Bundesverwaltungsgericht Urteil, 14. Juni 2018 - 2 WD 15/17

ECLI:ECLI:DE:BVerwG:2018:140618U2WD15.17.0
bei uns veröffentlicht am14.06.2018

Tatbestand

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Entscheidungsgründe

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1. Das Truppendienstgericht Süd hat den Soldaten auf der Grundlage der ihm 2016 vorgelegten Anschuldigungsschrift mit Urteil vom 28. Juni 2017 aus dem Dienstverhältnis entfernt. Dem Gericht lag das unter dem 17. April 2017 erstellte Sachverständigengutachten des Professor Dr. A zur Frage der Verhandlungsfähigkeit des Soldaten vor, in dem auf das vom selben Sachverständigen unter dem 22. Juni 2015 für das Landgericht B erstellte Gutachten Bezug genommen wird.

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a) In tatsächlicher Hinsicht hat das Truppendienstgericht folgende Feststellungen aus dem Urteil des Amtsgerichts B zu Grunde gelegt:

"Der Angeklagte und die Zeugin C sind Berufssoldaten und waren in den Jahren 2011 und 2012 im ... eingesetzt.

Der Angeklagte war als Hauptfeldwebel Vorgesetzter der Zeugin C, die den Rang Hauptgefreiter (w) bekleidete.

1) Während der am 8. Dezember 2011 in D stattfindenden Jahresabschlussfeier ihres Regimentes unterhielt sich der Angeklagte mit einem weiteren Bundeswehrangehörigen darüber, dass er die Zeugin C 'flachlegen' werde und wettete mit diesem insoweit um 80,- €. Die Zeugin befand sich zu diesem Zeitpunkt in seiner unmittelbaren Nähe und war deshalb in der Lage, das Gespräch zu verfolgen. Später bot der Angeklagte ihr auch noch an, ihr für den Gewinn der Wette die Hälfte des Gewinnes zu überlassen. Er verletzte damit den Wert- und Achtungsanspruch der Zeugin, was ihm auch bewusst war.

2) Im Oktober 2012 hielten sich der Angeklagte und die Zeugin C im Rahmen eines Übungseinsatzes der Bundeswehr auf E auf, wo sie auf einem Kasernengelände in F untergebracht waren.

Am 18.10.2012 legte sich die Zeugin C nach einem sehr anstrengenden Dienst kurz vor Mitternacht in der von ihr allein bewohnten Stube auf ihr Bett, und zwar auf das Bettzeug. Sie wollte nur kurz für 10 Minuten ausspannen und danach noch an der Abschlussparty teilnehmen und stellte sich deshalb den Wecker auf ihrem Handy. Die Zeugin C war mit Slip und BH, ärmellosem Top, einer Jogginghose und der dazu gehörigen Jacke bekleidet; sie trug ihre langen hellblonden Haare offen.

Der Angeklagte legte sich nach Mitternacht neben die Zeugin und griff ihr mit einer Hand zwischen ihre Beine an den Schambereich. Dem Angeklagten war hierbei bewusst, dass die Zeugin aufgrund ihres Zustandes der Übermüdung nicht in der Lage war, einen Willensentschluss gegen sein sexuelles Ansinnen zu bilden, zu äußern und durchzusetzen, was er zumindest billigend in Kauf nahm. Hierbei nahm der Angeklagte als Vorgesetzter zumindest billigend weiter in Kauf, den Wert- und Achtungsanspruch der ihm untergebenen Soldatin C zu verletzen."

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Der Soldat habe sich bis Januar 2011 im Auslandseinsatz in G befunden. Während dieser Zeit habe sich seine Ehefrau von ihm getrennt und einem Kameraden zugewandt. Der Soldat habe sich in der Folge in einer Burnout-ähnlichen Lage befunden. Auch im Oktober 2012 habe er sich wegen seiner anstehenden Versetzung und einer laufenden Übung in einer erheblichen Stresssituation befunden. Die seinerzeitige Anspannung habe er in lockerer Atmosphäre unter Alkoholeinfluss durch die sexuelle Belästigung abgebaut.

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b) Durch sein Verhalten habe der Soldat eine vorsätzliche sexuelle Belästigung begangen, gegen die Pflichten zum treuen Dienen, zur Kameradschaft, zur Fürsorge gegenüber Untergebenen, zur Zurückhaltung bei Äußerungen und gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten verstoßen.

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Die Maßnahmebemessung werde durch die sexuelle Belästigung der dem Soldaten unterstellten Zeugin C bestimmt. Erschwerend wirke, dass er dadurch zugleich eine Straftat begangen habe und deshalb zu 11 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden sei. Erhebliche Auswirkungen des Dienstvergehens lägen vor, weil die Zeugin C in ihrer körperlichen Integrität und Intimsphäre verletzt worden sei. Damit habe der Soldat gegen die Fürsorgepflicht verstoßen, obwohl sie zu den vornehmsten Pflichten eines Vorgesetzten gehöre. Die weiteren Pflichtverletzungen kämen erschwerend hinzu. Milderungsgründe in der Tat bestünden nicht. Der Soldat habe jedoch sehr gute dienstliche Leistungen gezeigt. Zudem habe er sich nachbewährt.

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Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bilde eine Dienstgradherabsetzung. Es lägen jedoch besondere Gründe vor, die eine Abweichung davon nach oben zwingend erforderlich machten. Der Soldat habe schweres kriminelles Unrecht begangen. Dies werde bereits daran deutlich, dass das Landgericht mit seinem Urteil nur knapp unterhalb der Grenze des automatischen Verlustes der Rechtsstellung als Berufssoldat geblieben sei. Zudem habe es sich um eine vollendete Straftat im Dienst gehandelt. Die sexuelle Belästigung sei zudem wiederholt erfolgt und dies gegenüber einer dienstjungen Mannschaftssoldatin, die mit den Schutzmechanismen gegen Übergriffe noch nicht vertraut gewesen sei. Die Pflichtverletzung während eines Auslandsaufenthaltes sei in der Einheit auch bekannt geworden. Da der Soldat als Berufssoldat nicht bis in einen Mannschaftsdienstgrad degradiert werden könne, sei die Höchstmaßnahme zu verhängen.

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2. Der Soldat hat seine maßnahmebeschränkte Berufung im Wesentlichen damit begründet, dass es das Gericht mehrfach an Objektivität habe fehlen lassen; insbesondere seien ihm oder seinem Verteidiger so nicht getätigte Äußerungen zugeschrieben worden. Dies gelte insbesondere für die Äußerung, er habe mit den Pflichtverletzungen Druck abbauen wollen. Um das Bild eines Schwerstkriminellen aufrechtzuerhalten, habe das Gericht Milderungsgründe nur unzulänglich gewürdigt. Dazu gehöre namentlich, dass er unmittelbar nach dem Vorkommnis in F versucht habe, sich bei der Soldatin C zu entschuldigen. Zudem sei es im strafgerichtlichen Berufungsverfahren zu einer Entschuldigung gekommen, welche sie auch angenommen habe. Nicht entlastend gewichtet worden sei zudem die hohe Schmerzensgeldzahlung. Eine vertiefte Befassung des Gerichts mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hätte ergeben, dass vom Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen nicht zwingend hätte abgewichen werden müssen. Den vom Truppendienstgericht herangezogenen höchstrichterlichen Entscheidungen lägen keine vergleichbaren Sachverhalte zugrunde.

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Die zulässige Berufung ist unbegründet.

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Das vom Soldaten eingelegte Rechtsmittel ist auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme beschränkt. Der Senat hat daher gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 327 StPO die erstinstanzlichen Tat- und Schuldfeststellungen sowie die dortige disziplinarrechtliche Würdigung seiner Entscheidung zugrunde zu legen und auf dieser Grundlage über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden.

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1. Die die Feststellung des Dienstvergehens tragenden tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Würdigungen der Vorinstanz sind eindeutig und widerspruchsfrei und für den Senat damit grundsätzlich bindend. Ob sie vom Truppendienstgericht rechtsfehlerfrei getroffen wurden, darf vom Senat grundsätzlich nicht mehr überprüft werden. Denn bei einer auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme beschränkten Berufung wird der Prozessstoff nicht mehr von der Anschuldigungsschrift, sondern nur von den bindenden Tat- und Schuldfeststellungen des angefochtenen Urteils bestimmt (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Mai 2018 - 2 WD 2.18 - Rn. 17 ff.).

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2. Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist von der von Verfassungs wegen allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen. Diese besteht ausschließlich darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten ("Wiederherstellung und Sicherung der Integrität, des Ansehens und der Disziplin in der Bundeswehr" vgl. BVerwG, Urteil vom 11. September 2014 - 2 WD 11.13 - juris Rn. 61). Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 123 Satz 3, § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.

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a) Eigenart und Schwere des Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Unrechtsgehalt der Verfehlungen, d. h. nach der Bedeutung der verletzten Dienstpflichten. Danach wiegt das Dienstvergehen der wiederholten sexuellen Belästigung einer Untergebenen sehr schwer.

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aa) Der Soldat hat gegen mehrere soldatische Pflichten von hohem Gewicht, darunter zentrale Vorgesetztenpflichten verstoßen.

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Durch die sexuelle Belästigung einer Untergebenen im Sinne von § 7 Abs. 2 i.V.m. § 3 Abs. 4 SoldGG hat er die Verpflichtung zur Wahrung der Intimsphäre von Kameraden missachtet. Das hohe Gewicht dieses Verstoßes ergibt sich schon daraus, dass der Gesetzgeber ein solches Verhalten ausdrücklich untersagt und unmittelbar zur Dienstpflichtverletzung erklärt hat.

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Mit dem Verstoß gegen § 7 Abs. 2 SoldGG ging der Verstoß gegen die Pflicht zum treuen Dienen nach § 7 SG einher (BVerwG, Urteil vom 6. Juli 2016 - 2 WD 18.15 - juris Rn. 54).

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Es begründet ebenfalls einen gewichtigen Verstoß gegen § 7 SG in Gestalt der Verpflichtung zur Loyalität gegenüber der Rechtsordnung, dass der Soldat mit seinem Verhalten zugleich die Straftatbestände nach § 179 Abs. 1 Nr. 1 StGB (a.F.) sowie § 31 Abs. 1 WStG verwirklicht hat (BVerwG, Urteil vom 24. November 2015 - 2 WD 15.14 - Rn. 42) und deswegen auch strafrechtlich mit einer Freiheitsstrafe von 11 Monaten sanktioniert wurde. Das Truppendienstgericht hat ausweislich Seite 10 der Gründe sein Urteil auch auf deren Verwirklichung gestützt.

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Hinzu tritt der Verstoß gegen die Fürsorgepflicht nach § 10 Abs. 3 SG. Sie gehört zu den vornehmsten Pflichten eines Vorgesetzten gegenüber seinen Untergebenen, die das berechtigte Gefühl haben müssen, vom Vorgesetzten nicht nur als Befehlsempfänger betrachtet, sondern in ihrer Würde geachtet und mit menschlicher Rücksichtnahme behandelt zu werden. Der Vorgesetzte hat die Pflicht, sich bei allen Handlungen und Maßnahmen von Wohlwollen gegenüber seinen Untergebenen leiten zu lassen und zu bemühen, diese vor Schäden und unzumutbaren Nachteilen zu bewahren (BVerwG, Urteil vom 1. März 2007 - 2 WD 4.06 - Buchholz 449 § 10 SG Nr. 56 Rn. 38 m.w.N.). Im militärischen Über- und Unterordnungsverhältnis sind Untergebene besonders schutzbedürftig. Dies gilt vorliegend umso mehr, als Opfer des Dienstvergehens eine dienstjunge Soldatin in einem Mannschaftsdienstgrad war. Zumindest letzteres war dem Soldaten nach eigener Einlassung in der Berufungshauptverhandlung auch bekannt.

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Hinzu tritt der durch die verbale sexuelle Belästigung begangene Verstoß gegen die Mäßigungspflicht nach § 10 Abs. 6 SG (BVerwG, Urteil vom 6. April 2017 - 2 WD 13.16 - juris Rn. 90).

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Der Verstoß gegen die Kameradschaftspflicht nach § 12 Satz 2 SG ist nicht minder bedeutsam, denn der Zusammenhalt der Bundeswehr beruht wesentlich auf Kameradschaft. Die dienstlichen Aufgaben erfordern im Frieden und in noch höherem Maße im Verteidigungsfall gegenseitiges Vertrauen sowie das Bewusstsein, sich bedingungslos aufeinander verlassen zu können. Ein Vorgesetzter, der die Rechte, die Ehre oder die Würde seiner Kameraden verletzt, untergräbt den dienstlichen Zusammenhalt, stört den Dienstbetrieb und beeinträchtigt damit letztlich auch die Einsatzbereitschaft der Truppe (BVerwG, Urteil vom 17. März 2004 - 2 WD 17.03 - NZWehrr 2005, 38 m.w.N.).

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Auch die Verletzung der nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 SG bestehenden Wohlverhaltenspflicht wiegt schwer. Die Pflicht zur Wahrung von Achtung und Vertrauen ist kein Selbstzweck, sondern hat funktionalen Bezug zur Erfüllung des grundgesetzmäßigen Auftrages der Streitkräfte und zur Gewährleistung des militärischen Dienstbetriebs. Ein Soldat, insbesondere - wie hier - ein Vorgesetzter, bedarf der Achtung seiner Kameraden und Untergebenen sowie des Vertrauens seiner Vorgesetzten, um seine Aufgaben so zu erfüllen, dass der gesamte Ablauf des militärischen Dienstes gewährleistet ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine Beeinträchtigung der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit tatsächlich eingetreten ist, sondern nur darauf, ob das festgestellte Verhalten dazu geeignet war (BVerwG, Urteil vom 13. Januar 2011 - 2 WD 20.09 - juris Rn. 27 m.w.N.). Das war vorliegend der Fall.

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bb) Hinzu treten weitere erschwerende Umstände:

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Der Soldat war aufgrund seines Dienstgrades als Hauptfeldwebel Vorgesetzter der Hauptgefreiten C (§ 1 Abs. 3 Satz 1 SG i.V.m. § 1 Abs. 1, § 4 Abs. 1 und 3 VorgV). Soldaten in Vorgesetztenstellung obliegt eine höhere Verantwortung für die Wahrung dienstlicher Interessen. Wegen seiner herausgehobenen Stellung ist ein Vorgesetzter in besonderem Maße für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Dienstpflichten verantwortlich und unterliegt damit im Falle einer Pflichtverletzung einer verschärften Haftung, da Vorgesetzte in ihrer Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben sollen (§ 10 Abs. 1 SG).

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Die Verstöße gegen soldatische Pflichten waren zudem wiederholt und auch einschlägig.

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Sie richteten sich zudem gegen eine Mannschaftssoldatin, die sich erst im ersten bzw. zweiten Dienstjahr befand und deshalb weder über Erfahrungen mit den Schutzmechanismen gegen Übergriffe von Vorgesetzten noch über ein hinreichendes Selbstbewusstsein zur Durchsetzung ihrer Rechte verfügte. Das Verhalten des Soldaten war daher in besonderer Weise geeignet, insbesondere Frauen von einer Bewerbung für den Dienst in den Streitkräften abzuschrecken (BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2016 - 2 WD 21.15 - Rn. 53).

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Zudem erfolgte der Übergriff gemäß Anschuldigungspunkt 2 während eines Auslandsaufenthalts. Auch wenn es sich um keinen Auslandseinsatz handelte, sind auch hier an die militärische Disziplin innerhalb einer militärischen Anlage erhöhte Anforderungen zu stellen, weil die regelmäßig beengten räumlichen Verhältnisse es gebieten, die dadurch ohnehin bereits reduzierte Privatsphäre von Kameraden uneingeschränkt zu respektieren (BVerwG, Urteil vom 27. März 2017 - 2 WD 11.16 - juris Rn. 112).

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Die erhebliche Schwere des Dienstvergehens bestimmt des Weiteren der Umstand, dass es der Soldat bei Anschuldigungspunkt 1 nicht bei einer verbalen sexuellen Belästigung der Zeugin C durch deren Instrumentalisierung als Wettobjekt belassen hat (1. Teilaspekt). Durch das zusätzliche Angebot, mit ihm den Wettgewinn zu teilen (2. Teilaspekt), hat er sie in ihrem Achtungsanspruch erneut und zugleich massiv herabgesetzt. Denn da die Wette nur dann gewonnen sein sollte, wenn es ihm gelungen war, sie zum Beischlaf zu überreden, legte er ihr mit dem finanziellen Anreiz nichts anderes nahe, als sich für Geld zu prostituieren.

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Dabei ist der Soldat mit seinem Vergehen in E von bislang nur verbalen Belästigungen zu einem körperlichen Übergriff übergegangen, sodass auch eine qualitative Steigerung an Pflichtverletzungen vorlag.

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b) Das Dienstvergehen hatte nachteilige Auswirkungen zum einen auf die geschädigte Soldatin, die durch alle Belästigungen in ihrem Achtungsanspruch beeinträchtigt und vor allem durch den körperlichen Übergriff in ihrer berechtigten Erwartung in einer Kaserne unter Kameraden sicher zu ein, enttäuscht und in Unruhe versetzt wurde. Zum anderen wurde das Dienstvergehen in der Einheit bekannt.

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c) Das Maß der Schuld des nach den bindenden Feststellungen des Truppendienstgerichts schuldfähigen Soldaten wird vor allem dadurch bestimmt, dass er vorsätzlich gehandelt hat. Der Senat geht zwar davon aus, dass dessen Pflichtverletzungen auch einer alkoholbedingten Enthemmung geschuldet sind; eine dadurch verminderte Steuerungs- oder Einsichtsfähigkeit wirkt sich jedoch deshalb nicht als klassischer Milderungsgrund in den Umständen der Tat aus, weil ein Soldat für Art und Umfang seines Alkoholkonsums selbst verantwortlich ist (BVerwG, Urteile vom 16. Mai 2006 - 2 WD 3.05 - Rn. 130 f., vom 30. Oktober 2012 - 2 WD 28.11 - juris Rn. 43 und vom 6. Juli 2016 - 2 WD 18.15 - juris Rn. 71 m.w.N. sowie BGH, Großer Senat für Strafsachen, Beschluss vom 24. Juli 2017 - GSSt 3/17 - NJW 2018, 1180 Rn. 43 ff.). Dass der Soldat zum Zeitpunkt der Pflichtverletzungen an einer ihn von dieser Schuldzurechnung befreienden Alkoholerkrankung gelitten hätte, wie dies im mit Urteil des Senats vom 16. Mai 2006 entschiedenen Fall vorlag, ist nicht ersichtlich. Dem in die Berufungshauptverhandlung eingeführten Sachverständigengutachten des Prof. Dr. A vom 17. April 2017, in dem auf das Sachverständigengutachten vom 22. Juni 2015 Bezug genommen wird, lässt sich zwar entnehmen, dass der Soldat zu den Tatzeitpunkten verstärkt Alkohol konsumiert hat; dort heißt es aber auch, dass der Soldat bestritten hat, zu den maßgeblichen Zeitpunkten in besonderer Weise dem Alkohol zugesprochen zu haben (S. 11, 12/13). Vor allem hat der Sachverständige selbst festgestellt, für eine Suchterkrankung würden keine Hinweise vorliegen (S. 28). Der Soldat hat die Richtigkeit dieser gutachterlichen Feststellung auch nicht substantiiert in Frage gestellt. Er hat weder behauptet, sich einer Alkoholentziehungstherapie unterzogen zu haben, noch angeführt, eine solche zu benötigen. Zudem hat er auf die Beiziehung seiner G-Akte verzichtet.

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Der Soldat hat sich bei keiner der festgestellten Pflichtverletzungen in einer seelischen Ausnahmesituation befunden (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 16. Oktober 2002 - 2 WD 23.01, 32.02 - BVerwGE 117, 117 <124> m.w.N.), denn es fehlt bei den einzelnen Taten an einer besonderen Zuspitzung der von ihm angeführten Belastungsfaktoren, die so gewichtig wäre, dass man von ihm kaum noch erwarten konnte, sich normgemäß zu verhalten.

Zum Zeitpunkt der ersten, verbalen Belästigung der Zeugin C lag die Trennung von seiner ersten Ehefrau, die sich während seines Auslandseinsatzes einem Kameraden zugewandt hatte, nicht nur mehr als sechs Monate zurück. Er hatte auch bereits drei Monate vor dieser Pflichtverletzung seine jetzige Ehefrau kennengelernt, die ihm - wie er in der Berufungshauptverhandlung selbst ausführte - nach der Trennung von seiner ersten Ehefrau sehr geholfen hatte. Damit waren zu diesem Zeitpunkt bereits die mit der Trennung verbundenen psychischen Belastungen deutlich reduziert. Zum Zeitpunkt der körperlichen Übergriffe war er mit der ihm nach eigenen Angaben zuverlässig zur Seite stehenden Partnerin schon verheiratet und hatte damit emotionalen Rückhalt in der neuen Ehe gewonnen. Die vom Soldaten weiter angeführte hohe Stressbelastung durch die Teilnahme an zahlreichen Übungen begründet keine atypische Ausnahmesituation, die ihn stärker belasten würde als zahlreiche andere Soldaten, die ebenfalls hohem Druck durch dienstliche Aufträge auch unter belastenden Umständen gerecht werden müssen. Die zu den Tatzeitpunkten bestehenden Belastungen sind deshalb als mildernder Umstand von nur geringerem Gewicht einzustellen (BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2017 - 2 WD 1.17 - juris Rn. 78).

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Persönlichkeitsfremde Augenblickstaten eines ansonsten tadelfreien Soldaten liegen bereits wegen der sowohl wiederholten als auch einschlägigen Begehung nicht vor (BVerwG, Urteile vom 6. Juli 2016 - 2 WD 18.15 - juris Rn. 72 ff. und vom 24. April 2014 - 2 WD 39.12 - juris Rn. 37).

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d) Die Beweggründe des Soldaten sprechen gegen ihn. Er hat sich aus sexueller Motivation rücksichtslos über die Rechte einer lebens- und dienstjüngeren Kameradin hinweggesetzt (BVerwG, Urteil vom 27. März 2017 - 2 WD 11.16 - juris Rn. 114).

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e) Im Hinblick auf die Zumessungskriterien "Persönlichkeit" und "bisherige Führung" sprechen für den Soldaten seine überdurchschnittlichen Leistungen, die auch durch eine förmliche Anerkennung und Leistungsprämien unterstrichen werden. Da er sich im Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung von "6,00" im Jahr 2012 auf "7,56" im Jahr 2014 gesteigert hat, liegt auch eine Nachbewährung vor, die durch die erstinstanzliche Aussage des Hauptmanns H bestätigt worden ist.

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Der Senat hat nicht die Überzeugung davon gewinnen können, dass der Soldat das Unrecht seiner Tat uneingeschränkt eingesehen hat und sie losgelöst von den mit ihr verbundenen Sanktionen bereut. Der Soldat hat sich bis zur Unterbrechung der Berufungshauptverhandlung eher formelhaft dahingehend geäußert, dass ihm die Sache leid tue und sich im Übrigen auf den Standpunkt zurückgezogen, sich aus ihm unerklärlichen Gründen wie angeschuldigt verhalten zu haben. Erst nach der Sitzungsunterbrechung hat er nachdrücklich Reue bekundet, zugleich aber auch auf den Alkoholkonsum, seine von der Kameradin angenommene Entschuldigung und auf die hohe Schadenersatzleistung hingewiesen. Angesichts dieses Geschehensablaufs und des vom Soldaten in der Berufungshauptverhandlung gewonnenen Eindrucks ist der Senat davon überzeugt, dass die im zweiten Teil der Berufungshauptverhandlung verbalisierte Reue prozesstaktisch motiviert war und der Soldat das Dienstvergehen wegen des gezahlten Schmerzensgeldes in der Sache als erledigt betrachtet.

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Da der vom Soldaten geleisteten Schmerzensgeldzahlung bereits im Strafverfahren Bedeutung beigemessen wurde und sie mit ursächlich dafür war, dass dort keine bereits kraft Gesetzes zur Entfernung aus dem Dienstverhältnis führende Freiheitsstrafe verhängt wurde, entlastet sie den Soldaten nicht erheblich.

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Dass die Pflichtverletzung des Soldaten in E nur wenige Monate nach der zweiten Eheschließung erfolgte und einen Vertrauensbruch gegenüber seiner Ehefrau darstellte, ist - anders als vom Truppendienstgericht angenommen - im Disziplinarverfahren nicht erschwerend zu berücksichtigen.

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3. Bei der konkreten Bemessung der Disziplinarmaßnahme geht der Senat in seiner gefestigten Rechtsprechung von einem zweistufigen Prüfungsschema aus (BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 2013 - 2 WD 40.12 - juris Rn. 45). Es führt dazu, dass der Soldat gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 5, § 63 WDO aus dem Dienstverhältnis zu entfernen ist. Dass der Bundeswehrdisziplinaranwalt lediglich eine Dienstgradherabsetzung beantragt hat, steht dem nicht entgegen. Der Senat ist an dessen Antrag selbst dann nicht gebunden, wenn dieser Rechtsmittelführer ist (BVerwG, Beschluss vom 6. Februar 2018 - 2 WD 18.17 - juris Rn. 10 und Urteil vom 2. Oktober 2013 - 2 WD 33.12 - juris Rn. 28).

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a) Auf der ersten Stufe bestimmt der Senat im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als "Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen". Bei sexuellen Belästigungen von Untergebenen durch Vorgesetzte im Dienst bildet eine Dienstgradherabsetzung den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. April 2017 - 2 WD 13.16 - Rn. 107). Bereits der zu Anschuldigungspunkt 2 festgestellte körperliche Übergriff des Soldaten als Hauptfeldwebel auf die Hauptgefreite C führt deshalb dazu, dass die Degradierung den Ausgangspunkt der Zumessungserwägung bildet.

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b) Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob im konkreten Einzelfall im Hinblick auf die auch für den Senat gemäß § 123 Satz 3, § 58 Abs. 7 WDO i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO maßgeblichen Bemessungskriterien und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die die Möglichkeit einer Milderung oder die Notwendigkeit einer Verschärfung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme eröffnen. Dabei ist vor allem angesichts der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie dessen Auswirkungen zu klären, ob es sich im Hinblick auf die be- und entlastenden Umstände um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach "oben" bzw. nach "unten" zu modifizieren. Zusätzlich sind die gesetzlich normierten Bemessungskriterien für die Bestimmung der konkreten Sanktion zu gewichten, wenn die Maßnahmeart, die den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bildet, einen Spielraum eröffnet. Dabei bildet bei der Bestimmung der Disziplinarmaßnahme gemäß § 38 Abs. 1 WDO keinen zulässigen Bemessungsparameter, dass bei einer grundsätzlich gebotenen Herabsetzung im Dienstgrad die gemäß § 62 Abs. 1 Satz 3 WDO bestehende Begrenzung der Degradierungstiefe zu einer unangemessen milden Ahndung führen kann (BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2011 - 2 WD 21.10 - Buchholz 449 § 7 SG Nr. 56 Rn. 53 m.w.N.).

50

c) Nach diesen Maßstäben kann eine Entfernung aus dem Dienst nicht - wie das Truppendienstgericht annimmt - deswegen erfolgen, weil eine Degradierung in einen Mannschaftsdienstgrad ausgeschlossen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. März 2009 - 2 WD 10.08 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 27 Rn. 62). Jedoch ist das Urteil der Vorinstanz im Ergebnis aus anderen Gründen richtig. Denn in der Gesamtabwägung der Bemessungskriterien überwiegen die oben angeführten erschwerenden Aspekte - insbesondere diejenigen in den Umständen der Tatbegehung - die mildernden Aspekte in der Person des Soldaten - namentlich die Leistungen der Vergangenheit - so deutlich, dass objektiv keine Grundlage mehr für eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses besteht. Hierbei ist ausschlaggebend, dass die persönliche Integrität eines Soldaten gleichberechtigt neben dem Erfordernis der fachlichen Qualifikation steht, sodass gravierende Defizite an der persönlichen Integrität, die bei objektiver Betrachtung zu einem endgültigen Vertrauensverlust des Dienstherrn führen müssen (BVerwG, Urteil vom 13. Januar 2011 - 2 WD 20.09 - juris Rn. 51 m.w.N.), auch nicht durch fachliche Kompetenz ausgeglichen werden können (BVerwG, Urteile vom 16. Juni 2011 - 2 WD 11.10 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 32 Rn. 40 und vom 6. September 2012 - 2 WD 26.11 - juris Rn. 73). Hier kommen zu den für den Soldaten sprechenden Leistungsaspekten keine hinreichend gewichtigen weiter mildernden Umstände hinzu, während die genannten erschwerenden Gesichtspunkte in den Umständen der Tatbegehung das Vertrauen in die persönliche Integrität durchgreifend erschüttern.

51

Bereits bei der den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen begründenden Pflichtverletzung nach Anschuldigungspunkt 2 ist zum einen erschwerend zu berücksichtigen, dass der Übergriff nicht nur auf den Körper der Hauptgefreiten C sondern gezielt auf deren Intimbereich erfolgte (BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2011 - 2 WD 21.10 - juris Rn. 54). Zum anderen konnte die Soldatin den Übergriff auch nicht abwehren, weil sie schlief und sich deshalb in einer hilflosen Lage befand. Schließlich erfolgte der Übergriff während einer Auslandsverwendung. Gerade in ihm muss wegen der regelmäßig besonders beengten Verhältnisse und besonderen Belastungen jeder Soldat uneingeschränkt darauf vertrauen dürfen, keinen - sexuellen - Übergriffen ausgesetzt zu sein. Diese Erwartung zu zerstören, begründet einen unkameradschaftlichen Vertrauensbruch.

52

Erschwerend tritt das unter Anschuldigungspunkt 1 beschriebene Verhalten hinzu. Bereits für sich allein hätte es dazu geführt, eine Herabsetzung im Dienstgrad als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen zu bestimmen. Daran ändert auch nichts, dass der 1. Teilaspekt eine lediglich verbale sexuelle Belästigung darstellt (BVerwG, Urteil vom 6. April 2017 - 2 WD 13.16 - juris Rn. 107). Durch den bereits dargelegten 2. Teilaspekt erlangt die sexuelle Belästigung ein derart ehr- und würdeverletzendes Gewicht, dass die lediglich verbale Begehungsform weitgehend in den Hintergrund tritt.

53

Hinzu kommt, dass sich beide sexuellen Belästigungen innerhalb dienstlicher Unterkünfte und Anlagen (vgl. § 17 Abs. 2 Satz 3 SG) zutrugen und sich gegen dieselbe Soldatin richteten, bei der der Eindruck entstehen musste, der diensthierarchisch weit über ihr stehende Soldat habe sein unter Anschuldigungspunkt 1 beschriebenes Ansinnen durch das unter Anschuldigungspunkt 2 beschriebene Verhalten nun unter Ausnutzung von besonderen Auslandsumständen durch Überrumpelung umsetzen wollen.

54

Dass der sexuelle Übergriff nicht von Gewalt begleitet war, begründet lediglich das Fehlen eines weiteren erschwerenden Umstandes, der für den Tatbestand einer sexuellen Belästigung zudem ohne Bedeutung ist (BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2013 - 2 WD 23.12 - juris Rn. 71).

55

d) Der Soldat hat mit dem Dienstvergehen das in ihn gesetzte Vertrauen seines Dienstherrn endgültig verloren, sodass diesem bei objektiver Betrachtung eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann. Dabei beantwortet sich die Frage nach der Vertrauenswürdigkeit eines Soldaten schon aus Gründen der Gleichbehandlung sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme ausschließlich nach den vom Wehrdienstgericht festgestellten objektiven Bemessungsgesichtspunkten und nicht nach der subjektiven Sicht konkreter einzelner Vorgesetzter (BVerwG, Urteil vom 2. November 2017 - 2 WD 3.17 - juris Rn. 75). Ohne Bedeutung bleibt daher, dass der Soldat nach den Pflichtverletzungen weiter Dienst geleistet und seine Leistungen in den beiden Folgejahren gesteigert hat. Ist das Vertrauensverhältnis - wie hier - endgültig zerstört, besteht für eine Nachbewährung kein Raum mehr (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. November 2017 - 2 WD 3.17 - juris Rn. 76).

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Ist die Höchstmaßnahme zu verhängen, kann auch eine überlange Verfahrensdauer keine maßnahmemildernde Wirkung mehr entfalten (BVerwG, Urteil vom 2. November 2017 - 2 WD 3.17 - juris Rn. 77). Daher kann dahingestellt bleiben, ob die Dauer des Disziplinarverfahrens verfassungs- und konventionswidrig unangemessen lang gewesen ist.

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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 139 Abs. 2 WDO, § 140 Abs. 2 Satz 1 WDO, da keine Gründe vorliegen, die es unbillig erscheinen ließen, den Soldaten seine notwendigen Auslagen tragen zu lassen.

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Soldatengesetz - SG | § 17 Verhalten im und außer Dienst


(1) Der Soldat hat Disziplin zu wahren und die dienstliche Stellung des Vorgesetzten in seiner Person auch außerhalb des Dienstes zu achten. (2) Sein Verhalten muss dem Ansehen der Bundeswehr sowie der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, di

Soldatengesetz - SG | § 10 Pflichten des Vorgesetzten


(1) Der Vorgesetzte soll in seiner Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben. (2) Er hat die Pflicht zur Dienstaufsicht und ist für die Disziplin seiner Untergebenen verantwortlich. (3) Er hat für seine Untergebenen zu sorgen. (4) E

Wehrdisziplinarordnung - WDO 2002 | § 38 Richtlinien für das Bemessen der Disziplinarmaßnahme


(1) Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen. (2) In der Regel ist

Wehrdisziplinarordnung - WDO 2002 | § 58 Arten der gerichtlichen Disziplinarmaßnahmen


(1) Gerichtliche Disziplinarmaßnahmen gegen Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit sind: 1. Kürzung der Dienstbezüge,2. Beförderungsverbot,3. Herabsetzung in der Besoldungsgruppe,4. Dienstgradherabsetzung und5. Entfernung aus dem Dienstverhältnis.

Soldatengesetz - SG | § 7 Grundpflicht des Soldaten


Der Soldat hat die Pflicht, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen.

Wehrdisziplinarordnung - WDO 2002 | § 91 Ergänzende Vorschriften


(1) Zur Ergänzung der Vorschriften dieses Gesetzes über das gerichtliche Disziplinarverfahren sind die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes, insbesondere über Sitzungspolizei, Gerichtssprache, Beratung und Abstimmung, und die Vorschriften der

Soldatengesetz - SG | § 1 Begriffsbestimmungen


(1) Soldat ist, wer auf Grund der Wehrpflicht oder freiwilliger Verpflichtung in einem Wehrdienstverhältnis steht. Staat und Soldaten sind durch gegenseitige Treue miteinander verbunden. (2) In das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten kann berufen

Wehrdisziplinarordnung - WDO 2002 | § 140 Notwendige Auslagen


(1) Die dem Soldaten erwachsenen notwendigen Auslagen sind dem Bund aufzuerlegen, wenn der Soldat freigesprochen oder das gerichtliche Disziplinarverfahren aus anderen als den in § 138 Abs. 2 bezeichneten Gründen eingestellt wird. (2) Die dem ver

Vorgesetztenverordnung - SVorgesV | § 4


(1) In den Kompanien und in den entsprechenden Einheiten sowie innerhalb der Besatzung eines Schiffes steht die Befugnis, im Dienst Befehle zu erteilen, zu 1. den Offizieren gegenüber allen Unteroffizieren und Mannschaften,2. den Unteroffizieren vom

Strafprozeßordnung - StPO | § 327 Umfang der Urteilsprüfung


Der Prüfung des Gerichts unterliegt das Urteil nur, soweit es angefochten ist.

Wehrdisziplinarordnung - WDO 2002 | § 139 Kosten bei Rechtsmitteln und Rechtsbehelfen


(1) Die Kosten eines erfolgreichen Rechtsmittels des Soldaten oder des Wehrdisziplinaranwalts, soweit dieser es zu Gunsten des Soldaten eingelegt hat, sind dem Bund aufzuerlegen. Die Kosten eines zu Ungunsten des Soldaten eingelegten und erfolgreiche

Wehrdisziplinarordnung - WDO 2002 | § 62 Dienstgradherabsetzung


(1) Die Dienstgradherabsetzung um einen oder mehrere Dienstgrade ist bei Offizieren bis zum niedrigsten Offizierdienstgrad ihrer Laufbahn zulässig. Diese Beschränkung gilt auch bei Offizieren, gegen die Disziplinarmaßnahmen nach § 58 Abs. 2 und 3 ver

Soldatengesetz - SG | § 12 Kameradschaft


Der Zusammenhalt der Bundeswehr beruht wesentlich auf Kameradschaft. Sie verpflichtet alle Soldaten, die Würde, die Ehre und die Rechte des Kameraden zu achten und ihm in Not und Gefahr beizustehen. Das schließt gegenseitige Anerkennung, Rücksicht un

Wehrdisziplinarordnung - WDO 2002 | § 63 Entfernung aus dem Dienstverhältnis


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(1) Wer einen Untergebenen entwürdigend behandelt oder ihm böswillig den Dienst erschwert, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer es fördert oder pflichtwidrig duldet, daß ein Untergebener die Tat gegen e

Wehrdisziplinarordnung - WDO 2002 | § 123 Verfahrensgrundsätze


Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen Niederschriften über die Aussagen der in der Hauptverhandlung des ersten Rechtszugs vernommenen Zeugen und Sachverständigen bei der Berichterstattung und der Beweisaufnahme verlesen werden. Wiederh

Soldatinnen- und Soldaten-Gleichbehandlungsgesetz - SoldGG | § 7 Benachteiligungsverbot


(1) Die in § 6 genannten Personen dürfen nicht wegen eines in § 1 Abs. 1 genannten Grundes benachteiligt werden. Dies gilt auch, wenn die Soldatin oder der Soldat, die oder der die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 Abs. 1 genannten G

Soldatinnen- und Soldaten-Gleichbehandlungsgesetz - SoldGG | § 3 Begriffsbestimmungen


(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 Abs. 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde

Vorgesetztenverordnung - SVorgesV | § 1 Unmittelbare Vorgesetzte


(1) Ein Soldat, der einen militärischen Verband, eine militärische Einheit oder Teileinheit führt oder der eine militärische Dienststelle leitet, hat die allgemeine Befugnis, den ihm unterstellten Soldaten in und außer Dienst Befehle zu erteilen. (2

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Bundesverwaltungsgericht Urteil, 14. Juni 2018 - 2 WD 15/17 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

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Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Juli 2017 - GSSt 3/17

bei uns veröffentlicht am 24.07.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS GSSt 3/17 vom 24. Juli 2017 Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja BGHR: ja Veröffentlichung: ja StGB §§ 21, 49 Abs. 1 Im Rahmen der bei der tatgerichtlichen Ermessensentscheidung über die Strafrahmenverschiebung

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(1) Zur Ergänzung der Vorschriften dieses Gesetzes über das gerichtliche Disziplinarverfahren sind die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes, insbesondere über Sitzungspolizei, Gerichtssprache, Beratung und Abstimmung, und die Vorschriften der Strafprozessordnung sowie § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung anzuwenden, soweit nicht die Eigenart des gerichtlichen Disziplinarverfahrens entgegensteht. An die Stelle der in diesen Gesetzen genannten Fristen von einer Woche tritt jeweils eine Frist von zwei Wochen. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Bundesgerichtshofs die Wehrdienstsenate beim Bundesverwaltungsgericht treten und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt; auf das Verfahren des Wehrdisziplinaranwalts vor Vorlage der Anschuldigungsschrift beim Truppendienstgericht sind sie jedoch nicht anzuwenden.

(2) Die Wehrdienstgerichte entscheiden mit einfacher Stimmenmehrheit.

Der Prüfung des Gerichts unterliegt das Urteil nur, soweit es angefochten ist.

(1) Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.

(2) In der Regel ist mit den milderen Disziplinarmaßnahmen zu beginnen und erst bei erneuten Dienstvergehen zu schwereren Disziplinarmaßnahmen überzugehen.

(3) Disziplinararrest soll erst dann verhängt werden, wenn vorausgegangene erzieherische Maßnahmen und Disziplinarmaßnahmen ihren Zweck nicht erreicht haben oder die Aufrechterhaltung der militärischen Ordnung eine disziplinare Freiheitsentziehung gebietet.

(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 Abs. 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.

(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 Abs. 1 genannten Grundes in besonderer Weise gegenüber anderen Personen benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

(3) Eine Belästigung als Form der Benachteiligung liegt vor, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 Abs. 1 oder 2 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(4) Eine sexuelle Belästigung als Form der Benachteiligung liegt vor, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(5) Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus einem in § 1 Abs. 1 genannten Grund gilt als Benachteiligung. Eine solche Anweisung liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu einem Verhalten bestimmt, das eine der in § 6 genannten Personen wegen eines in § 1 Abs. 1 genannten Grundes benachteiligt oder benachteiligen kann.

(1) Die in § 6 genannten Personen dürfen nicht wegen eines in § 1 Abs. 1 genannten Grundes benachteiligt werden. Dies gilt auch, wenn die Soldatin oder der Soldat, die oder der die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 Abs. 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.

(2) Jede Belästigung, sexuelle Belästigung und Anweisung zu einer solchen Handlungsweise ist eine Verletzung dienstlicher Pflichten und Soldatinnen und Soldaten untersagt.

Der Soldat hat die Pflicht, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen.

(1) Wer einen Untergebenen entwürdigend behandelt oder ihm böswillig den Dienst erschwert, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer es fördert oder pflichtwidrig duldet, daß ein Untergebener die Tat gegen einen anderen Soldaten begeht.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter sein Verhalten beharrlich wiederholt.

(1) Der Vorgesetzte soll in seiner Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben.

(2) Er hat die Pflicht zur Dienstaufsicht und ist für die Disziplin seiner Untergebenen verantwortlich.

(3) Er hat für seine Untergebenen zu sorgen.

(4) Er darf Befehle nur zu dienstlichen Zwecken und nur unter Beachtung der Regeln des Völkerrechts, der Gesetze und der Dienstvorschriften erteilen.

(5) Er trägt für seine Befehle die Verantwortung. Befehle hat er in der den Umständen angemessenen Weise durchzusetzen.

(6) Offiziere und Unteroffiziere haben innerhalb und außerhalb des Dienstes bei ihren Äußerungen die Zurückhaltung zu wahren, die erforderlich ist, um das Vertrauen als Vorgesetzte zu erhalten.

Der Zusammenhalt der Bundeswehr beruht wesentlich auf Kameradschaft. Sie verpflichtet alle Soldaten, die Würde, die Ehre und die Rechte des Kameraden zu achten und ihm in Not und Gefahr beizustehen. Das schließt gegenseitige Anerkennung, Rücksicht und Achtung fremder Anschauungen ein.

(1) Soldat ist, wer auf Grund der Wehrpflicht oder freiwilliger Verpflichtung in einem Wehrdienstverhältnis steht. Staat und Soldaten sind durch gegenseitige Treue miteinander verbunden.

(2) In das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten kann berufen werden, wer sich freiwillig verpflichtet, auf Lebenszeit Wehrdienst zu leisten. In das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit kann berufen werden, wer sich freiwillig verpflichtet, für begrenzte Zeit Wehrdienst zu leisten. Einen freiwilligen Wehrdienst als besonderes staatsbürgerliches Engagement kann leisten, wer sich dazu verpflichtet. Zu einem Wehrdienst in Form von Dienstleistungen kann außer Personen, die in einem Wehrdienstverhältnis nach Satz 1 oder 2 gestanden haben, auch herangezogen werden, wer sich freiwillig zu Dienstleistungen verpflichtet.

(3) Vorgesetzter ist, wer befugt ist, einem Soldaten Befehle zu erteilen. Durch Rechtsverordnung wird bestimmt, wer auf Grund seiner Dienststellung, seines Dienstgrades, besonderer Anordnung oder eigener Erklärung befehlen kann. Auf Grund des Dienstgrades allein besteht keine Befehlsbefugnis außerhalb des Dienstes. Durch eigene Erklärung darf eine Befehlsbefugnis nur zur Hilfeleistung in Notfällen, zur Aufrechterhaltung der Disziplin oder Sicherheit oder zur Herstellung einer einheitlichen Befehlsbefugnis in kritischer Lage begründet werden.

(4) Disziplinarvorgesetzter ist, wer Disziplinarbefugnis über Soldaten hat. Das Nähere regelt die Wehrdisziplinarordnung.

(5) Regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ist die innerhalb von zwölf Monaten durchschnittlich zu leistende wöchentliche Arbeitszeit.

(1) Ein Soldat, der einen militärischen Verband, eine militärische Einheit oder Teileinheit führt oder der eine militärische Dienststelle leitet, hat die allgemeine Befugnis, den ihm unterstellten Soldaten in und außer Dienst Befehle zu erteilen.

(2) In den Fachdienst der Untergebenen, die der Leitung und Dienstaufsicht von Fachvorgesetzten unterstehen, soll der unmittelbare Vorgesetzte nicht eingreifen.

(1) In den Kompanien und in den entsprechenden Einheiten sowie innerhalb der Besatzung eines Schiffes steht die Befugnis, im Dienst Befehle zu erteilen, zu

1.
den Offizieren gegenüber allen Unteroffizieren und Mannschaften,
2.
den Unteroffizieren vom Feldwebel an aufwärts gegenüber allen Stabsunteroffizieren, Unteroffizieren und Mannschaften,
3.
den Stabsunteroffizieren und den Unteroffizieren gegenüber allen Mannschaften.
An Bord von Schiffen haben die Angehörigen der Besatzung und deren unmittelbare Vorgesetzte in und außer Dienst Befehlsbefugnis nach Satz 1 auch gegenüber Soldaten, die sich nicht im Dienst befinden oder nicht zu bestimmtem Dienst eingeteilt sind, und gegenüber Soldaten, die nicht zur Besatzung gehören.

(2) In Stäben und anderen militärischen Dienststellen gilt Absatz 1 Satz 1 entsprechend, jedoch kann der Kommandeur oder der Leiter der Dienststelle die Befehlsbefugnis auf Untergliederungen des Stabes oder der Dienststelle beschränken.

(3) Innerhalb umschlossener militärischer Anlagen können Soldaten einer höheren Dienstgradgruppe den Soldaten einer niedrigeren Dienstgradgruppe in und außer Dienst Befehle erteilen.

(1) Der Vorgesetzte soll in seiner Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben.

(2) Er hat die Pflicht zur Dienstaufsicht und ist für die Disziplin seiner Untergebenen verantwortlich.

(3) Er hat für seine Untergebenen zu sorgen.

(4) Er darf Befehle nur zu dienstlichen Zwecken und nur unter Beachtung der Regeln des Völkerrechts, der Gesetze und der Dienstvorschriften erteilen.

(5) Er trägt für seine Befehle die Verantwortung. Befehle hat er in der den Umständen angemessenen Weise durchzusetzen.

(6) Offiziere und Unteroffiziere haben innerhalb und außerhalb des Dienstes bei ihren Äußerungen die Zurückhaltung zu wahren, die erforderlich ist, um das Vertrauen als Vorgesetzte zu erhalten.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
GSSt 3/17
vom
24. Juli 2017
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
BGHR: ja
Veröffentlichung: ja
Im Rahmen der bei der tatgerichtlichen Ermessensentscheidung über die
Strafrahmenverschiebung nach den §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gebotenen
Gesamtwürdigung aller schuldrelevanten Umstände kann eine selbstverschuldete
Trunkenheit die Versagung der Strafrahmenmilderung tragen,
auch wenn eine vorhersehbare signifikante Erhöhung des Risikos der Begehung
von Straftaten aufgrund der persönlichen oder situativen Verhältnisse
des Einzelfalls nicht festgestellt ist.
BGH, Beschluss vom 24. Juli 2017- GSSt 3/17 - LG Osnabrück
ECLI:DE:BGH:2017:240717BGSST3.17.0

in der Strafsache gegen

wegen Totschlags
Der Große Senat für Strafsachen hat durch die Präsidentin des Bundesgerichtshofs Limperg, den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum, die Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible, die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf und Dr. Schäfer, die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Schneider und die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. König, Prof. Dr. Krehl, Dr. Eschelbach, Dr. Quentin und Gericke am 24. Juli 2017 beschlossen:
Im Rahmen der bei der tatgerichtlichen Ermessensentscheidung über die Strafrahmenverschiebung nach den §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gebotenen Gesamtwürdigung aller schuldrelevanten Umstände kann eine selbstverschuldete Trunkenheit die Versagung der Strafrahmenmilderung tragen, auch wenn eine vorhersehbare signifikante Erhöhung des Risikos der Begehung von Straftaten aufgrund der persönlichen oder situativen Verhältnisse des Einzelfalls nicht festgestellt ist.

Gründe:

1
Die Vorlage betrifft eine Frage aus dem Bereich der Strafzumessung.

I.


2
1. In dem beim 3. Strafsenat anhängigen Verfahren hat das Landgericht den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt.
3
a) Nach den von der Strafkammer getroffenen Feststellungen tötete der Angeklagte mit bedingtem Vorsatz seinen Mitbewohner durch Gewalteinwirkung auf den Brust- und Bauchbereich sowie gegen den Kopf, nachdem beide gemeinsam Alkohol konsumiert hatten. Das Landgericht hat weder den Anlass der Tat noch den Grad der Alkoholisierung des Angeklagten festzustellen vermocht. Es ist sachverständig beraten davon ausgegangen, dass der Angeklagte bei erhalten gebliebener Unrechtseinsicht nicht ausschließbar auf Grund einer mittelgradigen Berauschung in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert war.
4
b) Die Strafkammer hat die Strafe dem Strafrahmen des § 212 Abs. 1 StGB entnommen. Für einen benannten minder schweren Fall des Totschlags (§ 213 Alternative 1 StGB) hat sie keinen Anhaltspunkt gefunden. Einen sonstigen minder schweren Fall (§ 213 Alternative 2 StGB) hat sie sowohl unter Berücksichtigung allein der allgemeinen Strafzumessungsgesichtspunkte als auch unter Hinzuziehung des wegen der Alkoholisierung des Angeklagten zum Tatzeitpunkt angenommenen vertypten Milderungsgrundes des § 21 StGB abgelehnt. Von einer Strafrahmenmilderung nach den §§ 21, 49 Abs. 1 StGB hat das Landgericht ebenfalls abgesehen. Es ist davon ausgegangen, dass dies im Fall einer alkoholbedingten erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit möglich sei, wenn diese auf verschuldeter Trunkenheit beruht. Eine Alkoholkrankheit oder -überempfindlichkeit des Angeklagten, die ein Verschulden hinsichtlich der Trunkenheit ausgeschlossen hätte, hat die Strafkammer nicht festgestellt.
5
Im Rahmen der konkreten Strafzumessung hat die Strafkammer auf die Erwägungen zur Frage des Vorliegens eines unbenannten minder schweren Falles gemäß § 213 Alternative 2 StGB Bezug genommen und sodann zuguns- ten des Angeklagten dessen durch die Alkoholisierung als konstellativem Faktor beeinflusste affektive Aufladung in der Tatsituation mildernd berücksichtigt.
6
Der Angeklagte hat die Verurteilung mit der Revision umfassend angegriffen und die Verletzung materiellen Rechts beanstandet.
7
Der 3. Strafsenat hält die Entscheidung des Landgerichts für rechtsfehlerfrei und beabsichtigt, dem Antrag des Generalbundesanwalts entsprechend die Revision des Angeklagten zu verwerfen. Er versteht die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil dahin, die Strafkammer habe die Strafrahmenverschiebung in Ausübung tatgerichtlichen Ermessens abgelehnt. Das Landgericht sei nicht davon ausgegangen, das selbstverantwortliche Sich-Berauschen des Täters vor der Tat führe von Rechts wegen regelmäßig zur Versagung der Strafrahmenmilderung. Dafür spreche zum einen der Umstand, dass die Ausführungen auf den Beschluss des Senats vom 2. August 2012 (3 StR 216/12, NStZ 2012, 687, 688) verwiesen, dem sich erstgenannter Rechtssatz nicht entnehmen lasse. Sie nähmen gerade nicht auf das Senatsurteil vom 27. März 2003 (3 StR 435/02, BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 31) Bezug, in dem dieser die Ansicht vertreten hat, dass eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB in der Regel ausscheide, wenn die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Täters auf verschuldeter Trunkenheit beruhe. Zum anderen habe das Landgericht ausdrücklich seinen rechtlichen Ansatz dergestalt umschrieben, dass bei verschuldeter Trunkenheit die Versagung der Strafrahmenverschiebung - lediglich - "in Betracht kommt".
8
Der 3. Strafsenat ist der Auffassung, das Tatgericht übe sein Ermessen bei der Entscheidung über die Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB grundsätzlich nicht fehlerhaft aus, wenn es im Rahmen einer Gesamtwürdigung der schuldrelevanten Umstände die Versagung der Milderung allein auf den Umstand stütze, dass die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Täters auf selbstverschuldeter Trunkenheit beruhe. Gleiches gilt nach seiner Ansicht für die Entscheidung über die Annahme eines minder schweren Falles. Bereits das selbstverantwortliche Sich-Betrinken des Täters vor der Tat sei ein schulderhöhender Umstand, weil eine alkoholische Berauschung generell das Risiko strafbaren Verhaltens, insbesondere im Bereich der Gewalt- und Sexualdelikte, erhöhe. Dieses dem Alkoholrausch selbst innewohnende Risiko zähle zum Allgemeinwissen. Der Alkoholrausch stelle somit erkennbar eine abstrakte Gefahr für strafrechtlich geschützte Rechtsgüter dar, die sich, falls der Berauschte eine rechtswidrige Tat begehe, in der konkreten Rechtsgutsgefährdung oder -verletzung realisiere. Insoweit habe das selbstverantwortliche Sich-Betrinken Einfluss auf die Tatschuld, auch wenn eine durch den Alkoholkonsum bedingte, vorhersehbare signifikante Erhöhung des Risikos der Begehung von Straftaten aufgrund der persönlichen oder situativen Umstände des Einzelfalls nicht festgestellt sei.
9
Der 3. Strafsenat hat deshalb bei den anderen Strafsenaten gemäß § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG angefragt, ob diese an (gegebenenfalls) entgegenstehender Rechtsprechung festhalten (BGH, Beschluss vom 15. Oktober2015 - 3 StR 63/15, NStZ 2016, 203).
10
Hierauf haben der 1., 2. und 5. Strafsenat mitgeteilt, ihre Rechtsprechung stehe der beabsichtigten Entscheidung des 3. Strafsenats entgegen; sie hielten an dieser fest (BGH, Beschlüsse vom 10. Mai 2016 - 1 ARs 21/15; vom 7. November 2016 - 2 ARs 386/15, NStZ-RR 2017, 70; vom 1. März 2016 - 5 ARs 50/15). Der 5. Strafsenat hat ausgeführt, ein Fall selbst zu verantwor- tender Trunkenheit spreche in der Regel gegen eine Strafrahmenverschiebung, wenn sich aufgrund der persönlichen oder situativen Verhältnisse des Einzelfalls das Risiko der Begehung von Straftaten vorhersehbar signifikant infolge der Alkoholisierung erhöht habe, und zur weiteren Begründung auf die Ausführungen in seinem Urteil vom 17. August 2004 (5 StR 93/04, BGHSt 49, 239) Bezug genommen. Der 1. Strafsenat hat darauf hingewiesen, dass seine Rechtsprechung an diese Entscheidung anknüpfe, und sich - soweit ersichtlich - erstmals die vom 5. Strafsenat aufgestellten Kriterien zur vorhersehbar signifikanten Risikoerhöhung zu eigen gemacht. Schulderhöhende Umstände könnten dann zur Versagung einer Strafrahmenverschiebung nach den §§ 21, 49 Abs. 1 StGB führen, wenn sie die infolge der Herabsetzung der Schuldfähigkeit verminderte Tatschuld aufwögen. Dies sei bei einer selbst verschuldeten Trunkenheit ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht der Fall. Der 2. Strafsenat hat darüber hinaus ausgeführt, die Auffassung des 3. Strafsenats greife mit Blick auf den Schuldgrundsatz zu kurz und lasse insbesondere unberücksichtigt , dass jede Schulderhöhung wenigstens einfache Fahrlässigkeit voraussetze. Er hat weiter geäußert, nicht nachvollziehen zu können, wie eine Gesamtwürdigung aller relevanten Gesichtspunkte ermessensfehlerfrei vorgenommen worden sein könne, wenn das Tatgericht die Versagung der Strafrahmenmilderung allein und damit ausschließlich auf einen Umstand gestützt habe.
11
Der 4. Strafsenat hat die Anfrage dahin verstanden, dass nach Ansicht des 3. Strafsenats die Entscheidung über die Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB eine Ermessensentscheidung des Tatgerichts sei und im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung im Einzelfall die selbst verschuldete Trunkenheit die Versagung der Strafmilderung tragen könne, auch wenn eine vorhersehbare signifikante Erhöhung des Risikos der Begehung von Straf- taten aufgrund der persönlichen oder situativen Verhältnisse nicht festgestellt sei. Soweit der so verstandenen Anfrage seine bisherige Rechtsprechung entgegenstehe , halte er daran nicht fest. Im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung aller schuldrelevanten Umstände sei die selbst verschuldete Trunkenheit ein - neben anderen - zu berücksichtigender Umstand. Feste Regeln, die das Tatgericht bei der Abwägung zu beachten, und Vorgaben, welches Gewicht es einzelnen Umständen beizumessen habe, befürworte der Senat nicht (Beschluss vom 28. April 2016 - 4 ARs 16/15, NStZ-RR 2016, 305 f.).
12
Der 3. Strafsenat hat daraufhin mit Beschluss vom 20. Dezember 2016 (vgl. hierzu Beukelmann, NJW-Spezial 2017, 184) unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung (vgl. Beschlüsse vom 1. August 1975 - 3 StR 212/75, BeckRS 1975, 00206; vom 28. Oktober 1985 - 3 StR 189/85, NStZ 1986, 114, 115) dem Großen Senat für Strafsachen wegen Divergenz gemäß § 132 Abs. 2 GVG und wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 132 Abs. 4 GVG folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt: Kann der Tatrichter im Rahmen der nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gebotenen Gesamtwürdigung aller schuldrelevanten Umstände die Ermessensentscheidung, von einer Strafrahmenverschiebung abzusehen, rechtsfehlerfrei allein darauf stützen, dass die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten auf von diesem verschuldeter Trunkenheit beruht, auch wenn eine durch die Trunkenheit bedingte, vorhersehbare signifikante Erhöhung des Risikos der Begehung von Straftaten auf Grund der persönlichen oder der situativen Verhältnisse des Einzelfalls nicht festgestellt ist?
13
Der Generalbundesanwalt erachtet die Vorlage für zulässig und beantragt , im Sinne der Anfrage des 3. Strafsenats zu entscheiden.
14
Der Angeklagte hat sich der Ansicht des 1., 2. und 5. Strafsenats angeschlossen.

II.


15
Die Vorlegungsfrage ist angesichts des sachlichen Anliegens des 3. Strafsenats sprachlich nicht völlig eindeutig gefasst, soweit dort darauf abgestellt wird, ob das Tatgericht seine Entscheidung über die Strafrahmenmilderung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB allein auf den Umstand einer vom Täter selbst verschuldeten Trunkenheit stützen könne. Diese Formulierung kann - wie die Ausführungen des 2. und des 4. Strafsenats belegen - dahin verstanden werden, dass es für die Entscheidung ausschließlich auf diesen bestimmten Gesichtspunkt ankommen soll. Dieser Sinngehalt ist vor dem Hintergrund der im hier relevanten Zusammenhang erforderlichen, auch vom 3. Strafsenat für rechtlich geboten gehaltenen Gesamtwürdigung aller schuldrelevanten Umstände nicht plausibel. Die Vorlegungsfrage ist deshalb in Anlehnung an die diesbezüglichen Erwägungen des 4. Strafsenats wie folgt neu zu fassen: Kann im Rahmen der bei der tatgerichtlichen Ermessensentscheidung über die Strafrahmenverschiebung nach den §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gebotenen Gesamtwürdigung aller schuldrelevanten Umstände eine selbstverschuldete Trunkenheit die Versagung der Strafmilderung tragen, auch wenn eine vorhersehbare signifikante Erhöhung des Risikos der Begehung von Straftaten aufgrund der persönlichen oder situativen Verhältnisse des Einzelfalls nicht festgestellt ist?

III.


16
Die Vorlegung ist gemäß § 132 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 GVG zulässig.
17
1. Sie betrifft die rechtlichen Maßstäbe, an denen sich die Ausübung des durch § 21 StGB den Tatgerichten eingeräumten Ermessens auszurichten hat, und damit eine Rechtsfrage i.S.d. § 132 Abs. 2 GVG.
18
2. Der 3. Strafsenat kann die im Ausgangsverfahren eingelegte Revision nach seinem vertretbaren und deshalb vom Großen Senat für Strafsachen hinzunehmenden Verständnis der Gründe des landgerichtlichen Urteils nur dann verwerfen, wenn er - abweichend von der aufrechterhaltenen Rechtsauffassung des 1., 2. und 5. Strafsenats (§ 132 Abs. 3 Satz 1 GVG) - dem Tatgericht zubilligt , im Rahmen der nach den §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gebotenen Gesamtwürdigung aller schuldrelevanten Umstände die Vorwerfbarkeit der zur erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit führenden Trunkenheit zu berücksichtigen, ohne dass zusätzlich eine signifikante Erhöhung des Risikos strafbaren Handelns auf Grund der persönlichen oder situativen Verhältnisse des Einzelfalles festgestellt ist.
19
3. Die zur Entscheidung gestellte Rechtsfrage ist zudem von grundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 4 GVG); die ihr zugrunde liegende Konstellation prägt eine Vielzahl der Fälle, in denen über eine Strafrahmenmilderung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB zu entscheiden ist.

IV.


20
Der Große Senat für Strafsachen beantwortet die Vorlegungsfrage in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Sinne.
21
1. In Rechtsprechung und Literatur besteht für die Fälle der auf verschuldeter Trunkenheit beruhenden erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Täters bei Tatbegehung keine Einigkeit über die Voraussetzungen, unter denen der Tatrichter die fakultative Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB ablehnen darf oder gar muss.
22
a) Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelte sich wie folgt:
23
aa) Unter Hinweis auf das Urteil des Obersten Gerichtshofs für die Britische Zone vom 10. Januar 1950 (StS 427/49, OGHSt 2, 324) befand der Bundesgerichtshof - noch zur Vorgängerregelung des § 51 Abs. 2 StGB aF - anfänglich , dass in "der Regel die selbstverschuldete Trunkenheit Anlaß sein (wird), die Strafe nicht zu mildern" (Urteil vom 2. August 1951 - 3 StR 395/51, bei Dallinger MDR 1951, 657). Sodann beanstandete er indes eine die Strafmilderung ablehnende tatrichterliche Entscheidung, die damit begründet worden war, dass bei bestimmten Delikten grundsätzlich von der "Kann"-Vorschrift des § 51 Abs. 2 StGB aF kein Gebrauch zu machen sei, soweit die erheblich verminderte Zurechnungsfähigkeit des Täters auf "Angetrunkenheit" beruhe. Er monierte, dass der Tatrichter diese Möglichkeit jedenfalls hätte erwägen müssen (Urteil vom 10. September 1953 - 2 StR 695/52, NJW 1953, 1760). In der Folgezeit äußerte er sich weiterhin in der Tendenz ablehnend gegenüber einer Strafmilderung bei vorwerfbarer Alkoholisierung (Urteil vom 16. Januar 1962 - 5 StR 588/61, Umdr. S. 4 [unveröffentl.]; zu weiteren ähnlichen Entscheidungen des BGH aus den Jahren 1954 und 1960 vgl. Foth, DRiZ 1990, 417, 418; Schnarr in Hettinger [Hrsg.], Reform des Sanktionenrechts, Bd. 1, 2001, S. 1, 49 ff.).
24
bb) In den 1970er Jahren änderte sich die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wesentlich. Mit Beschluss vom 24. März 1972 (2 StR 413/71, bei Dallinger, MDR 1972, 570) äußerte er die Auffassung, dem im Zustand erheblich verminderter Zurechnungsfähigkeit handelnden Täter dürfe allein der hierfür ursächliche übermäßige Alkoholkonsum "nicht zum Nachteil gereichen"; vielmehr müssten weitere auf die abzuurteilende Tat bezogene Umstände hinzutreten. Als einen solchen Umstand erkannte er an, dass der Täter bereits früher unter Alkoholeinwirkung Straftaten begangen hatte und diesem daher bewusst war oder zumindest hätte bewusst sein können, dass er nach dem Alkoholkonsum zu Straftaten neigt (vgl. Beschlüsse vom 24. März 1972 - 2 StR 413/71, aaO; vom 1. August 1975 - 3 StR 212/75, BeckRS 1975, 00206; vom 26. Juli 1977 - 1 StR 317/77, bei Holtz, MDR 1977, 982; ähnlich Urteil vom 21. September 1971 - 5 StR 410/71, bei Dallinger, MDR 1972, 16; Beschluss vom 14. Oktober 1980 - 1 StR 498/80, BeckRS 1980, 02962).
25
In den Folgejahren präzisierte und verschärfte der Bundesgerichtshof die Anforderungen an das vorhersehbar die Neigung zu Straftaten begründende deliktische Vorverhalten, allerdings mit Unterschieden im Detail (vgl. Urteile vom 30. Oktober 1986 - 4 StR 501/86, BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 3; vom 6. Mai 1993 - 1 StR 136/93, NJW 1993, 2544, 2545; Beschlüsse vom 28. Oktober 1985 - 3 StR 189/85, NStZ 1986, 114, 115; vom 13. Juni 1986 - 2 StR 276/86, BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 14; vom 7. September 1989 - 4 StR 433/89, BGHR StGB § 21 Vorverschulden 1; vom 7. Januar 2003 - 4 StR 490/02, NStZ-RR 2003, 136, 137; ferner Urteile vom 6. März 1986 - 4 StR 48/86, BGHSt 34, 29, 33; vom 29. April 1997 - 1 StR 511/95, BGHSt 43, 66, 78; Beschlüsse vom 25. Januar 1991 - 5 StR 600/90, BGHR StGB § 177 Abs. 2 Strafrahmenwahl 7; vom 16. Februar 1993 - 5 StR 675/92, StV 1993, 355 f.).
26
cc) Mit Urteil vom 27. März 2003 (3 StR 435/02, BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 31) erklärte der 3. Strafsenat, er wolle an dieser Rechtsprechung nicht mehr festhalten. Er führte - nicht tragend - aus, dass eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB in der Regel nicht in Betracht komme, wenn die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Täters auf verschuldeter Trunkenheit beruhe. Insbesondere sei eine vorangegangene Straffälligkeit des Täters unter Alkoholeinfluss in einem Ausmaß, dass dieser damit rechnen könne, unter Alkoholeinfluss ein der Anlasstat vergleichbares Delikt zu begehen, nicht erforderlich.
27
dd) Der 1. und der 2. Strafsenat äußerten sich zunächst dem Grunde nach aufgeschlossen gegenüber einer Rechtsprechungsänderung (vgl. Urteile vom 9. Juli 2003 - 2 StR 106/03, BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 32; vom 16. September 2004 - 1 StR 233/04, BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 36; vom 19. Oktober 2004 - 1 StR 254/04, BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 37; offen gelassen in den Beschlüssen vom 5. August 2003 - 1 StR 302/03, bei Schäfer, JR 2004, 425 f.; vom 10. September 2003 - 2 StR 304/03, bei Schäfer aaO, S. 426). Soweit es in der Folgezeit entscheidungserheblich darauf ankam, folgten sie allerdings mit leichten Abwandlungen der zuvor entwickelten Ansicht (1. Strafsenat: Beschluss vom 25. März 2014 - 1 StR 65/14, NStZ-RR 2014, 238, 239; vgl. ferner Beschlüsse vom 23. April 2013 - 1 StR 105/13, juris Rn. 9; vom 10. November 2016 - 1 StR 501/16, juris Rn. 4; 2. Strafsenat: Urteile vom 15. Februar 2006 - 2 StR 419/05, BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 40; vom 24. August 2016 - 2 StR 504/15, juris Rn. 24).
28
ee) Der 5. Strafsenat pflichtete in einer ausführlich begründeten Grundsatzentscheidung (Urteil vom 17. August 2004 - 5 StR 93/04, BGHSt 49, 239) dem Anliegen des 3. Strafsenats, zu einer Änderung der Rechtsprechung zu gelangen, prinzipiell bei. In der Sache entschied er sodann dahin, für die Ablehnung der Strafrahmenmilderung sei zwar nicht erforderlich, dass der Täter schon einmal unter Alkoholeinfluss vergleichbare Straftaten begangen habe. Auch müsse das Vorverhalten nicht zu Vorstrafen oder einem Strafverfahren geführt haben. Die generelle Steigerung des Risikos der Begehung strafbarer Handlungen nach Alkoholgenuss reiche aber für sich allein nicht aus, um den Schuldgehalt der Tat zu erhöhen und schon deshalb die regelmäßige Ablehnung einer Strafrahmenverschiebung bei selbstverschuldeter Trunkenheit zu rechtfertigen. Diese komme vielmehr nur in Betracht, "wenn sich aufgrund der persönlichen oder situativen Verhältnisse des Einzelfalls das Risiko der Begehung von Straftaten vorhersehbar signifikant infolge der Alkoholisierung erhöht" habe (vgl. im Einzelnen auch Urteile vom 11. Juni 2008 - 5 StR 612/07, NStZ 2008, 619, 620; vom 29. Oktober 2008 - 5 StR 456/08, NStZ 2009, 202, 203; vom 7. Mai 2009 - 5 StR 64/09, NStZ 2009, 496, 497; Beschlüsse vom 13. Januar 2010 - 5 StR 510/09, NStZ-RR 2010, 234, 235; vom 10. März 2010 - 5 StR 62/10, juris Rn. 10; Urteil vom 1. Dezember 2011 - 5 StR 360/11, juris Rn. 26).
29
ff) Der 4. Strafsenat schloss sich der Rechtsprechung des 5. Strafsenats an und verneinte in Fällen, in denen der Angeklagte bislang niemals unter Alkoholeinfluss aggressiv (Urteil vom 15. Dezember 2005 - 4 StR 314/05, NStZ 2006, 274, 275) bzw. nicht wegen eines Gewaltdelikts verurteilt war (Urteil vom 23. Februar 2006 - 4 StR 444/05, NStZ-RR 2006, 185, 186), eine signifikante Risikoerhöhung.
30
gg) Der 3. Strafsenat war nach seiner Entscheidung vom 27. März 2003 nur mit Fallgestaltungen befasst, in denen die zur erheblich verminderten Schuldfähigkeit führende Trunkenheit vom Angeklagten jeweils nicht oder nur eingeschränkt verschuldet war (vgl. Urteil vom 12. Juni 2008 - 3 StR 84/08, NStZ 2009, 258 f.; Beschlüsse vom 16. Januar 2008 - 3 StR 479/07, NStZ 2008, 330; vom 2. August 2012 - 3 StR 216/12, NStZ 2012, 687, 688).
31
b) Im Schrifttum stieß die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs , insbesondere die Entscheidung des 5. Strafsenats vom 17. August 2004, überwiegend auf eine positive Resonanz (vgl. Fischer, StGB, 64. Aufl., § 21 Rn. 25, 25b; SSW-StGB/Kaspar, 3. Aufl., § 21 Rn. 28; Matt/Renzikowski/Safferling, StGB, § 21 Rn. 22; Schäfer/Sander/van Gemmeren , Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl., Rn. 1016 ff.; LK/Schöch, StGB, 12. Aufl., § 21 Rn. 52, 54 f. mwN; noch weitergehend - Anwendung der Grundsätze der actio libera in causa - SK-StGB/Rudolphi, 38. Lfg., § 21 Rn. 4b; S/S-Perron/Weißer, StGB, 29. Aufl., § 21 Rn. 21; NK-StGB/Schild, 4. Aufl., § 21 Rn. 18; MüKoStGB/Streng, 3. Aufl., § 21 Rn. 26; vgl. auch AnwK-StGB/Conen, 2. Aufl., § 21 Rn. 41, 43). Die Entscheidung des 3. Strafsenats vom 27. März 2003 erfuhr dagegen nur vereinzelt Zustimmung (vgl. Foth, NStZ 2003, 597 sowie - tendenziell - Detter, NStZ 2003, 471, 472), ganz überwiegend aber Widerspruch :
32
Die Berufung auf die Intentionen des historischen Gesetzgebers sei nicht zulässig, da diese gerade nicht zum Inhalt der Norm geworden seien (vgl. Baier , JA 2004, 104, 106; Neumann, StV 2003, 527, 528; Rau, JR 2004, 401, 405; Scheffler, Blutalkohol 2003, 449). Dem Willen des historischen Gesetzgebers des Jahres 1933 könne heute ohnedies keine entscheidende Bedeutung zukommen , weil er die Versagung der Strafrahmenmilderung als kriminalpolitisch motivierte Ausnahme von dem Grundsatz einer schuldangemessenen Bestrafung verstanden habe, die unter der Geltung des Grundgesetzes nicht mehr in Betracht komme (vgl. Frister, JZ 2003, 1019; Verrel/Hoppe, JuS 2005, 308,

310).


33
Die durch die Trunkenheit bewirkte Reduzierung der Schuld, die in der Strafrahmenverschiebung zum Ausdruck komme, könne im Bereich der schweren Kriminalität allein durch das selbstverantwortliche Sich-Berauschen nicht ausgeglichen werden. Da nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB der Strafrahmen proportional zur Höchst- und Mindeststrafe herabgesetzt werde, gehe das Gesetz nämlich davon aus, dass sich das wegen der erheblich verminderten Schuldfähigkeit abzuziehende "Schuldquantum" entsprechend der Schwere des Delikts vergrößere (vgl. Frister aaO, S. 1019 f.; Neumann aaO, S. 530 f.).
34
Das Spannungsverhältnis zu § 323a StGB sei gesetzlich angelegt in den streng voneinander zu unterscheidenden Bezugspunkten des strafrechtlichen Vorwurfs, dem Sich-Berauschen einerseits und der Straftat andererseits (vgl. Duensing, StraFo 2005, 15, 22; Rau aaO, S. 404). Es könne im Bereich der mittleren Kriminalität dadurch aufgelöst werden, dass die Strafe wegen Vollrausches durch den nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen der Rauschtat nach oben begrenzt werde (vgl. Baier aaO; Neumann aaO, S. 529). Des Weiteren wurde es teilweise für notwendig erachtet, zur Angleichung auch bei § 323a StGB vorauszusetzen, dass der Täter seine Rauschtat vorhersehen können müsse; die Deutung des Vollrauschtatbestandes als abstraktes Gefährdungsdelikt und damit der Rauschtat als objektive Bedingung der Strafbarkeit verstoße gegen das Schuldprinzip und sei mithin nicht haltbar (vgl. Neumann aaO, S. 530; Scheffler aaO, S. 450; Streng, NJW 2003, 2963, 2965).
35
Schließlich könne die Sondervorschrift des § 7 WStG nicht als Argument für die Versagung einer Strafrahmenmilderung dienen; denn sie sei allein den Besonderheiten des Wehrstrafrechts geschuldet und daher nicht verallgemeinerungsfähig (vgl. Baier aaO, S. 107; Duensing aaO; Rau aaO, S. 404; Streng aaO, S. 2964; Verrel/Hoppe aaO, S. 310 f.). Die Vorschrift sei ihrerseits - bei wortlautgetreuer Anwendung - nicht mit dem Grundsatz schuldangemessenen Strafens zu vereinbaren (vgl. Frister aaO, S. 1020; Neumann aaO, S. 530).
36
2. Den bisher vertretenen Auffassungen ist somit gemein, dass sie - sei es in Form einer Regelvermutung, sei es für bestimmte Gesichtspunkte - weitgehende inhaltliche Vorgaben für die Beantwortung der Frage machen, unter welchen Voraussetzungen eine Strafrahmenmilderung nach den §§ 21, 49 Abs. 1 StGB vorzunehmen ist bzw. zu unterbleiben hat. Sie werden damit dem Umstand, dass die betreffende Entscheidung nach den gesetzlichen Vorgaben im pflichtgemäßen Ermessen der Tatgerichte steht, nicht in ausreichendem Maße gerecht. Dessen eingedenk sind für die Beantwortung der Vorlegungsfrage folgende Erwägungen maßgebend:
37
Die tatgerichtliche Ermessensentscheidung nach den §§ 21, 49 Abs. 1 StGB ist vom Revisionsgericht nur eingeschränkt überprüfbar. Bei Anwendung der insoweit geltenden Maßstäbe ist das Absehen von der Strafmilderung nicht allein deshalb rechtsfehlerhaft, weil das Tatgericht im Rahmen der vorzuneh- menden Gesamtwürdigung aller schuldrelevanten Umstände maßgeblich darauf abgestellt hat, dass der Angeklagte die Trunkenheit selbst verschuldete; dies gilt auch, wenn eine vorhersehbare signifikante Erhöhung des Risikos der Begehung von Straftaten aufgrund der persönlichen oder situativen Verhältnisse nicht festgestellt ist. Denn das selbstverschuldete Sich-Betrinken stellt einen schulderhöhenden Umstand dar, der bereits für sich genommen die aufgrund der erheblichen Verminderung der Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, herabgesetzte Tatschuld kompensieren kann. Dies folgt insbesondere aus den allgemein bekannten Folgen des Alkoholkonsums sowie seiner Bewertung im sonstigen Bereich der Strafzumessung, einem Vergleich zum Regelungsgehalt der § 323a StGB, § 122 OWiG und steht mit dem Willen des Gesetzgebers in Einklang. Im Einzelnen :
38
a) Bei § 21 StGB handelt es sich um einen Schuldminderungsgrund, an den eine Strafzumessungsregel anknüpft (h.M., vgl. LK/Schöch, StGB, 12. Aufl., § 21 Rn. 1 mwN; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 21 Rn. 2; S/SPerron /Weißer, StGB, 29. Aufl., § 21 Rn. 1; SSW-StGB/Kaspar, 3. Aufl., § 21 Rn. 1; Duensing, StraFo 2005, 15, 18, 21 mwN; Schnarr, Alkohol als Strafmilderungsgrund , in: Hettinger, Reform des Sanktionenrechts, 2001, S. 40; aA - Strafzumessungsgrund: Foth, NStZ 2003, 597 ff.; BeckOK-StGB/Eschelbach, 33. Ed., Einl. zu § 21). Der vermindert schuldfähige Täter ist für seine Tat verantwortlich und wird deshalb für sie bestraft. Mit der Möglichkeit der Strafmilderung trägt § 21 StGB indes der Tatsache Rechnung, dass normabweichende psychologische Zustandsbilder es einem Schuldfähigen erheblich schwerer machen können, sich normgerecht zu verhalten (vgl. LK/Schöch, aaO, § 21 Rn. 1 mwN; Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 21 Rn. 1; S/S-Perron/Weißer, aaO, § 21 Rn. 1; Fischer, aaO, § 21 Rn. 2), weswegen die vom Gesetz für den Regelfall vorgesehene Strafe möglicherweise das schuldangemessene Strafmaß übersteigt.
39
Der Schuldgehalt der Tat bestimmt sich allerdings nicht allein nach dem Grad der Schuldfähigkeit des Täters, sondern nach den gesamten für die Tatschuld relevanten Umständen des Einzelfalls. Es ist möglich, dass die Tat trotz verminderter Schuldfähigkeit des Täters ihrem Schuldgehalt nach immer noch schwerer wiegt als der denkbar leichteste Regelfall, der dem Gesetzgeber bei der Bestimmung der Regelstrafdrohung eines Delikts vorgeschwebt hat. Dem trägt die Vorschrift des § 21 StGB Rechnung, indem sie lediglich eine fakultative Strafmilderung vorsieht (vgl. BT-Drucks. IV/650, S. 142 linke Spalte). Die von Teilen der Literatur vertretene Gegenauffassung, nach der eine Versagung der Strafrahmenverschiebung das Schuldprinzip missachte und § 21 StGB deshalb - entgegen dem Gesetzeswortlaut - in eine zwingend anzuwendende Milderungsvorschrift umgedeutet werden müsse (vgl. S/S-Perron/Weißer, aaO, § 21 Rn. 19, 21; Maurach-Zipf, Strafrecht AT, 5. Aufl., 1977, Teilbd. 1, S. 529; Schmidhäuser, Strafrecht AT, 2. Aufl., 1975, S. 778 Fn. 23; Stratenwerth, Strafrecht AT Bd. I, 2. Aufl., 1976, S. 165; Lenckner, in Göppinger/Witter, Handbuch der forensischen Psychiatrie, 1972, Bd. I, S. 129 ff.; Jacobs, Strafrecht AT, 2. Aufl., 1991, 18. Abschn. Rn. 33; Rautenberg, Verminderte Schuldfähigkeit, S. 180 ff.), überzeugt vor diesem Hintergrund nicht. Denn die verminderte Schuldfähigkeit verringert die Tatschuld nicht in allen Fällen so stark, dass der weniger gewichtige Schuldgehalt im Normalstrafrahmen nicht zutreffend erfasst werden kann (LK/Schöch, aaO, § 21 Rn. 40; vgl. auch Schnarr, aaO, S. 1, 66 ff.).
40
b) Über die fakultative Strafrahmenverschiebung nach den §§ 21, 49 Abs. 1 StGB entscheidet das Tatgericht nach seinem pflichtgemäßen Ermes- sen auf Grund einer Gesamtwürdigung der im Einzelfall bedeutsamen Umstände. Dabei folgt aus dem für die Regelung des § 21 StGB wesentlichen Schuldprinzip auch, dass die tatgerichtliche Ermessensentscheidung, ob eine Strafmilderung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB vorzunehmen oder zu versagen ist, nach dem Schuldgehalt der Tat, also unter Berücksichtigung aller schuldrelevanten Umstände des Einzelfalls, zu treffen ist (vgl. BGH, Urteile vom 10. November 1954 - 5 StR 476/54, BGHSt 7, 28, 30 f.; vom 11. Juni 2008 - 5 StR 612/07, NStZ 2008, 619, 620, und vom 24. August 2016 - 2 StR 504/15, aaO, 40, 42; Beschlüsse vom 4. September 1992 - 2 StR 380/92, BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 24; vom 7. Januar 2003 - 4 StR 490/02, NStZRR 2003, 136; vom 23. Juni 2010 - 2 StR 222/10, NStZ-RR 2010, 336; vom 7. September 2015 - 2 StR 350/15, aaO). Diese in ständiger Rechtsprechung durch den Bundesgerichtshof vertretene Auffassung wird in der Literatur überwiegend geteilt (vgl. insb. LK/Schöch, aaO, § 21 Rn. 1 mwN; LK/Jähnke, StGB, 11. Aufl., § 21 Rn. 18; MüKo/StGB/Streng, 3. Aufl., § 21 Rn. 20 ff.; Fischer, aaO, § 21 Rn. 20; SSW-StGB/Kaspar, aaO, § 21 Rn. 16 ff.; Roxin, Strafrecht AT, Bd. I, 4. Aufl., 2006, § 20 Rn. 41; Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts , Allgemeiner Teil, 5. Aufl., 1996, S. 443 f.; Bruns, Strafzumessungsrecht, 2. Aufl., 1974, S. 524 ff.). Auch nach dem Standpunkt des Bundesverfassungsgerichts verstößt die Versagung der Milderung trotz Vorliegens der Voraussetzungen des § 21 StGB selbst bei Anwendung der lebenslangen Freiheitsstrafe nicht gegen das Schuldprinzip, wenn die Strafe wegen beträchtlich schulderhöhender Umstände verhältnismäßig ist (BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 1978 - 1 BvR 983/78, BVerfGE 50, 5). Demgegenüber dürfen schuldindifferente Faktoren, insbesondere Präventionserwägungen, bei der Entscheidung über die Strafrahmenverschiebung nicht berücksichtigt werden (MüKo/StGB/Streng, aaO, § 21 Rn. 21; LK/Schöch, aaO, § 21 Rn. 44; NK-StGB/Schild, 4. Aufl., § 21 Rn. 30; SSW-StGB/Kaspar, aaO; Roxin, aaO, § 20 Rn. 39). Deshalb könnten Überlegungen, die etwa an die "sittliche Schuld" der Selbstintoxikation anknüpfen (vgl. Rautenberg, DtZ 1997, 45, 47) oder generalpräventiv das Bewusstsein der Rechtsgemeinschaft von der Gefährlichkeit des Alkoholkonsums stärken sollen, eine Versagung der Strafrahmenmilderung von vornherein nicht tragen (vgl. MüKo/StGB/Streng, aaO, § 21 Rn. 21 mwN).
41
c) Von diesen Maßgaben ausgehend ist es Aufgabe des Tatgerichts, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen ent- und belastenden Umstände festzustellen, einer wertenden Betrachtung zu unterziehen und gegeneinander abzuwägen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. April 2016 - 4 ARs 16/15, NStZ-RR 2016, 305 mwN). Welchen Umständen es bestimmendes Gewicht beimisst, ist im Wesentlichen seiner Beurteilung überlassen (vgl. BGH, Urteile vom 2. August 2012 - 3 StR 132/12, NStZ-RR 2012, 336 f.; vom 24. August 2016 - 2 StR 504/15, juris Rn. 23). Ihm steht dabei ein weiter Ermessensspielraum zu (vgl. BGH, Urteile vom 19. Oktober 2004 - 1 StR 254/04, BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 37; vom 15. Februar 2006 - 2 StR 419/05, aaO; vom 24. August 2016 - 2 StR 504/15, aaO). Die Wertungen des Tatgerichts, insbesondere die Gewichtung der für und gegen eine Strafrahmenverschiebung sprechenden Umstände des Einzelfalls , sind in der Revisionsinstanz allein auf Rechtsfehler zu überprüfen. Hat es die für die Beurteilung wesentlichen tatsächlichen Grundlagen hinreichend ermittelt und berücksichtigt (vgl. BGH, Urteil vom 17. August 2004 - 5 StR 93/04, aaO, S. 241), so kann das Revisionsgericht nur beanstanden, dass es gesetzlich vorgegebene Wertungsmaßstäbe missachtet oder eine gerechtem Schuldausgleich nicht mehr entsprechende Strafe verhängt hat.

42
d) Bei Anwendung dieser Maßstäbe ist im Rahmen der Ermessensausübung im Ausgangspunkt Bedacht darauf zu nehmen, dass auf Grund der erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit der Schuldgehalt der Tat in aller Regel verringert ist (BGH, Urteile vom 10. November 1954 - 5 StR 476/54, BGHSt 7, 28, 30; vom 24. August 2016 - 2 StR 504/15, aaO Rn. 24; Beschluss vom 7. September 2015 - 2 StR 350/15, juris Rn. 4). Um dem Prinzip zu genügen , dass die Strafe das Maß der Schuld nicht überschreiten darf, erfordert die Versagung einer Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB schulderhöhende Umstände, die diese Schuldminderung kompensieren (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Mai 2016 - 1 ARs 21/15 mwN; Roxin, aaO, § 20 Rn. 37 ff.; Salger/Mutzbauer, NStZ 1993, 561, 562). Es ist im Grundsatz anerkannt und wird auch durch den vorlegenden Senat nicht in Zweifel gezogen (vgl. Vorlegungsbeschluss Rn. 29 ff.), dass sich die auf einer Gesamtabwägung beruhende Ermessensentscheidung des Tatgerichts an diesem Kompensationsgedanken auszurichten hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 17. August 2004 - 5 StR 93/04, aaO; vom 15. Februar 2006 - 2 StR 419/05, aaO; vom 26. Mai 2004 - 2 StR 386/03, NStZ 2004, 619; MüKo/StGB/Streng, aaO, § 21 Rn. 22; SSW-StGB/Kaspar, aaO, § 21 Rn. 28; Fischer, aaO, § 21 Rn. 18; jeweils mwN). Das Ausmaß der fakultativen Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 1 StGB lässt dabei erkennen, dass der Gesetzgeber die Tatschuld als typischerweise beträchtlich verringert ansieht, wenn der Täter vermindert schuldfähig war. Hieraus folgt, dass es für die Verweigerung der Milderung eines besonderen Grundes bedarf, der umso gewichtiger sein muss, je gravierender sich die Beibehaltung des Regelstrafrahmens auswirkt (vgl. BGH, Beschluss vom 4. September 1992 - 2 StR 380/92, aaO; vom 25. Oktober 1989 - 2 StR 350/89, BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 18 mwN; LK/Jähnke, StGB, 11. Aufl., § 21 Rn. 19; SSW-StGB/Kaspar, aaO, § 21 Rn. 18).
Dies führt jedoch nicht dazu, dass die tatgerichtliche Ermessensent43 scheidung über die Strafrahmenverschiebung nach den §§ 21, 49 Abs. 1 StGB ohne Weiteres dann als rechtsfehlerhaft zu bewerten ist, wenn das Tatgericht von der Strafmilderung maßgeblich deshalb absieht, weil der Angeklagte die Trunkenheit selbst verschuldete. Denn das selbstverantwortliche SichBetrinken des Täters vor der Tat stellt für sich allein einen schulderhöhenden Umstand dar, der im Rahmen der Ermessensausübung nach § 21 StGB regelmäßig Berücksichtigung finden darf, ohne dass dies von einzelfallbezogenen Feststellungen dazu abhängig ist, ob sich auf Grund der jeweiligen persönlichen oder situativen Verhältnisse das Risiko der Begehung von Straftaten infolge der Alkoholisierung (für den Täter) vorhersehbar signifikant erhöht hatte.
44
aa) Dass bereits allein das selbstverantwortliche Sich-Betrinken des Täters vor der Tat einen schulderhöhenden Umstand darstellt, ergibt sich aus Folgendem :
45
(1) Durch den Alkoholmissbrauch versetzt sich der Sich-Betrinkende in einen Zustand, der durch Enthemmung (vgl. BGH, Urteile vom 15. Februar 2006 - 2 StR 419/05, aaO; vom 24. August 2016 - 2 StR 504/15, aaO, Rn. 24 [Senkung der Hemmschwelle gegenüber sozial auffälligem und aggressivem Verhalten]), Verminderung von Einsichts- und Urteilsvermögen sowie Verschlechterung von Körperbeherrschung und Reaktionsfähigkeit gekennzeichnet ist. Davon, dass Alkoholkonsum eine solche enthemmende Wirkung hat, geht auch § 21 StGB aus; andernfalls könnte die akute Alkoholintoxikation nicht als krankhafte seelische Störung zu einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit führen. Mit der Intoxikation treten hirnorganische Veränderungen ein, die einerseits z.B. erhöhte Reizoffenheit und Antriebssteigerung bedingen und auf diesem Wege aggressionsbahnende Effekte haben können (vgl. Konrad/Rasch, aaO, S. 121; Nedopil/Müller, Forensische Psychiatrie, 4. Aufl., S. 148 f.; Schalast/Leygraf, in: F. Schneider/Frister [Hrsg.] Alkohol und Schuldfähigkeit S. 182 f.); andererseits können Benommenheit und Müdigkeit auftreten. Mit der Herabsetzung der geistigen und körperlichen Kräfte kann jedenfalls ein trügerisches Gefühl erhaltener oder gar gesteigerter Leistungsfähigkeit einhergehen. Dieser Zustand bedingt eine erhöhte Gefährlichkeit des Berauschten, der sich gegenüber seiner Umwelt häufig in ihm sonst wesensfremder Weise verhält (vgl. BGH, Urteile vom 2. Mai 1961 - 1 StR 139/61, BGHSt 16, 124, 125; vom 22. August 1996 - 4 StR 217/96, BGHSt 42, 235, 243; vom 27. März 2003 - 3 StR 435/02, BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 31). Daneben belegen statistische Daten (vgl. etwa Polizeiliche Kriminalstatistik, Jahrbuch 2015, S. 161) und zahlreiche wissenschaftliche Studien jedenfalls, dass insbesondere Alkoholkonsum und Gewalt oft gemeinsam auftreten (vgl. etwa die Übersicht bei Görgen/Nowak, Alkohol und Gewalt, S. 5 ff.).
46
Vor diesem Hintergrund haben weite Teile der Rechtsprechung - darunter alle Strafsenate des Bundesgerichtshofs (vgl. etwa BGH, Urteile vom 7. Mai 1957 - 5 StR 127/57, BGHSt 10, 247, 251; vom 2. Mai 1961 - 1 StR 139/61, BGHSt 16, 124, 125; vom 22. August 1996 - 4 StR 217/96, BGHSt 42, 235, 242; vom 27. März 2003 - 3 StR 435/02, aaO; vom 17. August 2004 - 5 StR 93/04, aaO, S. 242; vom 15. Februar 2006 - 2 StR 419/05, aaO; vom 24. August 2016 - 2 StR 504/15, aaO Rn. 24 ff.; Beschluss vom 6. November 1996 - 5 ARs 59/96, NStZ-RR 1997, 163, 165) - und strafrechtlichen Literatur (vgl. etwa Foth, DRiZ 1990, 417, 419 f.; Schnarr, aaO, S. 83 f.; Rautenberg, DtZ 1997, 45; Schäfer, DRiZ 1996, 196; Lackner, JuS 1968, 215, 218 f.) als allgemeinkundigen Erfahrungssatz gefolgert, eine alkoholische Berauschung erhöhe generell das Risiko strafbaren Verhaltens, insbesondere im Bereich der Gewalt- und Sexualdelikte. Allerdings wird in der Rechtsprechung auch gese- hen, dass es trotz verbreiteten hohen Alkoholkonsums "nur in einem Bruchteil der Fälle erheblicher Alkoholisierung zu einer rechtswidrigen Tat" kommt (vgl. BGH, Urteil vom 17. August 2004 - 5 StR 93/04, aaO, S. 242).
47
In der Wissenschaft herrscht bei anhaltender Forschung mittlerweile eine gewisse Einigkeit darüber, dass alkoholassoziierte Gewaltkriminalität auf einer komplexen Interaktion verschiedener biologischer, psychologischer und sozialer Faktoren beruht (vgl. Proescholdt/Walter/Wiesbeck, FortschrNeurolPsychiatr 2012, 441 f., 447; Görgen/Nowak, aaO, S. 22; Konrad/Rasch, aaO, S. 120; Schalast/Leygraf, aaO). Ob der Rausch zu deliktischem Verhalten führt, hängt zudem nicht allein von dem Sich-Betrinkenden ab, namentlich dessen Prädispositionen in der Persönlichkeit, sondern auch von häufig gleichsam zufälligen situativen Umständen (vgl. schon BGH, Urteil vom 29. Oktober 1957 - 5 StR 483/57, JR 1958, 28; Lackner, JuS 1968, 215, 218 f.; vgl. auch Nedopil /Müller, aaO, S. 154; Proescholdt/Walter/Wiesbeck, aaO, 441, 445). Die vorhandenen Befunde sowie die hohe Komorbidität von antisozialer Persönlichkeitsstörung und Substanzmissbrauch relativieren somit zwar die Vorstellung einer direkten kriminogenen Wirkung von Alkohol (vgl. Schalast/Leygraf, aaO), beseitigen sie jedoch nicht. Die Wirkungen starken Alkoholgenusses sind nicht sicher vorauszuberechnen (vgl. BGH, Urteile vom 12. April 1951 - 4 StR 78/50, BGHSt 1, 124, 126; vom 27. März 2003 - 3 StR 435/02, aaO).
48
Das so beschriebene dem Alkoholkonsum selbst innewohnende Risiko zählt zum Allgemeinwissen. Es ist selbst Menschen von geringer Lebenserfahrung in aller Regel bekannt (vgl. BGH, Urteil vom 7. Mai 1957 - 5 StR 127/57, BGHSt 10, 247, 251). Jedermann weiß oder kann zumindest wissen, dass er mit seiner Trunkenheit "das Tor für unbestimmtes rechtliches Versagen (vor allem) gegenüber unerwartet auftretenden Anforderungen öffnet" (Lackner aaO, S. 220; ebenso Schnarr aaO, S. 83). Der Alkoholkonsum stellt somit für jedermann erkennbar eine abstrakte Gefahr für strafrechtlich geschützte Rechtsgüter dar, die sich, falls der Sich-Betrinkende eine rechtswidrige Tat begeht, in der konkreten Rechtsgutsgefährdung oder Rechtsgutsverletzung realisiert (vgl. BGH, Urteil vom 27. März 2003 - 3 StR 435/02, aaO). Geht jemand dieses allgemeinkundige Risiko einer Alkoholintoxikation vorwerfbar ein, sind bereits allein dadurch das Handlungsunrecht seiner im Zustand der erheblich verminderten Schuldfähigkeit begangenen Tat sowie die Tatschuld signifikant erhöht. Das gilt nicht zuletzt im Verhältnis zu demjenigen Täter, der etwa aufgrund eines neurologischen oder hirnorganischen Defekts in einem nicht vorwerfbaren Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit handelt.
49
(2) Hiermit ist die Ansicht, die Schuldrelevanz sei bereits dem Grunde nach davon abhängig, inwieweit der Täter infolge persönlicher Vorerfahrungen oder situativer Umstände einen - zusätzlichen - Anhalt für die Gefahr eigenen deliktischen Verhaltens hat, nicht vereinbar. Derartige Gesichtspunkte sind zwar geeignet, das Maß der Schuld zu beeinflussen; sie sind indessen nicht konstitutiv für deren Begründung. Hiergegen lässt sich nicht mit Erfolg einwenden , eine Schulderhöhung setze wenigstens Fahrlässigkeit in Bezug auf die Straftat als geringste Schuldform und damit die objektive und subjektive Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit der Tat während des Sich-Berauschens voraus. Dieser Gesichtspunkt würde, wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, im Ergebnis einen eigenständigen Pflichtwidrigkeitszusammenhang zwischen dem Sich-Berauschen und dem konkreten tatbestandlichen Unrecht im Sinne eines originären Fahrlässigkeitsvorwurfs konstituieren. Dies stünde im Widerspruch zu der fortbestehenden strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Täters, der die Straftat im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit begeht. Die schuldrelevante Berücksichtigung eines nicht im gesetzlichen Tatbestand normierten Umstands setzt jedoch allein voraus, dass dieser vom Täter mit der Folge seiner Zurechenbarkeit zu verantworten ist. Dies zeigt sich etwa in der Regelung des § 46 Abs. 2 StGB, der zahlreiche Strafzumessungstatsachen benennt, die nicht mit dem strafbarkeitsbegründenden Handeln selbst in einem Beziehungszusammenhang stehen müssen. Hinzu kommt, dass die genannte Auffassung den Betrachtungswinkel auf die enthemmende und hierdurch teilweise aggressionsfördernde Wirkung des Alkohols einschränkt. Damit lässt sie einen wesentlichen Teil rauschbedingter Gefahrenquellen , insbesondere die herabgesetzte Beherrschung körperlicher und geistiger Kräfte, außer Betracht. Diese hindert den Betrunkenen vielfach, den ihm obliegenden Sorgfaltspflichten ordnungsgemäß nachzukommen, was sich in einer Vielzahl denkbarer strafrechtlich relevanter Verfehlungen niederschlagen kann (vgl. schon Begründung zu § 351 StGB im Entwurf eines Strafgesetzbuches von 1960 [E 60], BT-Drucks. III/2150 S. 498 und im Entwurf eines Strafgesetzbuches von 1962 [E 62], BT-Drucks. IV/650 S. 537).
50
(3) Damit steht im Einklang, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne die Berücksichtigung der verschuldeten Trunkenheit für sich als schuldrelevantes Merkmal zulässig ist, ohne dass dies von einer darüber hinausgehenden subjektiven Beziehung zu der später begangenen Tat abhängig ist. Wendet das Tatgericht etwa wegen alkoholbedingter erheblich verminderter Schuldfähigkeit des Täters den nach § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen an, darf es nach allgemeiner Meinung bei der Straffindung innerhalb dieses Strafrahmens in die Abwägung strafschärfend den Umstand mit einbeziehen, dass der Täter den Zustand schuldhaft herbeigeführt hatte (vgl. BGH, Beschluss vom 24. März 1976 - 2 StR 101/76, BGHSt 26, 311, 312; ferner BGH, Urteile vom 21. Juli 1984 - 1 StR 330/84, NStZ 1984, 548; vom 9. Februar 2000 - 3 StR 392/99, NStZ-RR 2000, 166, 168; Beschluss vom 2. Juli 1985 - 1 StR 280/85, NJW 1986, 793, 794; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl., Rn. 1127; Schnarr in Hettinger [Hrsg.], Reform des Sanktionenrechts, 2001, Bd. 1, S. 1, 43; S/S-Stree/Kinzig, StGB, 29. Aufl., § 46 Rn. 49). In diesem Zusammenhang ist - soweit ersichtlich - die Forderung, die verschuldete Trunkenheit dürfe - als Grundlage für einen gerechten Schuldausgleich (§ 46 Abs. 1 Satz 1 StGB) - nur gewürdigt werden, wenn eine für den Täter vorhersehbare signifikante Erhöhung des Risikos der Begehung von Straftaten auf Grund der persönlichen und situativen Verhältnisse des Einzelfalls festgestellt ist, noch nicht erhoben worden. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass insoweit berücksichtigungsfähige Präventionszwecke (s. § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB) bemüht würden.
51
(4) Dass es sich bei dem selbstverantwortlichen Sich-Betrinken um ein tatschuldrelevantes Merkmal handelt, entspricht im Übrigen den den Regelungen des § 323a StGB und des § 122 OWiG zugrundeliegenden Wertungen. Die Vorschriften lassen Rückschlüsse auf die vom Gesetzgeber vorgenommene Beurteilung zu, dass es sich bei dem schuldhaft herbeigeführten Rausch nicht um eine sozialadäquate, wertneutrale Erscheinung handelt, sondern dass ihm als offenkundigem Gefahrenherd ein Unwert anhaftet, der geeignet ist, das Ob und das Wie strafrechtlicher Sanktionen zu bestimmen:
52
Im Hinblick auf die allgemeine Gefährlichkeit und Unberechenbarkeit des schwer Berauschten hat der Gesetzgeber das Sich-in-einen-Rausch-Versetzen in § 323a StGB und § 122 OWiG als ein selbständiges, rechtlich fassbares sanktionswürdiges Unrecht tatbestandlich normiert. Er hat lediglich die Ahndung des schuldhaften Sich-Berauschens durch die Einfügung einer objektiven Bedingung der Strafbarkeit bzw. der Bußgeldbewehrung dahin eingeschränkt, dass ein "folgenloser" Rausch keine Sanktion nach sich ziehen soll. Demgegenüber wird derjenige wegen der Berauschung mit Strafe oder Geldbuße sanktioniert, der in diesem Zustand in rechtswidriger Weise einen Straf- oder Ordnungswidrigkeitentatbestand verwirklicht und hierfür nicht bestraft oder mit Geldbuße belegt werden kann, weil er infolge des Rausches schuldunfähig war bzw. nicht vorwerfbar gehandelt hat oder dies zumindest nicht auszuschließen ist (vgl. BGH, Urteile vom 12. April 1951 - 4 StR 78/50, BGHSt 1, 124, 125; vom 2. Mai 1961 - 1 StR 139/61, BGHSt 16, 124, 125 f.; vom 1. Juni 1962 - 4 StR 88/62, BGHSt 17, 333, 334; vom 26. Oktober 1965 - 1 StR 394/65, BGHSt 20, 284, 285; vom 22. August 1996 - 4 StR 217/96, BGHSt 42, 235, 242 f.; Beschlüsse vom 18. August 1983 - 4 StR 142/82, BGHSt 32, 48, 55 f.; vom 17. Oktober 1991 - 4 StR 465/91, BGHR StGB § 323a Abs. 2 Strafzumessung 5; KK/Rengier, OWiG, 4. Aufl., § 122 Rn. 8 mwN).
53
Vor diesem Hintergrund erklärt sich zwanglos, dass der Gesetzgeber das Sich-Berauschen im Grundsatz als Unrecht bewertet, die Straf- oder Ahndbarkeit indes davon abhängig gemacht hat, ob bzw. in welchem Umfang sich die für die Rechtsgüter Dritter oder die Allgemeinheit gesteigerte Gefahr, die von einem Berauschten ausgeht, tatsächlich in einer konkreten rechtswidrigen Tat niedergeschlagen hat. Weder für die Straftat nach § 323a StGB noch für die Ordnungswidrigkeit nach § 122 OWiG ist indes vorausgesetzt, dass sich der Täter im Zeitpunkt des Sich-Berauschens bewusst war oder hätte bewusst sein können, dass er im Rausch zur Begehung von Straftaten oder ordnungswidrigem Verhalten neige (vgl. BGH, Urteile vom 12. April 1951 - 4 StR 78/50, BGHSt 1, 124, 125; vom 23. November 1951 - 2 StR 491/51, BGHSt 2, 14, 18; vom 2. Mai 1961 - 1 StR 139/61, BGHSt 16, 124, 127; Beschlüsse vom 15. Oktober 1956 - GSSt 2/56, BGHSt 9, 390, 394; vom 17. Oktober 1991 - 4 StR 465/91, BGHR StGB § 323a Abs. 2 Strafzumessung 5; Bohnert/Krenberger/Krumm, OWiG, 4. Aufl., § 122 Rn. 2, 14; Göhler/Gürtler, OWiG, 16. Aufl., § 122 Rn. 7a; KK/Rengier, aaO, Rn. 25; Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 323a Rn. 14 mwN; s. aber auch zu vielen abweichenden Stimmen in der Literatur MüKoStGB/Geisler, 2. Aufl., § 323a Rn. 57 ff. mwN).
54
Die in den § 323a StGB, § 122 OWiG enthaltene Wertung ist schließlich nicht darauf zu reduzieren, dass einem Rausch nur dann strafrechtlich erhebliches Unrecht innewohnt, wenn er zumindest nicht ausschließbar zur völligen Aufhebung der Steuerungsfähigkeit führt (vgl. BGH, Urteil vom 17. August 2004 - 5 StR 93/04, aaO, S. 252). Der hierauf begrenzte Anwendungsbereich der genannten Normen ist nicht Ausdruck eines nur beschränkten Straf- und Regelungsbedürfnisses. Denn die strafrechtliche Verantwortlichkeit eines nur erheblich vermindert schuldfähigen Täters besteht fort. Hieraus folgt, dass es insoweit einer gesonderten tatbestandlichen Erfassung des dem vorwerfbaren Rausch innewohnenden Unwerts nicht bedarf.
55
bb) Die hiesige Lösung steht im Einklang mit dem Willen des Gesetzgebers. Dieser hat die Entscheidung über die Strafmilderung bei erheblich verminderter Schuldfähigkeit gerade mit Blick auf die verschuldete Trunkenheit dem tatrichterlichen Ermessen überantwortet. Im Einzelnen:
56
Der "Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuches" von 1927 (vgl. Deutscher Reichsanzeiger und Preußischer Staatsanzeiger vom 27. November 1933; Rautenberg, DtZ 1997, 45, 47) hatte den zwingenden Ausschluss der Strafmilderung bei verschuldeter Trunkenheit mit demHinweis auf das Schuldprinzip abgelehnt und stattdessen erstmals eine "Kann"-Vorschrift vorgesehen. Zu der mit einer solchen Regelung verfolgten Intention äußerte sich die Begründung des Entwurfs dahin, dass er es "dem richterlichen Ermessen (überlässt), zu entscheiden, ob und inwieweit eine selbstverschulde- te Trunkenheit, die die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließt, als strafmildernd zu berücksichtigen ist" (Reichstagsdrucksache, III. Wahlperiode 1924/27, Nr. 3390, Begründung S. 15; abgedruckt in Schubert/Regge/Rieß/Schmid [Hrsg.], Quellen zur Reform des Straf- und Strafprozeßrechts, I. Abt.: Weimarer Republik, Bd. 1, 1995, S. 495). Mit dem Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung vom 24. November 1933 (RGBl. I, S. 995) wurde die verminderte Zurechnungsfähigkeit in § 51 Abs. 2 StGB aF als fakultativer Strafmilderungsgrund erstmals kodifiziert.
57
Die Reformarbeiten in der Nachkriegszeit führten dazu, dass an der fakultativen Strafmilderung festgehalten und kein Milderungszwang eingeführt wurde, und mündeten letztlich in den seit dem 1. Januar 1975 geltenden § 21 StGB. Zum Ermessen heißt es in der Begründung des Entwurfs eines Strafgesetzbuches von 1962 (E 1962): Ob die Schuld verringert ist, "beruht auf einer Gesamtwürdigung, bei der außer dem Grade der Schuldfähigkeit auch andere Umstände zu berücksichtigen sind; so die Tatschuldumstände (...), aber auch Schuldumstände vor der Tat (z.B. schuldhafte Herbeiführung der verminderten Schuldfähigkeit). Dass die Milderung nur zugelassen und nicht vorgeschrieben ist, ermöglicht einen Ausgleich zwischen der Verminderung der Schuldfähigkeit einerseits und erschwerenden Schuldumständen andererseits bei der Gesamtwürdigung der Schwere der Schuld" (BT-Drucks. IV/650, S. 142; ebenso - wortlautidentisch - die Begründungen zum "Entwurf eines Allgemeinen Teils eines Strafgesetzbuches nach den Beschlüssen der Großen Strafrechtskommission in erster Lesung" von 1958 [E 1958, veröffentlicht vom Bundesministerium der Justiz, Begründung S. 30 f.] und zum Entwurf eines Strafgesetzbuches von 1960 [E 1960, BR-Drucks. 270/60, S. 134]; s. hierzu Rautenberg, Verminderte Schuldfähigkeit, 1984, S. 176). Durch die vorzugswürdige "elastischere" Ermessensvorschrift erübrige sich eine Regelung über den zwingenden Ausschluss der Strafrahmenmilderung bei selbstverschuldeten Bewusstseinsstörungen (vgl. BT-Drucks. IV/650, S. 142; ferner E 1958, aaO, Begründung S. 31; E 1960, BR-Drucks. 270/60, S. 134).
58
cc) Zusammenfassend kommt es nach alldem nicht mehr entscheidungserheblich darauf an, ob mit dem vorlegenden Senat anzunehmen ist, für die hiesige Lösung stritten weitere Gesichtspunkte, darunter etwa die Regelung des § 7 WStG (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2016 - 3 StR 63/15, juris Rn. 43 ff.). Das Tatgericht überschreitet aus den dargelegten Gründen jedenfalls nicht die Grenzen des ihm bei der Entscheidung über eine Strafrahmenmilderung nach den §§ 21, 49 Abs. 1 StGB eingeräumten Ermessens, wenn es im Rahmen der Gesamtabwägung aller schuldrelevanten Umstände in den Blick nimmt, dass der Angeklagte die Trunkenheit selbst verschuldet hat. Ihm obliegt die Bewertung, ob das Gewicht dieses Umstands nach den Umständen des Einzelfalls hoch genug ist, um die aufgrund der erheblich verminderten Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit verringerte Tatschuld aufzuwiegen. An feste Regeln ist es dabei nicht gebunden.
59
3. Da die Entscheidung - zumindest auch - auf den spezifischen Auswirkungen des Alkoholkonsums und der allgemeinen Kenntnis hierüber beruht, ist davon abzusehen, die dargelegten Grundsätze der Anregung des Generalbundesanwalts folgend auf alle anderen Fälle vorwerfbarer Rauschzustände zu erstrecken (vgl. etwa BGH, Urteil vom 17. August 2004 - 5 StR 591/03, StV 2005, 19).
Limperg Raum Sost-Scheible Graf Schäfer Schneider König Krehl Eschelbach Quentin Gericke

(1) Gerichtliche Disziplinarmaßnahmen gegen Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit sind:

1.
Kürzung der Dienstbezüge,
2.
Beförderungsverbot,
3.
Herabsetzung in der Besoldungsgruppe,
4.
Dienstgradherabsetzung und
5.
Entfernung aus dem Dienstverhältnis.

(2) Gerichtliche Disziplinarmaßnahmen gegen Soldaten im Ruhestand sowie gegen frühere Soldaten, die als Soldaten im Ruhestand gelten (§ 1 Abs. 3), sind:

1.
Kürzung des Ruhegehalts,
2.
Herabsetzung in der Besoldungsgruppe,
3.
Dienstgradherabsetzung und
4.
Aberkennung des Ruhegehalts.
Sind sie zugleich Angehörige der Reserve oder nicht wehrpflichtige frühere Soldaten, die noch zu Dienstleistungen herangezogen werden können, dürfen nur die in Satz 1 genannten gerichtlichen Disziplinarmaßnahmen verhängt werden.

(3) Gerichtliche Disziplinarmaßnahmen gegen Soldaten in einem Wehrdienstverhältnis nach dem Reservistengesetz, gegen Angehörige der Reserve sowie gegen nicht wehrpflichtige frühere Soldaten, die noch zu Dienstleistungen herangezogen werden können, sind:

1.
Dienstgradherabsetzung und
2.
Aberkennung des Dienstgrades.
Für Soldaten im Ruhestand und frühere Soldaten, die als Soldaten im Ruhestand gelten (§ 1 Absatz 3), die in ein Wehrdienstverhältnis nach dem Reservistengesetz berufen werden, bleibt Absatz 2 Satz 1 unberührt.

(4) Wegen desselben Dienstvergehens dürfen nur Kürzung der Dienstbezüge und Beförderungsverbot nebeneinander verhängt werden. Sie sollen insbesondere nebeneinander verhängt werden, wenn erkennbar ist, dass ein Beförderungsverbot keine Auswirkungen auf den weiteren dienstlichen Werdegang des Soldaten haben wird; § 16 Abs. 1 ist nicht anzuwenden. Neben oder anstelle der Kürzung des Ruhegehalts kann auf Kürzung des Ausgleichs (§ 38 des Soldatenversorgungsgesetzes) erkannt werden. Im Übrigen darf wegen desselben Dienstvergehens nur eine gerichtliche Disziplinarmaßnahme verhängt werden.

(5) Wegen eines Verhaltens, das nach § 17 Abs. 3, § 23 Abs. 2 Nr. 2 Zweite Alternative des Soldatengesetzes als Dienstvergehen gilt, dürfen bei Soldaten im Ruhestand sowie bei früheren Soldaten, die als Soldaten im Ruhestand gelten, als gerichtliche Disziplinarmaßnahmen nur Dienstgradherabsetzung oder Aberkennung des Ruhegehalts verhängt werden.

(6) Die Wehrdienstgerichte dürfen auch einfache Disziplinarmaßnahmen verhängen.

(7) Die §§ 38 und 39 gelten auch im gerichtlichen Disziplinarverfahren.

(1) Mit der Entfernung aus dem Dienstverhältnis wird das Dienstverhältnis beendet. Die Entfernung aus dem Dienstverhältnis bewirkt auch den Verlust des Anspruchs auf Dienstbezüge, Berufsförderung und Dienstzeitversorgung sowie den Verlust des Dienstgrades und der sich daraus ergebenden Befugnisse. Die Verpflichtung, aufgrund der Wehrpflicht Wehrdienst zu leisten, wird durch die Entfernung aus dem Dienstverhältnis nicht berührt.

(2) Der aus dem Dienstverhältnis entfernte Soldat erhält für die Dauer von sechs Monaten einen Unterhaltsbeitrag in Höhe von 50 vom Hundert der Dienstbezüge, die ihm bei Eintritt der Unanfechtbarkeit der Entscheidung zustehen; eine Einbehaltung von Dienstbezügen nach § 126 Abs. 2 bleibt unberücksichtigt. Würden dem Soldaten Versorgungsbezüge nur für eine bestimmte Zeit zustehen, darf der Unterhaltsbeitrag höchstens für diese Zeit bewilligt werden.

(3) Die Gewährung des Unterhaltsbeitrags kann in dem Urteil ganz oder teilweise ausgeschlossen werden, soweit der Verurteilte ihrer nicht würdig oder den erkennbaren Umständen nach nicht bedürftig ist. Sie kann in dem Urteil über den Zeitraum von sechs Monaten hinaus verlängert werden, soweit dies zur Vermeidung einer unbilligen Härte notwendig ist; der Verurteilte hat die Voraussetzungen der unbilligen Härte glaubhaft zu machen. Für die Zahlung des Unterhaltsbeitrags gilt § 109.

(4) In minder schweren Fällen kann das Gericht den Verlust des Dienstgrades ausschließen, jedoch den Dienstgrad herabsetzen, ohne an die in § 62 Abs. 1 Satz 1 bis 3 bezeichneten Beschränkungen gebunden zu sein.

Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen Niederschriften über die Aussagen der in der Hauptverhandlung des ersten Rechtszugs vernommenen Zeugen und Sachverständigen bei der Berichterstattung und der Beweisaufnahme verlesen werden. Wiederholte Vorladungen und Vernehmungen dieser Zeugen und Sachverständigen können unterbleiben, wenn sie zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich sind. Im Übrigen gelten die Vorschriften über das Verfahren vor dem Truppendienstgericht sinngemäß.

(1) Gerichtliche Disziplinarmaßnahmen gegen Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit sind:

1.
Kürzung der Dienstbezüge,
2.
Beförderungsverbot,
3.
Herabsetzung in der Besoldungsgruppe,
4.
Dienstgradherabsetzung und
5.
Entfernung aus dem Dienstverhältnis.

(2) Gerichtliche Disziplinarmaßnahmen gegen Soldaten im Ruhestand sowie gegen frühere Soldaten, die als Soldaten im Ruhestand gelten (§ 1 Abs. 3), sind:

1.
Kürzung des Ruhegehalts,
2.
Herabsetzung in der Besoldungsgruppe,
3.
Dienstgradherabsetzung und
4.
Aberkennung des Ruhegehalts.
Sind sie zugleich Angehörige der Reserve oder nicht wehrpflichtige frühere Soldaten, die noch zu Dienstleistungen herangezogen werden können, dürfen nur die in Satz 1 genannten gerichtlichen Disziplinarmaßnahmen verhängt werden.

(3) Gerichtliche Disziplinarmaßnahmen gegen Soldaten in einem Wehrdienstverhältnis nach dem Reservistengesetz, gegen Angehörige der Reserve sowie gegen nicht wehrpflichtige frühere Soldaten, die noch zu Dienstleistungen herangezogen werden können, sind:

1.
Dienstgradherabsetzung und
2.
Aberkennung des Dienstgrades.
Für Soldaten im Ruhestand und frühere Soldaten, die als Soldaten im Ruhestand gelten (§ 1 Absatz 3), die in ein Wehrdienstverhältnis nach dem Reservistengesetz berufen werden, bleibt Absatz 2 Satz 1 unberührt.

(4) Wegen desselben Dienstvergehens dürfen nur Kürzung der Dienstbezüge und Beförderungsverbot nebeneinander verhängt werden. Sie sollen insbesondere nebeneinander verhängt werden, wenn erkennbar ist, dass ein Beförderungsverbot keine Auswirkungen auf den weiteren dienstlichen Werdegang des Soldaten haben wird; § 16 Abs. 1 ist nicht anzuwenden. Neben oder anstelle der Kürzung des Ruhegehalts kann auf Kürzung des Ausgleichs (§ 38 des Soldatenversorgungsgesetzes) erkannt werden. Im Übrigen darf wegen desselben Dienstvergehens nur eine gerichtliche Disziplinarmaßnahme verhängt werden.

(5) Wegen eines Verhaltens, das nach § 17 Abs. 3, § 23 Abs. 2 Nr. 2 Zweite Alternative des Soldatengesetzes als Dienstvergehen gilt, dürfen bei Soldaten im Ruhestand sowie bei früheren Soldaten, die als Soldaten im Ruhestand gelten, als gerichtliche Disziplinarmaßnahmen nur Dienstgradherabsetzung oder Aberkennung des Ruhegehalts verhängt werden.

(6) Die Wehrdienstgerichte dürfen auch einfache Disziplinarmaßnahmen verhängen.

(7) Die §§ 38 und 39 gelten auch im gerichtlichen Disziplinarverfahren.

(1) Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.

(2) In der Regel ist mit den milderen Disziplinarmaßnahmen zu beginnen und erst bei erneuten Dienstvergehen zu schwereren Disziplinarmaßnahmen überzugehen.

(3) Disziplinararrest soll erst dann verhängt werden, wenn vorausgegangene erzieherische Maßnahmen und Disziplinarmaßnahmen ihren Zweck nicht erreicht haben oder die Aufrechterhaltung der militärischen Ordnung eine disziplinare Freiheitsentziehung gebietet.

(1) Die Dienstgradherabsetzung um einen oder mehrere Dienstgrade ist bei Offizieren bis zum niedrigsten Offizierdienstgrad ihrer Laufbahn zulässig. Diese Beschränkung gilt auch bei Offizieren, gegen die Disziplinarmaßnahmen nach § 58 Abs. 2 und 3 verhängt werden dürfen. Bei Unteroffizieren, die Berufssoldaten sind, sowie bei Berufssoldaten im Ruhestand, die einen Unteroffizierdienstgrad führen, ist die Dienstgradherabsetzung bis zum Dienstgrad Feldwebel, bei Stabsunteroffizieren zum Dienstgrad Unteroffizier zulässig. Im Übrigen ist sie unbeschränkt zulässig.

(2) Durch die Dienstgradherabsetzung verliert der Soldat alle Rechte aus seinem bisherigen Dienstgrad. Er tritt in den Dienstgrad und, wenn dieser in zwei Besoldungsgruppen aufgeführt ist, in die Besoldungsgruppe zurück, die das Wehrdienstgericht bestimmt. Die Ansprüche auf Dienstbezüge und Dienstzeitversorgung richten sich nach dem Dienstgrad und der Besoldungsgruppe, in die er zurücktritt.

(3) Der Soldat darf frühestens drei Jahre nach Rechtskraft des Urteils wieder befördert werden. § 60 Abs. 1 Satz 2 gilt entsprechend. Aus besonderen Gründen kann das Gericht die Frist im Urteil auf zwei Jahre herabsetzen.

(4) (weggefallen)

Der Soldat hat die Pflicht, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen.

(1) Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.

(2) In der Regel ist mit den milderen Disziplinarmaßnahmen zu beginnen und erst bei erneuten Dienstvergehen zu schwereren Disziplinarmaßnahmen überzugehen.

(3) Disziplinararrest soll erst dann verhängt werden, wenn vorausgegangene erzieherische Maßnahmen und Disziplinarmaßnahmen ihren Zweck nicht erreicht haben oder die Aufrechterhaltung der militärischen Ordnung eine disziplinare Freiheitsentziehung gebietet.

(1) Der Soldat hat Disziplin zu wahren und die dienstliche Stellung des Vorgesetzten in seiner Person auch außerhalb des Dienstes zu achten.

(2) Sein Verhalten muss dem Ansehen der Bundeswehr sowie der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Dienst als Soldat erfordert. Der Soldat darf innerhalb der dienstlichen Unterkünfte und Anlagen auch während der Freizeit sein Gesicht nicht verhüllen, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies. Außer Dienst hat sich der Soldat außerhalb der dienstlichen Unterkünfte und Anlagen so zu verhalten, dass er das Ansehen der Bundeswehr oder die Achtung und das Vertrauen, die seine dienstliche Stellung erfordert, nicht ernsthaft beeinträchtigt.

(3) Ein Offizier oder Unteroffizier muss auch nach seinem Ausscheiden aus dem Wehrdienst der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die für seine Wiederverwendung in seinem Dienstgrad erforderlich sind.

(4) (weggefallen)

(1) Die Kosten eines erfolgreichen Rechtsmittels des Soldaten oder des Wehrdisziplinaranwalts, soweit dieser es zu Gunsten des Soldaten eingelegt hat, sind dem Bund aufzuerlegen. Die Kosten eines zu Ungunsten des Soldaten eingelegten und erfolgreichen Rechtsmittels des Wehrdisziplinaranwalts trägt der Soldat; sie sind jedoch dem Bund teilweise oder ganz aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, den Soldaten damit zu belasten.

(2) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat.

(3) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, hat das Wehrdienstgericht die Kosten teilweise oder ganz dem Bund aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, den Soldaten damit zu belasten.

(4) Hat das Wehrdienstgericht das gerichtliche Disziplinarverfahren eingestellt, weil gegen den Soldaten, der nach Einlegung der Berufung in den Ruhestand getreten ist, ein verwirktes Beförderungsverbot nicht verhängt werden darf, so hat dieser die Kosten des Verfahrens zu tragen. Soweit es unbillig wäre, den Soldaten mit den Kosten des Verfahrens zu belasten, sind sie dem Bund ganz oder teilweise aufzuerlegen.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten sinngemäß für die Kosten des Verfahrens, die durch einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung in den Fällen des § 92 Abs. 4, § 95 Abs. 2, § 98 Abs. 3 Satz 2, § 121a, § 127 Abs. 4 und § 128 oder durch einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens entstanden sind.

(1) Die dem Soldaten erwachsenen notwendigen Auslagen sind dem Bund aufzuerlegen, wenn der Soldat freigesprochen oder das gerichtliche Disziplinarverfahren aus anderen als den in § 138 Abs. 2 bezeichneten Gründen eingestellt wird.

(2) Die dem verurteilten Soldaten erwachsenen notwendigen Auslagen sind teilweise oder ganz dem Bund aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, den Soldaten damit zu belasten. Satz 1 gilt auch, wenn die zur Anschuldigung gestellten Pflichtverletzungen nur zum Teil die Grundlage der Verurteilung bilden oder durch Untersuchungen zur Aufklärung bestimmter belastender oder entlastender Umstände dem Soldaten besondere Auslagen erwachsen und diese Untersuchungen zu Gunsten des Soldaten ausgegangen sind.

(3) Wird ein Rechtsmittel vom Wehrdisziplinaranwalt zu Ungunsten des Soldaten eingelegt und wird es zurückgenommen oder bleibt es erfolglos, sind die dem Soldaten im Rechtsmittelverfahren erwachsenen notwendigen Auslagen dem Bund aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn ein vom Wehrdisziplinaranwalt zu Gunsten des Soldaten eingelegtes Rechtsmittel Erfolg hat. Hat ein zu Ungunsten des Soldaten eingelegtes Rechtsmittel des Wehrdisziplinaranwalts Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen, die dem Soldaten im Rechtsmittelverfahren erwachsen sind, teilweise oder ganz dem Bund aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, den Soldaten damit zu belasten.

(4) Hat der Soldat das Rechtsmittel beschränkt und hat es Erfolg, sind die notwendigen Auslagen des Soldaten dem Bund aufzuerlegen.

(5) Hat ein Rechtsmittel teilweise Erfolg, gilt § 139 Abs. 3 entsprechend. Bei einem in vollem Umfang erfolglosen Rechtsmittel des Soldaten ist es unzulässig, die notwendigen Auslagen, die diesem im Rechtsmittelverfahren erwachsen sind, ganz oder teilweise dem Bund aufzuerlegen.

(6) Notwendige Auslagen, die dem Soldaten durch schuldhafte Säumnis erwachsen sind, werden dem Bund nicht auferlegt.

(7) Die notwendigen Auslagen des Soldaten werden dem Bund nicht auferlegt, wenn der Soldat die Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens dadurch veranlasst hat, dass er vorgetäuscht hat, das ihm zur Last gelegte Dienstvergehen begangen zu haben. Es kann davon abgesehen werden, die notwendigen Auslagen des Soldaten dem Bund aufzuerlegen, wenn

1.
der Soldat das gerichtliche Disziplinarverfahren dadurch veranlasst hat, dass er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zu dem gegen ihn erhobenen Vorwurf geäußert hat,
2.
gegen den Soldaten wegen eines Dienstvergehens eine Disziplinarmaßnahme im gerichtlichen Disziplinarverfahren nur deshalb nicht verhängt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht,
3.
das Wehrdienstgericht das Verfahren nach § 108 Abs. 3 Satz 2 einstellt,
4.
die Einleitungsbehörde das gerichtliche Disziplinarverfahren einstellt und eine einfache Disziplinarmaßnahme verhängt.

(8) Zu den notwendigen Auslagen gehören auch

1.
die Entschädigung für eine notwendige Zeitversäumnis nach den Vorschriften, die für die Entschädigung von Zeugen gelten, wenn kein Anspruch auf Dienst- oder Versorgungsbezüge besteht,
2.
die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts, soweit sie nach § 91 Abs. 2 der Zivilprozessordnung zu erstatten wären, sowie die Auslagen eines sonstigen Verteidigers.

(9) Für die Vorermittlungen nach § 92, die Antragsverfahren nach § 92 Abs. 4, § 95 Abs. 2, § 98 Abs. 3 Satz 2, § 121a, § 127 Abs. 4 und § 128 sowie im Wiederaufnahmeverfahren gelten die Absätze 1 bis 8 sinngemäß.