Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 22. Aug. 2016 - 2 BvR 2953/14

ECLI:ECLI:DE:BVerfG:2016:rk20160822.2bvr295314
bei uns veröffentlicht am22.08.2016

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

I.

1

Die Kommunalverfassungsbeschwerde betrifft Fragen der Daseinsvorsorge und der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 Abs. 2 GG) im Zusammenhang mit der Rekommunalisierung eines lokalen Energienetzes.

2

1. Die beschwerdeführende Gemeinde ist Inhaberin der Wegerechte an den öffentlichen Verkehrswegen im Stadtgebiet von T…. Sie hatte mit der E… GmbH, einem privaten Energienetzbetreiber, einen Konzessionsvertrag über die Nutzung der öffentlichen Wege für die Verlegung und den Betrieb von Stromleitungen der allgemeinen Versorgung im Stadtgebiet von T… geschlossen, der zum 31. Dezember 2011 auslief.

3

a) Im Bundesanzeiger Nr. 153 vom 13. Oktober 2009 machte die Beschwerdeführerin das Auslaufen des Konzessionsvertrags mit der E… GmbH zum 31. Dezember 2011 bekannt und forderte qualifizierte Bewerber ohne Fristsetzung zur Interessenbekundung auf. Im Bundesanzeiger Nr. 164 vom 30. Oktober 2009 wurde die Bekanntmachung wegen eines Druckfehlers, aus dem sich Unklarheiten hinsichtlich des Konzessionsgebiets ergaben, berichtigt. Zu den Bewerbern gehörte neben der b… AG & Co. KG die E… GmbH als bisherige Vertragspartnerin.

4

b) In ihrer Gemeinderatssitzung vom 17. November 2009 beschloss die Beschwerdeführerin, eine Rekommunalisierung des Stromnetzes in ihrem Stadtgebiet prüfen zu lassen, und beauftragte die Verwaltung, Angebote für die fachliche Beratung zu einer möglichen Kooperation einzuholen. Mit Schreiben vom 16. Juli 2010 teilte die Beschwerdeführerin der E… GmbH mit, dass sie die Möglichkeit einer Rekommunalisierung prüfe, und forderte sie auf, ihr hierfür Daten und Unterlagen zum Stromnetz zu übermitteln. Die erbetenen Informationen erhielt die Beschwerdeführerin am 16. September 2010. In seiner Sitzung vom 29. März 2011 beschloss der Gemeinderat der Beschwerdeführerin, zusammen mit den Elektrizitätswerken der Gemeinde Sch… (Elektrizitätswerke ES…) eine Stromgesellschaft zu gründen, durch die das Stromnetz im Stadtgebiet von T… nach Auslaufen des Konzessionsvertrags mit der E… GmbH erworben werden sollte. Zugleich beschloss er, mit der neuen Stromgesellschaft auch im Stromvertrieb tätig zu werden. Das Ergebnis des Gemeinderatsbeschlusses wurde der E… GmbH mit Schreiben vom 12. April 2011 mitgeteilt. Mit Schreiben vom darauffolgenden 13. April 2011 lehnte die Beschwerdeführerin das Angebot der E… GmbH ab und unterrichtete sie darüber, dass das Kooperationsangebot der ES… das Geeignetste gewesen sei.

5

c) Am 31. Mai 2011 beschloss der Gemeinderat der Beschwerdeführerin verschiedene Auswahlkriterien und deren jeweilige Gewichtung für die Vergabe von Wegenutzungsrechten für Stromleitungen. Der Schwerpunkt lag dabei auf dem Kriterium der Möglichkeit der Einflussnahme der Beschwerdeführerin auf die Netzgesellschaft mit einer Gewichtung von 30 %. Das ökologische Konzept der jeweiligen Bewerber wurde mit 15 % veranschlagt. Weitere Kriterien waren unter anderem die Möglichkeit der Bürgerbeteiligung an der Netzgesellschaft sowie eine möglichst geringe Belastung des Gemeindehaushalts.

6

d) Am 7. Juni 2011 wurde die ET… GmbH gegründet, an der die Beschwerdeführerin zu 60 % und die ES… zu 40 % beteiligt sind. Mit Schreiben vom selben Tag forderte die Beschwerdeführerin die E… GmbH sowie eine weitere Mitbewerberin, die b… AG & Co. KG, zur Abgabe eines abschließenden Angebots für die Stromkonzession bis zum 30. Juli 2011 auf und verwies dabei auf die vom Gemeinderat festgelegten Auswahlkriterien und deren Gewichtung.

7

e) Während die b… AG & Co. KG mit Schreiben vom 15. Juni 2011 ihr Angebot zurückzog, bekundete die E… GmbH mit Schreiben vom 25. Juli 2011 die Aufrechterhaltung ihrer Bewerbung und gab ein entsprechendes Angebot ab. Der Gemeinderat der Beschwerdeführerin beschloss am 16. August 2011, die Wegenutzungsrechte der ET… GmbH einzuräumen, die mit Schreiben vom 5. Juli 2011 ihr Interesse an den Wegenutzungsrechten im Stadtgebiet der Beschwerdeführerin zum Ausdruck gebracht und mit Schreiben vom 28. Juli 2011 ihre Bewerbung konkretisiert hatte. Der E… GmbH wurde mit Schreiben vom 17. August 2011 die Ablehnung ihrer Bewerbung mitgeteilt. Unter dem 28. September 2011 wandte sich die E… GmbH an das Bundeskartellamt, um die Vorgehensweise der Beschwerdeführerin zu rügen.

8

f) Nachdem die Beschwerdeführerin am 7. November 2011 gemäß § 46 Abs. 3 Satz 6 EnWG ihre Entscheidung zum Neuabschluss des Konzessionsvertrages mit der ET… GmbH öffentlich bekannt gemacht hatte, stimmte der Gemeinderat der Beschwerdeführerin am 22. November 2011 dem Abschluss eines solchen Konzessionsvertrags mit der ET… GmbH zu. Der Vertrag wurde am 16. Dezember 2011 unterzeichnet, nachdem am Tag zuvor, dem 15. Dezember 2011, zwischen der Beschwerdeführerin und der E… GmbH eine Entflechtungsvereinbarung unterzeichnet worden war.

9

2. Auf das Schreiben der E… GmbH vom 28. September 2011 leitete das Bundeskartellamt am 17. Februar 2012 auf Grundlage von §§ 19, 20 GWB ein Verfahren gegen die Beschwerdeführerin wegen des Verdachts des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung und einer Wettbewerbsbeschränkung im Zusammenhang mit dem Abschluss von Wegenutzungsverträgen nach § 46 EnWG ein.

10

3. Die beschwerdeführende Gemeinde T… beantragt mit ihrer am 11. Dezember 2014 beim Bundesverfassungsgericht eingegangenen Kommunalverfassungsbeschwerde die Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Verbots der direkten Übernahme örtlicher Energieverteilernetze ohne vorherige Ausschreibung, des Verbots, bei der Ausschreibung des Betriebs örtlicher Energieverteilernetze den Betrieb durch eine kommunale Beteiligungsgesellschaft vorzugeben, sowie des Verbots, bei der Auswahl des Betreibers eines örtlichen Energieverteilernetzes spezifische kommunale Interessen zu berücksichtigen. Diese Verbote kommen aus Sicht der Beschwerdeführerin in der kartellrechtlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Ausdruck, namentlich in zwei Entscheidungen vom 17. Dezember 2013 zum Stromnetz Heiligenhafen (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2013 - KZR 65/12 -, juris) sowie zum Stromnetz Berkenthin (BGHZ 199, 289).

11

a) Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs haben Gemeinden bei der Vergabe von Nutzungsrechten im Sinne von § 46 Abs. 2 EnWG das Diskriminierungsverbot der § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB und § 46 Abs. 1 EnWG zu beachten. Gemeinden seien als Normadressaten des kartellrechtlichen Diskriminierungs- und Behinderungsverbots anzusehen und handelten beim Abschluss von Konzessionsverträgen als Unternehmen im Sinne des deutschen Kartellrechts (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2013 - KZR 65/12 -, juris, Rn. 16 ff.). Auch dann, wenn sie die Nutzung ihrer öffentlichen Verkehrswege zum Netzbetrieb einem Eigenbetrieb übertragen wollten, hätten sie das Diskriminierungsverbot des § 46 Abs. 1 EnWG zu beachten und könnten sich insoweit weder auf ein "Konzernprivileg" noch auf die Grundsätze des im Vergaberecht anerkannten "In-house-Geschäfts" berufen (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 31). Zwar schließe der Wortlaut des § 46 Abs. 4 EnWG, wonach die Absätze 2 und 3 des § 46 EnWG für Eigenbetriebe der Gemeinden entsprechende Anwendung finden, für sich allein noch nicht aus, einen Eigenbetrieb bei der Übertragung von Nutzungsrechten zu bevorzugen. § 46 Abs. 4 EnWG enthalte keine ausdrückliche Verweisung auf das Diskriminierungsverbot des § 46 Abs. 1 EnWG. Aus dem Zweck der Regelungen des § 46 EnWG ergebe sich jedoch, dass die Gemeinden auch bei einer "Systementscheidung" für den Netzbetrieb durch einen Eigenbetrieb das Diskriminierungsverbot des § 46 Abs. 1 EnWG zu beachten hätten (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 32 ff.). Die Auswahl eines Konzessionärs müsse in einem transparenten Verfahren erfolgen und sei vorrangig an Kriterien auszurichten, die das Ziel des § 1 EnWG, das heißt die Gewährleistung einer sicheren, preisgünstigen, verbraucherfreundlichen, effizienten und umweltverträglichen leitungsgebundenen örtlichen Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas, konkretisierten (vgl. BGHZ 199, 289 <294> Rn. 16).

12

b) Die Pflicht der Gemeinden zur diskriminierungsfreien Auswahl des Konzessionärs stehe mit dem Recht der Gemeinden auf kommunale Selbstverwaltung aus Art. 28 Abs. 2 GG im Einklang. Zwar sei die Versorgung der Einwohner und ortsansässigen Unternehmen mit Energie eine Aufgabe der verfassungsrechtlich geschützten kommunalen Selbstverwaltung. Dies bedeute jedoch nicht, dass die im Zusammenhang mit dieser Versorgung stehende wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden keinen rechtlichen Schranken unterliege. Das Recht zur kommunalen Selbstverwaltung bestehe vielmehr nur im Rahmen der allgemeinen Gesetze, zu denen auch das Energiewirtschaftsgesetz zähle. Die Vorschrift des § 46 Abs. 1 EnWG greife nicht in verfassungswidriger Weise in den Kernbestand des Selbstverwaltungsrechts ein. Als Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie sei grundsätzlich nur die Möglichkeit der Gemeinde zur wirtschaftlichen Betätigung als solche geschützt, nicht aber einzelne Ausprägungen wirtschaftlicher Tätigkeit. Soweit in der aus § 46 Abs. 1 und 4 EnWG folgenden Verpflichtung der Gemeinden, auch Eigenbetriebe, Eigengesellschaften und kommunale Beteiligungsgesellschaften bei der Konzessionsvergabe nicht ohne sachlichen Grund zu bevorzugen, überhaupt ein Eingriff in das Recht auf kommunale Selbstverwaltung zu sehen sein sollte, sei er jedenfalls verhältnismäßig und verfassungsrechtlich unbedenklich. Die Pflicht zur diskriminierungsfreien Entscheidung über den Netzbetreiber sei zur Förderung des Wettbewerbs um das für den Betrieb des allgemeinen Versorgungsnetzes notwendige Wegenutzungsrecht im Interesse der Allgemeinheit an einer Verbesserung der Versorgungsbedingungen geeignet und erforderlich. Die Regelung beschränke die Gemeinden auch nicht übermäßig. Sie seien nicht gehindert, sich mit einem eigenen Unternehmen oder einem Eigenbetrieb am Wettbewerb zu beteiligen und auf dieser Grundlage gegebenenfalls den Netzbetrieb selbst zu übernehmen.

13

4. Nach Erhebung der Verfassungsbeschwerde am 11. Dezember 2014 beantragte die Beschwerdeführerin beim Bundeskartellamt mit Schriftsatz vom 12. Januar 2015, das gegen sie eingeleitete Missbrauchsverfahren bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auszusetzen. Diesen Antrag wies das Bundeskartellamt mit Schreiben vom 14. Januar 2015 zurück. Mit Beschluss vom 28. Januar 2015 stellte das Bundeskartellamt einen Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung der Beschwerdeführerin bei der Auswahl des Unternehmens, dem sie Wegerechte für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen zur Stromversorgung einräumt, fest und gab der Beschwerdeführerin auf, das Auswahlverfahren zu wiederholen.

14

5. Gegen die Untersagungsverfügung des Bundeskartellamts legte die Beschwerdeführerin am 3. März 2015 Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf ein und beantragte zudem am 12. März 2015, die aufschiebende Wirkung dieser Beschwerde anzuordnen. Mit Beschluss vom 15. Juli 2015 wies das Oberlandesgericht Düsseldorf den Antrag der Beschwerdeführerin zurück, wobei das Oberlandesgericht in seiner Begründung im Wesentlichen auf die oben angeführte kartellrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Bezug nahm und dabei insbesondere auch eine Verletzung von Art. 28 Abs. 2 GG verneinte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Juli 2015 - VI-2 Kart 1/15 (V), 2 Kart 1/15 (V) -, juris, Rn. 22 ff., 28 ff.). Die Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluss ließ das Oberlandesgericht Düsseldorf nach § 74 Abs. 2 und 3 GWB nicht zu, da weder eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden sei, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs bedürfe (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O., Rn. 75).

15

6. Die hiergegen von der Beschwerdeführerin erhobene Rechtsbeschwerde sowie ihre Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Oberlandesgericht Düsseldorf wies der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 26. Januar 2016 zurück (BGH, Beschluss vom 26. Januar 2016 - KVZ 41/15 -, juris).

II.

16

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG), weil sie unzulässig ist.

17

1. Sie bezeichnet kein im Wege der Kommunalverfassungsbeschwerde rügefähiges Gesetz im Sinne von Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG, § 91 BVerfGG.

18

a) Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG sowie § 91 Satz 1 BVerfGG sehen als Beschwerdegegenstand der Kommunalverfassungsbeschwerde ein Gesetz des Bundes oder eines Landes vor, worunter neben formellen Gesetzen alle vom Staat erlassenen Rechtsnormen anzusehen sind, die Außenwirkung gegenüber einer Kommune entfalten (vgl. BVerfGE 71, 25 <34>; 76, 107 <114>; 137, 108 <137> Rn. 63). Hierunter fallen auch Rechtsverordnungen (vgl. BVerfGE 107, 1 <8>; 110, 370 <383>; 137, 108 <137> Rn. 63) und Satzungen von Selbstverwaltungskörperschaften (vgl. BVerfGE 26, 228 <245>; 137, 108 <137> Rn. 63).

19

b) Gerichtliche Entscheidungen können im Verfahren der Kommunalverfassungsbeschwerde hingegen nicht dem Bundesverfassungsgericht zur Überprüfung vorgelegt werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Oktober 2013 - 2 BvR 1961/13, 2 BvR 12 BvR 1962/13, 2 BvR 12 BvR 1976/13 -, juris, Rn. 3; BVerfGK 3, 219 <221>). Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass die von ihr angegriffene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als Rechtsnorm anzusehen sei, die Außenwirkung gegenüber den Kommunen entfalte, kann insoweit nicht gefolgt werden. Auch höchstrichterliche Urteile sind kein Gesetzesrecht und erzeugen keine damit vergleichbare Rechtsbindung (vgl. BVerfGE 84, 212 <227>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 15. Juli 2015 - 2 BvR 2292/13 -, juris, Rn. 70 ff.).

20

Zwar ist richterliche Rechtsfindung nicht auf den Vollzug vorgegebener Normen in dem Sinne beschränkt, dass der Richter dabei als bloße "bouche de la loi", das heißt als "Subsumtionsautomat" fungieren würde. Vielmehr ist es jeder richterlichen Tätigkeit immanent, dass sie den Inhalt gesetzlicher Normen methodisch interpretiert und deren Anwendungsbereich definiert, um auf der Grundlage des positiven, abstrakt-generell formulierten Gesetzes im Einzelfall über dessen Anwendung zu entscheiden. Auch Rechtsanwendung ist insofern die Erzeugung von neuem, noch nicht bestehendem Recht auf der Grundlage und nach Maßgabe von anzuwendendem Recht, dessen Vorgaben mittels Rechtserkenntnis vom Rechtsanwender zu eruieren sind (vgl. Kelsen, Reine Rechtslehre, 1934, S. 79 f.).

21

Vor diesem Hintergrund wird, worauf die Beschwerdeführerin hinweist, in der verfassungs- und verfassungsprozessrechtlichen Literatur die Auffassung vertreten, dass aus Rechtsschutzgründen und im Hinblick auf die bestehenden (faktischen) Bindungswirkungen auch Richterrecht und Gewohnheitsrecht als zulässige Gegenstände einer Kommunalverfassungsbeschwerde in Betracht kommen (vgl. Löwer, Zuständigkeiten und Verfahren des Bundesverfassungsgerichts, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. III, 3. Aufl. 2005, § 70 Rn. 77; Voßkuhle, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Art. 93 Rn. 198; die Zulässigkeit bei Gewohnheitsrecht, nicht aber bei Richterrecht bejahend Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 93 Rn. 74). Da durch eine generelle Anerkennung der Rechtsnormqualität gerichtlicher Entscheidungen jedoch die vom Verfassungsgeber vorgenommene Beschränkung der Kommunalverfassungsbeschwerde auf (materielle) Gesetze unterlaufen und die Kommunalverfassungsbeschwerde in eine Urteilsverfassungsbeschwerde umgewandelt würde, was dem Willen des Verfassungs- wie Gesetzgebers ersichtlich zuwiderliefe, kann dies mit Blick auf Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG, § 91 BVerfGG allenfalls für Richterrecht gelten, das ein bestimmtes Rechtsgebiet prägt (vgl. etwa zum Arbeitskampfrecht BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 15. Juli 2015 - 2 BvR 2292/13 -, juris, Rn. 70).

22

Wo die Grenze zwischen Rechtsanwendung und eigenständiger Setzung von Richterrecht im Sinne von Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG, § 91 BVerfGG verläuft, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden, da die von der Beschwerdeführerin angegriffenen Urteile auf einer Auslegung von § 46 EnWG beruhen und insofern in Anwendung bereits bestehenden Gesetzesrechts gefällt wurden, weswegen ihnen die Qualität selbständiger, im Wege der Kommunalverfassungsbeschwerde rügefähiger Rechtsnormen nicht zukommt.

23

c) Durch die mangelnde Angreifbarkeit gerichtlicher Urteile im Rahmen der Kommunalverfassungsbeschwerde entstehen auch keine Rechtsschutzlücken. Denn zum einen sind die Fachgerichte dazu aufgerufen, in den ihnen zur Entscheidung vorgelegten Verfahren sowohl der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung, die dem Bund die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit für das Recht der Wirtschaft (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG) und die Verhütung des Missbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung (Art. 74 Abs. 1 Nr. 16 GG), den Ländern jedoch die Zuständigkeit für das Kommunalrecht zuweist (vgl. BVerfGE 137, 108 <164> Rn. 132), als auch der besonderen Bedeutung der den Gemeinden in Art. 28 Abs. 2 GG gewährleisteten Garantie des kommunalen Selbstverwaltungsrechts und ihrer Konkretisierung in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Rechnung zu tragen, um bei der Auslegung und Anwendung des Energiewirtschaftsgesetzes wie auch des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen der Möglichkeit einer eigenverantwortlichen Regelung aller Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zur Wirksamkeit zu verhelfen. Zum anderen besteht in Fällen, in denen sich die Fachgerichte an verfassungsrechtliche Vorgaben aus Art. 28 Abs. 2 und Art. 72, 74 GG nicht hinreichend berücksichtigende Gesetzeslage wegen Art. 20 Abs. 3 GG gebunden sehen, die Verpflichtung, nach Art. 100 Abs. 1 GG, § 80 Abs. 1 BVerfGG die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen.

24

2. Eine Interpretation der Verfassungsbeschwerde dahingehend, dass sie sich unmittelbar gegen § 46 EnWG richtet, beseitigt die Zulässigkeitshindernisse nicht, da die Norm bereits im Jahr 2005 in das Energiewirtschaftsgesetz aufgenommen wurde (BGBl I S. 1970) und daher die Jahresfrist des § 93 Abs. 3 BVerfGG jedenfalls verstrichen ist.

25

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

26

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.

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(1) Gemeinden haben ihre öffentlichen Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen, einschließlich Fernwirkleitungen zur Netzsteuerung und Zubehör, zur unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern im Gemeindegebiet diskriminierungsfrei durch Vertrag zur Verfügung zu stellen. Unbeschadet ihrer Verpflichtungen nach Satz 1 können die Gemeinden den Abschluss von Verträgen ablehnen, solange das Energieversorgungsunternehmen die Zahlung von Konzessionsabgaben in Höhe der Höchstsätze nach § 48 Absatz 2 verweigert und eine Einigung über die Höhe der Konzessionsabgaben noch nicht erzielt ist.

(2) Verträge von Energieversorgungsunternehmen mit Gemeinden über die Nutzung öffentlicher Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen, die zu einem Energieversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung im Gemeindegebiet gehören, dürfen höchstens für eine Laufzeit von 20 Jahren abgeschlossen werden. Werden solche Verträge nach ihrem Ablauf nicht verlängert, so ist der bisher Nutzungsberechtigte verpflichtet, seine für den Betrieb der Netze der allgemeinen Versorgung im Gemeindegebiet notwendigen Verteilungsanlagen dem neuen Energieversorgungsunternehmen gegen Zahlung einer wirtschaftlich angemessenen Vergütung zu übereignen. Das neue Energieversorgungsunternehmen kann statt der Übereignung verlangen, dass ihm der Besitz hieran eingeräumt wird. Für die wirtschaftlich angemessene Vergütung ist der sich nach den zu erzielenden Erlösen bemessende objektivierte Ertragswert des Energieversorgungsnetzes maßgeblich. Die Möglichkeit zur Einigung auf eine anderweitig basierte Vergütung bleibt unberührt.

(3) Die Gemeinden machen spätestens zwei Jahre vor Ablauf von Verträgen nach Absatz 2 das Vertragsende und einen ausdrücklichen Hinweis auf die nach § 46a von der Gemeinde in geeigneter Form zu veröffentlichenden Daten sowie den Ort der Veröffentlichung durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger bekannt. Wenn im Gemeindegebiet mehr als 100 000 Kunden unmittelbar oder mittelbar an das Versorgungsnetz angeschlossen sind, hat die Bekanntmachung zusätzlich im Amtsblatt der Europäischen Union zu erfolgen. Beabsichtigen Gemeinden eine Verlängerung von Verträgen nach Absatz 2 vor Ablauf der Vertragslaufzeit, so sind die bestehenden Verträge zu beenden und die vorzeitige Beendigung sowie das Vertragsende nach Maßgabe der Sätze 1 und 2 öffentlich bekannt zu geben.

(4) Die Gemeinde ist bei der Auswahl des Unternehmens den Zielen des § 1 Absatz 1 verpflichtet. Unter Wahrung netzwirtschaftlicher Anforderungen, insbesondere der Versorgungssicherheit und der Kosteneffizienz, können auch Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft berücksichtigt werden. Bei der Gewichtung der einzelnen Auswahlkriterien ist die Gemeinde berechtigt, den Anforderungen des jeweiligen Netzgebietes Rechnung zu tragen. Die Gemeinde hat jedem Unternehmen, das innerhalb einer von der Gemeinde in der Bekanntmachung nach Absatz 3 Satz 1 oder 3 gesetzten Frist von mindestens drei Kalendermonaten ein Interesse an der Nutzung der öffentlichen Verkehrswege bekundet, die Auswahlkriterien und deren Gewichtung in Textform mitzuteilen.

(5) Die Gemeinde hat die Unternehmen, deren Angebote nicht angenommen werden sollen, über die Gründe der vorgesehenen Ablehnung ihres Angebots und über den frühesten Zeitpunkt des beabsichtigten Vertragsschlusses in Textform zu informieren. Die Gemeinde macht bei Neuabschluss oder Verlängerung von Verträgen nach Absatz 2 ihre Entscheidung unter Angabe der maßgeblichen Gründe öffentlich bekannt.

(6) Die Absätze 2 bis 5 finden für Eigenbetriebe der Gemeinden entsprechende Anwendung.

(7) Die Aufgaben und Zuständigkeiten der Kartellbehörden nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen bleiben unberührt.

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2.
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3.
ungünstigere Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, als sie das marktbeherrschende Unternehmen selbst auf vergleichbaren Märkten von gleichartigen Abnehmern fordert, es sei denn, dass der Unterschied sachlich gerechtfertigt ist;
4.
sich weigert, ein anderes Unternehmen gegen angemessenes Entgelt mit einer solchen Ware oder gewerblichen Leistung zu beliefern, insbesondere ihm Zugang zu Daten, zu Netzen oder anderen Infrastruktureinrichtungen zu gewähren, und die Belieferung oder die Gewährung des Zugangs objektiv notwendig ist, um auf einem vor- oder nachgelagerten Markt tätig zu sein und die Weigerung den wirksamen Wettbewerb auf diesem Markt auszuschalten droht, es sei denn, die Weigerung ist sachlich gerechtfertigt;
5.
andere Unternehmen dazu auffordert, ihm ohne sachlich gerechtfertigten Grund Vorteile zu gewähren; hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob die Aufforderung für das andere Unternehmen nachvollziehbar begründet ist und ob der geforderte Vorteil in einem angemessenen Verhältnis zum Grund der Forderung steht.

(3) Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 und Nummer 5 gilt auch für Vereinigungen von miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen im Sinne der §§ 2, 3 und 28 Absatz 1, § 30 Absatz 2a, 2b und § 31 Absatz 1 Nummer 1, 2 und 4. Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt auch für Unternehmen, die Preise nach § 28 Absatz 2 oder § 30 Absatz 1 Satz 1 oder § 31 Absatz 1 Nummer 3 binden.

(1) § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt auch für Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen, soweit von ihnen andere Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Möglichkeiten, auf dritte Unternehmen auszuweichen, nicht bestehen und ein deutliches Ungleichgewicht zur Gegenmacht der anderen Unternehmen besteht (relative Marktmacht). § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt ferner auch für Unternehmen, die als Vermittler auf mehrseitigen Märkten tätig sind, soweit andere Unternehmen mit Blick auf den Zugang zu Beschaffungs- und Absatzmärkten von ihrer Vermittlungsleistung in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Ausweichmöglichkeiten nicht bestehen. Es wird vermutet, dass ein Anbieter einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen von einem Nachfrager abhängig im Sinne des Satzes 1 ist, wenn dieser Nachfrager bei ihm zusätzlich zu den verkehrsüblichen Preisnachlässen oder sonstigen Leistungsentgelten regelmäßig besondere Vergünstigungen erlangt, die gleichartigen Nachfragern nicht gewährt werden.

(1a) Eine Abhängigkeit nach Absatz 1 kann sich auch daraus ergeben, dass ein Unternehmen für die eigene Tätigkeit auf den Zugang zu Daten angewiesen ist, die von einem anderen Unternehmen kontrolliert werden. Die Verweigerung des Zugangs zu solchen Daten gegen angemessenes Entgelt kann eine unbillige Behinderung nach Absatz 1 in Verbindung mit § 19 Absatz 1, Absatz 2 Nummer 1 darstellen. Dies gilt auch dann, wenn ein Geschäftsverkehr für diese Daten bislang nicht eröffnet ist.

(2) § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 5 gilt auch für Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen im Verhältnis zu den von ihnen abhängigen Unternehmen.

(3) Unternehmen mit gegenüber kleinen und mittleren Wettbewerbern überlegener Marktmacht dürfen ihre Marktmacht nicht dazu ausnutzen, solche Wettbewerber unmittelbar oder mittelbar unbillig zu behindern. Eine unbillige Behinderung im Sinne des Satzes 1 liegt insbesondere vor, wenn ein Unternehmen

1.
Lebensmittel im Sinne des Artikels 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/1381 (ABl. L 231 vom 6.9.2019, S. 1) geändert worden ist, unter Einstandspreis oder
2.
andere Waren oder gewerbliche Leistungen nicht nur gelegentlich unter Einstandspreis oder
3.
von kleinen oder mittleren Unternehmen, mit denen es auf dem nachgelagerten Markt beim Vertrieb von Waren oder gewerblichen Leistungen im Wettbewerb steht, für deren Lieferung einen höheren Preis fordert, als es selbst auf diesem Markt
anbietet, es sei denn, dies ist jeweils sachlich gerechtfertigt. Einstandspreis im Sinne des Satzes 2 ist der zwischen dem Unternehmen mit überlegener Marktmacht und seinem Lieferanten vereinbarte Preis für die Beschaffung der Ware oder Leistung, auf den allgemein gewährte und im Zeitpunkt des Angebots bereits mit hinreichender Sicherheit feststehende Bezugsvergünstigungen anteilig angerechnet werden, soweit nicht für bestimmte Waren oder Leistungen ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist. Das Anbieten von Lebensmitteln unter Einstandspreis ist sachlich gerechtfertigt, wenn es geeignet ist, den Verderb oder die drohende Unverkäuflichkeit der Waren beim Händler durch rechtzeitigen Verkauf zu verhindern sowie in vergleichbar schwerwiegenden Fällen. Werden Lebensmittel an gemeinnützige Einrichtungen zur Verwendung im Rahmen ihrer Aufgaben abgegeben, liegt keine unbillige Behinderung vor.

(3a) Eine unbillige Behinderung im Sinne des Absatzes 3 Satz 1 liegt auch vor, wenn ein Unternehmen mit überlegener Marktmacht auf einem Markt im Sinne des § 18 Absatz 3a die eigenständige Erzielung von Netzwerkeffekten durch Wettbewerber behindert und hierdurch die ernstliche Gefahr begründet, dass der Leistungswettbewerb in nicht unerheblichem Maße eingeschränkt wird.

(4) Ergibt sich auf Grund bestimmter Tatsachen nach allgemeiner Erfahrung der Anschein, dass ein Unternehmen seine Marktmacht im Sinne des Absatzes 3 ausgenutzt hat, so obliegt es diesem Unternehmen, den Anschein zu widerlegen und solche anspruchsbegründenden Umstände aus seinem Geschäftsbereich aufzuklären, deren Aufklärung dem betroffenen Wettbewerber oder einem Verband nach § 33 Absatz 4 nicht möglich, dem in Anspruch genommenen Unternehmen aber leicht möglich und zumutbar ist.

(5) Wirtschafts- und Berufsvereinigungen sowie Gütezeichengemeinschaften dürfen die Aufnahme eines Unternehmens nicht ablehnen, wenn die Ablehnung eine sachlich nicht gerechtfertigte ungleiche Behandlung darstellen und zu einer unbilligen Benachteiligung des Unternehmens im Wettbewerb führen würde.

(1) Gemeinden haben ihre öffentlichen Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen, einschließlich Fernwirkleitungen zur Netzsteuerung und Zubehör, zur unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern im Gemeindegebiet diskriminierungsfrei durch Vertrag zur Verfügung zu stellen. Unbeschadet ihrer Verpflichtungen nach Satz 1 können die Gemeinden den Abschluss von Verträgen ablehnen, solange das Energieversorgungsunternehmen die Zahlung von Konzessionsabgaben in Höhe der Höchstsätze nach § 48 Absatz 2 verweigert und eine Einigung über die Höhe der Konzessionsabgaben noch nicht erzielt ist.

(2) Verträge von Energieversorgungsunternehmen mit Gemeinden über die Nutzung öffentlicher Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen, die zu einem Energieversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung im Gemeindegebiet gehören, dürfen höchstens für eine Laufzeit von 20 Jahren abgeschlossen werden. Werden solche Verträge nach ihrem Ablauf nicht verlängert, so ist der bisher Nutzungsberechtigte verpflichtet, seine für den Betrieb der Netze der allgemeinen Versorgung im Gemeindegebiet notwendigen Verteilungsanlagen dem neuen Energieversorgungsunternehmen gegen Zahlung einer wirtschaftlich angemessenen Vergütung zu übereignen. Das neue Energieversorgungsunternehmen kann statt der Übereignung verlangen, dass ihm der Besitz hieran eingeräumt wird. Für die wirtschaftlich angemessene Vergütung ist der sich nach den zu erzielenden Erlösen bemessende objektivierte Ertragswert des Energieversorgungsnetzes maßgeblich. Die Möglichkeit zur Einigung auf eine anderweitig basierte Vergütung bleibt unberührt.

(3) Die Gemeinden machen spätestens zwei Jahre vor Ablauf von Verträgen nach Absatz 2 das Vertragsende und einen ausdrücklichen Hinweis auf die nach § 46a von der Gemeinde in geeigneter Form zu veröffentlichenden Daten sowie den Ort der Veröffentlichung durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger bekannt. Wenn im Gemeindegebiet mehr als 100 000 Kunden unmittelbar oder mittelbar an das Versorgungsnetz angeschlossen sind, hat die Bekanntmachung zusätzlich im Amtsblatt der Europäischen Union zu erfolgen. Beabsichtigen Gemeinden eine Verlängerung von Verträgen nach Absatz 2 vor Ablauf der Vertragslaufzeit, so sind die bestehenden Verträge zu beenden und die vorzeitige Beendigung sowie das Vertragsende nach Maßgabe der Sätze 1 und 2 öffentlich bekannt zu geben.

(4) Die Gemeinde ist bei der Auswahl des Unternehmens den Zielen des § 1 Absatz 1 verpflichtet. Unter Wahrung netzwirtschaftlicher Anforderungen, insbesondere der Versorgungssicherheit und der Kosteneffizienz, können auch Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft berücksichtigt werden. Bei der Gewichtung der einzelnen Auswahlkriterien ist die Gemeinde berechtigt, den Anforderungen des jeweiligen Netzgebietes Rechnung zu tragen. Die Gemeinde hat jedem Unternehmen, das innerhalb einer von der Gemeinde in der Bekanntmachung nach Absatz 3 Satz 1 oder 3 gesetzten Frist von mindestens drei Kalendermonaten ein Interesse an der Nutzung der öffentlichen Verkehrswege bekundet, die Auswahlkriterien und deren Gewichtung in Textform mitzuteilen.

(5) Die Gemeinde hat die Unternehmen, deren Angebote nicht angenommen werden sollen, über die Gründe der vorgesehenen Ablehnung ihres Angebots und über den frühesten Zeitpunkt des beabsichtigten Vertragsschlusses in Textform zu informieren. Die Gemeinde macht bei Neuabschluss oder Verlängerung von Verträgen nach Absatz 2 ihre Entscheidung unter Angabe der maßgeblichen Gründe öffentlich bekannt.

(6) Die Absätze 2 bis 5 finden für Eigenbetriebe der Gemeinden entsprechende Anwendung.

(7) Die Aufgaben und Zuständigkeiten der Kartellbehörden nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen bleiben unberührt.

(1) Der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen ist verboten.

(2) Ein Missbrauch liegt insbesondere vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen

1.
ein anderes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar unbillig behindert oder ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder mittelbar anders behandelt als gleichartige Unternehmen;
2.
Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden; hierbei sind insbesondere die Verhaltensweisen von Unternehmen auf vergleichbaren Märkten mit wirksamem Wettbewerb zu berücksichtigen;
3.
ungünstigere Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, als sie das marktbeherrschende Unternehmen selbst auf vergleichbaren Märkten von gleichartigen Abnehmern fordert, es sei denn, dass der Unterschied sachlich gerechtfertigt ist;
4.
sich weigert, ein anderes Unternehmen gegen angemessenes Entgelt mit einer solchen Ware oder gewerblichen Leistung zu beliefern, insbesondere ihm Zugang zu Daten, zu Netzen oder anderen Infrastruktureinrichtungen zu gewähren, und die Belieferung oder die Gewährung des Zugangs objektiv notwendig ist, um auf einem vor- oder nachgelagerten Markt tätig zu sein und die Weigerung den wirksamen Wettbewerb auf diesem Markt auszuschalten droht, es sei denn, die Weigerung ist sachlich gerechtfertigt;
5.
andere Unternehmen dazu auffordert, ihm ohne sachlich gerechtfertigten Grund Vorteile zu gewähren; hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob die Aufforderung für das andere Unternehmen nachvollziehbar begründet ist und ob der geforderte Vorteil in einem angemessenen Verhältnis zum Grund der Forderung steht.

(3) Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 und Nummer 5 gilt auch für Vereinigungen von miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen im Sinne der §§ 2, 3 und 28 Absatz 1, § 30 Absatz 2a, 2b und § 31 Absatz 1 Nummer 1, 2 und 4. Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt auch für Unternehmen, die Preise nach § 28 Absatz 2 oder § 30 Absatz 1 Satz 1 oder § 31 Absatz 1 Nummer 3 binden.

(1) Gemeinden haben ihre öffentlichen Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen, einschließlich Fernwirkleitungen zur Netzsteuerung und Zubehör, zur unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern im Gemeindegebiet diskriminierungsfrei durch Vertrag zur Verfügung zu stellen. Unbeschadet ihrer Verpflichtungen nach Satz 1 können die Gemeinden den Abschluss von Verträgen ablehnen, solange das Energieversorgungsunternehmen die Zahlung von Konzessionsabgaben in Höhe der Höchstsätze nach § 48 Absatz 2 verweigert und eine Einigung über die Höhe der Konzessionsabgaben noch nicht erzielt ist.

(2) Verträge von Energieversorgungsunternehmen mit Gemeinden über die Nutzung öffentlicher Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen, die zu einem Energieversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung im Gemeindegebiet gehören, dürfen höchstens für eine Laufzeit von 20 Jahren abgeschlossen werden. Werden solche Verträge nach ihrem Ablauf nicht verlängert, so ist der bisher Nutzungsberechtigte verpflichtet, seine für den Betrieb der Netze der allgemeinen Versorgung im Gemeindegebiet notwendigen Verteilungsanlagen dem neuen Energieversorgungsunternehmen gegen Zahlung einer wirtschaftlich angemessenen Vergütung zu übereignen. Das neue Energieversorgungsunternehmen kann statt der Übereignung verlangen, dass ihm der Besitz hieran eingeräumt wird. Für die wirtschaftlich angemessene Vergütung ist der sich nach den zu erzielenden Erlösen bemessende objektivierte Ertragswert des Energieversorgungsnetzes maßgeblich. Die Möglichkeit zur Einigung auf eine anderweitig basierte Vergütung bleibt unberührt.

(3) Die Gemeinden machen spätestens zwei Jahre vor Ablauf von Verträgen nach Absatz 2 das Vertragsende und einen ausdrücklichen Hinweis auf die nach § 46a von der Gemeinde in geeigneter Form zu veröffentlichenden Daten sowie den Ort der Veröffentlichung durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger bekannt. Wenn im Gemeindegebiet mehr als 100 000 Kunden unmittelbar oder mittelbar an das Versorgungsnetz angeschlossen sind, hat die Bekanntmachung zusätzlich im Amtsblatt der Europäischen Union zu erfolgen. Beabsichtigen Gemeinden eine Verlängerung von Verträgen nach Absatz 2 vor Ablauf der Vertragslaufzeit, so sind die bestehenden Verträge zu beenden und die vorzeitige Beendigung sowie das Vertragsende nach Maßgabe der Sätze 1 und 2 öffentlich bekannt zu geben.

(4) Die Gemeinde ist bei der Auswahl des Unternehmens den Zielen des § 1 Absatz 1 verpflichtet. Unter Wahrung netzwirtschaftlicher Anforderungen, insbesondere der Versorgungssicherheit und der Kosteneffizienz, können auch Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft berücksichtigt werden. Bei der Gewichtung der einzelnen Auswahlkriterien ist die Gemeinde berechtigt, den Anforderungen des jeweiligen Netzgebietes Rechnung zu tragen. Die Gemeinde hat jedem Unternehmen, das innerhalb einer von der Gemeinde in der Bekanntmachung nach Absatz 3 Satz 1 oder 3 gesetzten Frist von mindestens drei Kalendermonaten ein Interesse an der Nutzung der öffentlichen Verkehrswege bekundet, die Auswahlkriterien und deren Gewichtung in Textform mitzuteilen.

(5) Die Gemeinde hat die Unternehmen, deren Angebote nicht angenommen werden sollen, über die Gründe der vorgesehenen Ablehnung ihres Angebots und über den frühesten Zeitpunkt des beabsichtigten Vertragsschlusses in Textform zu informieren. Die Gemeinde macht bei Neuabschluss oder Verlängerung von Verträgen nach Absatz 2 ihre Entscheidung unter Angabe der maßgeblichen Gründe öffentlich bekannt.

(6) Die Absätze 2 bis 5 finden für Eigenbetriebe der Gemeinden entsprechende Anwendung.

(7) Die Aufgaben und Zuständigkeiten der Kartellbehörden nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen bleiben unberührt.

(1) Zweck des Gesetzes ist eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente, umweltverträgliche und treibhausgasneutrale leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität, Gas und Wasserstoff, die zunehmend auf erneuerbaren Energien beruht.

(2) Die Regulierung der Elektrizitäts- und Gasversorgungsnetze dient den Zielen der Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs bei der Versorgung mit Elektrizität und Gas und der Sicherung eines langfristig angelegten leistungsfähigen und zuverlässigen Betriebs von Energieversorgungsnetzen.

(3) Zweck dieses Gesetzes ist ferner die Umsetzung und Durchführung des Europäischen Gemeinschaftsrechts auf dem Gebiet der leitungsgebundenen Energieversorgung.

(4) Um den Zweck des Absatzes 1 auf dem Gebiet der leitungsgebundenen Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität zu erreichen, verfolgt dieses Gesetz insbesondere die Ziele,

1.
die freie Preisbildung für Elektrizität durch wettbewerbliche Marktmechanismen zu stärken,
2.
den Ausgleich von Angebot und Nachfrage nach Elektrizität an den Strommärkten jederzeit zu ermöglichen,
3.
dass Erzeugungsanlagen, Anlagen zur Speicherung elektrischer Energie und Lasten insbesondere möglichst umweltverträglich, netzverträglich, effizient und flexibel in dem Umfang eingesetzt werden, der erforderlich ist, um die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems zu gewährleisten, und
4.
den Elektrizitätsbinnenmarkt zu stärken sowie die Zusammenarbeit insbesondere mit den an das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland angrenzenden Staaten sowie mit dem Königreich Norwegen und dem Königreich Schweden zu intensivieren.

(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.

(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.

(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.

(1) Gemeinden haben ihre öffentlichen Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen, einschließlich Fernwirkleitungen zur Netzsteuerung und Zubehör, zur unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern im Gemeindegebiet diskriminierungsfrei durch Vertrag zur Verfügung zu stellen. Unbeschadet ihrer Verpflichtungen nach Satz 1 können die Gemeinden den Abschluss von Verträgen ablehnen, solange das Energieversorgungsunternehmen die Zahlung von Konzessionsabgaben in Höhe der Höchstsätze nach § 48 Absatz 2 verweigert und eine Einigung über die Höhe der Konzessionsabgaben noch nicht erzielt ist.

(2) Verträge von Energieversorgungsunternehmen mit Gemeinden über die Nutzung öffentlicher Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen, die zu einem Energieversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung im Gemeindegebiet gehören, dürfen höchstens für eine Laufzeit von 20 Jahren abgeschlossen werden. Werden solche Verträge nach ihrem Ablauf nicht verlängert, so ist der bisher Nutzungsberechtigte verpflichtet, seine für den Betrieb der Netze der allgemeinen Versorgung im Gemeindegebiet notwendigen Verteilungsanlagen dem neuen Energieversorgungsunternehmen gegen Zahlung einer wirtschaftlich angemessenen Vergütung zu übereignen. Das neue Energieversorgungsunternehmen kann statt der Übereignung verlangen, dass ihm der Besitz hieran eingeräumt wird. Für die wirtschaftlich angemessene Vergütung ist der sich nach den zu erzielenden Erlösen bemessende objektivierte Ertragswert des Energieversorgungsnetzes maßgeblich. Die Möglichkeit zur Einigung auf eine anderweitig basierte Vergütung bleibt unberührt.

(3) Die Gemeinden machen spätestens zwei Jahre vor Ablauf von Verträgen nach Absatz 2 das Vertragsende und einen ausdrücklichen Hinweis auf die nach § 46a von der Gemeinde in geeigneter Form zu veröffentlichenden Daten sowie den Ort der Veröffentlichung durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger bekannt. Wenn im Gemeindegebiet mehr als 100 000 Kunden unmittelbar oder mittelbar an das Versorgungsnetz angeschlossen sind, hat die Bekanntmachung zusätzlich im Amtsblatt der Europäischen Union zu erfolgen. Beabsichtigen Gemeinden eine Verlängerung von Verträgen nach Absatz 2 vor Ablauf der Vertragslaufzeit, so sind die bestehenden Verträge zu beenden und die vorzeitige Beendigung sowie das Vertragsende nach Maßgabe der Sätze 1 und 2 öffentlich bekannt zu geben.

(4) Die Gemeinde ist bei der Auswahl des Unternehmens den Zielen des § 1 Absatz 1 verpflichtet. Unter Wahrung netzwirtschaftlicher Anforderungen, insbesondere der Versorgungssicherheit und der Kosteneffizienz, können auch Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft berücksichtigt werden. Bei der Gewichtung der einzelnen Auswahlkriterien ist die Gemeinde berechtigt, den Anforderungen des jeweiligen Netzgebietes Rechnung zu tragen. Die Gemeinde hat jedem Unternehmen, das innerhalb einer von der Gemeinde in der Bekanntmachung nach Absatz 3 Satz 1 oder 3 gesetzten Frist von mindestens drei Kalendermonaten ein Interesse an der Nutzung der öffentlichen Verkehrswege bekundet, die Auswahlkriterien und deren Gewichtung in Textform mitzuteilen.

(5) Die Gemeinde hat die Unternehmen, deren Angebote nicht angenommen werden sollen, über die Gründe der vorgesehenen Ablehnung ihres Angebots und über den frühesten Zeitpunkt des beabsichtigten Vertragsschlusses in Textform zu informieren. Die Gemeinde macht bei Neuabschluss oder Verlängerung von Verträgen nach Absatz 2 ihre Entscheidung unter Angabe der maßgeblichen Gründe öffentlich bekannt.

(6) Die Absätze 2 bis 5 finden für Eigenbetriebe der Gemeinden entsprechende Anwendung.

(7) Die Aufgaben und Zuständigkeiten der Kartellbehörden nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen bleiben unberührt.

(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.

(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.

(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.

(1) Die Beschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat bei der Kartellbehörde, deren Verfügung angefochten wird, schriftlich einzureichen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Verfügung der Kartellbehörde. Wird in den Fällen des § 36 Absatz 1 Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis nach § 42 gestellt, so beginnt die Frist für die Beschwerde gegen die Verfügung des Bundeskartellamts mit der Zustellung der Verfügung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Es genügt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem Beschwerdegericht eingeht.

(2) Ergeht entsprechend § 73 Absatz 3 Satz 2 auf einen Antrag keine Verfügung, so ist die Beschwerde an keine Frist gebunden.

(3) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der angefochtenen Verfügung zu begründen. Im Fall des Absatzes 1 Satz 3 beginnt die Frist mit der Zustellung der Verfügung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Wird diese Verfügung angefochten, beginnt die Frist zu dem Zeitpunkt, zu dem die Untersagung unanfechtbar wird. Im Fall des Absatzes 2 beträgt die Frist einen Monat; sie beginnt mit der Einlegung der Beschwerde. Die Frist kann auf Antrag von dem oder der Vorsitzenden des Beschwerdegerichts verlängert werden.

(4) Die Beschwerdebegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit die Verfügung angefochten und ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt wird,
2.
die Angabe der Tatsachen und Beweismittel, auf die sich die Beschwerde stützt.

(5) Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründung müssen durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet sein; dies gilt nicht für Beschwerden der Kartellbehörden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
KVZ 41/15
vom
26. Januar 2016
in der Kartellverwaltungssache
ECLI:DE:BGH:2016:260116BKVZ41.15.0

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Januar 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Prof. Dr. Strohn, Dr. Kirchhoff, Dr. Bacher und Dr. Deichfuß
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 2. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 15. Juli 2015 und die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in diesem Beschluss werden auf Kosten der Betroffenen zurückgewiesen. Der Wert für das Rechtsbeschwerde- und das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren wird auf 1.900.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

1
A. Die Betroffene ist Inhaberin der Wegerechte an den öffentlichen Verkehrswegen in ihrem Stadtgebiet.
2
Am 13. Oktober 2009 gab die Betroffene das Auslaufen der Stromkonzession im Stadtgebiet im Bundesanzeiger bekannt und forderte interessierte Unternehmen auf, Angebote einzureichen. Politisches Ziel der Betroffenen war es, den Netzbetrieb zu (re)kommunalisieren. Am 27. Oktober 2009 beschloss der Rat der Betroffenen, einen Kooperationspartner für den Netzbetrieb zu suchen. Um die Stromkonzession bewarben sich die bisherige Konzessionärin, die Beigeladene zu 1, und die b. .
3
Am 27. Juli 2010 beschloss der Rat der Betroffenen die Rekommunalisierung des Netzbetriebs. Am 29. März 2011 fasste er den Beschluss, mit der N. eine strategische Partnerschaft zur Gründung der Energieversorgung Titisee-Neustadt GmbH (EvTN) einzugehen. An der EvTN beteiligten sich die Betroffene mit 60% und die N. mit 40%. Zugleich wurde beschlossen, dass sich die EvTN um die Stromkonzession bewerben und den Stromvertrieb im Stadtgebiet der Betroffenen übernehmen solle.
4
Am 31. Mai 2011 beschloss der Rat der Betroffenen nachträglich Auswahlkriterien und Gewichtungen für die Vergabe der Stromkonzession, die der Beigeladenen zu 1 und der b. KG am 7. Juni 2011 mitgeteilt wurden. Dabei wurde eine Frist zur Anpassung der Angebote bis zum 30. Juli 2011 gesetzt. Ebenfalls am 7. Juni 2011 wurde die EvTN gegründet und am 17. Juni 2011 ins Handelsregister eingetragen.
5
Während die b. ihre Bewerbung mit Schreiben vom 15. Juni 2011 zurücknahm, hielt die Beigeladene zu 1 ihre Bewerbung aufrecht. Am 5. Juli 2011 bewarb sich die EvTN ebenfalls um die Stromkonzession.
6
Mit Schreiben vom 17. August 2011 informierte die Betroffene die Beigeladene zu 1, sich für die EvTN als künftige Stromkonzessionärin entschieden zu haben. Diese Entscheidung machte sie am 7. November 2011 öffentlich bekannt. Am 16. Dezember 2011 schloss die Betroffene einen Stromkonzessionsvertrag mit der EvTN, die das Stromnetz am 4. Mai 2012 übernahm.
7
Im Hinblick auf eine erwartete Missbrauchsverfügung des Bundeskartellamts wegen der Vergabe der Konzession hat die Betroffene unter dem 11. Dezember 2014 eine Kommunalverfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt, über die noch nicht entschieden ist.
8
Mit Verfügung vom 28. Januar 2015 stellte das Bundeskartellamt fest, dass die Betroffene bei der Auswahl der EvTN als Stromkonzessionär gegen Kartellrecht verstoßen habe. Zugleich gab es der Betroffenen auf, das Auswahlverfahren zu wiederholen und dies öffentlich bekanntzumachen.
9
Dagegen hat die Betroffene Beschwerde eingelegt. Sie hat außerdem beantragt, die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gegen die Untersagungsverfügung des Bundeskartellamts anzuordnen.
10
Das Beschwerdegericht hat diesen Antrag zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Betroffene mit der zulassungsfreien Rechtsbeschwerde sowie der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde.
11
B. Das Beschwerdegericht hat angenommen, dass weder ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Missbrauchsverfügung des Bundeskartellamts bestünden noch deren Vollziehung für die Betroffene eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
12
Bei der Vergabe der Stromkonzession habe die Betroffene gegen Kartellrecht verstoßen. Ihr Recht auf kommunale Selbstverwaltung (Art 28 Abs. 2 GG) werde durch die Pflicht zur diskriminierungsfreien Auswahl des Konzessionärs nicht verletzt. Die Betroffene habe bei der Festlegung der Auswahlkriterien und deren Gewichtung sowie bei der Bewertung der eingereichten Angebote in vielfältiger Weise formelle und materielle Anforderungen an das Auswahlverfahren missachtet und dadurch das Transparenzgebot verletzt. Insbesondere habe sie bei der Festlegung der Bewertungskriterien die Ziele des § 1 EnWG weitestgehend unberücksichtigt gelassen. So seien weder die preisgünstige Versorgung noch deren Effizienz oder die Versorgungssicherheit im Kriterienkatalog der Betroffenen berücksichtigt worden. Das Auswahlkriterium "Einflussnahme der Gemeinde auf die Netzgesellschaft" sei unzulässig. Dasselbe gelte für das Kriterium "Möglichkeit des Einstiegs in den Stromvertrieb", das in keinem sachlichen Zusammenhang mit den Zielen des § 1 EnWG stehe. Unzulässig seien auch die Kriterien "Erzielung von Synergien für den Gemeindehaushalt" und "möglichst geringe Belastung des Gemeindehaushalts", die auf rein fiskalische Interessen der Betroffenen abzielten, die von den in § 1 EnWG festgelegten Zielsetzungen nicht erfasst würden und über die nach § 3 Abs. 1 KAV erlaubten Nebenleistungen hinausgingen. Bei der im Rahmen der Prüfung des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots gebotenen Gesamtwürdigung stelle ein gegen § 46 EnWG verstoßendes Auswahlverfahren eine unbillige Beeinträchtigung der Wettbewerbsmöglichkeiten derjenigen Bewerber dar, deren Chancen auf die Konzession dadurch beeinträchtigt würden. Das führe zur Nichtigkeit des mit der Beigeladenen zu 2 geschlossenen Konzessionsvertrags.
13
Die Vollziehung der angefochtenen Verfügung habe auch keine unbillige, nicht durch überwiegende Interessen gebotene Härte zur Folge. Insbesondere könne sich die Betroffene nicht darauf berufen, der Beigeladenen zu 2 drohe für den Fall der Vollziehung die Insolvenz. Die Beigeladene zu 2 sei zum Zweck der Rekommunalisierung des Stromnetzbetriebs gegründet worden, so dass ihr wirtschaftlicher Bestand mit einer rechtmäßigen Übertragung des Netzbetriebs stehe und falle. Das Risiko der Unwirksamkeit der Konzessionierung sei die Betroffene bewusst eingegangen.
14
C. Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen ist unzulässig, die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
15
I. Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen ist unzulässig, weil die geltend gemachte Verletzung rechtlichen Gehörs nicht schlüssig dargelegt worden ist (§ 74 Abs. 4 Nr. 3 GWB, vgl. BGH, Beschluss vom 23. Juni 2009 - KVR 57/08, WuW/E DE-R 2732 Rn. 6).
16
1. Die Betroffene rügt, das Beschwerdegericht habe ihre verfassungsrechtliche Argumentation übergangen. Darin habe sie dargelegt, dass die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2013 - KZR 66/12, BGHZ 199, 289 - Stromnetz Berkenthin; Urteil vom 17. Dezember 2013 - KZR 65/12, WuW/E DE-R 4139 - Stromnetz Heiligenhafen) für alle Gemeinden geltenden Verbote, 1. den Betrieb der örtlichen Energieverteilernetze selbst zu übernehmen , es sei denn, die Gemeinde habe ein Vergabeverfahren mit vorheriger Bekanntgabe gewichteter Entscheidungskriterien durchgeführt und innerhalb dieses Verfahrens selbst das beste Angebot abgegeben (Verbot direkter Aufgabenerledigung ), 2. bei der Ausschreibung des Betriebs der örtlichen Energieverteilernetze den Betrieb durch eine kommunale Beteiligungsgesellschaft vorzugeben und nur die private Beteiligung an dieser Gesellschaft zum Gegenstand der Ausschreibung zu machen (Systementscheidungsverbot) und 3. bei der Bestimmung des Betreibers eines örtlichen Energieverteilernetzes Auswahlkriterien wie Synergien bei der Bewirtschaftung und Koordinierung örtlicher Infrastrukturnetze der Daseinsvorsorge, regionale Wertschöpfung, Schaffung von Arbeitsplätzen, Bürgerbeteiligung, Bürgernähe, Auswirkungen auf den kommunalen Haushalt und vergleichbare kommunale Interessen zu berücksichtigen (Verbot der Berücksichtigung kommunaler Interessen), gegen das Selbstverwaltungsrecht der Kommunen nach Art. 28 Abs. 2 GG verstießen und daher nichtig seien.
17
2. Damit ist eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Betroffenen nicht schlüssig dargelegt.
18
a) Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist das Gericht nicht gehalten, sich in den Entscheidungsgründen mit sämtlichem Vorbringen eines Verfahrensbetroffenen auseinanderzusetzen und dazu im Einzelnen Stel- lung zu nehmen. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör kann nur dann angenommen werden, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass das Gericht Vorbringen des Beschwerdeführers nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat. Dabei kann sich die hinreichende Berücksichtigung eines Vorbringens auch aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidung ergeben (BGH, Beschluss vom 12. Juli 2013 - KVR 11/12, WuW/E DE-R 3967 Rn. 4, 11, 14 - Rabattstaffel).
19
Zu berücksichtigen ist ferner, dass das Verfahren nach § 65 Abs. 3 GWB ein Eilverfahren ist, in dem anders als im Beschwerdeverfahren nach § 63 GWB keine umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle der angefochtenen Verfügung der Kartellbehörde erfolgt (BGH, Beschluss vom 8. Mai 2007 - KVR 31/06, WuW/E DE-R 2035 Rn. 17 - Lotto im Internet). Das wirkt sich auch auf den erforderlichen Umfang der Begründung für Entscheidungen aus, die in einem solchen Eilverfahren ergehen.
20
b) Nach diesen Grundsätzen genügt der Vortrag der Rechtsbeschwerde zu einem Übergehen der kommunalverfassungsrechtlichen Argumentation der Betroffenen nicht den Anforderungen an eine schlüssige Darlegung einer Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das Beschwerdegericht.
21
Das Beschwerdegericht hat sich ausdrücklich mit der Frage befasst, ob die Pflicht der Gemeinde zur diskriminierungsfreien Auswahl des Konzessionärs in der Konkretisierung, die sie durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gefunden hat (BGHZ 199, 289 - Stromnetz Berkenthin; BGH, WuW/E DE-R 4139 - Stromnetz Heiligenhafen), mit dem Recht der Betroffenen auf kommunale Selbstverwaltung aus Art. 28 Abs. 2 GG vereinbar ist. Es hat sich in diesem Zusammenhang den Erwägungen des Bundesgerichtshofs in diesen Urteilen angeschlossen und deren Inhalt im Wesentlichen wiedergegeben. Diese Ausführungen umfassen die von der Betroffenen als Verbot direkter Aufga- benerledigung und Systementscheidungsverbot bezeichnete Verpflichtung der Gemeinden, auch Eigenbetriebe, Eigengesellschaften und kommunale Beteiligungsgesellschaften bei der Konzessionsvergabe nicht ohne sachlichen Grund zu bevorzugen. Aus ihnen ergibt sich zudem, dass von einem "Verbot der Berücksichtigung kommunaler Interessen", wie es die Betroffene behauptet, keine Rede sein kann.
22
Insbesondere begründet es keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, dass sich das Beschwerdegericht nicht ausdrücklich mit dem Einwand der Betroffenen befasst hat, die Gewährleistungsverantwortung der Gemeinde setze "denknotwendig Konzepthoheit voraus"; die Gemeinde müsse über Prognose- und Gestaltungsspielräume verfügen und deswegen zu einer freien "Systementscheidung" befugt sein. Denn der Bundesgerichtshof hat sich in der vom Beschwerdegericht in Bezug genommenen Entscheidung hiermit bereits auseinandergesetzt. Er hat im Einzelnen begründet, warum die Pflicht zur diskriminierungsfreien Auswahl des Konzessionärs einschließlich der Pflicht, auch Eigenbetriebe, Eigengesellschaften und kommunale Beteiligungsgesellschaften nicht zu bevorzugen, mit der verfassungsrechtlich geschützten Aufgabe der Gemeinden in Einklang steht, die Versorgung der Einwohner und Unternehmen im Gemeindegebiet zu gewährleisten (BGHZ 199, 289 Rn. 30 bis 33 - Stromnetz Berkenthin). Der Bundesgerichtshof hat auch einen Spielraum der Gemeinden bei der Formulierung und Gewichtung der Auswahlkriterien ausdrücklich anerkannt (BGHZ 199, 289 Rn. 48 - Stromnetz Berkenthin). Dabei hat er aufgezeigt, dass das energiewirtschaftsrechtliche Ziel einer möglichst sicheren, preisgünstigen, verbraucherfreundlichen, effizienten und umweltverträglichen leitungsgebundenen Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas - dessen Erreichung der vom Gesetz angeordnete Wettbewerb um das Netz primär dient - mehrere Einzelziele vereint, die unterschiedlicher Konkretisierung , Gewichtung und Abwägung gegeneinander durch die Gemeinde zu- gänglich sind; damit wird auch der Planungshoheit der Gemeinde als wesentlicher Ausprägung der durch die Gemeindeorgane vermittelten wirksamen Teilnahme der Gemeindebürger an den Angelegenheiten des örtlichen Gemeinwesens Rechnung getragen (BGHZ 199, 289 Rn. 49 - Stromnetz Berkenthin). Der Bundesgerichtshof hat sich dabei auch mit den von der Rechtsbeschwerde geltend gemachten "Überwachungs-, Einwirkungs- und gegebenenfalls Erledigungsinstrumenten" der Gemeinde befasst (BGHZ 199, 289 Rn. 51 bis 53 - Stromnetz Berkenthin).
23
3. Die Rechtsbeschwerde meint weiter, das Beschwerdegericht habe in gehörsverletzender Weise das Argument der Betroffenen unberücksichtigt gelassen , einem öffentlichen Interesse an der Vollziehung der angefochtenen Verfügung stehe entgegen, dass bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die von der Betroffenen eingelegte Kommunalverfassungsbeschwerde behördliche und fachgerichtliche Entscheidungen zu vermeiden seien , die einem Votum des Bundesverfassungsgerichts zuwiderlaufen könnten.
24
Auch damit legt die Rechtsbeschwerde eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Betroffenen durch das Beschwerdegericht nicht schlüssig dar.
25
Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, die Transparenzverstöße und die Missachtung des Diskriminierungsverbots durch die Betroffene könnten auch bei nur summarischer Prüfung bereits festgestellt werden und beruhten im Hinblick auf die Urteile des Bundesgerichtshofs vom 17. Dezember 2013 keineswegs auf einer unklaren Rechtslage. Daran ändere auch die Kommunalverfassungsbeschwerde der Betroffenen nichts, deren Zulässigkeit wegen des darin enthaltenen Normenkontrollbegehrens zweifelhaft sei.
26
Daraus ergibt sich, dass das Beschwerdegericht die Kommunalverfassungsbeschwerde der Betroffenen wahrgenommen und gewürdigt hat. Es hat sie indes für nicht hinreichend aussichtsreich gehalten, um ein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Verfügung in Frage zu stellen. Daraus folgt, dass das Beschwerdegericht die von der Betroffenen behauptete Gefahr einer gegenüber einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Kommunalverfassungsbeschwerde divergierenden Entscheidung als nicht erheblich angesehen hat. Nähere Ausführungen zu der von der Betroffenen geltend gemachten Gefahr einer Divergenz waren daher nicht angezeigt.
27
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Betroffenen ist zulässig, jedoch unbegründet. Die Sache wirft weder Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (§ 74 Abs. 2 GWB).
28
1. Die Betroffene meint, der Streitfall werfe die Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 74 Abs. 2 Nr. 1 GWB auf, ob bei der gerichtlichen Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gegen eine Verfügung der Kartellbehörde nach § 65 Abs. 3 Satz 3, Satz 1 Nr. 3 GWB als ein für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streitendes öffentliches Interesse das Interesse an der Vermeidung divergierender Entscheidungen zu berücksichtigen ist, das deshalb besteht, weil die Entscheidung über die Beschwerde ganz oder zum Teil von einer Rechtsnorm abhängt, über die eine weder evident unzulässige noch evident unbegründete verfassungsgerichtliche Normenkontrolle anhängig ist.
29
Die Rechtsbeschwerde sei zudem zur Fortbildung des Rechts zuzulassen (§ 74 Abs. 2 Nr. 2 Altern. 1 GWB), um zu der vorstehend wiedergegebenen , noch ungeklärten Rechtsfrage Leitsätze aufzustellen.
30
2. Die von der Betroffenen formulierte Rechtsfrage rechtfertigt die Zulassung der Rechtsbeschwerde weder wegen grundsätzlicher Bedeutung noch zur Fortbildung des Rechts.
31
Abgesehen davon, dass erhebliche Zweifel an der Zulässigkeit der von der Betroffenen erhobenen Kommunalverfassungsbeschwerde bestehen, ist die Frage nicht klärungsbedürftig. Hat das Beschwerdegericht erhebliche Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit einer Norm, die einer angefochtenen Verfügung zugrunde liegt, werden regelmäßig ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verfügung im Sinne von § 65 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GWB vorliegen. Hält das Beschwerdegericht die Verfassungswidrigkeit einer Norm lediglich für denkbar, mag dies bei der Abwägung, ob die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 65 Abs. 3 Nr. 3 GWB), zu berücksichtigen sein. Anhaltspunkte hierfür hat das Beschwerdegericht jedoch in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht gesehen. Dass der bloße Umstand der Anhängigkeit einer Verfassungsbeschwerde oder eines Normenkontrollverfahrens kein für die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung streitendes öffentliches Interesse begründet, liegt auf der Hand und bedarf keiner Klärung in einem Rechtsbeschwerdeverfahren. Andernfalls würde die Bindung der Rechtsprechung an das Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG), solange es nicht für verfassungswidrig erklärt worden ist, zugunsten einer "Ungültigkeitsvermutung" aufgehoben.
32
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 GWB.
Meier-Beck Strohn Kirchhoff Bacher Deichfuß
Vorinstanz:
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 15.07.2015 - VI-2 Kart 1/15 (V) -

(1) Die Verfassungsbeschwerde bedarf der Annahme zur Entscheidung.

(2) Sie ist zur Entscheidung anzunehmen,

a)
soweit ihr grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt,
b)
wenn es zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 genannten Rechte angezeigt ist; dies kann auch der Fall sein, wenn dem Beschwerdeführer durch die Versagung der Entscheidung zur Sache ein besonders schwerer Nachteil entsteht.

(1) Das Bundesverfassungsgericht entscheidet:

1.
über die Auslegung dieses Grundgesetzes aus Anlaß von Streitigkeiten über den Umfang der Rechte und Pflichten eines obersten Bundesorgans oder anderer Beteiligter, die durch dieses Grundgesetz oder in der Geschäftsordnung eines obersten Bundesorgans mit eigenen Rechten ausgestattet sind;
2.
bei Meinungsverschiedenheiten oder Zweifeln über die förmliche und sachliche Vereinbarkeit von Bundesrecht oder Landesrecht mit diesem Grundgesetze oder die Vereinbarkeit von Landesrecht mit sonstigem Bundesrechte auf Antrag der Bundesregierung, einer Landesregierung oder eines Viertels der Mitglieder des Bundestages;
2a.
bei Meinungsverschiedenheiten, ob ein Gesetz den Voraussetzungen des Artikels 72 Abs. 2 entspricht, auf Antrag des Bundesrates, einer Landesregierung oder der Volksvertretung eines Landes;
3.
bei Meinungsverschiedenheiten über Rechte und Pflichten des Bundes und der Länder, insbesondere bei der Ausführung von Bundesrecht durch die Länder und bei der Ausübung der Bundesaufsicht;
4.
in anderen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten zwischen dem Bunde und den Ländern, zwischen verschiedenen Ländern oder innerhalb eines Landes, soweit nicht ein anderer Rechtsweg gegeben ist;
4a.
über Verfassungsbeschwerden, die von jedermann mit der Behauptung erhoben werden können, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Artikel 20 Abs. 4, 33, 38, 101, 103 und 104 enthaltenen Rechte verletzt zu sein;
4b.
über Verfassungsbeschwerden von Gemeinden und Gemeindeverbänden wegen Verletzung des Rechts auf Selbstverwaltung nach Artikel 28 durch ein Gesetz, bei Landesgesetzen jedoch nur, soweit nicht Beschwerde beim Landesverfassungsgericht erhoben werden kann;
4c.
über Beschwerden von Vereinigungen gegen ihre Nichtanerkennung als Partei für die Wahl zum Bundestag;
5.
in den übrigen in diesem Grundgesetze vorgesehenen Fällen.

(2) Das Bundesverfassungsgericht entscheidet außerdem auf Antrag des Bundesrates, einer Landesregierung oder der Volksvertretung eines Landes, ob im Falle des Artikels 72 Abs. 4 die Erforderlichkeit für eine bundesgesetzliche Regelung nach Artikel 72 Abs. 2 nicht mehr besteht oder Bundesrecht in den Fällen des Artikels 125a Abs. 2 Satz 1 nicht mehr erlassen werden könnte. Die Feststellung, dass die Erforderlichkeit entfallen ist oder Bundesrecht nicht mehr erlassen werden könnte, ersetzt ein Bundesgesetz nach Artikel 72 Abs. 4 oder nach Artikel 125a Abs. 2 Satz 2. Der Antrag nach Satz 1 ist nur zulässig, wenn eine Gesetzesvorlage nach Artikel 72 Abs. 4 oder nach Artikel 125a Abs. 2 Satz 2 im Bundestag abgelehnt oder über sie nicht innerhalb eines Jahres beraten und Beschluss gefasst oder wenn eine entsprechende Gesetzesvorlage im Bundesrat abgelehnt worden ist.

(3) Das Bundesverfassungsgericht wird ferner in den ihm sonst durch Bundesgesetz zugewiesenen Fällen tätig.

Gemeinden und Gemeindeverbände können die Verfassungsbeschwerde mit der Behauptung erheben, daß ein Gesetz des Bundes oder des Landes die Vorschrift des Artikels 28 des Grundgesetzes verletzt. Die Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht ist ausgeschlossen, soweit eine Beschwerde wegen Verletzung des Rechtes auf Selbstverwaltung nach dem Rechte des Landes beim Landesverfassungsgericht erhoben werden kann.

(1) Das Bundesverfassungsgericht entscheidet:

1.
über die Auslegung dieses Grundgesetzes aus Anlaß von Streitigkeiten über den Umfang der Rechte und Pflichten eines obersten Bundesorgans oder anderer Beteiligter, die durch dieses Grundgesetz oder in der Geschäftsordnung eines obersten Bundesorgans mit eigenen Rechten ausgestattet sind;
2.
bei Meinungsverschiedenheiten oder Zweifeln über die förmliche und sachliche Vereinbarkeit von Bundesrecht oder Landesrecht mit diesem Grundgesetze oder die Vereinbarkeit von Landesrecht mit sonstigem Bundesrechte auf Antrag der Bundesregierung, einer Landesregierung oder eines Viertels der Mitglieder des Bundestages;
2a.
bei Meinungsverschiedenheiten, ob ein Gesetz den Voraussetzungen des Artikels 72 Abs. 2 entspricht, auf Antrag des Bundesrates, einer Landesregierung oder der Volksvertretung eines Landes;
3.
bei Meinungsverschiedenheiten über Rechte und Pflichten des Bundes und der Länder, insbesondere bei der Ausführung von Bundesrecht durch die Länder und bei der Ausübung der Bundesaufsicht;
4.
in anderen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten zwischen dem Bunde und den Ländern, zwischen verschiedenen Ländern oder innerhalb eines Landes, soweit nicht ein anderer Rechtsweg gegeben ist;
4a.
über Verfassungsbeschwerden, die von jedermann mit der Behauptung erhoben werden können, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Artikel 20 Abs. 4, 33, 38, 101, 103 und 104 enthaltenen Rechte verletzt zu sein;
4b.
über Verfassungsbeschwerden von Gemeinden und Gemeindeverbänden wegen Verletzung des Rechts auf Selbstverwaltung nach Artikel 28 durch ein Gesetz, bei Landesgesetzen jedoch nur, soweit nicht Beschwerde beim Landesverfassungsgericht erhoben werden kann;
4c.
über Beschwerden von Vereinigungen gegen ihre Nichtanerkennung als Partei für die Wahl zum Bundestag;
5.
in den übrigen in diesem Grundgesetze vorgesehenen Fällen.

(2) Das Bundesverfassungsgericht entscheidet außerdem auf Antrag des Bundesrates, einer Landesregierung oder der Volksvertretung eines Landes, ob im Falle des Artikels 72 Abs. 4 die Erforderlichkeit für eine bundesgesetzliche Regelung nach Artikel 72 Abs. 2 nicht mehr besteht oder Bundesrecht in den Fällen des Artikels 125a Abs. 2 Satz 1 nicht mehr erlassen werden könnte. Die Feststellung, dass die Erforderlichkeit entfallen ist oder Bundesrecht nicht mehr erlassen werden könnte, ersetzt ein Bundesgesetz nach Artikel 72 Abs. 4 oder nach Artikel 125a Abs. 2 Satz 2. Der Antrag nach Satz 1 ist nur zulässig, wenn eine Gesetzesvorlage nach Artikel 72 Abs. 4 oder nach Artikel 125a Abs. 2 Satz 2 im Bundestag abgelehnt oder über sie nicht innerhalb eines Jahres beraten und Beschluss gefasst oder wenn eine entsprechende Gesetzesvorlage im Bundesrat abgelehnt worden ist.

(3) Das Bundesverfassungsgericht wird ferner in den ihm sonst durch Bundesgesetz zugewiesenen Fällen tätig.

Gemeinden und Gemeindeverbände können die Verfassungsbeschwerde mit der Behauptung erheben, daß ein Gesetz des Bundes oder des Landes die Vorschrift des Artikels 28 des Grundgesetzes verletzt. Die Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht ist ausgeschlossen, soweit eine Beschwerde wegen Verletzung des Rechtes auf Selbstverwaltung nach dem Rechte des Landes beim Landesverfassungsgericht erhoben werden kann.

Gründe

A.

1

Gegenstand der Verfassungsbeschwerde der im fachgerichtlichen Verfahren erfolgreichen Beschwerdeführerin ist der Ausschluss des Streikrechts in kirchlichen und diakonischen Einrichtungen durch kirchenrechtliche Arbeitsrechtsregelungen (sogenannter "Dritter Weg").

I.

2

Die evangelische Kirche und die katholische Kirche stimmen darin überein, dass es dem Wesen des Dienstes in der Kirche nicht gerecht wird, wenn der Inhalt der Arbeitsverträge ihrer Mitarbeiter einseitig durch den kirchlichen Gesetzgeber oder durch kirchliche Leitungsorgane gestaltet wird. Umstritten war in der Vergangenheit, ob dieser sogenannte "Erste Weg" durch den Abschluss von Tarifverträgen zwischen Kirchen und Gewerkschaften abgelöst (sogenannter "Zweiter Weg") oder stattdessen in der Entwicklung eines eigenständigen kirchlichen Beteiligungsmodells ein "Dritter Weg" gegangen werden sollte (Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, 6. Aufl. 2012, § 13 Rn. 1).

3

1. Die evangelischen Landeskirchen haben sich mit Ausnahme zweier Landeskirchen, die ein Verfahren eines kirchengemäßen "Zweiten Weges" gewählt haben, für den "Dritten Weg", also für die Schaffung eines eigenen kirchlichen Arbeitsrechtsregelungsverfahrens entschieden (Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, 6. Aufl. 2012, § 13 Rn. 1; Keßler, in: Festschrift für Wolfgang Gitter, 1995, S. 461 <465>). Sie sind damit der Empfehlung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in einer Richtlinie vom 8. Oktober 1976 gefolgt, die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter im kirchlichen Dienst auf der Grundlage eines von ihm verabschiedeten Musterentwurfs eines Kirchengesetzes über das Verfahren zur Regelung der Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im kirchlichen Dienst zu regeln (Richtlinie gemäß Art. 9 Buchstabe b) der Grundordnung der EKD für ein Kirchengesetz über das Verfahren zur Regelung der Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter im kirchlichen Dienst [Arbeitsrechtsregelungsgesetz - ARRG] vom 8. Oktober 1976 [ABl. EKD S. 398]).

4

a) Kernstück des Verfahrenskonzepts des "Dritten Weges" ist die Arbeitsrechtliche Kommission als ein durch Kirchengesetz geschaffenes Gremium, das paritätisch mit Vertretern von Dienstgebern und Dienstnehmern besetzt ist. Ihre Aufgabe liegt darin, Normen zu schaffen, die Abschluss, Inhalt und Beendigung des Einzelarbeitsverhältnisses regeln. Ihr ist damit eine Funktion zugewiesen, die sonst durch den Abschluss von Tarifverträgen wahrgenommen wird (Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, 6. Aufl. 2012, § 14 Rn. 7; Hammer, Kirchliches Arbeitsrecht, 2002, S. 189). Hinsichtlich der personalen Voraussetzungen für die Mitgliedschaft in einer Arbeitsrechtlichen Kommission, des Besetzungsverfahrens und der Frage nach dem Letztentscheidungsrecht zwischen Kommission und Synode weisen die Lösungen der Landeskirchen vielfältige Regelungen auf (vgl. Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, 6. Aufl. 2012, § 14 Rn. 8 ff.). Kommt in der Arbeitsrechtlichen Kommission kein Beschluss zustande, so wird ein ebenfalls paritätisch zusammengesetzter Schlichtungsausschuss mit der Angelegenheit befasst. Dieser entscheidet abschließend. Streiks und Aussperrung sind ausgeschlossen.

5

b) Für die am arbeitsgerichtlichen Ausgangsverfahren beteiligte Evangelische Kirche von Westfalen und ihr Diakonisches Werk wurden die Arbeitsrechtsregelungen nach dem Kirchengesetz über das Verfahren zur Regelung der Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im kirchlichen Dienst (Arbeitsrechtsregelungsgesetz - ARRG-Westfalen) vom 15. November 2001 (KABl 2002, S. 70) in der Fassung vom 17. November 2011 (KABl S. 285) durch eine paritätisch mit je neun Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern besetzte Arbeitsrechtliche Kommission und eine Schiedskommission festgelegt. Zwischenzeitlich wurde das Kirchengesetz geändert und liegt nunmehr in der Fassung vom 21. November 2013 (KABl S. 268) vor.

6

c) Für die ebenfalls fachgerichtlich beteiligte Evangelisch-​lutherische Landeskirche Hannovers gilt dies im Wesentlichen entsprechend. Das dortige Verfahren des "Dritten Weges" ist im Kirchengesetz der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen zur Regelung des Arbeitsrechts für Einrichtungen der Diakonie (Arbeitsrechtsregelungsgesetz Diakonie - ARRGD) vom 3. November 1997 (KABl S. 261) geregelt. Das Kirchengesetz wurde am 2. Juli 2012 (KABl S. 217) zuletzt geändert und am 8. März 2014 (KABl S. 60) grundlegend neugefasst.

7

2. Die Diözesen der römisch-katholischen Kirche folgen ausnahmslos dem "Dritten Weg" gemäß Art. 7 Abs. 1 der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse, die auf kirchengesetzlicher Grundlage allgemeines Recht für den Gesamtbereich der katholischen Kirche in der Bundesrepublik ist (Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, 6. Aufl. 2012, § 13 Rn. 1, § 14 Rn. 15). In Art. 7 Abs. 2 der Grundordnung ist festgelegt, dass wegen der Einheit des kirchlichen Dienstes und der Dienstgemeinschaft als Strukturprinzip des kirchlichen Arbeitsrechts kirchliche Dienstgeber keine Tarifverträge mit Gewerkschaften abschließen. Streik und Aussperrung scheiden danach ebenfalls aus.

8

3. Insgesamt stimmen die christlichen Kirchen trotz der Verschiedenheit ihrer Beteiligungsmodelle darin überein, dass nach ihrem Selbstverständnis jede Dienst- und Arbeitsleistung den kirchlichen Auftrag in der Welt verwirklicht. Der Gedanke der christlichen Dienstgemeinschaft soll deshalb auch in den Verfahrensstrukturen einer Arbeitnehmerbeteiligung an der Gestaltung der Arbeitsbedingungen zum Ausdruck kommen (Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, 6. Aufl. 2012, § 13 Rn. 2; Joussen, RdA 2007, S. 328 <333>; Tillmanns, NZA 2013, S. 178 <179 f.>; vgl. im Übrigen BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 22. Oktober 2014 - 2 BvR 661/12 -, juris, Rn. 10, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

9

Einen Arbeitskampf mit Streik und Aussperrung kann es aus Sicht der christlichen Kirchen auf dieser Basis nicht geben. Die Dienstgemeinschaft ist danach auf das Miteinander im Dienste Gottes und seines Auftrags an die Kirche gerichtet, so dass es die Gemeinsamkeit des Ziels und der Aufgabe ausschließe, durch offenen Druck gegeneinander eine Änderung der Arbeitsbedingungen erzwingen zu wollen.

10

4. Nach Abschluss des Ausgangsverfahrens vor den Arbeitsgerichten wurden im Bereich der EKD mit dem Kirchengesetz über die Grundsätze zur Regelung der Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in der Evangelischen Kirche in Deutschland und ihrer Diakonie vom 13. November 2013 (Arbeitsrechtsregelungsgrundsätzegesetz - ARGG-EKD; ABl. EKD S. 420; vgl. dazu Joussen, ZevKR 59 (2014), S. 50; Klumpp, ZMV 2014, S. 2) kirchengemäße tarifvertragliche Lösungen, also der "Zweite Weg", erstmals gleichrangig neben den Regelungen über den "Dritten Weg" normiert.

11

Zwischenzeitlich ist zudem das Kirchengesetz der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen zur Regelung der Arbeitsbedingungen in Einrichtungen der Diakonie (Arbeitsrechtsregelungsgesetz Diakonie - ARRGD) vom 8. März 2014 (KABl S. 60) in Kraft getreten. Danach haben alle erfassten Rechtsträger der Diakonie in allen betroffenen Einrichtungen nunmehr in erster Linie kirchengemäße Tarifverträge anzuwenden. Die Beschwerdeführerin schloss im September 2014 mit dem Diakonischen Dienstgeberverband Niedersachsen einen solchen Tarifvertrag ab, welcher am 1. Oktober 2014 in Kraft trat. In ihm sind im Wesentlichen alle Regelungen zusammengefasst, die zuvor in den Arbeitsvertragsrichtlinien festgeschrieben waren.

12

Ferner wurden in den beiden im Ausgangsverfahren beteiligten Landeskirchen kirchengesetzliche Regelungen modifiziert, unter anderem um künftig sicherzustellen, dass für kirchliche Arbeitgeber kein Wahlrecht zwischen verschiedenen kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen besteht.

13

In der römisch-katholischen Kirche kam es im Anschluss an das angegriffene Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20. November 2012 ebenfalls zu Neuerungen. Die Neufassung der Grundordnung vom 27. April 2015 regelt erstmals ausdrücklich, dass die Mitwirkung der Gewerkschaften in den arbeitsrechtlichen Kommissionen des "Dritten Weges" gewährleistet ist (Art. 6 Abs. 3 der Grundordnung).

II.

14

Die Beschwerdeführerin ist eine Gewerkschaft. Sie ist Mitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes. In ihr sind unter anderem Mitglieder aus dem Bereich karitativer und kirchlicher Einrichtungen organisiert.

15

Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens sind zwei evangelische Landeskirchen sowie sieben in kirchlicher Trägerschaft stehende Einrichtungen der Diakonie. Im Ausgangsverfahren begehrten sie die Verpflichtung der Beschwerdeführerin, zukünftig Streikaufrufe sowie die Durchführung und Organisation von Streiks, Warnstreiks und sonstigen Arbeitsniederlegungen in Einrichtungen der Klägerinnen zu unterlassen.

16

1. Die Klage hatte vor dem Arbeitsgericht im Wesentlichen Erfolg. Mit Urteil vom 3. März 2010 hat das Arbeitsgericht entschieden, den Klägerinnen stehe gegen die Beschwerdeführerin ein Anspruch auf Unterlassung rechtswidriger Streikmaßnahmen nach § 1004 BGB in Verbindung mit § 823 BGB zu. Die angekündigten Streikmaßnahmen seien rechtswidrig, weil den Gewerkschaften gegen Kirchen und Träger kirchlicher Einrichtungen kein Streikrecht zustehe.

17

2. Auf die Berufung der Beschwerdeführerin hat das Landesarbeitsgericht unter Zurückweisung der Anschlussberufung der Klägerinnen mit Urteil vom 13. Januar 2011 das erstinstanzliche Urteil aufgehoben, soweit diese obsiegt hatten, und die Klage insgesamt abgewiesen.

18

Auch unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlich garantierten Autonomie der Religionsgemeinschaften sowie der kirchlich geprägten Eigenheiten und der besonderen Aufgabenstellung der kirchlichen Einrichtungen gehe ein vollständiger Ausschluss von Arbeitskampfmaßnahmen, welcher auch Arbeitnehmer in Randbereichen und Hilfsfunktionen umfassen solle, über das rechtlich gebotene Maß hinaus. Dies führe zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der verfassungsrechtlich gestützten Rechtsposition der Beschwerdeführerin.

19

3. Mit Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20. November 2012 sind die Revisionen der kirchlichen Einrichtungen gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts zurückgewiesen worden. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts waren die Anträge - soweit zulässig - unbegründet.

20

Eine der Revisionsklägerinnen könne sich bereits nicht auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht berufen. Bei weiteren Revisionsklägerinnen fehle es an der für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch erforderlichen Wiederholungsgefahr.

21

Die übrigen Revisionsklägerinnen könnten sich zwar auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht berufen; insbesondere stehe es in ihrer freien Entscheidung, ihre kollektive Arbeitsrechtsordnung nicht durch Tarifverträge zu gestalten, sondern paritätisch besetzten und am Leitbild der Dienstgemeinschaft ausgerichteten Kommissionen zu überlassen ("Dritter Weg"). Die Ausrichtung der kollektiven Arbeitsrechtsordnung am Leitbild der Dienstgemeinschaft sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

22

Die Kollision eines Ausschlusses von Arbeitskampfmaßnahmen in diakonischen Einrichtungen im Rahmen des "Dritten Weges" mit der in Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Koalitionsfreiheit sei im Rahmen einer Güterabwägung nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz zu einem Ausgleich zu bringen. Das Regelungsmodell der Kirchen dürfe die Koalitionsfreiheit und das Konzept der Tarifautonomie nur insoweit verdrängen, wie es für die Wahrung ihres Leitbildes von der Dienstgemeinschaft erforderlich sei und das angestrebte Ziel eines fairen, sachgerechten und verbindlichen Interessenausgleichs tatsächlich und kohärenter Weise erreicht werde. Das setze voraus, dass das Verfahren des "Dritten Weges" geeignet sei, eine gleichgewichtige Konfliktlösung zu gewährleisten, sich die Gewerkschaften darin in verfassungskonformer Weise einbringen könnten und das Ergebnis der Verhandlungen einschließlich einer darauf gerichteten Schlichtung für die Arbeitsvertragsparteien verbindlich und einer einseitigen Abänderung durch den Dienstgeber entzogen sei.

23

Die kirchengesetzlichen Regelungen der klagenden Landeskirchen und die satzungsrechtlichen Bestimmungen der in ihrer Trägerschaft stehenden Diakonischen Werke ordneten keine ausreichend verbindliche Geltung der in einer Arbeitsrechtlichen Kommission oder deren Schiedskommission beschlossenen Arbeitsrechtsregelungen an. Die Klägerinnen könnten sich zur Begründung einer generellen Rechtswidrigkeit von Kampfmaßnahmen auch nicht auf den Grundsatz der Arbeitskampfparität berufen. Dieser finde in dem Regelungsmodell des "Dritten Weges" keine Anwendung. Fehle es an einer verfassungskonformen Ausgestaltung des "Dritten Weges", bestehe für einen weitergehenden Schutz religiöser Betätigungsfreiheit kein Raum.

III.

24

Die Beschwerdeführerin wendet sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen die fachgerichtlichen Entscheidungen, insbesondere gegen das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20. November 2012.

25

1. Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, die Verfassungsbeschwerde sei zulässig. Eine Beschwer sei zwar nicht durch den Tenor, jedoch durch die Entscheidungsgründe des Urteils des Bundesarbeitsgerichts gegeben. Ausnahmsweise seien die Gründe und nicht der Entscheidungstenor relevant, wenn diese den Betroffenen so belasteten, dass eine erhebliche, ihm nicht zumutbare Beeinträchtigung grundrechtlich geschützter Interessen festzustellen sei. Das sei hier der Fall. Nach den Entscheidungsgründen beeinträchtigten gewerkschaftliche tarifbezogene Streiks das kirchliche Selbstbestimmungsrecht in rechtswidriger Weise. Zudem ergebe sich aus den Urteilsgründen, dass gewerkschaftliche Streiks ohne tarifliches Regelungsziel generell rechtswidrig seien.

26

Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Maßgeblichkeit des Tenors bei Verfassungsbeschwerden gegen gerichtliche Entscheidungen könne bei gesetzlich nicht normierten Rechtsgebieten wie dem Arbeitskampfrecht, bei dem die Gerichte als "Ersatzgesetzgeber" aufträten und "Rechtssätze" aufstellten, keine Geltung beanspruchen. Diese "Rechtssätze" ergäben sich dem Inhalt nach aus den Entscheidungsgründen und nicht aus dem Tenor.

27

In den Urteilsgründen des Bundesarbeitsgerichts seien allein die mangelnde Verbindlichkeit des "Dritten Weges" sowie das Bestehen eines Wahlrechts der Dienstgeberseite zwischen mehreren Regelungen des "Dritten Weges" entscheidungserheblich. Überschießende Obersätze - etwa zu der christlichen Dienstgemeinschaft, dem Verfahren des "Dritten Weges" und der kollektiven Arbeitsrechtsetzung - beschwerten die Beschwerdeführerin. Die Beschwer sei potentiell, bedingt allein durch jederzeit mögliche kirchen- und satzungsrechtliche Modifikationen seitens der Kirchen, auf deren Erlass die Beschwerdeführerin keinen Einfluss habe. Der mögliche Wegfall des Streikrechts mache eine verlässliche Planung gewerkschaftlicher Politik unmöglich. Anders als in den Fällen, die das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden habe, beträfen die überschießenden Gründe nicht den zu entscheidenden Fall selbst, sondern potentielle Fallgestaltungen und das Arbeitskampfrecht im Allgemeinen, jeweils außerhalb des vorliegenden Falles.

28

Zudem sei nach BVerfGE 83, 130 <145 f.> ("Josefine Mutzenbacher") ein Eingriff auch bei Entscheidungen von Staatsorganen anzunehmen, die geeignet seien, über den konkreten Fall hinaus präventive Wirkung zu entfalten, und in künftigen Fällen die Bereitschaft zu mindern, von dem betroffenen Grundrecht Gebrauch zu machen. Streikaufrufe würden die Beschwerdeführerin schon jetzt und überall dem Risiko weiterer Klagen kirchlicher Einrichtungen auf Unterlassung und auf Schadensersatz unter Bezugnahme auf das angegriffene Urteil aussetzen. Damit habe das Urteil des Bundesarbeitsgerichts über den konkreten Fall hinaus präventive Wirkung, die in künftigen Fällen die Bereitschaft der Beschwerdeführerin erheblich mindern würde, von ihrem Grundrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG Gebrauch zu machen.

29

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts führten zu weit gefasste Unterlassungsanträge (Globalanträge) nicht zur Unzulässigkeit der Klage wegen mangelnder Bestimmtheit, sondern zur Abweisung als unbegründet, wenn das Verhalten, dessen Unterlassung geltend gemacht werde, unter bestimmten Voraussetzungen rechtmäßig sein könne. Insoweit liege im Arbeitskampfrecht ein Ausnahmefall vor, der es rechtfertige, die Gründe einer Entscheidung für das Vorliegen einer Beschwer ausreichen zu lassen.

30

Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Beschwer durch den Tenor betreffe bisher nur die Beschwer des nach dem Tenor obsiegenden Klägers durch die Urteilsgründe. Vorliegend gehe es dagegen um die Beschwer der beklagten Beschwerdeführerin, zwar nicht durch den Tenor, wohl aber durch die Gründe. Die Beschwer der Beklagten sei materiell, also nicht allein nach dem Tenor, sondern auch nach den Entscheidungsgründen zu bestimmen.

31

2. Mit ihren Ausführungen zur Begründetheit wendet sich die Beschwerdeführerin vor allem gegen drei "Rechtssätze gesetzesvertretenden Richterrechts" in dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts. Danach seien tarifbezogene gewerkschaftliche Streiks gegenüber dem "Dritten Weg" unter den vom Bundesarbeitsgericht formulierten Voraussetzungen rechtswidrig. Zudem treffe das Gericht Aussagen zur Tarifbezogenheit des gewerkschaftlichen Streikrechts und bestimme überdies, dass nur den Kirchen, nicht aber den Gewerkschaften ein Wahlrecht zwischen dem "Zweiten" und dem "Dritten Weg" zustehe.

32

Diese "Rechtssätze" verletzten sie in ihrem Grundrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG. Entgegen der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts sei der Schutzbereich des Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV vorliegend nicht einschlägig. Selbst wenn dieser Schutzbereich eröffnet sei, habe das Bundesarbeitsgericht die verfassungsrechtlichen Maßstäbe für die Beseitigung der bestehenden Grundrechtskollision verkannt.

IV.

33

1. Die Verfassungsbeschwerde wurde dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales, dem Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, der Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts, dem Christlichen Gewerkschaftsbund Deutschlands, dem Kommissariat der deutschen Bischöfe, dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland, dem Zentralrat der Juden in Deutschland K.d.ö.R., dem Deutschen Gewerkschaftsbund (Bundesverband) sowie den Klägerinnen des Ausgangsverfahrens zugestellt. Den Beteiligten wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

34

a) Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens tragen vor, die Verfassungsbeschwerde sei unzulässig. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei grundsätzlich allein der Tenor für die Beurteilung der Beschwer maßgeblich. Die Unzulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde im Falle des Obsiegens sei unabhängig von der Parteirolle im Ausgangsverfahren. Die Erwägungen der Beschwerdeführerin zum Globalantrag gingen an der Sache vorbei. Von einer ausnahmsweisen Zulässigkeit wegen für sich genommen unzumutbar belastender Entscheidungsgründe sei nicht auszugehen. Aus der von der Beschwerdeführerin befürchteten Präjudizwirkung könne die Zulässigkeit nicht hergeleitet werden. Schließlich werde die Verfassungsbeschwerde nicht dadurch zulässig, dass die Entscheidungsgründe zu "Richterrecht" umdeklariert würden. Überdies sei die Verfassungsbeschwerde unbegründet.

35

b) Das Kommissariat der deutschen Bischöfe und die Evangelische Kirche in Deutschland halten die Verfassungsbeschwerde ebenfalls für unzulässig. Im Übrigen sei die Verfassungsbeschwerde unbegründet.

36

c) Nach Auffassung des Zentralrats der Juden in Deutschland ist die Möglichkeit eines Arbeitskampfes mit dem Verständnis und dem Aufgabenbereich der jüdischen Gemeinschaft unvereinbar. Die jüdischen Gemeinden, Landesverbände, Institutionen und Organisationen in Deutschland gestalteten ihre Beschäftigungsverhältnisse entsprechend dem "Ersten Weg" individuell. Das staatliche Arbeitsrecht werde in dem jeweiligen Aufgabenbereich entsprechend modifiziert. Erreichte die jüdische Gemeinschaft in Deutschland die erforderliche Größe, würde auch sie die Gestaltung von Beschäftigungsverhältnissen nach dem "Dritten Weg" erwägen.

37

d) Der Deutsche Gewerkschaftsbund hält die Verfassungsbeschwerde für begründet. Das Instrumentarium des "Dritten Weges" sei kein funktionelles Äquivalent zum Tarifvertrag. Tarifforderungen, Tarifverträge und Arbeitskämpfe berührten den Schutzbereich des Art. 137 Abs. 3 WRV oder die Freiheit der Religionsausübung nicht. Ohnehin dürfe die im Rahmen praktischer Konkordanz erforderliche Abwägung nicht dazu führen, dass eine grundrechtliche Position gänzlich verdrängt werde. Dies bewirke das Urteil des Bundesarbeitsgerichts, jedenfalls nachdem die dort skizzierten Voraussetzungen erfüllt seien.

38

e) Die übrigen Beteiligten haben von der Gelegenheit, sich zum Verfahren zu äußern, keinen Gebrauch gemacht.

39

2. a) Die Beschwerdeführerin und die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens haben nach Kenntnis der eingegangenen Stellungnahmen ihre Ausführungen vertieft und ergänzt.

40

b) Die Beschwerdeführerin verweist darauf, die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Reichweite der Beschwer eines freigesprochenen Angeklagten gehe von der Zulässigkeit der jeweiligen Verfassungsbeschwerde aus. Die dortigen Beschwerdeführer seien in einer ähnlichen Defensiv- oder "Objektrolle" wie der Beklagte in einem Zivilprozess, weshalb diese Rechtsprechung auf ihren Fall zu übertragen sei. Die als unzulässig angesehenen Verfassungsbeschwerden außerhalb des Strafrechts seien demgegenüber mit der vorliegenden Situation nicht vergleichbar.

41

Das Bundesarbeitsgericht habe die seiner Entscheidung zugrunde gelegten verfassungsrechtlichen Sätze abschließend "erlassen". Diese ließen dem gewerkschaftlichen tarifbezogenen Streikrecht in den Kirchen schon jetzt keinerlei Existenzberechtigung. Der Beschwerdeführerin stünden keinerlei Beteiligungsrechte am Prozess der kollektiven Arbeitsrechtssetzung der Kirchen zu. Zudem habe sie keinerlei Rechtsmacht, gegen die künftige Rechtssetzung durch die Kirchen mit Wirkung gegen die Beschwerdeführerin vorzugehen. Damit sei Art. 9 Abs. 3 GG gerade auch bezüglich der Effektivität der Grundrechtsgewährleistung (Art. 19 Abs. 4 GG) verletzt.

42

Darüber hinaus vertieft die Beschwerdeführerin ihre Ausführungen zur ausnahmsweise vorliegenden Beschwer durch die Entscheidungsgründe und erörtert, wie die diesbezügliche Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auszulegen sei. Selbst wenn höchstrichterliche Urteile kein Gesetzesrecht seien, könne jedenfalls deren faktische Wirksamkeit eine Beschwer begründen.

43

Schließlich ist die Beschwerdeführerin der Ansicht, das Bundesarbeitsgericht übergehe die bisherigen arbeitskampfrechtlichen Prinzipien und verwerfe sie. Dies sei ein Systembruch und verletzte sie in ihrem Grundrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip und der Bindung an das Recht nach Art. 20 Abs. 3 GG.

44

3. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem Senat bei der Entscheidungsfindung vorgelegen.

B.

45

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.

46

Die im fachgerichtlichen Ausgangsverfahren erfolgreiche Beschwerdeführerin ist durch die angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen, namentlich durch das Urteil des Bundesarbeitsgerichts, nicht gegenwärtig und unmittelbar beschwert.

I.

47

Die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde setzt nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG die Behauptung des Beschwerdeführers voraus, durch einen Akt der öffentlichen Gewalt in seinen Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten verletzt zu sein (Beschwerdebefugnis). Die Beschwerdebefugnis betrifft einen besonderen Aspekt des Rechtsschutzbedürfnisses (Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 90 Rn. 338, 436 ; Lenz/Hansel, BVerfGG, 2. Aufl. 2015, § 90 Rn. 324).

48

1. Richtet sich eine Verfassungsbeschwerde gegen gerichtliche Entscheidungen, kann sich die Beschwer in aller Regel nur aus dem Tenor der Entscheidung ergeben; er allein bestimmt verbindlich, welche Rechtsfolgen aufgrund des festgestellten Sachverhalts eintreten (BVerfGE 28, 151 <160>; 74, 358 <374>; 82, 106 <116>; BVerfGK 17, 203 <207 f.>). Erforderlich ist eine Beschwer im Rechtssinne; eine faktische Beschwer allein genügt nicht (BVerfGE 8, 222 <224 f.>; 15, 283 <286>). Rechtsausführungen sowie nachteilige oder als nachteilig empfundene Ausführungen in den Gründen einer Entscheidung allein begründen keine Beschwer. Dieser im Verfahrensrecht allgemein anerkannte Rechtsgrundsatz gilt auch für das Verfahren der Verfassungsbeschwerde, da sie in erster Linie dem Rechtsschutz des Einzelnen gegenüber der Staatsgewalt dient. Deshalb kann eine Verfassungsbeschwerde nicht darauf gestützt werden, dass ein Gericht lediglich in den Gründen seiner Entscheidung eine Rechtsauffassung vertreten hat, die der Beschwerdeführer für grundrechtswidrig erachtet (vgl. BVerfGE 8, 222 <224 f.>; BVerfGK 10, 263 <265>; 17, 203 <207 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Mai 2012 - 2 BvR 800/12, 2 BvR 12 BvR 1003/12 -, juris, Rn. 8).

49

2. Analog zur Rechtsprechung zu faktischen Grundrechtseingriffen (vgl. insoweit BVerfGE 40, 287 <293>; 105, 252 <268 ff.>; 105, 279 <294 ff.>; 136, 323 <333 Rn. 28 f.>) hat das Bundesverfassungsgericht in eng begrenzten Ausnahmefällen Verfassungsbeschwerden gegen die allein in den Gründen einer gerichtlichen Entscheidung liegende Belastung für möglich gehalten.

50

a) Bei strafprozessualen Einstellungsentscheidungen können Schuldzuweisungen oder -feststellungen in den Gründen einen selbständigen Grundrechtsverstoß bedeuten, wenn durch diese dem Beschuldigten strafrechtliche Schuld attestiert wird, obwohl das Verfahren eingestellt, also dem Tatverdacht nicht weiter nachgegangen worden ist und das gesetzlich vorgeschriebene Verfahren zum Nachweis der Schuld nicht stattgefunden hat (BVerfGE 74, 358 <374>; 82, 106 <116 f.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 17. November 2005 - 2 BvR 878/05 -, juris, Rn. 17 ff.). Denn ein derartiger richterlicher Spruch zur Schuldfrage hat Gewicht, auch wenn er dem Betroffenen im Rechtsverkehr nicht vorgehalten werden darf (BVerfGE 74, 358 <374>; 82, 106 <116 f.>). Auch freisprechende Urteile können durch die Art ihrer Begründung Grundrechte verletzen, wenn die Entscheidungsgründe - für sich genommen - den Angeklagten so belasten, dass eine erhebliche, ihm nicht zumutbare Beeinträchtigung eines grundrechtlich geschützten Bereichs festzustellen ist, die durch den Freispruch nicht aufgewogen wird (BVerfGE 6, 7 <9>; 8, 222 <225>; 28, 151 <160 f.>).

51

b) Soweit das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf ehrverletzende Äußerungen eine Grundrechtsverletzung durch die Gründe einer gerichtlichen Entscheidung in Erwägung gezogen hat, kam es in der Entscheidung letztlich nicht darauf an (BVerfGE 15, 283 <286 f.>).

52

c) Ein verfassungsgerichtliches Eingreifen gegenüber strafprozessualen Einstellungsentscheidungen hat die Kammerrechtsprechung ferner in Fällen groben prozessualen Unrechts erwogen, solche aber bisher nicht als gegeben erachtet (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 6. April 1999 - 2 BvR 456/99 -, juris, Rn. 4; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 6. September 2004 - 2 BvR 1280/04 -, juris, Rn. 2; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 15. Oktober 2004 - 2 BvR 1802/04 -, juris, Rn. 2).

53

d) Der in der Senatsrechtsprechung auf den Angeklagten im Strafprozess beschränkte Obersatz, wonach in einzelnen Ausführungen der Entscheidungsgründe eine Grundrechtsverletzung des Angeklagten erblickt werden könne, wenn sie - für sich genommen - diesen so belasteten, dass eine erhebliche, ihm nicht zumutbare Beeinträchtigung eines grundrechtlich geschützten Bereichs festzustellen sei (BVerfGE 28, 151 <160 f.>), wurde in jüngeren Kammerentscheidungen allgemein zwar auf den "Betroffenen" ausgedehnt (BVerfGK 17, 203 <208>; vgl. auch die Parallelentscheidung der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. März 2010 - 1 BvR 1433/08 -, juris, Rn. 17; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Mai 2012 - 2 BvR 800/12, 2 BvR 12 BvR 1003/12 -, juris, Rn. 8). Zum Tragen kam dies in den Entscheidungen indes nicht.

54

e) Weitere Ausnahmefälle sind bisher nicht erwogen worden. Vielmehr ließen sich die in Rede stehenden Rechtsfragen unter Rückgriff auf die Beschwerdebefugnis und die Darlegung einer verfassungsprozessual relevanten, rechtlichen Beschwer nach § 90 Abs. 1 BVerfGG zufriedenstellend lösen.

55

3. Um beschwerdebefugt zu sein, muss ein Beschwerdeführer behaupten können, selbst, gegenwärtig und unmittelbar in einem seiner Grundrechte oder einem der diesen gleichgestellten Rechte (§ 90 Abs. 1 BVerfGG) verletzt zu sein. Diese Formel wurde ursprünglich (seit BVerfGE 1, 97 <101 f.>) für Verfassungsbeschwerden unmittelbar gegen Gesetze entwickelt, ist aber auch bei Verfassungsbeschwerden gegen gerichtliche Entscheidungen anzuwenden (BVerfGE 53, 30 <48>; 72, 1 <5> [dort unter dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzbedürfnisses]; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/2, 1. Aufl. 1994, § 91 IV. 3., S. 1320; Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 90 Rn. 342 ).

56

Bei Verfassungsbeschwerden gegen gerichtliche Entscheidungen liegt die Trias des eigenen, gegenwärtigen und unmittelbaren Betroffenseins des Beschwerdeführers (vgl. Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 90 Rn. 343 ; Spranger, AöR 127 (2002), S. 27 <50>) regelmäßig vor. Daher bedarf es in der Regel keiner näheren Prüfung dieser Voraussetzung (BVerfGE 53, 30 <48>), weil sie in dieser Konstellation regelmäßig keinen besonderen Erkenntnisgewinn erbringt (Lenz/Hansel, BVerfGG, 2. Aufl. 2015, § 90 Rn. 292; vgl. auch Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/2, 1. Aufl. 1994, § 91 IV. 3., S. 1320). Ein Rückgriff auf die Betroffenheitstrias ist jedoch in Sonderfällen angezeigt, etwa wenn sich die Beschwer - wie vorliegend - aus anderen Umständen als dem für den Beschwerdeführer eigentlich günstigen Tenor ergeben soll (Lenz/Hansel, BVerfGG, 2. Aufl. 2015, § 90 Rn. 250).

57

a) Selbstbetroffenheit liegt vor, wenn der Beschwerdeführer Adressat der Norm, des betreffenden Urteils oder ausnahmsweise auch eines Einzelakts ist (vgl. BVerfGE 102, 197 <206 f.>; 119, 181 <212>; Ruppert, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl. 2005, § 90 Rn. 79).

58

b) Gegenwärtige Betroffenheit ist das Abgrenzungskriterium gegenüber zukünftigen Beeinträchtigungen. Gefordert ist eine "aktuelle" Betroffenheit (BVerfGE 1, 97 <102>). Sie liegt vor, wenn der Beschwerdeführer schon oder noch von dem angegriffenen Akt öffentlicher Gewalt betroffen ist (Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 90 Rn. 366 ). Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem die Verfassungsbeschwerde erhoben wird (Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/2, 1. Aufl. 1994, § 91 IV. 3., S. 1322).

59

Gegenwärtigkeit in diesem Sinne ist gegeben, wenn eine angegriffene Vorschrift auf die Rechtsstellung des Beschwerdeführers aktuell und nicht nur potentiell einwirkt, wenn das Gesetz die Normadressaten mit Blick auf seine künftig eintretende Wirkung zu später nicht mehr korrigierbaren Entscheidungen zwingt oder wenn klar abzusehen ist, dass und wie der Beschwerdeführer in der Zukunft von der Regelung betroffen sein wird (BVerfGE 114, 258 <277>; vgl. BVerfGE 97, 157 <164>; 102, 197 <207>; 119, 181 <212>). Allein die vage Aussicht, dass der Beschwerdeführer irgendwann einmal in der Zukunft von der beanstandeten Gesetzesvorschrift betroffen sein könnte, genügt hingegen nicht (BVerfGE 114, 258 <277>). Diese Grundsätze gelten gleichermaßen für Verfassungsbeschwerden gegen gerichtliche Entscheidungen (BVerfGE 72, 1 <5> [formuliert unter dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzbedürfnisses]; vgl. BVerfGE 53, 30 <48>).

60

c) Unmittelbarkeit setzt voraus, dass die Einwirkung auf die Rechtsstellung des Betroffenen nicht erst vermittels eines weiteren Akts bewirkt werden darf oder vom Ergehen eines solchen Akts abhängig ist (vgl. BVerfGE 1, 97 <102 f.>; 68, 319 <325>; 110, 370 <381 f.>; 125, 39 <75 f.>; 126, 112 <133>; stRspr). Soweit das Bundesverfassungsgericht dazu Grundsätze anhand von Verfassungsbeschwerden gegen Rechtsnormen entwickelt hat, gelten diese auch für Verfassungsbeschwerden gegen gerichtliche Entscheidungen (vgl. BVerfGE 53, 30 <48>).

61

Eine Vorschrift muss - ohne dass es eines weiteren Vollzugsaktes bedarf - in den Rechtskreis des Beschwerdeführers dergestalt einwirken, dass etwa konkrete Rechtspositionen unmittelbar kraft Gesetzes zu einem dort festgelegten Zeitpunkt erlöschen oder eine zeitlich oder inhaltlich genau bestimmte Verpflichtung begründet wird, die bereits spürbare Rechtsfolgen mit sich bringt (BVerfGE 53, 366 <389>). Damit scheitert eine Verfassungsbeschwerde regelmäßig, wenn es noch einer Umsetzung des "Gesetzesbefehls" durch Gesetz, Verordnung, Satzung oder einen Vollzugsakt der Exekutive bedarf (vgl. BVerfGE 68, 319 <325>).

62

Das Erfordernis der Unmittelbarkeit dient auch dazu, dem Bundesverfassungsgericht die Fallanschauung der Fachgerichte zu vermitteln (BVerfGE 65, 1 <37 f.>; 72, 39 <43>). Die Unmittelbarkeit der Betroffenheit ist damit auch eine Frage der Zumutbarkeit der vorherigen Durchführung eines fachgerichtlichen Verfahrens, innerhalb dessen die Verfassungsmäßigkeit einer Norm inzident geprüft werden kann (Hillgruber/Goos, Verfassungsprozessrecht, 4. Aufl. 2015, Rn. 204).

63

Die Unmittelbarkeit ist zu verneinen, wenn eine Rechtsnorm nur eine Ermächtigung für ein Tätigwerden der öffentlichen Gewalt darstellt, das seinerseits die Rechtsstellung des Adressaten schmälert oder faktisch seine Grundrechte beeinträchtigt (Zuck, Das Recht der Verfassungsbeschwerde, 4. Aufl. 2013, Rn. 703). Es muss gerade die angefochtene Norm und nicht eine andere Maßnahme des Staates oder eines Dritten sein, die die Betroffenheit des Beschwerdeführers bewirkt (BVerfGK 17, 448 <451 f.>).

64

Dass ein Vollzugsakt erforderlich ist, um für einzelne Adressaten der Norm individuell bestimmte Rechtsfolgen eintreten zu lassen, ist lediglich Anzeichen für ein denkbares Fehlen der unmittelbaren Grundrechtsbetroffenheit. Ob es ausschlaggebend ist, bedarf in jedem Fall der Überprüfung anhand des Verfassungsprozessrechts (BVerfGE 70, 35 <51>; 73, 40 <68 f.>). Insbesondere wenn die angegriffene Norm keinen Auslegungs- und Entscheidungsspielraum lässt, kann ausnahmsweise ein Rechtsschutzbedürfnis für die unmittelbare Anfechtung eines Gesetzes bereits vor Erlass des Vollziehungsaktes zu bejahen sein. Dies ist der Fall, wenn das Gesetz den Betroffenen schon vorher zu entscheidenden Dispositionen veranlasst, die er nach dem späteren Gesetzesvollzug nicht mehr nachholen oder korrigieren könnte (BVerfGE 43, 291 <386>; 59, 1 <18>; ohne Bezugnahme auf einen Entscheidungsspielraum BVerfGE 55, 185 <195>; 65, 1 <37>; 68, 287 <300>; 71, 25 <35>; 90, 128 <136>). Auch wenn eine Rechtsnorm, obwohl sie vollzugsbedürftig ist, unabhängig davon schon die Rechtsposition des Betroffenen nachteilig verändert, kann die Unmittelbarkeit zu bejahen sein (BVerfGE 70, 35 <52 f.>).

II.

65

Nach diesen Grundsätzen ist die Beschwerdeführerin durch die angefochtenen gerichtlichen Entscheidungen nicht in ihren durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten oder anderen Interessen gegenwärtig und unmittelbar beschwert und folglich nicht beschwerdebefugt.

66

1. Nach dem Grundsatz, dass sich bei Verfassungsbeschwerden gegen eine gerichtliche Entscheidung die Beschwer in aller Regel nur aus dem Tenor der Entscheidung ergeben kann, fehlt es an einer Beschwer der Beschwerdeführerin. Diese hat in dem von den kirchlichen Einrichtungen angestrengten Rechtsstreit vor den Arbeitsgerichten obsiegt. Die gegen sie gerichtete Klage ist in vollem Umfang abgewiesen worden. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin folgt aus der Art der Beteiligung im Ausgangsverfahren nichts anderes. Entscheidend ist allein das Vorliegen rechtlicher Nachteile bei dem jeweiligen Beschwerdeführer (BVerfGE 8, 222 <224>; 15, 283 <286>; 28, 151 <160>; 74, 358 <374>; 82, 106 <116>; BVerfGK 17, 203 <207 f.>).

67

2. Die Beschwerdeführerin kann sich nicht auf eine der oben unter B. I. 2. a) - c) erörterten Ausnahmen von diesem Grundsatz berufen. Die zu d) genannte Fallgruppe erschöpft sich in der Prüfung der allgemeinen Anforderungen der Beschwerdebefugnis (siehe sogleich 3.).

68

3. Die Beschwerdeführerin ist nicht ausnahmsweise durch die Gründe der angegriffenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts gegenwärtig und unmittelbar beschwert.

69

a) Eine gegenwärtige Beschwer ist vorliegend nicht gegeben. Die angefochtenen gerichtlichen Entscheidungen wirken auf die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin nicht aktuell sondern allenfalls potentiell ein. Die Beschwerdeführerin wird weder zu später nicht mehr korrigierbaren Entscheidungen gezwungen, noch ist bereits jetzt ihre zukünftige Betroffenheit durch die vorliegend angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen klar abzusehen.

70

aa) Eine gegenwärtige oder aktuelle Beschwer folgt entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht daraus, dass das Bundesarbeitsgericht nicht nur geschriebenes Recht angewandt, sondern das im Wesentlichen durch die Rechtsprechung geprägte Arbeitskampfrecht (Däubler, in: Däubler , Arbeitskampfrecht, 3. Aufl., 2011, § 9 Rn. 25; vgl. auch Richardi/Bayreuther, Kollektives Arbeitsrecht, 2. Aufl., 2012, § 10 Rn. 10) richterrechtlich weiterentwickelt hat. Damit hat das Bundesarbeitsgericht nicht Recht gesetzt, das für die Beschwerdeführerin zukünftig verbindlich wäre.

71

Entgegen der Darstellung in der Verfassungsbeschwerde handelt es sich bei den vom Bundesarbeitsgericht selbst entwickelten Grundsätzen, an denen es Arbeitskampfmaßnahmen misst, nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht um Rechtssätze im Sinne des Art. 20 Abs. 3 GG. Dies wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Verfassungsbeschwerde gegen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts prüft, ob auch der Gesetzgeber solche Rechtssätze ohne Verletzung von Grundrechten der Beschwerdeführerin hätte erlassen können (vgl. BVerfGE 59, 231 <256 f.>; 84, 212 <228 f.>).

72

Die Fachgerichte sind an durch die Rechtsprechung entwickeltes Recht nicht in gleicher Weise gebunden wie an Gesetze. Nach deutschem Recht gibt es grundsätzlich keine Präjudizienbindung (vgl. statt vieler Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl. 2008, S. 562 ff. m.w.N.). Auch aus den Vorschriften zur Berufungs- oder Revisionszulassung in § 64 Abs. 3 Nr. 3 ArbGG und § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG folgt keine solche Bindung.

73

Dies gilt auch, soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, das Bundesarbeitsgericht habe anlässlich der Entscheidung über den konkreten Sachverhalt nicht nur fallrelevante, sondern "überschießende Obersätze" aufgestellt, die es überwiegend auf die fehlende Verbindlichkeit des "Dritten Weges" gestützt habe. Warum ein derartiger "überschießender Obersatz", der - nach der Prämisse der Beschwerdeführerin - nicht einmal im konkreten Fall Rechtswirkung entfaltet hat, trotz fehlender rechtlicher Bindungswirkung eine gegenwärtige Beschwer der Beschwerdeführerin begründen können soll, erschließt sich nach alledem nicht.

74

Auch die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu Globalanträgen (vgl. dazu Koch, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 15. Aufl. 2015, § 81 ArbGG Rn. 3 m.w.N.) führt zu keinem anderen Ergebnis. In der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte in personalvertretungsrechtlichen Streitigkeiten wird dieselbe Rechtsauffassung zur Abweisung von Globalanträgen wie vom Bundesarbeitsgericht vertreten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. November 2012 - 6 PB 14/12 -, juris, Rn. 9). Es liegt auf der Hand, dass die fachgerichtliche Handhabung bestimmter prozessualer Fragestellungen Einfluss auf die jeweiligen Entscheidungen und damit auf die Beschwer möglicher Beschwerdeführer haben kann. Das Bundesverfassungsgericht hat diese prozessuale Ausgangslage vor den Fachgerichten grundsätzlich hinzunehmen. Zudem besteht - entgegen dem Beschwerdevortrag - keine Gefahr, dass ein Kläger sich absichtlich mit zu weit gefassten Globalanträgen abweisen lässt und auf ihm günstige Gründe hofft. In der Sache streben Kläger ein bestimmtes Ergebnis im Einzelfall an. Dies können sie mit unbegründeten, weil zu weit gefassten Globalanträgen nicht erreichen. Demgegenüber ist die Erwartung günstiger Gründe spekulativ.

75

bb) Soweit sich die Beschwerdeführerin mit Blick auf künftige Streiks und Streikaufrufe dem Risiko ausgesetzt sieht, von kirchlichen Einrichtungen auf Unterlassung oder Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden, begründet auch dies keine gegenwärtige Beschwer. Soweit sie behauptet, ihr sei eine verlässliche Planung gewerkschaftlicher Politik nicht möglich, bleibt offen, zu welchen irreversiblen Dispositionen die Beschwerdeführerin genötigt sein soll. Jedes Gesetz und jeder von einem Gericht entwickelte Rechtssatz, der einem Beteiligten Handlungsoptionen eröffnet, kann für andere Beteiligte, namentlich den Verpflichteten, mit Ungewissheiten und Unsicherheiten verbunden sein. Dies führt jedoch nicht dazu, dagegen Verfassungsbeschwerde erheben zu können, noch bevor fachgerichtlich entschieden ist, ob ordnungsgemäß von den Rechten Gebrauch gemacht wurde. Etwaige Rechtsunsicherheiten auf Seiten der Beschwerdeführerin sind vergleichbar mit denen, die sich - spiegelbildlich - auf Seiten der Kirchen und ihrer karitativen und diakonischen Einrichtungen hinsichtlich der Frage ergeben, ob die Änderungen der Kirchengesetze und Satzungen den vom Bundesarbeitsgericht formulierten Anforderungen entsprechen.

76

Dem von der Beschwerdeführerin angeführten Beschluss des Ersten Senats vom 27. November 1990 (BVerfGE 83, 130 <145 f.>) lässt sich nichts anderes entnehmen. Dort ging es um das Vorliegen besonders nachhaltiger Eingriffe mit der Folge einer erhöhten Prüfungsintensität. Vom Erfordernis, dass die Beschwerdeführerin eine aktuelle Beschwer behaupten muss, entbindet dies nicht.

77

cc) Die vom Bundesarbeitsgericht formulierten Anforderungen an den "Dritten Weg" führen schließlich nicht dazu, dass klar abzusehen wäre, dass und wie die Beschwerdeführerin zukünftig betroffen wäre.

78

Wie die Vorgaben des Bundesarbeitsgerichts in der konkreten praktischen Gestaltung des "Dritten Weges" umzusetzen sind oder umgesetzt werden, ist nicht im Detail vorhersehbar (vgl. Klumpp, ZAT 2013, S. 120 <121>). Die vom Bundesarbeitsgericht beschriebenen Anforderungen wurden nicht in Gestalt subsumierbarer Normen formuliert (vgl. Schubert, JbArbR 50 <2013>, S. 101 <102>). Insbesondere hinsichtlich der organisatorischen Einbindung der Gewerkschaften werden den Kirchen keine detaillierten Vorgaben gemacht. Das Bundesarbeitsgericht hat in der angegriffenen Entscheidung vielmehr ausdrücklich betont, die organisatorische Einbindung der Gewerkschaften sei Sache der Kirchen, und in diesem Zusammenhang auf den ihnen dabei zustehenden Gestaltungsspielraum hingewiesen (vgl. dazu auch Klumpp, ZMV 2014, S. 2 <3>; Joussen, ZMV 2014, S. 189 <193>). Es steht den Kirchen frei, im Rahmen des ihnen zukommenden Selbstbestimmungsrechts kirchliches Recht eigenständig zu gestalten (vgl. Morlok, in: Dreier, GG, Bd. 3, 3. Aufl. 2013, Art. 137 WRV Rn. 49; Hesse, in: Listl/Pirson, Handbuch des Staatskirchenrechts, Bd. I, 2. Aufl. 1994, § 17, S. 521 <535>). Unabhängig davon sind zunächst die vom Bundesarbeitsgericht formulierten Grundsätze durch Einzelfallentscheidungen zu konkretisieren (Melms/ Wiegelmann, DB 2013, S. 2504 <2505>).

79

Soweit die Beschwerdeführerin eine endgültige Wirkung der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der unmittelbar und sofort wirksamen vollständigen Exklusion der Beschwerdeführerin von einer autonomen Koalitionsbetätigung und der Konkretisierung des Verfahrens der kollektiven Arbeitsrechtssetzung bei den Kirchen rügt, ist nicht erkennbar, worin eine solche liegen soll. Das Streikrecht der Beschwerdeführerin wurde in der angefochtenen Entscheidung gerade nicht in Abrede gestellt. Zudem ist nicht ersichtlich, inwieweit das Urteil des Bundesarbeitsgerichts die Beschwerdeführerin von der Konkretisierung des Verfahrens der kollektiven Arbeitsrechtssetzung bei Kirchen ausschließen könnte. Der Erlass kirchenrechtlicher Gesetze und Satzungen ist originäre Aufgabe der Kirchen selbst. Eine Mitwirkung daran kann die Beschwerdeführerin von Verfassungs wegen nicht verlangen.

80

b) Die Beschwerdeführerin ist durch die angefochtenen gerichtlichen Entscheidungen und die vom Bundesarbeitsgericht formulierten Anforderungen auch nicht unmittelbar betroffen. Vielmehr sind in der vorliegenden Konstellation besondere Vollzugs- und Umsetzungsakte erforderlich. Wären die Entscheidungsgründe des Bundesarbeitsgerichts Rechtssätze, wären sie jedenfalls nicht zum Nachteil der Beschwerdeführerin im Sinne eines Streikverbotes unmittelbar vollziehbar. Ein Ausschluss des Streikrechts der Beschwerdeführerin ergäbe sich nicht aus den von ihr angenommenen "Rechtssätzen des staatlichen Rechts", die lediglich den den Religionsgemeinschaften frei gehaltenen Raum beschreiben, innerhalb dessen diese von ihrem Selbstbestimmungsrecht Gebrauch machen können. Der potentielle Ausschluss des Streikrechts könnte sich vielmehr erst aus kirchenrechtlichen und satzungsmäßigen Regelungen ergeben, setzt also zwingend weitere Maßnahmen der Kirchen und kirchlichen Einrichtungen voraus.

81

Die vorherige Befassung der Fachgerichte ist der Beschwerdeführerin zumutbar (vgl. BVerfGK 14, 6 <8>) und ermöglicht es, dem Bundesverfassungsgericht die Fallanschauung der Fachgerichte hinsichtlich der inzwischen modifizierten kirchenrechtlichen Vorschriften zu vermitteln (vgl. BVerfGE 65, 1 <37 f.>; 72, 39 <43>). Sollten die Fachgerichte bei Anwendung der vom Bundesarbeitsgericht formulierten Anforderungen an den "Dritten Weg" auf das modifizierte kirchliche Arbeitsrecht zu dem Ergebnis gelangen, dass dieses den aufgestellten Anforderungen zwischenzeitlich gerecht würde, und wäre die Beschwerdeführerin dadurch selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen, bliebe es ihr unbenommen, den sie beschwerenden Sachverhalt dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorzulegen.

82

4. Nichts anderes gilt zuletzt, soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG sowie durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts einen gegen Art. 20 Abs. 3 GG verstoßenden Systembruch geltend macht. Auch diesbezüglich fehlt es an einer Beschwer der Beschwerdeführerin, die im Rechtstreit vor den Arbeitsgerichten obsiegt hat.

(1) Das Bundesverfassungsgericht entscheidet:

1.
über die Auslegung dieses Grundgesetzes aus Anlaß von Streitigkeiten über den Umfang der Rechte und Pflichten eines obersten Bundesorgans oder anderer Beteiligter, die durch dieses Grundgesetz oder in der Geschäftsordnung eines obersten Bundesorgans mit eigenen Rechten ausgestattet sind;
2.
bei Meinungsverschiedenheiten oder Zweifeln über die förmliche und sachliche Vereinbarkeit von Bundesrecht oder Landesrecht mit diesem Grundgesetze oder die Vereinbarkeit von Landesrecht mit sonstigem Bundesrechte auf Antrag der Bundesregierung, einer Landesregierung oder eines Viertels der Mitglieder des Bundestages;
2a.
bei Meinungsverschiedenheiten, ob ein Gesetz den Voraussetzungen des Artikels 72 Abs. 2 entspricht, auf Antrag des Bundesrates, einer Landesregierung oder der Volksvertretung eines Landes;
3.
bei Meinungsverschiedenheiten über Rechte und Pflichten des Bundes und der Länder, insbesondere bei der Ausführung von Bundesrecht durch die Länder und bei der Ausübung der Bundesaufsicht;
4.
in anderen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten zwischen dem Bunde und den Ländern, zwischen verschiedenen Ländern oder innerhalb eines Landes, soweit nicht ein anderer Rechtsweg gegeben ist;
4a.
über Verfassungsbeschwerden, die von jedermann mit der Behauptung erhoben werden können, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Artikel 20 Abs. 4, 33, 38, 101, 103 und 104 enthaltenen Rechte verletzt zu sein;
4b.
über Verfassungsbeschwerden von Gemeinden und Gemeindeverbänden wegen Verletzung des Rechts auf Selbstverwaltung nach Artikel 28 durch ein Gesetz, bei Landesgesetzen jedoch nur, soweit nicht Beschwerde beim Landesverfassungsgericht erhoben werden kann;
4c.
über Beschwerden von Vereinigungen gegen ihre Nichtanerkennung als Partei für die Wahl zum Bundestag;
5.
in den übrigen in diesem Grundgesetze vorgesehenen Fällen.

(2) Das Bundesverfassungsgericht entscheidet außerdem auf Antrag des Bundesrates, einer Landesregierung oder der Volksvertretung eines Landes, ob im Falle des Artikels 72 Abs. 4 die Erforderlichkeit für eine bundesgesetzliche Regelung nach Artikel 72 Abs. 2 nicht mehr besteht oder Bundesrecht in den Fällen des Artikels 125a Abs. 2 Satz 1 nicht mehr erlassen werden könnte. Die Feststellung, dass die Erforderlichkeit entfallen ist oder Bundesrecht nicht mehr erlassen werden könnte, ersetzt ein Bundesgesetz nach Artikel 72 Abs. 4 oder nach Artikel 125a Abs. 2 Satz 2. Der Antrag nach Satz 1 ist nur zulässig, wenn eine Gesetzesvorlage nach Artikel 72 Abs. 4 oder nach Artikel 125a Abs. 2 Satz 2 im Bundestag abgelehnt oder über sie nicht innerhalb eines Jahres beraten und Beschluss gefasst oder wenn eine entsprechende Gesetzesvorlage im Bundesrat abgelehnt worden ist.

(3) Das Bundesverfassungsgericht wird ferner in den ihm sonst durch Bundesgesetz zugewiesenen Fällen tätig.

Gemeinden und Gemeindeverbände können die Verfassungsbeschwerde mit der Behauptung erheben, daß ein Gesetz des Bundes oder des Landes die Vorschrift des Artikels 28 des Grundgesetzes verletzt. Die Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht ist ausgeschlossen, soweit eine Beschwerde wegen Verletzung des Rechtes auf Selbstverwaltung nach dem Rechte des Landes beim Landesverfassungsgericht erhoben werden kann.

Gründe

A.

1

Gegenstand der Verfassungsbeschwerde der im fachgerichtlichen Verfahren erfolgreichen Beschwerdeführerin ist der Ausschluss des Streikrechts in kirchlichen und diakonischen Einrichtungen durch kirchenrechtliche Arbeitsrechtsregelungen (sogenannter "Dritter Weg").

I.

2

Die evangelische Kirche und die katholische Kirche stimmen darin überein, dass es dem Wesen des Dienstes in der Kirche nicht gerecht wird, wenn der Inhalt der Arbeitsverträge ihrer Mitarbeiter einseitig durch den kirchlichen Gesetzgeber oder durch kirchliche Leitungsorgane gestaltet wird. Umstritten war in der Vergangenheit, ob dieser sogenannte "Erste Weg" durch den Abschluss von Tarifverträgen zwischen Kirchen und Gewerkschaften abgelöst (sogenannter "Zweiter Weg") oder stattdessen in der Entwicklung eines eigenständigen kirchlichen Beteiligungsmodells ein "Dritter Weg" gegangen werden sollte (Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, 6. Aufl. 2012, § 13 Rn. 1).

3

1. Die evangelischen Landeskirchen haben sich mit Ausnahme zweier Landeskirchen, die ein Verfahren eines kirchengemäßen "Zweiten Weges" gewählt haben, für den "Dritten Weg", also für die Schaffung eines eigenen kirchlichen Arbeitsrechtsregelungsverfahrens entschieden (Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, 6. Aufl. 2012, § 13 Rn. 1; Keßler, in: Festschrift für Wolfgang Gitter, 1995, S. 461 <465>). Sie sind damit der Empfehlung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in einer Richtlinie vom 8. Oktober 1976 gefolgt, die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter im kirchlichen Dienst auf der Grundlage eines von ihm verabschiedeten Musterentwurfs eines Kirchengesetzes über das Verfahren zur Regelung der Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im kirchlichen Dienst zu regeln (Richtlinie gemäß Art. 9 Buchstabe b) der Grundordnung der EKD für ein Kirchengesetz über das Verfahren zur Regelung der Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter im kirchlichen Dienst [Arbeitsrechtsregelungsgesetz - ARRG] vom 8. Oktober 1976 [ABl. EKD S. 398]).

4

a) Kernstück des Verfahrenskonzepts des "Dritten Weges" ist die Arbeitsrechtliche Kommission als ein durch Kirchengesetz geschaffenes Gremium, das paritätisch mit Vertretern von Dienstgebern und Dienstnehmern besetzt ist. Ihre Aufgabe liegt darin, Normen zu schaffen, die Abschluss, Inhalt und Beendigung des Einzelarbeitsverhältnisses regeln. Ihr ist damit eine Funktion zugewiesen, die sonst durch den Abschluss von Tarifverträgen wahrgenommen wird (Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, 6. Aufl. 2012, § 14 Rn. 7; Hammer, Kirchliches Arbeitsrecht, 2002, S. 189). Hinsichtlich der personalen Voraussetzungen für die Mitgliedschaft in einer Arbeitsrechtlichen Kommission, des Besetzungsverfahrens und der Frage nach dem Letztentscheidungsrecht zwischen Kommission und Synode weisen die Lösungen der Landeskirchen vielfältige Regelungen auf (vgl. Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, 6. Aufl. 2012, § 14 Rn. 8 ff.). Kommt in der Arbeitsrechtlichen Kommission kein Beschluss zustande, so wird ein ebenfalls paritätisch zusammengesetzter Schlichtungsausschuss mit der Angelegenheit befasst. Dieser entscheidet abschließend. Streiks und Aussperrung sind ausgeschlossen.

5

b) Für die am arbeitsgerichtlichen Ausgangsverfahren beteiligte Evangelische Kirche von Westfalen und ihr Diakonisches Werk wurden die Arbeitsrechtsregelungen nach dem Kirchengesetz über das Verfahren zur Regelung der Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im kirchlichen Dienst (Arbeitsrechtsregelungsgesetz - ARRG-Westfalen) vom 15. November 2001 (KABl 2002, S. 70) in der Fassung vom 17. November 2011 (KABl S. 285) durch eine paritätisch mit je neun Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern besetzte Arbeitsrechtliche Kommission und eine Schiedskommission festgelegt. Zwischenzeitlich wurde das Kirchengesetz geändert und liegt nunmehr in der Fassung vom 21. November 2013 (KABl S. 268) vor.

6

c) Für die ebenfalls fachgerichtlich beteiligte Evangelisch-​lutherische Landeskirche Hannovers gilt dies im Wesentlichen entsprechend. Das dortige Verfahren des "Dritten Weges" ist im Kirchengesetz der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen zur Regelung des Arbeitsrechts für Einrichtungen der Diakonie (Arbeitsrechtsregelungsgesetz Diakonie - ARRGD) vom 3. November 1997 (KABl S. 261) geregelt. Das Kirchengesetz wurde am 2. Juli 2012 (KABl S. 217) zuletzt geändert und am 8. März 2014 (KABl S. 60) grundlegend neugefasst.

7

2. Die Diözesen der römisch-katholischen Kirche folgen ausnahmslos dem "Dritten Weg" gemäß Art. 7 Abs. 1 der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse, die auf kirchengesetzlicher Grundlage allgemeines Recht für den Gesamtbereich der katholischen Kirche in der Bundesrepublik ist (Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, 6. Aufl. 2012, § 13 Rn. 1, § 14 Rn. 15). In Art. 7 Abs. 2 der Grundordnung ist festgelegt, dass wegen der Einheit des kirchlichen Dienstes und der Dienstgemeinschaft als Strukturprinzip des kirchlichen Arbeitsrechts kirchliche Dienstgeber keine Tarifverträge mit Gewerkschaften abschließen. Streik und Aussperrung scheiden danach ebenfalls aus.

8

3. Insgesamt stimmen die christlichen Kirchen trotz der Verschiedenheit ihrer Beteiligungsmodelle darin überein, dass nach ihrem Selbstverständnis jede Dienst- und Arbeitsleistung den kirchlichen Auftrag in der Welt verwirklicht. Der Gedanke der christlichen Dienstgemeinschaft soll deshalb auch in den Verfahrensstrukturen einer Arbeitnehmerbeteiligung an der Gestaltung der Arbeitsbedingungen zum Ausdruck kommen (Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, 6. Aufl. 2012, § 13 Rn. 2; Joussen, RdA 2007, S. 328 <333>; Tillmanns, NZA 2013, S. 178 <179 f.>; vgl. im Übrigen BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 22. Oktober 2014 - 2 BvR 661/12 -, juris, Rn. 10, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

9

Einen Arbeitskampf mit Streik und Aussperrung kann es aus Sicht der christlichen Kirchen auf dieser Basis nicht geben. Die Dienstgemeinschaft ist danach auf das Miteinander im Dienste Gottes und seines Auftrags an die Kirche gerichtet, so dass es die Gemeinsamkeit des Ziels und der Aufgabe ausschließe, durch offenen Druck gegeneinander eine Änderung der Arbeitsbedingungen erzwingen zu wollen.

10

4. Nach Abschluss des Ausgangsverfahrens vor den Arbeitsgerichten wurden im Bereich der EKD mit dem Kirchengesetz über die Grundsätze zur Regelung der Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in der Evangelischen Kirche in Deutschland und ihrer Diakonie vom 13. November 2013 (Arbeitsrechtsregelungsgrundsätzegesetz - ARGG-EKD; ABl. EKD S. 420; vgl. dazu Joussen, ZevKR 59 (2014), S. 50; Klumpp, ZMV 2014, S. 2) kirchengemäße tarifvertragliche Lösungen, also der "Zweite Weg", erstmals gleichrangig neben den Regelungen über den "Dritten Weg" normiert.

11

Zwischenzeitlich ist zudem das Kirchengesetz der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen zur Regelung der Arbeitsbedingungen in Einrichtungen der Diakonie (Arbeitsrechtsregelungsgesetz Diakonie - ARRGD) vom 8. März 2014 (KABl S. 60) in Kraft getreten. Danach haben alle erfassten Rechtsträger der Diakonie in allen betroffenen Einrichtungen nunmehr in erster Linie kirchengemäße Tarifverträge anzuwenden. Die Beschwerdeführerin schloss im September 2014 mit dem Diakonischen Dienstgeberverband Niedersachsen einen solchen Tarifvertrag ab, welcher am 1. Oktober 2014 in Kraft trat. In ihm sind im Wesentlichen alle Regelungen zusammengefasst, die zuvor in den Arbeitsvertragsrichtlinien festgeschrieben waren.

12

Ferner wurden in den beiden im Ausgangsverfahren beteiligten Landeskirchen kirchengesetzliche Regelungen modifiziert, unter anderem um künftig sicherzustellen, dass für kirchliche Arbeitgeber kein Wahlrecht zwischen verschiedenen kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen besteht.

13

In der römisch-katholischen Kirche kam es im Anschluss an das angegriffene Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20. November 2012 ebenfalls zu Neuerungen. Die Neufassung der Grundordnung vom 27. April 2015 regelt erstmals ausdrücklich, dass die Mitwirkung der Gewerkschaften in den arbeitsrechtlichen Kommissionen des "Dritten Weges" gewährleistet ist (Art. 6 Abs. 3 der Grundordnung).

II.

14

Die Beschwerdeführerin ist eine Gewerkschaft. Sie ist Mitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes. In ihr sind unter anderem Mitglieder aus dem Bereich karitativer und kirchlicher Einrichtungen organisiert.

15

Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens sind zwei evangelische Landeskirchen sowie sieben in kirchlicher Trägerschaft stehende Einrichtungen der Diakonie. Im Ausgangsverfahren begehrten sie die Verpflichtung der Beschwerdeführerin, zukünftig Streikaufrufe sowie die Durchführung und Organisation von Streiks, Warnstreiks und sonstigen Arbeitsniederlegungen in Einrichtungen der Klägerinnen zu unterlassen.

16

1. Die Klage hatte vor dem Arbeitsgericht im Wesentlichen Erfolg. Mit Urteil vom 3. März 2010 hat das Arbeitsgericht entschieden, den Klägerinnen stehe gegen die Beschwerdeführerin ein Anspruch auf Unterlassung rechtswidriger Streikmaßnahmen nach § 1004 BGB in Verbindung mit § 823 BGB zu. Die angekündigten Streikmaßnahmen seien rechtswidrig, weil den Gewerkschaften gegen Kirchen und Träger kirchlicher Einrichtungen kein Streikrecht zustehe.

17

2. Auf die Berufung der Beschwerdeführerin hat das Landesarbeitsgericht unter Zurückweisung der Anschlussberufung der Klägerinnen mit Urteil vom 13. Januar 2011 das erstinstanzliche Urteil aufgehoben, soweit diese obsiegt hatten, und die Klage insgesamt abgewiesen.

18

Auch unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlich garantierten Autonomie der Religionsgemeinschaften sowie der kirchlich geprägten Eigenheiten und der besonderen Aufgabenstellung der kirchlichen Einrichtungen gehe ein vollständiger Ausschluss von Arbeitskampfmaßnahmen, welcher auch Arbeitnehmer in Randbereichen und Hilfsfunktionen umfassen solle, über das rechtlich gebotene Maß hinaus. Dies führe zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der verfassungsrechtlich gestützten Rechtsposition der Beschwerdeführerin.

19

3. Mit Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20. November 2012 sind die Revisionen der kirchlichen Einrichtungen gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts zurückgewiesen worden. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts waren die Anträge - soweit zulässig - unbegründet.

20

Eine der Revisionsklägerinnen könne sich bereits nicht auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht berufen. Bei weiteren Revisionsklägerinnen fehle es an der für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch erforderlichen Wiederholungsgefahr.

21

Die übrigen Revisionsklägerinnen könnten sich zwar auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht berufen; insbesondere stehe es in ihrer freien Entscheidung, ihre kollektive Arbeitsrechtsordnung nicht durch Tarifverträge zu gestalten, sondern paritätisch besetzten und am Leitbild der Dienstgemeinschaft ausgerichteten Kommissionen zu überlassen ("Dritter Weg"). Die Ausrichtung der kollektiven Arbeitsrechtsordnung am Leitbild der Dienstgemeinschaft sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

22

Die Kollision eines Ausschlusses von Arbeitskampfmaßnahmen in diakonischen Einrichtungen im Rahmen des "Dritten Weges" mit der in Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Koalitionsfreiheit sei im Rahmen einer Güterabwägung nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz zu einem Ausgleich zu bringen. Das Regelungsmodell der Kirchen dürfe die Koalitionsfreiheit und das Konzept der Tarifautonomie nur insoweit verdrängen, wie es für die Wahrung ihres Leitbildes von der Dienstgemeinschaft erforderlich sei und das angestrebte Ziel eines fairen, sachgerechten und verbindlichen Interessenausgleichs tatsächlich und kohärenter Weise erreicht werde. Das setze voraus, dass das Verfahren des "Dritten Weges" geeignet sei, eine gleichgewichtige Konfliktlösung zu gewährleisten, sich die Gewerkschaften darin in verfassungskonformer Weise einbringen könnten und das Ergebnis der Verhandlungen einschließlich einer darauf gerichteten Schlichtung für die Arbeitsvertragsparteien verbindlich und einer einseitigen Abänderung durch den Dienstgeber entzogen sei.

23

Die kirchengesetzlichen Regelungen der klagenden Landeskirchen und die satzungsrechtlichen Bestimmungen der in ihrer Trägerschaft stehenden Diakonischen Werke ordneten keine ausreichend verbindliche Geltung der in einer Arbeitsrechtlichen Kommission oder deren Schiedskommission beschlossenen Arbeitsrechtsregelungen an. Die Klägerinnen könnten sich zur Begründung einer generellen Rechtswidrigkeit von Kampfmaßnahmen auch nicht auf den Grundsatz der Arbeitskampfparität berufen. Dieser finde in dem Regelungsmodell des "Dritten Weges" keine Anwendung. Fehle es an einer verfassungskonformen Ausgestaltung des "Dritten Weges", bestehe für einen weitergehenden Schutz religiöser Betätigungsfreiheit kein Raum.

III.

24

Die Beschwerdeführerin wendet sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen die fachgerichtlichen Entscheidungen, insbesondere gegen das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20. November 2012.

25

1. Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, die Verfassungsbeschwerde sei zulässig. Eine Beschwer sei zwar nicht durch den Tenor, jedoch durch die Entscheidungsgründe des Urteils des Bundesarbeitsgerichts gegeben. Ausnahmsweise seien die Gründe und nicht der Entscheidungstenor relevant, wenn diese den Betroffenen so belasteten, dass eine erhebliche, ihm nicht zumutbare Beeinträchtigung grundrechtlich geschützter Interessen festzustellen sei. Das sei hier der Fall. Nach den Entscheidungsgründen beeinträchtigten gewerkschaftliche tarifbezogene Streiks das kirchliche Selbstbestimmungsrecht in rechtswidriger Weise. Zudem ergebe sich aus den Urteilsgründen, dass gewerkschaftliche Streiks ohne tarifliches Regelungsziel generell rechtswidrig seien.

26

Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Maßgeblichkeit des Tenors bei Verfassungsbeschwerden gegen gerichtliche Entscheidungen könne bei gesetzlich nicht normierten Rechtsgebieten wie dem Arbeitskampfrecht, bei dem die Gerichte als "Ersatzgesetzgeber" aufträten und "Rechtssätze" aufstellten, keine Geltung beanspruchen. Diese "Rechtssätze" ergäben sich dem Inhalt nach aus den Entscheidungsgründen und nicht aus dem Tenor.

27

In den Urteilsgründen des Bundesarbeitsgerichts seien allein die mangelnde Verbindlichkeit des "Dritten Weges" sowie das Bestehen eines Wahlrechts der Dienstgeberseite zwischen mehreren Regelungen des "Dritten Weges" entscheidungserheblich. Überschießende Obersätze - etwa zu der christlichen Dienstgemeinschaft, dem Verfahren des "Dritten Weges" und der kollektiven Arbeitsrechtsetzung - beschwerten die Beschwerdeführerin. Die Beschwer sei potentiell, bedingt allein durch jederzeit mögliche kirchen- und satzungsrechtliche Modifikationen seitens der Kirchen, auf deren Erlass die Beschwerdeführerin keinen Einfluss habe. Der mögliche Wegfall des Streikrechts mache eine verlässliche Planung gewerkschaftlicher Politik unmöglich. Anders als in den Fällen, die das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden habe, beträfen die überschießenden Gründe nicht den zu entscheidenden Fall selbst, sondern potentielle Fallgestaltungen und das Arbeitskampfrecht im Allgemeinen, jeweils außerhalb des vorliegenden Falles.

28

Zudem sei nach BVerfGE 83, 130 <145 f.> ("Josefine Mutzenbacher") ein Eingriff auch bei Entscheidungen von Staatsorganen anzunehmen, die geeignet seien, über den konkreten Fall hinaus präventive Wirkung zu entfalten, und in künftigen Fällen die Bereitschaft zu mindern, von dem betroffenen Grundrecht Gebrauch zu machen. Streikaufrufe würden die Beschwerdeführerin schon jetzt und überall dem Risiko weiterer Klagen kirchlicher Einrichtungen auf Unterlassung und auf Schadensersatz unter Bezugnahme auf das angegriffene Urteil aussetzen. Damit habe das Urteil des Bundesarbeitsgerichts über den konkreten Fall hinaus präventive Wirkung, die in künftigen Fällen die Bereitschaft der Beschwerdeführerin erheblich mindern würde, von ihrem Grundrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG Gebrauch zu machen.

29

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts führten zu weit gefasste Unterlassungsanträge (Globalanträge) nicht zur Unzulässigkeit der Klage wegen mangelnder Bestimmtheit, sondern zur Abweisung als unbegründet, wenn das Verhalten, dessen Unterlassung geltend gemacht werde, unter bestimmten Voraussetzungen rechtmäßig sein könne. Insoweit liege im Arbeitskampfrecht ein Ausnahmefall vor, der es rechtfertige, die Gründe einer Entscheidung für das Vorliegen einer Beschwer ausreichen zu lassen.

30

Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Beschwer durch den Tenor betreffe bisher nur die Beschwer des nach dem Tenor obsiegenden Klägers durch die Urteilsgründe. Vorliegend gehe es dagegen um die Beschwer der beklagten Beschwerdeführerin, zwar nicht durch den Tenor, wohl aber durch die Gründe. Die Beschwer der Beklagten sei materiell, also nicht allein nach dem Tenor, sondern auch nach den Entscheidungsgründen zu bestimmen.

31

2. Mit ihren Ausführungen zur Begründetheit wendet sich die Beschwerdeführerin vor allem gegen drei "Rechtssätze gesetzesvertretenden Richterrechts" in dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts. Danach seien tarifbezogene gewerkschaftliche Streiks gegenüber dem "Dritten Weg" unter den vom Bundesarbeitsgericht formulierten Voraussetzungen rechtswidrig. Zudem treffe das Gericht Aussagen zur Tarifbezogenheit des gewerkschaftlichen Streikrechts und bestimme überdies, dass nur den Kirchen, nicht aber den Gewerkschaften ein Wahlrecht zwischen dem "Zweiten" und dem "Dritten Weg" zustehe.

32

Diese "Rechtssätze" verletzten sie in ihrem Grundrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG. Entgegen der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts sei der Schutzbereich des Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV vorliegend nicht einschlägig. Selbst wenn dieser Schutzbereich eröffnet sei, habe das Bundesarbeitsgericht die verfassungsrechtlichen Maßstäbe für die Beseitigung der bestehenden Grundrechtskollision verkannt.

IV.

33

1. Die Verfassungsbeschwerde wurde dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales, dem Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, der Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts, dem Christlichen Gewerkschaftsbund Deutschlands, dem Kommissariat der deutschen Bischöfe, dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland, dem Zentralrat der Juden in Deutschland K.d.ö.R., dem Deutschen Gewerkschaftsbund (Bundesverband) sowie den Klägerinnen des Ausgangsverfahrens zugestellt. Den Beteiligten wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

34

a) Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens tragen vor, die Verfassungsbeschwerde sei unzulässig. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei grundsätzlich allein der Tenor für die Beurteilung der Beschwer maßgeblich. Die Unzulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde im Falle des Obsiegens sei unabhängig von der Parteirolle im Ausgangsverfahren. Die Erwägungen der Beschwerdeführerin zum Globalantrag gingen an der Sache vorbei. Von einer ausnahmsweisen Zulässigkeit wegen für sich genommen unzumutbar belastender Entscheidungsgründe sei nicht auszugehen. Aus der von der Beschwerdeführerin befürchteten Präjudizwirkung könne die Zulässigkeit nicht hergeleitet werden. Schließlich werde die Verfassungsbeschwerde nicht dadurch zulässig, dass die Entscheidungsgründe zu "Richterrecht" umdeklariert würden. Überdies sei die Verfassungsbeschwerde unbegründet.

35

b) Das Kommissariat der deutschen Bischöfe und die Evangelische Kirche in Deutschland halten die Verfassungsbeschwerde ebenfalls für unzulässig. Im Übrigen sei die Verfassungsbeschwerde unbegründet.

36

c) Nach Auffassung des Zentralrats der Juden in Deutschland ist die Möglichkeit eines Arbeitskampfes mit dem Verständnis und dem Aufgabenbereich der jüdischen Gemeinschaft unvereinbar. Die jüdischen Gemeinden, Landesverbände, Institutionen und Organisationen in Deutschland gestalteten ihre Beschäftigungsverhältnisse entsprechend dem "Ersten Weg" individuell. Das staatliche Arbeitsrecht werde in dem jeweiligen Aufgabenbereich entsprechend modifiziert. Erreichte die jüdische Gemeinschaft in Deutschland die erforderliche Größe, würde auch sie die Gestaltung von Beschäftigungsverhältnissen nach dem "Dritten Weg" erwägen.

37

d) Der Deutsche Gewerkschaftsbund hält die Verfassungsbeschwerde für begründet. Das Instrumentarium des "Dritten Weges" sei kein funktionelles Äquivalent zum Tarifvertrag. Tarifforderungen, Tarifverträge und Arbeitskämpfe berührten den Schutzbereich des Art. 137 Abs. 3 WRV oder die Freiheit der Religionsausübung nicht. Ohnehin dürfe die im Rahmen praktischer Konkordanz erforderliche Abwägung nicht dazu führen, dass eine grundrechtliche Position gänzlich verdrängt werde. Dies bewirke das Urteil des Bundesarbeitsgerichts, jedenfalls nachdem die dort skizzierten Voraussetzungen erfüllt seien.

38

e) Die übrigen Beteiligten haben von der Gelegenheit, sich zum Verfahren zu äußern, keinen Gebrauch gemacht.

39

2. a) Die Beschwerdeführerin und die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens haben nach Kenntnis der eingegangenen Stellungnahmen ihre Ausführungen vertieft und ergänzt.

40

b) Die Beschwerdeführerin verweist darauf, die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Reichweite der Beschwer eines freigesprochenen Angeklagten gehe von der Zulässigkeit der jeweiligen Verfassungsbeschwerde aus. Die dortigen Beschwerdeführer seien in einer ähnlichen Defensiv- oder "Objektrolle" wie der Beklagte in einem Zivilprozess, weshalb diese Rechtsprechung auf ihren Fall zu übertragen sei. Die als unzulässig angesehenen Verfassungsbeschwerden außerhalb des Strafrechts seien demgegenüber mit der vorliegenden Situation nicht vergleichbar.

41

Das Bundesarbeitsgericht habe die seiner Entscheidung zugrunde gelegten verfassungsrechtlichen Sätze abschließend "erlassen". Diese ließen dem gewerkschaftlichen tarifbezogenen Streikrecht in den Kirchen schon jetzt keinerlei Existenzberechtigung. Der Beschwerdeführerin stünden keinerlei Beteiligungsrechte am Prozess der kollektiven Arbeitsrechtssetzung der Kirchen zu. Zudem habe sie keinerlei Rechtsmacht, gegen die künftige Rechtssetzung durch die Kirchen mit Wirkung gegen die Beschwerdeführerin vorzugehen. Damit sei Art. 9 Abs. 3 GG gerade auch bezüglich der Effektivität der Grundrechtsgewährleistung (Art. 19 Abs. 4 GG) verletzt.

42

Darüber hinaus vertieft die Beschwerdeführerin ihre Ausführungen zur ausnahmsweise vorliegenden Beschwer durch die Entscheidungsgründe und erörtert, wie die diesbezügliche Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auszulegen sei. Selbst wenn höchstrichterliche Urteile kein Gesetzesrecht seien, könne jedenfalls deren faktische Wirksamkeit eine Beschwer begründen.

43

Schließlich ist die Beschwerdeführerin der Ansicht, das Bundesarbeitsgericht übergehe die bisherigen arbeitskampfrechtlichen Prinzipien und verwerfe sie. Dies sei ein Systembruch und verletzte sie in ihrem Grundrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip und der Bindung an das Recht nach Art. 20 Abs. 3 GG.

44

3. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem Senat bei der Entscheidungsfindung vorgelegen.

B.

45

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.

46

Die im fachgerichtlichen Ausgangsverfahren erfolgreiche Beschwerdeführerin ist durch die angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen, namentlich durch das Urteil des Bundesarbeitsgerichts, nicht gegenwärtig und unmittelbar beschwert.

I.

47

Die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde setzt nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG die Behauptung des Beschwerdeführers voraus, durch einen Akt der öffentlichen Gewalt in seinen Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten verletzt zu sein (Beschwerdebefugnis). Die Beschwerdebefugnis betrifft einen besonderen Aspekt des Rechtsschutzbedürfnisses (Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 90 Rn. 338, 436 ; Lenz/Hansel, BVerfGG, 2. Aufl. 2015, § 90 Rn. 324).

48

1. Richtet sich eine Verfassungsbeschwerde gegen gerichtliche Entscheidungen, kann sich die Beschwer in aller Regel nur aus dem Tenor der Entscheidung ergeben; er allein bestimmt verbindlich, welche Rechtsfolgen aufgrund des festgestellten Sachverhalts eintreten (BVerfGE 28, 151 <160>; 74, 358 <374>; 82, 106 <116>; BVerfGK 17, 203 <207 f.>). Erforderlich ist eine Beschwer im Rechtssinne; eine faktische Beschwer allein genügt nicht (BVerfGE 8, 222 <224 f.>; 15, 283 <286>). Rechtsausführungen sowie nachteilige oder als nachteilig empfundene Ausführungen in den Gründen einer Entscheidung allein begründen keine Beschwer. Dieser im Verfahrensrecht allgemein anerkannte Rechtsgrundsatz gilt auch für das Verfahren der Verfassungsbeschwerde, da sie in erster Linie dem Rechtsschutz des Einzelnen gegenüber der Staatsgewalt dient. Deshalb kann eine Verfassungsbeschwerde nicht darauf gestützt werden, dass ein Gericht lediglich in den Gründen seiner Entscheidung eine Rechtsauffassung vertreten hat, die der Beschwerdeführer für grundrechtswidrig erachtet (vgl. BVerfGE 8, 222 <224 f.>; BVerfGK 10, 263 <265>; 17, 203 <207 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Mai 2012 - 2 BvR 800/12, 2 BvR 12 BvR 1003/12 -, juris, Rn. 8).

49

2. Analog zur Rechtsprechung zu faktischen Grundrechtseingriffen (vgl. insoweit BVerfGE 40, 287 <293>; 105, 252 <268 ff.>; 105, 279 <294 ff.>; 136, 323 <333 Rn. 28 f.>) hat das Bundesverfassungsgericht in eng begrenzten Ausnahmefällen Verfassungsbeschwerden gegen die allein in den Gründen einer gerichtlichen Entscheidung liegende Belastung für möglich gehalten.

50

a) Bei strafprozessualen Einstellungsentscheidungen können Schuldzuweisungen oder -feststellungen in den Gründen einen selbständigen Grundrechtsverstoß bedeuten, wenn durch diese dem Beschuldigten strafrechtliche Schuld attestiert wird, obwohl das Verfahren eingestellt, also dem Tatverdacht nicht weiter nachgegangen worden ist und das gesetzlich vorgeschriebene Verfahren zum Nachweis der Schuld nicht stattgefunden hat (BVerfGE 74, 358 <374>; 82, 106 <116 f.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 17. November 2005 - 2 BvR 878/05 -, juris, Rn. 17 ff.). Denn ein derartiger richterlicher Spruch zur Schuldfrage hat Gewicht, auch wenn er dem Betroffenen im Rechtsverkehr nicht vorgehalten werden darf (BVerfGE 74, 358 <374>; 82, 106 <116 f.>). Auch freisprechende Urteile können durch die Art ihrer Begründung Grundrechte verletzen, wenn die Entscheidungsgründe - für sich genommen - den Angeklagten so belasten, dass eine erhebliche, ihm nicht zumutbare Beeinträchtigung eines grundrechtlich geschützten Bereichs festzustellen ist, die durch den Freispruch nicht aufgewogen wird (BVerfGE 6, 7 <9>; 8, 222 <225>; 28, 151 <160 f.>).

51

b) Soweit das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf ehrverletzende Äußerungen eine Grundrechtsverletzung durch die Gründe einer gerichtlichen Entscheidung in Erwägung gezogen hat, kam es in der Entscheidung letztlich nicht darauf an (BVerfGE 15, 283 <286 f.>).

52

c) Ein verfassungsgerichtliches Eingreifen gegenüber strafprozessualen Einstellungsentscheidungen hat die Kammerrechtsprechung ferner in Fällen groben prozessualen Unrechts erwogen, solche aber bisher nicht als gegeben erachtet (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 6. April 1999 - 2 BvR 456/99 -, juris, Rn. 4; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 6. September 2004 - 2 BvR 1280/04 -, juris, Rn. 2; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 15. Oktober 2004 - 2 BvR 1802/04 -, juris, Rn. 2).

53

d) Der in der Senatsrechtsprechung auf den Angeklagten im Strafprozess beschränkte Obersatz, wonach in einzelnen Ausführungen der Entscheidungsgründe eine Grundrechtsverletzung des Angeklagten erblickt werden könne, wenn sie - für sich genommen - diesen so belasteten, dass eine erhebliche, ihm nicht zumutbare Beeinträchtigung eines grundrechtlich geschützten Bereichs festzustellen sei (BVerfGE 28, 151 <160 f.>), wurde in jüngeren Kammerentscheidungen allgemein zwar auf den "Betroffenen" ausgedehnt (BVerfGK 17, 203 <208>; vgl. auch die Parallelentscheidung der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. März 2010 - 1 BvR 1433/08 -, juris, Rn. 17; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Mai 2012 - 2 BvR 800/12, 2 BvR 12 BvR 1003/12 -, juris, Rn. 8). Zum Tragen kam dies in den Entscheidungen indes nicht.

54

e) Weitere Ausnahmefälle sind bisher nicht erwogen worden. Vielmehr ließen sich die in Rede stehenden Rechtsfragen unter Rückgriff auf die Beschwerdebefugnis und die Darlegung einer verfassungsprozessual relevanten, rechtlichen Beschwer nach § 90 Abs. 1 BVerfGG zufriedenstellend lösen.

55

3. Um beschwerdebefugt zu sein, muss ein Beschwerdeführer behaupten können, selbst, gegenwärtig und unmittelbar in einem seiner Grundrechte oder einem der diesen gleichgestellten Rechte (§ 90 Abs. 1 BVerfGG) verletzt zu sein. Diese Formel wurde ursprünglich (seit BVerfGE 1, 97 <101 f.>) für Verfassungsbeschwerden unmittelbar gegen Gesetze entwickelt, ist aber auch bei Verfassungsbeschwerden gegen gerichtliche Entscheidungen anzuwenden (BVerfGE 53, 30 <48>; 72, 1 <5> [dort unter dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzbedürfnisses]; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/2, 1. Aufl. 1994, § 91 IV. 3., S. 1320; Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 90 Rn. 342 ).

56

Bei Verfassungsbeschwerden gegen gerichtliche Entscheidungen liegt die Trias des eigenen, gegenwärtigen und unmittelbaren Betroffenseins des Beschwerdeführers (vgl. Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 90 Rn. 343 ; Spranger, AöR 127 (2002), S. 27 <50>) regelmäßig vor. Daher bedarf es in der Regel keiner näheren Prüfung dieser Voraussetzung (BVerfGE 53, 30 <48>), weil sie in dieser Konstellation regelmäßig keinen besonderen Erkenntnisgewinn erbringt (Lenz/Hansel, BVerfGG, 2. Aufl. 2015, § 90 Rn. 292; vgl. auch Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/2, 1. Aufl. 1994, § 91 IV. 3., S. 1320). Ein Rückgriff auf die Betroffenheitstrias ist jedoch in Sonderfällen angezeigt, etwa wenn sich die Beschwer - wie vorliegend - aus anderen Umständen als dem für den Beschwerdeführer eigentlich günstigen Tenor ergeben soll (Lenz/Hansel, BVerfGG, 2. Aufl. 2015, § 90 Rn. 250).

57

a) Selbstbetroffenheit liegt vor, wenn der Beschwerdeführer Adressat der Norm, des betreffenden Urteils oder ausnahmsweise auch eines Einzelakts ist (vgl. BVerfGE 102, 197 <206 f.>; 119, 181 <212>; Ruppert, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl. 2005, § 90 Rn. 79).

58

b) Gegenwärtige Betroffenheit ist das Abgrenzungskriterium gegenüber zukünftigen Beeinträchtigungen. Gefordert ist eine "aktuelle" Betroffenheit (BVerfGE 1, 97 <102>). Sie liegt vor, wenn der Beschwerdeführer schon oder noch von dem angegriffenen Akt öffentlicher Gewalt betroffen ist (Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 90 Rn. 366 ). Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem die Verfassungsbeschwerde erhoben wird (Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/2, 1. Aufl. 1994, § 91 IV. 3., S. 1322).

59

Gegenwärtigkeit in diesem Sinne ist gegeben, wenn eine angegriffene Vorschrift auf die Rechtsstellung des Beschwerdeführers aktuell und nicht nur potentiell einwirkt, wenn das Gesetz die Normadressaten mit Blick auf seine künftig eintretende Wirkung zu später nicht mehr korrigierbaren Entscheidungen zwingt oder wenn klar abzusehen ist, dass und wie der Beschwerdeführer in der Zukunft von der Regelung betroffen sein wird (BVerfGE 114, 258 <277>; vgl. BVerfGE 97, 157 <164>; 102, 197 <207>; 119, 181 <212>). Allein die vage Aussicht, dass der Beschwerdeführer irgendwann einmal in der Zukunft von der beanstandeten Gesetzesvorschrift betroffen sein könnte, genügt hingegen nicht (BVerfGE 114, 258 <277>). Diese Grundsätze gelten gleichermaßen für Verfassungsbeschwerden gegen gerichtliche Entscheidungen (BVerfGE 72, 1 <5> [formuliert unter dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzbedürfnisses]; vgl. BVerfGE 53, 30 <48>).

60

c) Unmittelbarkeit setzt voraus, dass die Einwirkung auf die Rechtsstellung des Betroffenen nicht erst vermittels eines weiteren Akts bewirkt werden darf oder vom Ergehen eines solchen Akts abhängig ist (vgl. BVerfGE 1, 97 <102 f.>; 68, 319 <325>; 110, 370 <381 f.>; 125, 39 <75 f.>; 126, 112 <133>; stRspr). Soweit das Bundesverfassungsgericht dazu Grundsätze anhand von Verfassungsbeschwerden gegen Rechtsnormen entwickelt hat, gelten diese auch für Verfassungsbeschwerden gegen gerichtliche Entscheidungen (vgl. BVerfGE 53, 30 <48>).

61

Eine Vorschrift muss - ohne dass es eines weiteren Vollzugsaktes bedarf - in den Rechtskreis des Beschwerdeführers dergestalt einwirken, dass etwa konkrete Rechtspositionen unmittelbar kraft Gesetzes zu einem dort festgelegten Zeitpunkt erlöschen oder eine zeitlich oder inhaltlich genau bestimmte Verpflichtung begründet wird, die bereits spürbare Rechtsfolgen mit sich bringt (BVerfGE 53, 366 <389>). Damit scheitert eine Verfassungsbeschwerde regelmäßig, wenn es noch einer Umsetzung des "Gesetzesbefehls" durch Gesetz, Verordnung, Satzung oder einen Vollzugsakt der Exekutive bedarf (vgl. BVerfGE 68, 319 <325>).

62

Das Erfordernis der Unmittelbarkeit dient auch dazu, dem Bundesverfassungsgericht die Fallanschauung der Fachgerichte zu vermitteln (BVerfGE 65, 1 <37 f.>; 72, 39 <43>). Die Unmittelbarkeit der Betroffenheit ist damit auch eine Frage der Zumutbarkeit der vorherigen Durchführung eines fachgerichtlichen Verfahrens, innerhalb dessen die Verfassungsmäßigkeit einer Norm inzident geprüft werden kann (Hillgruber/Goos, Verfassungsprozessrecht, 4. Aufl. 2015, Rn. 204).

63

Die Unmittelbarkeit ist zu verneinen, wenn eine Rechtsnorm nur eine Ermächtigung für ein Tätigwerden der öffentlichen Gewalt darstellt, das seinerseits die Rechtsstellung des Adressaten schmälert oder faktisch seine Grundrechte beeinträchtigt (Zuck, Das Recht der Verfassungsbeschwerde, 4. Aufl. 2013, Rn. 703). Es muss gerade die angefochtene Norm und nicht eine andere Maßnahme des Staates oder eines Dritten sein, die die Betroffenheit des Beschwerdeführers bewirkt (BVerfGK 17, 448 <451 f.>).

64

Dass ein Vollzugsakt erforderlich ist, um für einzelne Adressaten der Norm individuell bestimmte Rechtsfolgen eintreten zu lassen, ist lediglich Anzeichen für ein denkbares Fehlen der unmittelbaren Grundrechtsbetroffenheit. Ob es ausschlaggebend ist, bedarf in jedem Fall der Überprüfung anhand des Verfassungsprozessrechts (BVerfGE 70, 35 <51>; 73, 40 <68 f.>). Insbesondere wenn die angegriffene Norm keinen Auslegungs- und Entscheidungsspielraum lässt, kann ausnahmsweise ein Rechtsschutzbedürfnis für die unmittelbare Anfechtung eines Gesetzes bereits vor Erlass des Vollziehungsaktes zu bejahen sein. Dies ist der Fall, wenn das Gesetz den Betroffenen schon vorher zu entscheidenden Dispositionen veranlasst, die er nach dem späteren Gesetzesvollzug nicht mehr nachholen oder korrigieren könnte (BVerfGE 43, 291 <386>; 59, 1 <18>; ohne Bezugnahme auf einen Entscheidungsspielraum BVerfGE 55, 185 <195>; 65, 1 <37>; 68, 287 <300>; 71, 25 <35>; 90, 128 <136>). Auch wenn eine Rechtsnorm, obwohl sie vollzugsbedürftig ist, unabhängig davon schon die Rechtsposition des Betroffenen nachteilig verändert, kann die Unmittelbarkeit zu bejahen sein (BVerfGE 70, 35 <52 f.>).

II.

65

Nach diesen Grundsätzen ist die Beschwerdeführerin durch die angefochtenen gerichtlichen Entscheidungen nicht in ihren durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten oder anderen Interessen gegenwärtig und unmittelbar beschwert und folglich nicht beschwerdebefugt.

66

1. Nach dem Grundsatz, dass sich bei Verfassungsbeschwerden gegen eine gerichtliche Entscheidung die Beschwer in aller Regel nur aus dem Tenor der Entscheidung ergeben kann, fehlt es an einer Beschwer der Beschwerdeführerin. Diese hat in dem von den kirchlichen Einrichtungen angestrengten Rechtsstreit vor den Arbeitsgerichten obsiegt. Die gegen sie gerichtete Klage ist in vollem Umfang abgewiesen worden. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin folgt aus der Art der Beteiligung im Ausgangsverfahren nichts anderes. Entscheidend ist allein das Vorliegen rechtlicher Nachteile bei dem jeweiligen Beschwerdeführer (BVerfGE 8, 222 <224>; 15, 283 <286>; 28, 151 <160>; 74, 358 <374>; 82, 106 <116>; BVerfGK 17, 203 <207 f.>).

67

2. Die Beschwerdeführerin kann sich nicht auf eine der oben unter B. I. 2. a) - c) erörterten Ausnahmen von diesem Grundsatz berufen. Die zu d) genannte Fallgruppe erschöpft sich in der Prüfung der allgemeinen Anforderungen der Beschwerdebefugnis (siehe sogleich 3.).

68

3. Die Beschwerdeführerin ist nicht ausnahmsweise durch die Gründe der angegriffenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts gegenwärtig und unmittelbar beschwert.

69

a) Eine gegenwärtige Beschwer ist vorliegend nicht gegeben. Die angefochtenen gerichtlichen Entscheidungen wirken auf die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin nicht aktuell sondern allenfalls potentiell ein. Die Beschwerdeführerin wird weder zu später nicht mehr korrigierbaren Entscheidungen gezwungen, noch ist bereits jetzt ihre zukünftige Betroffenheit durch die vorliegend angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen klar abzusehen.

70

aa) Eine gegenwärtige oder aktuelle Beschwer folgt entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht daraus, dass das Bundesarbeitsgericht nicht nur geschriebenes Recht angewandt, sondern das im Wesentlichen durch die Rechtsprechung geprägte Arbeitskampfrecht (Däubler, in: Däubler , Arbeitskampfrecht, 3. Aufl., 2011, § 9 Rn. 25; vgl. auch Richardi/Bayreuther, Kollektives Arbeitsrecht, 2. Aufl., 2012, § 10 Rn. 10) richterrechtlich weiterentwickelt hat. Damit hat das Bundesarbeitsgericht nicht Recht gesetzt, das für die Beschwerdeführerin zukünftig verbindlich wäre.

71

Entgegen der Darstellung in der Verfassungsbeschwerde handelt es sich bei den vom Bundesarbeitsgericht selbst entwickelten Grundsätzen, an denen es Arbeitskampfmaßnahmen misst, nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht um Rechtssätze im Sinne des Art. 20 Abs. 3 GG. Dies wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Verfassungsbeschwerde gegen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts prüft, ob auch der Gesetzgeber solche Rechtssätze ohne Verletzung von Grundrechten der Beschwerdeführerin hätte erlassen können (vgl. BVerfGE 59, 231 <256 f.>; 84, 212 <228 f.>).

72

Die Fachgerichte sind an durch die Rechtsprechung entwickeltes Recht nicht in gleicher Weise gebunden wie an Gesetze. Nach deutschem Recht gibt es grundsätzlich keine Präjudizienbindung (vgl. statt vieler Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl. 2008, S. 562 ff. m.w.N.). Auch aus den Vorschriften zur Berufungs- oder Revisionszulassung in § 64 Abs. 3 Nr. 3 ArbGG und § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG folgt keine solche Bindung.

73

Dies gilt auch, soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, das Bundesarbeitsgericht habe anlässlich der Entscheidung über den konkreten Sachverhalt nicht nur fallrelevante, sondern "überschießende Obersätze" aufgestellt, die es überwiegend auf die fehlende Verbindlichkeit des "Dritten Weges" gestützt habe. Warum ein derartiger "überschießender Obersatz", der - nach der Prämisse der Beschwerdeführerin - nicht einmal im konkreten Fall Rechtswirkung entfaltet hat, trotz fehlender rechtlicher Bindungswirkung eine gegenwärtige Beschwer der Beschwerdeführerin begründen können soll, erschließt sich nach alledem nicht.

74

Auch die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu Globalanträgen (vgl. dazu Koch, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 15. Aufl. 2015, § 81 ArbGG Rn. 3 m.w.N.) führt zu keinem anderen Ergebnis. In der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte in personalvertretungsrechtlichen Streitigkeiten wird dieselbe Rechtsauffassung zur Abweisung von Globalanträgen wie vom Bundesarbeitsgericht vertreten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. November 2012 - 6 PB 14/12 -, juris, Rn. 9). Es liegt auf der Hand, dass die fachgerichtliche Handhabung bestimmter prozessualer Fragestellungen Einfluss auf die jeweiligen Entscheidungen und damit auf die Beschwer möglicher Beschwerdeführer haben kann. Das Bundesverfassungsgericht hat diese prozessuale Ausgangslage vor den Fachgerichten grundsätzlich hinzunehmen. Zudem besteht - entgegen dem Beschwerdevortrag - keine Gefahr, dass ein Kläger sich absichtlich mit zu weit gefassten Globalanträgen abweisen lässt und auf ihm günstige Gründe hofft. In der Sache streben Kläger ein bestimmtes Ergebnis im Einzelfall an. Dies können sie mit unbegründeten, weil zu weit gefassten Globalanträgen nicht erreichen. Demgegenüber ist die Erwartung günstiger Gründe spekulativ.

75

bb) Soweit sich die Beschwerdeführerin mit Blick auf künftige Streiks und Streikaufrufe dem Risiko ausgesetzt sieht, von kirchlichen Einrichtungen auf Unterlassung oder Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden, begründet auch dies keine gegenwärtige Beschwer. Soweit sie behauptet, ihr sei eine verlässliche Planung gewerkschaftlicher Politik nicht möglich, bleibt offen, zu welchen irreversiblen Dispositionen die Beschwerdeführerin genötigt sein soll. Jedes Gesetz und jeder von einem Gericht entwickelte Rechtssatz, der einem Beteiligten Handlungsoptionen eröffnet, kann für andere Beteiligte, namentlich den Verpflichteten, mit Ungewissheiten und Unsicherheiten verbunden sein. Dies führt jedoch nicht dazu, dagegen Verfassungsbeschwerde erheben zu können, noch bevor fachgerichtlich entschieden ist, ob ordnungsgemäß von den Rechten Gebrauch gemacht wurde. Etwaige Rechtsunsicherheiten auf Seiten der Beschwerdeführerin sind vergleichbar mit denen, die sich - spiegelbildlich - auf Seiten der Kirchen und ihrer karitativen und diakonischen Einrichtungen hinsichtlich der Frage ergeben, ob die Änderungen der Kirchengesetze und Satzungen den vom Bundesarbeitsgericht formulierten Anforderungen entsprechen.

76

Dem von der Beschwerdeführerin angeführten Beschluss des Ersten Senats vom 27. November 1990 (BVerfGE 83, 130 <145 f.>) lässt sich nichts anderes entnehmen. Dort ging es um das Vorliegen besonders nachhaltiger Eingriffe mit der Folge einer erhöhten Prüfungsintensität. Vom Erfordernis, dass die Beschwerdeführerin eine aktuelle Beschwer behaupten muss, entbindet dies nicht.

77

cc) Die vom Bundesarbeitsgericht formulierten Anforderungen an den "Dritten Weg" führen schließlich nicht dazu, dass klar abzusehen wäre, dass und wie die Beschwerdeführerin zukünftig betroffen wäre.

78

Wie die Vorgaben des Bundesarbeitsgerichts in der konkreten praktischen Gestaltung des "Dritten Weges" umzusetzen sind oder umgesetzt werden, ist nicht im Detail vorhersehbar (vgl. Klumpp, ZAT 2013, S. 120 <121>). Die vom Bundesarbeitsgericht beschriebenen Anforderungen wurden nicht in Gestalt subsumierbarer Normen formuliert (vgl. Schubert, JbArbR 50 <2013>, S. 101 <102>). Insbesondere hinsichtlich der organisatorischen Einbindung der Gewerkschaften werden den Kirchen keine detaillierten Vorgaben gemacht. Das Bundesarbeitsgericht hat in der angegriffenen Entscheidung vielmehr ausdrücklich betont, die organisatorische Einbindung der Gewerkschaften sei Sache der Kirchen, und in diesem Zusammenhang auf den ihnen dabei zustehenden Gestaltungsspielraum hingewiesen (vgl. dazu auch Klumpp, ZMV 2014, S. 2 <3>; Joussen, ZMV 2014, S. 189 <193>). Es steht den Kirchen frei, im Rahmen des ihnen zukommenden Selbstbestimmungsrechts kirchliches Recht eigenständig zu gestalten (vgl. Morlok, in: Dreier, GG, Bd. 3, 3. Aufl. 2013, Art. 137 WRV Rn. 49; Hesse, in: Listl/Pirson, Handbuch des Staatskirchenrechts, Bd. I, 2. Aufl. 1994, § 17, S. 521 <535>). Unabhängig davon sind zunächst die vom Bundesarbeitsgericht formulierten Grundsätze durch Einzelfallentscheidungen zu konkretisieren (Melms/ Wiegelmann, DB 2013, S. 2504 <2505>).

79

Soweit die Beschwerdeführerin eine endgültige Wirkung der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der unmittelbar und sofort wirksamen vollständigen Exklusion der Beschwerdeführerin von einer autonomen Koalitionsbetätigung und der Konkretisierung des Verfahrens der kollektiven Arbeitsrechtssetzung bei den Kirchen rügt, ist nicht erkennbar, worin eine solche liegen soll. Das Streikrecht der Beschwerdeführerin wurde in der angefochtenen Entscheidung gerade nicht in Abrede gestellt. Zudem ist nicht ersichtlich, inwieweit das Urteil des Bundesarbeitsgerichts die Beschwerdeführerin von der Konkretisierung des Verfahrens der kollektiven Arbeitsrechtssetzung bei Kirchen ausschließen könnte. Der Erlass kirchenrechtlicher Gesetze und Satzungen ist originäre Aufgabe der Kirchen selbst. Eine Mitwirkung daran kann die Beschwerdeführerin von Verfassungs wegen nicht verlangen.

80

b) Die Beschwerdeführerin ist durch die angefochtenen gerichtlichen Entscheidungen und die vom Bundesarbeitsgericht formulierten Anforderungen auch nicht unmittelbar betroffen. Vielmehr sind in der vorliegenden Konstellation besondere Vollzugs- und Umsetzungsakte erforderlich. Wären die Entscheidungsgründe des Bundesarbeitsgerichts Rechtssätze, wären sie jedenfalls nicht zum Nachteil der Beschwerdeführerin im Sinne eines Streikverbotes unmittelbar vollziehbar. Ein Ausschluss des Streikrechts der Beschwerdeführerin ergäbe sich nicht aus den von ihr angenommenen "Rechtssätzen des staatlichen Rechts", die lediglich den den Religionsgemeinschaften frei gehaltenen Raum beschreiben, innerhalb dessen diese von ihrem Selbstbestimmungsrecht Gebrauch machen können. Der potentielle Ausschluss des Streikrechts könnte sich vielmehr erst aus kirchenrechtlichen und satzungsmäßigen Regelungen ergeben, setzt also zwingend weitere Maßnahmen der Kirchen und kirchlichen Einrichtungen voraus.

81

Die vorherige Befassung der Fachgerichte ist der Beschwerdeführerin zumutbar (vgl. BVerfGK 14, 6 <8>) und ermöglicht es, dem Bundesverfassungsgericht die Fallanschauung der Fachgerichte hinsichtlich der inzwischen modifizierten kirchenrechtlichen Vorschriften zu vermitteln (vgl. BVerfGE 65, 1 <37 f.>; 72, 39 <43>). Sollten die Fachgerichte bei Anwendung der vom Bundesarbeitsgericht formulierten Anforderungen an den "Dritten Weg" auf das modifizierte kirchliche Arbeitsrecht zu dem Ergebnis gelangen, dass dieses den aufgestellten Anforderungen zwischenzeitlich gerecht würde, und wäre die Beschwerdeführerin dadurch selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen, bliebe es ihr unbenommen, den sie beschwerenden Sachverhalt dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorzulegen.

82

4. Nichts anderes gilt zuletzt, soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG sowie durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts einen gegen Art. 20 Abs. 3 GG verstoßenden Systembruch geltend macht. Auch diesbezüglich fehlt es an einer Beschwer der Beschwerdeführerin, die im Rechtstreit vor den Arbeitsgerichten obsiegt hat.

(1) Das Bundesverfassungsgericht entscheidet:

1.
über die Auslegung dieses Grundgesetzes aus Anlaß von Streitigkeiten über den Umfang der Rechte und Pflichten eines obersten Bundesorgans oder anderer Beteiligter, die durch dieses Grundgesetz oder in der Geschäftsordnung eines obersten Bundesorgans mit eigenen Rechten ausgestattet sind;
2.
bei Meinungsverschiedenheiten oder Zweifeln über die förmliche und sachliche Vereinbarkeit von Bundesrecht oder Landesrecht mit diesem Grundgesetze oder die Vereinbarkeit von Landesrecht mit sonstigem Bundesrechte auf Antrag der Bundesregierung, einer Landesregierung oder eines Viertels der Mitglieder des Bundestages;
2a.
bei Meinungsverschiedenheiten, ob ein Gesetz den Voraussetzungen des Artikels 72 Abs. 2 entspricht, auf Antrag des Bundesrates, einer Landesregierung oder der Volksvertretung eines Landes;
3.
bei Meinungsverschiedenheiten über Rechte und Pflichten des Bundes und der Länder, insbesondere bei der Ausführung von Bundesrecht durch die Länder und bei der Ausübung der Bundesaufsicht;
4.
in anderen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten zwischen dem Bunde und den Ländern, zwischen verschiedenen Ländern oder innerhalb eines Landes, soweit nicht ein anderer Rechtsweg gegeben ist;
4a.
über Verfassungsbeschwerden, die von jedermann mit der Behauptung erhoben werden können, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Artikel 20 Abs. 4, 33, 38, 101, 103 und 104 enthaltenen Rechte verletzt zu sein;
4b.
über Verfassungsbeschwerden von Gemeinden und Gemeindeverbänden wegen Verletzung des Rechts auf Selbstverwaltung nach Artikel 28 durch ein Gesetz, bei Landesgesetzen jedoch nur, soweit nicht Beschwerde beim Landesverfassungsgericht erhoben werden kann;
4c.
über Beschwerden von Vereinigungen gegen ihre Nichtanerkennung als Partei für die Wahl zum Bundestag;
5.
in den übrigen in diesem Grundgesetze vorgesehenen Fällen.

(2) Das Bundesverfassungsgericht entscheidet außerdem auf Antrag des Bundesrates, einer Landesregierung oder der Volksvertretung eines Landes, ob im Falle des Artikels 72 Abs. 4 die Erforderlichkeit für eine bundesgesetzliche Regelung nach Artikel 72 Abs. 2 nicht mehr besteht oder Bundesrecht in den Fällen des Artikels 125a Abs. 2 Satz 1 nicht mehr erlassen werden könnte. Die Feststellung, dass die Erforderlichkeit entfallen ist oder Bundesrecht nicht mehr erlassen werden könnte, ersetzt ein Bundesgesetz nach Artikel 72 Abs. 4 oder nach Artikel 125a Abs. 2 Satz 2. Der Antrag nach Satz 1 ist nur zulässig, wenn eine Gesetzesvorlage nach Artikel 72 Abs. 4 oder nach Artikel 125a Abs. 2 Satz 2 im Bundestag abgelehnt oder über sie nicht innerhalb eines Jahres beraten und Beschluss gefasst oder wenn eine entsprechende Gesetzesvorlage im Bundesrat abgelehnt worden ist.

(3) Das Bundesverfassungsgericht wird ferner in den ihm sonst durch Bundesgesetz zugewiesenen Fällen tätig.

Gemeinden und Gemeindeverbände können die Verfassungsbeschwerde mit der Behauptung erheben, daß ein Gesetz des Bundes oder des Landes die Vorschrift des Artikels 28 des Grundgesetzes verletzt. Die Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht ist ausgeschlossen, soweit eine Beschwerde wegen Verletzung des Rechtes auf Selbstverwaltung nach dem Rechte des Landes beim Landesverfassungsgericht erhoben werden kann.

(1) Gemeinden haben ihre öffentlichen Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen, einschließlich Fernwirkleitungen zur Netzsteuerung und Zubehör, zur unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern im Gemeindegebiet diskriminierungsfrei durch Vertrag zur Verfügung zu stellen. Unbeschadet ihrer Verpflichtungen nach Satz 1 können die Gemeinden den Abschluss von Verträgen ablehnen, solange das Energieversorgungsunternehmen die Zahlung von Konzessionsabgaben in Höhe der Höchstsätze nach § 48 Absatz 2 verweigert und eine Einigung über die Höhe der Konzessionsabgaben noch nicht erzielt ist.

(2) Verträge von Energieversorgungsunternehmen mit Gemeinden über die Nutzung öffentlicher Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen, die zu einem Energieversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung im Gemeindegebiet gehören, dürfen höchstens für eine Laufzeit von 20 Jahren abgeschlossen werden. Werden solche Verträge nach ihrem Ablauf nicht verlängert, so ist der bisher Nutzungsberechtigte verpflichtet, seine für den Betrieb der Netze der allgemeinen Versorgung im Gemeindegebiet notwendigen Verteilungsanlagen dem neuen Energieversorgungsunternehmen gegen Zahlung einer wirtschaftlich angemessenen Vergütung zu übereignen. Das neue Energieversorgungsunternehmen kann statt der Übereignung verlangen, dass ihm der Besitz hieran eingeräumt wird. Für die wirtschaftlich angemessene Vergütung ist der sich nach den zu erzielenden Erlösen bemessende objektivierte Ertragswert des Energieversorgungsnetzes maßgeblich. Die Möglichkeit zur Einigung auf eine anderweitig basierte Vergütung bleibt unberührt.

(3) Die Gemeinden machen spätestens zwei Jahre vor Ablauf von Verträgen nach Absatz 2 das Vertragsende und einen ausdrücklichen Hinweis auf die nach § 46a von der Gemeinde in geeigneter Form zu veröffentlichenden Daten sowie den Ort der Veröffentlichung durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger bekannt. Wenn im Gemeindegebiet mehr als 100 000 Kunden unmittelbar oder mittelbar an das Versorgungsnetz angeschlossen sind, hat die Bekanntmachung zusätzlich im Amtsblatt der Europäischen Union zu erfolgen. Beabsichtigen Gemeinden eine Verlängerung von Verträgen nach Absatz 2 vor Ablauf der Vertragslaufzeit, so sind die bestehenden Verträge zu beenden und die vorzeitige Beendigung sowie das Vertragsende nach Maßgabe der Sätze 1 und 2 öffentlich bekannt zu geben.

(4) Die Gemeinde ist bei der Auswahl des Unternehmens den Zielen des § 1 Absatz 1 verpflichtet. Unter Wahrung netzwirtschaftlicher Anforderungen, insbesondere der Versorgungssicherheit und der Kosteneffizienz, können auch Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft berücksichtigt werden. Bei der Gewichtung der einzelnen Auswahlkriterien ist die Gemeinde berechtigt, den Anforderungen des jeweiligen Netzgebietes Rechnung zu tragen. Die Gemeinde hat jedem Unternehmen, das innerhalb einer von der Gemeinde in der Bekanntmachung nach Absatz 3 Satz 1 oder 3 gesetzten Frist von mindestens drei Kalendermonaten ein Interesse an der Nutzung der öffentlichen Verkehrswege bekundet, die Auswahlkriterien und deren Gewichtung in Textform mitzuteilen.

(5) Die Gemeinde hat die Unternehmen, deren Angebote nicht angenommen werden sollen, über die Gründe der vorgesehenen Ablehnung ihres Angebots und über den frühesten Zeitpunkt des beabsichtigten Vertragsschlusses in Textform zu informieren. Die Gemeinde macht bei Neuabschluss oder Verlängerung von Verträgen nach Absatz 2 ihre Entscheidung unter Angabe der maßgeblichen Gründe öffentlich bekannt.

(6) Die Absätze 2 bis 5 finden für Eigenbetriebe der Gemeinden entsprechende Anwendung.

(7) Die Aufgaben und Zuständigkeiten der Kartellbehörden nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen bleiben unberührt.

(1) Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende Gebiete:

1.
das bürgerliche Recht, das Strafrecht, die Gerichtsverfassung, das gerichtliche Verfahren (ohne das Recht des Untersuchungshaftvollzugs), die Rechtsanwaltschaft, das Notariat und die Rechtsberatung;
2.
das Personenstandswesen;
3.
das Vereinsrecht;
4.
das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer;
5.
(weggefallen)
6.
die Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen;
7.
die öffentliche Fürsorge (ohne das Heimrecht);
8.
(weggefallen)
9.
die Kriegsschäden und die Wiedergutmachung;
10.
die Kriegsgräber und Gräber anderer Opfer des Krieges und Opfer von Gewaltherrschaft;
11.
das Recht der Wirtschaft (Bergbau, Industrie, Energiewirtschaft, Handwerk, Gewerbe, Handel, Bank- und Börsenwesen, privatrechtliches Versicherungswesen) ohne das Recht des Ladenschlusses, der Gaststätten, der Spielhallen, der Schaustellung von Personen, der Messen, der Ausstellungen und der Märkte;
12.
das Arbeitsrecht einschließlich der Betriebsverfassung, des Arbeitsschutzes und der Arbeitsvermittlung sowie die Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung;
13.
die Regelung der Ausbildungsbeihilfen und die Förderung der wissenschaftlichen Forschung;
14.
das Recht der Enteignung, soweit sie auf den Sachgebieten der Artikel 73 und 74 in Betracht kommt;
15.
die Überführung von Grund und Boden, von Naturschätzen und Produktionsmitteln in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft;
16.
die Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung;
17.
die Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung (ohne das Recht der Flurbereinigung), die Sicherung der Ernährung, die Ein- und Ausfuhr land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse, die Hochsee- und Küstenfischerei und den Küstenschutz;
18.
den städtebaulichen Grundstücksverkehr, das Bodenrecht (ohne das Recht der Erschließungsbeiträge) und das Wohngeldrecht, das Altschuldenhilferecht, das Wohnungsbauprämienrecht, das Bergarbeiterwohnungsbaurecht und das Bergmannssiedlungsrecht;
19.
Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren, Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe, sowie das Recht des Apothekenwesens, der Arzneien, der Medizinprodukte, der Heilmittel, der Betäubungsmittel und der Gifte;
19a.
die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der Krankenhauspflegesätze;
20.
das Recht der Lebensmittel einschließlich der ihrer Gewinnung dienenden Tiere, das Recht der Genussmittel, Bedarfsgegenstände und Futtermittel sowie den Schutz beim Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichem Saat- und Pflanzgut, den Schutz der Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge sowie den Tierschutz;
21.
die Hochsee- und Küstenschiffahrt sowie die Seezeichen, die Binnenschiffahrt, den Wetterdienst, die Seewasserstraßen und die dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen;
22.
den Straßenverkehr, das Kraftfahrwesen, den Bau und die Unterhaltung von Landstraßen für den Fernverkehr sowie die Erhebung und Verteilung von Gebühren oder Entgelten für die Benutzung öffentlicher Straßen mit Fahrzeugen;
23.
die Schienenbahnen, die nicht Eisenbahnen des Bundes sind, mit Ausnahme der Bergbahnen;
24.
die Abfallwirtschaft, die Luftreinhaltung und die Lärmbekämpfung (ohne Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm);
25.
die Staatshaftung;
26.
die medizinisch unterstützte Erzeugung menschlichen Lebens, die Untersuchung und die künstliche Veränderung von Erbinformationen sowie Regelungen zur Transplantation von Organen, Geweben und Zellen;
27.
die Statusrechte und -pflichten der Beamten der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie der Richter in den Ländern mit Ausnahme der Laufbahnen, Besoldung und Versorgung;
28.
das Jagdwesen;
29.
den Naturschutz und die Landschaftspflege;
30.
die Bodenverteilung;
31.
die Raumordnung;
32.
den Wasserhaushalt;
33.
die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse.

(2) Gesetze nach Absatz 1 Nr. 25 und 27 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.

(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.

(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.

(1) Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat.

(2) Auf den Gebieten des Artikels 74 Abs. 1 Nr. 4, 7, 11, 13, 15, 19a, 20, 22, 25 und 26 hat der Bund das Gesetzgebungsrecht, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht.

(3) Hat der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit Gebrauch gemacht, können die Länder durch Gesetz hiervon abweichende Regelungen treffen über:

1.
das Jagdwesen (ohne das Recht der Jagdscheine);
2.
den Naturschutz und die Landschaftspflege (ohne die allgemeinen Grundsätze des Naturschutzes, das Recht des Artenschutzes oder des Meeresnaturschutzes);
3.
die Bodenverteilung;
4.
die Raumordnung;
5.
den Wasserhaushalt (ohne stoff- oder anlagenbezogene Regelungen);
6.
die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse;
7.
die Grundsteuer.
Bundesgesetze auf diesen Gebieten treten frühestens sechs Monate nach ihrer Verkündung in Kraft, soweit nicht mit Zustimmung des Bundesrates anderes bestimmt ist. Auf den Gebieten des Satzes 1 geht im Verhältnis von Bundes- und Landesrecht das jeweils spätere Gesetz vor.

(4) Durch Bundesgesetz kann bestimmt werden, daß eine bundesgesetzliche Regelung, für die eine Erforderlichkeit im Sinne des Absatzes 2 nicht mehr besteht, durch Landesrecht ersetzt werden kann.

(1) Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende Gebiete:

1.
das bürgerliche Recht, das Strafrecht, die Gerichtsverfassung, das gerichtliche Verfahren (ohne das Recht des Untersuchungshaftvollzugs), die Rechtsanwaltschaft, das Notariat und die Rechtsberatung;
2.
das Personenstandswesen;
3.
das Vereinsrecht;
4.
das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer;
5.
(weggefallen)
6.
die Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen;
7.
die öffentliche Fürsorge (ohne das Heimrecht);
8.
(weggefallen)
9.
die Kriegsschäden und die Wiedergutmachung;
10.
die Kriegsgräber und Gräber anderer Opfer des Krieges und Opfer von Gewaltherrschaft;
11.
das Recht der Wirtschaft (Bergbau, Industrie, Energiewirtschaft, Handwerk, Gewerbe, Handel, Bank- und Börsenwesen, privatrechtliches Versicherungswesen) ohne das Recht des Ladenschlusses, der Gaststätten, der Spielhallen, der Schaustellung von Personen, der Messen, der Ausstellungen und der Märkte;
12.
das Arbeitsrecht einschließlich der Betriebsverfassung, des Arbeitsschutzes und der Arbeitsvermittlung sowie die Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung;
13.
die Regelung der Ausbildungsbeihilfen und die Förderung der wissenschaftlichen Forschung;
14.
das Recht der Enteignung, soweit sie auf den Sachgebieten der Artikel 73 und 74 in Betracht kommt;
15.
die Überführung von Grund und Boden, von Naturschätzen und Produktionsmitteln in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft;
16.
die Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung;
17.
die Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung (ohne das Recht der Flurbereinigung), die Sicherung der Ernährung, die Ein- und Ausfuhr land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse, die Hochsee- und Küstenfischerei und den Küstenschutz;
18.
den städtebaulichen Grundstücksverkehr, das Bodenrecht (ohne das Recht der Erschließungsbeiträge) und das Wohngeldrecht, das Altschuldenhilferecht, das Wohnungsbauprämienrecht, das Bergarbeiterwohnungsbaurecht und das Bergmannssiedlungsrecht;
19.
Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren, Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe, sowie das Recht des Apothekenwesens, der Arzneien, der Medizinprodukte, der Heilmittel, der Betäubungsmittel und der Gifte;
19a.
die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der Krankenhauspflegesätze;
20.
das Recht der Lebensmittel einschließlich der ihrer Gewinnung dienenden Tiere, das Recht der Genussmittel, Bedarfsgegenstände und Futtermittel sowie den Schutz beim Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichem Saat- und Pflanzgut, den Schutz der Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge sowie den Tierschutz;
21.
die Hochsee- und Küstenschiffahrt sowie die Seezeichen, die Binnenschiffahrt, den Wetterdienst, die Seewasserstraßen und die dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen;
22.
den Straßenverkehr, das Kraftfahrwesen, den Bau und die Unterhaltung von Landstraßen für den Fernverkehr sowie die Erhebung und Verteilung von Gebühren oder Entgelten für die Benutzung öffentlicher Straßen mit Fahrzeugen;
23.
die Schienenbahnen, die nicht Eisenbahnen des Bundes sind, mit Ausnahme der Bergbahnen;
24.
die Abfallwirtschaft, die Luftreinhaltung und die Lärmbekämpfung (ohne Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm);
25.
die Staatshaftung;
26.
die medizinisch unterstützte Erzeugung menschlichen Lebens, die Untersuchung und die künstliche Veränderung von Erbinformationen sowie Regelungen zur Transplantation von Organen, Geweben und Zellen;
27.
die Statusrechte und -pflichten der Beamten der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie der Richter in den Ländern mit Ausnahme der Laufbahnen, Besoldung und Versorgung;
28.
das Jagdwesen;
29.
den Naturschutz und die Landschaftspflege;
30.
die Bodenverteilung;
31.
die Raumordnung;
32.
den Wasserhaushalt;
33.
die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse.

(2) Gesetze nach Absatz 1 Nr. 25 und 27 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.

(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(1) Sind die Voraussetzungen des Artikels 100 Abs. 1 des Grundgesetzes gegeben, so holen die Gerichte unmittelbar die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ein.

(2) Die Begründung muß angeben, inwiefern von der Gültigkeit der Rechtsvorschrift die Entscheidung des Gerichts abhängig ist und mit welcher übergeordneten Rechtsnorm sie unvereinbar ist. Die Akten sind beizufügen.

(3) Der Antrag des Gerichts ist unabhängig von der Rüge der Nichtigkeit der Rechtsvorschrift durch einen Prozeßbeteiligten.

(1) Gemeinden haben ihre öffentlichen Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen, einschließlich Fernwirkleitungen zur Netzsteuerung und Zubehör, zur unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern im Gemeindegebiet diskriminierungsfrei durch Vertrag zur Verfügung zu stellen. Unbeschadet ihrer Verpflichtungen nach Satz 1 können die Gemeinden den Abschluss von Verträgen ablehnen, solange das Energieversorgungsunternehmen die Zahlung von Konzessionsabgaben in Höhe der Höchstsätze nach § 48 Absatz 2 verweigert und eine Einigung über die Höhe der Konzessionsabgaben noch nicht erzielt ist.

(2) Verträge von Energieversorgungsunternehmen mit Gemeinden über die Nutzung öffentlicher Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen, die zu einem Energieversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung im Gemeindegebiet gehören, dürfen höchstens für eine Laufzeit von 20 Jahren abgeschlossen werden. Werden solche Verträge nach ihrem Ablauf nicht verlängert, so ist der bisher Nutzungsberechtigte verpflichtet, seine für den Betrieb der Netze der allgemeinen Versorgung im Gemeindegebiet notwendigen Verteilungsanlagen dem neuen Energieversorgungsunternehmen gegen Zahlung einer wirtschaftlich angemessenen Vergütung zu übereignen. Das neue Energieversorgungsunternehmen kann statt der Übereignung verlangen, dass ihm der Besitz hieran eingeräumt wird. Für die wirtschaftlich angemessene Vergütung ist der sich nach den zu erzielenden Erlösen bemessende objektivierte Ertragswert des Energieversorgungsnetzes maßgeblich. Die Möglichkeit zur Einigung auf eine anderweitig basierte Vergütung bleibt unberührt.

(3) Die Gemeinden machen spätestens zwei Jahre vor Ablauf von Verträgen nach Absatz 2 das Vertragsende und einen ausdrücklichen Hinweis auf die nach § 46a von der Gemeinde in geeigneter Form zu veröffentlichenden Daten sowie den Ort der Veröffentlichung durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger bekannt. Wenn im Gemeindegebiet mehr als 100 000 Kunden unmittelbar oder mittelbar an das Versorgungsnetz angeschlossen sind, hat die Bekanntmachung zusätzlich im Amtsblatt der Europäischen Union zu erfolgen. Beabsichtigen Gemeinden eine Verlängerung von Verträgen nach Absatz 2 vor Ablauf der Vertragslaufzeit, so sind die bestehenden Verträge zu beenden und die vorzeitige Beendigung sowie das Vertragsende nach Maßgabe der Sätze 1 und 2 öffentlich bekannt zu geben.

(4) Die Gemeinde ist bei der Auswahl des Unternehmens den Zielen des § 1 Absatz 1 verpflichtet. Unter Wahrung netzwirtschaftlicher Anforderungen, insbesondere der Versorgungssicherheit und der Kosteneffizienz, können auch Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft berücksichtigt werden. Bei der Gewichtung der einzelnen Auswahlkriterien ist die Gemeinde berechtigt, den Anforderungen des jeweiligen Netzgebietes Rechnung zu tragen. Die Gemeinde hat jedem Unternehmen, das innerhalb einer von der Gemeinde in der Bekanntmachung nach Absatz 3 Satz 1 oder 3 gesetzten Frist von mindestens drei Kalendermonaten ein Interesse an der Nutzung der öffentlichen Verkehrswege bekundet, die Auswahlkriterien und deren Gewichtung in Textform mitzuteilen.

(5) Die Gemeinde hat die Unternehmen, deren Angebote nicht angenommen werden sollen, über die Gründe der vorgesehenen Ablehnung ihres Angebots und über den frühesten Zeitpunkt des beabsichtigten Vertragsschlusses in Textform zu informieren. Die Gemeinde macht bei Neuabschluss oder Verlängerung von Verträgen nach Absatz 2 ihre Entscheidung unter Angabe der maßgeblichen Gründe öffentlich bekannt.

(6) Die Absätze 2 bis 5 finden für Eigenbetriebe der Gemeinden entsprechende Anwendung.

(7) Die Aufgaben und Zuständigkeiten der Kartellbehörden nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen bleiben unberührt.

(1) Die Verfassungsbeschwerde ist binnen eines Monats zu erheben und zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung oder formlosen Mitteilung der in vollständiger Form abgefaßten Entscheidung, wenn diese nach den maßgebenden verfahrensrechtlichen Vorschriften von Amts wegen vorzunehmen ist. In anderen Fällen beginnt die Frist mit der Verkündung der Entscheidung oder, wenn diese nicht zu verkünden ist, mit ihrer sonstigen Bekanntgabe an den Beschwerdeführer; wird dabei dem Beschwerdeführer eine Abschrift der Entscheidung in vollständiger Form nicht erteilt, so wird die Frist des Satzes 1 dadurch unterbrochen, daß der Beschwerdeführer schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle die Erteilung einer in vollständiger Form abgefaßten Entscheidung beantragt. Die Unterbrechung dauert fort, bis die Entscheidung in vollständiger Form dem Beschwerdeführer von dem Gericht erteilt oder von Amts wegen oder von einem an dem Verfahren Beteiligten zugestellt wird.

(2) War ein Beschwerdeführer ohne Verschulden verhindert, diese Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden. Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag unzulässig. Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden eines Beschwerdeführers gleich.

(3) Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz oder gegen einen sonstigen Hoheitsakt, gegen den ein Rechtsweg nicht offensteht, so kann die Verfassungsbeschwerde nur binnen eines Jahres seit dem Inkrafttreten des Gesetzes oder dem Erlaß des Hoheitsaktes erhoben werden.

(4) Ist ein Gesetz vor dem 1. April 1951 in Kraft getreten, so kann die Verfassungsbeschwerde bis zum 1. April 1952 erhoben werden.

(1) Die Entscheidung nach § 93b und § 93c ergeht ohne mündliche Verhandlung. Sie ist unanfechtbar. Die Ablehnung der Annahme der Verfassungsbeschwerde bedarf keiner Begründung.

(2) Solange und soweit der Senat nicht über die Annahme der Verfassungsbeschwerde entschieden hat, kann die Kammer alle das Verfassungsbeschwerdeverfahren betreffenden Entscheidungen erlassen. Eine einstweilige Anordnung, mit der die Anwendung eines Gesetzes ganz oder teilweise ausgesetzt wird, kann nur der Senat treffen; § 32 Abs. 7 bleibt unberührt. Der Senat entscheidet auch in den Fällen des § 32 Abs. 3.

(3) Die Entscheidungen der Kammer ergehen durch einstimmigen Beschluß. Die Annahme durch den Senat ist beschlossen, wenn mindestens drei Richter ihr zustimmen.