat, der sich bestechen oder sich erhebliche Vorteile für eine Amtshandlung gewähren lasse, grundsätzlich die Höchstmaßnahme verwirkt habe. Erschwerend trete hinzu, dass der frühere Soldat als Gegenleistung für die Zahlung Dritte über dienstinterne Vorgänge unterrichtet habe. Milderungsgründe in der Tat lägen nicht vor. Der frühere Soldat habe insbesondere nicht aus einer unverschuldeten wirtschaftlichen Notlage heraus gehandelt. Sein Verhalten stelle sich auch nicht als persönlichkeitsfremde Entgleisung eines ansonsten untadeligen Soldaten dar. Auch seine langjährig erbrachten, sehr guten dienstlichen Leistungen rechtfertigten nicht, von der Höchstmaßnahme abzusehen.

20

d) Der Gewährung eines Unterhaltsbeitrages bedürfe der frühere Soldat wirtschaftlich nicht.

21

5. Gegen das dem früheren Soldaten am 28. Juni 2012 zugestellte Urteil hat er am 16. Juli 2012 vollumfänglich Berufung einlegen und sie mit am Montag, dem 30. Juli 2012 beim Truppendienstgericht eingegangenen Schriftsatz im Wesentlichen wie folgt begründen lassen:

22

a) Das Truppendienstgericht hätte sich von den strafgerichtlichen Tatsachenfeststellungen in vollem Umfange lösen müssen. Die Urteilsgründe des Strafurteils enthielten keine Feststellungen zur subjektiven Tatseite. Hinzu trete vor allem, dass das Strafgericht seine (sonstigen) Tatsachenfeststellungen auf die geständige Einlassung des früheren Soldaten gestützt habe, obwohl sie auf einem "gedealten" Geständnis beruhe. Soweit das Truppendienstgericht eine rechtswidrige Verständigung abgelehnt habe, sei dessen Deutung der scheinbar dagegen sprechenden Umstände sach- und lebensfremd. So hätte das Truppendienstgericht danach fragen müssen, warum schon in der ersten Verhandlung vor dem Strafgericht ein Rechtsgespräch geführt worden sei. Zusätzlich sei übersehen worden, dass zum Termin am 19. Oktober 2007 keine Zeugen geladen worden seien. Im Übrigen habe die Staatsanwaltschaft gegen das Strafurteil nur deshalb Berufung eingelegt, weil sich im Nachhinein neue Erkenntnisse ergeben hätten. Es sei zudem früher nicht unüblich gewesen, bei Urteilsabsprachen keinen Rechtsmittelverzicht zu erklären, um damit von ihnen abzulenken. Für eine rechtswidrige Urteilsabsprache spreche zudem, dass das Strafgericht in seine Urteilsgründe die Formulierungen der Anklageschrift wörtlich übernommen und Feststellungen zum Anklagepunkt 4 getroffen habe, obwohl insoweit das Verfahren eingestellt worden sei. Diese nachlässige Arbeitsweise erkläre sich nur mit der Erwartung des Strafgerichts, gegen das Urteil werde ohnehin kein Rechtsmittel eingelegt werden.

23

b) Ungeachtet formaler Mängel - so sei etwa der truppendienstgerichtliche Hinweis auf die Bindung an die sonstigen Feststellungen im Strafurteil zu pauschal - sei das erstinstanzliche Urteil auch aus anderen Gründen rechtsfehlerhaft. Zwar räume der frühere Soldat ein, dass die Übermittlung der Dokumente gemäß den Anschuldigungspunkten 3 a) und 3 b) durch ihn erfolgt sei. Mit Schriftsatz vom 8. Oktober 2013 erklärte er, bezüglich der Anschuldigungspunkte 1 a), 1 b) und 3 a - 3 c) die eigentlichen Tathandlungen nicht zu bestreiten.

24

c) Er habe aber schuldlos gehandelt. Das ergebe sich aus der Organisationsstruktur, der Aufgabenverteilung zwischen Bundesverteidigungsministerium (BMVg), Einsatzführungskommando (EinsFüKdo) und A, seinem ohne Entscheidungskompetenzen und erst auf der 5. (Durchführungs-)Ebene angesiedelten Verantwortungsbereich, dem zu einer engen Zusammenarbeit verpflichtenden Rahmenvertrag "Lufttransport" (aus dem Jahr 2000) sowie aus dem Verhalten seiner Vorgesetzten, die sein Verhalten gebilligt und damit gerechtfertigt hätten. Soweit es die Entgegennahme der 25 056 € betreffe, fehle es vor allem deshalb an einem schuldhaften Verhalten, weil es sich dabei um eine Mietzinszahlung für die Vermietung von zwei Apartments in der "..." ohne dienstlichen Zusammenhang gehandelt habe. Darüber hinaus sei die erstinstanzlich verhängte Disziplinarmaßnahme auch unverhältnismäßig.

Entscheidungsgründe

25

1. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, ihre Förmlichkeiten sind gewahrt (§ 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 WDO).

26

2. Sie ist jedoch unbegründet.

27

Das Rechtsmittel ist in vollem Umfang eingelegt worden. Der Senat hat daher auf der Grundlage eines fehlerfrei durchgeführten Verfahrens im Rahmen der Anschuldigung (a) eigene Tat- und Schuldfeststellungen zu treffen (b), sie rechtlich zu würdigen (c) und unter Zugrundelegung der in § 38 WDO festgelegten Bemessungsfaktoren die angemessene Disziplinarmaßnahme zu verhängen (d) sowie über einen Unterhaltsbeitrag zu befinden (e).

28

a) Die Anschuldigungsschrift ist für eine effektive Verteidigung hinreichend bestimmt. Der Senat interpretiert den Anschuldigungspunkt 2 trotz seines Satzes 2 nicht so, dass er Feststellungen nach den Anschuldigungspunkten 3 und 4 voraussetzt. Vielmehr ist eine Pflichtverletzung in der strafrechtlichen Form der Vorteilsannahme von Anschuldigungspunkt 2 erfasst und dieser ist nicht nur dann erfüllt, wenn sich die Unrechtsvereinbarung entsprechend den strafrechtlichen Anforderungen an Bestechlichkeit konkret auf rechtswidriges Tun entsprechend der Vorwürfe nach den Anschuldigungspunkten 3 und 4 bezieht.

29

b) Gemäß § 123 Satz 3 in Verbindung mit § 106 Abs. 1 WDO hat auch das Berufungsgericht im Falle einer uneingeschränkt eingelegten Berufung zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind. Diese Aufklärungspflicht wird jedoch durch § 84 Abs. 1 Satz 1 WDO eingeschränkt (vgl. Beschluss vom 15. März 2013 - BVerwG 2 B 22.12 - NVwZ-RR 2013, 557 <558>; zur Reichweite: Beschluss vom 27. März 2012 - BVerwG 2 WD 16.11 - Buchholz 450.2 § 84 WDO 2002 Nr 6 = NZWehrr 2012, 254 = juris Rn. 19). Danach sind die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils im Strafverfahren im Disziplinarverfahren, das denselben Sachverhalt zum Gegenstand hat, für das Wehrdienstgericht grundsätzlich bindend. Etwas anderes gilt jedoch gem. § 84 Abs. 1 Satz 2 WDO dann, wenn das Wehrdienstgericht die nochmalige Prüfung solcher strafgerichtlichen Feststellungen beschließt, deren Richtigkeit es bezweifelt. Ein solcher Fall liegt hier vor.

30

aa) Die Lösung von den tatsächlichen Feststellungen eines sachgleichen rechtskräftigen strafgerichtlichen Urteils ist auf Fälle beschränkt, in denen das Wehrdienstgericht sonst gezwungen wäre, auf der Grundlage offenkundig unzureichender oder inzwischen als unzutreffend erkannter Feststellungen zu entscheiden. Die Wehrdienstgerichte sind nach ihrer Zuständigkeit und Funktion keine Überprüfungsinstanz für Strafurteile. Für einen Lösungsbeschluss ausreichende Zweifel an der Richtigkeit der strafgerichtlichen Feststellungen bestehen dann, wenn die strafgerichtlichen Feststellungen in sich widersprüchlich oder sonst unschlüssig sind, im Widerspruch zu den Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen stehen oder aus vergleichbar gewichtigen Gründen offenkundig unzureichend sind.

31

Offenkundig unzureichend sind strafgerichtliche Feststellungen, wenn sie in einem entscheidungserheblichen Punkt unter offenkundiger Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften zustande gekommen sind. Dies kann der Fall sein, wenn der Soldat geltend macht, dem strafgerichtlichen Urteil liege ein "Deal" zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung, der den rechtsstaatlichen Anforderungen an eine Verfahrensabsprache nicht genüge (Urteil vom 14. März 2007 - BVerwG 2 WD 3.06 - BVerwGE 128, 189 <191> = NZWehrr 2007, 212 <213>; vgl. zum Deal allgemein: BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10, 2 BvR 2883/10, 2 BvR 2155/11 - NJW 2013, 1058 ff. sowie nachfolgend BGH, Urteile vom 10. Juli 2013 - 2 StR 195/12 - NJW 2013, 3046 ff. sowie 2 StR 47/13, NJW 2013, 3045) oder ein Formalgeständnis zugrunde (Beschluss vom 1. März 2013 - BVerwG 2 B 78.12 - NVwZ-RR 2013, 559 ff.). Dabei kommt ein Lösungsbeschluss nur in Betracht, wenn sich die Zweifel an der Richtigkeit aus dem Urteil selbst oder in Verbindung mit dem Protokoll der Hauptverhandlung ergeben (vgl. Urteile vom 7. Februar 2013 - BVerwG 2 WD 36.12 - Rn. 29 m.w.N. und vom 15. März 2013 - BVerwG 2 WD 15.11 - Rn. 24 m.w.N). Hiernach war vorliegend ein Lösungsbeschluss geboten.

32

Das Strafgericht hat vorliegend wesentliche Verfahrensvorschriften offenkundig verletzt, weil es seine Überzeugung von der Schuld des Angeklagten allein auf ein inhaltsleeres Formalgeständnis gestützt und nicht geprüft hat, ob dieses mit dem Ermittlungsergebnis zu vereinbaren, in sich stimmig ist und die getroffenen Feststellungen trägt.

33

Ein inhaltsleeres Formalgeständnis liegt vor, wenn die selbstbelastende Einlassung nicht wenigstens so konkret ist, dass geprüft werden kann, ob sie derart im Einklang mit der Aktenlage steht, dass sich hiernach keine weitergehende Sachaufklärung aufdrängt (BGH, Beschluss vom 3. März 2005 - GSSt 1/04 - BGHSt 50, 40 = juris Rn. 42). Hiernach ist ein inhaltsleeres Formalgeständnis jedenfalls dann anzunehmen, wenn es nicht über eine formelhafte Wiederholung von Rudimenten des Anklagesatzes hinausgeht und nur pauschal dessen Richtigkeit zugesteht.

So liegt der Fall hier: Das Strafgericht hat seine Tatsachenfeststellungen auf die Erklärung des seinerzeitigen Verteidigers des früheren Soldaten gestützt, der Anklage werde "nicht entgegengetreten". Die Anklagevorwürfe "seien voll umfänglich zutreffend". Ausweislich der Sitzungsniederschrift hat der Verteidiger des Weiteren vorgetragen, "dass sein Mandant einen Fehler gemacht (habe), indem er den hier in Rede stehenden Betrag angenommen habe (25.056 €)". Selbst wenn man Bedenken, ob damit überhaupt eine eigenständige Aussage des früheren Soldaten vorliegt, angesichts seiner abschließenden Erklärung, er schließe sich den Ausführungen seines Verteidigers an, in der Annahme einer dadurch nachträglich erteilten Genehmigung der Einlassung des Verteidigers zurückstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juni 2005 - 3 StR 176/05 - NStZ-RR 2005, 353; Stuckenberg in: Kleinknecht/Müller/Reitberger, Kommentar zur Strafprozessordnung (Stand: August 2013), § 261 Rn. 54 i.V.m. Rn. 51), fehlt es ihr weiterhin an Substanz. Dies ist offensichtlich, soweit sich die Erklärung des Verteidigers in der Aussage erschöpft, der Anklage werde nicht entgegengetreten; insoweit wird nicht einmal ein Geständnis im strafprozessualen Sinne vorgelegen haben (BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 a.a.O. S. 1063 Rn. 70). Aber auch die Erklärung, die Anklagepunkte "seien voll umfänglich zutreffend" und der frühere Soldat habe durch die Annahme der 25 056 € einen Fehler gemacht, verleiht der geständigen Einlassung keinen originären Inhalt. Dies ist wiederum offensichtlich, soweit es die Anklagepunkte Dokumentenübermittlung betrifft, auf die völlig pauschal Bezug genommen wird; nichts anderes gilt aber auch für den Anklagepunkt, der die Entgegennahme des Geldes betrifft. Die schlichte Einlassung, durch die Annahme von 25 056 € einen Fehler gemacht zu haben, lässt insbesondere nicht ansatzweise Rückschlüsse auf den subjektiven Tatbestand, insbesondere auf eine Unrechtsvereinbarung zu.

34

Die Beschränkung der Beweiswürdigung auf den Hinweis auf das Geständnis genügt insbesondere dann nicht, wenn aufgrund der Komplexität und der zahlreichen Details des festgestellten Sachverhaltes Zweifel bestehen können, dass der Angeklagte an das Tatgeschehen eine auch in den Einzelheiten genügende Erinnerung hat (BGH, Beschluss vom 15. April 2013 - 3 StR 35/13 - juris Rn. 7 m.w.N.).

Hier lag dem Strafverfahren eine inhaltsreiche Anklageschrift mit einer Vielzahl komplexer und sich über einen längeren Zeitraum hinziehender Tathandlungen zugrunde. Wegen dieser Komplexität der Vorwürfe genügt eine Beweiswürdigung, die - wie hier im Strafverfahren - allein auf eine pauschale geständige Einlassung gestützt wird, nicht den Mindestanforderungen an eine rechtsstaatlichen Grundsätzen genügende richterliche Überzeugungsbildung.

35

bb) Als Ergebnis der demnach vom Berufungsgericht durchzuführenden Beweiserhebung steht zur Überzeugung des Senats in tatsächlicher Hinsicht fest:

36

aaa) zum Anschuldigungspunkt 2:

37

a) Dem früheren Soldaten ist ausweislich der in die Berufungshauptverhandlung eingeführten Unterlagen auf Veranlassung des Zeugen Schm., bei dem es sich um den Geschäftsführer der mit der Bundeswehr vertraglich verbundenen Firma M. handelt, auf seinem Konto ... bei der ... Bank am 24. Mai 2002 ein Betrag von 25 056 € gutgeschrieben worden. Dem früheren Soldat war die wirtschaftliche Urheberschaft der Zahlung auch bekannt.

38

Der frühere Soldat hat sich in der Berufungshauptverhandlung insoweit erneut geständig eingelassen. An der Richtigkeit dieser geständigen Einlassung bestehen keine Bedenken, da der frühere Soldat ausweislich des in die Berufungshauptverhandlung eingeführten, bei ihm im Rahmen der bei ihm im Strafverfahren durchgeführten Hausdurchsuchung beschlagnahmten E-Mail-Verkehrs zwischen einem Herrn K. und Herrn Schm. von der Transaktion und der wirtschaftlichen Urheberschaft wusste. Insbesondere der dortige, vom Zeugen Schm. in der Berufungshauptverhandlung als seine Handschrift und Paraphe bestätigte Zusatz auf dessen Fax vom 22. Mai 2002, 19:14, an den früheren Soldaten ("Lieber Herr ..., bedauere Verzögerung viele Grüße Schm.") belegt, dass der frühere Soldat wusste, auf wessen Veranlassung ihm das als Absender die Firma A. ausweisende Geld bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise zufloss.

39

ß) Die 25 056 € sind dem früheren Soldaten nicht als Entgelt (Mietzins) für die Vermietung der in seinem Eigentum stehenden Appartements 8 und 10 in der Ferienanlage "..." an die Firma A. zugeflossen. Der frühere Soldat beruft sich insoweit zwar auf einen entsprechenden Mietvertrag, der durch die Vermittlung der Firma P. geschlossen worden sei; zur Überzeugung des Gerichts handelt es sich dabei jedoch um einen Scheinmietvertrag. Der Senat gründet seine Überzeugung auf eine Gesamtschau folgender Sachverhaltskomponenten:

40

Der frühere Soldat hat ausweislich seiner in die Berufungshauptverhandlung eingeführten richterlichen Vernehmung am 16. Dezember 2004 im strafgerichtlichen Ermittlungsverfahren dezidiert erklärt, Hintergrund für die Zahlung der 25 056 € sei nicht die Bezahlung eines Mietzinses für Appartements auf Rügen gewesen. Die bei ihm diesbezüglich gefundenen Verträge stimmten so nicht. Es sei nie beabsichtigt gewesen, dass Mitarbeiter der Firma A. ein Appartement beziehen sollten. Zwar hat der frühere Soldat diese richterlich protokollierte Aussage mit der Behauptung widerrufen, dass er sie seinerzeit angesichts des nahenden Weihnachtsfestes auf Anraten seines Rechtsanwalts abgegeben habe. Ob dem früheren Soldaten sein Verteidiger tatsächlich erklärt hat, er könne ein richterlich protokolliertes Geständnis durch eine einfache Erklärung später "wieder einfangen", mag dahingestellt bleiben; jedenfalls ist der Widerruf schon deshalb nicht plausibel, weil er ausweislich des ebenfalls in die Berufungshauptverhandlung eingeführten Protokolls der Hauptverhandlung des Amtsgerichts ... vom 19. Oktober 2007 auch noch annähernd drei Jahre später und ohne sich der Gefahr einer Inhaftierung ausgesetzt zu sehen zumindest formal die Entgegennahme des Geldes erneut eingeräumt und als Fehler anerkannt hat. Soweit er auch dieses Verhalten auf ein entsprechendes Anraten seines Rechtsanwaltes stützt und erklärt, er habe in einer Verhandlung vor dem Strafgericht nichts Schlechtes über die Bundeswehr sagen, insbesondere nicht gegen einen so mächtigen Gegner antreten wollen, überzeugt dies den Senat nicht. Zum einen wiederholt sich damit ein bereits bekanntes Verteidigungsmuster ("Anraten des Verteidigers"); zum anderen befand sich der frühere Soldat im Jahre 2007 bereits im Ruhestand, sodass er durch die Bekanntgabe von für die Bundeswehr unangenehmen Umständen keine nachteiligen Auswirkungen im Dienst mehr zu befürchten gehabt hätte.

41

Darüber hinaus hat die in die Berufungshauptverhandlung eingeführte polizeiliche Asservatenauswertung des Polizeipräsidiums ... vom 14. Januar 2005 ergeben, dass zahlreiche im Zusammenhang mit der Anbahnung des (vermeintlichen) Mietvertrags stehende Schreiben (in das Jahr 2001) vordatiert wurden, um einen zeitlichen Bezug zur Dienstverrichtung des früheren Soldaten im Jahre 2002 zu verschleiern. Soweit er dem entgegenhält, die Speicherung der Schreiben im Jahr 2002 erkläre sich mit einem defekten Computer und deren Neuerstellung damit, dass er sie auch für das Finanzamt benötigt habe, nimmt dies der Auswertung nicht ihre Überzeugungskraft. Denn der Einwand des früheren Soldaten erklärt nicht, warum er für die Steuererklärung selbst augenscheinlich unwichtige Schreiben - wie angeblich die seines Vaters - wiederhergestellt hat. Die Ehefrau des früheren Soldaten schließlich hat zwar in der Berufungshauptverhandlung von einer defekten Festplatte berichtet, konnte sich an den Zeitpunkt jedoch nicht mehr erinnern, ebenso wenig wie daran, welche Unterlagen verlorengegangen seien. Da sie jedoch erklärte, sie habe wegen der Vermietung seinerzeit die Korrespondenz geführt, hätte es nahe gelegen, sich an einen Computerabsturz zu erinnern, wenn er es notwendig gemacht hätte, steuerlich relevante Dokumente wiederherzustellen. Unstimmig ist ferner, dass der frühere Soldat ein auf die Begründung eines Mietverhältnisses ausgerichtetes Schreiben aus dem Jahre 2001 wiederhergestellt haben will, obwohl sich ein in die Berufungshauptverhandlung eingeführtes Originalschreiben der P. (an den Vater des früheren Soldaten), mit dem sie sich nach Vermietungsobjekten erkundigt, erst vom 14. Februar 2002 datiert.

42

Fest steht des Weiteren, dass auch nach Aussage des früheren Soldaten und seiner in der Berufungshauptverhandlung als Zeugin vernommenen Ehefrau eine Nutzung der Appartements durch Angehörige der A. nicht stattgefunden hat. Darüber hinaus hat auch der Zeuge Schn. in der Berufungshauptverhandlung ausgeführt, ihm sei nicht bekannt, dass es im Jahre 2002 Dauermieter gegeben habe; dies hätte ihm gesagt werden müssen, weil er freie Appartements vor Ort vermieten durfte. Er könne sich auch nicht daran erinnern, dass die Appartements in den Jahren 2002/2003 für zwei Monate gesperrt gewesen seien. Soweit der frühere Soldat und dessen Ehefrau dem entgegenhalten, vertraglich sei es zulässig gewesen, die Appartements anderweitig zu vermieten, wenn sie von der A. nicht beansprucht würden, nimmt dies der gänzlich fehlenden Nutzung durch Angehörige der A. nicht die indizielle Bedeutung dafür, dass für den Zufluss der 25 056 € zu keinem Zeitpunkt eine Vermietung von Ferienwohnungen als Gegenleistung im Raum gestanden hat. Wenn dies der Fall gewesen wäre, hätte es im Hinblick auf den erheblichen wirtschaftlichen Vorteil für die Eheleute nahegelegen, die in der Vereinbarung vorgesehene Verlängerungsoption zu nutzen. Warum dies nicht geschah, erschloss sich weder aus der Aussage des früheren Soldaten noch aus der seiner Ehefrau auch nur ansatzweise.

43

y) Sowohl die Zahlung als auch die Entgegennahme der 25 056 € standen mit der dienstlichen Tätigkeit des früheren Soldaten in einem Zusammenhang der Gestalt, dass ein Klima allgemeinen Wohlwollens gegenüber der Firma M. im Rahmen der Amtsausübung geschaffen wurde. Sowohl der frühere Soldat als auch der Zeuge Schm. waren sich dessen bewusst.

44

Der frühere Soldat hat in der Berufungshauptverhandlung ausgesagt, ihm sei zwar bewusst gewesen, dass die Anweisung/Vermittlung durch Herrn Schm. erfolgt sei; nicht bewusst sei ihm allerdings eine Verbindung zwischen Geldzahlung und seinen dienstlichen Handlungen gewesen, er bestreite jede Verknüpfung zwischen der Geldzuwendung und seiner dienstlichen Tätigkeit. Zur Überzeugung des Senats handelt es sich dabei um eine Schutzbehauptung.

45

Da zwischen dem früheren Soldaten und dem Zeugen Schm. nach beider Aussage in der Berufungshauptverhandlung keinerlei private Beziehung bestand, die die Zuwendung des Geldes als freundschaftlichen Akt der Hilfeleistung erklären könnte, steht kein anderes Zuwendungsmotiv als der berufliche Kontakt zwischen beiden im Raum. Dem entspricht, dass der Zeuge Schm. in der Berufungshauptverhandlung trotz massiver Erinnerungslücken ausgesagt hat, es habe schon Dinge gegeben, die über die Dienstpflichten hinausgegangen seien.

46

Dass auch der frühere Soldat von einer unzulässigen Verknüpfung zwischen Dienstausübung und Entgegennahme des Geldes ausgegangen ist, wird daran deutlich, dass er durch die Erstellung eines fingierten Schriftverkehrs an der Vortäuschung eines Mietvertragsverhältnisses aktiv mitgewirkt und dabei nach eigener Einlassung in Kenntnis dessen gehandelt hat, dass der Geschäftsführer der den angeblichen Mietvertrag vermittelnden P. ebenfalls der Zeuge Schm. war, auf dessen Veranlassung ihm - wie ihm ebenfalls bekannt - der Geldbetrag zufloss.

47

Für eine Verknüpfung zwischen Geldzufluss und dienstlicher Tätigkeit spricht ferner, dass der frühere Soldat ausweislich des in die Berufungshauptverhandlung eingeführten Aktenvermerks des Polizeipräsidiums ... vom 4./5. Oktober 2004 (einschließlich Anlage) und nach seiner in der Berufungshauptverhandlung, bereits aber auch anlässlich seiner richterlichen Vernehmung am 16. Dezember 2004 getätigten Aussage zwei weitere Zahlungen vom 20. November 2002 und 29. November 2002 am 25. November 2002 und am 5. Dezember 2002 jeweils rücküberwiesen hat. Dies erfolgte somit zu einem Zeitpunkt, zu dem er wegen des im Oktober 2002 erfolgten Übergangs der bislang seinem Dezernat obliegenden Aufgabe an das Logistikzentrum der Bundeswehr zur Firma M. sowie zu deren Geschäftsführer Schm. in keinem dienstlichen Kontakt mehr stand, der - jedenfalls aus der Warte des früheren Soldaten - weitere Zuwendungen "gerechtfertigt" hätte.

48

Dabei mag dahingestellt bleiben, ob der Zusammenhang zwischen Dienstausübung und Entgegennahme des Geldes zusätzlich durch die weitere Aussage des Zeugen Schm. bestätigt wird, der in der Berufungshauptverhandlung erklärt hat, keinen Anlass zu haben, an der Richtigkeit seiner - ihm in der Berufungshauptverhandlung vorgehaltenen - Aussage vom 20. Februar 2006 zu zweifeln; er hatte seinerzeit ausgesagt, der frühere Soldat habe zwei Überweisungen mit dem Bemerken zurückgehen lassen, er - der frühere Soldat - habe sich dieses Geld "nicht (Zusatz: mehr) verdient". Darüber hinaus hatte der Zeuge Schm. dort erklärt, aufgrund der Zahlung habe er von dem früheren Soldaten erwartet, dass die bisherige Zusammenarbeit auch in Zukunft entsprechend eng und vertraulich weitergeführt werde. Er habe insbesondere erwartet, dass der frühere Soldat Probleme im Sinne von der Firma M. lösen bzw. im Rahmen seiner Möglichkeiten Einfluss auf die Lösung solcher Probleme nehmen werde. Mit der Übersendung vertraulicher Unterlagen seien vom früheren Soldaten ebenfalls Erwartungen erfüllt worden, die er - der Zeuge - an die Leistung des Geldbetrages geknüpft habe. Aus seiner Sicht habe der frühere Soldat dies auch so verstanden.

49

d) Auch ohne Zuständigkeit für die Ausschreibung und Vergabe konnte der frühere Soldat seine beschränkten Einflussmöglichkeiten vorteilhaft für die Firma M. nutzen.

50

Zwar traf die Entscheidung über die Vergabe der Aufträge an die Firma M. formal das BAWV; dies jedoch auf der Grundlage von Leistungsbeschreibungen, die das A nach den operativen Vorgaben des EinsFüKdo umgesetzt hatte. Dabei steht zum einen auf der Grundlage der Aussage des Zeugen Brigadegeneral a.D. Schw. fest, dass das BAWV - mangels militärfachlicher Expertise - von den Leistungsbeschreibungen des A faktisch nicht mehr abrückte: Gravierende Veränderungen durch das BAWV seien nicht erfolgt; in der praktischen Durchführung sei das Endprodukt in ihrer Abteilung gewesen, die inhaltlichen Vorgaben für das BAWV seien durch die Leistungsbeschreibungen gesetzt gewesen. Zum anderen folgt aus der Aussage des Zeugen Oberstleutnant S., dass die operativen Vorgaben des EinsFüKdo nicht bereits derart konkret waren, dass dem A bei ihrer Umsetzung kein Spielraum mehr verblieben wäre. Er hat ausgesagt, einen Spielraum habe es beispielsweise bei der Luftfrachtsicherheit gegeben.

51

Soweit es die Erstellung der Leistungsbeschreibungen innerhalb des A betrifft, steht als Ergebnis der Beweisaufnahme fest, dass der frühere Soldat auf die Erstellung der Leistungsbeschreibungen durchaus Einfluss nehmen konnte, auch wenn ihm keine Letztentscheidungsbefugnis zustand und er nach seinen Angaben auf der 5. Durchführungsebene eingesetzt war. Der Zeuge Oberstleutnant S. hat dazu ausgesagt, selbstverständlich gebe es beim Erstellen einer Leistungsbeschreibung Spielräume. Zwar hat der Zeuge Brigadegeneral a.D. Schw. ausgesagt, die Unterzeichnung der Leistungsbeschreibung sei nicht nur Sache der ... gewesen, es hätten mehrere darauf gesehen; allerdings hat er auch ausgeführt, er sehe, wenn auch geringe, Gestaltungsspielräume des früheren Soldaten; jeder habe Gestaltungsspielraum gehabt. Dem entspricht, dass auch der Zeuge Oberst a.D. K. ausgesagt hat, die Leistungsbeschreibung sei zwar kein alleiniges Produkt eines Soldaten oder eines Dezernats gewesen, jedoch habe der frühere Soldat im Rahmen seiner Fachexpertise bei der Erstellung der Leistungsbeschreibungen über Spielraum verfügt (wenn auch ohne direkte Auswirkungen auf die Auswahl). Es sei immer möglich gewesen, Kriterien in der Leistungsbeschreibung enger oder weiter zu fassen. Weichen hätten immer gestellt werden können. Damit rundet sich das Bild von einem Aufgabenbereich des früheren Soldaten ab, in dem dieser zwar nicht allein an der Erstellung einer Leistungsbeschreibung beteiligt war, ihm aber im Rahmen des Prozesses zur Herstellung der Leistungsbeschreibungen durchaus Einflussmöglichkeiten zustanden. Über die Einflussnahme auf den Inhalt von Leistungsbeschreibungen hinaus konnte der frühere Soldat der Firma M. frühzeitig Informationen verschaffen, die die Firma als Wettbewerbsvorteile oder zur Verbesserung ihrer Verhandlungsposition nutzen konnte.

52

bbb) zum Anschuldigungspunkt 3 a):

53

a) Auf der Grundlage der in der Berufungshauptverhandlung nun geständigen Einlassung des früheren Soldaten sowie des in die Berufungshauptverhandlung eingeführten E-Mail-Verkehrs zwischen dem Zeugen Schm. und seinem damaligen Mitarbeiter H. vom 12. bzw. 14. März 2002 steht fest, dass der frühere Soldat in diesem zeitlichen Zusammenhang, jedenfalls vor dem 19. März 2002, wissentlich und willentlich dem Zeugen Schm. den Entwurf einer Leistungsbeschreibung für den späteren Transportauftrag ... des BAWV übersandt hat, wohingegen die Mitbewerber von diesem Auftrag erst über die Ausschreibung durch das BAWV am 19. März 2002 erfuhren. An der Richtigkeit der geständigen Einlassung des früheren Soldaten zu zweifeln besteht kein Anlass, zumal sie mit den oben genannten Emails korrespondiert.

54

ß) Des Weiteren steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Übermittlung weder durch eine vertragliche Regelung zwischen dem Bund und der Firma M. noch durch ein billigendes Verhalten von Vorgesetzten des früheren Soldaten abgedeckt war.

55

Soweit sich der frühere Soldat auf einen Rahmenvertrag aus dem Jahre 2000 stützt, bezieht er sich auf eine vertragliche Regelung mit dem Luftwaffenunterstützungskommando, die sich auf den Transport von Stückgut bezog, während es vorliegend - wie angeschuldigt und vom früheren Soldaten nicht in Zweifel gezogen - um Charterflüge ging. Dies folgt zum einen aus der in die Berufungshauptverhandlung eingeführten E-Mail vom 21. Januar 2002 (bzw. 17. Januar 2002) der Mitarbeiterin des BAWV U., der zu entnehmen ist, dass die damalige Zusammenarbeit mit der Firma M. jeglicher vertraglichen Grundlage deshalb entbehrt(e), weil der bestehende Rahmenvertrag lediglich eine Abrechnung nach den dort vereinbarten Stückgutpreisen zuließ, wozu die Firma M. seinerzeit aber nicht mehr bereit gewesen sei. Zum anderen aber auch aus gleichlautenden Zeugenaussagen: Der Zeuge Oberstleutnant S. konnte sich daran erinnern, dass der Rahmenvertrag auf Stückgut beschränkt war und er nur für die ersten zwei Flüge zugrunde gelegt worden sei. Auch der Zeuge Brigadegeneral a.D. Schw. hat bestätigt, dass sich der Rahmenvertrag auf Stückguttransporte bezogen habe. Des Weiteren hat auch der Zeuge Oberst a.D. K. bestätigt, dass ein Rahmenvertrag zwischen M. und dem Luftwaffenunterstützungskommando bestand und dieser nur Stückgut betroffen habe. Von daher wäre der Vertrag bereits nicht einschlägig gewesen.

56

Ungeachtet dessen hätte er aber auch nicht das Verhalten des früheren Soldaten gerechtfertigt, der aus ihm die Übermittlung als im Rahmen der vertraglichen Zusammenarbeit erforderlich ableitet. Denn die Übermittlung des Entwurfs einer Leistungsbeschreibung für die Ausschreibung eines künftig erst zu vergebenden Auftrages an einen Mitbewerber vor den anderen Mitbewerbern kann nicht in einem bestehenden Vertrag mit einem Mitbewerber geregelt sein. Würde ein bestehender Vertrag den Auftrag abdecken, wäre eine Ausschreibung für den Abschluss eines neuen Vertrages mit dem günstigsten Bewerber überflüssig. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die öffentliche Hand mit einem Mitbewerber die Umgehung der elementaren Voraussetzungen des Vergaberechts zu Gunsten dieses Mitbewerbers und unter Verzerrung des Wettbewerbes durch eine exklusive Vorabinformation regeln würde. Soweit der frühere Soldat das Bestehen einer solchen Vertragsklausel behauptet, die nicht ermittelt werden konnte, stellt er eine Behauptung ins Blaue hinein auf, der der Senat nicht weiter nachgehen musste. Dem entspricht, dass der Zeuge Oberst a.D. K. ausgesagt hat, es habe etwa 5 oder 6 Unternehmen als Bewerber gegeben, jedenfalls mehr als ein Unternehmen. Dass der frühere Soldat in der Berufungshauptverhandlung geäußert hat, ihm sei bis heute nicht klar, warum man die Ausschreibung habe abwarten sollen, weil doch klar gewesen sei, dass - wegen des präferierten Flugzeugtyps und damit der Fluggesellschaft - nur die Vergabe an die Firma M. in Frage komme, steht dem nicht entgegen. Die Äußerung belegt vielmehr, dass sich der frühere Soldat der rechtlichen Rahmenbedingungen durchaus bewusst, jedoch nicht bereit war, sie zu akzeptieren. Dem entspricht seine Aussage in der Berufungshauptverhandlung, es sei ihm darum gegangen, das Konzept des A dem BAWV gegenüber durchzusetzen, er habe die Firma M. nicht als Wettbewerber, sondern als Teammitglied gesehen.

57

Die Übersendung erklärt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass - wie von den Zeugen Oberstleutnant K. und Oberstleutnant S. angesprochen - noch im Vorfeld der Erstellung von Leistungsbeschreibungen der Markt danach abgefragt werden sollte, ob und in welcher Form die ausgeschriebene Leistung überhaupt erbringbar ist. Die Übersendung des Entwurfs der Leistungsbeschreibung erfolgte nur wenige Tage vor der Ausschreibung des BAWV vom 19. März 2002. Es musste sich deshalb zumindest um einen der Endfassung sehr nahe kommenden Entwurf handeln. Für die Annahme einer vorgeschalteten Marktabfrage war zu diesem Zeitpunkt kein Raum mehr.

58

Ebenso wenig erfolgte die Übersendung des Dokuments mit Billigung der dem früheren Soldaten Vorgesetzten. In diesem Sinne hat etwa der Zeuge Brigadegeneral a.D. Schw. ausgeführt, es sei zwar nicht verwerflich, dass ein Entwurf vorab an die Firma M. gesandt würde; nicht üblich sei indes, einzelnen Wettbewerbern Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Gleich lautend hat der dem früheren Soldaten seinerzeit unmittelbar (fach-)vorgesetzte Zeuge Oberst a.D. K. zu dem streitgegenständlichen Schriftstück dezidiert ausgeführt, weder sei ihm dessen Übersendung bekannt noch habe es einer üblichen Verfahrensweise entsprochen, solche internen Schreiben an Dritte zu übermitteln. Der Zeuge Oberst a.D. B. hat ebenfalls ausgeführt, einem Anbieter das streitgegenständliche Schriftstück zur Kenntnis zu bringen, wäre eher ungewöhnlich. Ob eine derartige "Mitzeichnung" eines Anbieters korrekt bzw. legal wäre, könne man bezweifeln. Auch Oberstleutnant S. hat erklärt, er wisse keinen Grund dafür, warum eine fertige Leistungsbeschreibung an einen Dritten vorab übermittelt werden müsste. Die früheren Mitarbeiter im Dezernat des früheren Soldaten, die Zeugen Oberstleutnant Sch. und Oberstleutnant K., haben in Übereinstimmung damit ebenfalls erklärt, weder selbst Leistungsbeschreibungen vorab an zukünftige oder gegenwärtige Vertragspartner versendet zu haben noch von der Versendung durch andere Dezernatsmitarbeiter zu wissen. Dabei hat der Zeuge Oberstleutnant Sch. bestätigt, dass es nicht üblich gewesen sei, den Entwurf einer Leistungsbeschreibung an eine Firma zu geben.

59

ccc) zum Anschuldigungspunkt 3 b):

60

a) Auf der Grundlage der auch in der Berufungshauptverhandlung geständigen Einlassung des früheren Soldaten sowie des in die Berufungshauptverhandlung eingeführten streitgegenständlichen Dokuments steht fest, dass dieser wissentlich und willentlich am 22. März 2002 - 19:18 Uhr per Telefax von seinem privaten Telefax-Anschluss an den Zeugen Schm. (private Telefax-Nummer: ...) oder an die Firma M. ein den damals seinem Dezernat angehörenden Fregattenkapitän J. als Bearbeiter und Unterzeichner ausweisendes dienstinternes Schreiben (ohne Unterschrift) an das Vergabereferat des BAWV (...) vom selben Tag betreffend die Vor- bzw. Nachläufe von den Depots zum APOE (airport of embarkation) ... übermittelte und dadurch der Firma M. bewusst und gewollt Zugang zu einem dienstinternen Dokument verschaffte. An der Richtigkeit der geständigen Einlassung des früheren Soldaten zu zweifeln besteht kein Anlass, weil das fragliche Schreiben bei der Durchsuchung der Räume der Firma M. während des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens sichergestellt worden war und eine Faxkennung des privaten Anschlusses des früheren Soldaten aufwies.

61

ß) Zur Überzeugung des Senats steht entgegen den Erklärungen des früheren Soldaten fest, dass die Übermittlung weder durch eine vertragliche Reglung zwischen dem Bund und der Firma M. noch durch ein billigendes Verhalten von Vorgesetzten des früheren Soldaten gedeckt und sich der frühere Soldat dessen auch bewusst war.

62

Das Schreiben vom 22. März 2002 enthält keine Informationen, die die Firma M. gebraucht hätte, um einen bestehenden Auftrag umzusetzen. Nicht ersichtlich ist insbesondere, warum - so der frühere Soldat in der Berufungshauptverhandlung - die Firma M. einen gleichen Informationsstand hätte haben müssen wie die Dienststellen der Bundeswehr. Das Schreiben enthielt zudem unter Ziffer 5 den Hinweis auf die "Möglichkeit der Nachverhandlung" mit der Firma M. wegen unklarer Rechnungsstellungen und es oblag nicht dem früheren Soldaten, der Firma M. vorab mitzuteilen, dass sie sich auf Forderungen einer anderen Dienststelle des Bundes vorbereiten müsse. Eine frühzeitige Information hierüber vor einem entsprechenden Anschreiben der zuständigen Dienststelle lag deshalb im Interesse allein der Firma M., weil ihr dies mehr Zeit verschaffte, ihre Argumentation gegen Nachforderungen vorzubereiten.

63

Darüber hinaus hat der Zeuge Brigadegeneral a.D. Schw. auch hinsichtlich dieses Schriftstückes ausgeführt, er halte es nicht für üblich, Schriftstücke zwischen Bundeswehrdienststellen Firmen zur Kenntnis zu bringen. Ebenso hat der Zeuge Oberst a.D. K. erklärt, die Versendung dieses Dokuments erachte er nicht für notwendig und er halte dies auf gar keinen Fall für richtig, da es sich um internen Schriftverkehr handle. Es sei auch nicht üblich gewesen, dass solche internen Sachen übermittelt würden.

64

c) Das zu den Anschuldigungspunkten 2 sowie 3 a) und 3 b) festgestellte Verhalten begründet ein Dienstvergehen gemäß § 23 Abs. 1 SG.

65

aa) Die gemäß Anschuldigungspunkt 2 festgestellte Handlung bildet eine Pflichtverletzung.

66

aaa) Der frühere Soldat hat durch sie vorsätzlich gegen die nach § 7 SG bestehende Pflicht zum treuen Dienen verstoßen. Sie schließt insbesondere die Verpflichtung zur Loyalität gegenüber der geltenden Rechtsordnung, vor allem die Beachtung der Strafgesetze ein. Allerdings stellt nicht jede Verletzung einer Rechtsvorschrift bereits eine Verletzung der Pflicht zum treuen Dienen dar. Es muss sich vielmehr um einen Rechtsverstoß von Gewicht handeln, der zudem in einem Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis steht (Urteil vom 25. September 2008 - BVerwG 2 WD 19.07 - Buchholz 449 § 17 SG Nr. 42 Rn. 32 = NZWehrr 2009, 73 <75> = juris Rn. 32 m.w.N.).

67

Ein disziplinarrechtlich relevanter Verstoß gegen Strafgesetze liegt vor. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob sich der frühere Soldat - wie vom Strafgericht angenommen - nach § 332 Abs. 1 StGB der Bestechlichkeit strafbar gemacht hat; jedenfalls hat er den Straftatbestand der Vorteilsannahme gem. § 331 Abs. 1 StGB verwirklicht, dessen auch dienstliche Relevanz schon daraus folgt, dass es sich um ein gemäß § 48 Abs. 1 WStG auch für einen Soldaten relevantes Amtsdelikt handelt.

68

Der frühere Soldat hat vorsätzlich einen Vorteil dadurch angenommen, dass er wissentlich und willentlich die ihm im Mai 2002 - wie ihm auch bekannt - auf Veranlassung des Geschäftsführers der Firma M. überwiesenen 25 056 €, auf die er keinen Anspruch hatte und die seine wirtschaftliche Situation verbesserten (BGH, Urteil vom 2. Februar 2005 - 5 StR 168/04 - NStZ 2005, 334 <335>), behalten hat.

69

Die Entgegennahme erfolgte "für" seine Dienstausübung im Sinne des § 331 Abs. 1 StGB, wobei die beiden Seiten bewusste Verknüpfung von Dienstausübung und Vorteilsannahme (Unrechtsvereinbarung) sich nicht auf eine konkrete Dienstleistung zu beziehen brauchte; es reicht aus, wenn die Zuwendung dazu dient, ein allgemeines Wohlwollen zu schaffen. Nach den Feststellungen des Senats (unter bb), aaa), ß) und ?) bestand zwischen dem Zeugen Schm. und dem früheren Soldaten Einverständnis darüber, dass der Vorteil für die Dienstausübung gewährt wurde. Dass die Dienstausübung - worauf der Einwand des früheren Soldaten abzielt - auch und gerade für den Vorteil vorgenommen wurde, ist hingegen nicht erforderlich. Nach der Neufassung des § 331 Abs. 1 StGB ist es ausreichend, dass der Vorteil von Vorteilsgeber und Vorteilsnehmer allgemein im Sinne eines Gegenseitigkeitsverhältnisses mit der Dienstausübung des Amtsträgers verknüpft wird, wodurch auch schon einem bewussten Handeln von Amtsträgern begegnet werden soll, mit dem ein böser Anschein möglicher "Käuflichkeit" erweckt wird. Nur darauf muss sich der Vorsatz des Vorteilnehmers auch beziehen (BGH, Urteil vom 2. Februar 2005 a.a.O. S. 335).

70

Der frühere Soldat befand sich nicht in einem entsprechend § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB den Vorsatz ausschließenden Irrtum über das Bestehen einer Unrechtsvereinbarung. Denn wer sich - wie der frühere Soldat - an der Vortäuschung eines Mietvertrages beteiligt, weiß um den zu verschleiernden wahren Hintergrund der Zahlungen.

71

bbb) Der frühere Soldat hat mit seinem Verhalten darüber hinaus vorsätzlich gegen § 19 Abs. 1 Satz 1 SG verstoßen, der ihm verbietet, in Bezug auf seine dienstliche Tätigkeit Belohnungen, Geschenke oder sonstige Vorteile anzunehmen. Eine Zustimmung durch die oberste Dienstbehörde, die die Annahme ausnahmsweise gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 SGB gerechtfertigt hätte, liegt ersichtlich nicht vor. Vorsatzausschließende Umstände fehlen aus den bereits zuvor dargelegten Gründen ebenfalls.

72

ccc) Ferner hat der frühere Soldat gegen § 17 Abs. 2 Satz 1 SG verstoßen. Jeder Verstoß eines Soldaten gegen eine gesetzliche Dienstpflicht enthält zudem einen Verstoß gegen § 17 Abs. 2 SG, wenn dem festgestellten Verhalten unabhängig von den anderen Pflichtenverstößen die Eignung zur Ansehensminderung innewohnt. Dies ist schon dann der Fall, wenn es Zweifel an seiner Zuverlässigkeit weckt oder die Eignung des Soldaten für die jeweilige Verwendung in Frage stellt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine Beeinträchtigung der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit tatsächlich eingetreten ist, sondern nur darauf, ob das festgestellte Verhalten dazu geeignet war (vgl. Urteil vom 17. Januar 2011 - BVerwG 2 WD 25.11 - juris Rn. 37 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind durch die Annahme der 25 056 €, durch die der frühere Soldat zumindest den bösen Anschein seiner Käuflichkeit erweckt hat, erfüllt.

73

bb) Durch die gemäß Anschuldigungspunkt 3 a) und 3 b) festgestellten Handlungen hat der frühere Soldat jeweils zusätzliche Pflichtverletzungen begangen.

74

aaa) Mit der Übersendung der Leistungsbeschreibung und der festgestellten Übersendung des dienstinternen Schreibens hat der frühere Soldat vorsätzlich gegen die nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SG bestehende Pflicht verstoßen, über die ihm bei oder bei Gelegenheit seiner dienstlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren. Dabei steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch fest, dass die Übermittlung der Leistungsbeschreibung und des Schreibens weder im dienstlichen Verkehr geboten war (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SG) noch damit Tatsachen mitgeteilt wurden, die offenkundig waren oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedurften (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SG).

75

Den Vorsatz des früheren Soldaten ausschließende Umstände liegen auch insoweit nicht vor, insbesondere fehlt es an einem Irrtum. Seine Äußerung in der Berufungshauptverhandlung, er verstehe bis heute nicht, warum auf das Ergebnis der Ausschreibung habe gewartet werden sollen, dokumentiert insbesondere keinen Irrtum über die Grenzen seines rechtlichen Tuns, sondern belegt vielmehr die fehlende Akzeptanz des früheren Soldaten über ihm durchaus bekannte, von ihm allerdings für unzweckmäßig erachtete rechtliche Grenzen. Dessen Äußerung in der Berufungshauptverhandlung, er habe einen gleichen Informationsstand für die Bundeswehr und die Firma M. herstellen wollen, und es sei ihm darum gegangen, das Konzept (des A) gegenüber dem BAWV durchzusetzen, dokumentiert ebenfalls keinen Irrtum über die Grenzen seines rechtlichen Tuns, sondern belegt erneut die fehlende Akzeptanz des Soldaten über ihm durchaus bekannte, von ihm jedoch für unzweckmäßig erachtete rechtliche Grenzen.

76

bbb) Ob der frühere Soldat darüber hinaus den Straftatbestand des Geheimnisverrats nach § 353 b Abs. 1 Nr. 1 StGB begangen hat, kann deshalb dahingestellt bleiben, weil dies für den Ausgang des Rechtsmittels ohne Bedeutung ist (vgl. Urteil vom 18. Juli 2013 - BVerwG 2 WD 3.12 - Rn. 48).

77

ccc) Ferner hat der frühere Soldat aus den bereits im Zusammenhang mit Anschuldigungspunkt 2 dargelegten Gründen jeweils vorsätzlich gegen § 17 Abs. 2 Satz 1 SG verstoßen.

78

d) Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist von der von Verfassungs wegen allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen. Diese besteht ausschließlich darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten (vgl. Urteil vom 11. Juni 2008 - BVerwG 2 WD 11.07 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 26 m.w.N. = juris jeweils Rn. 23). Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des früheren Soldaten zu berücksichtigen.

79

Hiernach ist die Aberkennung des Ruhegehalts geboten, weil der frühere Soldat aus dem Dienstverhältnis zu entfernen gewesen wäre, falls er sich noch im Dienst befände, § 65 Abs. 1 Satz 2 WDO. Da die disziplinarische Höchstmaßnahme damit bereits auf der Grundlage der zu den Anschuldigungspunkten 2 und 3 a) sowie 3 b) festgestellten Pflichtverletzungen zu verhängen ist, fielen die sonstigen angeschuldigten Pflichtverletzungen für die Art und Höhe der Disziplinarmaßnahme nicht mehr ins Gewicht. Sie konnten deshalb ausgeklammert werden (§ 107 Abs. 2 Satz 1 WDO). Wenn die festgestellten Verfehlungen die Höchstmaßnahme rechtfertigen, kann das Bundesverwaltungsgericht von der erschöpfenden Überprüfung aller Anschuldigungspunkte absehen (Dau, WDO 6. Aufl., § 116 Rn. 12 m.w.N., stRspr).

80

aa) Eigenart und Schwere des Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Unrechtsgehalt der Verfehlungen, d.h. nach der Bedeutung der verletzten Dienstpflichten. Danach wiegt die Verfehlung äußerst schwer.

81

Der besondere Unrechtsgehalt des Dienstvergehens ergibt sich daraus, dass der frühere Soldat gegen das Verbot der Annahme von Belohnungen und Geschenken gem. § 19 Abs. 1 SG und zugleich gegen seine Pflicht zur Loyalität gegenüber der Rechtsordnung, vor allem der Beachtung der Strafgesetze, massiv verstoßen hat. Mit dem Verstoß gegen § 331 Abs. 1 StGB hat der frühere Soldat den Tatbestand eines Amtsdelikts verwirklicht. Die uneigennützige, auf keinen privaten Vorteil bedachte Führung der Dienstgeschäfte stellt eine wesentliche Grundlage nicht nur des Berufsbeamten-, sondern - wie aus § 48 Abs. 1, 5. Spiegelstrich WStG folgt - auch des Soldatentums dar. Zweck der Vorschrift ist, bereits den Anschein zu vermeiden, ein Beamter oder Soldat könne sich bei Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben aus Eigennutz durch sachwidrige Erwägungen beeinflussen lassen und für Amtshandlungen allgemein käuflich sein. Einen solchen Eindruck erweckt ein Soldat, der in Bezug auf seine dienstliche Tätigkeit Vorteile annimmt, auch dann, wenn er hierfür nicht pflichtwidrig handelt. Dies kann im Interesse des allgemeinen Vertrauens in ein rechtsstaatliches Handeln staatlicher Institutionen nicht hingenommen werden. Der hohe Stellenwert, den der Gesetzgeber dem Verbot der Vorteilsannahme für die Dienstausübung beigemessen hat, wird durch den Straftatbestand des § 331 Abs. 1 StGB i.d.F. des Korruptionsbekämpfungsgesetzes vom 13. August 1997 (BGBl I S. 2038) verdeutlicht. Die Annahme eines Vorteils steht danach auch dann unter Strafe, wenn der Vorteilsgeber keine bestimmte Amtshandlung erkaufen, sondern den Soldaten wohlwollend stimmen will (Urteil vom 23. November 2006 - BVerwG 1 D 1.06 - Buchholz 232 § 70 BBG Nr. 12 = juris jeweils Rn. 29 m.w.N.).

82

Erschwerend tritt hinzu, dass der frühere Soldat mit 25 056 € einen Vorteil in erheblicher Höhe angenommen hat. Hinzu kommt, dass er es bei dieser Pflichtverletzung nicht hat bewenden lassen, sondern darüber hinaus in mindestens zwei weiteren Fällen - durch die Übermittlung von Dokumenten an die Firma M. - Pflichtverletzungen begangen hat.

83

Eigenart und Schwere des Dienstvergehens werden des Weiteren dadurch bestimmt, dass der frühere Soldat aufgrund seines Dienstgrades als Oberstleutnant in einem Vorgesetztenverhältnis stand (§ 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2 SG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 VorgV). Soldaten in Vorgesetztenstellung obliegt eine höhere Verantwortung für die Wahrung dienstlicher Interessen. Wegen seiner herausgehobenen Stellung ist ein Vorgesetzter in besonderem Maße für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Dienstpflichten verantwortlich und unterliegt damit im Falle einer Pflichtverletzung einer verschärften Haftung, da Vorgesetzte in ihrer Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben sollen (§ 10 Abs. 1 SG). Dabei ist nicht erforderlich, dass es der Soldat bei seinem Fehlverhalten innerhalb eines konkreten Vorgesetztenverhältnisses an Beispielhaftigkeit hat fehlen lassen. Es reicht das Innehaben einer Vorgesetztenstellung aufgrund des Dienstgrades aus (vgl. Urteil vom 4. Mai 2011 - BVerwG 2 WD 2.10 - juris Rn. 30 § 58 wdo 2002 nr. 5>).

84

bb) Das Dienstvergehen hatte auch gravierende nachteilige Auswirkungen für den Dienstherrn. Neben dem Bekanntwerden der Geschehnisse in der Öffentlichkeit durch einschlägige Presseberichte gehört dazu vor allem die Suspendierung des früheren Soldaten bis zu seinem Dienstzeitende.

85

cc) Die Beweggründe des früheren Soldaten sind durch finanziellen Eigennutz geprägt, soweit es den Anschuldigungspunkt 2 betrifft, und im Übrigen durch die Vorstellung, sich aus - vermeintlichen - Praktikabilitätsgründen über rechtliche Vorgaben hinwegsetzen zu dürfen.

86

dd) Das Maß der Schuld wird durch das vorsätzliche Handeln des voll schuldfähigen früheren Soldaten bestimmt.

87

Auf Milderungsgründe in den Umständen der Tat hat sich der frühere Soldat nicht berufen; sie sind auch nicht ersichtlich. Angesichts der Mehrzahl der Einzelpflichtverletzungen handelte es sich insbesondere nicht um eine einmalige persönlichkeitsfremde Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien und im Dienst bewährten Soldaten. Auch eine wirtschaftliche Notsituation lag bei dem früheren Soldaten angesichts seines Immobilieneigentums und seiner Einkünfte nach der Besoldungsgruppe A 15 nicht vor.

88

ee) Im Hinblick auf die Zumessungskriterien "Persönlichkeit" und "bisherige Führung" sprechen die besonders herausragende Beurteilung aus dem Jahr 2001, die Angaben des Leumundszeugen und die förmlichen Anerkennungen in besonderer Weise für den früheren Soldaten. Nachdem er bis zuletzt an seiner Einschätzung festgehalten hat, dass keine Verknüpfung zwischen Geldzuwendung und seiner dienstlichen Tätigkeit bestanden habe, und er auch im Zusammenhang mit der Übermittlung dienstlicher Dokumente erklärt hat, hier möge er einer Fehleinschätzung erlegen sein, konnte der Senat jedoch keine Unrechtseinsicht feststellen.

89

ff) Nach einer Gesamtwürdigung aller vorgenannten be- und entlastenden Umstände ist im Hinblick auf die Bemessungskriterien des § 38 Abs. 1 WDO und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts die Aberkennung des Ruhegehalts nach § 58 Abs. 2 Nr. 4, § 65 WDO erforderlich. Bei der konkreten Bemessung der Disziplinarmaßnahme geht der Senat von einem zweistufigen Prüfungsschema aus:

90

aaa) Auf der ersten Stufe bestimmt er im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als "Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen".

91

Korruptives Fehlverhalten eines Soldaten ist in besonderer Weise geeignet, die Grundlage des Vertrauens des Dienstherrn in seine dienstliche Zuverlässigkeit und Integrität zu zerstören:

Die Unbestechlichkeit des Soldaten ist für die militärische Ordnung sowie für das Ansehen und die Integrität des Soldatentums von entscheidender Bedeutung. Ein Verstoß gegen diesen unabdingbaren Grundsatz erfordert schärfste disziplinare Reaktion. Der Senat hat daher dann, wenn die Gegenleistung des Soldaten in pflichtwidrigen Handlungen bestand, wegen der sich daraus ergebenden unheilbaren Zerstörung des Vertrauensverhältnisses in aller Regel die Entfernung aus dem Dienstverhältnis für geboten erachtet. Werden Belohnungen oder Geschenke für eine an sich nicht pflichtwidrige Handlung entgegengenommen, so mindert dies zwar die Eigenart der Verfehlung, aber es bleibt die Beeinträchtigung der Integrität des Soldaten und seiner Vertrauenswürdigkeit, sodass in solchen Fällen nach der Rechtsprechung des Senats regelmäßig eine Dienstgradherabsetzung gerechtfertigt ist (Urteil vom 2. Juni 1981 - BVerwG 2 WD 22.80 - juris Rn. 35).

92

Nimmt ein Soldat allerdings im Rahmen einer Vorteilsannahme einen erheblichen Vorteil an, ist ebenso wie bei der Bestechlichkeit in der Regel die Verhängung der Höchstmaßnahme geboten (Urteil vom 16. Juni 2011 - BVerwG 2 WD 11.10 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 32 Rn. 37 m.w.N. = NZWehrr 2012, 219 nur LS). Ein erheblicher Vorteil liegt jedenfalls dann vor, wenn - wie hier - ein fünfstelliger Euro-Betrag in Rede steht. Ob es darüber hinaus eines hervorgehobenen Amtes oder einer dienstlichen Vertrauensstellung bedarf (so für das Beamtenrecht: Urteil vom 28. Februar 2013 - BVerwG 2 C 3.12 - BVerwGE 146, 98 <106> = NVwZ 2013, 1087 Rn. 31) kann hier dahinstehen. Denn als Oberstleutnant und Dezernatsleiter war der frühere Soldat Inhaber eines herausgehobenen Amtes.

93

bbb) Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob im konkreten Einzelfall im Hinblick auf die in § 38 Abs. 1 WDO normierten Bemessungskriterien und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die die Möglichkeit einer Milderung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme eröffnen. Dabei ist vor allem angesichts der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie dessen Auswirkungen zu klären, ob es sich angesichts der be- und entlastenden Umstände um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach "oben" bzw. nach "unten" zu modifizieren. Zusätzlich sind die gesetzlich normierten Bemessungskriterien für die Bestimmung der konkreten Sanktion zu gewichten, wenn die Maßnahmeart, die den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bildet, dem Wehrdienstgericht einen Spielraum eröffnet.

94

Nach Maßgabe dessen erreichen die für den Soldaten sprechenden Aspekte kein ausreichendes Gewicht, um von einem Rest an objektiv berechtigtem Vertrauen in den früheren Soldaten auszugehen. Dies gilt namentlich für die sehr guten Leistungen des früheren Soldaten. Von der Höchstmaßnahme ist nicht deshalb abzusehen, weil ein Soldat weit überdurchschnittliche Leistungen aufweist, er fachlich gleichsam unentbehrlich erscheint und auch nach dem Dienstvergehen außergewöhnliche Leistungen erbringt. Die persönliche Integrität eines Soldaten steht gleichberechtigt neben dem Erfordernis der fachlichen Qualifikation, sodass gravierende Defizite an der persönlichen Integrität, die bei objektiver Betrachtung zu einem endgültigen Vertrauensverlust des Dienstherrn führen müssen, auch nicht durch fachliche Kompetenz ausgeglichen werden können (Urteil vom 13. Januar 2011 - BVerwG 2 WD 20.09 - juris Rn. 51 m.w.N).

95

Ebenso wenig ist es mit Rücksicht auf die - weitgehend - sachgleiche strafrechtliche Verurteilung des früheren Soldaten geboten, gegen ihn eine mildere Disziplinarmaßnahme zu verhängen. Weder § 16 Abs. 1 WDO noch § 17 Abs. 2 bis 4 WDO stehen der Verhängung der Höchstmaßnahme entgegen. Steht im Einzelfall - wie hier - § 16 WDO der Zulässigkeit des Ausspruchs einer Disziplinarmaßnahme nicht entgegen, ist die Art oder Höhe einer Kriminalstrafe oder sonstigen Strafsanktion für die Gewichtung der Schwere des sachgleichen Dienstvergehens regelmäßig nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Strafverfahren und Disziplinarverfahren verfolgen unterschiedliche Zwecke. Die Kriminalstrafe unterscheidet sich nach Wesen und Zweck grundlegend von der Disziplinarmaßnahme. Während erstere neben Abschreckung und Besserung der Vergeltung und Sühne für begangenes Unrecht gegen den allgemeinen Rechtsfrieden dient, ist die disziplinarische Ahndung darauf ausgerichtet, unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes einen geordneten und integren Dienstbetrieb aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen, indem sie denjenigen, der die ihm obliegenden Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat, entweder durch eine erzieherische Maßnahme zu künftig pflichtgemäßem Verhalten mahnt oder die sonst gebotene Höchstmaßnahme ausspricht (vgl. Urteil vom 13. Januar 2011 - BVerwG 2 WD 20.09 - juris Rn. 49 m.w.N.).

96

e) Der Unterhaltsbeitrag war gem. § 65 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 63 Abs. 3 Satz 1 WDO vom Urteil der Vorinstanz rechtsfehlerfrei ausgeschlossen worden, da der frühere Soldat seiner nicht bedürftig ist. Auch wenn sich seine derzeit auf jährlich 100 000 € belaufenden Gesamteinkünfte angesichts der Aberkennung des Ruhegehalts - und einer sich daraus ergebenden Reduzierung der monatlichen Ruhestandseinkünfte von gut 3 600 € auf etwa 1 400 € - verringern, stehen ihm damit noch immer über 70 000 € jährlich zur Verfügung.

97

3. Da das Rechtsmittel des früheren Soldaten erfolglos geblieben ist, hat er die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu tragen, § 139 Abs. 2 WDO. Die Ausklammerung mehrerer Anschuldigungspunkte begründet keinen Anlass, die ihm darin erwachsenen notwendigen Auslagen aus Billigkeitsgründen nach § 140 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1 WDO dem Bund aufzuerlegen. Denn die Berufung war bereits so in vollem Umfang zurückzuweisen.

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Bundesverwaltungsgericht Urteil, 16. Jan. 2014 - 2 WD 31/12 zitiert 30 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Soldatengesetz - SG | § 17 Verhalten im und außer Dienst


(1) Der Soldat hat Disziplin zu wahren und die dienstliche Stellung des Vorgesetzten in seiner Person auch außerhalb des Dienstes zu achten. (2) Sein Verhalten muss dem Ansehen der Bundeswehr sowie der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, di

Soldatengesetz - SG | § 10 Pflichten des Vorgesetzten


(1) Der Vorgesetzte soll in seiner Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben. (2) Er hat die Pflicht zur Dienstaufsicht und ist für die Disziplin seiner Untergebenen verantwortlich. (3) Er hat für seine Untergebenen zu sorgen. (4) E

Wehrdisziplinarordnung - WDO 2002 | § 38 Richtlinien für das Bemessen der Disziplinarmaßnahme


(1) Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen. (2) In der Regel ist

Strafgesetzbuch - StGB | § 331 Vorteilsannahme


(1) Ein Amtsträger, ein Europäischer Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter, der für die Dienstausübung einen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, wird mit Freiheitsstrafe

Wehrdisziplinarordnung - WDO 2002 | § 58 Arten der gerichtlichen Disziplinarmaßnahmen


(1) Gerichtliche Disziplinarmaßnahmen gegen Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit sind: 1. Kürzung der Dienstbezüge,2. Beförderungsverbot,3. Herabsetzung in der Besoldungsgruppe,4. Dienstgradherabsetzung und5. Entfernung aus dem Dienstverhältnis.

Strafgesetzbuch - StGB | § 16 Irrtum über Tatumstände


(1) Wer bei Begehung der Tat einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört, handelt nicht vorsätzlich. Die Strafbarkeit wegen fahrlässiger Begehung bleibt unberührt. (2) Wer bei Begehung der Tat irrig Umstände annimmt, welche den

Soldatengesetz - SG | § 7 Grundpflicht des Soldaten


Der Soldat hat die Pflicht, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen.

Strafgesetzbuch - StGB | § 332 Bestechlichkeit


(1) Ein Amtsträger, ein Europäischer Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter, der einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, daß er eine Diensthandlu

Soldatengesetz - SG | § 23 Dienstvergehen


(1) Der Soldat begeht ein Dienstvergehen, wenn er schuldhaft seine Pflichten verletzt. (2) Es gilt als Dienstvergehen, 1. wenn ein Soldat nach seinem Ausscheiden aus dem Wehrdienst seine Pflicht zur Verschwiegenheit verletzt oder gegen das Verbot

Wehrdisziplinarordnung - WDO 2002 | § 17 Zeitablauf


(1) Disziplinarsachen sind beschleunigt zu behandeln. (2) Sind seit einem Dienstvergehens sechs Monate verstrichen, darf eine einfache Disziplinarmaßnahme nicht mehr verhängt werden. (3) Sind seit einem Dienstvergehen drei Jahre verstrichen, dürfen

Soldatengesetz - SG | § 1 Begriffsbestimmungen


(1) Soldat ist, wer auf Grund der Wehrpflicht oder freiwilliger Verpflichtung in einem Wehrdienstverhältnis steht. Staat und Soldaten sind durch gegenseitige Treue miteinander verbunden. (2) In das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten kann berufen

Wehrdisziplinarordnung - WDO 2002 | § 115 Zulässigkeit und Frist der Berufung


(1) Gegen das Urteil des Truppendienstgerichts ist bis zum Ablauf eines Monats nach seiner Zustellung die Berufung an das Bundesverwaltungsgericht zulässig. Befindet sich der Soldat aus dienstlichen Gründen im Ausland, kann der Vorsitzende der Truppe

Wehrdisziplinarordnung - WDO 2002 | § 116 Einlegung und Begründung der Berufung


(1) Die Berufung ist bei dem Truppendienstgericht einzulegen. Die Berufungsfrist wird auch gewahrt, wenn während ihres Laufs die Berufung beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt wird. § 112 gilt entsprechend. (2) In der Berufungsschrift ist das ange

Wehrdisziplinarordnung - WDO 2002 | § 16 Verhältnis der Disziplinarmaßnahmen zu Strafen und Ordnungsmaßnahmen


(1) Ist durch ein Gericht oder eine Behörde unanfechtbar eine Strafe oder Ordnungsmaßnahme verhängt worden oder kann eine Tat nach § 153a Abs. 1 Satz 5 oder Abs. 2 Satz 2 der Strafprozessordnung nach Erfüllung von Auflagen und Weisungen nicht mehr al

Vorgesetztenverordnung - SVorgesV | § 4


(1) In den Kompanien und in den entsprechenden Einheiten sowie innerhalb der Besatzung eines Schiffes steht die Befugnis, im Dienst Befehle zu erteilen, zu 1. den Offizieren gegenüber allen Unteroffizieren und Mannschaften,2. den Unteroffizieren vom

Wehrdisziplinarordnung - WDO 2002 | § 139 Kosten bei Rechtsmitteln und Rechtsbehelfen


(1) Die Kosten eines erfolgreichen Rechtsmittels des Soldaten oder des Wehrdisziplinaranwalts, soweit dieser es zu Gunsten des Soldaten eingelegt hat, sind dem Bund aufzuerlegen. Die Kosten eines zu Ungunsten des Soldaten eingelegten und erfolgreiche

Wehrdisziplinarordnung - WDO 2002 | § 84 Bindung an tatsächliche Feststellungen anderer Entscheidungen


(1) Die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils im Strafverfahren oder Bußgeldverfahren, auf denen die Entscheidung beruht, sind im gerichtlichen Disziplinarverfahren, das denselben Sachverhalt zum Gegenstand hat, für die Einleitun

Wehrdisziplinarordnung - WDO 2002 | § 63 Entfernung aus dem Dienstverhältnis


(1) Mit der Entfernung aus dem Dienstverhältnis wird das Dienstverhältnis beendet. Die Entfernung aus dem Dienstverhältnis bewirkt auch den Verlust des Anspruchs auf Dienstbezüge, Berufsförderung und Dienstzeitversorgung sowie den Verlust des Dienstg

Bundesbeamtengesetz - BBG 2009 | § 70 Auskünfte an die Medien


Die Leitung der Behörde entscheidet, wer den Medien Auskünfte erteilt.

Wehrdisziplinarordnung - WDO 2002 | § 106 Beweisaufnahme


(1) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind. (2) In der Hauptverhandlung können Niederschriften über Beweiserhebung

Soldatengesetz - SG | § 14 Verschwiegenheit


(1) Der Soldat hat, auch nach seinem Ausscheiden aus dem Wehrdienst, über die ihm bei oder bei Gelegenheit seiner dienstlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren. Dies gilt nicht, soweit1.Mitteilungen im dienstl

Wehrdisziplinarordnung - WDO 2002 | § 107 Gegenstand der Urteilsfindung


(1) Zum Gegenstand der Urteilsfindung können nur die Pflichtverletzungen gemacht werden, die in der Anschuldigungsschrift und ihren Nachträgen dem Soldaten als Dienstvergehen zur Last gelegt werden. (2) Nach Anhörung des Wehrdisziplinaranwalts kann

Wehrdisziplinarordnung - WDO 2002 | § 65 Aberkennung des Ruhegehalts


(1) Mit der Aberkennung des Ruhegehalts tritt der Verlust der Rechte als Soldat im Ruhestand ein. Sie setzt voraus, dass die Entfernung aus dem Dienstverhältnis gerechtfertigt wäre, falls sich der Soldat im Ruhestand noch im Dienst befände. Die Aberk

Soldatengesetz - SG | § 19 Verbot der Annahme von Belohnungen oder Geschenken, Herausgabe- und Auskunftspflicht


(1) Der Soldat darf, auch nach seinem Ausscheiden aus dem Wehrdienst, keine Belohnungen, Geschenke oder sonstigen Vorteile für sich oder einen Dritten in Bezug auf seine dienstliche Tätigkeit fordern, sich versprechen lassen oder annehmen. Ausnahmen

Wehrstrafgesetz - WStrG | § 48 Verletzung anderer Dienstpflichten


(1) Für die Anwendung der Vorschriften des Strafgesetzbuches über Gefangenenbefreiung (§ 120 Abs. 2), Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes (§ 201 Abs. 3), Verletzung von Privatgeheimnissen (§ 203 Absatz 2, 5 und 6, §§ 204, 205), Verletzung des P

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Bundesverwaltungsgericht Urteil, 16. Jan. 2014 - 2 WD 31/12 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).

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Der Soldat hat die Pflicht, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen.

(1) Der Soldat hat, auch nach seinem Ausscheiden aus dem Wehrdienst, über die ihm bei oder bei Gelegenheit seiner dienstlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren. Dies gilt nicht, soweit

1.
Mitteilungen im dienstlichen Verkehr geboten sind,
2.
Tatsachen mitgeteilt werden, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen,
3.
gegenüber der zuständigen obersten Dienstbehörde, einer Strafverfolgungsbehörde oder einer von der obersten Dienstbehörde bestimmten weiteren Behörde oder außerdienstlichen Stelle ein durch Tatsachen begründeter Verdacht einer Korruptionsstraftat nach den §§ 331 bis 337 des Strafgesetzbuches angezeigt wird oder
4.
Informationen unter den Voraussetzungen des Hinweisgeberschutzgesetzes an eine zuständige Meldestelle weitergegeben oder offengelegt werden.
Im Übrigen bleiben die gesetzlich begründeten Pflichten, geplante Straftaten anzuzeigen und für die Erhaltung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung einzutreten, von Satz 1 unberührt.

(2) Der Soldat darf ohne Genehmigung über solche Angelegenheiten weder vor Gericht noch außergerichtlich aussagen oder Erklärungen abgeben. Die Genehmigung erteilt der Disziplinarvorgesetzte, nach dem Ausscheiden aus dem Wehrdienst der letzte Disziplinarvorgesetzte. Die §§ 68 und 69 des Bundesbeamtengesetzes gelten entsprechend.

(3) Der Soldat hat, auch nach seinem Ausscheiden aus dem Wehrdienst, auf Verlangen seines Disziplinarvorgesetzten oder des letzten Disziplinarvorgesetzten dienstliche Schriftstücke, Zeichnungen, bildliche Darstellungen und, wenn es im Einzelfall aus Gründen der Geheimhaltung erforderlich ist, Aufzeichnungen jeder Art über dienstliche Vorgänge, auch soweit es sich um Wiedergaben handelt, herauszugeben. Die gleiche Pflicht trifft seine Hinterbliebenen und seine Erben.

(4) (weggefallen)

(1) Der Soldat darf, auch nach seinem Ausscheiden aus dem Wehrdienst, keine Belohnungen, Geschenke oder sonstigen Vorteile für sich oder einen Dritten in Bezug auf seine dienstliche Tätigkeit fordern, sich versprechen lassen oder annehmen. Ausnahmen bedürfen der Zustimmung der obersten oder der letzten obersten Dienstbehörde. Die Befugnis zur Zustimmung kann auf andere Stellen übertragen werden.

(2) Wer gegen das in Absatz 1 genannte Verbot verstößt, hat auf Verlangen das auf Grund des pflichtwidrigen Verhaltens Erlangte dem Dienstherrn herauszugeben, soweit nicht im Strafverfahren die Einziehung von Taterträgen angeordnet worden oder es auf andere Weise auf den Staat übergegangen ist. Für den Umfang des Herausgabeanspruchs gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung entsprechend. Die Herausgabepflicht nach Satz 1 umfasst auch die Pflicht, dem Dienstherrn Auskunft über Art, Umfang und Verbleib des Erlangten zu geben.

(1) Gegen das Urteil des Truppendienstgerichts ist bis zum Ablauf eines Monats nach seiner Zustellung die Berufung an das Bundesverwaltungsgericht zulässig. Befindet sich der Soldat aus dienstlichen Gründen im Ausland, kann der Vorsitzende der Truppendienstkammer die Berufungsfrist durch eine Verfügung, die zugleich mit dem Urteil zuzustellen ist, angemessen verlängern.

(2) Ist in dem von dem Soldaten angefochtenen Urteil ein Unterhaltsbeitrag bewilligt worden, kann die Entscheidung zu seinem Nachteil nur geändert werden, wenn der Bundeswehrdisziplinaranwalt dies bis zum Schluss der Hauptverhandlung beantragt.

(1) Die Berufung ist bei dem Truppendienstgericht einzulegen. Die Berufungsfrist wird auch gewahrt, wenn während ihres Laufs die Berufung beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt wird. § 112 gilt entsprechend.

(2) In der Berufungsschrift ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen und anzugeben, inwieweit es angefochten wird und welche Änderungen beantragt werden. Die Anträge sind zu begründen.

(1) Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.

(2) In der Regel ist mit den milderen Disziplinarmaßnahmen zu beginnen und erst bei erneuten Dienstvergehen zu schwereren Disziplinarmaßnahmen überzugehen.

(3) Disziplinararrest soll erst dann verhängt werden, wenn vorausgegangene erzieherische Maßnahmen und Disziplinarmaßnahmen ihren Zweck nicht erreicht haben oder die Aufrechterhaltung der militärischen Ordnung eine disziplinare Freiheitsentziehung gebietet.

(1) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(2) In der Hauptverhandlung können Niederschriften über Beweiserhebungen aus einem gerichtlichen Verfahren durch Verlesen zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht werden. Einer nochmaligen Vernehmung von Personen, deren Aussage in einer richterlichen Niederschrift enthalten ist, bedarf es nicht. Für Niederschriften aus dem gerichtlichen Disziplinarverfahren gelten die Sätze 1 und 2 nur, wenn die Hauptverhandlung ohne Anwesenheit des Soldaten stattfindet. In diesem Fall können alle Niederschriften aus dem gerichtlichen Disziplinarverfahren, den Vorermittlungen und den Ermittlungen des Disziplinarvorgesetzten verlesen werden. § 251 der Strafprozessordnung bleibt im Übrigen unberührt. Soweit die Personalunterlagen des Soldaten Tatsachen enthalten, die für die Gesamtbeurteilung erheblich sein können, sind sie vorzutragen.

(3) Wird ohne Anwesenheit des Soldaten verhandelt, trägt der Vorsitzende zu Beginn der Hauptverhandlung in Abwesenheit der Zeugen das Ergebnis des bisherigen Verfahrens vor. Er kann im Fall der großen Besetzung einen weiteren Richter mit der Berichterstattung beauftragen.

(4) Zeugen und Sachverständige werden vernommen, soweit nicht der Soldat und der Wehrdisziplinaranwalt auf die Vernehmung verzichten oder das Truppendienstgericht sie für unerheblich erklärt. Der wesentliche Inhalt der Aussagen von Zeugen und Sachverständigen ist in die Niederschrift über die Hauptverhandlung aufzunehmen.

(1) Die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils im Strafverfahren oder Bußgeldverfahren, auf denen die Entscheidung beruht, sind im gerichtlichen Disziplinarverfahren, das denselben Sachverhalt zum Gegenstand hat, für die Einleitungsbehörde, den Wehrdisziplinaranwalt und das Wehrdienstgericht bindend. Das Wehrdienstgericht hat jedoch die nochmalige Prüfung solcher Feststellungen zu beschließen, deren Richtigkeit seine Mitglieder mit Stimmenmehrheit, bei einfacher Besetzung der Truppendienstkammer mit der Stimme des Vorsitzenden, bezweifeln. Dies ist in den Urteilsgründen zum Ausdruck zu bringen.

(2) Die in einem anderen gesetzlich geordneten Verfahren getroffenen tatsächlichen Feststellungen sind nicht bindend, können aber der Entscheidung im gerichtlichen Disziplinarverfahren ohne nochmalige Prüfung zu Grunde gelegt werden.

A. 

Die Beschwerdeführer wenden sich gegen ihre strafgerichtliche Verurteilung im Anschluss an eine Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten. Mittelbar richten sich die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu I. und II. zudem gegen die Vorschrift des § 257c StPO, die durch das Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vom 29. Juli 2009 (BGBl I S. 2353) - im Folgenden: Verständigungsgesetz - in die Strafprozessordnung eingefügt wurde und seither die rechtliche Grundlage für die Verständigung bildet. 

I. 

1. Die Praxis urteilsbezogener Verständigungen hat sich - feststellbar jedenfalls seit den 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts - als Instrument zur Bewältigung von Strafverfahren herausgebildet, ohne dass es dafür eine ausdrückliche Rechtsgrundlage gegeben hätte. Es handelt sich hierbei um Absprachen zwischen dem Gericht, der Staatsanwaltschaft sowie der Verteidigung und dem Angeklagten, nach denen das Gericht dem Angeklagten für den Fall eines Geständnisses eine bestimmte Strafe oder jedenfalls eine Strafobergrenze zusagt. Solche Verständigungen wurden häufig außerhalb der Hauptverhandlung getroffen. Bei Abgabe des Geständnisses wurde sodann in der Regel auf eine weitere Beweisaufnahme verzichtet, so dass die Verständigung zu einer wesentlichen Verfahrensabkürzung führte. In den meisten Fällen wurde gegen ein Urteil, das auf einer solchen Verständigung beruhte, kein Rechtsmittel eingelegt, oftmals wurde sogar ausdrücklich auf Rechtsmittel verzichtet (vgl. zur Entwicklung der Verständigungspraxis Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl. 2012, Einl. Rn. 119 ff.). 

2. Eine wesentliche Ursache für die hohe praktische Bedeutung von Verständigungen wird in der stetig wachsenden Arbeitsbelastung der Strafjustiz gesehen, die bereits an die Grenze der Überlastung heranreiche (vgl. eingehend Krey/Windgätter, in: Festschrift für Hans Achenbach, 2011, S. 233 ff.). Neben der zunehmenden Komplexität der Fallgestaltungen infolge des wirtschaftlichen und technischen Fortschritts sowie der Globalisierung, die auch in neuen Formen grenzüberschreitender Kriminalität in Erscheinung tritt, trägt der Bundesgesetzgeber durch eine immer stärkere strafrechtliche Durchdringung vieler Lebensbereiche zu dieser Entwicklung bei. Die Regelungsdichte des materiellen Strafrechts ist in den vergangenen Jahrzehnten beständig gestiegen; dies gilt besonders für das Wirtschafts- und das Nebenstrafrecht (vgl. etwa Braun, AnwBl 2000, S. 222 <225>; Theile, MSchrKrim 2010, S. 147 <149 f.>; Krey/Windgätter, a.a.O., S. 249). Gleichzeitig bringt die zunehmende Differenzierung und Komplizierung des Strafprozessrechts immer höhere Anforderungen mit sich. So ist etwa die Rechtsprechung zu den Beweisverwertungsverboten für die tatrichterliche Praxis mittlerweile kaum noch überschaubar (vgl. Gössel, in: Festschrift für Reinhard Böttcher, 2007, S. 79 <80>; Krey/Windgätter, a.a.O., S. 242 ff.). Zudem bieten extensiv einsetzbare Verfahrensrechte der Verteidigung zahlreiche Möglichkeiten, den Fortgang des Verfahrens zu erschweren; vor allem Ablehnungsgesuche und Beweisanträge sowie das Fragerecht können zu diesem Zweck missbraucht werden (vgl. Gössel, a.a.O., S. 81; Krey/Windgätter, a.a.O., S. 238 ff.). Unterdessen sehen sich die Tatgerichte durch das Beschleunigungsgebot in Haftsachen einem immer stärkeren Druck ausgesetzt, die Verfahrensdauer trotz aller prozessualen Schwierigkeiten zu verkürzen. Dass die Bewertung richterlicher Arbeit und die Festsetzung der Arbeitspensen nicht unwesentlich nach quantitativen Gesichtspunkten erfolgt, schafft zusätzliche Anreize für eine möglichst rasche Verfahrenserledigung auch unter Inkaufnahme inhaltlicher Defizite. Der steigenden Belastung der Strafjustiz haben die Länder nicht durch eine entsprechende personelle und sachliche Ausstattung Rechnung getragen; vielmehr ist auch die Justiz immer wieder von Sparmaßnahmen betroffen (vgl. Krey/Windgätter, a.a.O., S. 235). 
 
3. Das Bundesverfassungsgericht prüfte 1987 in einer Kammerentscheidung (Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Januar 1987 - 2 BvR 1133/86 -, NJW 1987, S. 2662 f.) die Zulässigkeit von Verständigungen im Strafprozess unter den Gesichtspunkten eines fairen, rechtsstaatlichen Verfahrens, der Gewährleistung einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege und des Schuldprinzips. Diese Grundsätze verböten nicht, außerhalb der Hauptverhandlung eine Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten über Stand und Aussichten der Verhandlung herbeizuführen, der schon das Strafrecht Grenzen setze. Sie schlössen es aber aus, die Handhabung der richterlichen Aufklärungspflicht, die rechtliche Subsumtion und die Grundsätze der Strafzumessung in einer Hauptverhandlung, die letztlich mit einem Urteil zur Schuldfrage abschließen solle, ins Belieben oder zur freien Disposition der Verfahrensbeteiligten und des Gerichts zu stellen. Dem Gericht und der Staatsanwaltschaft sei es deshalb untersagt, sich auf einen „Vergleich“ im Gewande des Urteils, auf einen „Handel mit der Gerechtigkeit“ einzulassen. Das Gericht dürfe sich also beispielsweise nicht mit einem Geständnis des Angeklagten begnügen, das dieser gegen die Zusage oder das In-Aussicht-Stellen einer Strafmilderung abgelegt habe, obwohl es sich beim gegebenen Verfahrensstand mit Blick auf das Ziel der Wahrheitserforschung und der schuldangemessenen, gerechten Ahndung der Tat zu weiterer Beweiserhebung hätte gedrängt sehen müssen. Das Gericht müsse es sich auch versagen, den Angeklagten auf eine in Betracht kommende geständnisbedingte Strafmilderung hinzuweisen, mit der es den Boden schuldangemessenen Strafens verließe. Darüber hinaus sei die Freiheit der Willensentschließung und Willensbetätigung des Angeklagten vor beachtenswerter Beeinträchtigung geschützt, was seinen Ausdruck auch in der Bestimmung des § 136a StPO finde. Der Angeklagte dürfe infolgedessen nicht durch ein gesetzlich nicht vorgesehenes Vorteilsversprechen oder durch Täuschung zu einem Geständnis gedrängt werden. Das schließe jedoch eine Belehrung oder einen konkreten Hinweis auf die Beweislage oder die strafmildernde Wirkung eines Geständnisses nicht aus, wenn dies im Stand der Hauptverhandlung eine sachliche Grundlage finde. Nach diesen Maßstäben gelangte die Kammer im konkreten Fall zu dem Ergebnis, dass die Verständigung bei der im damaligen Ausgangsverfahren gegebenen besonderen Sachverhaltsgestaltung - der anwaltlich verteidigte Angeklagte hatte von sich aus eine Verständigung angeregt, als die Beweisaufnahme bereits vor ihrem Abschluss stand - keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken begegne. 

4. Nachdem der Bundesgerichtshof gegenüber Verständigungen (in dessen früherer Terminologie: „Absprachen“) außerhalb der Hauptverhandlung anfänglich eine ablehnende Haltung eingenommen hatte (vgl. etwa BGHSt 37, 298 <304 f.>; BGH, Beschlüsse vom 19. Oktober 1993 - 1 StR 662/93 -, NJW 1994, S. 1293 f., und vom 25. Oktober 1995 - 2 StR 529/95 -, wistra 1996, S. 68; BGHSt 42, 46 <48>), wurden Verständigungen innerhalb der Hauptverhandlung zunächst durch den 4. Strafsenat und sodann durch den Großen Senat für Strafsachen grundsätzlich gebilligt. 

a) In seiner Leitentscheidung vom 28. August 1997 (BGHSt 43, 195 ff.) erklärte der 4. Strafsenat - trotz ausdrücklicher Anerkennung der Vergleichsfeindlichkeit des Strafverfahrens und des Verbots einer Disposition über den staatlichen Strafanspruch - in der Hauptverhandlung getroffene Verständigungen für grundsätzlich zulässig und sprach zudem aus, dass sie - sofern nach den von ihm aufgestellten Vorgaben zustande gekommen - für das Gericht verbindlich seien. Unter folgenden Voraussetzungen könne eine Verständigung getroffen werden: Der Schuldspruch dürfe nicht Gegenstand der Verständigung sein. Ein verständigungsbasiertes Geständnis müsse auf seine Glaubhaftigkeit überprüft werden; sich hierzu aufdrängende Beweiserhebungen dürften nicht unterbleiben. Die freie Willensentschließung des Angeklagten müsse gewahrt bleiben; insbesondere dürfe er nicht durch Drohung mit einer höheren Strafe oder durch Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils zu einem Geständnis gedrängt werden. Die Vereinbarung eines Rechtsmittelverzichts sei unzulässig. Die Verständigung selbst müsse in öffentlicher Hauptverhandlung erfolgen; Vorgespräche außerhalb der Hauptverhandlung seien aber möglich. In die Verständigung seien alle Verfahrensbeteiligten einzubeziehen. Das Ergebnis der Verständigung sei im Protokoll niederzulegen. Eine bestimmte Strafe dürfe das Gericht nicht zusagen; unbedenklich sei aber die Zusage einer Strafobergrenze. Von dieser dürfe nur abgewichen werden, wenn sich neue schwerwiegende Umstände zu Lasten des Angeklagten ergäben; auf eine beabsichtigte Abweichung sei in der Hauptverhandlung hinzuweisen. Der Strafausspruch dürfe den Boden schuldangemessenen Strafens nicht verlassen. 
 
b) Der Große Senat für Strafsachen hielt in seinem Beschluss vom 3. März 2005 (BGHSt 50, 40 ff.) an den vom 4. Strafsenat aufgestellten Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Verständigungen fest und präzisierte diese dahingehend, dass die Differenz zwischen der verständigungsgemäßen und der bei einem „streitigen Verfahren“ zu erwartenden Sanktion nicht unangemessen groß sein („Sanktionsschere“) und das Gericht nicht nur wegen neuer Erkenntnisse von seiner Zusage abweichen dürfe, sondern - nach entsprechendem Hinweis - auch dann, wenn schon bei der Verständigung vorhandene relevante tatsächliche oder rechtliche Aspekte übersehen worden seien. Der nach einer Verständigung erklärte Rechtsmittelverzicht sei grundsätzlich unwirksam; die Unwirksamkeit entfalle jedoch, wenn der Rechtsmittelberechtigte darüber belehrt worden sei, dass er ungeachtet der Verständigung in seiner Entscheidung frei sei, Rechtsmittel einzulegen (qualifizierte Belehrung). Die grundsätzliche Billigung der Verständigung begründete der Große Strafsenat mit der Notwendigkeit, trotz knapper Ressourcen die Funktionstüchtigkeit der Strafjustiz zu gewährleisten, und mit Hinweisen auf den Beschleunigungsgrundsatz, die Prozessökonomie sowie den Zeugen- und Opferschutz. Allerdings sei die Strafprozessordnung in ihrer geltenden Form am Leitbild der materiellen Wahrheit orientiert, die vom Gericht in der Hauptverhandlung von Amts wegen zu ermitteln und der Disposition der Verfahrensbeteiligten weitgehend entzogen sei. Die Praxis der Verständigungen sei daher kaum ohne Bruch in das gegenwärtige System einzupassen. Aus diesem Grund appellierte der Große Senat für Strafsachen an den Gesetzgeber, die Zulässigkeit und, bejahendenfalls, die wesentlichen rechtlichen Voraussetzungen und Begrenzungen von Verständigungen im Strafprozess gesetzlich zu regeln. 

5. Dieser Forderung nach einer gesetzlichen Regelung hat der Gesetzgeber mit dem Verständigungsgesetz Rechnung getragen. Das darin enthaltene Regelungskonzept geht ausweislich der Begründung des Regierungsentwurfs (vgl. BTDrucks 16/12310, S. 8) in seinem Grundansatz davon aus, dass für die Verständigung im Strafverfahren keine neue - dem deutschen Strafprozess bislang unbekannte - Form einer konsensualen Verfahrenserledigung eingeführt werden sollte, die die Rolle des Gerichts, insbesondere seine Verpflichtung zur Ermittlung der materiellen Wahrheit, zurückdrängen würde. Die Grundsätze des Strafverfahrens sollten vielmehr weiterhin Geltung behalten, namentlich, dass eine Verständigung unter Beachtung aller maßgeblichen Verfahrensregeln einschließlich der Überzeugung des Gerichts vom festgestellten Sachverhalt und der Glaubhaftigkeit eines Geständnisses stattfinden müsse, die Grundsätze des fairen Verfahrens und des rechtlichen Gehörs, nicht zuletzt auch die Transparenz der Hauptverhandlung und die Unterrichtung der Öffentlichkeit in der Hauptverhandlung gewahrt sein müssten, und dass insbesondere der Boden schuldangemessenen Strafens nicht verlassen werden dürfe. 

Die zentrale Bestimmung des gesetzgeberischen Regelungskonzepts in § 257c StPO hat folgenden Wortlaut:

§ 257c
(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt. 
(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein. 
(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen. 
(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen. 

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren. 

Die Vorschrift erlaubt dem Gericht ausdrücklich eine Verständigung über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens nach den darin genannten Maßgaben; sie stellt außerdem klar, dass die Pflicht des Gerichts zur Sachverhaltsaufklärung (§ 244 Abs. 2 StPO) unberührt bleibt. Hierdurch soll in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs die Beachtung der rechtsstaatlichen Anforderungen an das Strafverfahren gewährleistet und insbesondere die Schuldangemessenheit der Strafe sichergestellt werden (vgl. BTDrucks 16/12310, S. 9). 

Außerdem wurden Vorschriften eingeführt, die es der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren sowie dem Gericht vor und nach Eröffnung des Hauptverfahrens sowie in der Hauptverhandlung ausdrücklich erlauben, „den Stand des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten zu erörtern, soweit dies geeignet erscheint, das Verfahren zu fördern“ (§§ 160b, 202a, 212, 257b StPO). Der wesentliche Inhalt einer solchen Erörterung ist jeweils aktenkundig zu machen; der Inhalt einer in der Hauptverhandlung durchgeführten Erörterung ist in das Protokoll aufzunehmen (§ 273 Abs. 1 Satz 2 StPO). 

§ 160b
Die Staatsanwaltschaft kann den Stand des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten erörtern, soweit dies geeignet erscheint, das Verfahren zu fördern. Der wesentliche Inhalt dieser Erörterung ist aktenkundig zu machen. 

§ 202a
Erwägt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens, kann es den Stand des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten erörtern, soweit dies geeignet erscheint, das Verfahren zu fördern. Der wesentliche Inhalt dieser Erörterung ist aktenkundig zu machen. 

§ 212
Nach Eröffnung des Hauptverfahrens gilt § 202a entsprechend. 

§ 257b
Das Gericht kann in der Hauptverhandlung den Stand des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten erörtern, soweit dies geeignet erscheint, das Verfahren zu fördern. 

§ 273
(1) […] In das Protokoll muss auch der wesentliche Ablauf und Inhalt einer Erörterung nach § 257b aufgenommen werden. […] 
Flankiert werden diese Regelungen durch weitere neue Vorschriften, die die Transparenz der Verständigung und die Möglichkeit einer Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht gewährleisten sollen. Nach § 243 Abs. 4 StPO ist in der Hauptverhandlung mitzuteilen, ob - und falls ja mit welchem Inhalt - außerhalb der Hauptverhandlung Erörterungen des Verfahrensstandes zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten stattgefunden haben, in denen die Möglichkeit einer Verständigung nach § 257c StPO thematisiert wurde:

§ 243
[…] (4) Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben. […] 
Ist dem Urteil eine Verständigung nach § 257c StPO vorausgegangen, muss dies in den schriftlichen Urteilsgründen angegeben werden (§ 267 Abs. 3 Satz 5, Abs. 4 Satz 2 StPO). 

Die in § 273 StPO enthaltenen Vorschriften über die Protokollierung der Hauptverhandlung wurden wie folgt erweitert:

§ 273
[…] (1a) Das Protokoll muss auch den wesentlichen Ablauf und Inhalt sowie das Ergebnis einer Verständigung nach § 257c wiedergeben. Gleiches gilt für die Beachtung der in § 243 Absatz 4, § 257c Absatz 4 Satz 4 und Absatz 5 vorgeschriebenen Mitteilungen und Belehrungen. Hat eine Verständigung nicht stattgefunden, ist auch dies im Protokoll zu vermerken. […] 
Ist dem Urteil eine Verständigung nach § 257c StPO vorausgegangen, ist ein Rechtsmittelverzicht ausgeschlossen (§ 302 Abs. 1 Satz 2 StPO). In diesem Fall ist der Angeklagte darüber zu belehren, dass er in jedem Fall frei in seiner Entscheidung ist, ein Rechtsmittel einzulegen (§ 35a Satz 3 StPO). 

6. Das Regelungskonzept des Gesetzgebers ist teils auf Zustimmung (vgl. etwa Jahn/Müller, NJW 2009, S. 2625 ff.) gestoßen, teils aber auch auf scharfe Kritik (vgl. etwa Meyer-Goßner, ZRP 2009, S. 107 ff.; Bittmann, wistra 2009, S. 414 ff.; Fezer, NStZ 2010, S. 177 ff.). Nach verbreiteter Ansicht entsprechen die gesetzlichen Vorschriften über die Verständigung nicht den Bedürfnissen der Praxis. So werden die Protokollierungs- und Belehrungspflichten sowie der generelle Ausschluss eines Rechtsmittelverzichts als Erschwerung der richterlichen Tätigkeit und damit als Rückschritt gegenüber der früheren Rechtslage empfunden; der mit der Verständigung angestrebte Entlastungseffekt werde dadurch jedenfalls teilweise wieder zunichte gemacht (vgl. Polomski, DRiZ 2011, S. 315 f.). Ferner wird die Auffassung vertreten, § 257c StPO regele nur die „förmliche“ Verständigung, weshalb für „informelle“ Absprachen oder „Gentlemen‘s Agreements“ außerhalb der Hauptverhandlung weder die gesetzlichen Protokollierungs- und Belehrungspflichten noch der Ausschluss eines Rechtsmittelverzichts gälten (vgl. Peglau, jurisPR-StrafR 4/2012 Anm. 1; Niemöller, StV 2012, S. 387 <388 f.>; ders., in: Niemöller/Schlothauer/Weider, Gesetz zur Verständigung im Strafverfahren, 2010, § 273 Rn. 16, § 302 Rn. 5; Bittmann, a.a.O., S. 416 Fn. 25). 

II. 

1. a) Der Beschwerdeführer zu I. wurde als einer von vier Angeklagten durch das Landgericht München II mit Urteil vom 9. März 2010 wegen gemeinschaftlichen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in 259 tatmehrheitlichen Fällen in Tateinheit mit vier Fällen der Beihilfe zum vorsätzlichen unerlaubten Betreiben eines Bankgeschäfts zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Der Verurteilung ging eine Verständigung voraus. Unmittelbar nach Anklageverlesung und Belehrung der Angeklagten war die Hauptverhandlung für ein Rechtsgespräch unterbrochen worden. Anschließend gaben die Verteidiger für ihre Mandanten jeweils eine Erklärung ab, und die Angeklagten erklärten sich zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen. Der Vorsitzende schlug die Erteilung eines Hinweises vor, wonach das Gericht in voller Besetzung das Verfahren gemäß § 257b StPO mit den Verteidigern und dem Vertreter der Staatsanwaltschaft ausführlich erörtert habe. Unter Berücksichtigung der vorläufigen rechtlichen Bewer- tung, der Vorstrafen und eines angekündigten Geständnisses der Angeklagten rege die Kammer an, dass sich die Verfahrensbeteiligten dahingehend verständigten, dass der Beschwerdeführer zu I. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als sechs Jahren und die drei Mitangeklagten zu Gesamtfreiheitsstrafen von nicht mehr als fünf Jahren und sechs Monaten, zwei Jahren und vier Jahren verurteilt würden. Für den Fall einer Verurteilung in dieser Größenordnung habe die Staatsanwaltschaft angekündigt, ein dort noch anhängiges Ermittlungsverfahren zu einem weiteren Tatkomplex im Wesentlichen nach § 154 Abs. 1 StPOeinzustellen. Eine Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO erfolgte nicht. Die Angeklagten, die Verteidiger und der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft erklärten sich mit dem Vorschlag des Gerichts einverstanden. Im Anschluss machten die Angeklagten jeweils Angaben zur Sache, wobei der Beschwerdeführer zu I. auch Fragen beantwortete. Sämtliche polizeilichen Zeugenvernehmungsprotokolle wurden gemäß § 249 Abs. 2, § 251 Abs. 1 Satz 1 StPO im Selbstleseverfahren eingeführt und die entsprechenden Zeugen abgeladen. In der Folge vernahm die Kammer noch mehrere Polizeibeamte und Behördenmitarbeiter als Zeugen. Unterlagen wurden teils in Augenschein genommen oder verlesen, teils im Selbstleseverfahren eingeführt. 

b) Mit seiner Revision beanstandete der Beschwerdeführer zu I. den Verstoß gegen die Belehrungspflicht des § 257c Abs. 5 StPO und erhob die Sachrüge. Der Bundesgerichtshof verwarf die Revision mit Beschluss vom 8. Oktober 2010 gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet. In Bezug auf den Belehrungsfehler verwies der Bundesgerichtshof auf eine frühere Entscheidung (Beschluss vom 17. August 2010 - 4 StR 228/10 -), in der er die Rüge eines Verstoßes gegen § 257c Abs. 5 StPO mit der Erwägung zurückgewiesen hatte, das Urteil beruhe nicht auf dem Fehler, weil die Strafkammer die im Rahmen der Verständigung angekündigte Strafobergrenze eingehalten habe. 

2. a) Die Beschwerdeführer zu II. wurden durch das Landgericht München II mit Urteil vom 27. April 2010 wegen gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Betruges in 27 tatmehrheitlichen Fällen jeweils in Tateinheit mit vorsätzlichem gemeinschaftlichen unerlaubten Betreiben eines Bankgeschäfts zu Gesamtfreiheitsstrafen von drei Jahren und sechs Monaten (Beschwerdeführer zu II. 1)) und drei Jahren und vier Monaten (Beschwerdeführer zu II. 2)) verurteilt. Der Verurteilung ging eine Verständigung voraus. Zu Beginn der Hauptverhandlung hatte der Verteidiger des Beschwerdeführers zu II. 2) ein Rechtsgespräch angeregt, für das die Verhandlung unterbrochen wurde. In der Pause führten die Verteidiger, das Gericht und der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft Verständigungsgespräche. Nach Fortsetzung der Hauptverhandlung stellte das Gericht fest, das Verfahren gemäß § 257b StPO mit allen Verfahrensbeteiligten ausführlich erörtert zu haben. Die Kammer habe darauf hingewiesen, dass nach Aktenlage und vorbehaltlich des Ergebnisses der Hauptverhandlung und der Beweisaufnahme ein Schuldspruch wegen 27 Fällen des Betruges in besonders schwerem Fall jeweils in Tateinheit mit dem vorsätzlichen gemeinschaftlichen unerlaubten Betreiben eines Bankgeschäfts in Betracht komme. Unter Berücksichtigung dieser Bewertung sowie eines angekündigten Geständnisses rege die Kammer an, dass sich die Verfahrensbeteiligten dahingehend verständigten, dass der Beschwerdeführer zu II. 1) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als drei Jahren und sechs Monaten verurteilt werde und der Beschwerdeführer zu II. 2) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als drei Jahren und vier Monaten. Eine Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO erfolgte nicht. Dem Vorschlag stimmten die Beschwerdeführer zu II., ihre Verteidiger und die Staatsanwaltschaft ausdrücklich zu. Auf die Einvernahme von Zeugen - mit Ausnahme des ermittelnden Polizeibeamten - wurde allseits verzichtet. Die Verteidiger gaben Erklärungen zur Sache ab, die sich die Beschwerdeführer zu II. jeweils zu eigen machten. Die Feststellungen im Urteil beruhen ausschließlich auf diesen Erklärungen und auf den Angaben des ermittelnden Polizeibeamten sowie den im Wege des Selbstleseverfahrens in die Hauptverhandlung eingeführten Ergebnissen einer von der Polizei in Form von Fragebögen durchgeführten schriftlichen Zeugenbefragung. 

b) Mit ihrer Revision beanstandeten die Beschwerdeführer zu II. den Verstoß gegen die Belehrungspflicht des § 257c Abs. 5 StPO und erhoben die Sachrüge. Der Bundesgerichtshof verwarf die Revision mit Beschluss vom 2. November 2010 gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet. Zu dem Belehrungsmangel führte er aus, dass eine der von § 257c Abs. 4 StPO erfassten Fallgestaltungen, über deren Rechtsfolgen vorab zu belehren sei, nicht vorliege. Die verhängten Strafen überstiegen auch nicht die vom Gericht jeweils zugesicherte Höhe. Konkrete, fallbezogene Gründe, die für die auch nur entfernte Möglichkeit sprächen, dass sich der aufgezeigte Verfahrensmangel auf das Prozessverhalten der Angeklagten ausgewirkt haben könnte, so dass letztlich ein für sie günstigeres Urteil nicht auszuschließen wäre, seien weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. 

3. a) Der Beschwerdeführer zu III. wurde als einer von zwei Angeklagten durch das Landgericht Berlin mit Urteil vom 15. März 2011 wegen zweier Fälle des schweren Raubes und wegen Sachbeschädigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Verurteilung ging eine Verständigung voraus. Der Vorsitzende hatte die Angeklagten nach Verlesung der Anklageschrift darauf hingewiesen, dass es hinsichtlich der Raubtaten im Wesentlichen drei Möglichkeiten gebe. Die erste sei ein Freispruch, die zweite eine Verurteilung wegen eines oder zweier Fälle des schweren Raubes mit jeweils einer Mindestfreiheitsstrafe von drei Jahren nach streitiger Beweisaufnahme. In der zweitgenannten Konstellation - so die Urteilsgründe - „verspüre“ die Kammer angesichts dessen, dass es sich um Taten handele, die die Angeklagten als Polizeibeamte im Dienst begangen hätten, „wenig Neigung“ zur Annahme von minder schweren Fällen. Die dritte Möglichkeit schließlich sei hinsichtlich der Konsequenzen ein Mittelweg: Falls die Angeklagten sich zu Geständnissen, die eine Beweisaufnahme überflüssig machen, entschlössen, könne dieser Umstand bei der Gesamtabwägung, ob minder schwere Fälle vorliegen, eine entscheidende Rolle spielen und letztlich den Ausschlag zugunsten der Angeklagten geben. In diesem Fall seien Gesamtfreiheitsstrafen zu erwarten, deren Vollstreckung die Kammer zur Bewährung aussetzen könne. Während einer 85-minütigen Verhandlungspause hatten die Angeklagten Gelegenheit, über den Vorschlag des Gerichts nachzudenken und ihn mit ihren Verteidigern zu beraten. Der Vorsitzende mahnte derweil zur Eile. Nach dem Vortrag des Beschwerdeführers zu III. warnte ihn sein Verteidiger zudem vor der Möglichkeit einer „Saalverhaftung“, wenn er der vorgeschlagenen Verständigung nicht nähertrete. Nach der Verhandlungspause erklärten die Angeklagten und die Staatsanwaltschaft ihre Zustimmung zu dem Vorschlag des Gerichts, was entsprechend zu Protokoll genommen wurde. Nach allgemeiner und besonderer Belehrung gemäß § 257c Abs. 4 und 5 StPO legten die Angeklagten Geständnisse in Form einer schlichten Bestätigung des Anklagesatzes ab. Anschließend erklärten die Verteidiger jeweils, dass Fragen zur Sache nicht beantwortet würden. Auf die Vernehmung von Zeugen wurde allseits verzichtet. Nach den Plädoyers und dem letzten Wort der Angeklagten zog sich die Kammer zur Beratung zurück, trat sodann aber noch einmal in die Beweisaufnahme ein, um die Angeklagten zu fragen, ob sie bei den Taten ihre Dienstwaffen bei sich geführt hätten und ob diese geladen gewesen seien, was die Angeklagten bejahten. Die Feststellungen im Urteil beruhen ausschließlich auf den Erklärungen der Angeklagten und entsprechen weitgehend dem Anklagesatz. 

b) Mit seiner Revision machte der Beschwerdeführer zu III. im Wege der Verfahrensrüge Verstöße gegen § 244 Abs. 2 StPO und gegen § 136a StPO geltend und erhob daneben die Sachrüge. Der Bundesgerichtshof verwarf die Revision auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 349 Abs. 2 StPOals unbegründet und bemerkte lediglich ergänzend, dass er der Revision jenseits der vom Generalbundesanwalt zutreffend als unzulässig bewerteten Verfahrensrügen eine noch zulässig erhobene Beanstandung der Anwendung von § 257c StPO entnehme. Diese greife in der Sache aber nicht durch. Das Landgericht habe den Angeklagten vor Augen halten dürfen, dass im Verurteilungsfall nur unter der Voraussetzung eines Geständnisses der Strafrahmen des § 250 Abs. 3 StGB (minder schwerer Fall) eröffnet sein könne. Eine Drohung mit einer willkürlich bemessenen „Sanktionsschere“ liege deshalb nicht vor. Zu allen darüber hinausgehenden Behauptungen unzulässigen Drucks fehle es schon an ausreichendem Revisionsvortrag. Abgesehen davon sei insoweit ersichtlich nichts erwiesen. 

III. 

1. Die Beschwerdeführer zu I. und zu II. rügen eine Verletzung von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der Selbstbelastungsfreiheit und des fairen Verfahrens sowie dem Schuldprinzip, ferner Verstöße gegen Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 GG, Art. 19 Abs. 4 sowie Art. 101 Abs. 1 GG durch das Unterlassen der von § 257c Abs. 5 StPO verlangten Belehrung vor Zustandekommen der Verständigung. Hilfsweise rügen sie die Verfassungswidrigkeit des § 257c StPOwegen Verstoßes insbesondere gegen das Schuldprinzip und das Rechtsstaatsgebot. 

a) Die Möglichkeit einer Beeinflussung des Verfahrensausgangs durch eine Verständigung übe mittelbar Druck auf den Angeklagten aus, ein Geständnis abzulegen. Eine freiverantwortliche, auf autonomer Einschätzung des damit verbundenen Risikos beruhende Entscheidung über die Abgabe eines Geständnisses setze voraus, dass der Angeklagte wisse, dass sich das Gericht über § 257c Abs. 4 StPOwieder von der Verständigung lösen könne. Die Gerichte hätten diese Aufgabe, die der Gesetzgeber der Belehrungspflicht zugewiesen habe, übersehen und § 257c Abs. 5 StPO unter Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG zu einer reinen Ordnungsvorschrift entwertet. Käme nämlich - worauf die Revisionsentscheidung hinauslaufe - ein Verstoß gegen § 257c Abs. 5 StPO nur bei einer Abweichung des Gerichts von der Verständigung zum Tragen, so bliebe ein Verstoß gegen die Belehrungspflicht letztlich in allen Fällen ohne Konsequenz, da bei einer Abweichung von der Verständigung das Geständnis schon wegen § 257c Abs. 4 Satz 3 StPO nicht verwertbar sei. Auch aus tatsächlicher Sicht überzeuge die Auffassung des Bundesgerichtshofs nicht, da niemand wissen könne, ob bei ordnungsgemäßer Belehrung die Verständigung überhaupt zustande gekommen wäre. 

b) Die Vorschrift des § 257c StPO verstoße gegen das Schuldprinzip und das aus Rechtsstaatsgebot und Gleichheitssatz folgende Legalitätsprinzip, die beide die Ermittlung des wahren Sachverhalts verlangten. Das Bemühen um Gewährleistung einer - trotz der Verständigung - schuldangemessenen Strafe sei mit dem zugleich verfolgten Anliegen einer Verfahrensverkürzung unvereinbar. Dieser innere Widerspruch präge die gesamte Diskussion zu § 257c StPO. Die gesetzliche Regelung sei nicht geeignet, die Realität der Verständigungspraxis zu beeinflussen. Eine wirksame revisionsgerichtliche Kontrolle von Verständigungen sei nicht möglich. Die Verständigung laufe darauf hinaus, der gerichtlichen Entscheidung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens zugrundezulegen; dieses sei aber gerade nicht zur Findung der materiellen Wahrheit, sondern lediglich zu einer Verdachtsklärung bestimmt. Die Schöffen, die den Akteninhalt nicht kennten, seien für ihre Überzeugungsbildung auf den Inbegriff der Hauptverhandlung angewiesen. Im Falle eines Scheiterns der Verständigung sei die Neutralität des Richters im weiteren Verlauf des Verfahrens gefährdet. Dass dem unverteidigten Angeklagten faktisch die Möglichkeit einer Verständigung verschlossen bleibe, verstoße gegen den Gleichheitssatz. 

2. Der Beschwerdeführer zu III. rügt eine Verletzung seiner Grundrechte auf effektiven Rechtsschutz und ein faires Verfahren gemäß Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 GG. Der Bundesgerichtshof habe die Anforderungen an die Zulässigkeit von Verfahrensrügen in der Revision überspannt. Ferner verstoße die vom Landgericht angedrohte „Sanktionsschere“ gegen das Recht auf ein faires Verfahren. Schließlich habe das Landgericht seine Aufklärungspflicht verletzt, weil es das Geständnis nicht auf seinen Wahrheitsgehalt überprüft habe. 

IV. 

1. Die Bundesregierung vertritt die Auffassung, die durch das Verständigungsgesetz eingeführten Vorschriften seien mit dem Grundgesetz vereinbar. Durch die Verständigung werde nicht ermöglicht, dass sich die Verfahrensbeteiligten ohne Ermittlung des wahren Sachverhalts auf ein bestimmtes Ergebnis einigten. § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO stelle vielmehr klar, dass der Amtsermittlungsgrundsatz auch im Falle einer Verständigung unberührt bleibe. Entsprechendes gelte für die Strafzumessung, die sich weiterhin nach § 46 StGB bestimme. Der Angeklagte könne unabhängig vom Vorliegen einer Verständigung frei entscheiden, ob er sich geständig einlassen wolle oder nicht. § 257c StPO lasse daher die Selbstbelastungsfreiheit unberührt. Auch die Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege werde durch die gesetzliche Regelung nicht beeinträchtigt. Vielmehr könne eine geständige Einlassung zu einer weniger umfangreichen Beweisaufnahme führen. Auch könnten Verständigungen eine Verbesserung des Opferschutzes bewirken, wenn ein Geständnis die Vernehmung von Opferzeugen in der Hauptverhandlung entbehrlich mache. 

2. Die Bayerische Staatsregierung, die sich zu den Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu I. und zu II. geäußert hat, hält diese für unbegründet. Ein Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren liege nicht vor. Zum einen habe sich das Gericht an die zugesagten Strafobergrenzen gehalten, zum anderen mache die bloß abstrakte Möglichkeit, dass die Beschwerdeführer bei ordnungsgemäßer Belehrung von der Verständigung insgesamt Abstand genommen hätten, das Verfahren nicht unfair. § 257c StPO verletze weder das Schuldprinzip noch den Legalitätsgrundsatz. Die nunmehr gesetzlich vorgesehene Möglichkeit, ein Ermittlungs- oder Strafverfahren durch Einräumung von inneren und äußeren Umständen im Rahmen einer Verständigung abzukürzen, werde der Tatsache gerecht, dass dem Angeklagten aufgrund seiner Subjektqualität auch zugetraut werden müsse, Entscheidungen eigenverantwortlich zu treffen. Außerdem lasse § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO die Amtsaufklärungspflicht unberührt. 

3. Der Präsident des Bundesgerichtshofs hat Stellungnahmen der Vorsitzenden des 1., 3., 4. und 5. Strafsenats vorgelegt. 

a) Der Vorsitzende des 1. Strafsenats führt aus, eine frühe Einbeziehung des Angeklagten und seines Verteidigers in die Überlegungen zur Strafzumessung bis hin zu einer Verständigung stärke die Stellung des Angeklagten als Subjekt. An der Bedeutung eines Geständnisses für die Strafzumessung habe sich durch § 257c StPO nichts geändert. Seien die zur Wahrheitsfindung erforderlichen Tatsachen nach Überzeugung des Gerichts durch ein Geständnis umfassend erwiesen, komme einer weiteren Beweisaufnahme keine Bedeutung mehr zu. Sie werde von § 244 Abs. 2 StPO nicht gefordert und sei zur Vermeidung unnötiger Belastung des Angeklagten, der Tatopfer sowie zum effektiven Einsatz der Ressource Recht zu vermeiden. Eine überdurchschnittliche Fehlerquote könne der Senat bei dem Verständigungsverfahren gemäß § 257c StPO nicht konstatieren. Von den im Jahr 2011 beim 1. Strafsenat anhängig gewordenen 650 Revisionsverfahren habe dem Urteil nur in 34 Fällen (ca. 5 %) eine Verständigung zugrunde gelegen. Nur in drei Fällen habe es Anlass zu Kritik gegeben: In zwei Fällen habe eine unzulässige Vereinbarung über den Schuldspruch vorgelegen, im dritten Fall eine unvertretbare Nichtberücksichtigung eines besonders schweren Falles. 

b) Die Vorsitzenden des 3. und 4. Strafsenats verweisen auf Entscheidungen ihrer Senate. Der Vorsitzende des 5. Strafsenats verweist ebenfalls auf Entscheidungen seines Senats und teilt mit, die von seinem Strafsenat bislang entschiedenen Fälle ließen aus seiner Sicht noch keine generelle Beurteilung der Normanwendung durch die Tatgerichte aus der in diesem Bereich ohnehin eingeschränkten Sicht des Revisionsgerichts zu. Der Senat hege bislang keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 257c StPO.
 
4. Der Generalbundesanwalt hält § 257c StPO für grundsätzlich verfassungskonform. Die Norm ersetze nicht die bisherige Struktur des Strafprozesses durch ein adversatorisches Verfahren, sondern füge sich entsprechend dem Willen des Gesetzgebers in das bestehende System ein. Sie verletze weder das Schuldprinzip noch das Recht auf ein faires Verfahren. Die Unschuldsvermutung und die Selbstbelastungsfreiheit blieben ebenso unangetastet wie der Gleichheitssatz. Zwar führe die gesetzliche Zulassung von Verständigungen zu Spannungen mit zahlreichen Verfahrensmaximen des Strafprozesses. In Anbetracht des Gestaltungsermessens des Gesetzgebers folge hieraus aber nicht die Verfassungswidrigkeit der Norm. Erheblich für die Verfassungsmäßigkeit der Verständigung spreche, dass sie besonders geeignet sei, den - in seiner Bedeutung im Verhältnis zum Ideal der Wahrheitsfindung zuletzt deutlich aufgewerteten - Zweck der Herstellung von Rechtsfrieden zu erreichen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die Verständigung auch auf einer angemessenen Einbeziehung und Interessenwahrung des Opfers beruhe. Eine Legitimation der Verständigung lasse sich teilweise auch aus dem Prinzip der Disponibilität von Rechten ableiten. Die Rechtsordnung gewähre dem Angeklagten in weitem Umfang die Möglichkeit, auf Verfahrensrechte zu verzichten und die Art seines Verteidigungsverhaltens autonom zu bestimmen. Anführen lasse sich für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Verständigungen ferner, dass diese Erledigungsart auf dem durchweg als modern und zeitgemäß empfundenen Gebot eines offenen und kommunikativen Verhandlungsstils aufbaue. 

Ungeachtet dessen entfalte die gesetzliche Verankerung der Verständigung eine erhebliche Sogwirkung in Richtung auf strukturelle Veränderungen des Strafprozesses. Die Anerkennung und Ausbreitung quasi-vertraglicher Erledigungsformen habe sich in mehreren Stufen mit bislang ungebrochen expansiver Tendenz vollzogen. Rechtsprechung und Gesetzgebung hätten die normative Kraft des Faktischen nur nachholend bestätigen können, wobei gegenläufige, auf eine Kanalisierung der Verständigungspraxis gerichtete Bestrebungen bislang nicht in der Lage gewesen seien, die Dynamik der Entwicklung aufzuhalten. Ein wesentliches Motiv für die gewachsene Zahl von Verständigungen sei die in den vergangenen Jahrzehnten gestiegene Arbeitsbelastung der Justiz, mit der deren sachliche und personelle Ausstattung nicht Schritt gehalten habe. Angesichts dessen beziehe die Verständigung als Gegenmodell zur Durchführung einer aufwendigen streitigen Hauptverhandlung einen wesentlichen Teil ihrer Attraktivität aus der Möglichkeit für alle Beteiligten, das Verfahren drastisch abzukürzen, es möglichst weiterer rechtlicher Kontrolle zu entziehen und so über die Einsparung von Arbeitsaufwand im konkreten Fall die jeweiligen Erledigungsquoten - beim Verteidiger zudem mit positiven ökonomischen Folgen - zu erhöhen. 

Zur Sicherung der Verfassungskonformität sei daher einer weiteren Expansion von Formen der Verständigung im Strafprozess Einhalt zu gebieten. Dieser Erledigungsart könne im strafprozessualen System nach dem Willen des Gesetzgebers nur eine ergänzende Funktion zukommen. Sie dürfe nicht zum Regelfall des Strafverfahrens werden. Um den mit ihr verbundenen mittelbaren Gefährdungen verfassungsrechtlich geschützter Verfahrensprinzipien auf Dauer entgegenzuwirken, bedürften Anwendungsbereich und Voraussetzungen des § 257c StPO in Fortführung bereits vorhandener Ansätze in der fachgerichtlichen Rechtsprechung einer einschränkenden Auslegung. Ferner seien die im Gesetz angelegten Restriktionspotenziale über die bisherige Rechtsanwendung hinaus weiter auszuschöpfen und weitere flankierende Maßnahmen geboten. 

Vor diesem Hintergrund hält der Generalbundesanwalt die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu I. und II. für unbegründet. Die vom Bundesgerichtshof vorgenommene Beruhensprüfung hinsichtlich des Belehrungsmangels sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu III. erachtet der Generalbundesanwalt dagegen auf der Grundlage der von ihm als notwendig erachteten verfassungskonformen Auslegung des § 257c StPOals nicht aussichtslos. Es fehle bereits an der plausiblen Darlegung der Eignung des Falles für eine Verständigung, auf die die Strafkammer vorschnell ausgewichen sei. Zudem habe das Landgericht das erkennbar auf eine reine Bestätigung der Anklage beschränkte Geständnis keiner weiteren Überprüfung unterzogen. Schließlich gehe die Verständigung auf ein verfassungsrechtlich bedenkliches Aufzeigen von Alternativstrafen zurück. 

5. Der Senat hat ferner Stellungnahmen des Deutschen Richterbundes, des Deutschen Anwaltvereins und der Bundesrechtsanwaltskammer eingeholt. 
a) Der Deutsche Richterbund vertritt die Auffassung, das Verständigungsgesetz habe zwar einen erheblichen Gewinn an Rechtssicherheit gebracht; gleichwohl habe sich die gesetzliche Regelung aus Sicht der Praxis nicht uneingeschränkt bewährt. Das Risiko, dass eine Verständigung auch und gerade wegen des erwünschten Beschleunigungseffekts einen Verzicht auf gründliche und umfassende Sachaufklärung zur Folge haben könne, sei unübersehbar. Die Verkürzung der Hauptverhandlung führe außerdem dazu, dass der - in der Praxis in aller Regel von der Polizei erstellte - schriftliche Inhalt der Akten an Bedeutung gewinne. Die Justiz drohe die gebotene Kontrolle über die polizeilichen Ermittlungsergebnisse zu verlieren. Hinzu komme, dass es für alle Verfahrensbeteiligten verführerisch sei, sich die oft notwendige Erfassung, Auswertung und Beurteilung umfangreicher elektronisch gespeicherter Beweismittel durch eine Verständigung zu ersparen unter Inkaufnahme und im Bewusstsein des Umstandes, dadurch nur einen kleinen Teil des Beweisstoffes zur Kenntnis zu nehmen. Nicht von der Hand zu weisen sei die Gefahr, dass gerade bei Verfahren großen Umfangs das zu einem frühen Zeitpunkt aus echter Reue abgegebene Geständnis im Vergleich zu dem im Hinblick auf eine mögliche Verständigung taktisch zurückgehaltenen Geständnis entwertet werde. Damit verbunden sei die bedenkliche Tendenz, „kleine“, häufig unverteidigte Straftäter härter zu bestrafen, während die Justiz in Großverfahren aus Mangel an Mitteln immer nachgiebiger werde. Die in vielen Ländern unzureichende Personalausstattung der Justiz führe in der Kombination mit weiteren ungünstigen Rahmenbedingungen des deutschen Strafprozesses, deren Verbesserung bislang nicht gelungen sei, immer wieder zu Hauptverhandlungen, die der Öffentlichkeit nicht als dem hohen Gerechtigkeitsanspruch der deutschen Justiz entsprechend vermittelt werden könnten. Dadurch leide das Ansehen der Rechtspflege insgesamt. Hinzu komme, dass das Verständigungsverfahren zahlreiche noch offene Probleme aufweise. So würden die Öffentlichkeits- und Protokollierungspflichten teilweise als Belastung empfunden; zugleich würden vielfältige Hinweis- und Fürsorgepflichten des Tatrichters die Handhabung des § 257c StPO erschweren. Auch die umfangreichen Belehrungspflichten des § 257c Abs. 5 StPO hätten sich als wenig praxistauglich erwiesen. Der Ausschluss des Verzichts auf Rechtsmittel stehe im Widerspruch zu der Erwartung der Praxis, mit der ausgehandelten Verständigung eine rasche Rechtskraft des Ergebnisses zu erreichen. Die Verlockung, „es so zu machen wie früher“ und eine unzulässige „informelle“ Absprache außerhalb des § 257c StPO zu treffen, erscheine daher evident. Nicht zu unterschätzen sei zudem die Gefahr, dass sich Gerichte, Staatsanwaltschaften und Verteidiger dergestalt an Absprachen gewöhnten, dass die Beendigung des Verfahrens auf diese Weise zum Regelfall werde. Die Warnungen vor einem „schleichend eingeläuteten Systemwechsel“ seien ernst zu nehmen. Dem Zeitgeist folgend versuche der Gesetzgeber, unter dem Deckmantel der Förderung eines offenen und kommunikativen Verhandlungsstils Versäumnisse bei der Ausgestaltung und Praktikabilität des formellen und materiellen Rechts zu kompensieren. Der Gesetzgeber sei jedoch verpflichtet, die prozessualen Rahmenbedingungen so auszugestalten, dass die Justiz ihrem gesetzlichen Strafverfolgungsauftrag gerecht werden könne, ohne sich auf Verhandlungen mit dem Angeklagten zulasten der materiellen Wahrheit und der Gerechtigkeit einlassen zu müssen. Um dem verfassungsrechtlichen Beschleunigungsgebot Genüge zu tun und die Handlungsfähigkeit der Justiz zu gewährleisten, kämen etwa eine Neuordnung des Ablehnungsrechts, die Befristung von Beweisanträgen, eine Neufassung des § 265 Abs. 3 StPO, Erleichterungen bei Beweistransfers aus dem Ermittlungsverfahren in die Hauptverhandlung (etwa bei der Einführung von Urkunden) und eine Änderung des § 273 Abs. 3 StPO in Betracht. 

b) Der Deutsche Anwaltverein hält die Anwendung des § 257c StPO durch die Gerichte in den Ausgangsverfahren für verfassungswidrig und die Verfassungsbeschwerden daher für begründet. Insbesondere verstoße die Verletzung der Belehrungspflicht aus § 257c Abs. 5 StPO gegen das Recht auf ein faires Verfahren, da bei fehlender Belehrung die Willensfreiheit des Angeklagten im Zeitpunkt der Entscheidung über den Abschluss der Verständigung nicht gegeben sei. Zudem bestünden an der Verfassungsmäßigkeit des § 257c StPO erhebliche Zweifel. Der Aufklärungsgrundsatz und das Schuldprinzip stünden dem mit § 257c StPO verfolgten Ziel einer Verfahrensverkürzung und -vereinfachung strukturell entgegen. Eine „Bändigung der Verständigung“ sei durch die gesetzliche Regelung nicht geglückt. Dieser Befund werde durch Erfahrungsberichte von Mitgliedern des Strafrechtsausschusses des Deutschen Anwaltvereins bestätigt. In einem Fall habe etwa der Vorsitzende einer Strafkammer im Gespräch mit dem Verteidiger geäußert, dass das Urteil, das aufgrund der Verständigung zustande kommen sollte, einer revisionsgerichtlichen Überprüfung vermutlich nicht standhalten würde. Dieses Risiko würde er aber eingehen, weil er davon ausgehe, dass sich alle Beteiligten an die Verständigung halten und daher keine Revision eingelegt werde. In einem anderen Fall habe die Kammer für die Abgabe umfassender Geständnisse im Sinne der Anklage eine Strafe im bewährungsfähigen Bereich in Aussicht gestellt, obwohl sich der Sachverhalt in der Hauptverhandlung anders dargestellt habe. Da für die Angeklagten die Freiheit wichtiger gewesen sei als die Wahrheit, seien entsprechende, die Anklage bestätigende Geständnisse abgegeben worden. Die Gefahr falscher Geständnisse habe durch das Verständigungsgesetz eher zugenommen. Benachteiligt werde der Angeklagte, der schon früh im Ermittlungsverfahren gestanden habe, da er für eine Verständigung nichts mehr anzubieten habe. Die Förmlichkeiten und Beschränkungen des gesetzlich vorgesehenen Verständigungsverfahrens würden in der Praxis überwiegend umgangen. Die Revisionsgerichte ließen die Möglichkeiten zur „Domestizierung“ der Verständigung ungenutzt. 

c) Die Bundesrechtsanwaltskammer hält § 257c StPO für verfassungsgemäß. Die Vorschrift stehe im Spannungsverhältnis zwischen den Verpflichtungen zur Ermittlung des wahren Sachverhalts und zur Bestimmung der schuldangemessenen Strafe als Elementen des Schuldprinzips, dem Grundsatz des fairen Verfahrens und dem Gebot wirksamer Strafrechtspflege. Die gesetzliche Regelung sei ausgerichtet auf einen praktisch konkordanten Ausgleich zwischen diesen Grundsätzen. Sie schaffe im Vergleich zur früheren Rechtslage ein beträchtliches Maß an Rechtssicherheit. Tragende Prinzipien eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens seien nicht verletzt. Dies gelte insbesondere für den Amtsermittlungsgrundsatz, die Grundsätze der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit und das Gebot bestmöglicher Sachaufklärung. Das generell mit der Verurteilung auf der Grundlage eines Geständnisses verbundene Risiko eines Fehlurteils werde durch die gesetzlichen Verständigungsregelungen nicht signifikant erhöht. Dass der Bundesgerichtshof dazu neige, bei Verstößen gegen die formellen Voraussetzungen einer Verständigung, namentlich die Dokumentations-, Mitteilungs- und Belehrungspflichten, ein Beruhen des Urteils auszuschließen, sei der vom Gesetzgeber angestrebten Transparenz des mit einer Verständigung verbundenen Geschehens allerdings nicht förderlich. Die Eindämmung „informeller“ Absprachen werde dadurch erschwert. Im Ergebnis sei ein struktureller Mangel des Gesetzes zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren derzeit nicht erkennbar. Die Bundesrechtsanwaltskammer hält die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu I. und II. für unbegründet. Die unterbliebene Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO habe das Verfahren nicht insgesamt unfair gemacht, da das Gericht letztlich von der Verständigung nicht abgewichen sei. Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu III. hält die Bundesrechtsanwaltskammer dagegen für begründet. Insbesondere habe das Landgericht seine Aufklärungspflicht verletzt, indem es sich mit einem Formalgeständnis begnügt habe. Zudem sei dem Geständnis ein Aufzeigen von Alternativstrafen vorausgegangen. Dies stelle einen Verstoß gegen das Schuldprinzip dar. 

V. 

Der Senat hat den Sachverständigen Prof. Dr. Altenhain, Universitätsprofessor an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, mit der Durchführung einer repräsentativen empirischen Untersuchung zur Praxis der Verständigung im Strafverfahren beauftragt. Zu diesem Zweck hat der Sachverständige im Zeitraum zwischen dem 17. April und 24. August 2012 insgesamt 190 mit Strafsachen befasste Richterinnen und Richter des Landes Nordrhein-Westfalen befragt, von denen 117 als Strafrichter oder Vorsitzende eines Schöffengerichts und 73 als Vorsitzende einer Strafkammer tätig waren. Als Kontrollgruppe wurden daneben 68 Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie 76 Fachanwältinnen und Fachanwälte für Strafrecht befragt. 

Nach Einschätzung der befragten Richter wurden im Kalenderjahr 2011 17,9 % der Strafverfahren an Amtsgerichten und 23 % der Strafverfahren an Landgerichten durch Absprachen erledigt. Auf die Frage, in wieviel Prozent der Fälle nach ihrer Einschätzung in der gerichtlichen Praxis die gesetzlichen Vorschriften zur Verständigung verletzt würde, gaben etwas mehr als die Hälfte der Richter an, dass dies in mehr als der Hälfte aller Verfahren mit Absprachen der Fall sein dürfte. So gaben 58,9 % der befragten Richter an, mehr als die Hälfte ihrer Absprachen „informell“, also ohne Anwendung des § 257c StPOdurchgeführt zu haben, 26,7 % gaben an, immer so vorgegangen zu sein. 33 % der befragten Richter gaben an, außerhalb der Hauptverhandlung Absprachen geführt zu haben, ohne dass dies in der Hauptverhandlung offengelegt wurde, während 41,8 % der Staatsanwälte und 74,7 % der Verteidiger angaben, dies schon erlebt zu haben. Die Offenlegungspflicht wird von einem nicht unbeachtlichen Teil der Richter als überflüssiger Formalismus empfunden. Die Regelung zum sogenannten Negativattest (§ 273 Abs. 1a Satz 3 StPO) bleibt in der Praxis oft unbeachtet. 54,4 % der befragten Richter gaben an, eine nicht erfolgte Verständigung für im Protokoll nicht erwähnenswert zu halten. 46,7 % der befragten Richter weisen entgegen § 267 Abs. 3 Satz 5 StPO nicht in den Urteilsgründen auf eine dem Urteil vorausgegangene Verständigung hin. Sehr häufiger Inhalt von Absprachen ist die Einstellung beziehungsweise Beschränkung des Verfahrens nach §§ 154, 154a StPO; in diesem Zusammenhang wird auch die Einstellung anderer, nicht in die Anklage einbezogener Verfahren im Rahmen sogenannter „Gesamtlösungen“ immer wieder thematisiert. (Im Rahmen einer von G. Schöch durchgeführten anonymisierten empirischen Erhebung zur Absprachepraxis in München sind sogar „Familienlösungen“ bekanntgeworden, bei denen etwa der Mann eine höhere Freiheitsstrafe erhält und im Gegenzug die Frau eine Bewährungsstrafe, um zu Hause die Kinder versorgen zu können, oder die zukünftigen Strafen von Familienangehörigen in anderen Verfahren gleich mit abgesprochen werden [vgl. G. Schöch, Urteilsabsprachen in der Strafrechtspraxis, 2007, S. 147]). Teilweise werden ausweislich der Studie von Prof. Dr. Altenhain durch § 257c Abs. 2 StPO ausdrücklich ausgeschlossene Inhalte wie etwa der Schuldspruch in die Absprache aufgenommen. Während 61,7 % der Richter angaben, die Glaubhaftigkeit von im Anschluss an eine Absprache abgelegten Geständnissen immer zu überprüfen, räumten 38,3 % der Richter ein, die Glaubhaftigkeit des Geständnisses nicht immer, sondern nur häufig, manchmal, selten oder nie zu überprüfen. 35,3 % der befragten Richter haben nach eigenem Bekunden dem Angeklagten oder seinem Verteidiger in Verständigungsgesprächen neben der Strafobergrenze beziehungsweise dem bestimmten Strafmaß für den Fall einer Kooperation schon einmal eine zweite Strafe für den Fall einer „streitigen“ Hauptverhandlung genannt, 16 % gaben an, typischerweise so vorzugehen. Die Einlegung eines Rechtsmittels nach einer Absprache ist sehr selten. Nach Auskunft von 27,4 % der Richter wurde sogar bei Verständigungen gemäß § 257c StPO - entgegen § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO - ausdrücklich auf Rechtsmittel verzichtet. Von den Richtern gaben 14,7 % an, dass bei ihnen nach einer Absprache „immer“ auf Rechtsmittel verzichtet werde; bei 56,6 % geschah dies „häufig“ (Staatsanwälte: 5,6 % bzw. 64,8 %; Verteidiger: 5,6 % bzw. 76,1 %). Nicht weniger als 16,4 % der Richter und 30,9 % der Staatsanwälte erklärten, sich im Rahmen einer Absprache schon auf eine ihrer Ansicht nach zu milde Strafe eingelassen zu haben.

Demgegenüber haben sich von den Verteidigern 30,3 % nach eigener Auskunft schon auf eine ihrer Ansicht nach zu hohe Strafe im Wege der Absprache eingelassen. Der „Strafrabatt“ im Anschluss an ein absprachegemäß abgelegtes Geständnis liegt nach Angaben der Befragten zumeist zwischen 25 % und 33,3 % der wahrscheinlich zu erwartenden Strafe nach „streitiger“ Verhandlung. 

VI. 

Mit Beschlüssen vom 22. Mai 2012 und vom 21. Juni 2012 hat die 1. Kammer des Zweiten Senats auf Antrag der sich zu dieser Zeit in Strafhaft befindenden Beschwerdeführer zu I. und II. die Vollstreckung aus den angegriffenen Urteilen des Landgerichts München II bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerden, längstens für sechs Monate, einstweilen ausgesetzt. Mit Beschlüssen vom 22. Oktober 2012 und vom 5. Dezember 2012 hat der Senat auf Antrag der Beschwerdeführer zu I. und II. die einstweiligen Anordnungen wiederholt. 

VII. 

In der mündlichen Verhandlung hat der Senat Prof. Dr. Altenhain zu dessen im Auftrag des Senats angefertigter empirischer Studie über die Praxis der Verständigung im Strafverfahren gehört, zu den Erfahrungen und Einschätzungen bei den Tat- und Revisionsgerichten den Präsidenten des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Tolksdorf, Generalbundesanwalt Range, Vorsitzenden Richter am Landgericht Marburg Dr. Paul, Vorsitzenden Richter am Landgericht Hildesheim Pohl, Vorsitzenden Richter am Landgericht Hamburg Dr. Tully und Vorsitzenden Richter am Landgericht Freiburg im Breisgau i.R. Royen. Prof. Dr. Frisch, Direktor der Abteilung 1 des Instituts für Strafrecht und Strafprozessrecht der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, hat sich zum Schuldprinzip und dessen Bedeutung für die Legitimation staatlichen Strafens im Rechtsstaat und die Erfüllung der freiheitssichernden Funktion des Strafrechts sowie zur Vereinbarkeit der Verständigungspraxis und des § 257c StPO mit dem Schuldprinzip geäußert. Die Bevollmächtigten der Beschwerdeführer sowie Vertreter der Bundesregierung, des Deutschen Richterbundes, des Deutschen Anwaltvereins und der Bundesrechtsanwaltskammer haben ihren schriftlichen Vortrag ergänzt und vertieft. Zur Verfassungsmäßigkeit von Verständigungen im Strafprozess hat ferner ein Vertreter der Neuen Richtervereinigung Stellung genommen. 

B. 

Die Verfassungsbeschwerden sind begründet, soweit sie sich gegen die angegriffenen Entscheidungen richten; im Übrigen haben sie keinen Erfolg. 

I. 

1. Das Strafrecht beruht auf dem Schuldgrundsatz (BVerfGE 123, 267 <413>), der den gesamten Bereich staatlichen Strafens beherrscht. Der Schuldgrundsatz hat Verfassungsrang; er ist in der Garantie der Würde und Eigenverantwortlichkeit des Menschen (Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG) sowie im Rechtsstaatsprinzip verankert (vgl. BVerfGE 45, 187 <259 f.>; 86, 288 <313>; 95, 96 <140>; 120, 224 <253 f.>; 130, 1 <26>). 
a) Der Grundsatz „Keine Strafe ohne Schuld“ (nulla poena sine culpa) setzt die Eigenverantwortung des Menschen voraus, der sein Handeln selbst bestimmt und sich kraft seiner Willensfreiheit zwischen Recht und Unrecht entscheiden kann. Dem Schutz der Menschenwürde in Art. 1 Abs. 1 GG liegt die Vorstellung vom Menschen als einem geistig-sittlichen Wesen zugrunde, das darauf angelegt ist, sich in Freiheit selbst zu bestimmen und zu entfalten (vgl. BVerfGE 45, 187 <227>; 123, 267 <413>). Auf dem Gebiet der Strafrechtspflege bestimmt Art. 1 Abs. 1 GG die Auffassung vom Wesen der Strafe und das Verhältnis von Schuld und Sühne (vgl. BVerfGE 95, 96 <140>) sowie den Grundsatz, dass jede Strafe Schuld voraussetzt (vgl. BVerfGE 57, 250 <275>; 80, 367 <378>; 90, 145 <173>; 123, 267 <413>). Die Strafe ist im Gegensatz zur reinen Präventionsmaßnahme dadurch gekennzeichnet, dass sie - wenn nicht ausschließlich, so doch auch - auf gerechte Vergeltung für ein rechtlich verbotenes Verhalten abzielt. Mit der Strafe wird dem Täter ein sozialethisches Fehlverhalten vorgeworfen (vgl. BVerfGE 20, 323 <331>; 95, 96 <140>; 110, 1 <13>). Eine solche strafrechtliche Reaktion wäre ohne Feststellung der individuellen Vorwerfbarkeit mit der Garantie der Menschenwürde und dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbar (vgl. BVerfGE 20, 323 <331>; 95, 96 <140>). 

b) Das Rechtsstaatsprinzip ist eines der elementaren Prinzipien des Grundgesetzes (BVerfGE 20, 323 <331>). Es sichert den Gebrauch der Freiheitsrechte, indem es Rechtssicherheit gewährt, die Staatsgewalt an das Gesetz bindet und Vertrauen schützt (BVerfGE 95, 96 <130>). Das Rechtsstaatsprinzip umfasst als eine der Leitideen des Grundgesetzes auch die Forderung nach materieller Gerechtigkeit (vgl. BVerfGE 7, 89 <92>; 7, 194 <196>; 45, 187 <246>; 74, 129 <152>; 122, 248 <272>) und schließt den Grundsatz der Rechtsgleichheit als eines der grundlegenden Gerechtigkeitspostulate ein (vgl. BVerfGE 84, 90 <121>). Für den Bereich des Strafrechts werden diese rechtsstaatlichen Anliegen auch im Schuldgrundsatz aufgenommen (BVerfGE 95, 96 <130 f.>). Gemessen an der Idee der Gerechtigkeit müssen Straftatbestand und Rechtsfolge sachgerecht aufeinander abgestimmt sein (vgl. BVerfGE 20, 323 <331>; 25, 269 <286>; 27, 18 <29>; 50, 205 <214 f.>; 120, 224 <241>; stRspr). Die Strafe muss in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat und zum Verschulden des Täters stehen (vgl. BVerfGE 20, 323 <331>; 45, 187 <228>; 50, 5 <12>; 73, 206 <253>; 86, 288 <313>; 96, 245 <249>; 109, 133 <171>; 110, 1 <13>; 120, 224 <254>). In diesem Sinne hat die Strafe die Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein (vgl. BVerfGE 45, 187 <253 f.>; 109, 133 <173>; 120, 224 <253 f.>). 

2. Aufgabe des Strafprozesses ist es, den Strafanspruch des Staates um des Schutzes der Rechtsgüter Einzelner und der Allgemeinheit willen in einem justizförmigen Verfahren durchzusetzen und dem mit Strafe Bedrohten eine wirksame Sicherung seiner Grundrechte zu gewährleisten. Der Strafprozess hat das aus der Würde des Menschen als eigenverantwortlich handelnder Person und dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Prinzip, dass keine Strafe ohne Schuld verhängt werden darf (vgl. BVerfGE 80, 244 <255>; 95, 96 <140>), zu sichern und entsprechende verfahrensrechtliche Vorkehrungen bereitzustellen. Zentrales Anliegen des Strafprozesses ist die Ermittlung des wahren Sachverhalts, ohne den sich das materielle Schuldprinzip nicht verwirklichen lässt (vgl. BVerfGE 57, 250 <275>; 118, 212 <231>; 122, 248 <270>; 130, 1 <26>). Dem Täter müssen Tat und Schuld prozessordnungsgemäß nachgewiesen werden (vgl. BVerfGE 9, 167 <169>; 74, 358 <371>). Bis zum Nachweis der Schuld wird seine Unschuld vermutet (vgl. BVerfGE 35, 311 <320>; 74, 358 <371>). 

a) Der Staat ist von Verfassungs wegen gehalten, eine funktionstüchtige Strafrechtspflege zu gewährleisten, ohne die der Gerechtigkeit nicht zum Durchbruch verholfen werden kann (vgl. BVerfGE 33, 367 <383>; 46, 214 <222>; 122, 248 <272>; 130, 1 <26>). Der Schutz elementarer Rechtsgüter durch Strafrecht und seine Durchsetzung im Verfahren sind Verfassungsaufgaben (vgl. BVerfGE 107, 104 <118 f.>; 113, 29 <54>). Das erfordert, dass Straftäter im Rahmen der geltenden Gesetze verfolgt, abgeurteilt und einer gerechten, also schuldangemessenen Bestrafung zugeführt werden (vgl. BVerfGE 33, 367 <383>; 46, 214 <222>; 122, 248 <272 f.>; 129, 208 <260>). Die verfassungsrechtliche Pflicht des Staates, eine funktionstüchtige Strafrechtspflege zu gewährleisten, umfasst auch die Pflicht, die Durchführung eingeleiteter Strafverfahren und die Vollstreckung rechtskräftig erkannter (Freiheits-)Strafen sicherzustellen. Das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit, die Pflicht des Staates, die Sicherheit seiner Bürger und deren Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der staatlichen Institutionen zu schützen, und der Anspruch aller in Strafverfahren Beschuldigten auf Gleichbehandlung erfordern grundsätzlich, dass der Strafanspruch durchgesetzt, also auch eingeleitete Verfahren fortgesetzt und rechtskräftig verhängte Strafen vollstreckt werden (BVerfGE 46, 214 <222 f.>; 49, 24 <54>; 51, 324 <344>). 

b) Bei alledem darf der Beschuldigte im Rechtsstaat des Grundgesetzes nicht bloßes Objekt des Strafverfahrens sein; ihm muss die Möglichkeit gegeben werden, zur Wahrung seiner Rechte auf den Gang und das Ergebnis des Verfahrens Einfluss zu nehmen (vgl. BVerfGE 65, 171 <174 f.>; 66, 313 <318>). 

aa) Als ein unverzichtbares Element der Rechtsstaatlichkeit des Strafverfahrens gewährleistet das Recht auf ein faires Verfahren dem Beschuldigten, prozessuale Rechte und Möglichkeiten mit der erforderlichen Sachkunde wahrnehmen und Übergriffe der staatlichen Stellen oder anderer Verfahrensbeteiligter angemessen abwehren zu können (vgl. BVerfGE 38, 105 <111>; 122, 248 <271 f.>). Dies bedeutet allerdings nicht, dass im Strafverfahren - unter dem Gesichtspunkt der „Waffengleichheit“ (vgl. BVerfGE 110, 226 <253>) - in der Rollenverteilung begründete verfahrensspezifische Unterschiede in den Handlungsmöglichkeiten von Staatsanwaltschaft und Verteidigung in jeder Beziehung ausgeglichen werden müssten (vgl. BVerfGE 63, 45 <67>; 63, 380 <392 f.>; 122, 248 <272>); vielmehr sind angesichts der besonderen, zur Objektivität verpflichtenden Stellung der Staatsanwaltschaft Differenzierungen möglich. Die Bestimmung der verfahrensrechtlichen Befugnisse und Hilfestellungen, die dem Beschuldigten nach dem Grundsatz des fairen Verfahrens im Einzelnen einzuräumen und die Festlegung, wie diese auszugestalten sind, ist in erster Linie dem Gesetzgeber und sodann - in den vom Gesetz gezogenen Grenzen - den Gerichten bei der ihnen obliegenden Rechtsauslegung und -anwendung aufgegeben. Eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren liegt erst dann vor, wenn eine Gesamtschau auf das Verfahrensrecht - auch in seiner Auslegung und Anwendung durch die Gerichte - ergibt, dass rechtsstaatlich zwingende Folgerungen nicht gezogen worden sind oder rechtsstaatlich Unverzichtbares preisgegeben wurde (vgl. BVerfGE 57, 250 <276>; 64, 135 <145 f.>; 122, 248 <272>). Im Rahmen dieser Gesamtschau sind auch die Erfordernisse einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege in den Blick zu nehmen (vgl. BVerfGE 47, 239 <250>; 80, 367 <375>; 122, 248 <272>). Verfahrensgestaltungen, die den Erfordernissen einer wirksamen Strafrechtspflege dienen, verletzen daher nicht schon dann den grundrechtlichen Anspruch auf ein faires Strafverfahren, wenn verfahrensrechtliche Positionen des Angeklagten oder Beschuldigten dabei eine Zurücksetzung zugunsten einer wirksameren Strafrechtspflege erfahren (BVerfGE 122, 248 <273>). Das Beschleunigungsgebot ist bei der Konkretisierung des Rechts auf ein faires Verfahren ebenfalls zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 41, 246 <250>; 63, 45 <68 f.>; 122, 248 <273>), denn unnötige Verfahrensverzögerungen stellen nicht nur die Effektivität des Rechtsschutzes (vgl. BVerfGE 60, 253 <269>; 88, 118 <124>; 93, 1 <13>) und die Zwecke der Kriminalstrafe in Frage, sondern beeinträchtigen, da die Beweisgrundlage durch Zeitablauf verfälscht werden kann, auch die Verwirklichung der verfassungsrechtlichen Pflicht zur bestmöglichen Erforschung der materiellen Wahrheit (vgl. BVerfGE 57, 250 <280>; 122, 248 <273>; 130, 1 <27>). 

bb) Die Aussagefreiheit des Beschuldigten und das Verbot des Zwangs zur Selbstbelastung (nemo tenetur se ipsum accusare) sind notwendiger Ausdruck einer auf dem Leitgedanken der Achtung der Menschenwürde beruhenden rechtsstaatlichen Grundhaltung (vgl. BVerfGE 38, 105 <113 f.>; 55, 144 <150 f.>; 56, 37 <43>). Der Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit ist im Rechtsstaatsprinzip verankert und hat Verfassungsrang (vgl. BVerfGE 38, 105 <113 f.>; 55, 144 <150 f.>; 56, 37 <43>; 110, 1 <31>). Er umfasst das Recht auf Aussage- und Entschließungsfreiheit innerhalb des Strafverfahrens. Dazu gehört, dass im Rahmen des Strafverfahrens niemand gezwungen werden darf, sich durch seine eigene Aussage einer Straftat zu bezichtigen oder zu seiner Überführung aktiv beizutragen (vgl. BVerfGE 56, 37 <49>; 109, 279 <324>). Der Beschuldigte muss frei von Zwang eigenverantwortlich entscheiden können, ob und gegebenenfalls inwieweit er im Strafverfahren mitwirkt (vgl. BVerfGE 38, 105 <113>; 56, 37 <43>). Dies setzt voraus, dass er über seine Aussagefreiheit in Kenntnis gesetzt wird. 

cc) Die Unschuldsvermutung hat als besondere Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips ebenfalls Verfassungsrang (BVerfGE 74, 358 <371>). Sie verbietet zum einen, im konkreten Strafverfahren ohne prozessordnungsgemäßen - nicht notwendiger Weise rechtskräftigen - Schuldnachweis Maßnahmen gegen den Beschuldigten zu verhängen, die in ihrer Wirkung einer Strafe gleichkommen, und ihn verfahrensbezogen als schuldig zu behandeln; zum anderen verlangt sie den rechtskräftigen Nachweis der Schuld, bevor diese dem Verurteilten im Rechtsverkehr allgemein vorgehalten werden darf (vgl. BVerfGE 19, 342 <347>; 74, 358 <371>). Als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips enthält die Unschuldsvermutung - wie auch das Recht des Beschuldigten auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren - allerdings keine in allen Einzelheiten bestimmten Ge- und Verbote; ihre Auswirkungen auf das Verfahrensrecht bedürfen vielmehr der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten. Dies ist in erster Linie Sache des Gesetzgebers (BVerfGE 74, 358 <371 f.>; vgl. auch BVerfGE 7, 89 <92 f.>; 57, 250 <275 f.>; 65, 283 <291>). 

3. Das Grundgesetz gewährleistet den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens, vor einem unabhängigen und unparteilichen Richter zu stehen, der die Gewähr für Neutralität und Distanz gegenüber allen Verfahrensbeteiligten und dem Verfahrensgegenstand bietet (vgl. BVerfGE 4, 412 <416>; 21, 139 <145 f.>; 23, 321 <325>; 82, 286 <298>; 89, 28 <36>). Neben der sachlichen und persönlichen Unabhängigkeit des Richters (Art. 97 Abs.1 und 2 GG) ist es wesentliches Kennzeichen der Rechtsprechung im Sinne des Grundgesetzes, dass die richterliche Tätigkeit von einem „nicht beteiligten Dritten“ ausgeübt wird (vgl. BVerfGE 3, 377 <381>; 4, 331 <346>; 21, 139 <145>; 27, 312 <322>; 48, 300 <316>; 87, 68 <85>; 103, 111 <140>). Diese Vorstellung von neutraler Amtsführung ist mit den Begriffen „Richter“ und „Gericht“ untrennbar verknüpft (vgl. BVerfGE 4, 331 <346>; 60, 175 <214>; 103, 111 <140>). Die richterliche Tätigkeit erfordert daher unbedingte Neutralität gegenüber den Verfahrensbeteiligten (BVerfGE 21, 139 <146>; 103, 111 <140>). Das Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gewährt deshalb nicht nur einen Anspruch auf den sich aus dem Gerichtsverfassungsgesetz, den Prozessordnungen sowie den Geschäftsverteilungs- und Besetzungsregelungen des Gerichts ergebenden Richter (vgl. BVerfGE 89, 28 <36>), sondern garantiert auch, dass der Betroffene nicht vor einem Richter steht, der aufgrund persönlicher oder sachlicher Beziehungen zu den Verfahrensbeteiligten oder zum Streitgegenstand die gebotene Neutralität vermissen lässt (BVerfGE 21, 139 <146>; 89, 28 <36>). Dieses Verlangen nach Unvoreingenommenheit und Neutralität des Richters ist zugleich ein Gebot der Rechtsstaatlichkeit (vgl. BVerfGE 3, 377 <381>; 37, 57 <65>). 

4. Das im Rechtsstaatsprinzip und dem allgemeinen Freiheitsrecht verankerte Recht auf ein faires Strafverfahren umfasst das Recht des Beschuldigten, sich von einem Anwalt seiner Wahl und seines Vertrauens verteidigen zu lassen (BVerfGE 66, 313 <318 f.>; 110, 226 <253>). Wenngleich das Recht auf ein faires Verfahren keine in allen Einzelheiten bestimmten Gebote und Verbote enthält, sondern der Konkretisierung durch den Gesetzgeber je nach den sachlichen Gegebenheiten bedarf, untersagt es jedenfalls eine Ausgestaltung des Strafverfahrens, bei der rechtsstaatlich unverzichtbare Erfordernisse nicht mehr gewahrt sind (BVerfGE 57, 250 <276>; 122, 248 <272>). Angesichts der besonderen Bedeutung, die dem Vertrauensverhältnis zwischen dem Beschuldigten und seinem Verteidiger unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten zukommt (vgl. BVerfGE 110, 226 <254>), verbietet es sich, im Strafprozess Verfahrensweisen vorzusehen, die - etwa aufgrund der Schaffung sachwidriger Anreize - erwarten lassen, dass dieses Vertrauen unterlaufen und damit das Recht auf eine effektive Verteidigung entwertet wird. 

II. 

Nach diesen Maßstäben kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung der Verständigung im Strafverfahren nicht festgestellt werden. Der Gesetzgeber hat Verständigungen im Strafprozess lediglich in einem begrenzten Rahmen zugelassen und sein Regelungskonzept mit spezifischen Schutzmechanismen versehen, die bei der gebotenen präzisierenden Auslegung und Anwendung erwarten lassen, dass die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung des Strafprozesses erfüllt werden (1. und 2.). Eine das Verständigungsgesetz in nicht unerheblichem Umfang vernachlässigende Praxis belegt derzeit noch kein verfassungsrechtlich relevantes Regelungsdefizit (3.). Der Gesetzgeber ist allerdings gehalten, die Wirksamkeit der zur Wahrung eines verfassungskonformen Strafverfahrens vorgesehenen Vorkehrungen zu beobachten und erforderlichenfalls erneut über die Zulässigkeit sowie die Bedingungen von Verständigungen zu entscheiden (4.). 

1. Das Verständigungsgesetz statuiert nach dem in seinem Wortlaut und Normgefüge zum Ausdruck kommenden objektivierten Willen des Gesetzgebers (a) kein neues, „konsensuales“ Verfahrensmodell. Vielmehr integriert es die von ihm zugelassene Verständigung mit dem Ziel in das geltende Strafprozessrechtssystem, weiterhin ein der Erforschung der materiellen Wahrheit und der Findung einer gerechten, schuldangemessenen Strafe verpflichtetes Strafverfahren sicherzustellen. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich klargestellt, dass eine Verständigung als solche niemals alleinige Urteilsgrundlage sein kann, sondern das Gericht weiterhin an die in § 244 Abs. 2 StPO niedergelegte Amtsaufklärungspflicht gebunden ist und die rechtliche Würdigung nicht der Disposition der Beteiligten an einer Verständigung unterliegt (b). Das Verständigungsgesetz regelt die Zulässigkeit einer Verständigung im Strafverfahren abschließend; es untersagt damit die beschönigend als „informell“ bezeichneten Vorgehensweisen bei einer Verständigung (c). Der Gesetzgeber hat sein Regelungskonzept mit spezifischen Schutzmechanismen versehen, die eine vollständige Transparenz und Dokumentation des zu einer Verständigung führenden Geschehens sicherstellen und so die vom Gesetzgeber als erforderlich bewertete vollumfängliche Kontrolle des Verständigungsgeschehens durch die Öffentlichkeit, die Staatsanwaltschaft und das Rechtsmittelgericht ermöglichen sollen (d). Schließlich gewährleistet das Gesetz über eine Einschränkung der Bindungswirkung einer Verständigung die Neutralität des Gerichts und sieht mit der Pflicht zur Belehrung des Angeklagten über diese Einschränkung eine dessen Belangen dienende Sicherung vor (e). 

a) Maßgebend für die Auslegung von Gesetzen ist der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist (vgl. BVerfGE 1, 299 <312>; 11, 126 <130 f.>; 105, 135 <157>; stRspr). Der Erfassung des objektiven Willens des Gesetzgebers dienen die anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung aus dem Wortlaut der Norm, der Systematik, ihrem Sinn und Zweck sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte, die einander nicht ausschließen, sondern sich gegenseitig ergänzen. Unter ihnen hat keine einen unbedingten Vorrang vor einer anderen (vgl. BVerfGE 11, 126 <130>; 105, 135 <157>). Ausgangspunkt der Auslegung ist der Wortlaut der Vorschrift. Er gibt allerdings nicht immer hinreichende Hinweise auf den Willen des Gesetzgebers. Unter Umständen wird erst im Zusammenhang mit Sinn und Zweck des Gesetzes oder anderen Auslegungsgesichtspunkten die im Wortlaut ausgedrückte, vom Gesetzgeber verfolgte Regelungskonzeption deutlich, der sich der Richter nicht entgegenstellen darf (vgl. BVerfGE 122, 248 <283> - abw. M.). Dessen Aufgabe beschränkt sich darauf, die intendierte Regelungskonzeption bezogen auf den konkreten Fall - auch unter gewandelten Bedingungen - möglichst zuverlässig zur Geltung zu bringen (vgl. BVerfGE 96, 375 <394 f.>). In keinem Fall darf richterliche Rechtsfindung das gesetzgeberische Ziel der Norm in einem wesentlichen Punkt verfehlen oder verfälschen oder an die Stelle der Regelungskonzeption des Gesetzgebers gar eine eigene treten lassen (vgl. BVerfGE 78, 20 <24> m.w.N.). Für die Beantwortung der Frage, welche Regelungskonzeption dem Gesetz zugrunde liegt, kommt daneben den Gesetzesmaterialien und der Systematik des Gesetzes eine nicht unerhebliche Indizwirkung zu. Die Eindeutigkeit der im Wege der Auslegung gewonnenen gesetzgeberischen Grundentscheidung wird nicht notwendig dadurch relativiert, dass der Wortlaut der einschlägigen Norm auch andere Deutungsmöglichkeiten eröffnet, soweit diese Deutungen offensichtlich eher fern liegen. Anderenfalls wäre es für den Gesetzgeber angesichts der Schwierigkeit, textlich Eindeutigkeit herzustellen, nahezu unmöglich, sein Regelungsanliegen gegenüber der Rechtsprechung über einen längeren Zeitraum durchzusetzen (vgl. BVerfGE 122, 248 <284> - abw. M.).  

b) Der Gesetzgeber hat eine gesetzliche Regelung der Verständigung im Strafverfahren als notwendig erachtet, weil das in der Praxis entstandene und dort bedeutsame, aber stets umstritten gebliebene Institut der Verständigung zur Herstellung von Rechtssicherheit und der Gewährleistung einer gleichmäßigen Rechtsanwendung dringend klarer gesetzlicher Vorgaben bedürfe. Dabei war dem Gesetzgeber bewusst, dass sich auf das Urteil bezogene Verständigungen des Gerichts mit den Verfahrensbeteiligten nicht ohne Weiteres mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben für das Strafverfahren, insbesondere hinsichtlich der Erforschung der materiellen Wahrheit, der Schuldangemessenheit der Strafe und der Verfahrensfairness, würden in Einklang bringen lassen (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 1). Dementsprechend war es ausdrücklich sein zentrales Ziel, die Verständigung in einer den verfassungsrechtlichen Vorgaben gerecht werdenden Weise in das geltende Strafverfahrensrecht zu integrieren, ohne die den Strafprozess dominierenden Grundsätze der richterlichen Sachverhaltsaufklärung und Überzeugungsbildung anzutasten. Die Auslegung und Anwendung des Verständigungsgesetzes hat sich zuvörderst an diesem gesetzgeberischen Konzept zu orientieren. Das gilt auch für das Bundesverfassungsgericht, das dann, wenn eine präzisierende Auslegung eines Gesetzes möglich ist, diese seiner Prüfung zugrunde zu legen hat (vgl. zur Bestimmtheit von Strafnormen BVerfGE 126, 170 <196 f.>; siehe auch BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 18. Dezember 2012 - 1 BvR 1509/10 -). Der Gesetzgeber wollte zwar eine offene, kommunikative Verhandlungsführung des Gerichts stärken, aber gerade kein neues, „konsensuales“ Verfahrensmodell einführen. Vielmehr war es sein erklärtes Regelungsziel, weiterhin ein Strafverfahren sicherzustellen, das dem fundamentalen und verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz der Wahrheitsermittlung sowie der Findung einer gerechten, schuldangemessenen Strafe verpflichtet ist (vgl. dazu Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 1, 8 f.), weshalb auch in der Verständigungssituation das Maß der Schuldangemessenheit weder über- noch unterschritten werden darf (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Oktober 2010 - 1 StR 400/10 -, NStZ 2011, S. 592 <594>, und vom 5. Mai 2011 - 1 StR 116/11 -, juris, Rn. 23; Stuckenberg, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2013, § 257c Rn. 44). Um diese Aufgabenstellung zu verwirklichen, hat der Gesetzgeber nicht nur den zulässigen Inhalt von Verständigungen und das Verständigungsverfahren „umfassend“ normieren wollen, sondern einen Schwerpunkt seines Regelungskonzepts in der Herstellung von Transparenz, Öffentlichkeit und einer vollständigen Dokumentation des mit einer Verständigung verbundenen Geschehens gesehen, die wiederum die von ihm als erforderlich bewertete „vollumfängliche“ Rechtsmittelkontrolle ermöglichen und wirksam ausgestalten soll (vgl. nur Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 1, 8 f., 12, 15, sowie Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrats, BTDrucks 16/12310, S. 22). Das Verlangen nach umfassender Transparenz des Verständigungsgeschehens kennzeichnet die gesetzliche Regelung insgesamt (ebenso BGH, Urteil vom 29. November 2011 - 1 StR 287/11 -, NStZ 2012, S. 347 <348>, und Beschluss vom 22. Februar 2012 - 1 StR 349/11 -, StV 2012, S. 649 <652>). Hiernach muss sich eine Verständigung unter allen Umständen „im Lichte der öffentlichen Hauptverhandlung offenbaren“ (BTDrucks 16/12310, S. 12). 

aa) Als Ausdruck des gesetzgeberischen Willens, Möglichkeiten einer Verständigung in das geltende Strafprozessrechtssystem zu integrieren, ist vor allem die Klarstellung des § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO zu verstehen, die in § 244 Abs. 2 StPO niedergelegte Pflicht des Gerichts zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen bleibe „unberührt“. Der Wortlaut von § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO ist eindeutig; die Norm schließt jede Disposition über Gegenstand und Umfang der dem Gericht von Amts wegen obliegenden Pflicht zur Aufklärung des mit der Anklage vorgeworfenen Geschehens aus. Damit wird hervorgehoben, dass eine Verständigung niemals als solche die Grundlage eines Urteils bilden kann, sondern weiterhin allein und ausschließlich die - ausreichend fundierte - Überzeugung des Gerichts von dem von ihm festzustellenden Sachverhalt maßgeblich bleibt (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 13). Dem Gesetzgeber waren die Besonderheiten des aufgrund einer Verständigung abgegebenen Geständnisses, insbesondere dessen erhöhte Fehleranfälligkeit infolge der Anreiz- und Verlockungssituation, in der sich der Angeklagte wie auch sein Verteidiger befinden können, und demzufolge die Gefahr von „Falschgeständnissen“, bewusst, und er hat deshalb die Geltung der Amtsaufklärungspflicht des § 244 Abs. 2 StPO ausdrücklich klargestellt. Dementsprechend bleibt das nach § 244 Abs. 2 StPO erforderliche Maß an Beweiserhebung stets insoweit unberührt, als ein wirksamer Verzicht auf (weitere) Beweisanträge und Beweiserhebungen sich nicht außerhalb dessen bewegen kann, was durch die unverändert geltende Sachaufklärungspflicht des Gerichtes bestimmt ist (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 13; siehe auch BGH, Beschluss vom 31. Januar 2012 - 3 StR 285/11 -, StV 2012, S. 653 <654>; BGH, Beschluss vom 7. Februar 2012 - 3 StR 335/11 -, juris, Rn. 5). 

Die Regelung des § 257c Abs. 4 Satz 1 StPO, nach der die Bindung des Gerichts an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist, baut auf der Amtsaufklärungspflicht des § 244 Abs. 2 StPO auf und bestätigt die dargelegte Grundentscheidung des Gesetzgebers. Entsprechendes gilt für das die Zulässigkeit von Verständigungen nach § 257c Abs. 1 Satz 1 StPObeschränkende Kriterium der „geeigneten Fälle“, mit dem der Gesetzgeber nicht nur die Anwendung der Verständigung im Jugendstrafverfahren mit Blick auf den dieses beherrschenden Erziehungsgedanken einschränken, sondern vor allem auch sicherstellen wollte, dass das Gericht nicht vorschnell auf eine Verständigung ausweicht, ohne zuvor pflichtgemäß die Anklage tatsächlich und rechtlich überprüft zu haben (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf, BTDrucks 16/12310, S. 10, 13; siehe auch BGHSt 50, 40 <49>, sowie BGH, Beschlüsse vom 20. April 2004 - 5 StR 11/04 -, juris, Rn. 14 ff., und vom 9. Juni 2004 - 5 StR 579/03 -, juris, Rn. 13 ff.). 

Aufgrund des klarstellenden Hinweises auf § 244 Abs. 2 StPO durch § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO bedurfte es auch keiner zusätzlichen ausdrücklichen Festlegung der an ein Geständnis zu stellenden „Qualitätsanforderungen“. Vielmehr genügt dieser Hinweis, um einerseits zu verdeutlichen, dass auch in der Verständigungssituation ein bloßes inhaltsleeres Formalgeständnis - vor allem, wenn die Beantwortung von Fragen zum Sachverhalt verweigert wird - oder gar die nicht einmal ein Geständnis darstellende schlichte Erklärung, der Anklage nicht entgegenzutreten, allein keine taugliche Grundlage der richterlichen Überzeugungsbildung sein können. Andererseits hat es der Gesetzgeber damit den Gerichten ermöglicht, den Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung zu tragen. 

Vor dem Hintergrund des Regelungsziels, die Grundsätze der Amtsaufklärungspflicht des Gerichts und der richterlichen Überzeugungsbildung unangetastet zu lassen, kann § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO zudem nur so verstanden werden, dass das verständigungsbasierte Geständnis zwingend auf seine Richtigkeit zu überprüfen ist. Diese Überprüfung hat sich - unter zusätzlicher Berücksichtigung des Grundanliegens des Gesetzgebers, Verständigungen transparent und kontrollierbar zu machen - durch Beweiserhebung in der Hauptverhandlung (vgl. § 261 StPO) zu vollziehen. Freilich kann dies nicht bedeuten, dass die Überprüfung eines verständigungsbasierten Geständnisses strengeren Anforderungen unterliegt als sie an eine Beweisaufnahme in der nach herkömmlicher Verfahrensweise geführten Hauptverhandlung nach Abgabe eines Geständnisses zu stellen wären; so bleiben etwa Vorhalte oder das Selbstleseverfahren nach den allgemeinen Regeln möglich. Es genügt jedoch nicht, das verständigungsbasierte Geständnis durch einen bloßen Abgleich mit der Aktenlage zu überprüfen (anders noch BGHSt 50, 40 <49>, in diese Richtung auch Schmitt, StraFo 2012, S. 386 <387 f.>), da dies keine hinreichende Grundlage für die erforderliche Überzeugungsbildung aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung (§ 261 StPO) darstellt und mit einem solchen Verständnis dem Transparenzanliegen des Verständigungsgesetzes und der Ermöglichung einer wirksamen Kontrolle verständigungsbasierter Urteile gerade nicht Rechnung getragen werden könnte. 

Dieses Verständnis des § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass hiernach der Raum für Verständigungen - insbesondere mit Blick auf das Ausmaß der ermöglichten Verfahrensabkürzung - spürbar eingeengt wird. Diese Wirkung ist nicht etwa Ausdruck einer unauflösbaren inneren Widersprüchlichkeit der Norm, sondern achtet das ausdrückliche Ziel des Gesetzgebers, die Verständigung mit den Grundsätzen der Amtsaufklärung nach § 244 Abs. 2 StPO und der richterlichen Überzeugungsbildung in Einklang zu bringen. Die Beschränkung des praktischen Anwendungsbereichs von Verständigungen ist die zwangsläufige Konsequenz der Einfügung von Verständigungsmöglichkeiten in das System des geltenden Strafprozessrechts. 

bb) Nach dem Regelungsziel des Gesetzgebers, weiterhin ein der Wahrheitserforschung und der Findung einer gerechten, schuldangemessenen Strafe verpflichtetes Strafverfahren sicherzustellen, bleiben nicht nur die tatsächlichen Feststellungen, sondern auch deren rechtliche Würdigung der Disposition der an einer Verständigung Beteiligten entzogen (ebenso BGH, Urteil vom 21. Juni 2012 - 4 StR 623/11 -, juris, Rn. 16). Unmittelbaren Ausdruck findet das gesetzliche Regelungsanliegen in § 257c Abs. 2 Satz 1 StPO, der den zulässigen Gegenstand von Verständigungen ausdrücklich auf die „Rechtsfolgen“ beschränkt, ferner in dem von § 257c Abs. 2 Satz 3 StPO ausgesprochenen Verbot einer Verständigung über den Schuldspruch und dem Wegfall der Bindungswirkung einer Verständigung unter den Voraussetzungen des § 257c Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO

Aus § 257c Abs. 2 Satz 1 StPO folgt unter Berücksichtigung der Systematik und von Sinn und Zweck des gesetzlichen Regelungskonzepts insbesondere, dass eine Strafrahmenverschiebung nicht Gegenstand einer Verständigung sein darf, und zwar auch dann nicht, wenn sie sich auf Sonderstrafrahmen für besonders schwere oder minder schwere Fälle im Vergleich zum Regelstrafrahmen bezieht. Zwar handelt es sich bei diesen Sonderstrafrahmen nach herrschender Meinung (vgl. BGHSt 23, 254 <256>; 26, 104 <105>; Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl. 2010, Vor §§ 38 ff., Rn. 47; Theune, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl. 2007, Vor §§ 46 ff. Rn. 18) um gesetzliche Strafzumessungsregeln, die mit Ausnahme von § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB nicht in den Urteilstenor aufzunehmen sind. Allerdings weist die Regelungstechnik der besonders schweren und minder schweren Fälle eine spezifische Nähe zu Qualifikations- und Privilegierungstatbeständen auf. Wesentliche Unterschiede zwischen diesen Regelungsbereichen sind im Hinblick auf die Schuldangemessenheit des Strafens nicht zu erkennen. So werden die Regelbeispiele besonders schwerer Fälle als „tatbestandsähnlich“ angesehen (vgl. BGHSt 33, 370 <374>; BGH, Beschluss vom 21. Oktober 1997 - 5 StR 328/97 -, NStZ 1998, S. 91 <92>; Urteil vom 7. August 2001 - 1 StR 470/00 -, NStZ 2001, S. 642 <643>; Beschluss vom 28. Juli 2010 - 1 StR 332/10 -, NStZ 2011, S. 167). Die Regelungstechnik unterfällt auch dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG (vgl. BVerfGE 45, 363 <371>) sowie dem Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. April 2004 - 3 StR 113/04-, NStZ-RR 2004, S. 262, und vom 20. Juli 2004 - 3 StR 231/04 -, NStZ-RR 2005, S. 373 <374>). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Fall besonders schwer, wenn er sich nach dem Gewicht von Unrecht und Schuld vom Durchschnitt vorkommender Fälle so abhebt, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten ist (vgl. BGHSt 28, 318, <319 f.>; BGH, Urteil vom 26. Juni 1991 - 3 StR 145/91 -, NStZ 1991, S. 529 <530>); für das Vorliegen eines minder schweren Falls ist zu prüfen, ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle in einem so erheblichen Maß abweicht, dass die Anwendung des milderen Strafrahmens geboten erscheint (vgl. BGH, Beschluss vom 31. August 2000 - 5 StR 349/00 -, NJW 2000, S. 3580; Urteil vom 13. Februar 2003 - 3 StR 349/02 -, NJW 2003, S. 1679 <1680>; Beschluss vom 26. August 2008 - 3 StR 316/08 -, NStZ 2009, S. 37). Auch die Sonderstrafrahmen sind daher - wie jeder Strafrahmen - Ausdruck des Unwert- und Schuldgehalts, den der Gesetzgeber einem unter Strafe gestellten Verhalten beigemessen hat. Mit der Normierung von Sonderstrafrahmen bringt der Gesetzgeber - nicht anders als bei Qualifikationen und Privilegierungen - zum Ausdruck, innerhalb eines Deliktstypus eine Differenzierung schon auf der Ebene der Strafrahmenwahl für geboten zu erachten. Bei umfassender Würdigung des dem Verständigungsgesetz zugrundeliegenden Regelungskonzepts kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, der Gesetzgeber habe diese Bewertung für den Fall einer Verständigung aufgeben und den Begriff der „Rechtsfolge“ in § 257c Abs. 2 Satz 1 StPO auch auf Strafrahmenverschiebungen ausdehnen wollen. 
c) Mit den Vorschriften des Verständigungsgesetzes hat die Zulassung von Verständigungen im Strafverfahren eine abschließende Regelung erfahren. Außerhalb des gesetzlichen Regelungskonzepts erfolgende sogenannte informelle Absprachen sind unzulässig. 

aa) Bereits aus dem Wortlaut von § 257c Abs. 1 Satz 1 StPO, der Verständigungen nur „nach Maßgabe der folgenden Absätze“ zulässt, folgt, dass jegliche sonstigen „informellen“ Absprachen, Vereinbarungen und „Gentlemen‘s Agreements“ untersagt sind. Damit wird das Ziel der gesetzlichen Regelung, der Verständigung zur Herstellung von Rechtssicherheit und der Gewährleistung einer gleichmäßigen Rechtsanwendung durch ein „umfassendes und differenziertes Regelungskonzept“ (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 7 f., 9) klare Vorgaben zu setzen, verwirklicht. Hätte die Regelung keinen abschließenden Charakter, könnten die vom Gesetzgeber als erforderlich erachteten flankierenden Vorschriften, die Transparenz und Öffentlichkeit des mit einer Verständigung verbundenen Geschehens sichern, die ihnen zur Ermöglichung einer wirksamen Kontrolle von Verständigungen zugedachte Funktion von vornherein nicht wirksam erfüllen. Hierin liegt aber gerade ein zentrales Anliegen des Gesetzgebers. So ist im Gesetzgebungsverfahren die in der Stellungnahme des Bundesrats kritisierte Regelung des sogenannten „Negativattests“ in § 273 Abs. 1a Satz 3 StPO mit dem Argument verteidigt worden, dass mit ihrer Streichung „eine wichtige Regelung entfiele, die dazu dienen soll, mit höchst möglicher Gewissheit und in der Revision überprüfbar das Geschehen in der Hauptverhandlung zu dokumentieren und auszuschließen, dass ‚stillschweigend‘ und ohne Beachtung der gesetzlichen Förmlichkeiten eine Verständigung stattgefunden hat“ (Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrats, BTDrucks 16/12310, S. 22). Schließlich findet sich in dem Anliegen, eine „vollumfängliche“ Kontrolle durch das Rechtsmittelgericht zu gewährleisten, eine Bestätigung des abschließenden Charakters des gesetzlichen Regelungskonzepts. Diese Kontrolle soll nämlich gerade „einen unterstützenden Beitrag dazu leisten, dass Verständigungen in erster Instanz wirklich so ablaufen, wie es den Vorgaben des Gesetzgebers entspricht“ (Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 9). 

In Anbetracht der strikten Bindung jeglicher Ausübung hoheitlicher Gewalt an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) bedurfte die Absicht des Gesetzgebers, nur solche Verständigungen zuzulassen, die sich innerhalb des vom Gesetz gezogenen Rahmens bewegen, keiner weiteren ausdrücklichen Hervorhebung. 

bb) Aus dem gesetzlichen Regelungskonzept zum Inhalt, zum Zustandekommen und zu den Folgen einer Verständigung folgt unter anderem, dass ein wirksamer Rechtsmittelverzicht auch dann ausgeschlossen ist, wenn sich die Beteiligten unter Verstoß gegen die gesetzlichen Vorschriften verständigt haben (vgl. dazu bereits BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 5. März 2012 - 2 BvR 1464/11 -, juris, Rn. 21 ff.; ebenso etwa Jahn/Müller, NJW 2009, S. 2625 <2630>; Schmitt, StraFo 2012, S. 386 <393>). Eine solche Verständigung unterliegt zudem der Protokollierungspflicht nach § 273 Abs. 1a Satz 1 StPO. Sollte in letzterem Fall ein Negativattest nach § 273 Abs. 1a Satz 3 StPO erteilt werden, wäre dieses falsch und könnte den Tatbestand der Falschbeurkundung im Amt (§ 348 StGB) erfüllen. 

cc) Ebenso wenig können etwaige Zusagen der Staatsanwaltschaft, andere bei ihr anhängige Ermittlungsverfahren - etwa nach § 154 Abs. 1 StPO - einzustellen, eine Bindungswirkung oder ein schutzwürdiges Vertrauen auslösen (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 13; anders noch zur Rechtslage vor dem Verständigungsgesetz BGHSt 37, 10 <13 f.>). Aus dem Wortlaut von § 257c Abs. 1 und 2 StPO folgt, dass sich Verständigungen ausschließlich auf das „zugrundeliegende Erkenntnisverfahren“ beziehen dürfen, also sogenannte „Gesamtlösungen“ unter Einbeziehung anderer Verfahren und nicht in der Kompetenz des Gerichts liegende Zusagen unzulässig sind (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2010 - 2 StR 354/10 -, wistra 2011, S. 28; siehe auch Stuckenberg, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2013, § 257c Rn. 34; Schmitt, StraFo 2012, S. 386 <387>). Nur dieses Verständnis entspricht dem Ziel des Gesetzgebers, Verständigungen transparent und kontrollierbar zu machen. Bei Einbeziehung anderer, nicht den Gegenstand der Hauptverhandlung bildender Verfahren ist insoweit eine wirksame Kontrolle der Verständigung - insbesondere durch die Öffentlichkeit - nicht gewährleistet. 

d) Einen Schwerpunkt des Regelungskonzeptes des Verständigungsgesetzes bildet die Gewährleistung der vom Gesetzgeber ausdrücklich als „erforderlich“ bewerteten Transparenz und Dokumentation des mit einer Verständigung verbundenen Geschehens als Voraussetzung einer effektiven Kontrolle durch die Öffentlichkeit, die Staatsanwaltschaft und das Rechtsmittelgericht (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 1, 8 f.). Zur Erreichung dieses Ziels hat der Gesetzgeber spezifische, das Regelungskonzept prägende Schutzmechanismen vorgesehen. 

aa) In der Konzeption des Gesetzgebers kommt der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung eine zentrale Bedeutung zu. Mit dem Gebot, die mit einer Verständigung verbundenen Vorgänge umfassend in die Hauptverhandlung einzubeziehen, gewährleistet der Gesetzgeber nicht nur vollständige Transparenz; er legt zugleich besonderes Gewicht auf die Kontrollfunktion der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung und bekräftigt damit, dass auch im Fall der Verständigung der Inbegriff der Hauptverhandlung die Grundlage der richterlichen Überzeugungsbildung bleibt (§ 261 StPO). 
(1) (a) Dem Gesetzgeber kam es maßgeblich darauf an, die Transparenz der strafgerichtlichen Hauptverhandlung und die Unterrichtung der Öffentlichkeit in der Hauptverhandlung gerade im Falle einer Verständigung zu bewahren; die Verständigung müsse sich „im Lichte der öffentlichen Hauptverhandlung offenbaren“ (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 8, 12). Dementsprechend hat das Verständigungsgesetz umfassende Transparenz- und Dokumentationspflichten mit Bezug auf die Hauptverhandlung statuiert. Sie zielen darauf, nicht nur die Verständigung selbst, also den formalen Verständigungsakt des § 257c Abs. 3 StPO, sondern darüber hinausgehend auch die zu einer Verständigung führenden Vorgespräche in die Hauptverhandlung einzuführen. Zwar ist nach der Begründung des Regierungsentwurfs die „Vorbereitung“ einer Verständigung auch außerhalb der Hauptverhandlung möglich. Gegenstand einer Erörterung im Vorfeld der Hauptverhandlung kann es danach auch sein, Möglichkeit und Umstände einer Verständigung zu besprechen (vgl. BTDrucks 16/12310, S. 9, 12). Für alle Erörterungen außerhalb der Hauptverhandlung verlangt § 243 Abs. 4 StPO eine Mitteilung deren „wesentlichen Inhalts“. Diese Mitteilung ist gemäß § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO zu protokollieren. Demgegenüber sind hinsichtlich der Verständigung selbst gemäß § 273 Abs. 1a Satz 1 StPO der wesentliche Ablauf und Inhalt sowie das Ergebnis wiederzugeben. Die Protokollierungspflicht hinsichtlich der Verständigung geht also über die Protokollierung der nach § 243 Abs. 4 StPO vorgeschriebenen Mitteilung hinaus. Dem liegt zugrunde, dass die Verständigung als solche nach § 257c Abs. 1 StPO nur in der Hauptverhandlung erfolgen kann. Die im Vergleich zur Verständigung selbst reduzierte Pflicht zur Dokumentation der Gespräche zur Vorbereitung einer Verständigung außerhalb der Hauptverhandlung gemäß § 273 Abs. 1a Satz 2, § 243 Abs. 4 StPO fügt sich in das vom Gesetzgeber verfolgte Konzept der Stärkung der Transparenz und Dokumentation ein, weil die Verständigung selbst erst in der Hauptverhandlung stattfinden kann und § 273 Abs. 1a Satz 1 StPOdie Dokumentation der wesentlichen Abläufe, des Inhalts und des Ergebnisses dieser Verständigung gebietet. Alle wesentlichen Elemente einer Verständigung, zu denen angesichts des vom Gesetzgeber verfolgten Konzepts auch außerhalb der Hauptverhandlung geführte Vorgespräche zählen, sind zum Gegenstand der Erörterung in der Hauptverhandlung zu machen und unterliegen der Protokollierungspflicht nach § 273 Abs. 1a Satz 1 StPO

(b) Hinsichtlich des Inhalts möglicher Erörterungen des Gerichts mit den Verfahrensbeteiligten und der dabei bestehenden Transparenz- und Dokumentationspflichten ist zu unterscheiden: 

(aa) Möglich sind Gespräche, die ausschließlich der Organisation sowie der verfahrenstechnischen Vorbereitung und Durchführung der Hauptverhandlung dienen, etwa die Abstimmung der Verhandlungstermine. Mangels eines Bezugs auf das Verfahrensergebnis sind diese Gespräche dem Regelungskonzept des Verständigungsgesetzes vorgelagert und von ihm nicht betroffen. Sie unterliegen deshalb nicht der Mitteilungspflicht des § 243 Abs. 4 StPO

(bb) In Betracht kommen weiterhin Gespräche, die als Vorbereitung einer Verständigung verstanden werden können und über deren wesentlichen Inhalt deshalb nach § 243 Abs. 4 StPO in der Hauptverhandlung zu informieren ist. Die Mitteilungspflicht greift ein, sobald bei im Vorfeld oder neben der Hauptverhandlung geführten Gesprächen ausdrücklich oder konkludent die Möglichkeit und die Umstände (vgl. BTDrucks 16/12310, S. 12) einer Verständigung im Raum stehen. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn Fragen des prozessualen Verhaltens in Konnex zum Verfahrensergebnis gebracht werden und damit die Frage nach oder die Äußerung zu einer Straferwartung naheliegt. Im Zweifel wird in der Hauptverhandlung zu informieren sein. Zum mitzuteilenden Inhalt solcher Erörterungen gehört, welche Standpunkte von den einzelnen Gesprächsteilnehmern vertreten wurden, von welcher Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen wurde und ob sie bei anderen Gesprächsteilnehmern auf Zustimmung oder Ablehnung gestoßen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2010 - 3 StR 287/10 -, juris; siehe auch Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl. 2012, § 243 Rn. 18a; Altenhain/Haimerl, JZ 2010, S. 327 <336>; Schlothauer/Weider, StV 2009, S. 600 <603>). Fehlt im Hauptverhandlungsprotokoll der nach § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO vorgeschriebene Hinweis auf eine Mitteilung nach § 243 Abs. 4 StPO, ergibt sich daraus lediglich, dass eine solche Mitteilung in der Hauptverhandlung unterblieben ist, nicht aber, dass es keine Erörterungen außerhalb der Hauptverhandlung gegeben hat, weil diese Tatsache nicht von der negativen Beweiskraft des Protokolls (§ 274 StPO) umfasst ist (a.A. ohne nähere Begründung Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl. 2012, § 243 Rn. 18a a.E.). 

(cc) Die Verständigung selbst hat zwingend in der Hauptverhandlung stattzufinden, wo die vom Gesetzgeber verlangte Protokollierung nach § 273 Abs. 1a Satz 1 StPO und damit eine Voraussetzung vollumfänglicher Kontrolle gewährleistet ist. Zum „wesentlichen Ablauf und Inhalt“ im Sinne dieser Norm gehört nach Sinn und Zweck der Dokumentationspflicht insbesondere, wer die Anregung zu den Gesprächen gab und welchen Inhalt die einzelnen „Diskussionsbeiträge“ aller Verfahrensbeteiligten sowie der Richter hatten, insbesondere von welchem Sachverhalt sie hierbei ausgingen und welche Ergebnisvorstellungen sie äußerten (vgl. Stuckenberg, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2013, § 257c Rn. 71). 

(2) Darüber hinaus folgt aus dem Ziel des Gesetzgebers, die Verständigung in das Licht der öffentlichen Hauptverhandlung zu stellen, dass er der Kontrollfunktion der Öffentlichkeit besondere Bedeutung beigemessen hat. 

Der in § 169 GVG niedergelegte Öffentlichkeitsgrundsatz soll eine Kontrolle der Justiz durch die am Verfahren nicht beteiligte Öffentlichkeit ermöglichen und ist Ausdruck der demokratischen Idee. Die mit der Möglichkeit einer Beobachtung der Hauptverhandlung durch die Allgemeinheit verbundene öffentliche Kontrolle der Justiz, die historisch als unverzichtbares Institut zur Verhinderung obrigkeitlicher Willkür eingeführt wurde (vgl. zum Ganzen Wickern, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2010, Vor § 169 GVG Rn. 2 ff. m.w.N.), erhält als demokratisches Gebot durch die gesetzliche Zulassung der in eine vertrauliche Atmosphäre drängenden Verständigungen zusätzliches Gewicht. Dem hat der Gesetzgeber durch die Mitteilungspflicht in § 243 Abs. 4 StPO Rechnung getragen (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 12). 
Die Öffentlichkeit kann ihre Kontrollfunktion nur ausüben, wenn sie die Informationen erhält, die zur Beurteilung der Angemessenheit einer etwaigen Verständigung erforderlich sind. Nur so bleibt der gerichtliche Entscheidungsprozess transparent und die Rechtsprechung auch in Verständigungsfällen für die Allgemeinheit durchschaubar. Dies ist notwendig, damit das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Fähigkeit des Staates, mittels einer wirksamen Strafverfolgung öffentliche Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten (vgl. zu dieser Aufgabe des Öffentlichkeitsgrundsatzes Wickern, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2010, Vor § 169 GVG Rn. 2 ff.) und Gerechtigkeit im Einzelfall sowie eine gleichmäßige Behandlung aller zu garantieren, uneingeschränkt aufrechterhalten werden kann. 

(3) Die Einbeziehung des zu einer Verständigung führenden Geschehens in die öffentliche Hauptverhandlung hat auch die Aufgabe, deren Funktion als alleinige Grundlage richterlicher Überzeugungsbildung zu wahren. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll diese Funktion der öffentlichen Hauptverhandlung unberührt bleiben. In den Materialien wird ausdrücklich hervorgehoben, dass die Überzeugung des Gerichts von dem festzustellenden Sachverhalt stets erforderlich bleibt und eine Verständigung als solche niemals die Grundlage eines Urteils bilden kann (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 8, 13). Das Gericht bildet sich seine Überzeugung aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung (vgl. § 261 StPO). Dieser Grundsatz ist nicht zuletzt im Hinblick auf die während der Hauptverhandlung das Richteramt in vollem Umfang und mit gleichem Stimmrecht wie die Berufsrichter ausübenden Schöffen (§§ 30, 77 Abs. 1 GVG) von Bedeutung. Da aus § 257c Abs. 4 StPO folgt, dass der Gesetzgeber der Verständigung eine - wenn auch nur eingeschränkte - Bindungswirkung für das Gericht beigemessen hat, musste er zugleich gewährleisten, dass die Schöffen in das zu einer Verständigung führende Geschehen, soweit es in der Hauptverhandlung stattfindet, unmittelbar eingebunden und im Übrigen nach § 243 Abs. 4 StPO umfassend über dieses unterrichtet sind. Anderenfalls wäre ihnen eine verantwortbare Entscheidung über die Verständigung - insbesondere die damit verbundene Zusage einer Strafobergrenze und Ankündigung einer Strafuntergrenze - und über den Inhalt des nach einer Verständigung oder nach dem Scheitern von Verständigungsbemühungen ergehenden Urteils nicht möglich. Dementsprechend ermöglicht § 257c StPO es ausschließlich „dem Gericht“ - nicht nur dem Vorsitzenden oder nur den Berufsrichtern -, eine Verständigung mit den Verfahrensbeteiligten herbeizuführen. Damit ist es ausgeschlossen, dass ohne eine Beteiligung der Schöffen Strafgrenzen mit der Bindungswirkung des § 257c Abs. 4 StPO in Aussicht gestellt werden. 

bb) Mit dem Erfordernis ihrer Zustimmung zu einer Verständigung weist der Gesetzgeber der Staatsanwaltschaft eine aktive Rolle bei der Verwirklichung seines Ziels zu, eine wirksame Kontrolle von Verständigungen zu gewährleisten. 

Ihr ist die Aufgabe zugewiesen, an der Sicherung der Gesetzmäßigkeit des Verfahrensablaufs und -ergebnisses mitzuwirken. Mit ihrer Verpflichtung zur Objektivität (§ 160 Abs. 2 StPO) ist sie Garantin für Rechtsstaatlichkeit und gesetzmäßige Verfahrensabläufe; als Vertreterin der Anklage gewährleistet sie eine effektive Strafrechtspflege (vgl. Kühne, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2006, Einl. J Rn. 42). Diese Bedeutung der Staatsanwaltschaft ist nicht auf die erstinstanzliche Hauptverhandlung beschränkt, sondern setzt sich in ihrer Aufgabenstellung im Rechtsmittelverfahren fort (vgl. § 296 Abs. 2, § 301 StPO). Ihren Niederschlag hat diese Stellung der Staatsanwaltschaft in den Bestimmungen der Nr. 127 Abs. 1 Satz 1 und Nr. 147 Abs. 1 der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) gefunden. 

In der Verständigungssituation kommt der Kontrolle durch die Staatsanwaltschaft herausgehobene Bedeutung zu, weil sich Angeklagter und Gericht hinsichtlich des möglichen Verfahrensergebnisses einer - wenngleich eingeschränkten - Bindung unterwerfen. Die Einbindung der Staatsanwaltschaft in die Verständigung hat damit vor allem den Zweck, deren Gesetzmäßigkeit zu sichern (vgl. auch BGH, Beschluss vom 5. Mai 2011 - 1 StR 116/11 -, juris, Rn. 23 f.; BGH, Beschluss vom 12. Juli 2011 - 1 StR 274/11 -, StV 2011, S. 645 f.; BGH, Urteil vom 9. November 2011 - 1 StR 302/11 -, juris, Rn. 45). Dem Verständigungsgesetz liegt die Erwartung zugrunde, dass die Staatsanwaltschaft - entsprechend ihrer Rolle als „Wächter des Gesetzes“ (vgl. hierzu Promemoria der Staats- und Justiz-Minister von Savigny und Uhden über die Einführung der Staats-Anwaltschaft im Kriminal-Prozesse vom 23. März 1846, abgedruckt bei Otto, Die Preußische Staatsanwaltschaft, 1899, S. 40 ff.) - sich gesetzwidrigen Vorgehensweisen im Zusammenhang mit Verständigungen verweigert. Weisungsgebundenheit und Berichtspflichten ermöglichen es, einheitliche Standards für die Erteilung der Zustimmung zu Verständigungen sowie für die Ausübung der Rechtsmittelbefugnis aufzustellen und durchzusetzen. Die Staatsanwaltschaft ist nicht nur gehalten, ihre Zustimmung zu einer gesetzwidrigen Verständigung zu versagen. Sie hat darüber hinaus gegen Urteile, die - beispielsweise von der Staatsanwaltschaft zunächst unerkannt - auf solchen Verständigungen beruhen, Rechtsmittel einzulegen. In Anbetracht der hohen Bedeutung, die der Gesetzgeber der Wahrung der verfassungsrechtlichen Vorgaben an den Strafprozess auch in Verständigungsfällen beigemessen hat, werden Verstöße gegen die Vorgaben des Verständigungsgesetzes in der Regel von wesentlicher Bedeutung (vgl. auch Nr. 147 Abs. 1 Satz 1 RiStBV) und deshalb durch die Staatsanwaltschaft einer revisionsgerichtlichen Kontrolle zuzuführen sein. Auch kann es angezeigt sein, dass sich die Generalstaatsanwaltschaften dieser Aufgabe in besonderer Weise annehmen. 

cc) Schließlich verfolgen die in dem Regelungskonzept des Verständigungsgesetzes vorgesehenen Schutzmechanismen das Ziel, eine wirksame „vollumfängliche“ Kontrolle verständigungsbasierter Urteile durch das Rechtsmittelgericht zu ermöglichen. 

(1) Diese Kontrolle soll dazu beitragen, dass „Verständigungen in erster Instanz wirklich so ablaufen, wie es den Vorgaben des Gesetzgebers entspricht“ (Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 9). Hiernach verzichtete der Gesetzgeber darauf, nach vorangegangener Verständigung Rechtsmittel auszuschließen oder einzuschränken, um die Verständigung in einer insbesondere mit dem Gebot schuldangemessenen Strafens und der daraus folgenden Pflicht zur Erforschung der materiellen Wahrheit in Einklang stehenden Weise in das geltende Strafverfahren integrieren zu können (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 1 f., 8 f.; siehe auch Stellungnahme der Bundesregierung zum Gesetzentwurf des Bundesrats, BTDrucks 16/4197, S. 12). Mit dieser Zielsetzung grenzt sich das Regelungskonzept des Verständigungsgesetzes ausdrücklich von dem vom Bundesrat vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von Absprachen im Strafverfahren (BTDrucks 16/4197) ab, der die Rechtsmittelmöglichkeiten gegen ein verständigungsbasiertes Urteil durch einen Ausschluss der Berufung sowie eine Beschränkung der Revision auf im Zusammenhang mit der Verständigung stehende Verfahrensfehler und die Revisionsgründe des § 338 StPO wesentlich einschränken wollte (vgl. Gesetzentwurf und Begründung des Bundesrats, BTDrucks 16/4197, S. 5 f., 7, 11 sowie die Stellungnahme der Bundesregierung, BTDrucks 16/4197, S. 12). Die im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehene Möglichkeit eines Rechtsmittelverzichts nach gesonderter qualifizierter Belehrung hat der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages verworfen, um sicherzustellen, dass sich die Berechtigten in Ruhe und ohne Druck überlegen können, ob sie Rechtsmittel einlegen wollen (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 6, 15 sowie Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BTDrucks 16/13095, S. 7, 10). In bewusster Abkehr von den Entwürfen schränkt das Verständigungsgesetz die Rechtsmittelmöglichkeiten gegen verständigungsbasierte Urteile nicht ein, sondern schließt - über die dem Regelungskonzept weitgehend zugrundeliegende Entscheidung des Großen Strafsenats des Bundesgerichtshofs (BGHSt 50, 40 ff.) hinausgehend - einen Rechtsmittelverzicht nach einer Verständigung generell aus (§ 302 Abs. 1 Satz 2 StPO) und sichert die Ermöglichung einer Rechtsmittelkontrolle durch das Erfordernis einer qualifizierten Belehrung noch zusätzlich ab. 

(2) Die Wirksamkeit der Kontrolle soll durch umfassende Transparenz- und Dokumentationspflichten sichergestellt werden. Diese Schutzmechanismen können nicht als bloße Ordnungsvorschriften verstanden werden. Die Gewährleistung einer „vollumfänglichen“ Kontrolle verständigungsbasierter Urteile setzt umfassende Transparenz des Verständigungsgeschehens in der öffentlichen Hauptverhandlung sowie eine vollständige Dokumentation im Verhandlungsprotokoll voraus. Dementsprechend kommt im Wortlaut der Normen, in der Systematik des Regelungskonzepts und in den Materialien unmissverständlich zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber eine Verständigung nur bei Wahrung der Transparenz- und Dokumentationspflichten für zulässig hält. Das gesetzliche Regelungskonzept ist damit als eine untrennbare Einheit aus Zulassung und inhaltlicher Beschränkung von Verständigungen bei gleichzeitiger Einhegung durch die Mitteilungs-, Belehrungs- und Dokumentationspflichten zu begreifen. Dabei dienen die Verfahrensnormen in gleicher Weise wie die den zulässigen Inhalt von Verständigungen beschränkenden Vorschriften und der Verweis des § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO auf § 244 Abs. 2 StPO dem Ziel, die mit einer urteilsbezogenen Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten verbundenen Risiken für die Verwirklichung der verfassungsrechtlichen Vorgaben an den Strafprozess zu minimieren. Die Vorschriften zur Transparenz des Verständigungsgeschehens in der öffentlichen Hauptverhandlung, zu dessen Dokumentation und zur Ermöglichung einer wirksamen Kontrolle auch durch das Rechtsmittelgericht zählen zum Kern des gesetzlichen Regelungskonzepts. 

(3) Ein Verstoß gegen die Transparenz- und Dokumentationspflichten führt deshalb grundsätzlich zur Rechtswidrigkeit einer gleichwohl getroffenen Verständigung. Hält sich das Gericht an eine solche gesetzwidrige Verständigung, wird ein Beruhen des Urteils auf diesem Gesetzesverstoß regelmäßig schon deshalb nicht auszuschließen sein, weil die Verständigung, auf der das Urteil beruht, ihrerseits mit einem Gesetzesverstoß behaftet ist. Diese Auslegung entspricht der Funktion dieser Vorschriften im Konzept des Verständigungsgesetzes. Dass Verstöße gegen die verfahrensrechtlichen Sicherungen der Verständigung nicht den absoluten Revisionsgründen zugeordnet worden sind, steht einer Auslegung des § 337 Abs. 1 StPO nicht entgegen, derzufolge das Revisionsgericht ein Beruhen des Urteils auf einem Verstoß gegen Transparenz- und Dokumentationspflichten - die nach dem Willen des Gesetzgebers gerade zum Kern des dem Verständigungsgesetz zugrunde liegenden Schutzkonzepts gehören - nur in besonderen Ausnahmefällen wird ausschließen können (vgl. zur Verletzung von § 258 Abs. 2 und 3 StPOBGHSt 21, 288<290>; 22, 278 <280 f.>). 

(4) Kommt eine Verständigung nicht zustande und fehlt es an der gebotenen Negativmitteilung nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2010 - 3 StR 287/10 -, wistra 2011, S. 72 f. = StV 2011, S. 72 f.) oder dem vorgeschriebenen Negativattest nach § 273 Abs. 1a Satz 3 StPO, wird nach Sinn und Zweck des gesetzlichen Schutzkonzepts ein Beruhen des Urteils auf einem Verstoß gegen § 257c StPO grundsätzlich ebenfalls nicht auszuschließen sein (str., im Ergebnis wie hier Kirsch, StraFo 2010, S. 96 <100>; Schlothauer, StV 2011, S. 205 <206>; in der Tendenz auch Schmitt, StraFo 2012, S. 386 <390>; anders BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2010 - 1 StR 400/10 -, NStZ 2011, S. 592 <593> zu § 243 Abs. 4 StPO), sofern nicht ausnahmsweise zweifelsfrei feststeht, dass es keinerlei Gespräche gegeben hat, in denen die Möglichkeit einer Verständigung im Raum stand (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 30. August 2011 - 32 Ss 87/11 -, juris, Rn. 11, 13). Bei einem Verstoß gegen Transparenz- und Dokumentationspflichten wird sich nämlich in den meisten Fällen nicht sicher ausschließen lassen, dass das Urteil auf eine gesetzwidrige „informelle“ Absprache oder diesbezügliche Gesprächsbemühungen zurückgeht.

e) Aus der in § 257c Abs. 4 StPO getroffenen Regelung ergibt sich zwar einerseits, dass das Gericht (nur) an eine nach den Vorgaben des Gesetzes entsprechende Verständigung grundsätzlich gebunden ist. Andererseits stellt die Regelung zugleich klar, dass die Bindungswirkung entfällt, wenn das Gericht nach Zustandekommen der Verständigung zu der Überzeugung gelangt, dass der nach § 257c Abs. 3 Satz 2 StPO in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht (mehr) tat- und schuldangemessen ist. Die Bestimmung des § 257c Abs. 4 StPO ist somit Ausdruck des gesetzgeberischen Willens, die richterliche Überzeugungsbildung unangetastet zu lassen. Mit dem Verwertungsverbot des § 257c Abs. 4 Satz 3 StPO ist dort zudem eine dem Schutz des Angeklagten dienende Vorschrift enthalten, der im Vertrauen auf den Bestand einer Verständigung ein Geständnis abgegeben und damit von seinem Recht, sich nicht zur Sache einzulassen, keinen Gebrauch gemacht und der Verurteilung eine Grundlage verschafft hat. Mit dem Ziel, dem Angeklagten überhaupt eine autonome Entscheidung über das für ihn mit einer Mitwirkung an einer Verständigung verbundene Risiko zu ermöglichen, sieht schließlich § 257c Abs. 5 StPO vor, dass der Angeklagte vor der Verständigung über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichts von dem in Aussicht gestellten Ergebnis zu belehren ist. Hiermit wollte der Gesetzgeber die Fairness des Verständigungsverfahrens sichern und - wie sein Hinweis auf das Ziel der Ermöglichung einer autonomen Einschätzung (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 15) bestätigt - zugleich die Autonomie des Angeklagten im weiten Umfang schützen. Der Angeklagte sieht sich durch die Aussicht, mit der Verständigung eine das Gericht bindende Zusage einer Strafobergrenze zu erreichen und so Einfluss auf den Verfahrensausgang zu nehmen, einer besonderen Anreiz- und Verlockungssituation ausgesetzt. Der hiermit einhergehenden Gefährdung der Selbstbelastungsfreiheit soll unter anderem durch die Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO Rechnung getragen werden. Bei einem Verstoß gegen die Belehrungspflicht wird daher im Rahmen der revisionsgerichtlichen Prüfung regelmäßig davon auszugehen sein, dass das Geständnis und damit auch das Urteil auf dem Unterlassen der Belehrung beruht. Ein Beruhen wird nur dann verneint werden können, wenn sich feststellen lässt, dass der Angeklagte das Geständnis auch bei ordnungsgemäßer Belehrung abgegeben hätte (vgl. zu dem in seiner Bedeutung für die Selbstbelastungsfreiheit ähnlich gelagerten Verstoß gegen § 136 Abs. 1 Satz 2 StPOBGHSt 38, 214<226 f.>). Nur so ist gewährleistet, dass die Schutzfunktion der Belehrungspflicht ihre vorgesehene Wirkung entfaltet. 

2. Das Verständigungsgesetz ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Dieses schließt Verständigungen im Strafprozess nicht schlechthin aus (a). Der Gesetzgeber hat ausreichende Vorkehrungen getroffen, um zu gewährleisten, dass sich Verständigungen im Rahmen der verfassungsrechtlichen Anforderungen an das Strafverfahren halten (b).

a) Verständigungen im Strafprozess berühren die verfassungsrechtlichen Anforderungen an das Strafverfahren (aa), der Gesetzgeber ist aber nicht gehindert, Verständigungen mit den zur Sicherung der Verfassungsmäßigkeit gebotenen Vorkehrungen zuzulassen (bb). 
aa) Der Strafprozess hat das Schuldprinzip zu verwirklichen und darf sich von dem ihm vorgegebenen Ziel der bestmöglichen Erforschung der materiellen Wahrheit und der Beurteilung der Sach- und Rechtslage durch ein unabhängiges und neutrales Gericht nicht entfernen. Das Fehlen eines nicht an den sachlichen Verfahrenszielen orientierten eigenen Interesses des Gerichts am Verfahrensausgang bildet im Zusammenwirken mit seiner Bindung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) die Grundlage für die bestmögliche Ermittlung des wahren Sachverhaltes und die richtige Anwendung des materiellen Rechts auf den festgestellten Sachverhalt. Dabei trägt das Gebot einer schuldangemessenen Bestrafung auch im Einzelfall dem Verlangen nach Rechtsgleichheit als einem der grundlegenden Gerechtigkeitspostulate Rechnung. Das Maß der verwirklichten Schuld legitimiert die Differenzierung in den Rechtsfolgen und sichert so zugleich die gebotene Gleichbehandlung der Beschuldigten im Strafverfahren. 
(1) Das verfassungsrechtliche Schuldprinzip steht nicht zur Disposition des Gesetzgebers (vgl. BVerfGE 123, 267 <413>). Dies schließt es nicht aus, den Strafverfolgungsbehörden Möglichkeiten zu einem Absehen von der Strafverfolgung zu eröffnen, namentlich in Fällen geringfügiger Kriminalität, in denen der Rechtsfrieden nicht ernsthaft beeinträchtigt und eine Kriminalstrafe zum Schuldausgleich nicht zwingend geboten ist, so dass ein öffentliches Interesse an einem Schuldspruch nicht besteht oder durch die Erfüllung von Auflagen oder/und Weisungen beseitigt werden kann. Solche Ausnahmen dürfen die Geltungskraft des Schuldprinzips nicht in Frage stellen und bedürfen stets einer gesetzlichen Regelung, wie sie der Gesetzgeber etwa in den §§ 153 ff. StPO getroffen hat. Als Ausnahmen von der verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zur Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs sind sie fest zu umgrenzen und bedürfen jeweils einer eigenständigen Legitimation (vgl. zu Beschränkungen der Sachverhaltsaufklärung BVerfGE 33, 367 <382 f.>; 46, 214 <222 f.>; 49, 24 <54>; 51, 324 <344>; 129, 208 <260>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. August 2000 - 1 BvR 77/96 -, NStZ 2001, S. 43 <44>). 

(2) Als unerlässliche Voraussetzung der Verwirklichung des Schuldprinzips unterliegt auch die Pflicht zur bestmöglichen Erforschung der materiellen Wahrheit nicht der Disposition des Gesetzgebers. Sie ist das bestimmende Ziel, von dem sich der Strafprozess nicht entfernen darf. Allerdings ist es Sache des Gesetzgebers, darüber zu befinden, auf welchen Wegen und mit welchen Mitteln er die Verwirklichung des Schuldprinzips gewährleistet. Es ist dem Gesetzgeber auch nicht versagt, unter Wahrung rechtsstaatlicher Grundsätze für Fälle einfach gelagerter und eindeutiger Sachverhalte - etwa bei einer sich mit den Ermittlungsergebnissen deckenden geständigen Einlassung schon im Ermittlungsverfahren oder bei einem auf frischer Tat angetroffenen Beschuldigten - ein vereinfachtes Verfahren zur Gewinnung der richterlichen Überzeugung von Schuld oder Unschuld des Angeschuldigten und der hieraus zu ziehenden Folgen ohne das Erfordernis einer öffentlichen Hauptverhandlung mit ihrer formalisierten Beweisaufnahme einzurichten, wie es die Strafprozessordnung mit dem Strafbefehlsverfahren gemäß § 407 Abs. 1 und 2 StPO vorsieht (vgl. dazu Gössel, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2009, Vor § 407 Rn. 25 f. m.w.N.). Ermöglichen es die in der Akte befindlichen Unterlagen und Beweismittel dem Richter, sich die Überzeugung von der Richtigkeit des dem Angeschuldigten zur Last gelegten Sachverhalts zu bilden, ist eine öffentliche Hauptverhandlung zur Gewinnung einer tragfähigen Grundlage für die Schuldfeststellung, die rechtliche Beurteilung und die Strafzumessung von Verfassungs wegen nicht zwingend geboten, sofern es der Angeschuldigte in der Hand hat, durch einfache Erklärung die Durchführung einer öffentlichen Hauptverhandlung zu erzwingen (vgl. BVerfGE 25, 158 <164 f.>; BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Februar 1995 - 2 BvR 1950/94 -, NJW 1995, S. 2545 <2546> und vom 4. Juli 2002 - 2 BvR 2168/00 -, NJW 2002, S. 3534 m.w.N.). 
(3) Das im Grundgesetz verankerte Schuldprinzip und die mit ihm verbundene Pflicht zur Erforschung der materiellen Wahrheit sowie der Grundsatz des fairen, rechtsstaatlichen Verfahrens, die Unschuldsvermutung und die Neutralitätspflicht des Gerichts schließen es jedoch aus, die Handhabung der Wahrheitserforschung, die rechtliche Subsumtion und die Grundsätze der Strafzumessung in der Hauptverhandlung, die letztlich mit einem Urteil zur Schuldfrage abschließen soll, zur freien Disposition der Verfahrensbeteiligten und des Gerichts zu stellen. Dem Gericht muss es untersagt bleiben, im Wege vertragsähnlicher Vereinbarungen mit den Verfahrensbeteiligten über die Pflicht zur Erforschung der materiellen Wahrheit zu verfügen und sich von dem Gebot schuldangemessenen Strafens zu lösen. Es ist Gericht und Staatsanwaltschaft untersagt, sich auf einen „Vergleich“ im Gewande des Urteils, auf einen „Handel mit der Gerechtigkeit“ einzulassen (vgl. schon BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Januar 1987 - 2 BvR 1133/86 -, NJW 1987, S. 2662 <2663>) und mit dem Angeklagten einen bestimmten Schuldspruch oder auch nur eine konkrete Strafe zu vereinbaren. Der Rechtsanwendungspraxis ist es untersagt, das vom Gesetzgeber normierte Strafverfahren in einer Weise zu gestalten, die auf solche vertragsähnliche Erledigungsformen hinausläuft. 

Demgegenüber steht das Grundgesetz unverbindlichen Erörterungen der Beurteilung der Sach- und Rechtslage zwischen dem Gericht und den Verfahrensbeteiligten nicht entgegen. Eine offene, kommunikative Verhandlungsführung kann der Verfahrensförderung dienlich sein und ist daher heute selbstverständliche Anforderung an eine sachgerechte Prozessleitung. So begegnen etwa Rechtsgespräche und Hinweise auf die vorläufige Beurteilung der Beweislage oder die strafmildernde Wirkung eines Geständnisses keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Solche Formen der kommunikativen Verhandlungsführung stellen insbesondere nicht die Unvoreingenommenheit des Gerichts in Frage, solange sie transparent bleiben und kein Verfahrensbeteiligter hiervon ausgeschlossen ist. 

bb) Verständigungen zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten über Stand und Aussichten der Hauptverhandlung, die dem Angeklagten für den Fall eines Geständnisses eine Strafobergrenze zusagen und eine Strafuntergrenze ankündigen, tragen das Risiko in sich, dass die verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht in vollem Umfang beachtet werden. Gleichwohl ist es dem Gesetzgeber in Anbetracht seiner Gestaltungsmacht von Verfassungs wegen nicht schlechthin verwehrt, zur Verfahrensvereinfachung Verständigungen zuzulassen. Er muss jedoch zugleich durch hinreichende Vorkehrungen sicherstellen, dass die verfassungsrechtlichen Anforderungen gewahrt bleiben. Die Wirksamkeit der vorgesehenen Schutzmechanismen hat der Gesetzgeber fortwährend zu überprüfen. Ergibt sich, dass sie unvollständig oder ungeeignet sind, hat er insoweit nachzubessern und erforderlichenfalls seine Entscheidung für die Zulässigkeit strafprozessualer Absprachen zu revidieren (vgl. BVerfGE 110, 141 <158> m.w.N.). 

b) Das Verständigungsgesetz sichert die Einhaltung der verfassungsrechtlichen Vorgaben in ausreichender Weise. 

aa) Nach § 257c Abs. 2 Satz 1 StPO dürfen Gegenstand einer Verständigung nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrunde liegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. § 257c Abs. 2 Satz 3 StPO schließt den Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung als Gegenstand einer Verständigung aus. Das Verständigungsgesetz entbindet das Gericht auch nicht von der Beachtung der Strafzumessungsregeln, wenn es in § 257c Abs. 3 Satz 2 StPO das Gericht ermächtigt, bei der Bekanntgabe des möglichen Inhalts einer Verständigung unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe anzugeben. Damit sind nicht nur, wie vom Schuldgrundsatz gefordert, Verständigungen über den Schuldspruch wirksam ausgeschlossen, sondern es ist auch sichergestellt, dass die aus dem Gebot schuldangemessenen Strafens folgenden Grundsätze der Strafzumessung nicht zur Disposition der Verfahrensbeteiligten stehen. Dem Gericht ist es nicht gestattet, im Wege der Verständigung seine Wertungen an die Stelle derjenigen des Strafgesetzgebers zu setzen. Dabei ist zu beachten, dass eine maßgebliche Bedeutung insoweit den gesetzlichen Strafrahmen zukommt, die mit ihren nach Straftat und Strafhöhe gestaffelten Sanktionen die Abstufung der verschiedenen Straftaten nach ihrem Unrechtsgehalt erst zum Ausdruck bringen (vgl. BVerfGE 27, 18 <29>). Tatbestand und Rechtsfolge sind wechselseitig aufeinander bezogen und müssen - gemessen an der Idee der Gerechtigkeit - sachgerecht aufeinander abgestimmt sein. Einerseits richtet sich die Strafhöhe nach dem normativ festgelegten Wert des verletzten Rechtsgutes und der Schuld des Täters. Andererseits lässt sich das Gewicht einer Straftat, der ihr in der verbindlichen Wertung des Gesetzgebers beigemessene Unwertgehalt, in aller Regel erst aus der Höhe der angedrohten Strafe entnehmen. Insofern ist auch die Strafandrohung für die Charakterisierung, Bewertung und Auslegung des Straftatbestandes von entscheidender Bedeutung (BVerfGE 25, 269 <286>; 27, 18 <29>). Erst von einer differenzierenden Bewertung des Unwertgehaltes der verschiedenen Straftaten her wird die Abstufung der strafrechtlichen Sanktionen verständlich und sachlich gerechtfertigt (BVerfGE 27, 18 <29>). Innerhalb eines Deliktstypus kommt die differenzierende Bewertung des Unwertgehaltes vor allem durch Qualifikations- und Privilegierungstatbestände zum Ausdruck. Aber auch die Sonderstrafrahmen für besonders schwere und minder schwere Fälle nehmen an dieser Abstufung teil, auch wenn es sich hierbei nach überwiegender Auffassung um Strafzumessungsregeln handelt (Nachweise siehe oben unter B. II. 1. b) bb)). Diese Regelungstechnik ist dem Gesetzgeber nicht verwehrt (vgl. BVerfGK 14, 177 <182>). Wenn er jedoch mit der Einführung solcher Sonderstrafrahmen zum Ausdruck gebracht hat, eine Differenzierung schon bei der Strafandrohung für erforderlich zu halten, ist diese Bewertung für die Rechtsanwendung bindend. 

bb) Das Verständigungsgesetz wahrt den Schuldgrundsatz auch insoweit, als eine Verfahrensverkürzung um den Preis der Erforschung der materiellen Wahrheit ausgeschlossen ist. Wie dargestellt, enthebt die Möglichkeit einer Verständigung das Gericht nicht von der Pflicht zur Sachverhaltsermittlung von Amts wegen. Ein Geständnis darf nicht zur „Handelsware“ werden und kann als Grundlage der Zusage einer Strafobergrenze nur akzeptiert werden, wenn es - aus sich heraus oder aufgrund der Beantwortung von Fragen - überprüfbar ist. Das im Zusammenhang mit der Zusage einer Strafobergrenze abgegebene Geständnis in der - die Grundlage der richterlichen Überzeugung über Schuld oder Unschuld und die daran zu knüpfenden Folgen bildenden - Hauptverhandlung ist auf seine Richtigkeit zu überprüfen, denn eine solche Zusage kann den Angeklagten zur Abgabe eines (teilweise) falschen Geständnisses veranlassen. 

cc) Mit den Bestimmungen zum Entfallen der Bindung des Gerichts an eine Verständigung (§ 257c Abs. 4 StPO) hat der Gesetzgeber ferner die aus dem Schuldprinzip, der Pflicht des Gerichts zur Erforschung der materiellen Wahrheit und seiner Neutralitätspflicht sowie der Unschuldsvermutung zu ziehenden Konsequenzen für die Grenzen der richterlichen Selbstbindung an gegebene Zusagen konkretisiert. Es ist gewährleistet, dass die der Verständigung beigemessene Bindung entfällt, wenn sich im Laufe der Hauptverhandlung der in Aussicht gestellte eingegrenzte Strafrahmen als nicht (mehr) tat- oder schuldangemessen erweist. 

dd) Der insbesondere im Grundsatz der Verfahrensfairness verankerten Forderung, dass der Angeklagte autonom darüber entscheiden kann, ob er den Schutz der Selbstbelastungsfreiheit aufgibt, sich auf eine Verständigung einlässt und mit einem Geständnis sich seines Schweigerechts begibt, genügt das Verständigungsgesetz ebenfalls. Das Strafverfahrensrecht trägt dem Anliegen, die Entscheidungsfreiheit des Angeklagten zu wahren, bereits generell in allen Verfahrensstadien Rechnung. So haben Belehrungspflichten sowie die Freiheit von Willensentschließung und Willensbetätigung in den allgemeinen Vorschriften der §§ 136, 136a StPO und - beispielsweise - für das Ermittlungsverfahren in § 163a Abs. 4 Satz 2 StPO sowie für die Hauptverhandlung in § 243 Abs. 5 Satz 1 StPO ihren Niederschlag gefunden. Wenn diese Sicherungen schon bei der Entscheidungsfindung über allgemeines Aussageverhalten greifen, so haben sie eine umso größere Bedeutung, wenn es um die Frage eines Schuldeingeständnisses geht, vor allem in der für eine Verständigung typischen Anreiz- und Verlockungssituation (vgl. oben B. II. 1. e)). Vor diesem Hintergrund kommt der in § 257c Abs. 5 StPOvorgesehenen Belehrung über die Reichweite der Bindungswirkung und die Folgen eines Scheiterns der Verständigung besondere Bedeutung zu, der auch revisionsrechtlich Rechnung zu tragen ist. 

Von ebenso hohem Gewicht ist, dass der Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit es dem Gericht verbietet, dem Angeklagten eine geständnisbedingte Strafmilderung in Aussicht zu stellen, mit der es den Boden schuldangemessenen Strafens verließe. Der Angeklagte darf infolgedessen nicht durch ein gesetzlich nicht vorgesehenes Vorteilsversprechen, aber auch nicht durch Täuschung oder Drohung zu einem Geständnis gedrängt werden. Letzteres hat in § 136a StPO bereits seinen Ausdruck gefunden (vgl. BVerfG, Vorprüfungsausschuss, Beschluss vom 19. Oktober 1983 - 2 BvR 859/83 -, NStZ 1984, S. 82; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Januar 1987 - 2 BvR 1133/86 -, NJW 1987, S. 2662 <2663>). Erst recht greift dieses Schutzgebot zugunsten eines Angeklagten, mit dessen Geständnis in der Hauptverhandlung der Ausgang des Verfahrens steht oder fällt. 
ee) Das Verständigungsgesetz trifft umfangreiche Vorkehrungen dahin, dass das maßgebliche Verständigungsgeschehen in die Hauptverhandlung einbezogen und dokumentiert wird, und gibt mit der in § 257c Abs. 3 Satz 4 StPO vorgesehenen Abhängigkeit der Verständigung von der Zustimmung der Staatsanwaltschaft dieser ein Mittel zur Wahrung rechtsstaatlicher Standards in die Hand, zu der die effektiv zu handhabende Überprüfung durch Rechtsmittel hinzutritt (vgl. oben B. II. 1. d)). Der Gesetzgeber begegnet damit der mit der Möglichkeit der Verfahrensverkürzung durch eine Verständigung einhergehenden Gefahr einer Motivationsverschiebung bei dem erkennenden Gericht und trägt dem mit der Zusage einer wesentlichen Strafmilderung für den Fall eines Geständnisses verbundenen Anreiz für den Angeklagten Rechnung, ein (teilweise) falsches Geständnis abzulegen. Zugleich wirkt er dem Risiko entgegen, dass sich ein möglicher Interessengleichlauf von Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung zum Nachteil des Angeklagten auswirkt. Die verfahrensrechtlichen Sicherungen lassen jedenfalls in ihrem Zusammenwirken erwarten, dass die mit Verständigungen verbundenen rechtsstaatlichen Risiken beherrscht werden. Dabei kann unentschieden bleiben, ob bestimmte Vorkehrungen von Verfassungs wegen unverzichtbar sind, solange ein ausreichendes Gewährleistungsniveau verwirklicht wird. 

ff) Schließlich hat der Gesetzgeber eindeutig entschieden, dass auf das Strafurteil bezogene „informelle“ Absprachen unzulässig sind. Ausweislich des § 257c Abs. 1 StPO sind Verständigungen über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens nur nach Maßgabe der folgenden Absätze zulässig. Intransparente, unkontrollierbare „Deals“ sind im Strafprozess wegen der mit ihnen verbundenen Gefährdung des Schuldprinzips, der darin verankerten Wahrheitserforschungspflicht und des dem Rechtsstaatsprinzip innewohnenden Prinzips des fairen Verfahrens bereits von Verfassungs wegen untersagt, und der Gesetzgeber hat derartige Vorgehensweisen in unmissverständlicher Weise verworfen. 

3. Der in erheblichem Maße defizitäre Vollzug des Verständigungsgesetzes führt derzeit nicht zur Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung. 

a) Die repräsentative empirische Erhebung von Prof. Dr. Altenhain, die Anhörung der Auskunftspersonen in der mündlichen Verhandlung, aber auch die schriftlichen Stellungnahmen zu den Verfassungsbeschwerden und die vorliegende obergerichtliche Rechtsprechung zeigen zwar, dass Gerichte, Staatsanwaltschaften und Verteidigung in einer hohen Zahl von Fällen die gesetzlichen Vorgaben missachten und die Rechtsmittelgerichte der ihnen zugewiesenen Aufgabe der Kontrolle der Verständigungspraxis nicht immer in genügendem Maße nachgekommen sind. Aus diesem empirischen Befund kann jedoch derzeit noch nicht auf ein in der Norm selbst angelegtes und daher zu deren Verfassungswidrigkeit führendes Versagen der zur Gewährleistung der verfassungsrechtlichen Vorgaben normierten Schutzmechanismen geschlossen werden. 

b) Eine gesetzliche Regelung, gegen die in der Rechtsanwendungspraxis in verfassungswidriger Weise verstoßen wird, verletzt nur dann auch selbst das Grundgesetz, wenn die verfassungswidrige Praxis auf die Vorschrift selbst zurückzuführen, mithin Ausdruck eines strukturbedingt zu dieser Praxis führenden normativen Regelungsdefizits ist. Ein solches Defizit kann im vorliegenden Zusammenhang nicht schon darin gesehen werden, dass der Gesetzgeber urteilsbezogene Verständigungen, welche sich durch ihre Grundstruktur für die Verwirklichung des Schuldprinzips als gefährlich erweisen, überhaupt gestattet hat. Dies ließe unberücksichtigt, dass er ihre Zulassung an umfangreiche flankierende Schutzmechanismen gekoppelt hat, die die Einhaltung der verfassungsrechtlichen Vorgaben an den Strafprozess sicherstellen sollen (vgl. auch BVerfGE 81, 123 <129 f.>; 83, 24 <31>; 118, 212 <231 f.>). Verfassungswidrig wäre das gesetzliche Regelungskonzept nur, wenn die vorgesehenen Schutzmechanismen in einer Weise lückenhaft oder sonst unzureichend wären, die eine gegen das Grundgesetz verstoßende „informelle“ Absprachepraxis fördert, das Vollzugsdefizit also durch die Struktur der Norm determiniert wäre. 

c) Ein strukturelles Regelungsdefizit kann gegenwärtig nicht festgestellt werden. Die Gründe für den erheblichen, keineswegs auf Einzelfälle beschränkten Vollzugsmangel sind vielschichtig und finden sich nach gegenwärtiger Erkenntnis nicht in einer Schutzlücke der gesetzlichen Regelung. Die gesetzliche Regelung traf auf Rahmenbedingungen, die von immer komplexer werdenden Lebenssachverhalten, einer stetigen Ausweitung des materiellen Strafrechts sowie immer differenzierteren Anforderungen an den Ablauf des Strafverfahrens geprägt sind, und hatte die schwierige Aufgabe, eine zuvor über drei Jahrzehnte in der Praxis entstandene und dort längst verfestigte Entwicklung in geordnete Bahnen zu lenken. Im Vergleich zu der lang andauernden und - wie auch die Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zeigt - immer weiter um sich greifenden Praxis jedenfalls gesetzlich nicht geregelter Absprachen ist der Zeitraum der bisherigen Geltungsdauer der gesetzlichen Schutzmechanismen noch sehr kurz, was dafür spricht, dass die Durchsetzung der strikt umgrenzten und stark formalisierten Verständigungsform entsprechend dem gesetzlichen Regelungskonzept noch nicht abgeschlossen ist und insbesondere die hohe Bedeutung der Schutzmechanismen von der Praxis noch nicht vollständig verinnerlicht wurde. Hierfür spricht auch, dass in der Literatur Stellungnahmen anzutreffen sind, die dahin verstanden werden können, dass die gesetzliche Regelung nicht abschließend sei und die Schutzmechanismen insbesondere des § 273 Abs. 1a und des § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO nicht für „informelle“ Vorgehensweisen außerhalb der Vorgaben des § 257c StPO gälten (vgl. etwa Peglau, jurisPR-StrafR 4/2012 Anm. 1; Niemöller, StV 2012, S. 387 <388 f.>; ders., in: Niemöller/Schlothauer/Weider, Gesetz zur Verständigung im Strafverfahren, 2010, § 273 Rn. 16, § 302 Rn. 5; Bittmann, wistra 2009, S. 414 <416>; Kirsch, StraFo 2010, S. 96 <101>). Hinzu kommt die nicht selten anzutreffende Bewertung gerade der Schutzmechanismen als „praxisuntauglich“, welche die Sicherung der verfassungsrechtlichen Vorgaben als zentrale Aufgabenstellung des Strafverfahrensrechts übergeht. Dies verkennt, dass im Rechtsstaat des Grundgesetzes das Recht die Praxis bestimmt und nicht die Praxis das Recht. 
d) Weder das Ergebnis der empirischen Erhebung noch die in den Verfassungsbeschwerdeverfahren abgegebenen Stellungnahmen zwingen zu der Annahme, dass es strukturelle Mängel des gesetzlichen Regelungskonzepts sind, die zu dem bisherigen Vollzugsdefizit geführt haben könnten. Als Hauptgrund für die Nichtbeachtung der gesetzlichen Regelungen wird in der empirischen Untersuchung vielmehr eine „fehlende Praxistauglichkeit“ der Vorschriften genannt. Dabei werden als praxisuntauglich oftmals die Begrenzung des zulässigen Inhalts von Verständigungen, die Transparenz- und Dokumentationspflichten - hier vor allem das Negativattest des § 273 Abs. 1a Satz 3 StPO - sowie das Verbot eines Rechtsmittelverzichts angeführt, also gerade diejenigen Vorschriften, die die Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben gewährleisten sollen. So gaben viele Verteidiger in der Befragung an, die gesetzliche Regelung widerspreche dem „Wesen des Deals“; dieser sei informell. Auch dies spricht für ein bisher nur unzureichend ausgeprägtes Bewusstsein, dass es Verständigungen ohne die Einhaltung der Anforderungen des Verständigungsgesetzes nicht geben darf. Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung stützen daher nicht die Annahme eines im gesetzlichen Regelungskonzept verankerten strukturellen Defizits, sondern sprechen für interessengeleitete Missverständnisse und Bestrebungen, die gesetzliche Regelung wegen ihrer - als unpraktisch empfundenen - Schutzmechanismen zu umgehen. 

4. Auch wenn derzeit aus dem defizitären Vollzug des Verständigungsgesetzes nicht auf eine Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung geschlossen werden kann, muss der Gesetzgeber die weitere Entwicklung sorgfältig im Auge behalten. Sollte sich die gerichtliche Praxis weiterhin in erheblichem Umfang über die gesetzlichen Regelungen hinwegsetzen und sollten die materiellen und prozeduralen Vorkehrungen des Verständigungsgesetzes nicht ausreichen, um das festgestellte Vollzugsdefizit zu beseitigen und dadurch die an eine Verständigung im Strafverfahren zu stellenden verfassungsrechtlichen Anforderungen zu erfüllen, muss der Gesetzgeber der Fehlentwicklung durch geeignete Maßnahmen entgegenwirken (vgl. zu Beobachtungs- und Nachbesserungspflichten des Gesetzgebers BVerfGE 25, 1 <12 f.>; 49, 89 <130>; 95, 267 <314>; 110, 141 <158, 166>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. November 2009 - 1 BvR 213/08 -, GRUR 2010, S. 332 <334>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 27. Januar 2011 - 1 BvR 3222/09 -, NJW 2011, S. 1578 <1582>). Unterbliebe dies, träte ein verfassungswidriger Zustand ein. 

5. Das Normgefüge des Verständigungsgesetzes gestattet nach der hier zugrunde gelegten Auslegung des einfachen Rechts keine Verfahrensweise im Strafprozess, die den verfassungsrechtlichen Vorgaben widerspräche. Die durch das Verständigungsgesetz eingeführten Vorschriften sind deshalb weder für unvereinbar mit dem Grundgesetz zu erklären noch besteht Anlass, sie im Wege einer verfassungskonformen Auslegung einzugrenzen. Damit ist der Anwendungsbereich von § 79 BVerfGGnicht eröffnet. 

III.  

Die mit den Verfassungsbeschwerden angefochtenen fachgerichtlichen Entscheidungen sind mit den Vorgaben des Grundgesetzes für eine Verständigung im Strafprozess nicht zu vereinbaren. 

1. Die von den Beschwerdeführern zu I. und II. angegriffenen Entscheidungen des Landgerichts München II und des Bundesgerichtshofs verletzen die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren und verstoßen gegen die Selbstbelastungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG). Im Anschluss an die in beiden Fällen unterbliebene Belehrung der Angeklagten über die Voraussetzungen und Folgen des Wegfalls der Bindung an eine Verständigung (§ 257c Abs. 5 StPO) hat der Bundesgerichtshof im Rahmen der Prüfung, ob die Urteile des Landgerichts München II auf dem Gesetzesverstoß beruhen, die grundlegende Bedeutung der Belehrungspflicht nach § 257c Abs. 5 StPOfür die Fairness des Verfahrens und die Selbstbelastungsfreiheit verkannt. 

a) Eine Verständigung ist regelmäßig nur dann mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens zu vereinbaren, wenn der Angeklagte vor ihrem Zustandekommen über deren nur eingeschränkte Bindungswirkung für das Gericht belehrt worden ist. Die Belehrungspflicht verliert nicht deshalb an Bedeutung oder wird gar obsolet, weil eine Lösung des Gerichts von der Verständigung nach § 257c Abs. 4 Satz 3 StPO das infolge der Verständigung abgegebene Geständnis unverwertbar macht. Denn die Belehrung hat sicherzustellen, dass der Angeklagte vor dem Eingehen einer Verständigung, deren Bestandteil das Geständnis ist, vollumfänglich über die Tragweite seiner Mitwirkung an der Verständigung informiert ist (vgl. auch Begründung zum Regierungsentwurf, BTDrucks 16/12310, S. 15). Nur so ist gewährleistet, dass er autonom darüber entscheiden kann, ob er von seiner Freiheit, die Aussage zu verweigern, (weiterhin) Gebrauch macht oder sich auf eine Verständigung einlässt. 

Zwar muss der Angeklagte unabhängig von der Möglichkeit einer Verständigung darüber befinden, ob und gegebenenfalls wie er sich zur Sache einlässt. Mit der Aussicht auf eine Verständigung wird jedoch eine verfahrensrechtliche Situation geschaffen, in der es dem Angeklagten in die Hand gegeben wird, durch sein Verhalten spezifischen Einfluss auf das Ergebnis des Prozesses zu nehmen. Anders als in einer nach der herkömmlichen Verfahrensweise geführten Hauptverhandlung kann er nämlich mit einem Geständnis die das Gericht grundsätzlich bindende Zusage einer Strafobergrenze und damit Sicherheit über den Ausgang des Verfahrens erreichen. Damit ist aus der Perspektive des Angeklagten das Festhalten an der Freiheit von Selbstbelastung nur noch um den Preis der Aufgabe der Gelegenheit zu einer das Gericht bindenden Verständigung und damit einer (vermeintlich) sicheren Strafobergrenze zu erlangen. Die Erwartung der Bindung des Gerichts bildet dementsprechend Anlass und Grundlage der Entscheidung des Angeklagten über sein prozessuales Mitwirken; damit entsteht eine wesentlich stärkere Anreiz- und Verführungssituation als es - mangels Erwartung einer festen Strafobergrenze - etwa in der Situation von § 136 Abs. 1 oder § 243 Abs. 5 Satz 1 StPO der Fall ist. Der Angeklagte muss deshalb wissen, dass die Bindung keine absolute ist, sondern unter bestimmten Voraussetzungen - die er ebenfalls kennen muss - entfällt. Nur so ist es ihm möglich, Tragweite und Risiken der Mitwirkung an einer Verständigung autonom einzuschätzen. Die in § 257c Abs. 5 StPO verankerte Belehrungspflicht ist aus diesem Grund keine bloße Ordnungsvorschrift, sondern eine zentrale rechtsstaatliche Sicherung des Grundsatzes des fairen Verfahrens und der Selbstbelastungsfreiheit. 

b) Die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs verkennen diese besondere Funktion des § 257c Abs. 5 StPO. Eine Verständigung ohne vorherige Belehrung nach dieser Vorschrift verletzt den Angeklagten grundsätzlich in seinem Recht auf ein faires Verfahren und in seiner Selbstbelastungsfreiheit. Bleibt die unter Verstoß gegen die Belehrungspflicht zustande gekommene Verständigung bestehen und fließt das auf der Verständigung basierende Geständnis in das Urteil ein, beruht dieses auf der mit dem Verstoß einhergehenden Grundrechtsverletzung, es sei denn eine Ursächlichkeit des Belehrungsfehlers für das Geständnis kann ausgeschlossen werden, weil der Angeklagte dieses auch bei ordnungsgemäßer Belehrung abgegeben hätte. Hierzu müssen vom Revisionsgericht konkrete Feststellungen getroffen werden. Soweit der Bundesgerichtshof in beiden Fällen damit argumentiert, dass ein Entfallen der Bindung des Gerichts an die Verständigung nach § 257c Abs. 4 StPO nicht eingetreten sei, führt dies im Hinblick auf die Frage, ob die Urteile gerade wegen der Verwertung des nach einem Belehrungsmangel abgegebenen Geständnisses auf einer Verletzung der Autonomie des Angeklagten beruhen, nicht weiter. Wenn der Bundesgerichtshof im Fall der Beschwerdeführer zu II. ein Beruhen des Urteils auf dem Verstoß gegen § 257c Abs. 5 StPO darüber hinaus mit der Erwägung verneint, konkrete, fallbezogene Gründe, die für die auch nur entfernte Möglichkeit sprächen, dass sich der aufgezeigte Verfahrensmangel auf das Prozessverhalten der Angeklagten ausgewirkt haben könnte, seien weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, verkennt er die grundlegende Bedeutung des § 257c Abs. 5 StPO für den Grundsatz des fairen Verfahrens und die Selbstbelastungsfreiheit des Angeklagten. Es ist nicht auszuschließen, dass der Bundesgerichtshof bei Anwendung des oben genannten Maßstabs in beiden Fällen zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre. Aus diesem Grund sind die angegriffenen Beschlüsse des Bundesgerichtshofs aufzuheben und die Sachen an diesen zurückzuverweisen. 

2. Die von dem Beschwerdeführer zu III. angegriffenen Entscheidungen des Landgerichts Berlin und des Bundesgerichtshofs verletzen den Beschwerdeführer in seinen Rechten aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG

a) Das Urteil des Landgerichts Berlin verstößt schon deshalb gegen den verfassungsrechtlichen Schuldgrundsatz und die darin verankerte Pflicht zur bestmöglichen Erforschung der materiellen Wahrheit, weil das Landgericht ein unter weitgehender Weigerung, Fragen zu beantworten, abgegebenes inhaltsleeres Formalgeständnis als Grundlage einer Verurteilung akzeptiert hat, ohne es - abgesehen von einer, dann auch beantworteten Frage zum Mitführen und Ladezustand der Dienstwaffen - durch eine weitere, auf eigenständige Spezifizierung seitens des Angeklagten zielende Beweiserhebung in der Hauptverhandlung zu überprüfen. Ein Geständnis, das sich in einer Bezugnahme auf die Anklage erschöpft, ist als Grundlage einer Verständigung bereits deshalb ungeeignet, weil es keine Grundlage für eine Überprüfung seiner Glaubhaftigkeit (§ 257c Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 244 Abs. 2 StPO) bietet. Darüber hinaus beruht das angegriffene Urteil auf einer Verständigung, die infolge der Kopplung eines Geständnisses „im Sinne der Anklage“ an den Verzicht auf die Stellung von Beweisanträgen „zur Schuldfrage“ unzulässig über den Schuldspruch disponiert und zudem eine Strafrahmenverschiebung zum Gegenstand hat. Deshalb stellt sich das Urteil als ein vom Grundgesetz untersagter „Handel mit der Gerechtigkeit“ dar. 
Hinzu kommt, dass dieser „Handel mit der Gerechtigkeit“ auf einer verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbaren Beeinträchtigung der Selbstbelastungsfreiheit des Beschwerdeführers beruht. Dabei kommt es nicht darauf an, ob für den Fall einer Verurteilung ohne vorherige Verständigung für jede der beiden angeklagten schweren Raubtaten eine Mindeststrafe von drei Jahren in Aussicht gestellt wurde - so die dienstliche Stellungnahme des Vorsitzenden der Strafkammer im Revisionsverfahren - oder ob eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren im Raum stand, wie der Beschwerdeführer vorträgt. Entscheidend ist die vor dem Gebot schuldangemessenen Strafens nicht zu rechtfertigende Spannweite zwischen der zugesagten Strafobergrenze für den Fall einer Verständigung auf der einen Seite und der für den Fall einer Verurteilung in einer nach herkömmlicher Verfahrensweise geführten Hauptverhandlung im Raum stehenden Straferwartung auf der anderen Seite. Die Frage, wann die Grenze zu einer verfassungswidrigen Beeinträchtigung der Selbstbelastungsfreiheit überschritten ist, entzieht sich zwar einer exakten mathematischen Berechnung. Im vorliegenden Fall ist diese Grenze jedoch deutlich überschritten, nachdem eine schon für sich gesehen übermäßige Differenz zwischen den beiden Strafgrenzen noch zusätzlich mit der Zusage einer Strafaussetzung zur Bewährung verbunden wurde, die überhaupt nur aufgrund der ebenfalls zugesagten Strafrahmenverschiebung zu einem minder schweren Fall (§ 250 Abs. 3 StGB) möglich war. 

b) Das Urteil des Landgerichts Berlin ist aus diesen Gründen aufzuheben; gleiches gilt für den Beschluss des Bundesgerichtshofs, mit dem die Grundrechtsverletzung perpetuiert worden ist. Die Sache ist an das Landgericht Berlin zurückzuverweisen. 

C. 

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 und Abs. 3 BVerfGG.
 

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 195/12
vom
10. Juli 2013
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
------------------------------
1. Die Grundsätze zur Unzulässigkeit einer bloßen Protokollrüge gelten nicht, wenn
ein Verfahrensfehler behauptet wird, der in seinem Kern darin besteht, dass das
Hauptverhandlungsprotokoll den Inhalt außerhalb der Verhandlung geführter Verständigungsgespräche
nicht wiedergibt. Insoweit hat der Gesetzgeber eine Sonderregelung
getroffen.
2. Eine entgegen § 273 Abs. 1a StPO fehlende oder inhaltlich unzureichende Dokumentation
von außerhalb der Hauptverhandlung geführten Verständigungsgesprächen
im Sinne von § 243 Abs. 4 StPO führt in der Regel dazu, dass das Beruhen
des Urteils auf dem Rechtsfehler nicht auszuschließen ist.
BGH, Urteil vom 10. Juli 2013 – 2 StR 195/12 – LG Koblenz
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Betrugs u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
3. Juli 2013 in der Sitzung am 10. Juli 2013, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Prof. Dr. Schmitt,
Dr. Eschelbach,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt in der Verhandlung
als Verteidiger,
der Angeklagte T. in der Verhandlung in Person,
Justizangestellte in der Verhandlung,
Justizangestellte bei der Verkündung
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 6. September 2011 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Betrugs in zwei Fällen, Gründungschwindels in zwei Fällen, Bankrotts in sechs Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit falscher Versicherung an Eides statt, und wegen Gläubigerbegünstigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Dagegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Sachbeschwerde und Verfahrensrügen. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg, so dass es auf die weiteren Rügen nicht mehr ankommt.

I.

2
Dem Urteil ist eine Verständigung im Sinne von § 257c Abs. 3 StPO vorangegangen. Im Protokoll der Hauptverhandlung ist ausgeführt: "Der Vorsitzende gab bekannt, dass in der Verhandlungspause eine tatsächliche Verständigung nach § 257c StPO erörtert worden ist. Das Gericht hat für den Fall eines Geständnisses eine Strafobergrenze von drei Jahren und eine Strafuntergrenze von zwei Jahren und zehn Monaten Gesamtfreiheitsstrafe in Aussicht gestellt. … Die Vertreter der Staatsanwaltschaft stimmten zu. Die Hauptverhandlung wurde von 12.40 Uhr bis 12.46 Uhr unterbrochen. Der Angeklagte und der Verteidiger erklärten Zustimmung. …"
3
Der Beschwerdeführer macht dazu geltend, die "formellen Anforderungen an eine Verständigung" seien nicht eingehalten worden, "da insbesondere die erforderlichen Protokollierungsanforderungen nicht beachtet" worden seien. Er trägt vor, anhand des Protokolls müssten zumindest die Fragen beantwortet werden können, von wem die Initiative zur Verständigung ausgegangen sei, ob alle Verfahrensbeteiligten an dem Gespräch beteiligt gewesen und von welchem Sachverhalt sie ausgegangen seien, ferner welche Vorstellungen sie vom Ergebnis der Verständigung gehabt hätten. Das Protokoll besage nichts darüber.

II.

4
Diese Verfahrensrüge ist zulässig und begründet.
5
1. Das Vorbringen unterliegt der Auslegung. Soweit der Beschwerdeführer Ausführungen im Protokoll zur Mitteilung des Inhalts von Gesprächen mit dem Ziel einer Verständigung vermisst, die außerhalb der Hauptverhandlung geführt worden waren, geht es der Sache nach um die Nichtbeachtung der §§ 243 Abs. 4 Satz 2, 273 Abs. 1a Satz 2 StPO.
6
Nach dem Rechtsgedanken des § 300 StPO, der auf die Auslegung von Verfahrensrügen entsprechend angewendet wird (vgl. BVerfG, Urteil vom 25. Januar 2005 – 2 BvR 656/99 u.a., BVerfGE 112, 185, 211), schadet es nicht, dass der Beschwerdeführer nur auf § 257c StPO verweist, denn die Regelungen der §§ 243 Abs. 4 Satz 2, 273 Abs. 1a Satz 2 StPO betreffen das Verfahren auf dem Weg zu einer Verständigung im Sinne von § 257c Abs. 3 StPO. Insoweit ist die Angriffsrichtung des Rügevorbringens eindeutig erkennbar.
7
Das Vorbringen des Beschwerdeführers genügt den Darlegungsanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Zwar ist eine Verfahrensrüge im Allgemeinen unzulässig, wenn sich dem Revisionsvorbringen nicht die bestimmte Behauptung entnehmen lässt, dass ein Verfahrensfehler vorliegt, sondern nur, dass er sich aus dem Protokoll ergebe (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 13. Juli 2011 – 4 StR 181/11, StV 2012, 73). Dies kann aber ausnahmsweise dann nicht gelten, wenn ein Verfahrensfehler behauptet wird, der in seinem Kern gerade darin besteht, dass das Protokoll den Inhalt der Gespräche, die außerhalb der Hauptverhandlung mit dem Ziel einer Verständigung geführt wurden, nicht mitteilt. Denn dazu hat der Gesetzgeber eine Sonderregelung getroffen.
8
Die Herstellung von Transparenz und die Dokumentation aller mit dem Ziel der Verständigung geführten Erörterungen entsprechen dem Sinn und Zweck des Gesetzes zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren (VerstStVfÄndG, BGBl. 2009 I, S. 2353; Regierungsentwurf in BT-Drucks. 16/12310). Sie sind Elemente eines einheitlichen Konzepts (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10 u.a., NJW 2013, 1058, 1067 f., Tz. 96 f.). Die Einheitlichkeit dieses Regelungskonzepts hat auch Auswirkungen auf die Darlegungspflichten eines Revisionsführers gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Sein Vorbringen genügt, wenn Gespräche außerhalb der Hauptverhandlung geführt wurden und eine Mitteilung des Vorsitzenden über deren wesentlichen Inhalt entweder tatsächlich nicht erfolgt ist oder jedenfalls nicht im Protokoll dokumentiert wurde, bereits dann den Anforderungen an eine hinreichend substantiierte Verfahrensrüge, wenn er nur auf das Fehlen einer Dokumentation hinweist. Denn ein Protokoll, das alleine die Tatsache einer außerhalb der Hauptverhandlung geführten Erörterung oder nur deren Ergebnis mitteilt, ist fehlerhaft, und schon dieser Verfahrensfehler kann erhebliche Auswirkungen auf das Prozessverhalten des Angeklagten entfalten (s. unten II.2.b). Mitteilungs - und Dokumentationsmängel im Hinblick auf die Anforderungen an das Verständigungsverfahren aus den §§ 243 Abs. 4, 273 Abs. 1a StPO sind dann aber auch im Sinne der Darlegungsanforderungen nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO gleich zu behandeln.
9
2. Es liegt ein Verfahrensfehler vor, auf dem das Urteil beruht.
10
a) Nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO teilt der Vorsitzende nach Verlesung des Anklagesatzes mit, ob Erörterungen im Sinne der §§ 202a, 212 StPO stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung gewesen ist, und gegebenenfalls deren wesentlichen Inhalt (vgl. dazu auch Senat , Urteil vom 10. Juli 2013 – 2 StR 47/13). Diese Mitteilungspflicht ist gemäß § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO weiter zu beachten, wenn Erörterungen erst nach Beginn der Hauptverhandlung stattgefunden haben (vgl. BT-Drucks. 16/12310 S. 12; Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl. 2013, § 243 Rn. 18c). Das Gesetz will erreichen, dass derartige Erörterungen stets in der öffentlichen Hauptverhandlung zur Sprache kommen und dies auch inhaltlich dokumentiert wird. Gespräche außerhalb der Hauptverhandlung dürfen kein informelles und unkontrollierbares Verfahren eröffnen (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2010 – 3 StR 287/10, StV 2011, 72 f.). Alle Verfahrensbeteiligten und die Öffentlichkeit sollen nicht nur darüber informiert werden, ob solche Erörterungen stattgefunden ha- ben, sondern auch darüber, welche Standpunkte gegebenenfalls von den Teilnehmern vertreten wurden, von welcher Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen wurde und ob sie bei anderen Gesprächsteilnehmern auf Zustimmung oder Ablehnung gestoßen ist (vgl. BVerfG aaO NJW 2013, 1058, 1065, Tz. 85; BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2010 – 3 StR 287/10, StV 2011, 72 f.). Zur Gewährleistung der Möglichkeit einer effektiven Kontrolle ist die Mitteilung des Vorsitzenden hierüber gemäß § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO in das Protokoll der Hauptverhandlung aufzunehmen. Das Fehlen der Protokollierung ist ein Rechtsfehler des Verständigungsverfahrens (vgl. BVerfG aaO NJW 2013, 1058, 1067, Tz. 97); er wird durch das Protokoll der Hauptverhandlung bewiesen.
11
Der Senat braucht hier nicht zu entscheiden, ob der Dokumentationspflicht nur dann ausreichend Genüge getan worden wäre, wenn der Protokollvermerk verlesen und genehmigt wurde (vgl. § 273 Abs. 3 Satz 3 StPO), wie es sinnvoll sein kann, weil ein erhebliches Interesse des Angeklagten (vgl. unten II.2.b) an der Feststellung des Wortlauts der Mitteilung besteht.
12
b) Ein Mangel des Verfahrens an Transparenz und Dokumentation der Gespräche, die mit dem Ziel der Verständigung außerhalb der Hauptverhandlung geführt wurden, führt – ebenso wie die mangelhafte Dokumentation einer Verständigung – regelmäßig dazu, dass ein Beruhen des Urteils auf dem Rechtsfehler nicht auszuschließen ist (vgl. BVerfG aaO NJW 2013, 1058, 1067, Tz. 97).
13
Das Gesetz will die Transparenz der Gespräche, die außerhalb der Hauptverhandlung geführt werden, durch die Mitteilung ihres wesentlichen Inhalts in der Verhandlung für die Öffentlichkeit und alle Verfahrensbeteiligten, insbesondere aber für den Angeklagten herbeiführen. Der Angeklagte als ei- genverantwortliches Prozesssubjekt soll zuverlässig und in nachprüfbarer Form über den Ablauf und Inhalt derjenigen Verständigungsgespräche informiert werden, die außerhalb der Hauptverhandlung – in der Praxis meist in seiner Abwesenheit – geführt wurden. Durch die Mitteilung nach § 243 Abs. 4 StPO und durch deren Protokollierung gemäß § 273 Abs. 1a StPO wird nicht nur das Ergebnis der Absprache, sondern auch der dahin führende Entscheidungsprozess festgeschrieben und der revisionsgerichtlichen Kontrolle zugänglich gemacht. Die Mitteilung und deren Dokumentation sowie die Nachprüfbarkeit in einem einheitlichen System der Kontrolle sind jeweils Grundlage einer eigenverantwortlichen Entscheidung des Angeklagten darüber, ob er dem Vorschlag des Gerichts gemäß § 257c Abs. 3 Satz 4 StPO zustimmt. Für die Entscheidung des Angeklagten, die meist mit der Frage nach einem Geständnis in der Hauptverhandlung verbunden wird, ist es von besonderer Bedeutung, ob er über die Einzelheiten der in seiner Abwesenheit geführten Gespräche nur zusammenfassend und in nicht dokumentierter Weise von seinem Verteidiger nach dessen Wahrnehmung und Verständnis informiert wird oder ob ihn das Gericht unter Dokumentation seiner Mitteilungen im Protokoll der Hauptverhandlung unterrichtet. Schon durch das Fehlen der Dokumentation kann das Prozessverhalten des Angeklagten beeinflusst werden.
14
Es mag nicht ausgeschlossen sein, dass der Angeklagte im Einzelfall auch bei fehlerhaftem Hauptverhandlungsprotokoll durch eine ebenso zuverlässige Dokumentation in anderer Weise so unterrichtet wird, dass das Beru- hen des Urteils auf dem Protokollierungsfehler ausgeschlossen werden kann. Anhaltspunkte dafür liegen hier aber nicht vor.
Fischer Appl Schmitt Eschelbach Ott

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 47/13
vom
10. Juli 2013
BGHSt: ja
BGHR: ja
Veröffentlichung: ja
1. Einer Mitteilung gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO bedarf es nicht, wenn überhaupt
keine oder nur solche Gespräche stattgefunden haben, die dem Regelungskonzept
des Verständigungsgesetzes vorgelagert und von ihm nicht betroffen sind.
2. Die Verfahrensrüge, es sei rechtsfehlerhaft keine Mitteilung gemäß § 243 Abs. 4
Satz 1 StPO erfolgt, setzt den Vortrag voraus, dass tatsächlich Gespräche im Sinne
dieser Vorschrift stattgefunden hatten und welchen Inhalt sie hatten.
BGH, Urteil vom 10. Juli 2013 - 2 StR 47/13 - LG Aachen
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
3. Juli 2013 in der Sitzung am 10. Juli 2013, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Prof. Dr. Schmitt,
Dr. Eschelbach,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger in der Verhandlung,
Justizangestellte in der Verhandlung,
Justizangestellte bei der Verkündung
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 27. September 2012 mit den Feststellungen aufgehoben im Fall II. 2 c der Urteilsgründe sowie im Gesamtstrafenausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen sowie wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit versuchtem schweren sexuellen Missbrauch von Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Sachrüge und auf Verfahrensrügen gestützten Revision.
2
Das Rechtsmittel hat auf die Sachrüge hin den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet.

I.

3
Die Verfahrensrügen bleiben aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts ohne Erfolg. Der näheren Erörterung bedarf lediglich die Verfahrensrüge, das Landgericht habe gegen § 243 Abs. 4 StPO verstoßen.
4
1. Die Revision hat ausgeführt, der Vorsitzende habe entgegen § 243 Abs. 4 StPO weder zu Beginn der Hauptverhandlung noch zu einem späteren Zeitpunkt mitgeteilt, ob und gegebenenfalls in welcher Form im Vorfeld der Hauptverhandlung Verständigungsgespräche stattgefunden hätten. Zwar sei es weder zu einer Verständigung nach § 257c StPO noch zu einer unzulässigen "informellen Verständigung" gekommen. Dies schließe jedoch nicht aus, dass ohne Wissen des Angeklagten darauf abzielende Gespräche stattgefunden hätten. Hätte der Angeklagte den vom Gesetz vorgesehenen Hinweis erhalten, hätte er sein Einlassungsverhalten entsprechend einrichten können. Das gelte auch, wenn keine Gespräche stattgefunden haben sollten.
5
2. Die Rüge ist bereits deshalb unzulässig, weil die Revision keinen bestimmten Rechtsfehler behauptet:
6
a) Nach dem Wortlaut des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO teilt der Vorsitzende mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 StPO stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c StPO) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass eine Mitteilungspflicht nicht besteht, wenn keine auf eine Verständigung hinzielende Gespräche stattgefunden haben (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2010 - 3 StR 287/10 = StV 2011, 72, 73 sowie Beschluss vom 20. Oktober 2010 - 1 StR 400/10 = StV 2011, 202, 203; Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 243 Rn. 18 a; a.A. ohne nähere Begründung Becker in Löwe- Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 243 Rn. 52 c und Mosbacher NZWiSt 2013, 201, 206).
7
Das erklärt sich auch aus dem Sinn und Zweck der Mitteilungs- und Dokumentationspflichten. Diese bilden einen Schwerpunkt des Verständigungsgesetzes und sollen die zentrale Vorschrift des § 257c StPO flankieren und die Transparenz der Verständigung sowie die Möglichkeit einer effektiven Kontrolle durch die Öffentlichkeit, die Staatsanwaltschaft und das Rechtsmittelgericht gewährleisten (BT-Drucks. 16/12310 S. 8 f.). Erfasst werden dabei nicht nur der formale Verständigungsakt selbst, sondern auch die auf eine Verständigung abzielenden Vorgespräche. Die Gewährleistung einer "vollumfänglichen" Kontrolle verständigungsbasierter Urteile setzt umfassende Transparenz des Verständigungsgeschehens in der öffentlichen Hauptverhandlung voraus. Die Mitteilungs - und Dokumentationspflichten dienen der "Einhegung" der den zulässigen Inhalt von Verständigungen beschränkenden Vorschriften (BVerfG NJW 2013, 1058 ff, 1064 Rn. 82 und 1066 Rn. 96). Wenn aber überhaupt keine auf eine Verständigung abzielende Gespräche stattgefunden haben, ist das Regelungskonzept des § 257c StPO nicht tangiert. Soweit die Gesetzesmaterialien zur Änderung des § 78 Abs. 2 OWiG (BT-Drucks. 16/12310 S. 16) darauf hindeuten , § 243 Abs. 4 StPO habe die Pflicht statuieren sollen, auch eine Nichterörterung mitzuteilen, hat dies im Gesetzestext letztlich keinen Ausdruck gefunden. Entgegen Frister (in SK-StPO 4. Aufl., § 243 Rn. 43) geht der Senat nicht davon aus, dass dies auf einem bloßen Redaktionsversehen des Gesetzgebers beruht.
8
Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19. März 2013 (aaO). Zwar führt das Bundesverfassungsgericht - ohne auf den entgegenstehenden Wortlaut des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO einzugehen - aus, wenn zweifelsfrei feststehe, dass überhaupt keine Verständigungsgespräche stattgefunden haben, könne ausnahmsweise (lediglich) ein Beruhen des Urteils auf dem Unterbleiben einer Mitteilung nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO ausgeschlossen werden (BVerfG aaO, S. 1067 Rn. 98; so auch in einem obiter dictum BGH, Beschluss vom 22. Mai 2013 - 4 StR 121/13).
9
Gleichzeitig betont das Bundesverfassungsgericht jedoch, dass die Mitteilungspflicht nur dann eingreift, wenn bei im Vorfeld oder neben der Hauptverhandlung geführten Gesprächen ausdrücklich oder konkludent die Möglichkeit und die Umstände einer Verständigung im Raum standen (BVerfG aaO, S. 1065 Rn. 85 unter Hinweis auf BT-Drucks. 16/12310 S. 12 und auf BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2010 - 3 StR 287/10). Die Annahme des Bundesverfassungsgerichts , beim Fehlen von Vorgesprächen entfalle das Beruhen des Urteils auf dem Fehlen einer Mitteilung gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO ist daher einfachrechtlich nicht schlüssig, da nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift in diesem Fall bereits kein Rechtsfehler vorliegt.
10
Nach alledem bedarf es einer Mitteilung gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO nicht, wenn überhaupt keine oder nur solche Gespräche stattgefunden haben, die dem Regelungskonzept des Verständigungsgesetzes vorgelagert und von ihm nicht betroffen sind; das "Ob" der Handlung steht unter dem Vorbehalt des "Wenn". Soweit das Bundesverfassungsgericht den Begriff "Negativmitteilung" verwendet hat, bezieht sich dieser nur auf gescheiterte Gespräche (BVerfG aaO, S. 1067 Rn. 98 unter Bezugnahme auf BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2010 - 3 StR 287/10).
11
b) Vor diesem Hintergrund muss ein Revisionsführer, der eine Verletzung des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO rügen will, - gegebenenfalls nach Einholung von Erkundigungen beim Instanzverteidiger (vgl. Meyer-Goßner, aaO, § 344 Rn. 22 mwN) - bestimmt behaupten und konkret darlegen, in welchem Verfahrensstadium , in welcher Form und mit welchem Inhalt Gespräche stattgefunden haben, die auf eine Verständigung abzielten (vgl. BGHSt 56, 3). Denn das bloße Fehlen einer Mitteilung reicht nach dem oben Ausgeführten nicht aus, um einen - vom Revisionsführer darzulegenden - Rechtsfehler zu begründen. An einem solchen Vortrag fehlt es vorliegend, was gemäß § 344 Abs. 2 StPO zur Unzulässigkeit der Verfahrensrüge führt.

II.

12
Auf die Sachrüge hin war das Urteil in Fall II. 2 c der Urteilsgründe aufzuheben , weil das Landgericht seiner Prüfung eines Rücktritts vom Versuch des schweren sexuellen Missbrauchs in diesem Fall einen unzutreffenden Maßstab zugrunde gelegt hat.
13
1. Insoweit hat das Landgericht festgestellt, der Angeklagte habe die Geschädigte aufgefordert, den Oralverkehr an ihm auszuüben. Dies habe sie abgelehnt. Der Angeklagte habe sie ein weiteres Mal zum Oralverkehr aufgefordert. Als sie dieses Ansinnen erneut zurückwies, habe er erkannt, "dass ihm auf Grund der Weigerung der Zeugin L. sowie mangels zur Verfügung stehender Möglichkeiten zur Einflussnahme auf die Zeugin in seinem Sinne - etwa durch weiteres Zureden und/oder Versprechungen zur Duldung des Oralverkehrs - sowie auf Grund der von ihm abgelehnten Anwendung von Gewalt eine Vollendung nicht mehr möglich war" (UA S. 11).
14
Er habe daher von seinem Vorhaben abgelassen, habe masturbiert und schließlich auf die Oberbekleidung des Mädchens ejakuliert.
15
Das Landgericht hat den Angeklagten insoweit wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit versuchtem sexuellen Missbrauch von Kindern verurteilt. Einen Rücktritt vom Versuch der Qualifikation des § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB hat es mit der Begründung abgelehnt, der Angeklagte habe in der konkreten Situation keine Möglichkeit mehr gesehen, sein Ziel, den Oralverkehr durch das Kind an ihm ausüben zu lassen, noch zu erreichen. Dies beruhe "auf den geständigen, den Feststellungen entsprechenden Angaben des Angeklagten, der insbesondere abgestritten hat, Gewalt … angewandt zu haben oder … zu irgendeinem Zeitpunkt anwen- den zu wollen" (UA S. 13).
16
2. Diese Würdigung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Der Angeklagte war im Fall II. 2 c der Urteilsgründe wegen sexueller Nötigung unter Anwendung von Gewalt (§ 177 Abs. 1 Nr. 1) angeklagt. Dies konnte ihm nach den Ausführungen des Landgerichts nicht nachgewiesen werden, denn "dem Angeklagten, der jegliche Gewaltanwendung abgestritten hat, war seine diesbezügliche Einlassung nicht zu widerlegen" (UA S. 16).
17
Die Begründung für einen Fehlschlag des Versuchs der Qualifikation nach § 176a StGB ist insoweit rechtsfehlerhaft, als der Gesichtspunkt der Gewalt für diesen Tatbestand keine Rolle spielt; § 176a Abs. 1 Nr. 1 setzt ein Nötigungsmittel nicht voraus. Die Ausführung, der Angeklagte habe eine Vollendung nicht mehr für möglich gehalten, "insbesondere" weil er den Einsatz von Gewalt ablehnte, ist daher fehlerhaft und zeigt, dass das Landgericht insoweit von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen ist. Im Übrigen wäre - vor dem Hintergrund der Ausführungen zur angeklagten sexuellen Nötigung - zu erörtern gewesen, dass die Einlassung des Angeklagten, den Einsatz von Gewalt nicht in Erwägung gezogen zu haben, ersichtlich der Verteidigung gegen den Vorwurf der Gewaltnötigung diente; in der Argumentation des Landgerichts wird diese Einlassung hingegen zum Hauptargument ("insbesondere") gegen einen Rücktritt vom Qualifikationsversuch ohne Gewalt. Der Senat kann auf Grundlage dieser Urteilsausführungen nicht ausschließen, dass der Entscheidung insgesamt ein fehlerhafter Maßstab für die Frage zugrunde liegt, unter welchen Voraussetzungen der Angeklagte hier freiwillig vom Versuch des Oralverkehrs zurücktreten konnte.
18
Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Falls II. 2 c insgesamt. Damit ist auch dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage entzogen.
Fischer Appl Schmitt Eschelbach Ott

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 176/05
vom
28. Juni 2005
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 28. Juni 2005 einstimmig

beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kiel vom 14. Juli 2004 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Ergänzend zu der Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat : Die Verteidigerin des Angeklagten, der zunächst keine Angaben gemacht hatte , hat in dessen Anwesenheit in der Hauptverhandlung eine teilgeständige Darstellung des Tatgeschehens gegeben. Das Landgericht hat dies als ein "nicht persönlich aber in zulässiger Weise (vgl. BGH StV 1998, 59) durch seine Verteidigerin abgegebenes Geständnis" (UA S. 7) gewertet. Soweit dem die Auffassung zugrunde liegen sollte, daß Erklärungen des Verteidigers in der Hauptverhandlung in Anwesenheit des Angeklagten, der selbst keine Erklärung zur Sache abgibt, ohne weiteres als Einlassung des Angeklagten verwertet werden können, könnte dem der Senat nicht folgen. Die Verwertbarkeit setzt vielmehr voraus, daß der Angeklagte den Verteidiger zu dieser Erklärung ausdrücklich bevollmächtigt oder die Erklärung nachträglich genehmigt hat (vgl. hierzu Park StV 1998, 59 f.). Ob in dem der zitierten Entscheidung zugrundeliegenden Fall tatsächlich eine Verteidigererklärung ohne Bevollmächtigung oder Genehmigung abgegeben worden war ist nicht erkennbar, da es sich um eine nur ergänzende Bemerkung zu einem Beschluß nach § 349 Abs. 2 StPO handelt. Der Senat muß dies auch nicht aufklären, da vorliegend "in Ergänzung dazu … der Angeklagte gegenüber den anwesenden Eltern des Nebenklägers ausgeführt hat, es tue ihm leid, was passiert sei" (UA S. 7). Daraus kann der Senat noch entnehmen, daß sich der Angeklagte die Erklärung seiner Verteidigerin zu eigen gemacht hat. Sie konnte deshalb als Einlassung des Angeklagten verwertet werden. Winkler Miebach Pfister Becker Hubert
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Es ist daher unzulässig, dem Urteil einen Sachverhalt zu Grunde zu legen , der nicht auf einer Überzeugungsbildung unter vollständiger Ausschöpfung des Beweismaterials beruht. Dies gilt auch dann, wenn sich der Angeklagte - unter Umständen aufgrund einer Verständigung - geständig gezeigt hat. Zwar unterfällt auch die Bewertung eines Geständnisses dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung. Das Tatgericht muss aber, will es die Verurteilung des Angeklagten auf dessen Einlassung stützen, von deren Richtigkeit überzeugt sein (BGH, Urteil vom 10. Juni 1998 - 2 StR 156/98, BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 31). Es ist deshalb stets zu untersuchen, ob das abgelegte Geständnis mit dem Ermittlungsergebnis zu vereinbaren ist, ob es in sich stimmig ist und ob es die getroffenen Feststellungen trägt (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 7. Februar 2012 - 3 StR 335/11, NStZ-RR 2012, 256). Die Beschränkung der Beweiswürdigung im Wesentlichen auf den bloßen Hinweis, der Angeklagte sei geständig gewesen, genügt insbesondere dann nicht, wenn aufgrund der Komplexität und der zahlreichen Details des festgestellten Sachverhalts Zweifel bestehen können, dass der Angeklagte an das Tatgeschehen eine auch in den Einzelheiten genügende Erinnerung hat (BGH, Beschlüsse vom 7. Februar 2012 - 3 StR 335/11, NStZ-RR 2012, 256 f. und vom 5. Dezember 1995 - 4 StR 698/95, StV 1996, 214, 215).

(1) Der Soldat begeht ein Dienstvergehen, wenn er schuldhaft seine Pflichten verletzt.

(2) Es gilt als Dienstvergehen,

1.
wenn ein Soldat nach seinem Ausscheiden aus dem Wehrdienst seine Pflicht zur Verschwiegenheit verletzt oder gegen das Verbot verstößt, Belohnungen oder Geschenke anzunehmen oder eine Tätigkeit nach § 20a nicht anzeigt oder entgegen einem Verbot ausübt,
2.
wenn sich ein Offizier oder Unteroffizier nach seinem Ausscheiden aus dem Wehrdienst gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes betätigt oder durch unwürdiges Verhalten nicht der Achtung und dem Vertrauen gerecht wird, die für seine Wiederverwendung als Vorgesetzter erforderlich sind,
3.
wenn ein Berufssoldat nach Eintritt oder Versetzung in den Ruhestand einer erneuten Berufung in das Dienstverhältnis nicht nachkommt.

(3) Das Nähere über die Verfolgung von Dienstvergehen regelt die Wehrdisziplinarordnung.

Der Soldat hat die Pflicht, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen.

(1) Der Soldat hat Disziplin zu wahren und die dienstliche Stellung des Vorgesetzten in seiner Person auch außerhalb des Dienstes zu achten.

(2) Sein Verhalten muss dem Ansehen der Bundeswehr sowie der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Dienst als Soldat erfordert. Der Soldat darf innerhalb der dienstlichen Unterkünfte und Anlagen auch während der Freizeit sein Gesicht nicht verhüllen, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies. Außer Dienst hat sich der Soldat außerhalb der dienstlichen Unterkünfte und Anlagen so zu verhalten, dass er das Ansehen der Bundeswehr oder die Achtung und das Vertrauen, die seine dienstliche Stellung erfordert, nicht ernsthaft beeinträchtigt.

(3) Ein Offizier oder Unteroffizier muss auch nach seinem Ausscheiden aus dem Wehrdienst der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die für seine Wiederverwendung in seinem Dienstgrad erforderlich sind.

(4) (weggefallen)

(1) Ein Amtsträger, ein Europäischer Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter, der einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, daß er eine Diensthandlung vorgenommen hat oder künftig vornehme und dadurch seine Dienstpflichten verletzt hat oder verletzen würde, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. Der Versuch ist strafbar.

(2) Ein Richter, Mitglied eines Gerichts der Europäischen Union oder Schiedsrichter, der einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, daß er eine richterliche Handlung vorgenommen hat oder künftig vornehme und dadurch seine richterlichen Pflichten verletzt hat oder verletzen würde, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(3) Falls der Täter den Vorteil als Gegenleistung für eine künftige Handlung fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, so sind die Absätze 1 und 2 schon dann anzuwenden, wenn er sich dem anderen gegenüber bereit gezeigt hat,

1.
bei der Handlung seine Pflichten zu verletzen oder,
2.
soweit die Handlung in seinem Ermessen steht, sich bei Ausübung des Ermessens durch den Vorteil beeinflussen zu lassen.

(1) Ein Amtsträger, ein Europäischer Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter, der für die Dienstausübung einen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ein Richter, Mitglied eines Gerichts der Europäischen Union oder Schiedsrichter, der einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, daß er eine richterliche Handlung vorgenommen hat oder künftig vornehme, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Der Versuch ist strafbar.

(3) Die Tat ist nicht nach Absatz 1 strafbar, wenn der Täter einen nicht von ihm geforderten Vorteil sich versprechen läßt oder annimmt und die zuständige Behörde im Rahmen ihrer Befugnisse entweder die Annahme vorher genehmigt hat oder der Täter unverzüglich bei ihr Anzeige erstattet und sie die Annahme genehmigt.

(1) Für die Anwendung der Vorschriften des Strafgesetzbuches über

Gefangenenbefreiung (§ 120 Abs. 2),Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes (§ 201 Abs. 3),Verletzung von Privatgeheimnissen (§ 203 Absatz 2, 5 und 6, §§ 204, 205),Verletzung des Post- oder Fernmeldegeheimnisses (§ 206 Abs. 4),Vorteilsannahme und Bestechlichkeit (§§ 331, 332, 335 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a, Abs. 2, § 336),Körperverletzung im Amt (§ 340),Aussageerpressung (§ 343),Vollstreckung gegen Unschuldige (§ 345),Falschbeurkundung im Amt (§ 348) undVerletzung des Dienstgeheimnisses (§ 353b Abs. 1)
stehen Offiziere und Unteroffiziere den Amtsträgern und ihr Wehrdienst dem Amt gleich.

(2) Für die Anwendung der Vorschriften des Strafgesetzbuches über Gefangenenbefreiung (§ 120 Abs. 2), Vorteilsannahme und Bestechlichkeit (§§ 331, 332, 335 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a, Absatz 2, § 336), Falschbeurkundung im Amt (§ 348) und Verletzung des Dienstgeheimnisses (§ 353b Abs. 1) stehen auch Mannschaften den Amtsträgern und ihr Wehrdienst dem Amt gleich.

5 StR 168/04

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 2. Februar 2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Bestechlichkeit u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Grund der Hauptverhandlung
vom 27. Januar und 2. Februar 2005, an der teilgenommen haben:
Richter Basdorf als Vorsitzender,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt W
als Verteidiger des Angeklagten M ,
Rechtsanwalt L
als Verteidiger des Angeklagten R ,
Rechtsanwalt H
als Verteidiger des Angeklagten G ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
am 2. Februar 2005 für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 13. August 2003 aufgehoben, soweit die Angeklagten in den Fällen 48 bis 51 der Anklage freigesprochen worden sind; die Feststellungen des angefochtenen Urteils bleiben aufrechterhalten.
Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat die Angeklagten, Kriminalbeamte des Berliner Landeskriminalamts (LKA), von dem Vorwurf freigesprochen, von dem Übersetzer E bestochen worden zu sein und diesem bei der Abrechnung nicht geleisteter Übersetzungen geholfen zu haben. Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Revisionen führen nur zu einem Teilerfolg.
Anklageschrift und Eröffnungsbeschluß haben dem Ersten Kriminalhauptkommissar und Abteilungsleiter M zur Last gelegt, er hätte sich von E im September 1999 eine Wochenendreise mit seiner Ehefrau nach Prag (über 2.400 DM) und im Februar 2000 in Begleitung von E dessen und Sohn eine solche nach Kitzbühel (an teilige Kosten über 1.200 DM) bezahlen lassen und im Gegenzug pflichtwidrig bewirkt, daß eine Überprüfung der von E geleisteten Dolmetscherarbeiten nach Dauer und Zeitpunkt nicht möglich gewesen sei. Den in einer anderen Abteilung des LKA beschäftigten Angeklagten, Kriminalkommissar R und Kriminaloberkommissar G , liegt zur Last, vom 20. bis 23. März 1998 mit E auf und dessen Kosten für jeweils über 2.000 DM nach Chicago zum Besuch eines Basketballspiels gereist zu sein und als Gegenleistung Rechnungen über nicht geleistete Übersetzungen – G in einem Fall am 27. April 1998 über 3.700 DM und R in zehn Fällen zwischen dem 18. März 1998 und dem 22. Juli 2001 über insgesamt mehr als 250.000 DM – für „sachlich richtig“ bescheinigt zu haben.
1. Das Landgericht hat im wesentlichen folgende Feststellungen getroffen : E und seine Ehefrau übersetzten seit 1990 überwiegend für das LKA in türkischer Sprache geführte aufgezeichnete Telefongespräche in die deutsche Sprache. Die Eheleute verfügten über ein überdurchschnittliches Fachwissen und arbeiteten zur vollen Zufriedenheit der Behörde. E stattete 1996 mit Zustimmung der Behördenleitung Dienststellen des LKA mit Computertechnik aus, mit deren Hilfe das Übersetzen wesentlich erleichtert wurde. Dafür hatte er monatliche Kosten bis zu 12.000 DM zu tragen. Ab 1998 verfügten die Eheleute über Schlüssel zu Dienstzimmern des LKA. Ihre Tätigkeit wurde weder überwacht noch kontrolliert, weil die Behördenmitarbeiter ihnen vertrauten. Die Angeklagten freundeten sich mit den Eheleuten E an. Man duzte sich und traf sich gelegentlich auch privat. E entschloß sich Anfang 1998, unzutreffende Rechnungen einzureichen und sich dadurch zusätzliche Einnahmen zu verschaffen , um seine Auslagen für die Computerausstattung unrechtmäßig ersetzt zu bekommen und weitere Einnahmen zur Finanzierung seines aufwendigen Lebensstils zu erhalten.
Die den Angeklagten angelasteten zunächst von E finanzierten Reisen und die unberechtigten Zahlungen an diesen unter Mitwirkung der Angeklagten R und G haben sich in der Beweisaufnahme in objektiver Hinsicht bestätigt. Das Landgericht hat aber nicht ausschließen können , daß die Angeklagten R und G vorsatzlos zu den Betrugshandlungen des E Hilfe leisteten und daß alle Angeklagten verauslagte Reisekosten bar erstatteten.
2. Die dem zugrunde liegende Beweiswürdigung des Landgerichts ist nicht zu beanstanden. Der Tatrichter hat eine fehlerfreie Würdigung der vollständig ausgewerteten Tatumstände vorgenommen. Zu einer eigenen abweichenden Gesamtwürdigung der belastenden Indizien ist der Senat nicht befugt. Daß eine solche möglich oder – was die Rückzahlung der Reisekosten anlangt – sogar näherliegend gewesen wäre, rechtfertigt noch nicht das Eingreifen des Revisionsgerichts (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2; BGHSt 36, 1, 14). Hinsichtlich der Auszahlungsanordnungen an das Dolmetscherbüro, von dem nicht nur die Tätigkeit des E , sondern auch für dessen Ehefrau und andere Dolmetscher abgerechnet wurde, beruhte die Verhaltensweise der Polizeibeamten nach den insoweit unbedenklichen landgerichtlichen Feststellungen auf einer ersichtlich in der gesamten Behörde gebilligten, unvertretbar leichtfertigen Vertrauensseligkeit. Der Mangel an gebotener Kontrolle begründete hier jedoch noch keine Strafbarkeit wegen Beihilfe zum Betrug oder Untreue und bildete auch keine Grundlage für eine Strafbarkeit wegen Bestechlichkeit.
3. Hingegen hat das angefochtene Urteil keinen Bestand, soweit das Landgericht auf der Grundlage seiner Beweiswürdigung aus Rechtsgründen auch eine Vorteilsannahme ausgeschlossen hat, weil die den Angeklagten gewährten Vorteile nicht Gegenstand einer Unrechtsvereinbarung gewesen seien.

a) Bei der Prüfung einer Vorteilsannahme hat das Landgericht die Buchungen der Reisen und die Verauslagung der Reisekosten durch E zu Recht als Vorteile im Sinne von § 331 Abs. 1 StGB angesehen. Darunter ist jede Leistung zu verstehen, auf die der Amtsträger keinen Anspruch hat und die seine wirtschaftliche Lage objektiv verbessert (vgl. BGHSt 47, 295, 304; BGH NJW 2003, 763, 764 – insoweit nicht in BGHSt 48, 44 abgedruckt). Dazu zählt auch die Entgegennahme erheblicher von E vorfinanzierter geldwerter Leistungen, aber auch insoweit den Angeklagten gewährter zinsloser Darlehen (vgl. BGH GA 1959, 176, 177). Dies gilt jedenfalls hier umso mehr, als die Angeklagten auf Grund ihrer im einzelnen festgestellten eher beengten finanziellen Verhältnissen nicht ohne weiteres in der Lage waren, die verauslagten Kosten gleich nach den Buchungen zurückzuerstatten. Ein Vorteil der Angeklagten entfällt nicht – wie die Verteidigung vorgetragen hat –, soweit E durch die Nutzung seiner Kreditkarte noch keinen Vermögensnachteil erlitten haben sollte. Die Erlangung eines Vorteils im Sinne des § 331 Abs. 1 StGB setzt nämlich keinen korrespondierenden Nachteil des Vorteilsgebers voraus (BGH NJW 2001, 2558, 2559 m.w.N.).

b) Das Landgericht hat hinsichtlich der gewährten Vorteile zwar einen Bezug zur Dienstausübung der Angeklagten angenommen (UA 35), aber einen auf ein Gegenleistungsverhältnis zwischen Vorteil und bestimmter Diensthandlung gerichteten Vorsatz verneint. Das darin zum Ausdruck kommende enge Verständnis wird dem Wortlaut und Zweck der durch das Gesetz zur Bekämpfung der Korruption vom 13. August 1997 (BGBl I 2038) verschärften Strafvorschrift des § 331 StGB nicht gerecht. Nach der Neufassung ist es ausreichend, daß der Vorteil von Vorteilsgeber und Vorteilsnehmer allgemein im Sinne eines Gegenseitigkeitsverhältnisses mit der Dienstausübung des Amtsträgers verknüpft wird (vgl. BGH NJW 2004, 3569, 3571 – zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt; Lackner/Kühl, StGB 25. Aufl. § 331 Rdn. 10a), wodurch auch schon einem bewußten Handeln von Amtsträgern begegnet werden soll, mit dem ein böser Anschein möglicher „Käuflichkeit“ erweckt wird (vgl. BGHR StGB § 331 Anwendungsbereich 2). Nur darauf muß sich der Vorsatz des Vorteilsnehmers auch beziehen. Daß dies der Fall ist, liegt nach den Erwägungen des Landgerichts auf der Hand. Die Angeklagten waren als Kriminalbeamte in großem Umfang mit Ermittlungen zum Nachteil türkischer Tatverdächtiger befaßt, in deren Rahmen in erster Linie der Vorteilsgeber als Vertragsübersetzer beauftragt wurde. Die Übersetzungen für das LKA bildeten die Grundlage für dessen Familieneinkommen. Gute Beziehungen zu den Angeklagten, die ihm erhebliche legale – ab Anfang 1998 zudem ohne deren Wissen umfangreiche illegale – Einkünfte verschaffen konnten, waren für E von größter Bedeutung. In einer solchen Situation ist die Entgegennahme erheblicher geldwerter Leistungen ohne beweiskräftige Abrede der Rückzahlung und die daraus zumindest folgende Annahme zinsloser Darlehen ersichtlich geeignet, den Anschein der „Käuflichkeit“ der Angeklagten zu erwecken.

c) Die Beziehungen zwischen Vorteil und Dienstausübung entfallen hier auch nicht etwa deshalb, weil entsprechende Vorteilsgewährungen üblich wären. Unter dem rechtlichen Gesichtspunkt, in gewissem Umfang übliche und deshalb sozialadäquate Vorteile von der Strafbarkeit auszunehmen, können allenfalls gewohnheitsmäßig anerkannte, relativ geringwertige Aufmerksamkeiten aus gegebenen Anlässen vom Tatbestand ausgenommen sein (vgl. BGH NJW 2003, 763, 765 – insoweit nicht in BGHSt 48, 44 abgedruckt ). Solches ist hier auch nicht im Hinblick auf eine Freundschaft der Angeklagten mit E anzunehmen. Ein persönliches Verhältnis zwischen Amtsträger und Zuwendendem vermag die Anwendung der Korruptionsvorschriften grundsätzlich nicht zu hindern (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl. § 331 Rdn. 26). Der Anschein der „Käuflichkeit“ der Angeklagten könnte höchstens – entsprechend der Wertung in den Fällen gleichwertiger Gegeneinladungen (vgl. Tröndle/Fischer aaO) – in Frage gestellt werden, falls die Angeklagten die Reisen in einer Gruppe sozial gleichgestellter Freunde unternommen hätten. Dies liegt hier aber fern. Es ist auch nichts dafür ersichtlich , daß die Angeklagten E vor, während und nach den Reisen Freundschaftsdienste geleistet hätten, die als Gegenleistungen für die Gewährung zinsloser Darlehen oder als gleichwertige Geschenke betrachtet werden könnten. Zudem stellten die Reisen für die Angeklagten einen erheblichen Luxus dar und ragten aus dem üblichen Lebenszuschnitt der Angeklagten – aber nicht aus dem des E – heraus (siehe UA S. 25, 29 ff.).
4. Der Senat sieht sich zur Durchentscheidung auf einen Schuldspruch wegen Vorteilsannahme auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen die Freisprechung der Angeklagten, die das Urteil selbst nicht anfechten konnten, aus prinzipiellen Erwägungen außerstande. Er hält aber zur Vermeidung einer die Angeklagten anderenfalls möglicherweise treffenden zu weitgehenden Beschwer sämtliche Feststellungen des Landgerichts aufrecht , die den Einlassungen der Angeklagten entsprachen. Der Senat kann nur auf diese Weise sicherstellen, daß die Teilaufhebung zu Lasten der Angeklagten ausschließlich die Richtigstellung des Subsumtionsfehlers zur Vorteilsannahme bewirkt, es aber bei den rechtsfehlerfrei getroffenen, die Angeklagten begünstigenden Feststellungen verbleibt, wonach ein größerer Schuldumfang und die Annahme von Bestechlichkeit ausscheiden.
Der neue Tatrichter darf nur noch ergänzende Feststellungen treffen, die den bisher getroffenen nicht widersprechen. Dies wird auch für die subjektive Tatseite gelten, wobei es für die Annahme des Vorsatzes ausreicht, daß die Angeklagten die den Zusammenhang zwischen Diensthandlung und Vorteilsgewährung begründenden tatsächlichen Umstände kannten; ob sie selbst die Vorteilsgewährung für sozialadäquat hielten, hat allenfalls im Rahmen eines Verbotsirrtums nach § 17 StGB Bedeutung (Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl. § 331 Rdn. 31). Naheliegend wird der neue Tatrichter dann – wenn sich nicht etwa noch weitergehende entlastende Umstände ergeben sollten – zu Schuldsprüchen wegen Vorteilsannahme zu gelangen haben.
Basdorf Gerhardt Raum Brause Schaal

(1) Ein Amtsträger, ein Europäischer Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter, der für die Dienstausübung einen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ein Richter, Mitglied eines Gerichts der Europäischen Union oder Schiedsrichter, der einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, daß er eine richterliche Handlung vorgenommen hat oder künftig vornehme, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Der Versuch ist strafbar.

(3) Die Tat ist nicht nach Absatz 1 strafbar, wenn der Täter einen nicht von ihm geforderten Vorteil sich versprechen läßt oder annimmt und die zuständige Behörde im Rahmen ihrer Befugnisse entweder die Annahme vorher genehmigt hat oder der Täter unverzüglich bei ihr Anzeige erstattet und sie die Annahme genehmigt.

(1) Wer bei Begehung der Tat einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört, handelt nicht vorsätzlich. Die Strafbarkeit wegen fahrlässiger Begehung bleibt unberührt.

(2) Wer bei Begehung der Tat irrig Umstände annimmt, welche den Tatbestand eines milderen Gesetzes verwirklichen würden, kann wegen vorsätzlicher Begehung nur nach dem milderen Gesetz bestraft werden.

(1) Der Soldat darf, auch nach seinem Ausscheiden aus dem Wehrdienst, keine Belohnungen, Geschenke oder sonstigen Vorteile für sich oder einen Dritten in Bezug auf seine dienstliche Tätigkeit fordern, sich versprechen lassen oder annehmen. Ausnahmen bedürfen der Zustimmung der obersten oder der letzten obersten Dienstbehörde. Die Befugnis zur Zustimmung kann auf andere Stellen übertragen werden.

(2) Wer gegen das in Absatz 1 genannte Verbot verstößt, hat auf Verlangen das auf Grund des pflichtwidrigen Verhaltens Erlangte dem Dienstherrn herauszugeben, soweit nicht im Strafverfahren die Einziehung von Taterträgen angeordnet worden oder es auf andere Weise auf den Staat übergegangen ist. Für den Umfang des Herausgabeanspruchs gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung entsprechend. Die Herausgabepflicht nach Satz 1 umfasst auch die Pflicht, dem Dienstherrn Auskunft über Art, Umfang und Verbleib des Erlangten zu geben.

(1) Der Soldat hat Disziplin zu wahren und die dienstliche Stellung des Vorgesetzten in seiner Person auch außerhalb des Dienstes zu achten.

(2) Sein Verhalten muss dem Ansehen der Bundeswehr sowie der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Dienst als Soldat erfordert. Der Soldat darf innerhalb der dienstlichen Unterkünfte und Anlagen auch während der Freizeit sein Gesicht nicht verhüllen, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies. Außer Dienst hat sich der Soldat außerhalb der dienstlichen Unterkünfte und Anlagen so zu verhalten, dass er das Ansehen der Bundeswehr oder die Achtung und das Vertrauen, die seine dienstliche Stellung erfordert, nicht ernsthaft beeinträchtigt.

(3) Ein Offizier oder Unteroffizier muss auch nach seinem Ausscheiden aus dem Wehrdienst der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die für seine Wiederverwendung in seinem Dienstgrad erforderlich sind.

(4) (weggefallen)

(1) Der Soldat hat, auch nach seinem Ausscheiden aus dem Wehrdienst, über die ihm bei oder bei Gelegenheit seiner dienstlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren. Dies gilt nicht, soweit

1.
Mitteilungen im dienstlichen Verkehr geboten sind,
2.
Tatsachen mitgeteilt werden, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen,
3.
gegenüber der zuständigen obersten Dienstbehörde, einer Strafverfolgungsbehörde oder einer von der obersten Dienstbehörde bestimmten weiteren Behörde oder außerdienstlichen Stelle ein durch Tatsachen begründeter Verdacht einer Korruptionsstraftat nach den §§ 331 bis 337 des Strafgesetzbuches angezeigt wird oder
4.
Informationen unter den Voraussetzungen des Hinweisgeberschutzgesetzes an eine zuständige Meldestelle weitergegeben oder offengelegt werden.
Im Übrigen bleiben die gesetzlich begründeten Pflichten, geplante Straftaten anzuzeigen und für die Erhaltung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung einzutreten, von Satz 1 unberührt.

(2) Der Soldat darf ohne Genehmigung über solche Angelegenheiten weder vor Gericht noch außergerichtlich aussagen oder Erklärungen abgeben. Die Genehmigung erteilt der Disziplinarvorgesetzte, nach dem Ausscheiden aus dem Wehrdienst der letzte Disziplinarvorgesetzte. Die §§ 68 und 69 des Bundesbeamtengesetzes gelten entsprechend.

(3) Der Soldat hat, auch nach seinem Ausscheiden aus dem Wehrdienst, auf Verlangen seines Disziplinarvorgesetzten oder des letzten Disziplinarvorgesetzten dienstliche Schriftstücke, Zeichnungen, bildliche Darstellungen und, wenn es im Einzelfall aus Gründen der Geheimhaltung erforderlich ist, Aufzeichnungen jeder Art über dienstliche Vorgänge, auch soweit es sich um Wiedergaben handelt, herauszugeben. Die gleiche Pflicht trifft seine Hinterbliebenen und seine Erben.

(4) (weggefallen)

(1) Der Soldat hat Disziplin zu wahren und die dienstliche Stellung des Vorgesetzten in seiner Person auch außerhalb des Dienstes zu achten.

(2) Sein Verhalten muss dem Ansehen der Bundeswehr sowie der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Dienst als Soldat erfordert. Der Soldat darf innerhalb der dienstlichen Unterkünfte und Anlagen auch während der Freizeit sein Gesicht nicht verhüllen, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies. Außer Dienst hat sich der Soldat außerhalb der dienstlichen Unterkünfte und Anlagen so zu verhalten, dass er das Ansehen der Bundeswehr oder die Achtung und das Vertrauen, die seine dienstliche Stellung erfordert, nicht ernsthaft beeinträchtigt.

(3) Ein Offizier oder Unteroffizier muss auch nach seinem Ausscheiden aus dem Wehrdienst der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die für seine Wiederverwendung in seinem Dienstgrad erforderlich sind.

(4) (weggefallen)

(1) Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.

(2) In der Regel ist mit den milderen Disziplinarmaßnahmen zu beginnen und erst bei erneuten Dienstvergehen zu schwereren Disziplinarmaßnahmen überzugehen.

(3) Disziplinararrest soll erst dann verhängt werden, wenn vorausgegangene erzieherische Maßnahmen und Disziplinarmaßnahmen ihren Zweck nicht erreicht haben oder die Aufrechterhaltung der militärischen Ordnung eine disziplinare Freiheitsentziehung gebietet.

(1) Mit der Aberkennung des Ruhegehalts tritt der Verlust der Rechte als Soldat im Ruhestand ein. Sie setzt voraus, dass die Entfernung aus dem Dienstverhältnis gerechtfertigt wäre, falls sich der Soldat im Ruhestand noch im Dienst befände. Die Aberkennung des Ruhegehalts bewirkt auch den Verlust eines noch nicht gezahlten Ausgleichs und des Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung sowie den Verlust des Dienstgrades und der sich daraus ergebenden Befugnisse. § 63 Abs. 4 gilt entsprechend.

(2) Der Soldat, dessen Ruhegehalt aberkannt wird, erhält bis zur Gewährung einer Rente aufgrund der durchgeführten Nachversicherung, längstens jedoch für die Dauer von sechs Monaten, einen Unterhaltsbeitrag in Höhe von 70 vom Hundert des Ruhegehalts, das ihm bei Eintritt der Unanfechtbarkeit der Entscheidung zusteht; eine Einbehaltung des Ruhegehalts nach § 126 Abs. 3 bleibt unberücksichtigt. § 63 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Zum Gegenstand der Urteilsfindung können nur die Pflichtverletzungen gemacht werden, die in der Anschuldigungsschrift und ihren Nachträgen dem Soldaten als Dienstvergehen zur Last gelegt werden.

(2) Nach Anhörung des Wehrdisziplinaranwalts kann das Truppendienstgericht solche Pflichtverletzungen aus dem gerichtlichen Disziplinarverfahren ausklammern, die für die Art und Höhe der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht oder voraussichtlich nicht ins Gewicht fallen. Die ausgeklammerten Pflichtverletzungen können nicht wieder in das gerichtliche Disziplinarverfahren einbezogen werden, es sei denn, die Beschränkungsvoraussetzungen entfallen nachträglich. Eine Verfolgung der ausgeklammerten Pflichtverletzungen ist nach dem unanfechtbaren Abschluss des gerichtlichen Disziplinarverfahrens nicht mehr zulässig.

(3) Der Urteilsfindung können auch die Beweise zu Grunde gelegt werden, die nach § 106 Abs. 2 Gegenstand der Hauptverhandlung waren.

(1) Der Soldat darf, auch nach seinem Ausscheiden aus dem Wehrdienst, keine Belohnungen, Geschenke oder sonstigen Vorteile für sich oder einen Dritten in Bezug auf seine dienstliche Tätigkeit fordern, sich versprechen lassen oder annehmen. Ausnahmen bedürfen der Zustimmung der obersten oder der letzten obersten Dienstbehörde. Die Befugnis zur Zustimmung kann auf andere Stellen übertragen werden.

(2) Wer gegen das in Absatz 1 genannte Verbot verstößt, hat auf Verlangen das auf Grund des pflichtwidrigen Verhaltens Erlangte dem Dienstherrn herauszugeben, soweit nicht im Strafverfahren die Einziehung von Taterträgen angeordnet worden oder es auf andere Weise auf den Staat übergegangen ist. Für den Umfang des Herausgabeanspruchs gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung entsprechend. Die Herausgabepflicht nach Satz 1 umfasst auch die Pflicht, dem Dienstherrn Auskunft über Art, Umfang und Verbleib des Erlangten zu geben.

(1) Ein Amtsträger, ein Europäischer Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter, der für die Dienstausübung einen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ein Richter, Mitglied eines Gerichts der Europäischen Union oder Schiedsrichter, der einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, daß er eine richterliche Handlung vorgenommen hat oder künftig vornehme, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Der Versuch ist strafbar.

(3) Die Tat ist nicht nach Absatz 1 strafbar, wenn der Täter einen nicht von ihm geforderten Vorteil sich versprechen läßt oder annimmt und die zuständige Behörde im Rahmen ihrer Befugnisse entweder die Annahme vorher genehmigt hat oder der Täter unverzüglich bei ihr Anzeige erstattet und sie die Annahme genehmigt.

Die Leitung der Behörde entscheidet, wer den Medien Auskünfte erteilt.

(1) Soldat ist, wer auf Grund der Wehrpflicht oder freiwilliger Verpflichtung in einem Wehrdienstverhältnis steht. Staat und Soldaten sind durch gegenseitige Treue miteinander verbunden.

(2) In das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten kann berufen werden, wer sich freiwillig verpflichtet, auf Lebenszeit Wehrdienst zu leisten. In das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit kann berufen werden, wer sich freiwillig verpflichtet, für begrenzte Zeit Wehrdienst zu leisten. Einen freiwilligen Wehrdienst als besonderes staatsbürgerliches Engagement kann leisten, wer sich dazu verpflichtet. Zu einem Wehrdienst in Form von Dienstleistungen kann außer Personen, die in einem Wehrdienstverhältnis nach Satz 1 oder 2 gestanden haben, auch herangezogen werden, wer sich freiwillig zu Dienstleistungen verpflichtet.

(3) Vorgesetzter ist, wer befugt ist, einem Soldaten Befehle zu erteilen. Durch Rechtsverordnung wird bestimmt, wer auf Grund seiner Dienststellung, seines Dienstgrades, besonderer Anordnung oder eigener Erklärung befehlen kann. Auf Grund des Dienstgrades allein besteht keine Befehlsbefugnis außerhalb des Dienstes. Durch eigene Erklärung darf eine Befehlsbefugnis nur zur Hilfeleistung in Notfällen, zur Aufrechterhaltung der Disziplin oder Sicherheit oder zur Herstellung einer einheitlichen Befehlsbefugnis in kritischer Lage begründet werden.

(4) Disziplinarvorgesetzter ist, wer Disziplinarbefugnis über Soldaten hat. Das Nähere regelt die Wehrdisziplinarordnung.

(5) Regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ist die innerhalb von zwölf Monaten durchschnittlich zu leistende wöchentliche Arbeitszeit.

(1) In den Kompanien und in den entsprechenden Einheiten sowie innerhalb der Besatzung eines Schiffes steht die Befugnis, im Dienst Befehle zu erteilen, zu

1.
den Offizieren gegenüber allen Unteroffizieren und Mannschaften,
2.
den Unteroffizieren vom Feldwebel an aufwärts gegenüber allen Stabsunteroffizieren, Unteroffizieren und Mannschaften,
3.
den Stabsunteroffizieren und den Unteroffizieren gegenüber allen Mannschaften.
An Bord von Schiffen haben die Angehörigen der Besatzung und deren unmittelbare Vorgesetzte in und außer Dienst Befehlsbefugnis nach Satz 1 auch gegenüber Soldaten, die sich nicht im Dienst befinden oder nicht zu bestimmtem Dienst eingeteilt sind, und gegenüber Soldaten, die nicht zur Besatzung gehören.

(2) In Stäben und anderen militärischen Dienststellen gilt Absatz 1 Satz 1 entsprechend, jedoch kann der Kommandeur oder der Leiter der Dienststelle die Befehlsbefugnis auf Untergliederungen des Stabes oder der Dienststelle beschränken.

(3) Innerhalb umschlossener militärischer Anlagen können Soldaten einer höheren Dienstgradgruppe den Soldaten einer niedrigeren Dienstgradgruppe in und außer Dienst Befehle erteilen.

(1) Der Vorgesetzte soll in seiner Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben.

(2) Er hat die Pflicht zur Dienstaufsicht und ist für die Disziplin seiner Untergebenen verantwortlich.

(3) Er hat für seine Untergebenen zu sorgen.

(4) Er darf Befehle nur zu dienstlichen Zwecken und nur unter Beachtung der Regeln des Völkerrechts, der Gesetze und der Dienstvorschriften erteilen.

(5) Er trägt für seine Befehle die Verantwortung. Befehle hat er in der den Umständen angemessenen Weise durchzusetzen.

(6) Offiziere und Unteroffiziere haben innerhalb und außerhalb des Dienstes bei ihren Äußerungen die Zurückhaltung zu wahren, die erforderlich ist, um das Vertrauen als Vorgesetzte zu erhalten.

(1) Gerichtliche Disziplinarmaßnahmen gegen Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit sind:

1.
Kürzung der Dienstbezüge,
2.
Beförderungsverbot,
3.
Herabsetzung in der Besoldungsgruppe,
4.
Dienstgradherabsetzung und
5.
Entfernung aus dem Dienstverhältnis.

(2) Gerichtliche Disziplinarmaßnahmen gegen Soldaten im Ruhestand sowie gegen frühere Soldaten, die als Soldaten im Ruhestand gelten (§ 1 Abs. 3), sind:

1.
Kürzung des Ruhegehalts,
2.
Herabsetzung in der Besoldungsgruppe,
3.
Dienstgradherabsetzung und
4.
Aberkennung des Ruhegehalts.
Sind sie zugleich Angehörige der Reserve oder nicht wehrpflichtige frühere Soldaten, die noch zu Dienstleistungen herangezogen werden können, dürfen nur die in Satz 1 genannten gerichtlichen Disziplinarmaßnahmen verhängt werden.

(3) Gerichtliche Disziplinarmaßnahmen gegen Soldaten in einem Wehrdienstverhältnis nach dem Reservistengesetz, gegen Angehörige der Reserve sowie gegen nicht wehrpflichtige frühere Soldaten, die noch zu Dienstleistungen herangezogen werden können, sind:

1.
Dienstgradherabsetzung und
2.
Aberkennung des Dienstgrades.
Für Soldaten im Ruhestand und frühere Soldaten, die als Soldaten im Ruhestand gelten (§ 1 Absatz 3), die in ein Wehrdienstverhältnis nach dem Reservistengesetz berufen werden, bleibt Absatz 2 Satz 1 unberührt.

(4) Wegen desselben Dienstvergehens dürfen nur Kürzung der Dienstbezüge und Beförderungsverbot nebeneinander verhängt werden. Sie sollen insbesondere nebeneinander verhängt werden, wenn erkennbar ist, dass ein Beförderungsverbot keine Auswirkungen auf den weiteren dienstlichen Werdegang des Soldaten haben wird; § 16 Abs. 1 ist nicht anzuwenden. Neben oder anstelle der Kürzung des Ruhegehalts kann auf Kürzung des Ausgleichs (§ 38 des Soldatenversorgungsgesetzes) erkannt werden. Im Übrigen darf wegen desselben Dienstvergehens nur eine gerichtliche Disziplinarmaßnahme verhängt werden.

(5) Wegen eines Verhaltens, das nach § 17 Abs. 3, § 23 Abs. 2 Nr. 2 Zweite Alternative des Soldatengesetzes als Dienstvergehen gilt, dürfen bei Soldaten im Ruhestand sowie bei früheren Soldaten, die als Soldaten im Ruhestand gelten, als gerichtliche Disziplinarmaßnahmen nur Dienstgradherabsetzung oder Aberkennung des Ruhegehalts verhängt werden.

(6) Die Wehrdienstgerichte dürfen auch einfache Disziplinarmaßnahmen verhängen.

(7) Die §§ 38 und 39 gelten auch im gerichtlichen Disziplinarverfahren.

(1) Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.

(2) In der Regel ist mit den milderen Disziplinarmaßnahmen zu beginnen und erst bei erneuten Dienstvergehen zu schwereren Disziplinarmaßnahmen überzugehen.

(3) Disziplinararrest soll erst dann verhängt werden, wenn vorausgegangene erzieherische Maßnahmen und Disziplinarmaßnahmen ihren Zweck nicht erreicht haben oder die Aufrechterhaltung der militärischen Ordnung eine disziplinare Freiheitsentziehung gebietet.

(1) Gerichtliche Disziplinarmaßnahmen gegen Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit sind:

1.
Kürzung der Dienstbezüge,
2.
Beförderungsverbot,
3.
Herabsetzung in der Besoldungsgruppe,
4.
Dienstgradherabsetzung und
5.
Entfernung aus dem Dienstverhältnis.

(2) Gerichtliche Disziplinarmaßnahmen gegen Soldaten im Ruhestand sowie gegen frühere Soldaten, die als Soldaten im Ruhestand gelten (§ 1 Abs. 3), sind:

1.
Kürzung des Ruhegehalts,
2.
Herabsetzung in der Besoldungsgruppe,
3.
Dienstgradherabsetzung und
4.
Aberkennung des Ruhegehalts.
Sind sie zugleich Angehörige der Reserve oder nicht wehrpflichtige frühere Soldaten, die noch zu Dienstleistungen herangezogen werden können, dürfen nur die in Satz 1 genannten gerichtlichen Disziplinarmaßnahmen verhängt werden.

(3) Gerichtliche Disziplinarmaßnahmen gegen Soldaten in einem Wehrdienstverhältnis nach dem Reservistengesetz, gegen Angehörige der Reserve sowie gegen nicht wehrpflichtige frühere Soldaten, die noch zu Dienstleistungen herangezogen werden können, sind:

1.
Dienstgradherabsetzung und
2.
Aberkennung des Dienstgrades.
Für Soldaten im Ruhestand und frühere Soldaten, die als Soldaten im Ruhestand gelten (§ 1 Absatz 3), die in ein Wehrdienstverhältnis nach dem Reservistengesetz berufen werden, bleibt Absatz 2 Satz 1 unberührt.

(4) Wegen desselben Dienstvergehens dürfen nur Kürzung der Dienstbezüge und Beförderungsverbot nebeneinander verhängt werden. Sie sollen insbesondere nebeneinander verhängt werden, wenn erkennbar ist, dass ein Beförderungsverbot keine Auswirkungen auf den weiteren dienstlichen Werdegang des Soldaten haben wird; § 16 Abs. 1 ist nicht anzuwenden. Neben oder anstelle der Kürzung des Ruhegehalts kann auf Kürzung des Ausgleichs (§ 38 des Soldatenversorgungsgesetzes) erkannt werden. Im Übrigen darf wegen desselben Dienstvergehens nur eine gerichtliche Disziplinarmaßnahme verhängt werden.

(5) Wegen eines Verhaltens, das nach § 17 Abs. 3, § 23 Abs. 2 Nr. 2 Zweite Alternative des Soldatengesetzes als Dienstvergehen gilt, dürfen bei Soldaten im Ruhestand sowie bei früheren Soldaten, die als Soldaten im Ruhestand gelten, als gerichtliche Disziplinarmaßnahmen nur Dienstgradherabsetzung oder Aberkennung des Ruhegehalts verhängt werden.

(6) Die Wehrdienstgerichte dürfen auch einfache Disziplinarmaßnahmen verhängen.

(7) Die §§ 38 und 39 gelten auch im gerichtlichen Disziplinarverfahren.

(1) Mit der Aberkennung des Ruhegehalts tritt der Verlust der Rechte als Soldat im Ruhestand ein. Sie setzt voraus, dass die Entfernung aus dem Dienstverhältnis gerechtfertigt wäre, falls sich der Soldat im Ruhestand noch im Dienst befände. Die Aberkennung des Ruhegehalts bewirkt auch den Verlust eines noch nicht gezahlten Ausgleichs und des Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung sowie den Verlust des Dienstgrades und der sich daraus ergebenden Befugnisse. § 63 Abs. 4 gilt entsprechend.

(2) Der Soldat, dessen Ruhegehalt aberkannt wird, erhält bis zur Gewährung einer Rente aufgrund der durchgeführten Nachversicherung, längstens jedoch für die Dauer von sechs Monaten, einen Unterhaltsbeitrag in Höhe von 70 vom Hundert des Ruhegehalts, das ihm bei Eintritt der Unanfechtbarkeit der Entscheidung zusteht; eine Einbehaltung des Ruhegehalts nach § 126 Abs. 3 bleibt unberücksichtigt. § 63 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.

(2) In der Regel ist mit den milderen Disziplinarmaßnahmen zu beginnen und erst bei erneuten Dienstvergehen zu schwereren Disziplinarmaßnahmen überzugehen.

(3) Disziplinararrest soll erst dann verhängt werden, wenn vorausgegangene erzieherische Maßnahmen und Disziplinarmaßnahmen ihren Zweck nicht erreicht haben oder die Aufrechterhaltung der militärischen Ordnung eine disziplinare Freiheitsentziehung gebietet.

(1) Ist durch ein Gericht oder eine Behörde unanfechtbar eine Strafe oder Ordnungsmaßnahme verhängt worden oder kann eine Tat nach § 153a Abs. 1 Satz 5 oder Abs. 2 Satz 2 der Strafprozessordnung nach Erfüllung von Auflagen und Weisungen nicht mehr als Vergehen verfolgt werden, dürfen wegen desselben Sachverhalts

1.
einfache Disziplinarmaßnahmen mit Ausnahme des Disziplinararrests nicht verhängt werden,
2.
Disziplinararrest, Kürzung der Dienstbezüge oder Kürzung des Ruhegehalts nur verhängt werden, wenn dies zusätzlich erforderlich ist, um die militärische Ordnung aufrechtzuerhalten oder wenn durch das Fehlverhalten das Ansehen der Bundeswehr ernsthaft beeinträchtigt wurde.

(2) Bei der Verhängung von Disziplinararrest ist eine andere Freiheitsentziehung anzurechnen; die Dauer des Disziplinararrests darf zusammen mit der anderen Freiheitsentziehung drei Wochen nicht übersteigen.

(3) Wird der Soldat im Strafverfahren oder im Bußgeldverfahren freigesprochen, darf eine Disziplinarmaßnahme nur dann verhängt oder ein gerichtliches Disziplinarverfahren nur eingeleitet oder fortgesetzt werden, wenn der Sachverhalt ein Dienstvergehen enthält, ohne den Tatbestand einer Strafvorschrift oder einer Bußgeldvorschrift zu erfüllen. Vor Beginn oder Fortsetzung der Ermittlungen ist dem Soldaten mitzuteilen, welcher Sachverhalt ihm weiterhin als Pflichtverletzung vorgeworfen wird.

(1) Disziplinarsachen sind beschleunigt zu behandeln.

(2) Sind seit einem Dienstvergehens sechs Monate verstrichen, darf eine einfache Disziplinarmaßnahme nicht mehr verhängt werden.

(3) Sind seit einem Dienstvergehen drei Jahre verstrichen, dürfen Kürzung der Dienstbezüge und Kürzung des Ruhegehalts nicht mehr verhängt werden.

(4) Sind seit einem Dienstvergehen fünf Jahre verstrichen, darf ein Beförderungsverbot nicht mehr verhängt werden.

(5) Ist vor Ablauf der Frist wegen desselben Sachverhalts ein Strafverfahren, ein Bußgeldverfahren oder ein gerichtliches Disziplinarverfahren gegen den Soldaten eingeleitet worden oder ist der Sachverhalt Gegenstand einer Beschwerde, einer militärischen Flugunfall- oder Taucherunfalluntersuchung oder eines Havarieverfahrens, ist die Frist für die Dauer dieses Verfahrens gehemmt.

(1) Ist durch ein Gericht oder eine Behörde unanfechtbar eine Strafe oder Ordnungsmaßnahme verhängt worden oder kann eine Tat nach § 153a Abs. 1 Satz 5 oder Abs. 2 Satz 2 der Strafprozessordnung nach Erfüllung von Auflagen und Weisungen nicht mehr als Vergehen verfolgt werden, dürfen wegen desselben Sachverhalts

1.
einfache Disziplinarmaßnahmen mit Ausnahme des Disziplinararrests nicht verhängt werden,
2.
Disziplinararrest, Kürzung der Dienstbezüge oder Kürzung des Ruhegehalts nur verhängt werden, wenn dies zusätzlich erforderlich ist, um die militärische Ordnung aufrechtzuerhalten oder wenn durch das Fehlverhalten das Ansehen der Bundeswehr ernsthaft beeinträchtigt wurde.

(2) Bei der Verhängung von Disziplinararrest ist eine andere Freiheitsentziehung anzurechnen; die Dauer des Disziplinararrests darf zusammen mit der anderen Freiheitsentziehung drei Wochen nicht übersteigen.

(3) Wird der Soldat im Strafverfahren oder im Bußgeldverfahren freigesprochen, darf eine Disziplinarmaßnahme nur dann verhängt oder ein gerichtliches Disziplinarverfahren nur eingeleitet oder fortgesetzt werden, wenn der Sachverhalt ein Dienstvergehen enthält, ohne den Tatbestand einer Strafvorschrift oder einer Bußgeldvorschrift zu erfüllen. Vor Beginn oder Fortsetzung der Ermittlungen ist dem Soldaten mitzuteilen, welcher Sachverhalt ihm weiterhin als Pflichtverletzung vorgeworfen wird.

(1) Mit der Entfernung aus dem Dienstverhältnis wird das Dienstverhältnis beendet. Die Entfernung aus dem Dienstverhältnis bewirkt auch den Verlust des Anspruchs auf Dienstbezüge, Berufsförderung und Dienstzeitversorgung sowie den Verlust des Dienstgrades und der sich daraus ergebenden Befugnisse. Die Verpflichtung, aufgrund der Wehrpflicht Wehrdienst zu leisten, wird durch die Entfernung aus dem Dienstverhältnis nicht berührt.

(2) Der aus dem Dienstverhältnis entfernte Soldat erhält für die Dauer von sechs Monaten einen Unterhaltsbeitrag in Höhe von 50 vom Hundert der Dienstbezüge, die ihm bei Eintritt der Unanfechtbarkeit der Entscheidung zustehen; eine Einbehaltung von Dienstbezügen nach § 126 Abs. 2 bleibt unberücksichtigt. Würden dem Soldaten Versorgungsbezüge nur für eine bestimmte Zeit zustehen, darf der Unterhaltsbeitrag höchstens für diese Zeit bewilligt werden.

(3) Die Gewährung des Unterhaltsbeitrags kann in dem Urteil ganz oder teilweise ausgeschlossen werden, soweit der Verurteilte ihrer nicht würdig oder den erkennbaren Umständen nach nicht bedürftig ist. Sie kann in dem Urteil über den Zeitraum von sechs Monaten hinaus verlängert werden, soweit dies zur Vermeidung einer unbilligen Härte notwendig ist; der Verurteilte hat die Voraussetzungen der unbilligen Härte glaubhaft zu machen. Für die Zahlung des Unterhaltsbeitrags gilt § 109.

(4) In minder schweren Fällen kann das Gericht den Verlust des Dienstgrades ausschließen, jedoch den Dienstgrad herabsetzen, ohne an die in § 62 Abs. 1 Satz 1 bis 3 bezeichneten Beschränkungen gebunden zu sein.

(1) Die Kosten eines erfolgreichen Rechtsmittels des Soldaten oder des Wehrdisziplinaranwalts, soweit dieser es zu Gunsten des Soldaten eingelegt hat, sind dem Bund aufzuerlegen. Die Kosten eines zu Ungunsten des Soldaten eingelegten und erfolgreichen Rechtsmittels des Wehrdisziplinaranwalts trägt der Soldat; sie sind jedoch dem Bund teilweise oder ganz aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, den Soldaten damit zu belasten.

(2) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat.

(3) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, hat das Wehrdienstgericht die Kosten teilweise oder ganz dem Bund aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, den Soldaten damit zu belasten.

(4) Hat das Wehrdienstgericht das gerichtliche Disziplinarverfahren eingestellt, weil gegen den Soldaten, der nach Einlegung der Berufung in den Ruhestand getreten ist, ein verwirktes Beförderungsverbot nicht verhängt werden darf, so hat dieser die Kosten des Verfahrens zu tragen. Soweit es unbillig wäre, den Soldaten mit den Kosten des Verfahrens zu belasten, sind sie dem Bund ganz oder teilweise aufzuerlegen.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten sinngemäß für die Kosten des Verfahrens, die durch einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung in den Fällen des § 92 Abs. 4, § 95 Abs. 2, § 98 Abs. 3 Satz 2, § 121a, § 127 Abs. 4 und § 128 oder durch einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens entstanden sind.