Bundesverfassungsgericht Beschluss, 19. Sept. 2017 - 2 BvC 46/14

ECLI:ECLI:DE:BVerfG:2017:cs20170919.2bvc004614
bei uns veröffentlicht am19.09.2017

Tenor

Die Wahlprüfungsbeschwerde wird als unzulässig verworfen, soweit sie gegen die Bereitstellung staatlicher Mittel für politische Stiftungen und Bundestagsfraktionen und deren Verwendung gerichtet ist.

Im Übrigen wird die Wahlprüfungsbeschwerde als offensichtlich unbegründet verworfen.

Gründe

A.

1

Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Wahlprüfungsbeschwerde gegen den Beschluss des Deutschen Bundestages vom 3. Juli 2014, mit dem sein Einspruch gegen die Wahl zum 18. Deutschen Bundestag vom 22. September 2013 zurückgewiesen wurde. In der Sache beanstandet er die in § 6 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 BWahlG normierte Fünf-Prozent-Sperrklausel, den Verzicht des Gesetzgebers auf die Einführung eines sogenannten Eventualstimmrechts und die "verschleierte Staats- und Wahlkampffinanzierung der Bundestagsparteien durch ihre Fraktionen, Abgeordnetenmitarbeiter und parteinahen Stiftungen". Durch diese Verfassungsverstöße sei das Ergebnis der Bundestagswahl 2013 erheblich beeinflusst und er in seinem "Grundrecht auf gleiche Wahl" verletzt worden.

I.

2

1. Der Beschwerdeführer hat mit Schreiben vom 19. November 2013 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt. Dabei hat er vorgetragen, dass die "ungekürzte", durch keine Eventualstimme in ihren Auswirkungen gemilderte Fünf-Prozent-Hürde sowie die seiner Ansicht nach "verschleierte" Parteien- und Wahlkampffinanzierung durch staatliche Mittel für Bundestagsfraktionen, Abgeordnetenmitarbeiter und parteinahe politische Stiftungen verfassungswidrig seien.

3

a) Die in § 6 Abs. 3 und 6 BWahlG verankerte Fünf-Prozent-Sperrklausel verstoße gegen die Grundsätze der Gleichheit der Wahl und der Chancengleichheit der Parteien im politischen Wettbewerb. Bei der Bundestagswahl 2013 seien diese Grundsätze in einer Intensität beeinträchtigt worden, die es bisher nicht gegeben habe. Zugleich habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Regierungsbildung jedenfalls nicht erleichtert. Die Sperrklausel sei daher in ihrer gegenwärtigen Höhe nicht mehr zu rechtfertigen und folglich verfassungswidrig.

4

b) Durch die Einführung einer Eventualstimme, mit welcher der Wähler die Partei bestimmen könne, der seine Stimme zugutekommen solle, wenn die zunächst gewählte Partei an der Sperrklausel scheitere, könne im Falle der Beibehaltung einer Sperrklausel der Eingriff in die Gleichheit des Wahlrechts der Bürger erheblich gemindert werden, ohne dass die Sperrklausel ihre Funktion schlechter erfülle. Daher sei jedenfalls eine Sperrklausel ohne die Eröffnung der Möglichkeit einer Eventualstimme wegen Verstoßes gegen die Grundsätze der Erforderlichkeit und des Übermaßverbotes verfassungswidrig.

5

c) Von den Bundestagsparteien seien die Begrenzungen der unmittelbaren staatlichen Parteienfinanzierung in verfassungswidriger Weise durch die Umleitung von "Staatsgeld" auf ihre Parlamentsfraktionen, Abgeordnetenmitarbeiter und Stiftungen unterlaufen worden. Die Vergabe der Mittel erfolge ohne eigene spezialgesetzliche Regelung; ihr Volumen sei gewaltig ausgedehnt worden. Die Kontrolle der Mittelverwendung sei unzureichend. Parteifunktionäre würden als Abgeordnetenmitarbeiter eingestellt; diese seien in großem Umfang im Bundestagswahlkampf 2013 eingesetzt worden, wie ein Bericht des ARD-Fernsehmagazins "Report Mainz" vom 17. September 2013 bestätigt habe.

6

d) Die dargestellten Verfassungsverstöße hätten jeder für sich und erst recht alle zusammen das Ergebnis der Bundestagswahl 2013 massiv verfälscht und sich auf die Zusammensetzung des Bundestages ausgewirkt.

7

2. Der Bundestag hat den Wahleinspruch des Beschwerdeführers - nach Einholung einer Stellungnahme des Bundesministeriums des Innern zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel - mit Beschluss vom 3. Juli 2014 zurückgewiesen. Der Einspruch sei zulässig, aber unbegründet. Dem Vortrag des Beschwerdeführers lasse sich kein Verstoß gegen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

8

a) Soweit der Beschwerdeführer geltend mache, die Sperrklausel verstoße gegen die Grundsätze der Wahlrechtsgleichheit und der Chancengleichheit der Parteien, sei darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl geltenden Rechtsvorschriften nicht überprüften. Eine derartige Kontrolle sei dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten. Allerdings habe der Wahlprüfungsausschuss schon in zahlreichen Wahlprüfungsentscheidungen früherer Wahlperioden keinen Anlass für Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel gesehen. Für die Bundestagswahl 2013 gelte nichts anderes, da die Sperrklausel nicht durch veränderte Verhältnisse infrage gestellt werde. Zwar sei der Anteil der wegen der Sperrklausel nicht in die Sitzverteilung eingeflossenen Zweitstimmen bei der Bundestagswahl 2013 höher als bei früheren Bundestagswahlen gewesen. Jedoch habe es sich weder um einen atypischen noch zuvor unbekannten Umstand gehandelt. Auch sei es möglich, dass dieser bei kommenden Bundestagswahlen nicht mehr auftrete. Das vom Einspruchsführer befürwortete Konzept einer Eventualstimme sei verfassungswidrig, da es gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl (Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG) und gegen das Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) verstoße.

9

b) Soweit der Beschwerdeführer meine, es bestehe eine "verschleierte" Staats- und Wahlkampffinanzierung der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien durch Bundestagsfraktionen, Abgeordnetenmitarbeiter und parteinahe politische Stiftungen, welche die Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verletze sowie die Bundestagswahl erheblich beeinflusst und ihr Ergebnis verfälscht habe, liege kein Wahlfehler vor. Dem Vortrag des Beschwerdeführers lasse sich nämlich nicht entnehmen, inwieweit es zu einer "verschleierten" Wahlkampffinanzierung gekommen sein solle. Er mache nicht hinreichend deutlich, inwieweit die staatliche (Teil-)Finanzierung von Abgeordnetenmitarbeitern, Fraktionen und parteinahen Stiftungen den Wahlkampf der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien finanziell befördert oder gar - im Verhältnis zu nicht im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien - zu einer Bevorzugung geführt haben solle. Solche Ausführungen wären jedoch notwendig gewesen, um zu zeigen, dass gegen geltendes Recht verstoßen worden sei. Es bestünden nämlich gesetzliche Vorgaben, die eine Wahlkampffinanzierung durch Fraktionen, Stiftungen oder den Einsatz von Abgeordnetenmitarbeitern ausschlössen.

II.

10

1. Der Beschwerdeführer hat mit Schreiben vom 27. August 2014 gemäß Art. 41 Abs. 2 GG Beschwerde gegen den Beschluss des Deutschen Bundestages vom 3. Juli 2014 eingelegt. Er beantragt die Aufhebung des angegriffenen Bundestagsbeschlusses, die Ungültigerklärung der Bundestagswahl 2013 und die Anordnung einer Wiederholungswahl. Darüber hinaus begehrt er festzustellen, dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel nach § 6 Abs. 3 und 6 BWahlG in ihrer gegenwärtigen Höhe gegen die Grundrechte der Gleichheit der Wahl und der Chancengleichheit der Parteien im politischen Wettbewerb (Art. 3 Abs. 1, Art. 21 Abs. 1 und Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG) verstößt und dass die Sperrklausel ohne gleichzeitiges Eventualstimmrecht eine übermäßige, verfassungswidrige Beeinträchtigung des Grundrechts der Wahlgleichheit darstellt. Außerdem erstrebt er die Feststellung, dass die "verschleierte Parteien- und Wahlkampffinanzierung, die durch die Übernahme von Aufgaben und Ausgaben der Bundestagsparteien durch ihre Fraktionen, Abgeordneten und parteinahen Stiftungen und die Errichtung eines Geflechts systematischen Missbrauchs erfolgt und die Wirkung der Sperrklausel verdoppelt", gegen die Gleichheit des Wahlrechts und die Chancengleichheit der Parteien (Art. 3 Abs. 1, Art. 21 Abs. 1, Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG) verstößt. Schließlich beantragt der Beschwerdeführer, falls die Wahl nicht für ungültig erklärt werden sollte, festzustellen, dass sein Grundrecht auf gleiche Wahl (Art. 3 Abs. 1, Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG) durch die zu hohe Sperrklausel von 5 %, durch das Fehlen eines Eventualstimmrechts und durch die verdeckte Staatsfinanzierung der Parteien via Fraktionen, Abgeordnetenmitarbeiter und parteinahe politische Stiftungen verletzt ist.

11

2. Zur Begründung seiner Beschwerde wiederholt und vertieft der Beschwerdeführer sein Vorbringen aus dem Wahleinspruchsverfahren.

12

a) Hinsichtlich der Fünf-Prozent-Sperrklausel macht er geltend, dass bei der Bundestagswahl 2013 insgesamt 15,7 % der Stimmen nicht den Parteien und Kandidaten zugutegekommen seien, für die sie abgegeben worden seien. Zwei Parteien, die FDP mit 4,8 % und die AfD mit 4,7 %, seien nur ganz knapp an der Sperrklausel gescheitert. Angesichts dieser bislang nicht dagewesenen "Verfälschung" des Wahlergebnisses sei eine neuerliche Überprüfung der Rechtfertigung der Sperrklausel erforderlich. Während die Intensität des Eingriffs in die Gleichheit des Stimmrechts der Bürger und in das Recht der Parteien auf Chancengleichheit erheblich zugenommen habe, habe das Gewicht der die Sperrklausel rechtfertigenden Gemeinwohlgründe gegenüber früheren Situationen deutlich abgenommen. Die Fünf-Prozent-Hürde verfälsche das quantitative Verhältnis zwischen den beiden großen politischen Lagern. Das Lager der "rechten Mitte" (CDU, CSU, FDP, AfD, Freie Wähler) habe bei der Bundestagswahl 2013 52 % der Wählerstimmen erreicht, das "linke Lager" (SPD, Grüne, Linke, Piraten) nur 45 %. Trotzdem habe das "linke Lager" eine Mehrheit im Deutschen Bundestag. Ohne Sperrklausel wäre die Bildung einer Koalition von Union und SPD, die rund vier Fünftel der Bundestagsmandate mit der Folge innehabe, dass die Opposition viele Minderheitenrechte gar nicht wahrnehmen könne, nicht erforderlich gewesen. Die Regierungsbildung hätte sich zumindest nicht schwieriger dargestellt und der Bundestag vermutlich über eine voll funktionsfähige Opposition verfügt. Vor diesem Hintergrund könne man unter Berücksichtigung des vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten verschärften Prüfungsmaßstabs (verschärfte Kontrolle bei "Entscheidungen in eigener Sache") nur zu dem Ergebnis gelangen, dass die Sperrklausel bei Bundestagswahlen in der gegenwärtigen Höhe nicht mehr zu rechtfertigen und damit verfassungswidrig sei.

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Eine Sperrklausel in Höhe von 5 % sei überdies nicht erforderlich und verstoße gegen den Grundsatz des milderen Mittels. Eine niedrigere Klausel von 3 oder 4 % habe eine geringere Eingriffsintensität zur Folge, ohne dass der Zweck der Sperrklausel, die Funktionsfähigkeit des Bundestages zu sichern, beeinträchtigt werde. Demgegenüber könne auch nicht darauf verwiesen werden, ein Wegfall der Sperrklausel stehe einer eventuell nötig werdenden Revision dieses Wegfalls entgegen. Alle im Bundestag vertretenen Parteien außer der Linken seien für die Sperrklausel und dürften daher bei einer Verschärfung der Situation bereit sein, diese wieder einzuführen.

14

Die Sperrklausel sei auch mandatsrelevant. Bei einer auf 3 oder 4 % abgesenkten Sperrklausel wären FDP und AfD mit jeweils etwa 30 Mandaten in den Bundestag eingezogen.

15

b) Außerdem habe das Fehlen eines Eventualstimmrechts die Bundestags-wahl 2013 verfassungswidrig gemacht. Die Pflicht zur Einführung einer Eventualstimme bestehe unabhängig von der Höhe der Sperrklausel. Durch die Möglichkeit zur Abgabe einer Eventualstimme nehme nicht nur die Intensität des Eingriffs in die Gleichheit des Wahlrechts ab; die Eventualstimme stelle auch ein gleich geeignetes und milderes Mittel zur Zweckerfüllung der Sperrklausel, nämlich Ermöglichung stabiler Regierungsmehrheiten, dar.

16

Die Eröffnung der Möglichkeit zur Abgabe einer Eventualstimme sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Das Eventualstimmrecht verletze nicht die Grundsätze der Unmittelbarkeit und Höchstpersönlichkeit der Wahl. Auch stehe ihm die Forderung nach der Unbedingtheit der Stimmabgabe nicht entgegen.

17

Falls ein Eventualstimmrecht bestanden hätte, wäre das Wahlergebnis anders ausgefallen. Entweder hätten FDP und/oder AfD, die nur knapp an der Sperrklausel gescheitert seien, diese überwunden und eine "bürgerliche Mehrheit" ermöglicht oder die Union hätte allein regieren können, da mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden könne, dass FDP- und AfD-Wähler ihre Eventualstimme mit großer Mehrheit der Union gegeben hätten.

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c) Der Beschwerdeführer macht weiterhin eine Verletzung der Gleichheit der Wahl und der Chancengleichheit der Parteien durch die seiner Ansicht nach "verschleierte staatliche Parteien- und Wahlkampffinanzierung der Bundestagsparteien" bei der Bundestagswahl 2013 geltend.

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aa) Durch die Umleitung staatlicher Geldmittel auf Fraktionen, Abgeordneten-mitarbeiter und parteinahe Stiftungen seien die verfassungsrechtlichen Grenzen und Kontrollen der staatlichen Parteienfinanzierung - namentlich die Obergrenzen der unmittelbaren Staatsfinanzierung, der Gesetzesvorbehalt bei Entscheidungen in eigener Sache und die Einbeziehung außerparlamentarischer Parteien in die Staatsfinanzierung - ausgehebelt worden. Trotz eines strikten Gesetzesvorbehalts habe eine gewaltige Ausdehnung dieser Mittel durch die bloße Erhöhung von Haushaltsansätzen stattgefunden. Im Jahr 2013 seien für die Bundestagsfraktionen 84,6 Millionen Euro, für die Mitarbeiter der Bundestagsabgeordneten 161,5 Millionen Euro und für parteinahe Stiftungen allein an Globalzuschüssen 100 Millionen Euro zur Verfügung gestellt worden. Die Mittel überstiegen damit die unmittelbare Staatsfinanzierung der Parteien (2013: 154,1 Mio. Euro). Für die Entwicklung der Zuschüsse an die Bundestagsfraktionen ab 1965 ergebe sich ein Erhöhungsfaktor von 53 (1965 - 2013) und unter Berücksichtigung der Gehaltsentwicklung von über 6. Für die 1968 eingeführte Mitarbeiterpauschale ergebe sich pro Abgeordneten ein Erhöhungsfaktor von 28 und unter Berücksichtigung der Einkommensentwicklung von mehr als 5. Die Globalzuschüsse für parteinahe Stiftungen seien seit 1967 um den Faktor 29 und die projektgebundenen Zuschüsse um den Faktor 50 (1965 - 2013) erhöht worden. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Fraktionen, Abgeordnetenmitarbeiter und Stiftungen zunehmend in die Rolle von Ersatzparteien hineinwüchsen, so dass deren Finanzierungen als funktionale Äquivalente der Parteienfinanzierung anzusehen seien. Infolgedessen müssten hierfür dieselben Rahmenbedingungen gelten wie bei der staatlichen Parteienfinanzierung. Die parlamentarische Praxis, die staatlichen Geldmittel für Fraktionen, Abgeordnetenmitarbeiter und parteinahe politische Stiftungen ohne Obergrenzen und ohne Gesetzesvorbehalt zu erhöhen beziehungsweise erhöhen zu können, stelle ein verfassungswidriges Verfahren dar. Außerdem finde eine Kontrolle der Mittelverwendung, die verfassungsrechtlichen Vorgaben genüge, nicht statt.

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bb) Die Bereitstellung der staatlichen Mittel in der dargestellten Höhe führe zu "gewaltigen Wettbewerbsvorteilen" der im Bundestag vertretenen Parteien.

21

(1) Partei und Fraktion bildeten eine politische Einheit. Verlautbarungen der Fraktion kämen zwangsläufig der jeweiligen Mutterpartei zugute, was dem Verwendungsverbot der Fraktionsmittel für Parteizwecke zuwiderlaufe. § 47 Abs. 3 AbgG sei verfassungswidrig. Ein Beispiel unzulässiger Öffentlichkeitsarbeit sei die Werbeaktion der FDP-Bundestagsfraktion im Jahr 2012.

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(2) Auch die Aktivitäten der Stiftungen seien parteipolitisch geprägt. In der Realität wüchsen Stiftungen und Parteien zu Kooperationseinheiten zusammen. Die Gemeinsame Erklärung der parteinahen Stiftungen und der sie tragenden politischen Parteien aus dem Jahr 1998 sei auf eine krasse Privilegierung der im Bundestag vertretenen Parteien gerichtet.

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(3) Die Abgeordnetenmitarbeiter würden für Parteizwecke eingesetzt. Dabei seien die den Abgeordneten für die Beschäftigung von Mitarbeitern zur Verfügung stehenden Mittel auf monatlich bis zu 21.000 Euro pro Abgeordneten aufgebläht worden. Ein immer größerer Teil der rund 4.400 persönlichen Mitarbeiter von Bundestagsabgeordneten werde im Wahlkreis verwendet. Vielfach würden Parteisekretäre und Parteigeschäftsführer als Abgeordnetenmitarbeiter eingestellt. Soweit sie behaupteten, ihre Parteitätigkeit in ihrer Freizeit zu erbringen, treffe dies meist nicht zu, sei aber praktisch schwer zu widerlegen.

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Die Abgeordnetenmitarbeiter hätten in den letzten Wochen vor der Bundestagswahl im Bundestag nichts Wesentliches mehr zu tun. Dies bestätige § 13 AbgG, wonach ein Abgeordneter, der im letzten Vierteljahr der Wahlperiode in den Bundestag eintrete, keinen Anspruch auf die Bezahlung von Mitarbeitern habe. Da mit Beginn der Sommerferien im Bundestag normalerweise alle Räder stillstünden, bleibe den Mitarbeitern nur die Beteiligung am Wahlkampf.

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Demgemäß seien auch im Bundestagswahlkampf 2013 Abgeordnetenmitarbeiter in großem Umfang für Parteizwecke eingesetzt worden. Dies sei in einem Bericht des ARD-Fernsehmagazins "Report Mainz" vom 17. September 2013 deutlich geworden. Darin habe der Nürnberger Bundestagsabgeordnete Bx. (SPD) erklärt, dass seine Berliner Abgeordnetenmitarbeiter zum Wahlkampf vor Ort herangezogen worden seien, weil in Berlin ja nichts mehr los sei. Dies habe der Mitarbeiter eines Aachener Bundestagsabgeordneten von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bestätigt. Die Büroleiterin des Abgeordneten Bx. habe in demselben Bericht erklärt, sie mache jeden Tag zehn bis zwölf Stunden Wahlkampf. Auch der Abgeordnete By. (CDU) habe den Wert von hauptamtlichen Beschäftigten im Wahlkampf betont. Die Leiterin seines Wahlkreisbüros habe bekannt, "achtzig Prozent Wahlkampf und zwanzig Prozent Wahlkreisarbeit im Moment" zu machen. Der Abgeordnete Bz. (DIE LINKE) habe erklärt, dass derjenige, der seinen Wahlkampf ohne seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter machen könne, entweder über "verdammt viele finanzielle Ressourcen" verfüge oder den Wert seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht verstanden habe. Schließlich habe ein ehemaliger Mitarbeiter der CDU/CSU-Fraktion geäußert, dass "alle Abgeordneten, wirklich alle", Mitarbeiter auch zu Wahlkampfzwecken beschäftigten.

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Ein solcher Einsatz von Abgeordnetenmitarbeitern sei verfassungswidrig. Er verletze das Gebot der Chancengleichheit der Parteien. Weiterer Nachweise des missbräuchlichen Einsatzes von Abgeordnetenmitarbeitern bei der Bundestagswahl 2013 bedürfe es nicht, da hinsichtlich der Verwendung der hierfür bereitgestellten Mittel jede wirksame Kontrolle ausgeschaltet sei. Der Bundestag verwehre dem Bundesrechnungshof seit 1993 die Kontrolle der Abgeordnetenmitarbeiter und ihrer Finanzierung. Auch müsse der Abgeordnete keinerlei öffentliche Rechenschaft über die Verwendung der Mittel für Mitarbeiter und deren Einsatz ablegen. Angesichts dieser gezielt herbeigeführten Kontrolllosigkeit genügten die angeführten exemplarischen Missbrauchsfälle, um "einen Beweis des ersten Anscheins missbräuchlicher Verwendung" zu begründen.

27

cc) Geradezu abwegig sei es zu behaupten, die verschleierte Wahlkampffinanzierung habe keinen Einfluss auf das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013 gehabt. Vielmehr sei ein solcher nach der allgemeinen Lebenserfahrung - auf die es hier ankomme - mit Sicherheit anzunehmen.

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d) Die zu hohe Sperrklausel und das Fehlen eines Eventualstimmrechts verletzten auch das subjektive Recht des Beschwerdeführers auf Gleichheit des Wahlrechts. Ebenso verletze die verfassungswidrige Parteienfinanzierung über Fraktionen, Abgeordnetenmitarbeiter und parteinahe politische Stiftungen das Recht des Beschwerdeführers auf politische Gleichheit und gleiche politische Mitwirkung. Genau wie ein Bürger in seinem Recht auf Gleichheit der Wahl und der politischen Mitwirkung durch bestimmte, sich unterschiedlich auswirkende Regelungen der steuerlichen Spendenbegünstigung diskriminiert werden könne, so sei er auch in seinem Recht auf gleiche politische Mitwirkung verletzt, wenn unter den vorhandenen Parteien einige durch die verdeckte Parteienfinanzierung verfassungswidrig benachteiligt würden.

III.

29

Mit Schreiben vom 16. September 2015 hat der Beschwerdeführer den Richter Müller gemäß § 19 BVerfGG wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und beantragt, ihn vom vorliegenden Verfahren auszuschließen. Mit Beschluss vom 19. Juli 2016 hat der Senat die Ablehnung als unbegründet zurückgewiesen (BVerfGE 142, 302).

IV.

30

1. Insbesondere aufgrund der Sendung des ARD-Fernsehmagazins "Report Mainz" vom 17. September 2013 nahm die Staatsanwaltschaft Berlin ein Ermittlungsverfahren gegen die Abgeordneten By. (CDU), Bx. (SPD) und Bz. (DIE LINKE) sowie gegen die Abgeordnete H. (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) wegen des Verdachts der Untreue auf (Az. 276 Js 1352/14). Dieses wurde mit Verfügung vom 9. November 2015 mangels hinreichenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

31

2. Mit Verfügung des Berichterstatters vom 9. August 2016 sind die betreffenden Akten der Staatsanwaltschaft Berlin beigezogen worden. Sie zeigen, dass im Verlauf der Ermittlungen nahezu sämtliche bei den Abgeordneten beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Zeugen vernommen wurden. Nach einem Vermerk vom 6. Juli 2015 und der Einstellungsverfügung vom 9. November 2015 ergaben sich dabei aus Sicht der Staatsanwaltschaft lediglich in geringem Umfang Anhaltspunkte für klassische wahlkampfbezogene Tätigkeiten in den Wahlkreisbüros der Abgeordneten oder im Rahmen der dienstlichen Tätigkeit ihrer Mitarbeiter. So sollen vereinzelt im Wahlkreisbüro der Beschuldigten H. und By. Wahlkampftüten gepackt worden sein. Die für den Beschuldigten By. tätige Zeugin M. habe zudem angegeben, ihren Dienst-PC auch für Wahlkampfaktionen genutzt zu haben, weil ihr die Einwahl ihres privaten Laptops zu umständlich gewesen sei. Hinsichtlich der Beschuldigten H. habe sich ergeben, dass deren Wahlkreisbüro aus Kostengründen in einer Bürogemeinschaft mit dem Büro des Kreisverbandes der Partei betrieben worden sei, so dass hierdurch eine Trennung zwischen Partei- und Mandatsarbeit schwierig erscheine. Im Übrigen hätten die vernommenen Zeugen übereinstimmend erklärt, dass, soweit überhaupt Wahlkampftätigkeiten wahrgenommen worden seien, dies ehrenamtlich oder aufgrund eines gesondert von der Partei erteilten Auftrags außerhalb der Bürozeiten geschehen sei. Des Weiteren hätten sie ausgeführt, dass die im Beitrag des Magazins "Report Mainz" gesendeten Einstellungen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der jeweiligen Abgeordneten bei klassischen Wahlkampftätigkeiten zeigten, überwiegend auf ausdrückliche Bitte des Fernsehteams gestellt worden seien. Anfallende Mehrarbeit im Wahlkampf gehe auf eine erhöhte Zahl von Presse- und Bürgeranfragen an den Abgeordneten sowie einen erhöhten Aufwand zur Koordination und Vorbereitung von Terminen zurück. Eine Trennung zwischen mandats- und wahlkampfbezogenen Anfragen sei kaum möglich.

32

3. Nach erfolgter Einsichtnahme in die staatsanwaltschaftlichen Akten hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 9. November 2016 Stellung genommen. Er sieht seinen Vortrag durch die Ermittlungen bestätigt.

33

a) Die Einstellung des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der Untreue gegen die vier Abgeordneten stehe der Annahme verfassungswidriger parteiergreifender Tätigkeiten der Mitarbeiter nicht entgegen. Im Gegenteil: Die Auswertung bestätige, dass die Mitarbeiter in verfassungswidriger Weise parteiergreifend tätig gewesen seien, indem sie eine Fülle von sogenannten "nicht-klassischen" Wahlkampfaktivitäten vorgenommen hätten. Die Staatsanwaltschaft habe sich aber nur für die klassischen Wahlkampfaktivitäten interessiert, worunter sie zum Beispiel Tür-zu-Tür-Aktionen, Ankleben von Plakaten, Verteilen von Flyern und Broschüren sowie die Ansprache von Bürgern an Parteiständen in der Fußgängerzone und Parteiwerbung durch Verschenken etwa von Brezeln gefasst habe.

34

b) Hinsichtlich der anderen Aktivitäten ergebe sich aus den Ermittlungsakten, dass zahlreiche Abgeordnetenmitarbeiter in der Vorwahlzeit im Wahlkreis eingesetzt worden seien und sich dabei "im Modus Wahlkampf" befunden hätten. Von ihnen seien in ihrer Arbeitszeit Anfragen der Presse und von Bürgern beantwortet worden, wobei die allermeisten Anfragen, auch die von Bürgern, "auch immer einen Bezug zur Wahl" gehabt hätten. Die Mitarbeiter hätten außerdem Grußworte und Reden für ihre Abgeordneten ausgearbeitet. In der Hand erfahrener Mitarbeiter habe auch die Vorbereitung von Vorortterminen, Podiumsdiskussionen, Pressegesprächen und ähnlichen Terminen sowie die Koordination der Veranstaltungen und Termine - auch "klassischer" Wahlkampftermine - gelegen. Alle diese Aktivitäten, die die Mitarbeiter in ihrer staatlich bezahlten Arbeitszeit vorgenommen hätten, hätten in der Vorwahlzeit, wie die Vernehmungen ergeben hätten, bedingt durch den Wahlkampf sprunghaft zugenommen und sich zunehmend unmittelbar auf den Wahlkampf bezogen.

35

c) Hinzu komme, dass die Zweifel der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der sogenannten klassischen Wahlkampfaktivitäten der Abgeordnetenmitarbeiter allein auf Aussagen der Abgeordneten und ihrer Mitarbeiter beruhten. Insoweit sei der Tatbestand der Befangenheit zu besorgen. Die Aussagen seien deshalb nicht glaubhaft. Soweit die Erklärung nachgeschoben worden sei, die Mitarbeiter würden sich im Wahlkampf ehrenamtlich engagieren, handele es sich um eine bloße Schutzbehauptung. Der Beschwerdeführer beantragt deshalb, die drei Autoren des Beitrags von "Report Mainz" vom 17. September 2013 als Zeugen dafür zu vernehmen, dass die entsprechenden Szenen von ihnen nicht fiktiv gestellt worden seien, sondern den üblichen Einsatz der Mitarbeiter wiedergegeben hätten. Außerdem beantragt er, auch die Abgeordnetenmitarbeiter als Zeugen zu vernehmen, damit der Senat sich ein Bild von deren Glaubwürdigkeit machen könne.

B.

36

Die Wahlprüfungsbeschwerde ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Bereitstellung staatlicher Mittel für politische Stiftungen und Bundestagsfraktionen und deren Verwendung richtet, weil sie den Begründungsanforderungen gemäß § 48 Abs. 1 Halbsatz 2, § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG nicht genügt. Der Beschwerdeführer hat die Möglichkeit eines die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag vom 22. September 2013 berührenden Wahlfehlers durch die Mittelzuweisung oder das Handeln der politischen Stiftungen und der im Bundestag vertretenen Parteien nicht hinreichend dargetan.

I.

37

1. Gemäß § 48 Abs. 1 Halbsatz 2, § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG sind Anträge, die das Verfahren einleiten, zu begründen; die erforderlichen Beweismittel sind anzugeben. Die allgemeinen Anforderungen an verfahrenseinleitende Anträge gemäß § 23 Abs. 1 BVerfGG gelten auch für Wahlprüfungsbeschwerden (vgl. BVerfGE 21, 359 <361>; 24, 252 <258>; 122, 304 <308>). Erforderlich ist demgemäß eine hinreichend substantiierte und aus sich heraus verständliche Darlegung eines Sachverhalts, aus dem erkennbar ist, worin ein Wahlfehler liegen soll, der Einfluss auf die Mandatsverteilung haben kann (vgl. BVerfGE 40, 11 <30>; 48, 271 <276>; 58, 175 <175>; 122, 304 <308>). Die bloße Andeutung der Möglichkeit von Wahlfehlern oder die Äußerung einer dahingehenden, nicht belegten Vermutung genügen nicht (vgl. BVerfGE 40, 11 <31>). Der Grundsatz der Amtsermittlung befreit den Beschwerdeführer ebenfalls nicht davon, die Gründe der Wahlprüfungsbeschwerde in substantiierter Weise darzulegen, mag dies im Einzelfall auch mit Schwierigkeiten insbesondere im tatsächlichen Bereich verbunden sein (vgl. BVerfGE 40, 11 <32>; 59, 119 <124>; 66, 369 <378 f.>; 122, 304 <309>). Im Verfahren der Wahlprüfungsbeschwerde soll das Substantiierungsgebot sicherstellen, dass die sich auf der Grundlage der Feststellung des endgültigen Wahlergebnisses ergebende Zusammensetzung des Parlaments nicht vorschnell infrage gestellt wird und dadurch Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit geweckt werden. Auch wenn die Anforderungen daran, was ein Beschwerdeführer vortragen muss, um eine Prüfung der Wahl auf die von ihm beanstandeten Fehler zu erreichen, nicht überspannt werden dürfen, sind deshalb Wahlbeanstandungen, die einen konkreten, der Überprüfung zugänglichen Tatsachenvortrag nicht enthalten, als unsubstantiiert zurückzuweisen (vgl. BVerfGE 85, 148 <159 f.>).

38

2. a) Wahlfehler sind alle Verstöße gegen Wahlvorschriften während des gesamten Wahlverfahrens durch Wahlorgane oder Dritte (vgl. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 41 Rn. 103 ; Bechler, in: Burkiczak/Dollinger/Schorkopf, BVerfGG, 2015, § 48 Rn. 21). Als Wahlvorschriften kommen vor allem die Wahlrechtsgrundsätze des Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG sowie die Regelungen des Bundeswahlgesetzes und der Bundeswahlordnung in Betracht (vgl. BVerfGE 130, 212 <224>). Daneben können aber auch Verstöße gegen sonstige Vorschriften einen Wahlfehler begründen, soweit sie mit einer Wahl in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen (vgl. Klein, in: Maunz/Dürig, Art. 41 Rn. 103 f. ; Bechler, in: Burkiczak/Dollinger/Schorkopf, BVerfGG, 2015, § 48 Rn. 26).

39

Relevant sind letztlich alle Normwidrigkeiten, die den vom Gesetz vorausgesetzten regelmäßigen Ablauf des Wahlverfahrens zu stören geeignet sind (vgl. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 41 Rn. 104 ). Daher können sowohl die Missachtung der Regelungen des Parteienrechts und der staatlichen Parteienfinanzierung (vgl. BVerfGE 85, 264 <284 ff.>) als auch tatsächliche Handlungen ohne explizite einfachrechtliche Grundlage wie die Öffentlichkeitsarbeit der Regierung (vgl. BVerfGE 44, 125 <143 ff.>) oder parteiergreifende Äußerungen von Regierungsmitgliedern (vgl. BVerfGE 138, 102 <116 ff. Rn. 49 ff.>) grundsätzlich taugliche Gegenstände eines Wahlprüfungsverfahrens sein. Lediglich Sachverhalte, die "bei Gelegenheit" einer Wahl geschehen, ohne in einem auch nur mittelbaren Bezug zum Wahlvorgang und dessen Ergebnis zu stehen, sind zur Begründung eines Wahlfehlers ungeeignet (vgl. Frommer/Engelbrecht, Bundeswahlrecht - Kommentar für die Praxis, § 49, S. 2 f. <30. Lieferung 2017>).

40

b) Neben der Möglichkeit eines Wahlfehlers hat der Beschwerdeführer grundsätzlich auch die Mandatsrelevanz dieses Fehlers substantiiert darzulegen. Es muss zwar nicht der Nachweis einer Auswirkung des Wahlfehlers auf die Sitzverteilung erbracht werden. Die nur theoretische Möglichkeit eines Kausalzusammenhangs zwischen der geltend gemachten Rechtsverletzung und dem Ergebnis der angefochtenen Wahl genügt jedoch nicht (vgl. Hahlen, in: Schreiber, BWahlG, 10. Aufl. 2017, § 49 Rn. 13). Vielmehr gilt der Grundsatz der potentiellen Kausalität (vgl. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 41 Rn. 110 ; Hahlen, in: Schreiber, BWahlG, 10. Aufl. 2017, § 49 Rn. 13; Schreiber, DVBl 2010, S. 609 <612>). Demgemäß hat der Beschwerdeführer darzulegen, dass es sich bei der Auswirkung des Wahlfehlers auf die Sitzverteilung um eine nach der allgemeinen Lebenserfahrung konkrete und nicht ganz fernliegende Möglichkeit (BVerfGE 89, 243 <254>; 89, 291 <304>) handelt.

II.

41

Die Wahlprüfungsbeschwerde genügt diesen Anforderungen an die Darlegung einer ergebnisrelevanten Störung der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag nicht, soweit sie die Zuweisung öffentlicher Mittel an politische Stiftungen (1.) und die Staatsfinanzierung der Bundestagsfraktionen, insbesondere im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit (2.), angreift.

42

1. Der Vortrag des Beschwerdeführers lässt einen Wahlfehler aufgrund des Einsatzes staatlicher Mittel durch politische Stiftungen nicht erkennen. Seine Behauptung, die Finanzzuweisungen an politische Stiftungen und deren Verwendung hätten bei der Bundestagswahl 2013 als verdeckte Parteienfinanzierung zu einer Verletzung der Grundsätze der Chancengleichheit der Parteien gemäß Art. 21 Abs. 1 GG und der Wahlrechtsgleichheit gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG geführt, wird durch seinen Sachvortrag nicht hinreichend belegt. Weder können diesem Vortrag konkrete, die Bundestagswahl 2013 in irgendeiner Weise beeinflussende Sachverhalte entnommen werden (a), noch setzt sich der Beschwerdeführer im erforderlichen Umfang mit der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zur Eigenständigkeit politischer Stiftungen gegenüber den diesen nahestehenden Parteien auseinander (b).

43

a) Konkrete Umstände, aus denen sich die Möglichkeit einer Beeinflussung des Ablaufs und Ergebnisses der Wahl ergibt, hat der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der Bundestagswahl 2013 bezogen auf das Handeln der politischen Stiftungen nicht dargelegt. Dabei können seine Ausführungen zu Höhe und Steigerungsraten der Mittelzuweisungen an politische Stiftungen sowie die in diesem Zusammenhang unter den Gesichtspunkten der Transparenz und der fehlenden Beachtung des Gesetzesvorbehalts vorgetragenen verfassungsrechtlichen Einwände gegen das Verfahren der Mittelfestsetzung dahinstehen. Diese allein begründen keine Bedenken gegen die Ordnungsgemäßheit der Durchführung der Bundestagswahl 2013 und die gesetzmäßige Zusammensetzung des Deutschen Bundestages, da ein hinreichender Wahlbezug insoweit nicht ersichtlich ist. Vielmehr hätte der Beschwerdeführer konkret darlegen müssen, durch welche Verhaltensweisen und Aktivitäten die politischen Stiftungen auf die Bundestagswahl 2013 eingewirkt und deren Ergebnis beeinflusst haben. Daran fehlt es. Der Beschwerdeführer vermag keinerlei konkrete Initiativen der politischen Stiftungen mit Bezug auf die Wahl zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 zu benennen.

44

b) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der allgemein gehaltenen Behauptung des Beschwerdeführers, das Handeln der politischen Stiftungen komme im Sinne einer "Kooperationseinheit" der jeweiligen Mutterpartei zugute und beeinträchtige damit den Grundsatz der Gleichheit der Wahl. Er lässt insoweit die auf politische Stiftungen bezogene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 73, 1 <31 ff.>; 140, 1 <38 f. Rn. 106 ff.>) außer Betracht. Das Gericht hat sich der Sache nach auch mit der Frage der "Kooperationseinheit" auseinandergesetzt und festgestellt, dass die Stiftungen ihre satzungsgemäßen Aufgaben in hinreichender organisatorischer und personeller Unabhängigkeit von den ihnen nahestehenden Parteien erfüllen. Die Stiftungen und die politischen Parteien verfolgen unterschiedliche, voneinander abgrenzbare Ziele. Die politische Bildungsarbeit der Stiftungen hat sich weitgehend verselbständigt und einen hohen Grad an Offenheit erreicht. Es ist den Stiftungen verwehrt, in den Wettbewerb der politischen Parteien einzugreifen, indem sie etwa im Auftrag der und für die ihnen nahestehenden Parteien geldwerte Leistungen oder Wahlkampfhilfe erbringen (BVerfGE 73, 1 <32>). Daher stellt die Gewährung von Globalzuschüssen an politische Stiftungen keine verdeckte Parteienfinanzierung dar und verletzt nicht das Recht auf Chancengleichheit aus Art. 21 Abs. 1 GG (vgl. zum Ganzen: BVerfGE 73, 1 <31 f.>; 140, 1 <38 Rn. 106>).

45

Zu alldem verhält sich der Beschwerdeführer nicht. Seinem Vorbringen kann nicht entnommen werden, warum eine von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts abweichende Beurteilung geboten sein soll. Die Behauptung des Beschwerdeführers, politische Stiftungen wüchsen zunehmend in die Rolle von Ersatzparteien, ist durch keinen konkreten Sachvortrag unterlegt. Dies gilt auch, soweit der Beschwerdeführer auf die sogenannte Gemeinsame Erklärung der parteinahen Stiftungen und der sie tragenden politischen Parteien von 1998 verweist, da sich hieraus für die Frage parteinütziger Verwendung gewährter Zuschüsse nichts ergibt.

46

2. Auch soweit der Beschwerdeführer sich gegen die Bereitstellung staatlicher Mittel für die Bundestagsfraktionen und insbesondere deren Öffentlichkeitsarbeit wendet, fehlt es an einer hinreichenden Substantiierung der Wahlprüfungsbeschwerde. Dem Vortrag des Beschwerdeführers lassen sich konkret auf die Bundestagswahl 2013 bezogene Sachverhalte nicht entnehmen (a). Seine allgemeinen Ausführungen zu einer behaupteten verdeckten Parteienfinanzierung durch die Bereitstellung von Fraktionsmitteln, einer damit verbundenen Verfälschung der Wettbewerbslage und zur Verfassungswidrigkeit der Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen und des Verfahrens der Mittelgewährung genügen den Begründungserfordernissen ebenfalls nicht (b).

47

a) Gegenstand der Wahlprüfungsbeschwerde ist der auf den Einspruch des Beschwerdeführers ergangene Beschluss des Bundestages über die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013. Dem Substantiierungsgebot gemäß § 48 Abs. 1 Halbsatz 2, § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG genügt der Beschwerdeführer daher nur, wenn er einen konkreten Sachverhalt vorträgt, der sich auf die Gültigkeit dieser Wahl auszuwirken vermag, weil er eine mandatsrelevante Verfälschung des Wählerwillens möglich erscheinen lässt. Diese Voraussetzung erfüllt der Beschwerdeführer hinsichtlich des Handelns der Bundestagsfraktionen nicht. Konkret verweist er insoweit lediglich auf eine Werbeaktion der FDP-Bundestagsfraktion im Jahr 2012. Abgesehen davon, dass es sich dabei um eine Aktion im Vorfeld zweier Landtagswahlen (Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen) handelte, genügt dieser Hinweis den Anforderungen an die Darlegung eines mandatsrelevanten Wahlfehlers bei der angegriffenen Wahl bereits deshalb nicht, weil die FDP bei der Bundestagswahl am 22. September 2013 die erforderliche Stimmenzahl zur Überwindung der Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht erreicht hat und dem 18. Deutschen Bundestag nicht angehört. Ansonsten fehlt es an der Darlegung jeglicher auf die Bundestagswahl 2013 bezogener Aktivitäten und Initiativen der Bundestagsfraktionen.

48

b) Auch die allgemeinen Ausführungen des Beschwerdeführers zur Fraktionsfinanzierung als "verdeckte Parteien- und Wahlkampffinanzierung" (aa) und einer damit verbundenen Verfälschung der Wettbewerbslage zwischen den politischen Parteien (bb) sowie zur Verfassungswidrigkeit des Verfahrens zur Festsetzung und der Verwendung der Fraktionsmittel (cc) genügen den Begründungsanforderungen gemäß § 48 Abs. 1 Halbsatz 2, § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG nicht.

49

aa) Soweit der Beschwerdeführer darauf verweist, die Zuweisung der Fraktionsmittel stelle eine den Grundsatz der Chancengleichheit verletzende und die gesetzlichen Vorgaben der staatlichen Parteienfinanzierung missachtende "verdeckte Parteienfinanzierung" dar, lässt er die Rechtsstellung der Fraktionen und die rechtlichen Bindungen der Gewährung und Verwendung von Fraktionsmitteln außer Betracht.

50

(1) Die Fraktionen, die als ständige Gliederungen des Bundestages der "organisierten Staatlichkeit" eingefügt sind (vgl. BVerfGE 20, 56 <104>; 62, 194 <202>), steuern und erleichtern die parlamentarische Arbeit, indem sie unterschiedliche politische Positionen von Abgeordneten zu handlungs- und verständigungsfähigen Einheiten zusammenfassen, eine Arbeitsteilung unter ihren Mitgliedern organisieren, gemeinsame Initiativen vorbereiten und aufeinander abstimmen sowie die Information der Fraktionsmitglieder unterstützen. Die Finanzierung der Fraktionen mit staatlichen Zuschüssen dient der Ermöglichung und Gewährleistung dieser Arbeit (vgl. BVerfGE 80, 188 <231>; 140, 1 <26 Rn. 71>).

51

(2) Die Verwendung der den Fraktionen zur Verfügung gestellten Leistungen unterliegt strikter Zweckbindung (vgl. BVerfGE 140, 1 <31 Rn. 85>). Gemäß § 50 Abs. 4 Satz 1 AbgG dürfen die Fraktionen die ihnen gewährten Mittel nur für Aufgaben verwenden, die ihnen nach dem Grundgesetz, dem Abgeordnetengesetz und der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages obliegen. Eine Verwendung für Parteiaufgaben ist unzulässig (§ 50 Abs. 4 Satz 2 AbgG). Über die Verwendung und Herkunft der Mittel haben die Fraktionen gemäß § 52 Abs. 1 AbgG öffentlich Rechenschaft zu geben. Ihre Rechnung muss von einem im Benehmen mit dem Bundesrechnungshof bestellten Abschlussprüfer geprüft und testiert werden (§ 52 Abs. 4 Satz 1 AbgG). Gemäß § 53 Abs. 1 AbgG unterliegen die Fraktionen hinsichtlich der wirtschaftlichen und ordnungsgemäßen Verwendung der ihnen zur Verfügung gestellten Geld- und Sachmittel der Überprüfung durch den Bundesrechnungshof. Schließlich ist es den Parteien verboten, Spenden von Parlamentsfraktionen entgegenzunehmen (§ 25 Abs. 2 Nr. 1 PartG). Tun sie es dennoch, haben sie das Dreifache des rechtswidrig erlangten Betrages abzuführen (§ 31c Satz 1 PartG).

52

(3) Nach dem gesetzlichen Regelungskonzept ist die Verwendung von Fraktionsmitteln somit strikt auf die Wahrnehmung von Aufgaben begrenzt, die den Fraktionen als Teil der "organisierten Staatlichkeit" zugewiesen sind. Demgegenüber sind Parteien zwar berufen, in den Bereich der institutionellen Staatlichkeit hineinzuwirken, gehören diesem aber selbst nicht an (vgl. BVerfGE 20, 56 <101>). Daher hätte der Beschwerdeführer sich näher dazu verhalten müssen, inwieweit sich die Gewährung von Fraktionsmitteln trotzdem als Akt der Parteienfinanzierung darstellt.

53

bb) Dabei kann der Beschwerdeführer sich nicht auf den Hinweis beschränken, eine Trennung zwischen parlamentarischer und parteipolitischer Arbeit sei eine Fiktion, da Fraktionen die Rolle von Ersatzparteien übernommen hätten, ihre Verlautbarungen und sonstigen Aktivitäten der jeweiligen Partei zugutekämen und dies zu gewaltigen Wettbewerbsvorteilen führe. Er verkennt insoweit, dass die Grundsätze der Chancengleichheit der Parteien und der Wahlgleichheit einen Eingriff in die vorgefundene Wettbewerbslage zwischen den politischen Parteien nicht zu rechtfertigen vermögen (vgl. BVerfGE 69, 92 <109>; 73, 40 <89>; 85, 264 <297>; 104, 287 <300>; 111, 382 <398>; 140, 1 <28 Rn. 76>; stRspr). Dem Beschwerdeführer ist zwar zuzugestehen, dass das Handeln der einzelnen Bundestagsfraktionen mit den jeweiligen Parteien verbunden wird, in deren Bewertung einfließt und sich damit auf die Wahlchancen der im Wettbewerb stehenden Parteien auswirken kann. Dies ist jedoch Teil des Prozesses der freiheitlichen Demokratie, wie das Grundgesetz sie versteht. Sich daraus ergebende Ungleichheiten für die Teilnehmer des politischen Wettbewerbs sind hinzunehmen (vgl. BVerfGE 140, 1 <28 Rn. 76>; siehe auch: BVerfGE 138, 102 <114 f. Rn. 44>). Etwas anderes wäre lediglich dann anzunehmen, wenn die Fraktionen die ihnen zur Verfügung gestellten Ressourcen in einer nicht aufgabengerechten Weise parteinützig einsetzen würden.

54

cc) Vor diesem Hintergrund kommt es auf die verfassungsrechtlichen Einwände des Beschwerdeführers gegen das Verfahren zur Festsetzung der Fraktionsmittel unter den Gesichtspunkten fehlender Obergrenzen, einer Missachtung des Gesetzesvorbehalts und fehlender Transparenz mangels eines hinreichend konkreten Wahlbezugs nicht an. Nichts anderes gilt, soweit der Beschwerdeführer die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen bestreitet und die Verfassungswidrigkeit von § 47 Abs. 3 AbgG geltend macht.

55

Das Bundesverfassungsgericht hat sich bisher zu den Grenzen zulässiger Öffentlichkeitsarbeit der Bundestagsfraktionen aufgrund § 47 Abs. 3 AbgG nicht abschließend geäußert (vgl. BVerfGE 136, 190 <193 Rn. 8>). Auch im Rahmen des vorliegenden Verfahrens besteht hierzu kein Anlass. Die Wahlprüfungsbeschwerde dient nicht der abstrakten Normenkontrolle wahlrechtlicher Vorschriften. Vielmehr ist sie auf die Überprüfung der Ordnungsgemäßheit einer konkreten Wahl und der Zusammensetzung des jeweiligen Bundestages gerichtet. Anlass zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit einer Norm besteht im Wahlprüfungsverfahren daher nur, wenn es im Hinblick auf das Vorliegen eines konkreten Wahlfehlers auf die Gültigkeit dieser Norm ankommt. Der Beschwerdeführer hat aber keine konkreten Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit oder sonstige Initiativen der Bundestagsfraktionen dargelegt, aus denen eine die Chancengleichheit verletzende und mandatsrelevante Einflussnahme auf die Bundestagswahl 2013 abgeleitet werden könnte.

56

Unbeachtlich sind daher auch die Ausführungen des Beschwerdeführers zur Höhe und zu den Steigerungsraten der Fraktionsmittel. Insoweit fehlt es ebenfalls an einem konkreten Wahlbezug. Ohne entsprechende Anhaltspunkte kann nicht unterstellt werden, dass die Fraktionen die ihnen zugewendeten Geld- oder Sachleistungen trotz des gesetzlichen Verbots in § 50 Abs. 4 Satz 2 AbgG für Parteiaufgaben oder Wahlkampfzwecke verwendet haben. Der Beschwerdeführer genügt seiner diesbezüglichen Darlegungslast nicht. Sein Vortrag reicht über die bloße Vermutung eines Wahlfehlers nicht hinaus.

C.

57

Im Übrigen ist die Wahlprüfungsbeschwerde offensichtlich unbegründet.

58

Begründet ist eine Wahlprüfungsbeschwerde, wenn gegen Wahlrechtsgrundsätze des Grundgesetzes oder Wahlrechtsvorschriften verstoßen worden ist (vgl. BVerfGE 130, 212 <224>) und dies entweder mandatsrelevant ist und zur Ungültigerklärung der Wahl führt (vgl. BVerfGE 121, 266 <289, 311>) oder zumindest eine Verletzung subjektiver Rechte des Beschwerdeführers zur Folge hat (§ 48 Abs. 1 und 3 BVerfGG). Der Beschwerdeführer rügt einen Wahlfehler in Form einer mandatsrelevanten Verletzung der Wahlrechtsgrundsätze der Gleichheit der Wahl nach Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG und der Chancengleichheit der Parteien gemäß Art. 21 Abs. 1 GG (I.). Ein derartiger Wahlfehler, der auch mandatsrelevant ist, liegt nicht vor (II.). Eine Verletzung der subjektiven Rechte des Beschwerdeführers durch einen Wahlfehler ist ebenfalls nicht erkennbar (III.).

I.

59

1. Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl sichert die vom Demokratieprinzip vorausgesetzte Egalität der Bürger (vgl. BVerfGE 41, 399 <413>; 51, 222 <234>; 85, 148 <157 f.>; 99, 1 <13>; 135, 259 <284 Rn. 44>) und ist eine der wesentlichen Grundlagen der Staatsordnung (vgl. BVerfGE 6, 84 <91>; 11, 351 <360>). Er gebietet, dass alle Wahlberechtigten das aktive und passive Wahlrecht möglichst in formal gleicher Weise ausüben können, und ist im Sinne einer strengen und formalen Gleichheit zu verstehen (vgl. BVerfGE 51, 222 <234>; 78, 350 <357 f.>; 82, 322 <337>; 85, 264 <315>; 135, 259 <284 Rn. 44>). Aus dem Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit folgt für das Wahlgesetz, dass die Stimme eines jeden Wahlberechtigten grundsätzlich den gleichen Zählwert und die gleiche rechtliche Erfolgschance haben muss. Alle Wähler sollen mit der Stimme, die sie abgeben, den gleichen Einfluss auf das Wahlergebnis haben (BVerfGE 129, 300 <317 f.>). Bei der Verhältniswahl verlangt der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit darüber hinaus, dass jeder Wähler mit seiner Stimme auch den gleichen Einfluss auf die Zusammensetzung der zu wählenden Vertretung haben muss (vgl. BVerfGE 16, 130 <139>; 95, 335 <353>). Ziel des Verhältniswahlsystems ist es, dass alle Parteien in einem möglichst den Stimmenzahlen angenäherten Verhältnis in dem zu wählenden Organ vertreten sind. Zur Zählwert- und Erfolgschancengleichheit tritt im Verhältniswahlrecht die Erfolgswertgleichheit hinzu (vgl. BVerfGE 120, 82 <103>; 129, 300 <318>; 135, 259 <284 Rn. 45>).

60

2. Der aus Art. 21 Abs. 1 GG abzuleitende Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien verlangt, dass jeder Partei grundsätzlich die gleichen Möglichkeiten im gesamten Wahlverfahren und damit gleiche Chancen bei der Verteilung der Sitze eingeräumt werden. Das Recht der politischen Parteien auf Chancengleichheit hängt eng mit den Grundsätzen der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl zusammen, die ihre Prägung durch das Demokratieprinzip erfahren. Deshalb muss in diesem Bereich - ebenso wie bei der durch die Grundsätze der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl verbürgten gleichen Behandlung der Wähler - Gleichheit in einem strikten und formalen Sinn verstanden werden. Wenn die öffentliche Gewalt in den Parteienwettbewerb in einer Weise eingreift, die die Chancen der politischen Parteien verändern kann, sind ihrem Ermessen daher besonders enge Grenzen gezogen (vgl. BVerfGE 120, 82 <105>; 129, 300 <319>; 135, 259 <285 Rn. 48>).

61

3. a) Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien unterliegen keinem absoluten Differenzierungsverbot. Allerdings folgt aus dem formalen Charakter der Wahlrechtsgleichheit und der Chancengleichheit der Parteien, dass dem Gesetzgeber bei der Ordnung des Wahlrechts nur ein eng bemessener Spielraum für Differenzierungen verbleibt. Bei der Prüfung, ob eine Differenzierung innerhalb der Wahlrechtsgleichheit gerechtfertigt ist, ist grundsätzlich ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. BVerfGE 120, 82 <106>; 129, 300 <320>; 135, 259 <286 Rn. 51>). Differenzierungen bedürfen zu ihrer Rechtfertigung stets eines besonderen, sachlich legitimierten Grundes (vgl. BVerfGE 6, 84 <92>; 51, 222 <236>; 95, 408 <418>; 129, 300 <320>; 135, 259 <286 Rn. 51>). Das bedeutet nicht, dass sich die Differenzierung als von Verfassungs wegen notwendig darstellen muss. Differenzierungen im Wahlrecht können vielmehr auch durch Gründe gerechtfertigt werden, die durch die Verfassung legitimiert und von einem Gewicht sind, das der Wahlrechtsgleichheit die Waage halten kann (vgl. BVerfGE 1, 208 <248>; 6, 84 <92>; 95, 408 <418>; 129, 300 <320>; 130, 212 <227 f.>; 135, 259 <286 Rn. 51>).

62

b) Hierzu zählen insbesondere die mit der Wahl verfolgten Ziele. Dazu gehört die Sicherung des Charakters der Wahl als eines Integrationsvorgangs bei der politischen Willensbildung des Volkes (BVerfGE 95, 408 <418>) und, damit zusammenhängend, die Sicherung der Funktionsfähigkeit der zu wählenden Volksvertretung (vgl. BVerfGE 1, 208 <247 f.>; 4, 31 <40>; 6, 84 <92 ff.>; 51, 222 <236>; 82, 322 <338>; 95, 408 <418>; 120, 82 <111>; 129, 300 <320 f.>; 135, 259 <286 Rn. 52>). Eine große Zahl kleiner Parteien und Wählervereinigungen in einer Volksvertretung kann zu ernsthaften Beeinträchtigungen ihrer Handlungsfähigkeit führen. Eine Wahl hat nicht nur das Ziel, überhaupt eine Volksvertretung zu schaffen, sondern sie soll auch ein funktionierendes Vertretungsorgan hervorbringen (vgl. BVerfGE 51, 222 <236>; 129, 300 <321>; 135, 259 <286 Rn. 52>). Die Frage, was der Sicherung der Funktionsfähigkeit dient und dafür erforderlich ist, kann indes nicht für alle zu wählenden Volksvertretungen einheitlich beantwortet werden (vgl. BVerfGE 120, 82 <111 f.>; 129, 300 <321>; 135, 259 <286 Rn. 52>), sondern bemisst sich nach den konkreten Funktionen des zu wählenden Organs. Zudem kommt es auf die konkreten Bedingungen an, unter denen die jeweilige Volksvertretung arbeitet und von denen die Wahrscheinlichkeit des Eintritts von Funktionsstörungen abhängt (vgl. BVerfGE 129, 300 <323, 326 ff.>; 135, 259 <287 Rn. 52>).

63

c) aa) Es ist grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, kollidierende Ziele mit Verfassungsrang und den Grundsatz der Gleichheit der Wahl zum Ausgleich zu bringen (vgl. BVerfGE 95, 408 <420>; 121, 266 <303>; 131, 316 <338>). Das Bundesverfassungsgericht prüft lediglich, ob die verfassungsrechtlichen Grenzen eingehalten sind, nicht aber, ob der Gesetzgeber zweckmäßige oder rechtspolitisch erwünschte Lösungen gefunden hat (vgl. BVerfGE 6, 84 <94>; 51, 222 <237 f.>; 95, 408 <420>; 121, 266 <303 f.>; 131, 316 <338 f.>). Allerdings verbleibt dem Gesetzgeber für Differenzierungen im Rahmen der Wahlrechtsgleichheit nur ein eng bemessener Spielraum (vgl. BVerfGE 95, 408 <417 f.>; 129, 300 <322>; 135, 259 <289 Rn. 57>). Weil mit Regelungen, die die Bedingungen der politischen Konkurrenz berühren, die parlamentarische Mehrheit gewissermaßen in eigener Sache tätig wird und gerade bei der Wahlgesetzgebung die Gefahr besteht, dass die jeweilige Parlamentsmehrheit sich statt von Gemeinwohlerwägungen von dem Ziel des eigenen Machterhalts leiten lässt, unterliegt die Ausgestaltung des Wahlrechts einer strikten verfassungsgerichtlichen Kontrolle (vgl. BVerfGE 120, 82 <105>; 129, 300 <322 f.>; 130, 212 <229>; 135, 259 <289 Rn. 57>).

64

bb) Differenzierende Regelungen müssen zur Verfolgung ihrer Zwecke geeignet und erforderlich sein. Ihr erlaubtes Ausmaß richtet sich daher auch danach, mit welcher Intensität in das - gleiche - Wahlrecht eingegriffen wird. Ebenso können gefestigte Rechtsüberzeugungen und Rechtspraxis Beachtung finden (vgl. BVerfGE 1, 208 <249>; 95, 408 <418>; 120, 82 <107>; 129, 300 <321>; 135, 259 <287 Rn. 53>). Der Gesetzgeber hat sich bei seiner Einschätzung und Bewertung allerdings nicht an abstrakt konstruierten Fallgestaltungen, sondern an der politischen Wirklichkeit zu orientieren (vgl. BVerfGE 120, 82 <107>; 129, 300 <321>; 135, 259 <287 Rn. 53>). Gegen die Grundsätze der Wahlrechtsgleichheit und der Chancengleichheit der Parteien wird verstoßen, wenn der Gesetzgeber mit der Regelung ein Ziel verfolgt hat, das er bei der Ausgestaltung des Wahlrechts nicht verfolgen darf, oder wenn die Regelung nicht geeignet und erforderlich ist, um die mit der jeweiligen Wahl verfolgten Ziele zu erreichen (vgl. BVerfGE 120, 82 <107>; 129, 300 <321>; 135, 259 <287 Rn. 53>).

65

cc) Der Gesetzgeber ist verpflichtet, eine die Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit berührende Norm des Wahlrechts zu überprüfen und gegebenenfalls zu ändern, wenn die verfassungsrechtliche Rechtfertigung dieser Norm durch neue Entwicklungen infrage gestellt wird, etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder dadurch, dass sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen hat (vgl. BVerfGE 73, 40 <94>; 82, 322 <338 f.>; 107, 286 <294 f.>; 120, 82 <108>; 129, 300 <321 f.>; 135, 259 <287 Rn. 54>). Für Sperrklauseln im Verhältniswahlrecht bedeutet dies, dass ihre Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und der Chancengleichheit der politischen Parteien nicht ein für alle Mal abstrakt beurteilt werden kann. Eine Wahlrechtsbestimmung kann mit Blick auf eine Repräsentativkörperschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt gerechtfertigt sein, mit Blick auf eine andere oder zu einem anderen Zeitpunkt jedoch nicht (vgl. BVerfGE 1, 208 <259>; 82, 322 <338>; 120, 82 <108>; 129, 300 <322>; 135, 259 <288 Rn. 54>).

II.

66

Nach diesen Maßstäben ist ein mandatsrelevanter Wahlfehler weder bezogen auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel (1.) und den Verzicht des Gesetzgebers auf die Einführung einer Eventualstimme (2.) noch hinsichtlich des Einsatzes von Abgeordnetenmitarbeitern im Bundestagswahlkampf 2013 (3.) gegeben.

67

1. a) Das Bundesverfassungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei der Wahl des Deutschen Bundestages für verfassungskonform erachtet (vgl. BVerfGE 1, 208 <247 ff.>; 4, 31 <39 ff.>; 6, 84 <92 ff.>; 51, 222 <235 ff.>; 82, 322 <337 ff.>; 95, 335 <366>; 95, 408 <417 ff.>; 120, 82 <109 ff.>; 122, 304 <314 f.>). Sie findet ihre Rechtfertigung im Wesentlichen in dem verfassungslegitimen Ziel, die Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit des Parlaments zu sichern (vgl. BVerfGE 82, 322 <338>; 95, 335 <366>; 95, 408 <419>; 120, 82 <111>; 131, 316 <344>). Dies setzt die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Unterstützung voraus, die durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine Gruppen gefährdet werden kann (vgl. BVerfGE 129, 300 <335 f.>). Die Bewertung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei der Bundestagswahl ist, da die Rechtfertigung der Sperrklausel sich insbesondere nach der Wahrscheinlichkeit zu erwartender Funktionsstörungen und deren Gewicht für die Aufgabenerfüllung der zu wählenden Volksvertretung bemisst, nicht auf die Wahl anderer parlamentarischer Vertretungen übertragbar (vgl. BVerfGE 129, 300 <321>; 135, 259 <286 f. Rn. 52>).

68

b) Die Ausführungen des Beschwerdeführers geben keine Veranlassung, von der bisherigen Rechtsprechung des Senats zur Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 BWahlG abzuweichen. Weder kann davon ausgegangen werden, dass eine deren Rechtfertigung in Wegfall bringende Änderung der tatsächlichen (aa) oder rechtlichen (bb) Verhältnisse eingetreten ist, noch ist feststellbar, dass die Regelung das zur Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels Erforderliche überschreitet (cc).

69

aa) Der Beschwerdeführer verweist darauf, dass bei der Bundestagswahl aufgrund der Sperrklausel 15,7 % der abgegebenen Stimmen nicht den gewählten, sondern anderen Parteien zugutegekommen seien. Dies habe zu einer Verfälschung des Wahlergebnisses in bisher unbekanntem Umfang geführt und die Regierungsbildung zumindest nicht erleichtert. Außerdem sei durch das knappe Scheitern von FDP und AfD die Mehrheit zwischen den beiden großen politischen Lagern verschoben worden. Aus diesem Vortrag ergibt sich keine Infragestellung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von § 6 Abs. 3 Satz 1 BWahlG.

70

(1) Dies gilt zunächst, soweit der Beschwerdeführer auf den sperrklauselbedingten Ausfall von 15,7 % der Stimmen bei der Bundestagswahl 2013 verweist. Dabei ist davon auszugehen, dass das Ziel der Verhinderung einer die Funktionsfähigkeit beeinträchtigenden Zersplitterung des Parlaments die Nichtberücksichtigung der Parteien, die bei der Bundestagswahl weniger als 5 % der Stimmen erhalten haben, grundsätzlich unabhängig davon rechtfertigt, wie viele Stimmen beziehungsweise welcher Stimmenanteil insgesamt auf diese Parteien entfällt. Zwar erhöht sich die Intensität des Eingriffs in die Wahlrechtsgleichheit, je größer die Zahl derjenigen Stimmen ist, die bei der Mandatsverteilung unberücksichtigt bleiben. Insoweit ist dem Beschwerdeführer zuzugestehen, dass es sich bei 15,7 % der Stimmen um eine beachtliche, bisher nicht erreichte Größenordnung handelt. Dies allein vermag jedoch ein Zurücktreten des Ziels, die Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit des Parlaments zu sichern, nicht zu begründen. Hinzu kommt, dass der Anteil von 15,7 % bei der Mandatsverteilung unberücksichtigter Stimmen bei der Bundestagswahl 2013 bisher einen Einzelfall darstellt, der auf das nur knappe Scheitern zweier Parteien zurückzuführen ist. Ob und inwieweit sich Derartiges bei künftigen Bundestagswahlen wiederholt, ist nicht absehbar.

71

Eine andere verfassungsrechtliche Beurteilung könnte möglicherweise geboten sein, wenn der sperrklauselbedingte Ausfall an Stimmen einen Umfang erreichte, der die Integrationsfunktion der Wahl (vgl. BVerfGE 95, 408 <419> m.w.N.) beeinträchtigen würde. Der Gesetzgeber muss die Funktion der Wahl als eines Vorgangs der Integration der politischen Kräfte des gesamten Volkes sicherstellen und zu verhindern suchen, dass gewichtige Anliegen im Volk von der Volksvertretung ausgeschlossen bleiben (vgl. BVerfGE 6, 84 <92 f.>; 14, 121 <135 f.>; 24, 300 <341>; 41, 399 <421>; 51, 222 <236>; 74, 81 <97>; 95, 408 <419>). Dies ist auch bei der Ausgestaltung und Anwendung der Sperrklausel zu beachten. Eine Beeinträchtigung der Integrationsfunktion der Wahl wird aber weder vom Beschwerdeführer behauptet, noch ist sie in sonstiger Weise erkennbar.

72

(2) Die Rechtfertigung der Sperrklausel ist, anders als der Beschwerdeführer meint, grundsätzlich unabhängig davon, wie viele Parteien mit welchem Ergebnis an der Sperrklausel scheitern. Es kann - soweit die Integrationsfunktion der Wahl nicht betroffen ist - dahinstehen, ob wenige Parteien knapp, viele Parteien deutlich oder einige deutlich und andere knapp an der Sperrklausel scheitern (bei der Bundestagswahl 2013 insgesamt 23 Parteien mit zusammen 6,2 % der Stimmen).

73

(3) Der Argumentation des Beschwerdeführers, es sei bei der Bundestagswahl 2013 zu einer bisher nicht bekannten Verfälschung des Wahlergebnisses gekommen, liegt eine unzureichende Unterscheidung zwischen der Feststellung des Wahlergebnisses einerseits und der Mandatsverteilung andererseits zugrunde. Für die Feststellung des Wahlergebnisses ist § 6 Abs. 3 BWahlG ohne Belang. Eine "Verfälschung" des Wahlergebnisses kann daher durch die Sperrklausel nicht herbeigeführt werden. Demgegenüber bleiben bei der Mandatsverteilung die Stimmen, die auf Parteien entfallen, welche die Sperrklausel nicht überwunden haben, von vornherein außer Betracht. Die Mandatsverteilung erfolgt ausschließlich zwischen den Parteien, die die Sperrklausel überwunden haben, aufgrund der von diesen Parteien selbst erreichten Stimmenzahl.

74

(4) Soweit der Beschwerdeführer von einer sperrklauselbedingten Verschiebung der Mehrheit zwischen den beiden großen politischen Lagern ("rechte Mitte" und "linkes Lager") ausgeht, erschließt sich die Relevanz dieses Vorbringens für das Vorliegen eines Wahlfehlers nicht. Unabhängig davon, dass der vom Beschwerdeführer behauptete Bestand zweier großer politischer "Lager" zu hinterfragen wäre, ist nicht erkennbar, inwieweit die vermutete Existenz politischer Lager in der von ihm beschriebenen Zusammensetzung die Grundsätze der Gleichheit der Wahl und der Chancengleichheit der Parteien tangieren soll. Die Bildung von Koalitionen ist nicht Teil des Wahlprozesses, sondern schließt sich an diesen an.

75

bb) Auch eine für die verfassungsrechtliche Beurteilung der Sperrklausel relevante Änderung der rechtlichen Verhältnisse liegt nicht vor. Sie liegt insbesondere nicht in der vom Beschwerdeführer geltend gemachten "Verschärfung der Maßstäbe" durch das Bundesverfassungsgericht unter dem Gesichtspunkt einer "Entscheidung in eigener Sache" (vgl. Rn. 63). Unabhängig von der Frage, ob dieser erstmals im Jahr 2008 (BVerfGE 120, 82 <105>) ausdrücklich angeführte Gesichtspunkt für eine strenge verfassungsgerichtliche Prüfung von Differenzierungen im Rahmen der Wahlrechtsgleichheit überhaupt eine Verschärfung der Maßstäbe bedeutet hat, hat das Bundesverfassungsgericht auch vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung die Verfassungskonformität der Fünf-Prozent-Sperrklausel geprüft und bestätigt (vgl. zuletzt BVerfGE 131, 316 <344>).

76

Die Notwendigkeit einer Neubewertung der Norm ergibt sich ferner nicht aus den Urteilen zur Verfassungswidrigkeit der Fünf- beziehungsweise Drei-Prozent-Sperrklausel bei der Wahl zum Europäischen Parlament, da das Gericht in diesen Entscheidungen ausdrücklich auf die Nichtübertragbarkeit der dortigen Erwägungen, die Unterschiedlichkeit der Interessenlage angesichts des Umstands, dass das Europäische Parlament keine Regierung wählt, die auf fortlaufende Unterstützung angewiesen ist, und vor allem auf die im Bundestagswahlrecht nicht bestehende Möglichkeit hingewiesen hat, im Falle einer Schwächung der Funktionsfähigkeit des Europäischen Parlaments mit einer Korrektur des nationalen Europawahlrechts zu reagieren (vgl. BVerfGE 129, 300 <336>; 135, 259 <291 Rn. 61>).

77

cc) (1) Schließlich fordert entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers auch nicht der Grundsatz des milderen Mittels die Abschaffung oder zumindest die Absenkung der Fünf-Prozent-Sperrklausel. Er verweist insbesondere darauf, dass eine niedrigere Sperrklausel von 3 bis 4 % eine geringere Eingriffsintensität besäße, ohne deren Zweck zu beeinträchtigen. Bei der Bundestagswahl 2013 hätte eine solche niedrigere Sperrklausel nach seiner Behauptung die Regierungsbildung und die effektivere Wahrnehmung der Oppositionsaufgaben erleichtert. Dabei verkennt der Beschwerdeführer, dass es nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts ist, eigene Zweckmäßigkeitserwägungen an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers zu setzen (vgl. BVerfGE 51, 222 <238>; 135, 259 <289 Rn. 57>). Das Bundesverfassungsgericht kann, sofern eine differenzierende Regelung an einem Ziel orientiert ist, das der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Wahlrechts verfolgen darf, einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichheit der Wahl nur feststellen, wenn die Regelung zur Erreichung dieses Zieles nicht geeignet ist oder das Maß des zur Erreichung dieses Zieles Erforderlichen überschreitet (vgl. BVerfGE 6, 84 <94>; 51, 222 <238>; 95, 408 <420>; 120, 82 <107>; 121, 266 <304>; 129, 300 <321 f.>; 131, 316 <339>; 132, 39 <48 f. Rn. 27>).

78

(2) Vor diesem Hintergrund mag dahinstehen, ob mit Blick auf die konkreten Ergebnisse der Bundestagswahl 2013 eine auf 3 oder 4 % abgesenkte Sperrklausel den Eingriff in die Wahlrechtsgleichheit oder die Chancengleichheit der Parteien gemindert hätte, ohne die Funktionsfähigkeit des Bundestages zu beeinträchtigen. Für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der gesetzgeberischen Lösung kommt es auf das Ergebnis einer einzelnen Bundestagswahl nicht an. Die Ergebnisse einzelner vergangener Wahlen ermöglichen keine gesicherte Aussage über den Ausgang künftiger Wahlen. Insoweit handelt es sich bei der Entscheidung über die Höhe einer Sperrklausel um eine wertende Prognoseentscheidung (vgl. LVerfG Schleswig-Holstein, Urteil vom 13. September 2013 - LVerfG 9/12 -, juris, Rn. 111; VerfGH Saarland, Urteil vom 18. März 2013 - Lv 12/12 -, juris, Rn. 28). Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass die Festlegung einer exakten Prozentzahl, bei deren Unterschreitung eine Zersplitterung des Bundestages eintritt, nicht möglich ist.

79

Entschließt sich der Gesetzgeber zur Einführung einer Sperrklausel, darf er in aller Regel kein höheres als ein Fünf-Prozent-Quorum - bezogen auf das Wahlgebiet - begründen (vgl. BVerfGE 51, 222 <237>; 71, 81 <97>; 82, 322 <338>; 95, 408 <419>; stRspr). Innerhalb dieser Grenze unterliegt es aber seiner Entscheidung, wie weit er die Möglichkeit zur Differenzierung ausschöpft (vgl. BVerfGE 6, 84 <94>; 51, 222 <237 f.>; 82, 322 <339>; 95, 408 <419>). Es steht ihm grundsätzlich frei, auf die Sperrklausel zu verzichten, deren Höhe herabzusetzen oder andere geeignete Möglichkeiten zu ergreifen (vgl. BVerfGE 82, 322 <339>; 95, 408 <419>). Mit der Festlegung der Höhe der Sperrklausel auf 5 % hat der Gesetzgeber eine Regelung getroffen, die zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet erscheint. Ob auch mit einer niedrigeren Sperrklausel dieses Ziel in gleich geeigneter Weise dauerhaft erreicht werden kann, ist nicht zweifelsfrei feststellbar. Daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber das Maß des Erforderlichen nicht beachtet hat und nach dem Grundsatz des milderen Mittels verfassungsrechtlich verpflichtet war, eine niedrigere Sperrklausel festzulegen. Vielmehr hat er den ihm gemäß Art. 38 Abs. 3 GG eingeräumten Spielraum nicht überschritten.

80

2. Hiervon ausgehend ist auch die Einführung einer Eventualstimme für den Fall, dass die über die Hauptstimme mit Priorität gewählte Partei wegen der Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht die erforderliche Mindeststimmenzahl erhält, verfassungsrechtlich nicht geboten. Dabei kann dahinstehen, ob und inwieweit einem Eventualstimmrecht verfassungsrechtliche Bedenken unter den Gesichtspunkten der Unmittelbarkeit und Öffentlichkeit der Wahl sowie der Unvereinbarkeit eines bedingten Votums mit dem Demokratieprinzip entgegenstehen (vgl. dazu Strelen, in: Schreiber, BWahlG, 10. Aufl. 2017, § 6 Rn. 37; Buchwald/Rauber/Grzeszick, LKRZ 2012, S. 441 <444 f.>; Damm, DÖV 2013, S. 913 <917 ff.>; Heußner, LKRZ 2014, S. 7 <9 ff.>; Linck, DÖV 1984, S. 884 <885 f.>; Zimmer, DÖV 1985, S. 101; siehe auch VerfGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 9. Mai 2016 - 1 VB 25/16 -, juris, Rn. 4 ff.).

81

Einer verfassungsrechtlichen Verpflichtung zur Einführung eines Eventualstimmrechts steht jedenfalls entgegen, dass dieses zwar einerseits den mit einer Sperrklausel verbundenen Eingriff in den Grundsatz der gleichen Wahl insoweit abzumildern geeignet ist, als sich damit die Zahl der Wählerinnen und Wähler verringern ließe, die im Deutschen Bundestag nicht repräsentiert sind wenn die von ihnen mit der Hauptstimme gewählte Partei an der Sperrklausel scheitert (vgl. VerfGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 9. Mai 2016 - 1 VB 25/16 -, juris, Rn. 10). Andererseits würde die Einführung einer Eventualstimme aber die Komplexität der Wahl erhöhen, so dass eine Zunahme von Wahlenthaltungen und ungültigen Stimmen nicht ausgeschlossen erscheint. Vor allem aber wäre die Eröffnung der Möglichkeit einer Eventualstimme ebenfalls in relevantem Umfang mit Eingriffen in den Grundsatz der Wahlgleichheit, möglicherweise auch der Unmittelbarkeit der Wahl verbunden. Dies gilt hinsichtlich der Erfolgswertgleichheit, falls sowohl die Haupt- als auch die Eventualstimme an Parteien vergeben werden, die jeweils die Sperrklausel nicht überwinden. Daneben erscheint die Eröffnung der Möglichkeit einer Eventualstimme aber auch mit Blick auf die Zählwertgleichheit nicht unproblematisch: Während die Stimmen derjenigen, die eine Partei wählen, die die Sperrklausel überwindet, nur einmal gezählt werden, ist dies bei Stimmen, mit denen in erster Priorität eine Partei gewählt wird, die an der Sperrklausel scheitert, nicht der Fall. Vielmehr wären sowohl die Haupt- als auch die Eventualstimme gültig. Die Hauptstimme würde bei der Feststellung des Wahlergebnisses berücksichtigt, wäre im Rahmen der staatlichen Parteienfinanzierung relevant und bliebe lediglich bei der Mandatsverteilung ohne Erfolg. Daneben wäre auch die Eventualstimme eine gültige Stimme, die beim Wahlergebnis berücksichtigt und zusätzlich bei der Mandatsverteilung Relevanz entfalten würde. Mit Blick auf den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl kann die Eventualstimme Probleme aufwerfen, weil letztlich andere Wähler darüber entscheiden, für wen eine Stimme abgegeben wird.

82

Vor diesem Hintergrund lässt sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit keine Pflicht zur Einführung eines Eventualstimmrechts ableiten. Angesichts der ambivalenten Wirkungen einer Verbesserung der Integrationsfunktion der Wahl einerseits und einer erhöhten Komplexität und Fehleranfälligkeit des Wahlvorgangs sowie der Herbeiführung neuer Eingriffe in die Gleichheit und Unmittelbarkeit der Wahl andererseits kann das Eventualstimmrecht nicht als zweifelsfrei "gleich geeignetes, milderes Mittel" zur Erreichung des gesetzgeberischen Ziels der Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Parlaments angesehen werden (vgl. LVerfG Schleswig-Holstein, Urteil vom 13. September 2013 - LVerfG 9/12 -, juris, Rn. 107). Vielmehr ist es Aufgabe des Gesetzgebers, im Rahmen des ihm durch Art. 38 Abs. 3 GG zugewiesenen Gestaltungsauftrags verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter und Wahlrechtsgrundsätze - auch im Verhältnis zueinander - zum Ausgleich zu bringen (vgl. BVerfGE 131, 316 <338>; 132, 39 <48 Rn. 26> m.w.N.). Dies gilt auch für die Abwägung zwischen den Belangen der Funktionsfähigkeit des Parlaments, dem Anliegen einer umfassenden Integrationswirkung und den Geboten der Wahlrechtsgleichheit sowie der Chancengleichheit der politischen Parteien (vgl. BVerfGE 95, 408 <420>). Es wäre demgemäß Sache des Gesetzgebers, die mit einem Eventualstimmrecht verbundenen Vor- und Nachteile gegeneinander abzuwägen und auf dieser Grundlage über dessen Einführung zu entscheiden.

83

3. Schließlich ist die Wahlprüfungsbeschwerde offensichtlich unbegründet, soweit der Beschwerdeführer eine mandatsrelevante Verletzung des Grundsatzes der Gleichheit der Wahl nach Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG und der Chancengleichheit der Parteien gemäß Art. 21 Abs. 1 GG aufgrund des Einsatzes von Abgeordnetenmitarbeitern annimmt. Dies gilt sowohl, soweit der Beschwerdeführer sich allgemein gegen die Beschäftigung von Abgeordnetenmitarbeitern während des Wahlkampfes wendet (a), als auch, soweit er deren Beteiligung am Bundestagswahlkampf 2013 rügt (b).

84

a) Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, dass sich aus der Beschäftigung der Abgeordnetenmitarbeiter während des Wahlkampfes erhebliche Wettbewerbsvorteile für die im Parlament vertretenen Parteien ergäben, da deren Tätigkeit immer auch einen Bezug zur Wahl habe, kann dem ein Wahlfehler nicht entnommen werden.

85

aa) Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG liegt das Bild eines Abgeordneten zugrunde, der im Parlament durch Plenar- und Ausschusssitzungen, in der Fraktion und Partei durch inhaltliche Arbeit sowie im Wahlkreis und der sonstigen Öffentlichkeit durch Veranstaltungen der verschiedensten Art, nicht zuletzt durch Wahlvorbereitungen und Wahlversammlungen in Anspruch genommen wird (vgl. BVerfGE 40, 296 <312>; 134, 141 <173 f. Rn. 96>; 140, 1 <33 Rn. 92>). Dass der Abgeordnete bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben auf die Unterstützung von Mitarbeitern angewiesen ist, ist angesichts der Komplexität der ihm übertragenen Gesetzgebungs- und Kontrolltätigkeiten, der personellen Überlegenheit des Regierungsapparates und der Vielfältigkeit seiner Beanspruchung im Wahlkreis und der sonstigen Öffentlichkeit evident. Daher ist die Erstattung der damit verbundenen Aufwendungen sachgerecht. § 12 Abs. 3 Satz 1 AbgG begrenzt diesen Erstattungsanspruch auf den mandatsbedingten Aufwand. Die hiervon losgelöste Wahrnehmung von Partei- oder Wahlkampfaufgaben ist nicht erstattungsfähig (vgl. BVerfGE 140, 1 <34 Rn. 94>). Staatliche Mittel zur Beschäftigung von Mitarbeitern werden dem Abgeordneten nur zur Verfügung gestellt, soweit sich deren Tätigkeit auf die Unterstützung bei der Erledigung der parlamentarischen Arbeit beschränkt.

86

bb) Als Verbindungsglied zwischen Parlament und Bürger gehört es zu den Hauptaufgaben des Abgeordneten, insbesondere im eigenen Wahlkreis engen Kontakt mit der Partei, den Verbänden und nicht organisierten Bürgern zu halten (vgl. BVerfGE 134, 141 <173 Rn. 96>; 140, 1 <33 Rn. 92>). Diese Aufgabe endet nicht mit dem Beginn des Wahlkampfes, sondern erst, wenn der Abgeordnete aus dem Parlament ausscheidet. Zur Wahrnehmung dieser Aufgabe umfasst der Anspruch des Bundestagsabgeordneten auf Ersatz der Aufwendungen für die Beschäftigung von Mitarbeitern gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 AbgG auch den Einsatz von Mitarbeitern im Wahlkreis (vgl. BVerfGE 140, 1 <33 Rn. 93>). Dabei ist die Erstattungsfähigkeit von Aufwendungen auch in diesem Fall auf Tätigkeiten beschränkt, die den Abgeordneten bei der Ausübung seines Mandats unterstützen.

87

cc) Zwar ist dem Beschwerdeführer zuzugestehen, dass die Wahlkreisarbeit des Abgeordneten in die Bewertung seiner Tätigkeit einfließt und auf die Wahlchancen seiner Person und der von ihm vertretenen Partei zurückwirkt. Auch geht gegen Ende der Legislaturperiode die Beanspruchung des Abgeordneten durch Tätigkeiten im Plenum, in den Ausschüssen und den Fraktionen des Parlaments zurück, während die Beanspruchung im Wahlkreis steigt. Dies allein rechtfertigt es jedoch nicht, den Anspruch des Abgeordneten auf Ersatz seines mandatsbedingten Aufwands gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 AbgG während des Wahlkampfes dem Grunde nach von vornherein in Abrede zu stellen.

88

dd) Zutreffend ist freilich die Beobachtung, dass eine trennscharfe Abgrenzung zwischen der Wahrnehmung des Abgeordnetenmandats und der Betätigung im Wahlkampf nicht in jedem Einzelfall möglich sein wird. Dies gilt beispielsweise für die vom Beschwerdeführer aufgeführten Fälle der Beantwortung von Presse- und Bürgeranfragen in Wahlkampfzeiten oder die Koordination von Veranstaltungen und öffentlichen Terminen. Selbst wenn, wie der Beschwerdeführer vorträgt, die wahlkreisbezogenen Aktivitäten der Abgeordneten und der Umfang der an sie gerichteten Anfragen in Vorwahlzeiten sprunghaft ansteigen, hindert dies den Einsatz der Abgeordnetenmitarbeiter jedoch nicht, soweit im Einzelfall ein hinreichender Mandatsbezug erkennbar vorliegt. Ist dieser gegeben, ist der dienstliche Einsatz des Abgeordnetenmitarbeiters als Unterstützung des Abgeordneten bei der Wahrnehmung seines Mandats nicht zu beanstanden. Daraus sich ergebende Ungleichheiten für die Teilnehmer am politischen Wettbewerb sind als Teil des Prozesses einer freiheitlichen Demokratie, wie das Grundgesetz sie versteht, hinzunehmen (vgl. BVerfGE 138, 102 <114 f. Rn. 44>; 140, 1 <28 Rn. 76, 33 f. Rn. 93>). Die Unterstützung des Abgeordneten bei der Wahrnehmung seiner Mandatspflichten durch eigene Mitarbeiter und die Erstattung des damit verbundenen Aufwands gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 AbgG ist auch in Wahlkampfzeiten kein Eingriff in den Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien. Etwas anderes kann nur gelten, soweit Abgeordnetenmitarbeiter im Rahmen ihrer dienstlichen Tätigkeit auch jenseits der Unterstützung des Abgeordneten bei der Wahrnehmung seines Mandats für Parteiaufgaben oder Wahlkampfaktivitäten eingesetzt werden.

89

b) Soweit der Beschwerdeführer eine solche Beteiligung von Abgeordnetenmitarbeitern am Bundestagswahlkampf 2013 in großem Umfang geltend macht, ist der behauptete Wahlfehler nicht nachgewiesen (aa). Die dafür vom Beschwerdeführer vorgetragenen Umstände scheiden als Indizien aus, weil sie von vornherein nicht geeignet sind, einen unzulässigen Einsatz von Abgeordnetenmitarbeitern in diesem Wahlkampf zu belegen oder sich nicht verifizieren lassen (bb). Soweit eine punktuelle Beteiligung einzelner Abgeordnetenmitarbeiter am Bundestagswahlkampf 2013 im Rahmen ihrer dienstlichen Tätigkeit möglich erscheint, fehlt es jedenfalls an der Mandatsrelevanz dieses Verhaltens (cc).

90

aa) (1) Nehmen Abgeordnetenmitarbeiter während der Dienstzeit an Wahlkampfeinsätzen teil und wird dem Abgeordneten der dabei entstehende Aufwand ersetzt, liegt eine unzulässige Inanspruchnahme staatlicher Ressourcen zu Parteizwecken vor. Dann ist zugleich ein Wahlfehler in Form einer Verletzung des Grundsatzes der Chancengleichheit der Parteien gemäß Art. 21 Abs. 1 GG gegeben. Voraussetzung der Begründetheit einer hierauf gestützten Wahlprüfungsbeschwerde ist allerdings, dass eine Beteiligung von Abgeordnetenmitarbeitern am Wahlkampf unter Verstoß gegen § 12 Abs. 3 Satz 1 AbgG nachgewiesen werden kann und dieser nach dem Grundsatz potentieller Kausalität (siehe oben B. I. 2. b) Rn. 40) Mandatsrelevanz zukommt. Die bloße Möglichkeit oder Vermutung eines derartigen Verhaltens genügt demgegenüber nicht.

91

(2) Dabei ist für die Annahme einer "Art Beweis des ersten Anscheins" kein Raum. Ihr steht entgegen, dass die durch die Wahl hervorgebrachte Volksvertretung wegen der ihr zukommenden Funktionen größtmöglichen Bestandsschutz verlangt (vgl. BVerfGE 89, 246 <253>). Daher ist das festgestellte Wahlergebnis allein dann infrage zu stellen und kommt ein Eingriff in die sich daraus ergebende Zusammensetzung des Parlaments nur in Betracht, wenn feststeht, dass die Ordnungsgemäßheit der Wahl in einer Weise gestört wurde, die sich mandatsrelevant ausgewirkt haben kann. Auch wenn die Feststellung eines missbräuchlichen Einsatzes von Abgeordnetenmitarbeitern im Wahlkampf auf nicht unerhebliche Schwierigkeiten im tatsächlichen Bereich stößt, vermindert dies die Anforderungen an den Nachweis des behaupteten Wahlfehlers nicht (vgl. zur Substantiierungspflicht trotz tatsächlicher Schwierigkeiten BVerfGE 40, 11 <32>; 59, 119 <124>; 66, 369 <379>; 122, 304 <309>).

92

(3) Vielmehr haben die Wahlprüfungsorgane auf der Grundlage eines hinreichend substantiierten Sachvortrags das Vorliegen des behaupteten Wahlfehlers von Amts wegen zu ermitteln. Dabei bestimmen sich Inhalt und Umfang dieser Ermittlungspflicht nach der Art des beanstandeten Wahlergebnisses und des gerügten Wahlmangels (vgl. BVerfGE 85, 148 <160>). Lässt sich letztendlich nicht aufklären, ob ein Wahlfehler vorliegt oder ein vorliegender Wahlfehler sich auf die Zusammensetzung des Parlaments ausgewirkt haben kann, bleibt die Wahlprüfungsbeschwerde ohne Erfolg (vgl. Bechler, in: Burkiczak/Dollinger/Schorkopf, BVerfGG, 2015, § 48 Rn. 32).

93

bb) Der ganz überwiegende Teil der vom Beschwerdeführer angeführten Umstände ist zum Nachweis eines missbräuchlichen Einsatzes von Abgeordnetenmitarbeitern im Bundestagswahlkampf 2013 von vornherein nicht geeignet. Dies gilt für die allgemeinen Ausführungen des Beschwerdeführers zur Höhe, zu den Steigerungsraten und zum Verfahren der Festsetzung der Mittel für Abgeordnetenmitarbeiter (1) sowie zur unzureichenden Transparenz und Kontrolle der Mittelverwendung (2) ebenso wie für die Darlegungen zur Beschäftigung von Parteifunktionären (3) und zur Verlagerung des Schwerpunktes der Abgeordnetentätigkeit während des Wahlkampfes vom Parlament in den Wahlkreis (4). Der anonymen Äußerung eines ehemaligen Fraktionsmitarbeiters kommt kein Beweiswert zu, weil sie sich nicht verifizieren lässt (5).

94

(1) (a) Der bloße Hinweis auf die Höhe der für die Beschäftigung von Abgeordnetenmitarbeitern insgesamt und individuell zur Verfügung gestellten Mittel und deren Steigerungsraten sowie der Vergleich der Höhe dieser Mittel mit den angeblich geringeren Wahlkampfbudgets der Abgeordneten erlauben keinen Rückschluss auf einen missbräuchlichen, während ihrer Dienstzeit erfolgten Einsatz von Abgeordnetenmitarbeitern im Bundestagswahlkampf 2013. Eine dahingehende Indizwirkung könnte allenfalls in Betracht kommen, wenn feststellbar wäre, dass Mittel in einem Umfang bereitgestellt wurden, der zur Unterstützung des Abgeordneten bei der Erledigung der parlamentarischen Arbeit nicht erforderlich und daher geeignet war, einer Verwendung für Partei- oder Wahlkampfzwecke Vorschub zu leisten (vgl. dazu BVerfGE 140, 1 <34 Rn. 95>). Dazu verhält sich der Beschwerdeführer aber nicht. Auch ansonsten ist nicht erkennbar, dass die Höhe der Mittel für Abgeordnetenmitarbeiter einen Umfang erreicht hätte, der das zur Erstattung des mandatsbedingten Aufwandes notwendige Maß übersteigt.

95

(b) Ebenso müssen die Ausführungen des Beschwerdeführers zur Verfassungswidrigkeit des Verfahrens zur Festsetzung der Mittel für Abgeordnetenmitarbeiter außer Betracht bleiben. Selbst wenn sein Vortrag zur Verletzung des Gesetzesvorbehalts zuträfe, rechtfertigte dies nicht die Annahme, dass mit den im Bundeshaushalt ausgewiesenen Mitteln der unzulässige Einsatz von Abgeordnetenmitarbeitern im Bundestagswahlkampf 2013 finanziert wurde. Insoweit fehlt der konkrete Bezug zu der mit der Wahlprüfungsbeschwerde angegriffenen Bundestagswahl. Die behauptete Verfassungswidrigkeit des Verfahrens zur Festsetzung der Mittel vermag deren zweckwidrige Verwendung nicht nachzuweisen.

96

(2) Auch die Ausführungen des Beschwerdeführers zur unzureichenden Kontrolle der Mittelverwendung lassen nicht den Schluss zu, Abgeordnetenmitarbeiter seien in großem Umfang während ihrer Dienstzeit im Bundestagswahlkampf 2013 eingesetzt worden. Der Beschwerdeführer verweist darauf, dass eine Kontrolle der Verwendung der für die Beschäftigung von Abgeordnetenmitarbeitern festgesetzten Mittel durch den Bundesrechnungshof seit 1993 nicht mehr stattfinde und die Abgeordneten auch ansonsten keinerlei öffentliche Rechenschaft ablegen müssten. Diese vom Beschwerdeführer geltend gemachten Umstände erlauben aber nicht den Rückschluss auf einen umfänglichen Einsatz von Abgeordnetenmitarbeitern im Bundestagswahlkampf 2013. Allenfalls sind die behaupteten Defizite geeignet, unzulässige Wahlkampfeinsätze von Abgeordnetenmitarbeitern zu erleichtern. Der hinreichende Nachweis, dass derartige Einsätze im Bundestagswahlkampf 2013 tatsächlich stattgefunden haben, kann dadurch aber nicht ersetzt werden.

97

(3) Nichts anderes gilt, soweit der Beschwerdeführer geltend macht, Parteifunktionäre würden häufig als Abgeordnetenmitarbeiter eingestellt und bildeten das eigentliche organisatorische Rückgrat der Parteien. Allein aus dem Umstand, dass Abgeordnetenmitarbeiter Parteifunktionen wahrnehmen, folgt nicht, dass sie dafür in unzulässiger Weise aus öffentlichen Mitteln entlohnt werden (vgl. BVerfGE 140, 1 <35 Rn. 99>). Ebenso wenig lässt sich aus der Beschäftigung von Funktionsträgern der Partei folgern, dass diese während der Dienstzeit in unzulässiger Weise an Wahlkampfeinsätzen teilnehmen. Konkret auf einzelne Parteifunktionäre bezogene Sachverhalte oder sonstige Belege hierfür benennt der Beschwerdeführer nicht. Auch insoweit reicht sein Vortrag über die bloße Vermutung eines Wahlfehlers nicht hinaus.

98

(4) Ebenfalls nicht geeignet, den missbräuchlichen Einsatz von Abgeordnetenmitarbeitern im Wahlkampf zu belegen ist der allgemeine Hinweis, dass in einem Wahljahr mit Beginn der Sommerferien im Parlament "alle Räder still" stünden, während die Zahl der Anfragen, Veranstaltungen und Pressetermine stark anwachse. Allein aus dem Umstand, dass sich während der Sommerpause - insbesondere in Wahljahren - der Tätigkeitsschwerpunkt des Abgeordneten in seinem Wahlkreis befindet, folgt nicht, dass die Mitarbeiter während ihrer Dienstzeit keine mandatsbezogenen Tätigkeiten erledigen, sondern Parteiaufgaben oder Wahlkampfeinsätze wahrnehmen.

99

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 13 AbgG. Auch wenn nach dieser Vorschrift im Falle des Eintritts in den Deutschen Bundestag im letzten Vierteljahr der Wahlperiode ein Anspruch auf Aufwandsentschädigung nicht besteht, lässt dies keinen Rückschluss auf den mandatsbedingten Arbeitsanfall eines längerfristig dem Bundestag angehörenden Abgeordneten zu. Erst recht erlaubt dies nicht die Unterstellung, dass Mitarbeiter längerfristig tätiger Abgeordneter in dem genannten Zeitraum jenseits der Grenzen des § 12 Abs. 3 Satz 1 AbgG eingesetzt würden.

100

Ob die Behauptung des Beschwerdeführers zutrifft, ein immer größerer Teil der rund 4.400 persönlichen Mitarbeiter der Abgeordneten würde im Wahlkreis eingesetzt, kann deshalb dahinstehen. Selbst wenn dem so wäre, folgte daraus nicht, dass diese Mitarbeiter während ihrer Dienstzeit Aufgaben ohne Mandatsbezug wahrgenommen und sich am Bundestagswahlkampf 2013 beteiligt haben.

101

(5) Schließlich muss die Behauptung des Beschwerdeführers, ein ehemaliger Mitarbeiter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion habe geäußert, alle Abgeordneten beschäftigten ihre Mitarbeiter auch zu Wahlkampfzwecken, außer Betracht bleiben. Es handelt sich insoweit um ein anonymes Zitat aus einer Presseerklärung des SWR vom 17. September 2013. Der Beschwerdeführer hat weder den Urheber dieses Zitats benannt, noch sonstige Möglichkeiten einer Verifizierung der Aussage aufgezeigt.

102

cc) Anhaltspunkte für einen unzulässigen Einsatz von Abgeordnetenmitarbeitern im Bundestagswahlkampf 2013 können sich daher nur aus den im Bericht des Politikmagazins "Report Mainz" vom 17. September 2013 angesprochenen Sachverhalten und Äußerungen ergeben (1). Insoweit kann aber nach dem Ergebnis der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Berlin (2) der Einsatz von Abgeordnetenmitarbeitern im Wahlkampf während der Dienstzeit nur in sehr geringem, punktuellem Umfang als nachgewiesen angesehen werden (3). Möglichkeiten zu einer weitergehenden Aufklärung der angesprochenen Sachverhalte von Amts wegen bestehen nicht (4). Soweit überhaupt ein unzulässiger Einsatz von Abgeordnetenmitarbeitern im Bundestagswahlkampf 2013 angenommen werden kann, kommt dem keine Mandatsrelevanz zu (5).

103

(1) In dem Bericht des Politikmagazins "Report Mainz" vom 17. September 2013 kommen drei Bundestagsabgeordnete und drei ihrer Mitarbeiter zu Wort, deren Aussagen für einen Einsatz der Mitarbeiter im Wahlkampf sprechen. So erklärte der Bundestagsabgeordnete Bx., dass man im Wahlkampf die Mitarbeiter im Wahlkreis zusammenziehe und alle mithelfen würden. Seine Mitarbeiterin Z. behauptete, jeden Tag zehn bis zwölf Stunden Wahlkampf zu machen. Der Abgeordnete By. bezeichnete es als Vorteil, "jemand Erfahrenen dann auch als Hauptamtlichen zu haben", und bezog auf Nachfrage diese Aussage auch auf den Wahlkampf. Die Leiterin seines Wahlkreisbüros H. gab an, "achtzig Prozent Wahlkampf und zwanzig Prozent Wahlkreisarbeit im Moment" zu erledigen. Der Mitarbeiter P. der (damaligen) Bundestagsabgeordneten H. verwies darauf, dass die Mitarbeiter aktuell "vor allem im Wahlkampf" eingebunden seien. Schließlich bemerkte der (damalige) Bundestagsabgeordnete Bz., wer seinen Wahlkampf ohne seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfolgreich machen könne, habe entweder "verdammt viele finanzielle Ressourcen oder den Wert seiner Mitarbeiter nicht verstanden". In dem Bericht des Politikmagazins waren diese Aussagen unter anderem mit Bildern unterlegt, die die Mitarbeiterin H. am 10. September 2013 um kurz nach sechs Uhr morgens beim Verteilen von Brezeln und die Mitarbeiterin Z. beim Verteilen von Blumen im Rahmen einer Tür-zu-Tür-Aktion zeigten.

104

(2) Demgegenüber erklärten in dem aufgrund des "Report Mainz"-Berichts wegen des Verdachts der Untreue eingeleiteten Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Berlin die hierzu fast vollzählig vernommenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der betroffenen Bundestagsabgeordneten übereinstimmend, dass eine Beteiligung am Wahlkampf ausschließlich ehrenamtlich oder aufgrund eines gesonderten Auftrags und außerhalb der Dienstzeit stattgefunden habe. Seitens der Abgeordneten seien entsprechende Ansprachen in deutlicher Form erfolgt. Die im Filmbeitrag gezeigten Einstellungen seien auf Bitten des Fernsehteams gestellt worden. Weiterhin äußerten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, dass in Wahlkampfzeiten Mehrarbeit aufgrund einer erhöhten Zahl von Presse- und Bürgeranfragen und eines größeren Aufwandes zur Koordinierung und Vorbereitung von Terminen anfalle. Dabei wurde eingeräumt, dass eine Trennung zwischen mandats- und wahlkampfbezogenem Aufwand nicht immer möglich sei. Zugleich wurde teilweise detailliert dargelegt, in welcher Weise versucht worden sei, eine organisatorische, personelle und räumliche Trennung zwischen Wahlkampforganisation und Wahlkreisarbeit herbeizuführen. Die Mitarbeiterin Z. gab an, ihre Aussage, zehn bis zwölf Stunden Wahlkampf zu machen, habe sich auf das quantitativ gestiegene Aufkommen an Terminen und Anfragen bezogen und sei vielleicht etwas übertrieben gewesen. Auch die Büroleiterin des Abgeordneten By. erklärte, grundsätzlich seien im Wahlkreisbüro keine Wahlkampfaufgaben angefallen. Man habe mal für die gefilmte Brezelaktion Aufkleber auf Wahlkampftüten geklebt. Die Teilnahme an dieser Aktion habe auf Wunsch der Projektleiterin des SWR außerhalb der Dienstzeiten stattgefunden. Die Aussage "achtzig Prozent Wahlkampf und zwanzig Prozent Wahlkreisarbeit" beziehe sich auf den erhöhten Koordinationsaufwand angesichts der Fülle von Terminen und Anfragen während des Wahlkampfes.

105

Die Staatsanwaltschaft Berlin sah danach eine Beteiligung von Abgeordnetenmitarbeitern am Wahlkampf während der Dienstzeit nur in geringem Umfang als nachgewiesen an (Packen von Wahlkampftüten in den Wahlkreisbüros der Abgeordneten By. und H., Benutzung eines PCs für Wahlkampfaktionen, Betrieb eines Wahlkreisbüros in einer Bürogemeinschaft mit dem Kreisverband einer Partei) und stellte das Ermittlungsverfahren mit Verfügung vom 9. November 2015 gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein.

106

(3) Vor diesem Hintergrund kann die Behauptung des Beschwerdeführers, im Bundestagswahlkampf 2013 seien in großem Umfang unter Verstoß gegen § 12 Abs. 3 Satz 1 AbgG Abgeordnetenmitarbeiter eingesetzt worden, nicht als nachgewiesen angesehen werden.

107

(a) Dies gilt bereits hinsichtlich der im Bericht des Politikmagazins "Report Mainz" geschilderten Einzelfälle. Zwar sprechen die in diesem Bericht getätigten Aussagen für eine intensive Wahlkampfbeteiligung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der genannten Abgeordneten. Zudem vermögen die Versuche einer Relativierung dieser Aussagen durch die Mitarbeiterinnen Z. und H. in dem durch die Staatsanwaltschaft Berlin eingeleiteten Ermittlungsverfahren nicht restlos zu überzeugen. Der Annahme eines umfänglichen dienstlichen Einsatzes im Bundestagswahlkampf 2013 stehen jedoch die übereinstimmenden Aussagen der nahezu vollzählig vernommenen übrigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der genannten Abgeordneten entgegen, wonach die Beteiligung am Wahlkampf außerhalb der Dienstzeiten ehrenamtlich oder aufgrund eines gesonderten Auftrags der jeweiligen Partei erfolgt sei. Angesichts dieser nicht widerlegbaren Einlassungen teilt der Senat die Einschätzung der Ermittlungsbehörde, dass lediglich in geringem Umfang ein dienstlicher Wahlkampfeinsatz der Abgeordnetenmitarbeiter erwiesen ist.

108

(b) Hinzu kommt, dass sich der Bericht des Politikmagazins "Report Mainz" vom 17. September 2013 auf die Beschreibung weniger Einzelfälle beschränkt. Die Übertragbarkeit der beschriebenen Sachverhalte auf die Gesamtheit der Bundestagsabgeordneten wird vom Beschwerdeführer nicht begründet, sondern lediglich unterstellt. Sie ist auch nicht in sonstiger Weise ersichtlich.

109

(4) Eine weitergehende Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen kommt nicht in Betracht, da es an tauglichen Ansatzpunkten für ergänzende Ermittlungen fehlt.

110

(a) Soweit der Beschwerdeführer die Vernehmung der verantwortlichen Autoren des "Report Mainz"-Beitrags zum Beweis der Behauptung beantragt hat, dass die im Film gezeigten Szenen nicht gestellt seien, kommt es darauf nicht an. Selbst wenn es sich entgegen der Einlassung der im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren vernommenen Personen nicht um gestellte Szenen handeln würde, könnte daraus nicht gefolgert werden, dass ein Einsatz der Abgeordnetenmitarbeiter im Bundestagswahlkampf 2013 in großem Umfang stattgefunden hat. Die Autoren des Fernsehbeitrags könnten allenfalls etwas zu den von ihnen gefilmten, punktuellen Situationen sagen. Außerdem wäre damit die Behauptung der ehrenamtlichen Betätigung im Wahlkampf - jedenfalls über die konkret gefilmten Situationen hinaus - nicht widerlegt. Aus den gleichen Gründen war die vom Beschwerdeführer begehrte Vernehmung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der im "Report Mainz"-Bericht gezeigten Bundestagsabgeordneten nicht geboten.

111

(b) Sonstige Möglichkeiten zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen bestehen nicht. Weitere überprüfbare Umstände, die geeignet wären, die Behauptung des Beschwerdeführers zum umfänglichen Einsatz der Abgeordnetenmitarbeiter im Bundestagswahlkampf 2013 zu belegen, sind weder von diesem vorgetragen noch in sonstiger Weise ersichtlich.

112

In diesem Zusammenhang ist allerdings nicht von der Hand zu weisen, dass der Einsatz von Abgeordnetenmitarbeitern sich öffentlich weitgehend nicht nachvollziehen lässt. Zugleich kann der Abgeordnete bei der Wahrnehmung seines Mandats in erheblichem Umfang auf staatlich finanzierte Ressourcen zurückgreifen. Neben den für die Beschäftigung von Abgeordnetenmitarbeitern zur Verfügung gestellten Mitteln (2017: 212,620 Mio. Euro - vgl. Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2017 vom 20. Dezember 2016, BGBl I S. 3016 ff. [Haushaltsgesetz 2017], Einzelplan 02 , Kapitel 0212, Titel 411 03), die in ihrem Volumen die Mittel der staatlichen Parteienfinanzierung deutlich übersteigen (2017: 143,000 Mio. Euro - vgl. Haushaltsgesetz 2017, Einzelplan 60 , Kapitel 6002, Titel 684 03), sind insoweit auch die den Fraktionen gewährten Zuschüsse (2017: 88,097 Mio. Euro - vgl. Haushaltsgesetz 2017, Einzelplan 02 , Kapitel 0212, Titel 684 01) und die Möglichkeiten des Abgeordneten in Rechnung zu stellen, sich der Unterstützungsleistungen der Verwaltung des Deutschen Bundestages, insbesondere des Wissenschaftlichen Dienstes, zu bedienen. Die sich aus einem ordnungsgemäßen Einsatz dieser Ressourcen ergebenden Ungleichheiten für die Teilnehmer am politischen Wettbewerb sind zwar als Teil des Prozesses einer freiheitlichen Demokratie, wie das Grundgesetz sie versteht, hinzunehmen (vgl. BVerfGE 138, 102 <114 f. Rn. 44>; 140, 1 <28 Rn. 76, 33 f. Rn. 93>). Angesichts des erheblichen Umfangs der zur Verfügung gestellten Ressourcen gebietet der Grundsatz der Chancengleichheit aber eine strikte Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben beim Einsatz dieser Mittel. Ihrer zweckwidrigen Verwendung ist durch geeignete Vorkehrungen entgegenzuwirken (vgl. zum Einsatz von Druckwerken der Bundesregierung im Wahlkampf: BVerfGE 44, 125 <126 Leitsatz 9, 154>).

113

Dies gilt für die Mittel zur Beschäftigung von Abgeordnetenmitarbeitern in besonderer Weise. Die unvermeidbaren Überschneidungen zwischen der Wahrnehmung des Abgeordnetenmandats im Wahlkreis und der Beteiligung am Wahlkampf führen zu in hohem Maße missbrauchsanfälligen Situationen. Hinzu kommt, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Abgeordneten regelmäßig ein großes politisches und nicht selten auch ein persönliches, auf eine weitere Beschäftigung gerichtetes Interesse am Wahlerfolg des einzelnen Abgeordneten haben. Umso notwendiger ist es, zur Gewährleistung eines chancengleichen Wettbewerbs der politischen Parteien durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass die Abgeordnetenmitarbeiter sich im Rahmen ihrer dienstlichen Tätigkeit ausschließlich auf die Unterstützung des Abgeordneten bei der Erledigung seiner parlamentarischen Arbeit im Sinne von § 12 Abs. 3 Satz 1 AbgG beschränken.

114

Dieser gebotenen Sicherstellung eines hinreichenden Mandatsbezugs bei der Tätigkeit der Abgeordnetenmitarbeiter genügt der gegenwärtige Regelungsbestand nicht. Der Abgeordnete erhält zwar gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 AbgG Aufwendungen für die Beschäftigung von Mitarbeitern nur "gegen Nachweis" ersetzt. Dabei hat er gemäß § 12 Abs. 3 Satz 5 AbgG das Haushaltsgesetz und die vom Ältestenrat erlassenen Ausführungsbestimmungen zu beachten und insbesondere einen Arbeitsvertrag vorzulegen, der mindestens die vom Ältestenrat in einem Musterarbeitsvertrag getroffenen Regelungen enthalten muss. Eine zweckwidrige Verwendung der Mittel hat der Bundestagspräsident zu unterbinden (vgl. BVerfGE 80, 188 <231>) sowie zu viel gezahlte Beträge zurückzufordern. Außerdem sind bei einem Einsatz der Mittel zur unzulässigen Parteienfinanzierung Strafzahlungen gemäß § 31c PartG festzusetzen (vgl. zum Ganzen: BVerfGE 140, 1 <36 f. Rn. 103>). Außerdem kann der rechtswidrige Einsatz von Abgeordnetenmitarbeitern für Parteizwecke, wie der vorliegende Fall zeigt, auch gemäß § 266 StGB strafbar sein. Darüber hinausgehende Vorkehrungen zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Verwendung der dem Abgeordneten zur Verfügung stehenden Mittel und insbesondere zum Ausschluss des spezifischen Risikos eines unzulässigen Einsatzes von Abgeordnetenmitarbeitern im Wahlkampf bestehen jedoch nicht. Insbesondere ist der Abgeordnete - im Unterschied zu den Fraktionen des Deutschen Bundestages (§ 52 Abs. 1 AbgG) - nicht verpflichtet, über den Einsatz dieser Mittel öffentlich Rechenschaft abzulegen. Eine externe Kontrolle der Mittelverwendung findet nicht statt. Spezifische Vorkehrungen zur Nachvollziehbarkeit der Einhaltung der Grenzen des § 12 Abs. 3 Satz 1 AbgG fehlen. Damit wird der besonderen Missbrauchsanfälligkeit hinsichtlich des Einsatzes von Abgeordnetenmitarbeitern im Wahlkampf nicht ausreichend Rechnung getragen. Der Deutsche Bundestag wird zur Wahrung der Chancengleichheit der Parteien (Art. 21 Abs. 1 GG) durch ergänzende Regelungen des Abgeordnetengesetzes oder anderer untergesetzlicher Vorschriften dafür Sorge zu tragen haben, dass der Verwendung von Abgeordnetenmitarbeitern im Wahlkampf verstärkt entgegengewirkt wird und die Einhaltung der Grenzen des § 12 Abs. 3 Satz 1 AbgG nachvollziehbarer Kontrolle unterliegt.

115

(5) Der vorliegenden Wahlprüfungsbeschwerde vermag dieses Regelungsdefizit jedoch nicht zum Erfolg zu verhelfen. Die bloße Möglichkeit des unzulässigen Einsatzes von Abgeordnetenmitarbeitern genügt zur Feststellung eines die Gültigkeit der Wahl berührenden Wahlfehlers nicht. Erforderlich ist vielmehr der konkrete Nachweis, dass eine Beteiligung von Abgeordnetenmitarbeitern am Wahlkampf während der Dienstzeit stattgefunden hat und dadurch der chancengleiche Wettbewerb zwischen den Parteien in mandatsrelevanter Weise gestört wurde. Dass dies - wie vom Beschwerdeführer behauptet - im Bundestagswahlkampf 2013 der Fall war, kann nach dem vorstehend Gesagten nicht festgestellt werden.

116

Soweit auf der Grundlage des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens punktuell ein unzulässiger Einsatz von Abgeordnetenmitarbeitern im Bundestagswahlkampf 2013 in Betracht kommt, fehlt es an der erforderlichen Mandatsrelevanz. Es ist nicht erkennbar, dass das Packen von Wahlkampftüten in den Wahlkreisbüros der Abgeordneten By. und H. und die Benutzung eines Dienst-PCs anstelle eines privaten Laptops in mandatsrelevanter Weise auf die Wahl eingewirkt haben. Dem steht im Fall der Abgeordneten H. bereits entgegen, dass diese nicht erneut in den Bundestag eingezogen ist. Auch im Fall des Abgeordneten By. ist eine mandatsrelevante Auswirkung der festgestellten Sachverhalte fernliegend. Weder steht fest, in welchem Umfang und mit welchem Zeitaufwand Wahlkampftüten durch seine Mitarbeiter gepackt wurden, noch ist ersichtlich, dass die Verteilung dieser Tüten das Wahlergebnis in relevanter Weise beeinflusst hat.

III.

117

Auch eine Verletzung subjektiver Rechte des Beschwerdeführers gemäß § 48 Abs. 1 und 3 BVerfGG liegt nicht vor.

118

1. Soweit bereits kein Wahlfehler gegeben ist, ist eine Verletzung subjektiver Rechte ausgeschlossen. Dies gilt für die Sperrklausel (mit und ohne Eventualstimmrecht) und für den behaupteten Einsatz von Abgeordnetenmitarbeitern im Wahlkampf in großem Umfang.

119

2. Hinsichtlich der sich aus den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen ergebenden Einzelfälle unzulässiger Wahlkampftätigkeit ist eine subjektive Rechtsverletzung nicht erkennbar. Eine unzulässige Beteiligung von Abgeordnetenmitarbeitern am Bundestagswahlkampf greift primär in den Anspruch auf Chancengleichheit der politischen Parteien gemäß Art. 21 Abs. 1 GG ein. Eine darüber hinausgehende Verletzung der subjektiven Rechte des Beschwerdeführers ist nicht ersichtlich. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass durch die geschilderten Vorfälle in den Wahlkreisbüros der Abgeordneten By. und H. das Wahlrecht des Beschwerdeführers in irgendeiner Weise betroffen wurde.

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Gesetz über das Bundesverfassungsgericht


Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG

Strafgesetzbuch - StGB | § 266 Untreue


(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder ein

Strafprozeßordnung - StPO | § 170 Entscheidung über eine Anklageerhebung


(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht. (2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren

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(1) Anträge, die das Verfahren einleiten, sind schriftlich beim Bundesverfassungsgericht einzureichen. Sie sind zu begründen; die erforderlichen Beweismittel sind anzugeben. (2) Der Vorsitzende oder, wenn eine Entscheidung nach § 93c in Betracht kom

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 21


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(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen. (2) W

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(1) Wird ein Richter des Bundesverfassungsgerichts wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, so entscheidet das Gericht unter Ausschluß des Abgelehnten; bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag. (2) Die Ablehnung ist zu

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(1) Parteien sind berechtigt, Spenden anzunehmen. Bis zu einem Betrag von 1 000 Euro kann eine Spende mittels Bargeld erfolgen. Parteimitglieder, die Empfänger von Spenden an die Partei sind, haben diese unverzüglich an ein für Finanzangelegenheiten

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(1) Ein Mitglied des Bundestages erhält zur Abgeltung seiner durch das Mandat veranlaßten Aufwendungen eine Amtsausstattung als Aufwandsentschädigung. Die Amtsausstattung umfaßt Geld- und Sachleistungen. (2) Ein Mitglied des Bundestages erhält ei

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(1) Die Wahlprüfung ist Sache des Bundestages. Er entscheidet auch, ob ein Abgeordneter des Bundestages die Mitgliedschaft verloren hat. (2) Gegen die Entscheidung des Bundestages ist die Beschwerde an das Bundesverfassungsgericht zulässig. (3) Das

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(1) Die Beschwerde gegen den Beschluß des Bundestages über die Gültigkeit einer Wahl, die Verletzung von Rechten bei der Vorbereitung oder Durchführung der Wahl, soweit sie der Wahlprüfung nach Artikel 41 des Grundgesetzes unterliegen, oder den Verlu

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In Zweifelsfragen ist das Mitglied des Bundestages verpflichtet, sich durch Rückfragen beim Präsidenten über den Inhalt seiner Pflichten nach diesen Verhaltensregeln zu vergewissern.

Parteiengesetz - PartG | § 31c Rechtswidrig erlangte oder nicht veröffentlichte Spenden


Hat eine Partei Spenden unter Verstoß gegen § 25 Abs. 2 angenommen und nicht gemäß § 25 Abs. 4 an den Präsidenten des Deutschen Bundestages weitergeleitet, entsteht gegen sie ein Anspruch in Höhe des Dreifachen des rechtswidrig erlangten Betrages; be

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Die anzeigepflichtigen Angaben gemäß § 45 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 2 bis 4 werden auf den Internetseiten des Bundestages veröffentlicht. Soweit der Wert der Angaben nach § 45 Absatz 3 nicht bezifferbar ist, erfolgt die Veröffentlichung unter Besc

Abgeordnetengesetz - AbgG | § 53 Fraktionsbildung


(1) Mitglieder des Bundestages können sich zu Fraktionen zusammenschließen. (2) Das Nähere regelt die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages.

Abgeordnetengesetz - AbgG | § 52 Ausführungsbestimmungen


Der Ältestenrat erlässt Ausführungsbestimmungen über Inhalt und Umfang der im Zehnten und Elften Abschnitt vorgesehenen Pflichten.

Abgeordnetengesetz - AbgG | § 13 Wegfall des Anspruchs auf Aufwandsentschädigungen


Ein Mitglied des Bundestages, das im letzten Vierteljahr der Wahlperiode in den Bundestag eintritt, hat keinen Anspruch auf die Leistungen nach § 12 Abs. 2 und 3, wenn der Bundestag seine Tätigkeit bereits abgeschlossen hat.

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(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

(2) Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.

(3) Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz.

(1) Die Wahlprüfung ist Sache des Bundestages. Er entscheidet auch, ob ein Abgeordneter des Bundestages die Mitgliedschaft verloren hat.

(2) Gegen die Entscheidung des Bundestages ist die Beschwerde an das Bundesverfassungsgericht zulässig.

(3) Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

(1) Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muß demokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben.

(2) Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.

(3) Parteien, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen. Wird der Ausschluss festgestellt, so entfällt auch eine steuerliche Begünstigung dieser Parteien und von Zuwendungen an diese Parteien.

(4) Über die Frage der Verfassungswidrigkeit nach Absatz 2 sowie über den Ausschluss von staatlicher Finanzierung nach Absatz 3 entscheidet das Bundesverfassungsgericht.

(5) Das Nähere regeln Bundesgesetze.

(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

(2) Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.

(3) Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muß demokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben.

(2) Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.

(3) Parteien, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen. Wird der Ausschluss festgestellt, so entfällt auch eine steuerliche Begünstigung dieser Parteien und von Zuwendungen an diese Parteien.

(4) Über die Frage der Verfassungswidrigkeit nach Absatz 2 sowie über den Ausschluss von staatlicher Finanzierung nach Absatz 3 entscheidet das Bundesverfassungsgericht.

(5) Das Nähere regeln Bundesgesetze.

(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

(2) Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.

(3) Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

(2) Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.

(3) Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz.

Die anzeigepflichtigen Angaben gemäß § 45 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 2 bis 4 werden auf den Internetseiten des Bundestages veröffentlicht. Soweit der Wert der Angaben nach § 45 Absatz 3 nicht bezifferbar ist, erfolgt die Veröffentlichung unter Beschreibung der eingeräumten Rechtsposition.

Ein Mitglied des Bundestages, das im letzten Vierteljahr der Wahlperiode in den Bundestag eintritt, hat keinen Anspruch auf die Leistungen nach § 12 Abs. 2 und 3, wenn der Bundestag seine Tätigkeit bereits abgeschlossen hat.

(1) Wird ein Richter des Bundesverfassungsgerichts wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, so entscheidet das Gericht unter Ausschluß des Abgelehnten; bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

(2) Die Ablehnung ist zu begründen. Der Abgelehnte hat sich dazu zu äußern. Die Ablehnung ist unbeachtlich, wenn sie nicht spätestens zu Beginn der mündlichen Verhandlung erklärt wird.

(3) Erklärt sich ein Richter, der nicht abgelehnt ist, selbst für befangen, so gilt Absatz 1 entsprechend.

(4) Hat das Bundesverfassungsgericht die Ablehnung oder Selbstablehnung eines Richters für begründet erklärt, wird durch Los ein Richter des anderen Senats als Vertreter bestimmt. Die Vorsitzenden der Senate können nicht als Vertreter bestimmt werden. Das Nähere regelt die Geschäftsordnung.

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Anträge, die das Verfahren einleiten, sind schriftlich beim Bundesverfassungsgericht einzureichen. Sie sind zu begründen; die erforderlichen Beweismittel sind anzugeben.

(2) Der Vorsitzende oder, wenn eine Entscheidung nach § 93c in Betracht kommt, der Berichterstatter stellt den Antrag dem Antragsgegner, den übrigen Beteiligten sowie den Dritten, denen nach § 27a Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird, unverzüglich mit der Aufforderung zu, sich binnen einer zu bestimmenden Frist dazu zu äußern.

(3) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann jedem Beteiligten aufgeben, binnen einer zu bestimmenden Frist die erforderliche Zahl von Abschriften seiner Schriftsätze und der angegriffenen Entscheidungen für das Gericht und für die übrigen Beteiligten nachzureichen.

(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

(2) Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.

(3) Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz.

(1) Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muß demokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben.

(2) Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.

(3) Parteien, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen. Wird der Ausschluss festgestellt, so entfällt auch eine steuerliche Begünstigung dieser Parteien und von Zuwendungen an diese Parteien.

(4) Über die Frage der Verfassungswidrigkeit nach Absatz 2 sowie über den Ausschluss von staatlicher Finanzierung nach Absatz 3 entscheidet das Bundesverfassungsgericht.

(5) Das Nähere regeln Bundesgesetze.

(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

(2) Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.

(3) Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz.

(1) Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muß demokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben.

(2) Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.

(3) Parteien, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen. Wird der Ausschluss festgestellt, so entfällt auch eine steuerliche Begünstigung dieser Parteien und von Zuwendungen an diese Parteien.

(4) Über die Frage der Verfassungswidrigkeit nach Absatz 2 sowie über den Ausschluss von staatlicher Finanzierung nach Absatz 3 entscheidet das Bundesverfassungsgericht.

(5) Das Nähere regeln Bundesgesetze.

(1) Anträge, die das Verfahren einleiten, sind schriftlich beim Bundesverfassungsgericht einzureichen. Sie sind zu begründen; die erforderlichen Beweismittel sind anzugeben.

(2) Der Vorsitzende oder, wenn eine Entscheidung nach § 93c in Betracht kommt, der Berichterstatter stellt den Antrag dem Antragsgegner, den übrigen Beteiligten sowie den Dritten, denen nach § 27a Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird, unverzüglich mit der Aufforderung zu, sich binnen einer zu bestimmenden Frist dazu zu äußern.

(3) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann jedem Beteiligten aufgeben, binnen einer zu bestimmenden Frist die erforderliche Zahl von Abschriften seiner Schriftsätze und der angegriffenen Entscheidungen für das Gericht und für die übrigen Beteiligten nachzureichen.

In Zweifelsfragen ist das Mitglied des Bundestages verpflichtet, sich durch Rückfragen beim Präsidenten über den Inhalt seiner Pflichten nach diesen Verhaltensregeln zu vergewissern.

Der Ältestenrat erlässt Ausführungsbestimmungen über Inhalt und Umfang der im Zehnten und Elften Abschnitt vorgesehenen Pflichten.

(1) Mitglieder des Bundestages können sich zu Fraktionen zusammenschließen.

(2) Das Nähere regelt die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages.

(1) Parteien sind berechtigt, Spenden anzunehmen. Bis zu einem Betrag von 1 000 Euro kann eine Spende mittels Bargeld erfolgen. Parteimitglieder, die Empfänger von Spenden an die Partei sind, haben diese unverzüglich an ein für Finanzangelegenheiten von der Partei satzungsmäßig bestimmtes Vorstandsmitglied weiterzuleiten. Spenden sind von einer Partei erlangt, wenn sie in den Verfügungsbereich eines für die Finanzangelegenheiten zuständigen Vorstandsmitglieds oder eines hauptamtlichen Mitarbeiters der Partei gelangt sind; unverzüglich nach ihrem Eingang an den Spender zurückgeleitete Spenden gelten als nicht von der Partei erlangt.

(2) Von der Befugnis der Parteien, Spenden anzunehmen ausgeschlossen sind:

1.
Spenden von öffentlich-rechtlichen Körperschaften, Parlamentsfraktionen und -gruppen sowie von Fraktionen und Gruppen von kommunalen Vertretungen;
2.
Spenden von politischen Stiftungen, Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die nach der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung und nach der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen (§§ 51 bis 68 der Abgabenordnung);
3.
Spenden von außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes, es sei denn, dass
a)
diese Spenden aus dem Vermögen eines Deutschen im Sinne des Grundgesetzes, eines Bürgers der Europäischen Union oder eines Wirtschaftsunternehmens, dessen Anteile sich zu mehr als 50 vom Hundert im Eigentum von Deutschen im Sinne des Grundgesetzes oder eines Bürgers der Europäischen Union befinden oder dessen Hauptsitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union ist, unmittelbar einer Partei zufließen,
b)
es sich um Spenden an Parteien nationaler Minderheiten in ihrer angestammten Heimat handelt, die diesen aus Staaten zugewendet werden, die an die Bundesrepublik Deutschland angrenzen und in denen Angehörige ihrer Volkszugehörigkeit leben oder
c)
es sich um eine Spende eines Ausländers von nicht mehr als 1 000 Euro handelt;
4.
Spenden von Berufsverbänden, die diesen mit der Maßgabe zugewandt wurden, sie an eine politische Partei weiterzuleiten;
5.
Spenden von Unternehmen, die ganz oder teilweise im Eigentum der öffentlichen Hand stehen oder die von ihr verwaltet oder betrieben werden, sofern die direkte Beteiligung der öffentlichen Hand 25 vom Hundert übersteigt;
6.
Spenden, soweit sie im Einzelfall mehr als 500 Euro betragen und deren Spender nicht feststellbar sind, oder bei denen es sich erkennbar um die Weiterleitung einer Spende eines nicht genannten Dritten handelt;
7.
Spenden, die der Partei erkennbar in Erwartung oder als Gegenleistung eines bestimmten wirtschaftlichen oder politischen Vorteils gewährt werden;
8.
Spenden, die von einem Dritten gegen ein von der Partei zu zahlendes Entgelt eingeworben werden, das 25 vom Hundert des Wertes der eingeworbenen Spende übersteigt.

(3) Spenden, Mitgliedsbeiträge und Mandatsträgerbeiträge an eine Partei oder einen oder mehrere ihrer Gebietsverbände, deren Gesamtwert in einem Kalenderjahr (Rechnungsjahr) 10 000 Euro übersteigt, sind unter Angabe des Namens und der Anschrift des Zuwenders sowie der Gesamthöhe der Zuwendung im Rechenschaftsbericht zu verzeichnen. Spenden, die im Einzelfall die Höhe von 50 000 Euro übersteigen, sind dem Präsidenten des Deutschen Bundestages unverzüglich anzuzeigen. Dieser veröffentlicht die Zuwendung unter Angabe des Zuwenders zeitnah als Bundestagsdrucksache.

(4) Nach Absatz 2 unzulässige Spenden sind von der Partei unverzüglich, spätestens mit Einreichung des Rechenschaftsberichts für das betreffende Jahr (§ 19a Abs. 3) an den Präsidenten des Deutschen Bundestages weiterzuleiten.

Hat eine Partei Spenden unter Verstoß gegen § 25 Abs. 2 angenommen und nicht gemäß § 25 Abs. 4 an den Präsidenten des Deutschen Bundestages weitergeleitet, entsteht gegen sie ein Anspruch in Höhe des Dreifachen des rechtswidrig erlangten Betrages; bereits abgeführte Spenden werden angerechnet. Hat eine Partei Spenden nicht den Vorschriften dieses Gesetzes entsprechend im Rechenschaftsbericht veröffentlicht (§ 25 Abs. 3), entsteht gegen sie ein Anspruch in Höhe des Zweifachen des nicht den Vorschriften dieses Gesetzes entsprechend veröffentlichten Betrages. Der Präsident stellt die Verpflichtung der Partei zur Zahlung des Betrages durch Verwaltungsakt fest. § 31a Abs. 2 bis 5 gilt entsprechend.

Die anzeigepflichtigen Angaben gemäß § 45 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 2 bis 4 werden auf den Internetseiten des Bundestages veröffentlicht. Soweit der Wert der Angaben nach § 45 Absatz 3 nicht bezifferbar ist, erfolgt die Veröffentlichung unter Beschreibung der eingeräumten Rechtsposition.

In Zweifelsfragen ist das Mitglied des Bundestages verpflichtet, sich durch Rückfragen beim Präsidenten über den Inhalt seiner Pflichten nach diesen Verhaltensregeln zu vergewissern.

(1) Die Beschwerde gegen den Beschluß des Bundestages über die Gültigkeit einer Wahl, die Verletzung von Rechten bei der Vorbereitung oder Durchführung der Wahl, soweit sie der Wahlprüfung nach Artikel 41 des Grundgesetzes unterliegen, oder den Verlust der Mitgliedschaft im Bundestag kann der Abgeordnete, dessen Mitgliedschaft bestritten ist, eine wahlberechtigte Person oder eine Gruppe von wahlberechtigten Personen, deren Einspruch vom Bundestag verworfen worden ist, eine Fraktion oder eine Minderheit des Bundestages, die wenigstens ein Zehntel der gesetzlichen Mitgliederzahl umfaßt, binnen einer Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung des Bundestages beim Bundesverfassungsgericht erheben; die Beschwerde ist innerhalb dieser Frist zu begründen.

(2) Das Bundesverfassungsgericht kann von einer mündlichen Verhandlung absehen, wenn von ihr keine weitere Förderung des Verfahrens zu erwarten ist.

(3) Erweist sich bei Prüfung der Beschwerde einer wahlberechtigten Person oder einer Gruppe von wahlberechtigten Personen, dass deren Rechte verletzt wurden, stellt das Bundesverfassungsgericht diese Verletzung fest, wenn es nicht die Wahl für ungültig erklärt.

(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

(2) Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.

(3) Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz.

(1) Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muß demokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben.

(2) Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.

(3) Parteien, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen. Wird der Ausschluss festgestellt, so entfällt auch eine steuerliche Begünstigung dieser Parteien und von Zuwendungen an diese Parteien.

(4) Über die Frage der Verfassungswidrigkeit nach Absatz 2 sowie über den Ausschluss von staatlicher Finanzierung nach Absatz 3 entscheidet das Bundesverfassungsgericht.

(5) Das Nähere regeln Bundesgesetze.

Tenor

Die Wahlprüfungsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Gründe

A.

1

Gegenstand des Verfahrens sind die Beschwerden mehrerer Wahlberechtigter gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Landtages vom 26. September 2012 über die Gültigkeit und das Ergebnis der Wahl vom 6. Mai 2012 (Landtags-Drucksache 18/163, PlPr 18/7, S. 427 <429>).

I.

2

1. Die maßgeblichen Vorschriften der Landesverfassung (LV) lauteten zum Zeitpunkt der Landtagswahl:

3

Artikel 3

Wahlen und Abstimmungen

(1) Die Wahlen zu den Volksvertretungen im Lande, in den Gemeinden und Gemeindeverbänden und die Abstimmungen sind allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim.
(2) […]
(3) Die Wahlprüfung und die Abstimmungsprüfung stehen den Volksvertretungen jeweils für ihr Wahlgebiet zu. Ihre Entscheidungen unterliegen der gerichtlichen Nachprüfung.
(4) […]
4

Artikel 10

Funktion und Zusammensetzung des Landtages

(1) Der Landtag ist das vom Volk gewählte oberste Organ der politischen Willensbildung. Der Landtag wählt die Ministerpräsidentin oder den Ministerpräsidenten. Er übt die gesetzgebende Gewalt aus und kontrolliert die vollziehende Gewalt. Er behandelt öffentliche Angelegenheiten.
(2) Die Abgeordneten des Landtages werden nach einem Verfahren gewählt, das die Persönlichkeitswahl mit den Grundsätzen der Verhältniswahl verbindet. Das Nähere regelt ein Gesetz, das für den Fall des Entstehens von Überhangmandaten Ausgleichsmandate vorsehen muss.
5

Artikel 5

Nationale Minderheiten und Volksgruppen

(1) Das Bekenntnis zu einer nationalen Minderheit ist frei; es entbindet nicht von den allgemeinen staatsbürgerlichen Pflichten.
(2) Die kulturelle Eigenständigkeit und die politische Mitwirkung nationaler Minderheiten und Volksgruppen stehen unter dem Schutz des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände. Die nationale dänische Minderheit und die friesische Volksgruppe haben Anspruch auf Schutz und Förderung.
6

2. § 3 des Wahlgesetzes für den Landtag von Schleswig-Holstein (Landeswahlgesetz – LWahlG –) in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. Oktober 1991 (GVOBl S. 442, ber. S. 637), zuletzt geändert durch Gesetz vom 30. März 2010 (GVOBl S. 392) bestimmt:

§ 3

Wahl der Abgeordneten aus den Landeslisten

(1) An dem Verhältnisausgleich nimmt jede Partei teil, für die eine Landesliste aufgestellt und zugelassen worden ist, sofern für sie in mindestens einem Wahlkreis eine Abgeordnete oder ein Abgeordneter gewählt worden ist oder sofern sie insgesamt fünf v.H. der im Land abgegebenen gültigen Zweitstimmen erzielt hat. Diese Einschränkungen gelten nicht für Parteien der dänischen Minderheit.

(2) - (7) […]

7

3. Bereits die Landessatzung für Schleswig-Holstein vom 13. Dezember 1949 (GVOBl 1950 S. 3) enthielt die seither unveränderte Regelung des heutigen Art. 5 Abs. 1 LV. Mit Gesetz zur Änderung der Landessatzung für Schleswig-Holstein vom 13. Juni 1990 (GVOBl S. 391) ist Art. 5 Abs. 2 LV im Rahmen der Verfassungsreform auf Empfehlung des Sonderausschusses „Verfassungs- und Parlamentsreform“ aufgenommen worden.

8

Die Vorschriften zur dänischen Minderheit in Art. 5 LV und in § 3 Abs. 1 LWahlG haben ihren Ursprung in der von der Schleswig-Holsteinischen Landesregierung mit Billigung des Schleswig-Holsteinischen Landtages abgegebenen Kieler Erklärung vom 26. September 1949 (GVOBl S. 183) und den Bonn-Kopenhagener Erklärungen vom 29. März 1955 (Bundesanzeiger Nr. 63 vom 31. März 1955, S. 4). Letztere waren das Ergebnis von Beratungen der Dänischen Regierung und der deutschen Bundesregierung und bestanden aus je einer Erklärung der Bundesregierung im Einvernehmen mit der Schleswig-Holsteinischen Landesregierung und der Dänischen Regierung. Der Deutsche Bundestag, der Schleswig-Holsteinische Landtag und das dänische Folketing haben diesen Erklärungen zugestimmt

(vgl. dazu im Einzelnen: Abdruck bei Jäckel, Die Schleswig-Frage seit 1945, Frankfurt am Main, Berlin 1959, S. 71 ff.).

9

Sowohl die Kieler Erklärung als auch die Bonn-Kopenhagener Erklärungen wurden mit dem Ziel abgegeben,

das friedliche Zusammenleben der Bevölkerung beiderseits der deutsch-dänischen Grenze und damit auch die Entwicklung freundschaftlicher Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Dänemark allgemein zu fördern.

Sie bekräftigen, dass die Angehörigen der dänischen Minderheit wie alle Staatsbürgerinnen und Staatsbürger die im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 garantierten Rechte genießen. Schon in der Kieler Erklärung war unter anderem festgestellt worden, dass das Bekenntnis zum dänischen Volkstum und zur dänischen Kultur frei ist und von Amts wegen nicht bestritten oder nachgeprüft werden darf (a.a.O., S. 184, II. Nr. 1). Dieser Grundsatz wurde in den Bonn-Kopenhagener Erklärungen übernommen (a.a.O., S. 5).

10

Der Gesetzgeber nahm erstmals mit § 3 Abs. 1 LWahlG vom 27. Februar 1950 (GVOBl S. 77) die Grundmandatsklausel, die 5%-Klausel sowie eine Sonderregelung für Parteien nationaler Minderheiten in das Wahlrecht auf. Letztere beschränkte sich darauf, dass bei Parteien nationaler Minderheiten die Zulassung von Wahlvorschlägen in allen Wahlkreisen nicht Voraussetzung für die Teilnahme am Verhältnisausgleich war.

11

Mit Landeswahlgesetz vom 22. Oktober 1951 (GVOBl S. 180) wurden die Vorschrift über Parteien nationaler Minderheiten aufgehoben und die Sperrklausel auf 7,5% angehoben. Diese 7,5%-Klausel erklärte das Bundesverfassungsgericht in seiner Eigenschaft als Landesverfassungsgericht für Schleswig-Holstein (vgl. Art. 99 GG) für verfassungswidrig

(vgl. BVerfG, Urteil vom 5. April 1952 - 2 BvH 1/52 -, BVerfGE 1, 208 ff.).

Daraufhin wurde in § 3 Abs. 1 LWahlG vom 5. November 1952 (GVOBl S. 175) die bis heute geltende 5%-Klausel verankert.

12

Auf die Bonn-Kopenhagener Erklärungen hin wurden mit Gesetz zur Änderung des Landeswahlgesetzes vom 31. Mai 1955 (GVOBl S. 124) die Parteien der dänischen Minderheit durch Einfügung des bis heute geltenden § 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG von der 5%-Klausel ausgenommen.

13

Durch die Wahlrechtsänderung im Jahre 1997 (vgl. Gesetz zur Änderung des LWahlG vom 27. Oktober 1997, GVOBl S. 462) wurde die Zweitstimme bei Landtagswahlen eingeführt. § 3 Abs. 1 LWahlG ist im Wesentlichen unverändert geblieben; lediglich das Wort „Stimmen“ wurde durch „Zweitstimmen“ ersetzt.

14

4. Nach dem endgültigen Ergebnis der Wahl zum Schleswig-Holsteinischen Landtag vom 6. Mai 2012 (Bekanntmachung der Landeswahlleiterin vom 18. Mai 2012, ABl Nr. 23 S. 499) entfielen von den gültigen Zweitstimmen

auf die CDU

        

30,8 %,

auf die SPD

        

30,4 %,

auf die FDP

        

 8,2 %,

auf die GRÜNEN

        

13,2 %,

auf die LINKE

        

 2,3 %,

auf den SSW

        

 4,6 %,

auf die PIRATEN

        

 8,2 %,

auf die FREIEN WÄHLER

        

0,6 %,

auf die NPD

        

 0,7 %,

auf die FAMILIE

        

 1,0 %

und auf die MUD

        

 0,1 %.

15

An der Verteilung der Sitze aus den Landeslisten nach § 3 Abs. 1 LWahlG nahmen die CDU, die SPD, die FDP, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, der SSW und die PIRATEN teil.

16

Von den 69 zu vergebenden Sitzen entfielen gemäß § 3 Abs. 3 LWahlG aufgrund des Zweitstimmenergebnisses

auf die CDU

        

22 Sitze,

auf die SPD

        

22 Sitze,

auf die FDP

        

 6 Sitze,

auf die GRÜNEN

        

 10 Sitze,

auf den SSW

        

 3 Sitze

und auf die PIRATEN

        

 6 Sitze.

17

Sämtliche der von der CDU und 13 der von der SPD errungenen Sitze wurden als Direktmandate besetzt und nach § 3 Abs. 4 LWahlG auf den verhältnismäßigen Sitzanteil angerechnet. Mehrsitze (§ 3 Abs. 5 Satz 1 LWahlG), die entstehen und verbleiben, wenn die Anzahl der in den Wahlkreisen für eine Partei gewählten Bewerberinnen und Bewerber größer ist als ihr verhältnismäßiger Sitzanteil, fielen nicht an.

18

Gegen das bekanntgemachte Ergebnis der Landtagswahl vom 6. Mai 2012 gingen bei der Landeswahlleiterin 35 Einsprüche ein, die überwiegend – mit unterschiedlicher Begründung – die Teilnahme des Südschleswigschen Wählerverbandes (SSW) an der Sitzverteilung für rechtswidrig hielten. Nach entsprechender Vorprüfung leitete die Landeswahlleiterin die Einsprüche zur Vorbereitung der Wahlprüfung durch den Landtag an dessen Innen- und Rechtsausschuss als Wahlprüfungsausschuss weiter. Die Landeswahlleiterin teilte weder die in den Einsprüchen geltend gemachten Zweifel daran, dass der SSW eine Partei der dänischen Minderheit sei, noch diejenigen an der Verfassungsmäßigkeit des § 3 Abs. 1 LWahlG. Zudem wies sie darauf hin, dass allein das Landesverfassungsgericht das Landeswahlgesetz verfassungsrechtlich überprüfen kann (Vorprüfungsbericht vom 13. Juli 2012, Landtags-Umdruck 18/45).

19

Am 5. September 2012 empfahl der Wahlprüfungsausschuss dem Landtag, die Einsprüche zurückzuweisen und das vom Landeswahlausschuss festgestellte und von der Landeswahlleiterin bekannt gegebene Ergebnis der Wahl zum Schleswig-Holsteinischen Landtag am 6. Mai 2012 zu bestätigen (Landtags-Drucksache 18/163). Am 26. September 2012 beschloss der Landtag mit den Stimmen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, FDP, SSW und zwei Stimmen aus der Fraktion der PIRATEN, diese Empfehlung anzunehmen (PlPr 18/7, S. 427 <429>). Dies teilte der Präsident des Schleswig-Holsteinischen Landtages den Einspruchführenden jeweils mit Bescheid vom 27. September 2012 mit.

II.

20

Gegen den Beschluss des Landtages vom 26. September 2012 haben die wahlberechtigte Beschwerdeführerin und die wahlberechtigten Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben, die das Gericht mit Beschluss vom 8. März 2013 unter dem Aktenzeichen LVerfG 9/12 zur gemeinsamen Entscheidung verbunden hat. Sie begehren eine Aufhebung des Landtagsbeschlusses mit dem Ziel, die Landtagswahl zu wiederholen; die Beschwerdeführerin verlangt vorrangig eine Änderung des Beschlusses und eine Neufeststellung des Wahlergebnisses, bei der nur diejenigen Parteien berücksichtigt werden, die mindestens 5% der Zweitstimmen erzielt haben.

21

Die Beschwerdeführerin und die Beschwerdeführer sind der Auffassung, es sei schon zweifelhaft, ob überhaupt eine dänische Minderheit in Schleswig-Holstein existiere, weil Angehörige der dänischen Minderheit nicht erkennbar seien und eine Assimilation stattgefunden habe, bzw. die Anzahl der Angehörigen nicht nachgewiesen sei. Darüber hinaus machen sie geltend, der SSW sei jedenfalls keine Partei der dänischen Minderheit mehr, so dass die Befreiung von der 5%-Klausel nach § 3 Abs. 1 LWahlG nicht auf ihn anwendbar sei. Ob die überwiegende Zahl der Mitglieder des SSW der dänischen Minderheit angehöre, sei nicht bekannt, zumal selbst der Vorsitzende des SSW im Landtag Friese sei. Ein besonderer Einsatz für dänische Belange sei nicht mehr erkennbar, der SSW decke vielmehr alle Politikfelder ab und unterscheide sich nicht von anderen Parteien. Dies zeige die angestrebte und realisierte Regierungsbeteiligung. Der hohe Anteil an Zweitstimmen, die der SSW außerhalb seines ursprünglichen Tätigkeitsbereichs erzielt habe, belege, dass der SSW keine Partei der dänischen Minderheit mehr sei.

22

Darüber hinaus halten die Beschwerdeführer § 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG für verfassungswidrig. Der Grundsatz der Wahlgleichheit in seiner Ausprägung als Erfolgswertgleichheit sowie der Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien würden durch die Befreiung von Parteien der dänischen Minderheit von der 5%-Klausel verletzt; seit Einführung des Zweistimmenwahlrechts seien diese überprivilegiert. Ein zwingender Grund, der eine Differenzierung rechtfertigen kann, sei nicht gegeben. Weder könne ein solcher aus der Landesverfassung noch aus den Bonn-Kopenhagener Erklärungen hergeleitet werden. Ein Teil der Beschwerdeführer meint zudem, § 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG verstoße auch gegen Art. 3 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG), wonach niemand wegen seiner Abstammung oder Sprache bevorzugt oder benachteiligt werden darf.

III.

23

1. Der Landtag und die Landesregierung haben Stellung genommen. Sie halten übereinstimmend die Wahlprüfungsbeschwerden für unbegründet. Sie sind der Auffassung, dass der SSW gegenwärtig unverändert eine Partei der dänischen Minderheit ist. Der SSW trete auf vielfältige Weise für Ziele und Interessen der dänischen Minderheit ein, was sich aus seiner Satzung und seinem Programm ergebe. Gegen seine Einstufung als Minderheitenpartei spreche nicht, dass der SSW sämtliche Politikfelder abdecke. Er habe seit jeher zu allen Feldern der Landespolitik Stellung bezogen. Dass er nun auch außerhalb seines satzungsmäßigen Tätigkeitsgebiets Südschleswig und Helgoland wählbar ist, beeinträchtige nicht seine unverändert fortbestehende Verwurzelung in der dänischen Minderheit.

24

Nach Auffassung des Landtages und der Landesregierung sind sowohl die 5%-Klausel selbst als auch die Befreiung der Parteien der dänischen Minderheit von der 5%-Klausel verfassungsmäßig. Beide verweisen auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die sich das Landesverfassungsgericht zu eigen gemacht habe. Danach könnten „zwingende“ bzw. „zureichende“ Gründe eine Abweichung von der Gleichbehandlung der Wählerstimmen rechtfertigen.

25

Der Landtag stellt hierzu heraus, dass die 5%-Klausel gerechtfertigt sei, um die Funktionsfähigkeit der verfassungsrechtlichen Ordnung zu sichern und zu stärken. Es genüge insoweit, wenn ohne Sperrklausel die Integrationswirkung der Wahl gefährdet werde und eine Funktionsstörung des Landtages durch Zersplitterung des Parteienspektrums wahrscheinlich sei. Dies sei heute ebenso gegeben wie bei der Einführung der 5%-Klausel. Eine Sperrklausel sei geeignet, schwere politische Krisen zu verhindern oder zumindest deren Folgen abzumildern. Dies betreffe sowohl die Regierungsbildung als auch die Gesetzgebung und die Aufstellung des Haushaltes. Diese Einschätzung werde durch den internationalen Vergleich mit Ländern mit niedrigerer oder ohne Sperrklausel bestätigt: Dort sei die Regierungsbildung häufig schwierig und langwierig.

26

Die Landesregierung hält die 5%-Klausel in § 3 Abs. 1 Satz 1 LWahlG ebenfalls für verfassungsmäßig. Sie meint, es sei dem Gesetzgeber nicht verwehrt, die Funktionsfähigkeit des Parlaments als zwingenden Grund für Sperrklauseln gegen parlamentarische Splitterparteien anzusehen. Es gehe insoweit um die Fähigkeit des Parlaments, seine Aufgaben der Gesetzgebung und der Regierungsbildung zu erfüllen. Die Entscheidungen des Bundesverfassungs-gerichts zu Kommunal- und Europawahlen seien auf die Landtagswahl nicht übertragbar, weil der Landtag die Ministerpräsidentin oder den Ministerpräsidenten wähle, die oder der auf das fortlaufende Vertrauen einer Mehrheit des Landtages angewiesen sei. Angesichts der tatsächlichen politischen Verhältnisse in Schleswig-Holstein drohten eine Zersplitterung des Parlaments und dadurch eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit, was sich anhand der Wahlergebnisse aus den Landtagswahlen von 2009 und 2012 belegen lasse.

27

Der Landtag und die Landesregierung halten die Befreiung der Parteien der dänischen Minderheit von der 5%-Klausel in § 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG für verfassungsgemäß. Der Landtag macht insoweit geltend, dass das verfassungsrechtlich legitime Ziel die politische Integration der dänischen Minderheit sei, die nach Art. 5 Abs. 2 Satz 2 LV Anspruch auf Schutz und Förderung hat. Da nach Art. 5 Abs. 2 Satz 1 LV die politische Mitwirkung nationaler Minderheiten und Volksgruppen unter dem Schutz des Landes steht, sei das Land zumindest berechtigt, wenn nicht verpflichtet, Parteien der dänischen Minderheit die Wahl in den Landtag als Mittel der politischen Mitwirkung zu erleichtern.

28

§ 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG stelle keine Privilegierung der dänischen Minderheit dar, sondern gleiche den Nachteil aus, dass dieser Teil der Wählerschaft nicht groß genug sei, um mit Sicherheit die 5%-Hürde zu überwinden. Die Sorge um gute Beziehungen Deutschlands und Schleswig-Holsteins zum Nachbarstaat Dänemark habe den Gesetzgeber bewogen, die Parteien der dänischen Minderheit von der Sperrklausel auszunehmen. Zudem habe er durch die Einbeziehung der dänischen Minderheit in die politische Willensbildung Spannungen abbauen wollen, die auf Grund der besonderen Lage im Grenzgebiet entstanden seien und jederzeit wieder entstehen könnten. Dadurch habe der Gesetzgeber einen wesentlichen Teil seiner verfassungsrechtlichen Pflicht aus Art. 5 Abs. 2 Satz 2 LV erfüllt. Die Integration der dänischen Minderheit in die Landespolitik komme im Sinne eines gutnachbarlichen, vertrauensvollen Verhältnisses der Volksgruppen zueinander und störungsfreier Beziehungen zu Dänemark allen Einwohnerinnen und Einwohnern des Landes zugute.

29

Nach Auffassung des Landtages werden Parteien der dänischen Minderheit auch nicht dadurch übermäßig begünstigt, dass sie in den landesweiten Verhältnisausgleich einbezogen werden. Dies sei vielmehr Folge des schleswig-holsteinischen Zweistimmenwahlrechts, das im gesamten Landesgebiet einheitlich und uneingeschränkt gilt.

30

Die Landesregierung betont, dass der Landesgesetzgeber im Rahmen der Grundsätze des demokratischen Rechtsstaats nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG einen autonomen Spielraum bei der Ausgestaltung des Wahlsystems habe, so dass er das Teilgebot der Erfolgswertgleichheit in begrenzter Weise ausgestalten dürfe. Hier ergebe sich ein zwingender Grund für die wahlrechtliche Sonderregelung für Parteien der dänischen Minderheit zunächst aus Art. 5 Abs. 2 Satz 1 und 2 LV, aber auch unmittelbar aus bundesrechtlichen Erwägungen. § 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG verstoße auch nicht gegen Art. 3 Abs. 3 GG, der im Wahlrecht nicht gelte. Unabhängig davon wäre das Benachteiligungsverbot wegen der Abstammung aber auch tatbestandlich nicht einschlägig, weil die Zugehörigkeit zu einer Minderheit nicht aus der Familiengeschichte der Person folge, sondern allein aus dem freien Bekenntnis zur Minderheit.

31

2. Die Landeswahlleiterin vertritt in ihrer Stellungnahme – wie bereits im Vorprüfungsverfahren – die Auffassung, dass kein Anlass bestehe, die Anerkennung des SSW als Partei der dänischen Minderheit in Frage zu stellen. Sie meint, sowohl die Regelung über die 5%-Klausel als auch die Ausnahme hiervon für Parteien der dänischen Minderheit seien nicht verfassungswidrig.

32

3. Auch nach Auffassung des SSW im Landtag ist die Wahlprüfungsbeschwerde unbegründet. Er macht geltend, dass er weiterhin als Vertretung der dänischen Minderheit und der nationalen Friesen eine Partei der dänischen Minderheit sei und die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Sperrklausel erfülle. Insbesondere führten weder die Befassung mit allgemeinen Themen noch seine Regierungsbeteiligung dazu, dass er die Eigenschaft einer Partei der dänischen Minderheit verloren habe. Dies folge schon aus dem gesetzlich vorgeschriebenen Aufgabenspektrum einer Partei und dem Umfang des Mandats von Abgeordneten. Er trägt anhand seiner Programme und Aktivitäten im Landtag seit der 1. Wahlperiode vor, dass er seit jeher zu allen Politikfeldern Stellung bezogen habe. Darüber hinaus sei seine Verflechtung mit den Institutionen der dänischen Minderheit evident.

33

Nach Ansicht des SSW im Landtag hält § 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG auch einer verfassungsrechtlichen Prüfung stand. Die Befreiung von der 5%-Klausel greife nicht in die Erfolgswertgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien ein, sondern sei gerechtfertigt, um einen Nachteil auszugleichen. Hierzu verweist er auf mathematische Berechnungen. Der SSW sei keine Splitterpartei. Als legitime Gründe für seine Befreiung von der 5%-Hürde seien unter anderem Art. 5 Abs. 2 LV, die Integrationsfunktion der Wahlen und die Bindung der Bundesrepublik Deutschland und Schleswig-Holsteins an die Bonn-Kopenhagener-Erklärungen anzuführen. Gleich geeignete und weniger einschneidende Mittel, die angestrebten Zwecke zu erreichen, gebe es nicht. Die Gründe für die Befreiung von der 5%-Klausel überwögen den verhältnismäßig geringen Eingriff in die Wahlrechtsgleichheit.

34

4. Die FDP-Landtagsfraktion ist der Auffassung, dass eine Mandatszuteilung zugunsten des SSW nur mit einem Sitz erfolgen dürfe. Hierzu verweist sie auf ein von ihr in Auftrag gegebenes Gutachten (Becker, Die wahlrechtliche Privilegierung von Parteien der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein <§ 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG>, Gesetzliche Voraussetzungen und verfassungs-rechtliche Rechtfertigung, Dänischenhagen 2013). Art. 10 Abs. 2 Satz 2 LV gewährleiste noch eindringlicher als das Grundgesetz den Grundgedanken der Wahlgleichheit. Die Regelung in § 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG sei eine Rückausnahme von einer Einschränkung des wahlrechtlichen Gleichheits-grundsatzes (der 5%-Klausel) und müsse im Zusammenhang mit dieser beurteilt werden. Parteien der dänischen Minderheit würden durch die Regelung gegenüber anderen Parteien begünstigt. Eine solche Ungleichbehandlung könne nicht allgemein mit der Integrationsfunktion der Wahl begründet werden. Die Integration nationaler Minderheiten sei zwar ein legitimes Ziel der schleswig-holsteinischen Wahlgesetzgebung, jedoch nach Art. 5 Abs. 2 LV nicht geboten. Die Regelung in § 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG sei geeignet, das legitime Ziel zu erreichen, jedoch nicht erforderlich. Eine auf Südschleswig beschränkte regionalisierte Regelung wäre ein milderes Mittel. Ebenso wäre es möglich, bei Unterschreiten der 5%-Klausel durch eine Partei der dänischen Minderheit diese nur mit der ersten Person auf der Landesliste am Verhältnisausgleich teilnehmen zu lassen. Die dänische Minderheit sei nicht wegen ihrer Stimmenzahl, sondern auf Grund ihrer gesellschaftlichen Bezugspersonen wesentlich. Ihre Integration werde nicht weiter dadurch gestärkt, dass sie mit mehreren Abgeordneten vertreten sei.

35

5. Nach Auffassung der Piratenfraktion im Landtag ist die 5%-Klausel nicht mehr zu rechtfertigen, weil die Bildung von Regierungskoalitionen auch ohne 5%-Sperrklausel möglich bleibe. Dies bewiesen die Verhältnisse in anderen europäischen Staaten, in denen die Sperrklausel nicht gelte. Dann wäre auch die Sonderregelung für den SSW beseitigt, ohne die Vertretung der dänischen Minderheit im Landtag zu erschweren.

B.

36

Gegen die Entscheidung des Landtages vom 26. September 2012 über die Gültigkeit und das Ergebnis der Landtagswahl vom 6. Mai 2012 ist gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 2 und Art. 44 Abs. 2 Nr. 5 LV, § 3 Nr. 5 des Gesetzes über das Schleswig-Holsteinische Landesverfassungsgericht (LVerfGG) die Beschwerde zum Landesverfassungsgericht gegeben. Danach ist Gegenstand der Wahlprüfung die Rechtmäßigkeit des die Wahlprüfung abschließenden Beschlusses des Landtages und die von ihm angenommene Gültigkeit der Wahl (vgl. auch Art. 3 Abs. 3 Satz 2 und Art. 44 Abs. 2 Nr. 5 LV, § 50 Abs. 1 LVerfGG, § 43 Abs. 2 LWahlG). Wahlberechtigte, deren Einsprüche der Landtag verworfen hat, sind zur Beschwerde befugt (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 LVerfGG).

C.

37

Die zulässigen Wahlprüfungsbeschwerden sind unbegründet. Der Beschluss des Landtages vom 26. September 2012 ist rechtmäßig. Zu Recht hat der SSW mit 4,6% der gültigen Zweitstimmen am Verhältnisausgleich teilgenommen und ist mit drei Abgeordneten im Landtag vertreten. Das festgestellte Ergebnis der Landtagswahl ist nicht zu beanstanden. Weder hat die Rüge der fehlerhaften Anwendung von § 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG auf den SSW (I.) noch die der Verfassungswidrigkeit von § 3 LWahlG (II.) Erfolg.

I.

38

Aus der einfachgesetzlichen Anwendung des Wahlrechts ergeben sich keine Wahlfehler. Dabei hat das Landesverfassungsgericht die einschlägigen Normen selbst auszulegen und zum Maßstab der Wahlprüfung zu machen

(Urteil vom 30. August 2010 - LVerfG 1/10 -, Rn. 46, LVerfGE 21, 434 ff. = SchlHA 2010, 276 ff. = NordÖR 2010, 401 ff. = JZ 2011, 254 ff., Juris Rn. 50; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 1998 - 2 BvC 28/96 -, BVerfGE 97, 317 ff., Juris Rn. 15 und Urteil vom 3. Juli 2008 - 2 BvC 1/07 u.a. -, BVerfGE 79, 169 ff., Juris Rn. 90; Schreiber, Bundeswahlgesetz, 8. Aufl. 2009, § 49 Rn. 34 m.w.N.).

39

Für die Wahl zum 18. Landtag wurde § 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG zu Recht auf den SSW angewandt.

40

Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG gelten die in Satz 1 der Vorschrift geregelten Einschränkungen zur Teilnahme am Verhältnisausgleich – für eine Partei muss entweder in mindestens einem Wahlkreis eine Abgeordnete oder ein Abgeordneter gewählt worden sein oder sie muss insgesamt fünf v.H. der im Land abgegebenen gültigen Zweitstimmen erzielt haben – nicht für Parteien der dänischen Minderheit. Um eine Partei der dänischen Minderheit handelt es sich, wenn diese eine Partei im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Parteiengesetz (PartG) ist (1.), es unverändert eine dänische Minderheit gibt (2.), und die Partei aus der dänischen Minderheit hervorgegangen ist und weiterhin von ihr getragen und geprägt wird (3). Danach ist der SSW eine Partei der dänischen Minderheit.

41

1. Der SSW ist eine Partei im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 PartG. Parteien sind Vereinigungen von Bürgern, die dauernd oder für längere Zeit für den Bereich des Bundes oder eines Landes auf die politische Willensbildung Einfluss nehmen und an der Vertretung des Volkes im Deutschen Bundestag oder einem Landtag mitwirken wollen. Sie müssen nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere nach Umfang und Festigkeit ihrer Organisation, nach der Zahl ihrer Mitglieder und nach ihrem Hervortreten in der Öffentlichkeit eine ausreichende Gewähr für die Ernsthaftigkeit dieser Zielsetzung bieten.

42

Diese Voraussetzungen erfüllt der SSW, der seit seiner Gründung 1948 regelmäßig zu Wahlen zum Schleswig-Holsteinischen Landtag angetreten ist

(vgl. Kühl, Dänische Minderheitenpolitik in Deutschland, Südschleswigscher Wählerverband , in: Kühl/ Bohn, Ein europäisches Modell? Bielefeld 2005, S. 142 <147 ff.>).

43

2. Es gibt in Schleswig-Holstein auch unverändert eine dänische Minderheit. Ihre Existenz wird mit dem erst mit der Verfassungsreform durch das Gesetz zur Änderung der Landessatzung für Schleswig-Holstein vom 13. Juni 1990 (GVOBl S. 391) aufgenommenen Art. 5 Abs. 2 Satz 2 LV anerkannt. Der Landesverfassungsgeber hat diese Regelung aktuell bestätigt, indem erden Anspruch auf Schutz und Förderung in Art. 5 Abs. 2 Satz 2 LV mit Gesetz zur Änderung der Landesverfassung Schleswig-Holstein vom 28. Dezember 2012 (GVOBl 2013 S. 8) um „die Minderheit der deutschen Sinti und Roma“ ergänzt, die Vorschrift die dänische Minderheit und die friesische Volksgruppe betreffend aber unverändert gelassen hat. Auch die Bundesrepublik Deutschland setzte bei ihrer Zustimmung zum Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten vom 1. Februar 1995 (BGBl 1997 II S. 1406) voraus, dass eine dänische Minderheit in Schleswig-Holstein besteht. Die Bundesregierung hat bei der Zeichnung des Rahmenübereinkommens am 11. Mai 1995 ausdrücklich erklärt, dass nationale Minderheiten in der Bundesrepublik Deutschland unter anderem die Dänen deutscher Staatsangehörigkeit sind (BGBl 1997 II S. 1418). Schließlich belegen die Minderheitenberichte der Landesregierung die unveränderte Existenz und Aktivität der dänischen Minderheit im Einzelnen

(zuletzt: Bericht der Landesregierung zur Minderheiten- und Volksgruppenpolitik in der 17. Legislaturperiode (2009 – 2012) – Minderheitenbericht 2011, Landtags-Drucksache 17/2025, S. 37 ff.).

44

Zudem tritt die dänische Minderheit zum Beispiel durch ihre Schulen, den dänischen Kulturverein – den Sydslesvigsk Forening (SSF) – mit seinen Einrichtungen und Veranstaltungen sowie durch die in dänischer Sprache erscheinende Zeitung Flensborg Avis im nördlichen Schleswig-Holstein (Südschleswig) wahrnehmbar in Erscheinung.

45

3. Eine Partei ist dann eine Partei der dänischen Minderheit, wenn sie aus der Minderheit hervorgegangen ist und sie gegenwärtig personell von der Minderheit getragen wird sowie programmatisch von ihr geprägt ist

(so auch OVG Schleswig, Beschluss vom 25. September 2002 - 2 K 2/01 -, SchlHA 2003, 19 ff. = NVwZ-RR 2003, 161 ff. = NordÖR 2003, 61 ff. = JZ 2003, 519 ff., Juris Rn. 36; Kühn, Privilegierung nationaler Minderheiten im Wahlrecht der Bundesrepublik Deutschland und Schleswig-Holsteins, Frankfurt am Main 1991, S. 4; Becker, Die wahlrechtliche Privilegierung von Parteien der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein, <§ 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG SH>, Gesetzliche Voraussetzungen und verfassungsrechtliche Rechtfertigung, Dänischenhagen 2013, S. 13).

Diese Voraussetzungen treffen auf den SSW zum Zeitpunkt der Landtagswahl im Jahr 2012 zu. Die dagegen erhobenen Einwände greifen nicht durch.

46

Die genannten Merkmale folgen bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes, der besagt, dass die Einschränkungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 LWahlG nicht für Parteien „der“ dänischen Minderheit gelten. Da der Gesetzgeber nicht Parteien „für“ die dänische Minderheit von der Sperrklausel ausgenommen hat, kann dem Wortlaut nicht entnommen werden, dass sich die von § 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG erfassten Parteien personell, thematisch und programmatisch ausschließlich an die dänische Minderheit richten müssten oder nur von ihren Angehörigen wählbar wären. Sowohl die Wählbarkeit und Wahl durch alle Wählerinnen und Wähler, also auch Nicht-Angehörige der Minderheit, als auch die Befassung mit allen politischen Themen gehören zudem notwendig zu einer Partei, wie dies bundesrechtlich durch Art. 21 GG und § 2 Abs. 1 Satz 1 PartG zwingend vorgegeben ist; sie sind Ausdruck der den Parteien im demokratischen Gefüge zukommenden Integrationsfunktion. Ohne personelle und programmatische Prägung durch die dänische Minderheit aber wäre eine Partei ihr nicht zuzuordnen, weil ansonsten der im Gesetz vorgegebene Bezug zur Minderheit fehlte. Insofern muss die Partei aus der Minderheit hervorgegangen sein und von ihr auch gegenwärtig noch getragen und geprägt werden.

47

a) Der SSW ist als Partei aus der dänischen Minderheit hervorgegangen. Er wurde 1948 als Partei der dänischen Minderheit in Südschleswig und der nationalen Friesen in Nordfriesland als Südschleswigscher Wählerverband gegründet. Zuvor hatte die britische Besatzungsmacht der dänischen Minderheit bereits den Status einer nationalen Minderheit und deren kultureller Organisation, dem SSF, für die Landtagswahl 1947 vorübergehend den Status einer politischen Partei zuerkannt. Nach der Landtagswahl wurde dem SSF die Anerkennung wieder entzogen, weil sich dieser dafür einsetzte, den nördlichen Landesteil an Dänemark anzuschließen bzw. als unabhängiges Territorium zu behandeln. Daraufhin wurde der SSW als politische Interessenvertretung der Minderheit neben dem fortan ausschließlich auf kulturellem Gebiet tätigen SSF geschaffen

(vgl. Kühl, a.a.O., S. 142 ff.; Kühn, a.a.O., S. 43 f. m.w.N.).

48

aa) Die enge Verknüpfung des SSW mit der dänischen Minderheit spiegelt sich auch in der geschichtlichen Entwicklung des § 3 LWahlG wider:

49

Die erste Fassung von § 3 LWahlG vom 31. Januar 1947 (ABl S. 95) enthielt keine Sonderregelung für nationale Minderheiten. Der SSF errang bei der Landtagswahl 1947 9,27% der insgesamt im Land abgegebenen gültigen Stimmen. Mit zwei Wahlkreiskandidaten (Wahlkreise Flensburg I Stadt und Flensburg II Glücksburg) und vier weiteren Sitzen, die er über die Landesliste erhielt, war er im Landtag vertreten

(vgl. Bekanntmachung des Landeswahlleiters über das endgültige Ergebnis der Wahlen zum Schleswig-Holsteinischen Landtag am 20. April und 18. Mai 1947 vom 8. August 1947, ABl S. 399).

50

Der sodann gegründete SSW, der Kandidaten nur in Südschleswig aufgestellt hatte, erzielte bei der Landtagswahl 1950 5,5% der Stimmen; er war mit zwei Direktkandidaten und zwei weiteren von der Landesliste gewählten Kandidaten in den Landtag eingezogen

(vgl. Bekanntmachung des Landeswahlleiters über das endgültige Ergebnis der Wahl zum Schleswig-Holsteinischen Landtag am 9. Juli 1950 vom 17. Juli 1950, ABl S. 328).

51

Das Landeswahlgesetz vom 27. Februar 1950 (GVOBl S. 77) enthielt erstmals eine 5%-Sperrklausel und eine Sonderregelung für Parteien nationaler Minderheiten, nach der bei Parteien nationaler Minderheiten die Zulassung von Wahlvorschlägen in allen Wahlkreisen nicht Voraussetzung für die Teilnahme am Verhältnisausgleich war. Die Vorschrift bezog sich sowohl nach dem Verständnis des Gesetzgebers

(vgl. Landtags-Protokolle vom 21. Dezember 1949, S. 33 ff. und vom 27. Februar 1950, S. 48; dazu auch Kühn, a.a.O., S. 67 ff. m.w.N.)

als auch nach der Rechtsprechung des seinerzeit zuständigen Oberverwaltungsgerichts

(vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 19. Juni 1950 - II OVG A 243/50 -, OVGE MüLü. Band 2, S. 157 <173>)

auf den SSW.

52

Die mit Landeswahlgesetz vom 22. Oktober 1951 (GVOBl S. 180) eingeführte 7,5%-Klausel hat das Bundesverfassungsgericht durch Urteil vom 5. April 1952 (- 2 BvH 1/52 -, BVerfGE 1, 208 ff.) wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichheit der Wahl für verfassungswidrig erklärt. Daraufhin hat der Landtag das Wahlgesetz geändert und in § 3 Abs. 1 LWahlG anstelle der 7,5%-Klausel die 5%-Klausel verankert (LWahlG vom 5. November 1952, GVOBl S. 175).

53

Nachdem der SSW bei der Bundestagswahl am 6. September 1953 nur 3,3 % der in Schleswig-Holstein abgegebenen Zweitstimmen erhalten hatte (bei der Bundestagswahl 1949 waren es 5,4 % und bei der Landtagswahl 1950 5,5 %), rief er erneut das Bundesverfassungsgericht an, weil er die 5%-Klausel im Landeswahlgesetz ohne Sonderregelung für Parteien einer nationalen Minderheit für verfassungswidrig hielt. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 11. August 1954 (- 2 BvK 2/54 -, BVerfGE 4, 31 ff.) die Norm unbeanstandet gelassen.

54

Auf die Bonn-Kopenhagener Erklärungen hin wurde die noch heute geltende Fassung des § 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG mit Gesetz vom 31. Mai 1955 (GVOBl S. 124) eingeführt. Diese Regelung war auf den SSW zugeschnitten worden

(vgl. Antrag der SSW-Fraktion vom 9. April 1954, Landtags-Drucksache 2/573, PlPr 82. Sitzung vom 27. April 1954, S. 1531 ff.).

55

bb) Dass der SSW sich seit Beginn seiner Tätigkeit auch als Vertretung der Friesen versteht, vermag hieran nichts zu ändern. Er ist aus den historisch miteinander verknüpften Bewegungen der nationalen Friesen und der dänischen Minderheit hervorgegangen. Dies war dem Gesetzgeber bei der Schaffung von § 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG bekannt und für ihn kein Hindernis, den SSW als Partei der dänischen Minderheit anzusehen

(so auch OVG Schleswig, Beschluss vom 25. September 2002 - 2 K 2/01 -, SchlHA 2003, 19 ff. = NVwZ-RR 2003, 161 ff. = NordÖR 2003, 61 ff. = JZ 2003, 519 ff., Juris Rn. 44 mit weiteren Ausführungen dazu).

56

b) Der SSW wird auch gegenwärtig personell von der dänischen Minderheit getragen und programmatisch von ihr geprägt.

57

aa) Die personelle Verknüpfung des SSW mit der dänischen Minderheit ergibt sich insbesondere aus der Doppelmitgliedschaft einer großen Anzahl von Personen, die sowohl im SSW als auch in den weiteren Organisationen der Minderheit engagiert sind. Diese arbeiten im Südschleswigschen Gemeinsamen Rat für die dänische Minderheit (Det Sydslesvigske Samråd) zusammen und stimmen ihr gemeinsames Vorgehen ab

(vgl. Minderheitenbericht 2011, Landtags-Drucksache 17/2025, S. 37).

58

Zu den Organisationen der dänischen Minderheit gehören neben dem SSW und dem SSF unter anderem die Dänische Kirche in Südschleswig (Dansk Kirke i Sydslesvig), der Dänische Schulverein für Südschleswig (Dansk Skoleforening for Sydslesvig), die Dänischen Jugendverbände in Südschleswig (Sydslesvigs danske Ungdomsforeninger ), die Dänische Zentralbibliothek für Südschleswig (Dansk Centralbibliotek for Sydslesvig), der Dänische Gesundheitsdienst (Dansk Sundhedstjeneste for Sydslesvig), die Dänische Volkshochschule (Jaruplund Højskole) und die Tageszeitung Flensborg Avis

(vgl. Minderheitenbericht 2011, a.a.O., S. 153 f.).

59

Nach Angaben des Landesverbandes des SSW sind von den 3.660 SSW-Mitgliedern 78 % gleichzeitig Mitglied im SSF, dem dänischen Kulturverein, und ca. 2% Mitglied im Friisk Foriining, dem friesischen Kulturverein. Viele seien zusätzlich Mitglieder in Skoleforening, SdU, Dansk Kirke usw., worüber keine Statistik geführt werde. Alle führenden Politikerinnen und Politiker des SSW seien Mitglied im dänischen Kulturverein oder übten dort Funktionen aus. Die große Mehrheit der Vorsitzenden und Hauptamtlichen der Organisationen der dänischen Minderheit seien jedenfalls Mitglied im SSW oder sogar in der Kommunalpolitik und Organisation der Partei aktiv

(vgl. Dossier 08 Dokument 01 der Stellungnahme des SSW zum Verfahren).

Spezifische Gründe dafür, diese Angaben zu bezweifeln, sind im Verfahren nicht vorgetragen worden.

60

bb) Der SSW ist auch programmatisch durch die Minderheit geprägt, was sich aus seiner Satzung, seinen Programmen und seinem Zusammenwirken mit den örtlichen Vereinigungen in seinem Tätigkeitsgebiet Südschleswig und Helgoland, dem angestammten Siedlungsgebiet der dänischen Minderheit und der friesischen Volksgruppe, ergibt. Daran ändert weder die Wählbarkeit der Liste im ganzen Land noch die Wahrnehmung eines allgemeinen politischen Mandats etwas.

61

(1) In § 2 Nr. 2 der Satzung des SSW heißt es:

(...) Die Partei wirkt auf der Grundlage des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland, der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein, ihrer Satzung sowie der Rahmen- und Aktionsprogramme an der politischen Willensbildung mit. Der SSW ist die politische Vertretung der dänischen Minderheit und der nationalen Friesen in Südschleswig und fühlt sich diesen besonders verpflichtet, will zugleich aber auch dem Wohl aller Bürgerinnen und Bürger in Schleswig-Holstein dienen. Der SSW tritt für eine demokratische Lebens- und Gesellschaftsform ein, die von sozialer Gerechtigkeit, gegenseitiger Achtung und dem Respekt gegenüber den Mitmenschen nach nordischem Vorbild geprägt ist. Der SSW will an der Verständigung zwischen den Völkern und an der Zusammenarbeit in Europa mitwirken. Seine Politik ist frei und unabhängig.

62

Das Verständnis der nordischen Rechtstradition, das für das Wirken maßgebend ist, wird in den verschiedenen Programmen des SSW aufgegriffen. So beschreibt das seit dem 13. Februar 1999 geltende Rahmenprogramm, dass

(...) die Grundwerte des SSW (…) vor allem von unserem besonderen Standpunkt als Minderheitenpartei, von der regionalen Verankerung im Norden Schleswig-Holsteins und von unserer besonderen Verbindung zu den nordischen Ländern geprägt (werden).

63

Das Wahlprogramm zur Landtagswahl 2012 enthält einerseits Aussagen zur allgemeinen Landespolitik. Andererseits gibt es Belege einer ausdrücklich dänischen Ausrichtung wie etwa bei der Schulpolitik, der Hochschulzusammenarbeit, der Anerkennung von Berufsabschlüssen, bei grenzüberschreitenden Gesundheitsangeboten, dem Erfahrungsaustausch mit Grenzregionen und bei der Verkehrsinfrastruktur zur Anbindung an Dänemark

(vgl. Wahlprogramm des SSW 2012, S. 20 ff.).

Dazu gehört auch die Forderung, dass im Schulgesetz des Landes wieder die Förderung des Dänischen Schulvereins mit 100 % der öffentlichen Schülerkostenansätze verankert und dadurch die Gleichstellung der Kinder an den dänischen Schulen wiederhergestellt wird

(vgl. Wahlprogramm des SSW 2012, S. 50).

64

(2) Der SSW verliert seine Prägung auch nicht durch seine über eine spezifische Minderheitenpolitik hinausreichende Tätigkeit.

65

(a) Der Umstand, dass der SSW seit Einführung des Zweistimmenwahlrechts durch Gesetz zur Änderung des Landeswahlgesetzes vom 27. Oktober 1997 (GVOBl S. 462) im gesamten Land wählbar ist, steht seiner Eigenschaft als Partei der dänischen Minderheit nicht entgegen.

66

Allein die Änderung des Wahlrechts kann den Status des SSW als Minderheitenpartei nicht beeinflussen

(so auch BVerfG, Beschluss vom 17. November 2004 - 2 BvL 18/02 -, NVwZ 2005, 205 ff. = NordÖR 2005, 19 ff., Juris Rn. 25 ff.).

Es läge sonst in der Hand der Mehrheit, durch ein entsprechendes Wahlrecht den Status der Minderheitenpartei aufzuheben. Der SSW hatte sich im Übrigen ausdrücklich gegen die Wahlrechtsänderung ausgesprochen

(vgl. Landtags-Drucksache 14/39, PlPr 14/37, S. 2449 – Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des LWahlG, Redebeitrag der Abgeordneten Spoorendonk –).

67

Zudem werden Direktkandidatinnen und Direktkandidaten des SSW für den Landtag seit 1997 – wie zuvor – nur in Südschleswig und im Wahlkreis Pinneberg Nord (Helgoland) aufgestellt, obwohl es dem SSW schon vor der Wahlrechtsänderung möglich gewesen wäre, in allen Wahlkreisen Kandidatinnen und Kandidaten aufzustellen

(vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. November 2004, a.a.O., Juris Rn. 27 unter Hinweis auf Ausschussprotokoll 14/32 der vorbereitenden Sitzung des Innen- und Rechtsausschusses vom 13. August 1997, S. 14 sowie die Beiträge im PlPr 14/37, S. 2445 ff.).

68

Die Wahlrechtsänderung hat somit zwar zu einer Wählbarkeit der Liste des SSW im ganzen Land geführt, dessen Charakter als Partei der dänischen Minderheit aber in der politischen Wirklichkeit nicht wesentlich verändert. Die verstärkte Wahrnehmung des SSW, die im gesamten Land durch die Wählbarkeit seiner Liste entstanden ist, reicht für einen solchen grundlegenden Wandel seines Charakters als Minderheitenpartei nicht aus.

69

(b) Einschränkungen der programmatischen Ausrichtung auf minderheitenspezifische Themen – wie dies die Beschwerdeführer für angezeigt hielten – widersprächen nicht nur dem Wortlaut des § 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG, sondern auch seinem Sinn und Zweck, mit dem die Vorgaben der Bonn-Kopenhagener Erklärungen erfüllt werden sollen () und die dänische Minderheit in das allgemeinpolitische Gemeinwesen der Mehrheit integriert werden soll (). Eine Beschränkung der Wählbarkeit des SSW auf Angehörige der Minderheit stünde zudem im Widerspruch zu den spezifischen landesverfassungsrechtlichen Regelungen, in deren Kontext die Vorschrift steht ().

70

(aa) Als Ergebnis der deutsch-dänischen Besprechungen hat das Auswärtige Amt in der Protokollerklärung zu den Bonn-Kopenhagener Erklärungen vom 29. März 1955 (Bundesanzeiger Nr. 63 vom 31. März 1955, S. 4) unter I. Nr. 3 ausdrücklich ausgeführt:

Die Landesregierung Schleswig-Holstein hat die Bundesregierung davon unterrichtet, daß sie bereit ist:

a) darauf hinzuwirken, daß der Schleswig-Holsteinische Landtag eine Ausnahmebestimmung von der 5%-Klausel in § 3 des Schleswig-Holsteinischen Landeswahlgesetzes zu Gunsten der dänischen Minderheit baldmöglichst beschließt; (…).

Dem ist der schleswig-holsteinische Gesetzgeber nachgekommen, indem er mit Gesetz zur Änderung des Landeswahlgesetzes vom 31. Mai 1955 (GVOBl S. 124) den bis heute unverändert geltenden § 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG eingefügt hat.

71

(bb) § 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG will entsprechend dem verfassungsrechtlich vorgegebenen Charakter der Wahl als Integrationsvorgang bei der politischen Willensbildung die Repräsentanz der dänischen Minderheit als politisch bedeutsame Strömung im Parlament sichern.

72

Die Vertretung anerkannter nationaler Minderheiten ist stets politisch bedeutsam

(so auch BVerfG, Beschlüsse vom 14. Februar 2005 - 2 BvL 1/05 -, SchlHA 2005, 128 ff. = NVwZ 2005, 568 ff. = NordÖR 2005, 106 ff., Juris Rn. 34 und vom 13. Juni 1956 - 1 BvR 315/53 u.a. -, BVerfGE 5, 77 ff., Juris Rn. 22; Urteil vom 23. Januar 1957 - 2 BvE 2/56 -, BVerfGE 6, 84 ff., Juris Rn. 34).

An der Behandlung der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein nimmt die internationale Staatengemeinschaft, insbesondere Dänemark, Anteil. Denn nachdem die Bundesrepublik Deutschland anlässlich der Zeichnung und Ratifizierung des Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten ausdrücklich erklärt hatte, dass unter anderem die Dänen deutscher Staatsangehörigkeit eine nationale Minderheit in der Bundesrepublik seien (BGBl II vom 29. Juli 1997 S. 1418), hat Dänemark seinerseits erklärt, dass das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten auf die deutsche Minderheit in Südjütland (Nordschleswig) im Königreich Dänemark Anwendung findet

(vgl. Erklärung Dänemarks vom 22. September 1997 zur Anwendung des Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten, Abdruck bei Kühl/ Bohn, Ein europäisches Modell? Bielefeld 2005, S. 553).

Durch die Vertretung der dänischen Minderheit im Landtag wird verhindert, dass diese sich eher einem anderen Staat (Dänemark) zugehörig fühlt, und dass durch Ausgrenzung separatistische Tendenzen entstehen. Zudem wird ermöglicht, dass die spezifischen Belange der nationalen Minderheit in den politischen Willensbildungsprozess einfließen und die von der Minderheit vertretenen Werte das Wirken des Parlaments beeinflussen können.

73

Eine Partei der dänischen Minderheit übt die ihr in der politischen Willensbildung zukommende Mittlerfunktion zwar für einen bestimmten Teil des Staatsvolkes – für diejenigen deutschen Staatsangehörigen, die sich zur dänischen Minderheit bekennen – aus

(vgl. Pieroth, Der Begriff der Partei der dänischen Minderheit und die Verfassungsmäßigkeit ihrer Privilegierung im Schleswig-Holsteinischen Landeswahlrecht, Landtags-Umdruck 15/634, S. 14).

Da aber politische Auseinandersetzung und Einflussnahme einer Partei im Sinne von Art. 21 GG, dessen Grundsätze nicht nur im Bund, sondern unmittelbar auch in den Ländern gelten

(BVerfG, Urteile vom 5. April 1952 - 2 BvH 1/52 -, BVerfGE 1, 208 ff. Juris Rn. 64 und vom 24. Januar 1984 - 2 BvH 3/83 -, BVerfGE 66, 107 ff., Juris Rn. 23 m.w.N., stRspr.),

immanent ist, muss eine Partei nach § 2 Abs. 1 Satz 1 PartG das Ziel verfolgen, dauernd oder für längere Zeit im Bund oder Land auf die politische Willensbildung Einfluss zu nehmen und an der Vertretung des gesamten Volkes im Deutschen Bundestag oder in einem Landtag mitzuwirken

(vgl. Lenski, PartG, 1. Aufl. 2011, § 2 Rn. 7).

74

Programmatische Prägung durch die Minderheit bedeutet deshalb nicht, dass die Partei auf minderheitenspezifische Themen beschränkt werden könnte. Dem Integrationsanliegen wird nur Genüge getan, wenn die Partei der dänischen Minderheit sich nicht auf Partikularinteressen beschränkt; andernfalls wäre sie auch für die Minderheit selbst unwählbar, weil keine Teilhabe an der politischen Willensbildung angestrebt würde

(vgl. Pieroth, a.a.O., S. 28 f.).

75

Die Aussage des SSW, sich für alle Menschen in seinem Tätigkeitsgebiet einsetzen und zu allen Fragen der Landespolitik Stellung beziehen zu wollen, ist Ausdruck dieses Integrationsgedankens. Das legitime Ziel, Regierungsverantwortung übernehmen zu wollen, wird auch von der dänischen Minderheit mitgetragen. Der Südschleswigsche Gemeinsame Rat wollte sich nach der Resolution vom 24. Januar 2011 für einen Regierungswechsel einsetzen. Dies kann als Aufforderung an den SSW seitens der dänischen Minderheit verstanden werden, sich an einem Regierungswechsel zu beteiligen.

76

(cc) Schließlich liefen Beschränkungen der Wählbarkeit dem Grundsatz der geheimen Wahl (Art. 3 Abs. 1 LV) und der Freiheit des Bekenntnisses zur Minderheit (Art. 5 Abs. 1 Halbs. 1 LV) zuwider. Da sowohl das Verlangen nach Offenbarung der gewählten Partei verboten ist

(vgl. Caspar, in: Caspar/ Ewer/ Nolte/ Waack , Verfassung des Landes Schleswig-Holstein, 2006, Art. 3 Rn. 71 ff.; Achterberg/ Schulte, in: von Mangoldt/ Klein/ Starck, Band 2, 6. Aufl. 2010, Art. 38 Rn. 151 f.; Trute, in: von Münch/ Kunig, GG-Kommentar, Band 1, 6. Aufl. 2012, Art. 38 Rn. 65 ff.),

als auch eine Nachprüfung des nationalen Bekenntnisses anhand objektiver Kriterien wie etwa Abstammung oder Fremdsprachigkeit ausgeschlossen ist

(vgl. Abschnitt II Ziff. 1 der „Kieler Erklärung“ vom 26. September 1949, GVOBl S. 183 f.; von Mutius, in: von Mutius/ Wuttke/ Hübner, Kommentar zur Landesverfassung, 1995, Art. 5 Rn. 5; Riedinger, in: Caspar/ Ewer/ Nolte/ Waack , Verfassung des Landes Schleswig-Holstein, 2006, Art. 5 Rn. 10; Köster, Der Minderheitenschutz nach der schleswig-holsteinischen Landesverfassung, Bredstedt 2009, S. 34 ff.; Lemke, Nationale Minderheiten und Volksgruppen im schleswig-holsteinischen und übrigen deutschen Verfassungsrecht, Kiel 1998, S. 242 ff.),

sind der Adressatenkreis der Parteitätigkeit und die Wählerschaft nicht im Einzelnen personell eingrenzbar.

II.

77

Die in § 3 Abs. 1 Satz 1 LWahlG geregelte 5%-Klausel ist mit der Landesverfassung vereinbar. Sie verletzt weder den Grundsatz der Gleichheit der Wahl (Art. 3 Abs. 1 und Art. 10 Abs. 2 LV) noch das Gebot der Chancengleichheit der Parteien (Art. 3 Abs. 1 LV in Verbindung mit Art. 21 Abs. 1 GG) (1.). Auch die in § 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG festgelegte Befreiung der Parteien der dänischen Minderheit von der 5%-Klausel ist nicht zu beanstanden. Insoweit ist Art. 2a LV in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG im vorliegenden Kontext kein geeigneter Maßstab (2.). § 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG berührt zwar die Wahlrechtsgleichheit in ihrer Ausprägung als Erfolgswertgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien. Die Regelung ist jedoch durch zwingende Gründe gerechtfertigt (3.).

78

1. Die Wahlgrundsätze in Art. 3 Abs. 1 LV stimmen überein mit denjenigen, die nach Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG für die Wahlen zum Deutschen Bundestag gelten. Auf sie ist das Land nach Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG verpflichtet. Deshalb kann für die Auslegung von Art 3 Abs. 1 LV auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG zurückgegriffen werden, soweit sich aus den Wahlsystemen keine entscheidenden Unterschiede ergeben. Bei der Ausgestaltung des Wahlsystems genießen die Länder im Rahmen der Bindung an die Grundsätze des Art. 28 GG einen autonomen Spielraum

(Urteil vom 30. August 2010 - LVerfG 1/10 -, Rn. 90 m.w.N., LVerfGE 21, 434 ff. = SchlHA 2010, 276 ff. = NordÖR 2010, 401 ff. = JZ 2011, 254 ff., Juris Rn. 95).

79

a) Die Gleichheit der Wahl gebietet, dass alle Staatsbürgerinnen und Staatsbürger das aktive und passive Wahlrecht in möglichst gleicher Weise ausüben können. Das Wahlgesetz gestaltet nach Art. 10 Abs. 2 Satz 2 LV das Nähere des in Art. 10 Abs. 2 Satz 1 LV als personalisierte Verhältniswahl festgelegten Wahlsystems aus. Dabei müssen die Stimmen aller Wahlberechtigten ex ante betrachtet den gleichen Zählwert und die gleiche Erfolgschance haben

(Urteil vom 30. August 2010, Rn. 91 ff., a.a.O., Juris Rn. 96 ff.; BVerfG, Urteil vom 10. April 1997 - 2 BvC 3/96 -, BVerfGE 95, 408 ff., Juris Rn. 41).

80

Den gleichen Anforderungen hat das Wahlrecht auch im Hinblick auf die in Art. 3 Abs. 1 LV in Verbindung mit Art. 21 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich verbürgte Chancengleichheit der Parteien zu genügen

(vgl. BVerfG, Urteil vom 10. April 1997, a.a.O., Juris Rn. 42).

81

Aus der Chancengleichheit der Parteien folgt für Verhältniswahlen, dass alle Parteien in einem möglichst den Stimmenzahlen angenäherten Verhältnis in dem zu wählenden Organ vertreten sind und dass jeder Partei und Wählergruppe grundsätzlich die gleichen Chancen bei der Verteilung der Sitze eingeräumt werden

(vgl. BVerfGE, Urteile vom 13. Februar 2008 - 2 BvK 1/07 -, BVerfGE 120, 82 ff., Juris, Rn. 99, 103 und vom 9. November 2011 - 2 BvC 4/10 u.a. -, BVerfGE 129, 300 ff., Rn. 79, 82; LVerfG Hamburg, Urteil vom 15. Januar 2013 - HVerfG 2/11 -, DVBl 2013, 304 ff. = NordÖR 2013, 156 ff., Juris Rn. 71, 72).

82

b) § 3 Abs. 1 Satz 1 LWahlG berührt die Wahlgleichheit in der Ausprägung als Erfolgswertgleichheit. Denn die 5%-Klausel bewirkt eine Ungleichbehandlung der Wählerstimmen. Während der Zählwert aller Wählerstimmen von der 5%-Klausel unberührt bleibt, werden die Wählerstimmen hinsichtlich ihres Erfolgswerts ungleich behandelt, je nachdem, ob die Stimme für eine Partei abgegeben wurde, die mehr als fünf Prozent der Stimmen auf sich vereinigen konnte, oder für eine Partei, die daran gescheitert ist. Wenn eine Partei die Sperrklausel nicht überwindet, bleiben die für sie abgegebenen Stimmen nach § 3 Abs. 1 Satz 1 LWahlG bei der Zuteilung der Mandate unberücksichtigt. Die 5%-Klausel nimmt diesen Stimmen insoweit ihren Erfolgswert

(so auch VerfGH Saarland, Urteil vom 29. September 2011 - Lv 4/11 -, NVwZ-RR 2012, 169 ff., Juris Rn. 200).

83

Zugleich wird durch die 5%-Klausel das Recht der Parteien auf Chancengleichheit berührt. Denn nach Art. 10 Abs. 2 Satz 2 LV in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 1 LWahlG werden von einer festen Zahl von 69 Sitzen – vorbehaltlich der sich aus dem Gesetz ergebenden Abweichungen – 34 nach dem Zweitstimmenergebnis proportional auf die Parteien verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. So verfügen die im Landtag vertretenen Parteien über mehr Sitze als es ihrem Anteil an der Gesamtstimmenzahl entspricht, während die Parteien, die an der 5%-Klausel scheitern, nicht an der Sitzverteilung teilnehmen

(so auch VerfGH Saarland, Urteil vom 29. September 2011, a.a.O., Juris Rn. 201).

84

c) Die Wahlgleichheit unterliegt ebenso wie der Grundsatz der Chancengleichheit der politischen Parteien keinem absoluten Differenzierungsverbot. Allerdings folgt aus dem formalen Charakter der Wahlgleichheit, dass dem Gesetzgeber bei der Ordnung des Wahlrechts nur ein eng bemessener Spielraum für Differenzierungen bleibt. Es geht um die Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts in formal möglichst gleicher Weise

(BVerfG, Urteile vom 23. Januar 1957 - 2 BvE 2/56 -, BVerfGE 6, 84 ff., Juris Rn. 25 f., und vom 3. Juli 2008 - 2 BvC 1/07 u.a. -, BVerfGE 121, 266 ff., Juris Rn. 97, stRspr.).

85

Differenzierungen der Wahlgleichheit bedürfen zu ihrer Rechtfertigung stets eines besonderen, sachlich legitimierten, „zwingenden“ Grundes. Mit diesem Begriff ist nicht gemeint, dass sich die Differenzierung von Verfassungs wegen als notwendig darstellen muss. Differenzierungen im Wahlrecht können vielmehr auch durch Gründe gerechtfertigt werden, die durch die Verfassung legitimiert und von einem Gewicht sind, das der Wahlgleichheit die Waage halten kann

(Urteil vom 30. August 2010, Rn. 142 ff., a.a.O., Juris Rn.148 ff.; so auch: BVerfG, Urteile vom 13. Februar 2008, a.a.O., Juris Rn. 108 f. und vom 9. November 2011, a.a.O., Juris Rn. 87; LVerfG Hamburg, Urteil vom 15. Januar 2013, a.a.O., Juris Rn. 78).

86

Da zwischen der Wahlgleichheit und der Chancengleichheit der Parteien bei Wahlen ein enger Zusammenhang besteht, folgt die verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Einschränkungen der Chancengleichheit der Parteien ebenfalls den gleichen Maßstäben

(BVerfG, Urteil vom 9. November 2011, a.a.O., Juris Rn. 86 m.w.N.).

87

Innerhalb dieses engen Gestaltungsspielraums ist es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, das Gebot der Wahlgleichheit mit anderen verfassungsrechtlich legitimen Zielen zum Ausgleich zu bringen

(Urteil vom 30. August 2010 - LVerfG 1/10 -, Rn. 142, LVerfGE 21, 434 ff. = SchlHA 2010, 276 ff. = NordÖR 2010, 401 ff. = JZ 2011, 254 ff., Juris Rn. 148).

Er hat sich bei der Bewertung, ob ein zwingender Grund von verfassungsrechtlichem Gewicht die Sperrklausel rechtfertigt, nicht an abstrakt konstruierten Fallgestaltungen, sondern an der politischen Wirklichkeit zu orientieren

(vgl. BVerfG, Urteile vom 13. Februar 2008, a.a.O., Juris Rn. 110 und vom 9. November 2011, a.a.O., Juris Rn. 89; LVerfG Hamburg, Urteil vom 15. Januar 2013, a.a.O., Juris Rn. 80).

Er hat zu prüfen und zu beurteilen, ob eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Vertretungsorgane mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist

(vgl. BVerfG, Urteile vom 9. November 2011, a.a.O., Juris Rn. 92 und vom 13. Februar 2008, a.a.O., Juris Rn. 126; LVerfG Hamburg, Urteil vom 15. Januar 2013, a.a.O., Juris Rn. 102).

88

Aufgabe eines Verfassungsgerichts ist es, unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Gegebenheiten zu prüfen, ob die Grenzen des gesetzgeberischen Ermessens bezüglich der Regelung eines Quorums überschritten sind

(vgl. BVerfG, Urteil vom 11. August 1954 - 2 BvK 2/54 -, BVerfGE 4, 31ff., Juris Rn. 36).

Das Schleswig-Holsteinische Landesverfassungsgericht prüft daher lediglich, ob bei der Abwägung des Gesetzgebers und der ihr zugrundeliegenden Prognose die verfassungsrechtlichen Grenzen eingehalten sind, nicht aber, ob der Gesetzgeber die am meisten zweckmäßige oder eine rechtspolitisch besonders erwünschte Lösung gefunden hat

(vgl. zum entsprechenden Prüfungsumfang des Bundesverfassungsgerichts: Urteil vom 25. Juli 2012 - 2 BvE 9/11 u.a. -, BVerfGE 131, 316 ff., Juris Rn. 63, stRspr.).

89

Sofern eine differenzierende Regelung einen legitimen Zweck verfolgt, kann das Landesverfassungsgericht einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichheit der Wahl nur feststellen, wenn die Regelung zur Erreichung des Zieles nicht geeignet ist oder das Maß des zur Erreichung dieses Zieles Erforderlichen überschreitet

(vgl. Urteil vom 30. August 2010, Rn. 144, a.a.O., Juris Rn. 151; BVerfG, Urteile vom 10. April 1997 - 2 BvC 3/96 -, BVerfGE 95, 408 ff., Rn. 49, und vom 25. Juli 2012, a.a.O., Juris Rn. 63 m.w.N.)

oder im Ergebnis unangemessen die Gleichheit der Wahl beeinträchtigt.

90

d) Nach diesen Maßstäben verletzt die 5%-Klausel nicht die Gleichheit der Wahl und nicht die Chancengleichheit der Parteien.

91

aa) Da die Sperrklausel nicht in der Landesverfassung sondern einfachgesetzlich in § 3 Abs. 1 Satz 1 LWahlG geregelt ist

(vgl. Diskussion des schleswig-holsteinischen Gesetzgebers im Rahmen der Verfassungsreform 1990: Ausschussprotokolle Sonderausschuss „Verfassungs- und Parlamentsreform“, z.B. Sitzung vom 21. April 1989 12/6, S. 18 ff. und vom 2. Juni 1989 12/11, S. 10),

bedarf es hoher Anforderungen an ihre Rechtfertigung. Allein der Umstand, dass die Sperrklausel keinen unmittelbaren Verfassungsrang hat, macht sie jedoch nicht verfassungswidrig.

92

bb) Verfassungsrechtlich legitimierte Gründe, die der Wahlgleichheit die Waage halten können, sind die Funktionsfähigkeit des Landtages und die Integrationsfunktion der Parteien.

93

(1) Die Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Parlaments ist im Zusammenhang mit der 5%-Sperrklausel als Differenzierungsgrund bei Landtags- und Bundestagswahlen anerkannt. Dies ist begründet durch die Sorge, dass das Parlament aufgrund einer Zersplitterung der vertretenen Kräfte funktionsunfähig wird, insbesondere nicht mehr in der Lage ist, aus sich heraus stabile Mehrheiten zu bilden und eine aktionsfähige Regierung zu schaffen

(Urteil vom 30. August 2010, Rn. 151, a.a.O., Juris Rn. 158; vgl. auch BVerfG, Urteile vom 5. April 1952 - 2 BvH 1/52 -, BVerfGE 1, 208 ff., Juris Rn. 127 f.; vom 11. August 1954, a.a.O., Juris Rn. 36 f.; vom 23. Januar 1957 - 2 BvE 2/56 -, BVerfGE 6, 84 ff., Juris Rn. 28; vom 29. September 1990 - 2 BvE 1/90 u.a. -, BVerfGE 82, 322 ff., Juris Rn. 45; vom 10. April 1997 - 2 BvC 3/96 -, BVerfGE 95, 408 ff., Juris Rn. 52 ff., und vom 13. Februar 2008 - 2 BvK 1/07 -, BVerfGE 120, 82 ff., Juris Rn. 121; VerfGH Bayern, Entscheidung vom 18. Juli 2006 - Vf.9-VII-04 -, VerfGHE BY 59, 125 ff., Juris Rn. 24; VerfGH Berlin, Beschluss vom 17. März 1997 - 82/95 -, LVerfGE 6, 28 ff., Juris Rn. 10; StGH Bremen, Urteil vom 29. August 2000 – St 4/99 -, StGHE BR 6, 253 ff., Juris Rn. 55; StGH Niedersachsen, Beschluss vom 15. April 2010- 2/09, StGH 2/09 -, NdsVBl 2011, 77 f., Juris Rn. 25; VerfGH Saarland, Urteil vom 22. März 2012 - Lv 3/12 -, LKRZ 2012, 209 ff., Juris Rn. 36 ff.; OVG Schleswig, Beschluss vom 25. September 2002 - 2 K 2/01 -, SchlHA 2003, 19 ff. = NVwZ-RR 2003, 161 ff. = NordÖR 2003, 61 ff. = JZ 2003, 519 ff., Juris Rn. 47, 50; Caspar, in: Caspar/ Ewer/ Nolte/ Waack , Verfassung des Landes Schleswig-Holstein, Kommentar, 2006, Art. 3 Rn. 41).

94

Diese Einschätzung ist bundesdeutsche Verfassungstradition im Bund und in allen Ländern. Bei den Wahlen zum Deutschen Bundestag und zu acht der sechzehn Landtage in der Bundesrepublik Deutschland gilt die Sperrklausel auch, ohne in der Verfassung verankert zu sein

(§ 6 Abs. 3 Satz 1 BWahlG; § 3 Abs. 1 Brandenburgisches Landeswahlgesetz; § 5 Abs. 2 Gesetz über die Wahl zur Hamburgischen Bürgerschaft; § 4 Abs. 1 Landeswahlgesetz Mecklenburg-Vorpommern; § 33 Abs. 2 Landeswahlgesetz Nordrhein-Westfalen; § 38 Abs. 1 Saarländisches Landtagswahlgesetz; § 6 Abs. 1 Sächsisches Wahlgesetz; § 35 Abs. 3 Wahlgesetz des Landes Sachsen-Anhalt und § 3 Abs. 1 Landeswahlgesetz Schleswig-Holstein).

In den anderen acht Ländern ist die Sperrklausel durch die Verfassung ausdrücklich vorgeschrieben

(Art. 14 Abs. 4 Verfassung des Freistaats Bayern; Art. 39 Abs. 2 Verfassung von Berlin; Art. 75 Abs. 3 Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen; Art. 8 Abs. 3 Niedersächsische Verfassung und Art. 49 Abs. 2 Verfassung des Freistaats Thüringen)

oder zugelassen

(Art. 28 Abs. 3 Verfassung des Landes Baden-Württemberg; Art. 75 Abs. 3 Verfassung des Landes Hessen und Art. 80 Abs. 4 Verfassung für Rheinland-Pfalz).

95

Ihre Zulässigkeit für den Deutschen Bundestag und die Landtage ist bisher durch die Verfassungsgerichte bestätigt worden

(BVerfG, Urteile vom 29. September 1990 - 2 BvE 1/90 u.a. -, BVerfGE 82, 322 ff., Juris Rn. 46, und vom 10. April 1997 - 2 BvC 3/96 -, BVerfGE 95, 408 ff., Juris Rn. 53 ff.; VerfGH Bayern, Entscheidung vom 18. Juli 2006 - Vf.9-VII-04 -, a.a.O., Juris Rn. 24 f.; VerfGH Berlin, Beschluss vom 17. März 1997 - 82/95 -, a.a.O., Juris Rn. 11 ff.; StGH Bremen, Urteil vom 29. August 2000 - St 4/99 -, a.a.O., Juris Rn. 54 ff.; StGH Niedersachsen, Beschluss vom 15. April 2010, a.a.O., Juris Rn. 25; VerfGH Saarland, Urteile vom 22. März 2012 - Lv 3/12 -, a.a.O., Juris Rn. 36 ff., und vom 18. März 2013 - Lv 12/12 -, U.A. S. 7 ff.).

96

Die Sperrklausel kann auch in Schleswig-Holstein weiterhin gelten. Denn die Annahme des Gesetzgebers ist hinreichend plausibel, dass die Funktionsfähigkeit des Parlaments nur gewährleistet ist, wenn durch stabile Mehrheiten die Regierungsbildung, Gesetzgebung und Aufstellung des Haushalts sichergestellt sind. Ohne Sperrklausel wäre zwar ein genaueres Abbild des Wählervotums im Parlament gegeben, es zögen aber mit größerer Wahrscheinlichkeit partikulare Interessen und nur einzelne Programmpunkte vertretende kleine Parteien in den Landtag ein. Bei einer Aufsplitterung der im Parlament vertretenen Kräfte wäre es hinreichend wahrscheinlich, dass die Handlungs- und Funktionsfähigkeit beeinträchtigt würde, weil stabile Mehrheiten, die kontinuierliches Arbeiten ermöglichen, nicht gewährleistet wären. Dadurch könnte die Demokratie gefährdet werden, in der Meinungen und Willensäußerungen des Volkes nicht nur zum Ausdruck kommen, sondern auch in staatliches Handeln umgesetzt werden müssen.

97

Soweit dagegen angeführt wird, auch unter Einbeziehung von Kleinstparteien sei eine effektive Staatstätigkeit – ggf. mit stets wechselnden Mehrheiten – möglich, trifft dies auf den Landtag nicht zu. Insbesondere bei der Bildung und Tätigkeit der Regierung, die das dauernde Vertrauen des Landtages benötigt (Art. 35, 36 LV), und bei der Haushaltswirtschaft kommt es darauf an, dass sich im Landtag längerfristig verlässliche Mehrheiten mit einem kohärenten Programm bilden können. Auch aus diesem Grund ist eine fünfjährige Wahlperiode festgesetzt (Art. 13 Abs. 1 Satz 1 LV).

98

Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und von Landesverfassungsgerichten aus jüngerer Zeit, wonach die Sperrklauseln bei Kommunalwahlen

(vgl. BVerfG, Urteil vom 13. Februar 2008 - 2 BvK 1/07 -, BVerfGE 120, 82 ff. zu Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein; StGH Bremen, Urteil vom 14. Mai 2009 - St 2/08 - zur Sperrklausel in Bremerhaven, NordÖR 2009, 251 ff.; VerfGH Thüringen, Urteil vom 11. April 2008 - 22/05 - zu Kommunalwahlen in Thüringen, NVwZ-RR 2009, 1 ff. und LVerfG Hamburg, Urteil vom 15. Januar 2013 - HVerfG 2/11 - zur Wahl zu den Bezirksversammlungen, NordÖR 2013, 304 ff.)

und bei der Wahl der deutschen Abgeordneten zum Europäischen Parlament

(BVerfG, Urteil vom 9. November 2011 - 2 BvC 4/10 u.a. -, BVerfGE 129, 300 ff.)

für verfassungswidrig erklärt worden sind, ist nicht auf das Landtagswahlrecht übertragbar. Denn sowohl bei Europawahlen als auch bei Kommunalwahlen besteht eine andere Interessenlage als bei Landtagswahlen. Die auf europäischer und kommunaler Ebene gewählten Vertretungen haben anders als der Landtag, der die Ministerpräsidentin oder den Ministerpräsidenten zu wählen hat (vgl. Art. 26 Abs. 2 LV) und für die Gesetzgebung zuständig ist (vgl. Art. 37 Abs. 2 LV), keine vergleichbare Kreations- und Gesetzgebungsfunktion

(so auch Morlok/ Kühr, JuS 2012, 385 <391>).

99

Dem Bestreben, die Funktionsfähigkeit des Parlaments zu sichern, kann nicht entgegengehalten werden, die Gesetzgebungstätigkeit des Landtages sei von minderer Bedeutung

(so aber Wenner, Sperrklauseln im Wahlrecht der Bundesrepublik Deutschland, Frankfurt am Main, Bern, New York 1986, S. 282 f.).

Die demokratisch gebundene und rechtsstaatlich verfasste Staatsgewalt der Länder wird in Art. 28 Abs. 1, Art. 30, 51, 70, 83, 92 und 109 GG ausdrücklich hervorgehoben. Die Gesetzgebung des Landes zum Beispiel im Haushaltsrecht, im Kommunalrecht, im Polizei- und Ordnungsrecht sowie im Schul- und Hochschulrecht ist notwendig, um die Aufrechterhaltung des Gliedstaates Schleswig-Holstein und der Bundesrepublik Deutschland zu sichern.

100

Das Bundesverfassungsgericht hat demgegenüber für die Wahl zum Europäischen Parlament herausgestellt, es fehle an zwingenden Gründen, in die Wahl- und Chancengleichheit durch Sperrklauseln einzugreifen, weil das Europäische Parlament keine Unionsregierung wähle, die auf fortlaufende Unterstützung angewiesen wäre; ebenso wenig seien die Gesetzgebung der Union und die Informations- und Kontrollrechte des Parlaments von einer gleichbleibenden Mehrheit im Europäischen Parlament abhängig

(BVerfG, Urteil vom 9. November 2011, a.a.O., Juris Rn. 118).

101

Bezogen auf die Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein hat das Bundesverfassungsgericht die 5%-Klausel für verfassungswidrig erklärt, weil diese nicht zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Gemeindevertretungen und Kreistage erforderlich sei. Denn diese übten anders als staatliche Parlamente keine Gesetzgebungstätigkeit aus, für die klare Mehrheiten zur Sicherung einer politisch aktionsfähigen Regierung unentbehrlich seien. Die kommunalen Vertretungsorgane hätten auch keine Kreationsfunktion für ein der Regierung vergleichbares Organ und schließlich unterlägen ihre Entscheidungen der Rechtsaufsicht

(BVerfG, Urteil vom 13. Februar 2008, a.a.O., Juris Rn. 123).

102

Beide Entscheidungen sind nicht unumstritten und zwar einerseits im Hinblick auf die wichtigen Funktionen des Europäischen Parlaments gerade nach dem Vertrag von Lissabon

(vgl. BVerfG, Urteil vom 9. November 2011, a.a.O., abweichende Meinung, Juris Rn. 147 ff.; Schönberger, JZ 2012, 80 ff.; Geerlings/ Hamacher, DÖV 2012, 671 <675 ff.>)

und andererseits auf kommunaler Ebene hinsichtlich der Gefahr der Zersplitterung, die eine gemeinwohlverträgliche Arbeit der kommunalen Volksvertretung etwa im Zusammenhang mit dem Erlass der Haushaltssatzung, der Grundlage gemeindlicher Politik, gefährden könnte

(vgl. Theis, KommJur 2010, 168 <169 ff.>).

103

(2) Legitimer Zweck der 5%-Klausel ist zudem die Sicherung des Charakters der Wahl als eines Integrationsvorgangs bei der politischen Willensbildung des Volkes

(vgl. BVerfG, Urteil vom 10. April 1997 - 2 BvC 3/96 -, BVerfGE 95, 408 ff., Juris Rn. 44, 53),

um der Parteienzersplitterung vorzubeugen und funktionsfähige Verfassungsorgane bilden zu können

(vgl. Schreiber, Bundeswahlgesetz, 8. Aufl. 2009, § 6 Rn. 35; § 20 Rn. 8).

Insoweit wird die Integrationsfunktion der Parteien unterstützt, die durch die Sperrklausel angehalten werden sollen, Interessen und politische Strömungen zu bündeln und zu strukturieren.

104

cc) § 3 Abs. 1 Satz 1 LWahlG ist auch verhältnismäßig.

105

(1) Die 5%-Klausel ist geeignet, die mit ihr verfolgten legitimen Zwecke zu fördern, indem sie den vermehrten Einzug kleinerer und nicht auf stärkere Zustimmung angelegter Parteien in den Landtag verhindert.

106

(2) Die bisherige Einschätzung des Landtages, die 5%-Klausel sei auch in Zukunft erforderlich, um einer zu erwartenden Funktionsstörung des Landtages entgegenzuwirken, ist derzeit nicht zu beanstanden. Einerseits ist es neuen Parteien – etwa der Partei DIE LINKE in der 17. Wahlperiode und den PIRATEN in der 18. Wahlperiode – trotz der 5%-Klausel gelungen, in den Landtag einzuziehen. Andererseits hat die Hürde verhindert, dass daneben weitere kleinere Parteien mit einem oder zwei Sitzen in den Landtag eingezogen wären und zu einer Zersplitterung beigetragen hätten.

107

Die Einführung einer zweiten Listenstimme im Sinne einer Ersatz- bzw. Eventualstimme, die nur dann zu berücksichtigen wäre, wenn die mit der Hauptstimme gewählte Partei unter der 5%-Klausel bliebe

(vgl. Linck, DÖV 1984, 884 ff.; Wenner, a.a.O., S. 412 ff.),

ist kein gleich geeignetes milderes Mittel. Denn dieses Modell bedeutete eine Änderung des Konzepts des geltenden Wahlsystems der personalisierten Verhältniswahl durch Verstärkung der Erfolgschancen der großen Parteien.

108

Es unterliegt vielmehr dem Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers, ob zur Zweckerreichung eine 5%-Klausel, eine niedrigere Sperrklausel oder aber andere Milderungsmaßnahmen in Betracht kommen

(so auch Linck, a.a.O., S. 884 und von Arnim, DÖV 2012, 224 <225>, die die Verfassungsmäßigkeit der 5%-Klausel nicht bezweifeln und Milderungsmaßnahmen dem politischen Ermessen zuschreiben).

109

(3) Die Sperrklausel ist auch angemessen. Das Bundesverfassungsgericht als Landesverfassungsgericht für Schleswig-Holstein hat eine Sperrklausel von 7,5% als unangemessen und eine Sperrklausel von 5% als angemessen angesehen

(vgl. BVerfG, Urteil vom 5. April 1952 - 2 BvH 1/52 -, BVerfGE 1, 208 ff., Juris Rn. 152 ff.)

und diese Auffassung auch für den Deutschen Bundestag vertreten

(vgl. BVerfG, Urteil vom 10. April 1997, a.a.O., Juris Rn. 54).

Das erkennende Gericht hält an dieser Auffassung für den jetzigen Zeitpunkt fest. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits die Notwendigkeit aufgezeigt, die Sperrklausel in der jeweiligen politischen Situation zu bewerten, als es ausgeführt hat, es müssten „ganz besondere, zwingende Gründe gegeben sein, um eine Erhöhung des Quorums über den gemeindeutschen Satz von 5% zu rechtfertigen“

(vgl. BVerfG, Urteil vom 5. April 1952, a.a.O., Juris Rn. 153).

110

Der Gesetzgeber ist daher verpflichtet, die politische Wirklichkeit zu beobachten und unter Berücksichtigung der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten die Bedingungen und Gründe für die Aufrechterhaltung der bestehenden und nicht explizit in der Verfassung verankerten 5%-Hürde zu überprüfen; er hat eine die Gleichheit der Wahl berührende Norm des Wahlrechts gegebenenfalls zu ändern, wenn die verfassungsrechtliche Rechtfertigung dieser Norm durch neue Entwicklungen in Frage gestellt wird, etwa durch eine Änderung der vorausgesetzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder dadurch, dass sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen hat

(BVerfG, Urteile vom 9. November 2011 - 2 BvC 4/10 u.a. -, BVerfGE 129, 300 ff., Juris Rn. 90 und vom 25. Juli 2012 - 2 BvE 9/11 u.a. -, BVerfGE 131, 316 ff., Juris Rn. 64 m.w.N.).

Der Prüfpflicht kommt der Schleswig-Holsteinische Landtag auf Gesetzesinitiative der PIRATEN zur Abschaffung der 5%-Klausel (vgl. Landtags-Drucksache 18/385) derzeit nach, obwohl er noch im Rahmen der Novellierung des Kommunalwahlrechts im Jahre 2008 die 5%-Klausel bei Landtagswahlen bewusst unangetastet gelassen hatte (vgl. Landtags-Drucksache 16/1879, PlPr 16/79 vom 27. Februar 2008, S. 5736 ff.).

111

Da das Wahlrecht und der politische Prozess in einem Wechselverhältnis stehen, ist die Erforderlichkeit und Angemessenheit einer Sperrklausel einer empirischen Überprüfung allein mit den Mitteln der politischen Wissenschaften oder der Mathematik nicht zugänglich. Die Ergebnisse vergangener Wahlen ermöglichen keine gesicherte Aussage über den Ausgang zukünftiger Wahlen. Das geltende Wahlrecht wirkt auf die Wahlergebnisse und das Wahlverhalten zurück. Insoweit bleibt die Entscheidung über die Aufrechterhaltung einer Sperrklausel eine wertende Prognoseentscheidung.

112

dd) Nichts anderes ergibt sich für die Auslegung des schleswig-holsteinischen Verfassungsrechts unter Berücksichtigung von Art. 3 des Ersten Zusatzprotokolls zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK, BGBl 1956 II S. 1880), der das Recht auf freie Wahlen garantiert, und von Art. 25 des Pakts über bürgerliche und politische Rechte (BGBl II 1973 S. 1534), der das Recht gewährt, ohne Unterschied bei gleichen Wahlen zu wählen und gewählt zu werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gelten die Menschenrechtsübereinkommen im Range einfachen Bundesrechts. Sie sind bei der Interpretation des nationalen Rechts – auch der Grundrechte und rechtsstaatlichen Garantien – als Auslegungshilfen zu berücksichtigen. Dabei sind die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte besonders zu berücksichtigen

(vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 2004 - 2 BvR 1481/04 -, BVerfGE 111, 307 ff., Juris Rn. 30, 38).

113

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in mehreren Entscheidungen einen weiten Spielraum der nationalen Wahlgesetzgebung anerkannt und unter anderem Sperrklauseln von 10% in der Türkei, 6% in Spanien und 5% in Lettland als vereinbar mit Art. 3 des Ersten Zusatzprotokolls zur EMRK angesehen

(vgl. EGMR, Urteil vom 8. Juli 2008 - 10226/03 -, Yumak und Sadak ./. Türkei -, NVwZ-RR 2010, 81 ff.; EGMR, Entscheidung vom 7. Juni 2001 - 56618/00 -, Federación Nacionalista Canaria ./. Spanien, Reports of Judgments and Decisions 2001-VI, 433 <443>; EGMR, Entscheidung vom 29. November 2007 - 10547/07 u.a. -, Partija „Jaunie Demokrati“ u. Partija „Musu Zeme ./. Lettland, http://www.hudoc.echr.coe.int., unter „EN DROIT“ A.2 b>).

Dabei wurden jedenfalls keine strengeren Maßstäbe an die Rechtfertigung von Sperrklauseln angelegt als nach dem deutschen Verfassungsrecht.

114

2. Die Befreiung der Parteien der dänischen Minderheit von der 5%-Klausel (§ 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG) verstößt nicht gegen Art. 2a LV in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG.Ungeachtet der Frage, ob Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG im Zusammenhang mit Landtagswahlen Anwendung findet, oder die Wahlrechtsgleichheit demgegenüber lex specialis ist

(vgl. Becker, Die wahlrechtliche Privilegierung von Parteien der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein <§ 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG>, Gesetzliche Voraussetzungen und verfassungsrechtliche Rechtfertigung, Dänischenhagen 2013, S. 43),

ist die Norm schon tatbestandlich nicht einschlägig. Nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG darf niemand wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Die Zugehörigkeit zu einer Minderheit im vorliegenden Kontext folgt jedoch weder aus der Abstammung oder Herkunft einer Person, noch aus ihrer politischen Anschauung, sondern allein aus dem freien Bekenntnis zur Minderheit

(vgl. Riedinger, in: Caspar/ Ewer/ Nolte/ Waack , Verfassung des Landes Schleswig-Holstein, 2006, Art. 5 Rn. 10).

Letzteres ist kein verbotenes Differenzierungskriterium im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG.

115

3. § 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG als Rückausnahme von der Einschränkung der Berücksichtigung aller Stimmen bei der Mandatsverteilung berührt zwar die Wahlrechtsgleichheit in ihrer Ausprägung als Erfolgswertgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien (a). Die Regelung ist jedoch durch zwingende Gründe gerechtfertigt (b).

116

a) Die Zweitstimme derjenigen Wählerinnen und Wähler, die eine Partei der dänischen Minderheit wählen, die im Ergebnis die Sperrklausel nicht erreicht, hat einen höheren Erfolgswert als eine Stimme, die für eine andere Partei abgegeben wurde, die die Sperrklausel ebenfalls nicht erreicht. Die für eine Partei der dänischen Minderheit abgegebene Zweitstimme wird in jedem Fall berücksichtigt, wenn die Partei so viele Stimmen erzielt, dass ihr bei der Sitzverteilung ein Mandat zugerechnet werden kann. Die Zweitstimme dieser Wählerinnen und Wähler wird mit den Stimmen gleich behandelt, die für die Parteien abgegeben werden, die die Sperrklausel überwinden.

117

Auch für eine Rückausnahme, das heißt für eine Ausnahme von einem zulässigen Quorum, gelten die oben unter C.II.1.c) (Rn. 84 ff.) beschriebenen Grundsätze der Zulässigkeit von Differenzierungen bei Vorliegen von Gründen, die durch die Verfassung legitimiert sind. Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Rückausnahme ist der Kontext der Sperrklausel und ihrer Rechtfertigung zu berücksichtigen.

118

Das Bundesverfassungsgericht hat zur schleswig-holsteinischen Regelung entschieden, dass es dem Gesetzgeber freisteht, von einem zulässigen Quorum Ausnahmen zu machen, wenn ein zureichender Grund dafür gegeben ist

(BVerfG, Urteil vom 11. August 1954 - 2 BvK 2/54 -, BVerfGE 4, 31 ff., Juris Rn. 37).

Innerhalb des Quorums ist es dem Gesetzgeber überlassen, wie weit er die Möglichkeit zur Differenzierung ausschöpft

(BVerfG, Urteil vom 10. April 1997 - 2 BvC 3/96 -, BVerfGE 95, 408 ff., Juris Rn. 47 ff.).

119

Dabei ist die konkrete politische Situation zu beachten, zu der die Existenz von nationalen Minderheiten und ihre regionale Verteilung gehören

(BVerfG, Urteile vom 5. April 1952 - 2 BvH 1/52 -, BVerfGE 1, 208 ff., Juris Rn. 146, 158 und vom 23. Januar 1957 - 2 BvE 2/56 -, BVerfGE 6, 84 ff., Juris Rn. 34).

120

Auch in anderen Zusammenhängen hat das Bundesverfassungsgericht Ausnahmen von einer unterschiedslos für das Wahlgebiet geltenden Sperrklausel gefordert oder gebilligt. So hat es bei der ersten gesamtdeutschen Wahl nach der Wiedervereinigung gefordert, dass der Gesetzgeber berücksichtigt, dass besondere Umstände ein Quorum unzulässig werden lassen können. Regelungen, mit denen der Gesetzgeber an einer Sperrklausel festhält, aber ihre Auswirkungen mildert, müssen ihrerseits mit der Verfassung vereinbar sein und den Grundsätzen der Wahlrechtsgleichheit genügen

(BVerfG, Urteil vom 29. September 1990 - 2 BvE 1/90 u.a. -, BVerfGE 82, 322 ff., Leitsatz 2b).

121

Die Grundmandatsklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag, nach der eine Partei auch dann am Verhältnisausgleich teilnimmt, wenn sie in drei Wahlkreisen ein Direktmandat errungen hat (§ 6 Abs. 3 Satz 1 BWahlG = § 6 Abs. 6 Satz 1 BWahlG a.F.), hat das Bundesverfassungsgericht als zulässige Ausnahme vom Quorum angesehen. Eine entsprechende Regelung ist – für den Erwerb eines Direktmandats – auch im schleswig-holsteinischen Wahlrecht in § 3 Abs. 1 Satz 1 LWahlG enthalten. Das Bundesverfassungsgericht hat ausgeführt, dass der Zugang zum Sitzverteilungsverfahren auch von mehreren alternativen Hürden abhängig gemacht werden darf, soweit dadurch keine höhere Sperrwirkung als durch eine 5%-Klausel erzeugt wird. Eine weitere Zugangsmöglichkeit nimmt den durch eine Sperrklausel bewirkten Eingriff in die Wahlgleichheit teilweise zurück und schwächt dessen Intensität ab. Die weitere Differenzierung bewirkt eine neue Ungleichheit und bedarf daher ihrerseits rechtfertigender Gründe. Dabei kann allerdings die Abmilderung der Intensität der Sperrklausel in Rechnung gestellt werden

(BVerfG, Urteil vom 10. April 1997 - 2 BvC 3/96 -, BVerfGE 95, 408 ff., Juris Rn 45 f.).

122

Davon ausgehend bestehen an die Rechtfertigung von Ausnahmen von der Sperrklausel zumindest keine höheren Anforderungen als an die Rechtfertigung der Sperrklausel selbst. Die Ausnahme kann vielmehr dazu beitragen, die Legitimation der Sperrklausel selbst zu sichern, indem sie Wirkungen der Sperrklausel abmildert, durch welche die Integrationsfunktion der Wahl oder andere Verfassungswerte gefährdet werden

(vgl. zur Milderung der Auswirkungen der 5%-Klausel auf Bundesebene: BVerfG, Urteil vom 29. September 1990, Juris Rn. 68 ff.).

123

Zudem ist die Rückausnahme für die Parteien der dänischen Minderheit jedenfalls durch zwingende Gründe gerechtfertigt, die in der Landesverfassung von Schleswig-Holstein verankert sind.

124

b) Die Regelung zugunsten von Parteien der dänischen Minderheit – derzeit des SSW – ist durch die Schutzpflicht des Landes für die politische Mitwirkung der nationalen dänischen Minderheit nach Art. 5 Abs. 2 LV legitimiert (aa-bb) und verstößt nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (cc).

125

aa) Art. 5 Abs. 2 Satz 1 LV stellt die politische Mitwirkung nationaler Minderheiten unter den Schutz des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände. Der nationalen dänischen Minderheit und der friesischen Volksgruppe wird der Schutz der politischen Mitwirkung, der ihnen schon nach Art. 5 Abs. 2 Satz 1 LV zusteht, durch Art. 5 Abs. 2 Satz 2 LV ausdrücklich als „Anspruch auf Schutz“ und zudem als „Anspruch auf Förderung“ zugebilligt.

126

Die politische Mitwirkung der nationalen dänischen Minderheit ist ein Verfassungsgut von hohem Rang, dessen Schutz und Förderung dem Land aufgegeben ist. Es ist insofern geeignet, den die Sperrklausel begründenden Erwägungen sowie dem Anspruch konkurrierender Parteien auf Gleichbehandlung die Waage zu halten und als hinreichender und zwingender Grund für eine Rückausnahme anerkannt zu werden. Ob es sich im Übrigen bei Art. 5 Abs. 2 Satz 2 LV um eine nur objektiv-rechtliche Staatszielbestimmung handelt

(so Riedinger, in: Caspar/ Ewer/ Nolte/ Waack , Verfassung des Landes Schleswig-Holstein, 2006, Art. 5 Rn. 19; Wuttke, Verfassungsrecht, in: Schmalz/ Ewer/ von Mutius/ Schmidt-Jortzig, Staats- und Verwaltungsrecht für Schleswig-Holstein, 2002, Rn. 28),

oder ob sich aus dem Wortlaut („Anspruch“) auch ein subjektives Recht der Gruppe oder von Einzelnen ergibt

(so Köster, Der Minderheitenschutz nach der schleswig-holsteinischen Landesverfassung, Bredstedt 2009, S. 156 ff. m.w.N.),

kann hier offen bleiben.

127

Im Sinne des Wahlrechts „zwingende“ Gründe sind nicht nur Gründe, die zu mathematisch unausweichlichen Unschärfen führen, sondern auch Differenzierungen, die von Verfassungs wegen zwangsläufig oder notwendig sind, weil eine Kollision mit Grundrechten oder anderen Wahlrechtsgrundsätzen vorliegt, oder solche, die sonst durch die Verfassung legitimiert und von so einem Gewicht sind, dass sie der Wahlgleichheit die Waage halten können, wie etwa die vormals in der Schleswig-Holsteinischen Verfassung vorgegebene Regelgröße des Parlaments von 69 Abgeordneten

(Urteil vom 30. August 2010 - LVerfG 1/10 -, Rn. 143, LVerfGE 21, 434 ff. = SchlHA 2010, 276 ff. = NordÖR 2010, 401 ff. = JZ 2011, 254 ff., Juris Rn. 150).

128

Sinn und Zweck des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 LV ist die verfassungsrechtliche Verankerung der Mitwirkung und Integration der dänischen Minderheit nach dem im Jahre 1990 – bei Schaffung von Art. 5 Abs. 2 LV – vorgefundenen und erprobten Konzept des Wahlrechts. Die bereits seit 1955 geltende Regelung in § 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG hat dazu geführt, dass der SSW seitdem in sämtlichen Legislaturperioden im Landtag vertreten war.

129

Diese beiden Regelungen zunächst im einfachen Wahlrecht und später auch im Verfassungsrecht waren eine Reaktion darauf, dass eine politische Mitwirkung der Minderheit durch die Sperrklausel erschwert bzw. unmöglich war. Denn bei der Landtagswahl vom 12. September 1954 hatte der SSW weder die 5%-Hürde übersprungen noch ein Direktmandat erzielt

(vgl. Bekanntmachung des Landeswahlleiters über das endgültige Ergebnis der Wahl zum Schleswig-Holsteinischen Landtag am 12. September 1954 vom 23. September 1954, ABl Nr. 40 S. 398 <401 f.>).

130

Aus den Materialien zu Art. 5 Abs. 2 LV ergibt sich, dass die in Absatz 2 Satz 1 geregelte Schutzbestimmung zugunsten der kulturellen Eigenständigkeit und zugunsten der politischen Mitwirkung speziell für die dänische Minderheit und die friesische Volksgruppe ausdrücklich festgeschrieben und für diese beiden Gruppen zudem ein Grundsatz der Förderung aufgestellt werden sollte. Darin sollte der verfassungspolitische Wille zum Ausdruck kommen, die historischen Gegebenheiten und die faktische Situation im Lande zu berücksichtigen

(Bericht und Beschlussempfehlung des Sonderausschusses zur Beratung des Schlussberichts der Enquete-Kommission „Verfassungs- und Parlamentsreform“ vom 28. November 1989, Landtags-Drucksache 12/620 (neu), S. 34).

131

Aus den Protokollen des Sonderausschusses „Verfassungs- und Parlamentsreform“ geht hervor, dass zunächst daran gedacht worden war, die Befreiung von der 5%-Klausel für Parteien der dänischen Minderheit in die Verfassung aufzunehmen, letztlich aber davon Abstand genommen wurde, weil die Sperrklausel selbst nicht in der Verfassung verankert ist (vgl. SoAVP 12/6 vom 21. April 1989, S. 19). Ausdrücklich wurden aber Schutz und Förderung der politischen Mitwirkung der Minderheit aufgenommen (vgl. SoAVP 12/11 vom 2. Juni 1989, S. 10).

132

Der Zweck der effektiven Integration der dänischen Minderheit in das Staatsvolk kann rechtfertigen, dass die Wahlrechtsgleichheit berührt wird. Denn der Charakter der Wahl als eines Integrationsvorgangs bei der politischen Willensbildung wird gesichert, wenn die Regelungen des Wahlrechts die parlamentarische Repräsentanz der politisch bedeutsamen Strömungen im Wahlvolk ermöglichen

(vgl. Pieroth, Der Begriff der Partei der dänischen Minderheit und die Verfassungsmäßigkeit ihrer Privilegierung im Schleswig-Holsteinischen Landeswahlrecht, Landtags-Umdruck 15/634, S. 35 unter Bezugnahme auf BVerfG, Urteil vom 10. April 1997, - 2 BvC 3/96 -, BVerfGE 95, 408 ff., Juris Rn. 55).

133

So hat das Bundesverfassungsgericht die wahlrechtliche Sonderregelung als gerechtfertigt angesehen, weil sie der nationalen Minderheit zur Vertretung ihrer spezifischen Belange die Tribüne des Parlaments eröffnet, wenn sie nur die für ein Mandat erforderliche Stimmenzahl aufbringt

(vgl. BVerfG, Urteil vom 23. Januar 1957 - 2 BvE 2/56 -, BVerfGE 6, 84 ff., Juris Rn. 34).

134

bb) Dieses Verständnis von Art. 5 Abs. 2 LV wird durch die Einbindung Schleswig-Holsteins in die Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland verstärkt. Art. 5 Abs. 2 LV ist im Lichte der völkerrechtlichen Bindungen des Bundes durch die Bonn-Kopenhagener Erklärungen vom 29. März 1955 und des Rahmenübereinkommens des Europarats vom 1. Februar 1995 zum Schutz nationaler Minderheiten (BGBl 1997 II S. 1406 ff. im Folgenden: Rahmenübereinkommen) auszulegen. Denn das Land Schleswig-Holstein ist ein Gliedstaat der Bundesrepublik Deutschland (Art. 1 LV), der zur Bundestreue verpflichtet ist. Die Bundestreue besagt, dass im deutschen Bundesstaat das gesamte verfassungsrechtliche Verhältnis zwischen dem Gesamtstaat und seinen Gliedern sowie das verfassungsrechtliche Verhältnis zwischen den Gliedern durch den ungeschriebenen Verfassungsgrundsatz von der wechselseitigen Pflicht des Bundes und der Länder zu bundesfreundlichem Verhalten beherrscht ist

(vgl. BVerfG, Urteil vom 28. Februar 1961 - 2 BvG 1/60 u.a. -, BVerfGE 12, 205 ff., Juris Rn. 173).

135

Die Bonn-Kopenhagener Erklärungen haben nach der gleichzeitigen Bekanntmachung der Ergebnisse der deutsch-dänischen Besprechungen durch das Auswärtige Amt zum Inhalt, dass die Sperrklausel nicht zum Hindernis der politischen Mitwirkung der Minderheit werden darf (vgl. Bundesanzeiger Nr. 63 vom 31. März 1955, S. 4).

136

Die Bonn-Kopenhagener Erklärungen sind keine völkerrechtlichen Verträge sondern von zwei Regierungen abgegebene einseitige Willenserklärungen

(vgl. Kühn, Privilegierung nationaler Minderheiten im Wahlrecht der Bundesrepublik Deutschland und Schleswig-Holsteins, Frankfurt am Main 1991, S. 284),

die den auswärtigen Beziehungen des Bundes zuzurechnen sind. Solche Erklärungen können Bindungswirkung entfalten, wenn sie öffentlich und mit dem Willen zur Bindung abgegeben worden sind

(vgl. IGH , I.C.J. Reports 1974, 457 <472 f.>).

Eine solche Bindungswirkung ist nach dem Wortlaut der Erklärungen anzunehmen, zumal sich beide Regierungen bei ihrer Abgabe auf ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen aus dem Gebot des Minderheitenschutzes nach Art. 14 EMRK (BGBl 1952 II S. 690) berufen haben. Das Land Schleswig-Holstein ist indirekt daran beteiligt gewesen und aufgrund des Grundsatzes der Bundestreue weiterhin daran gebunden.

137

Der Bundesgesetzgeber hat den Inhalt der Bonn-Kopenhagener Erklärungen in die geltenden Verpflichtungen eingeordnet und sich fortdauernd gebunden. Die bereits seit dem Bundeswahlgesetz von 1953 bestehende Ausnahme von der Sperrklausel für Parteien nationaler Minderheiten, die aus außenpolitischen Erwägungen im Zusammenhang mit der dänischen Minderheit in Südschleswig eingeführt worden war

(vgl. Schreiber, Bundeswahlgesetz, Kommentar, 8. Aufl. 2008, § 6 Rn. 47),

besteht seitdem unverändert und wurde zuletzt in der Fassung des Bundeswahlgesetzes vom 3. Mai 2013 (BGBl I S. 1082) in § 6 Abs. 3 Satz 2 BWahlG beibehalten.

138

Auch die Bundesregierung fühlt sich den Bonn-Kopenhagener Erklärungen weiterhin verpflichtet. Die Bonner Erklärung vom 29. März 1955 sowie die Kieler Erklärung vom 26. September 1949 sind im Jahre 1997 in der Denkschrift der Bundesregierung zum Rahmenübereinkommen des Europarats vom 1. Februar 1995 zum Schutz nationaler Minderheiten ausdrücklich in Bezug genommen worden (vgl. Bundestags-Drucksache 13/6912, S. 21 ff.).

139

Nach Art. 4 Abs. 2 des Rahmenübereinkommens haben sich die Vertragsparteien verpflichtet, erforderlichenfalls angemessene Maßnahmen zu ergreifen, um in allen Bereichen des wirtschaftlichen, sozialen, politischen und kulturellen Lebens die vollständige und tatsächliche Gleichheit zwischen den Angehörigen einer nationalen Minderheit und den Angehörigen der Mehrheit zu fördern und in dieser Hinsicht in gebührender Weise die besonderen Bedingungen der Angehörigen nationaler Minderheiten zu berücksichtigen. Das Rahmenübereinkommen ist als internationaler Vertrag ein rechtsverbindliches Instrument

(vgl. Klebes, EuGRZ 1995, 262 <264>),

das als Bundesrecht unmittelbar gilt

(vgl. Achter Bericht der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik in den auswärtigen Beziehungen und in anderen Politikbereichen vom 16. Juli 2008, Bundestags-Drucksache 16/10037, S. 79 f.).

140

Nach Art. 1 des Rahmenübereinkommens und seinen Begründungserwägungen ist der Schutz nationaler Minderheiten Bestandteil des internationalen Menschenrechtsschutzes. Das Rahmenübereinkommen ist, nicht anders als die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, bei der Auslegung nationalen Rechts, auch nationalen Verfassungsrechts, zu berücksichtigen (vgl. oben unter C.II.1.d>dd> ).

141

Das Rahmenübereinkommen wurde im Hinblick auf die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten und der Protokolle dazu abgeschlossen. Insoweit ist das Rahmenübereinkommen auch zur Interpretation des Art. 3 des Ersten Zusatzprotokolls zur EMRK (BGBl 1956 II S. 1879), der das Recht auf freie Wahlen garantiert, heranzuziehen. Da die Bundesregierung und die Dänische Regierung bereits die Bonn-Kopenhagener Erklärungen in den Kontext der in Art. 14 EMRK enthaltenen Verpflichtung zur Nichtdiskriminierung nationaler Minderheiten gestellt haben, haben sie insoweit auch eine Abwägung auf Ebene der Menschenrechte vorgenommen.

142

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat zuletzt in einer Entscheidung zum rumänischen Wahlrecht keine Bedenken gegen eine Berücksichtigung nationaler Minderheiten im Wahlrecht erkennen lassen und ausgeführt, dass diese in mehreren europäischen Ländern praktiziert wird

(vgl. EGMR, Urteil vom 2. März 2010 - 78039/01 -, Grosaru ./. Rumänien, unter www.echr.coe.int/hudoc).

143

Auch wenn die in dem Abkommen festgelegten Grundsätze keine unmittelbar geltenden Rechtssätze, sondern Handlungsaufträge für die Unterzeichnerstaaten sind (vgl. Art. 19 des Rahmenübereinkommens), bestätigen sie doch, dass Minderheitenschutz nicht auf die Gewährung formaler Gleichheit beschränkt ist, sondern ausgleichende und fördernde Maßnahmen einschließt

(ebenso VerfG Brandenburg, Urteil vom 18. Juni 1998 - 27/97 -, LVerfGE 8, 97 ff., Juris Rn. 120).

Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und insbesondere Satz 2 LV entsprechen diesem Auftrag.

144

Ein Beispiel für die Umsetzung der Verpflichtungen aus dem Rahmenübereinkommen und die Bindung an die Bonn-Kopenhagener Erklärungen liefert die Antwort der Bundesregierung vom 14. Februar 2008 auf eine Kleine Anfrage zur finanziellen Unterstützung für den Bund Deutscher Nordschleswiger. Darin teilt die Bundesregierung unter anderem unter Bezugnahme auf Art. 4 Abs. 2 des Rahmenübereinkommens mit, dass die finanzielle Förderung der deutschen Volksgruppe in Nordschleswig/ Dänemark auf Grundlage der Bonn-Kopenhagener Erklärungen erfolge (vgl. Bundestags-Drucksache 16/8093, S. 2).

145

In der laufenden Wahlperiode hat sich die Bundesregierung erneut ausdrücklich zu den Bonn-Kopenhagener Erklärungen bekannt (Staatsministerin im Auswärtigen Amt Pieper am 7. Juli 2010, Bundestags-PlPr 17/54, S. 5537 f.).

146

cc) Die Regelung durch § 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG ist auch verhältnismäßig.

147

Das Gericht prüft neben der Frage, ob die differenzierende Regelung an einem Ziel orientiert ist, das der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Wahlrechts verfolgen darf, lediglich, ob die Regelung zur Erreichung dieses Zieles geeignet ist, nicht das Maß des Erforderlichen überschreitet und angemessen ist; denn es ist grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, verfassungsrechtlich legitime Ziele wie die Belange der Funktionsfähigkeit des Parlaments, das Anliegen weitgehender integrativer Repräsentanz und die Gebote der Wahlrechtsgleichheit sowie der Chancengleichheit der politischen Parteien zum Ausgleich zu bringen

(vgl. BVerfG, Urteil vom 10. April 1997 - 2 BvC 3/96 -, BVerfGE 95, 408 ff., Juris Rn. 49 m.w.N.).

148

Mit welcher Regelung der Verfassungsauftrag erfüllt wird, ist vom Gesetzgeber einzuschätzen. Er hat auch die Pflicht zu beobachten, wie sich die Regelung auswirkt, ob sie im Kontext der wahlrechtlichen Regelungen und der tatsächlichen Verhältnisse geeignet ist, ihren Zweck zu erfüllen, und ob zugleich andere Grundsätze des Wahlrechts nicht unangemessen beeinträchtigt werden (siehe oben C.II.1.c> entsprechend zur Sperrklausel). Angesichts des Einschätzungsspielraums des Gesetzgebers und der von ihm zu wählenden Gesamtsystematik des Wahlrechts kann das Gericht nicht seine eigene Einschätzung von einer zweckmäßigeren Lösung an dessen Stelle setzen, sondern hat nur zu kontrollieren, ob entweder die politische Mitwirkung der Minderheit nicht mehr hinreichend geschützt wird oder ob die dazu genutzte Regelung außer Verhältnis zur Beeinträchtigung anderer Wahlrechtsgrundsätze steht.

149

(1) Die Regelung ist geeignet, den angestrebten Zweck zu erfüllen. Sie hat seit ihrem Bestehen die politische Mitwirkung der dänischen Minderheit gesichert.

150

(2) Sie ist auch erforderlich. Ein anderes gleich geeignetes Mittel ist in der gegebenen Systematik des Wahlrechts nicht ersichtlich. Die gegenwärtige Regelung verwirklicht den in Art. 3 und 10 LV enthaltenen Grundsatz der Erfolgswertgleichheit der Verhältniswahl und hebt nur dessen Einschränkung durch die nicht in der Verfassung geregelte Sperrklausel auf. Die Regelung sichert den Parteien der Minderheit die Möglichkeit, auch unter den Bedingungen eines regional und personell beschränkten Aktionsradius für ihre Anschauungen zu werben und stärkere Zustimmung zu ihrer Politik auch in entsprechende Mandate umzusetzen, ohne dass sie dafür die 5%-Klausel überwinden müssen. Diese Möglichkeit würde durch eine Beschränkung der Befreiung auf ein Mandat verkürzt. Eine solche würde die politische Mitwirkung der Minderheit nicht in gleichem Maße schützen und fördern wie die jetzige Regelung, bei der die Zahl der Abgeordneten vom Zuspruch bei den Wahlen abhängt.

151

Die Beschränkung auf ein Mandat würde zudem die Repräsentanz einer Partei der Minderheit in der arbeitsteiligen Parlamentsarbeit, insbesondere in den Ausschüssen des Landtages, einschränken. Die Möglichkeit, Einfluss auf Regierungsbildung, Gesetzgebung und Haushalt zu nehmen und Wahlkreisarbeit zu leisten, wäre geringer. Außerdem könnte eine Partei bei einer stark verminderten Chance, ein zweites oder drittes Mandat zu erringen, die Wählerinnen und Wähler der Minderheit weniger gut durch ein zum Beispiel nach politischen Strömungen innerhalb der Minderheit, Regionen oder Geschlechtern ausgewogenes Personalangebot ansprechen, sondern wäre darauf verwiesen, sich durch eine Person repräsentieren zu lassen. Die Beschränkung der Befreiung auf ein Mandat würde das dem jetzigen Wahlrecht zu Grunde liegende Konzept von Schutz und Förderung politischer Mitwirkung der Minderheit nicht mehr ausfüllen. Entsprechend kann das Gericht es nicht als gleich geeignetes „milderes Mittel“ zum Schutz und zur Förderung der politischen Mitwirkung der Minderheit ansehen. Ob und in welcher Form ein solches anderes Wahlrecht das Verfassungsgebot von Art. 5 Abs. 2 LV erfüllen würde, war hier nicht zu entscheiden.

152

Die Beschränkung der Befreiung von der 5%-Klausel auf ein Siedlungsgebiet der Minderheit wäre ebenfalls kein gleich geeignetes Mittel, um einer auf das ganze Land bezogenen Minderheitenposition gerecht zu werden. Da der Landtag auf das gesamte Gebiet des Landes hin ausgerichtet und insoweit verantwortlich ist, ist das Vorhandensein einer originären dänischen Minderheit in Südschleswig maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Entscheidung des Landesgesetzgebers, alle Teile des Landes bei der Wahl zum Landtag in die Sonderregelung einzubeziehen

(so auch BVerfG, Beschluss vom 14. Februar 2005 - 2 BvL 1/05 - als obiter dictum, SchlHA 2005, 128 ff. = NVwZ 2005, 568 ff. = NordÖR 2005, 106 ff. = BVerfGK 5, 96 ff., Juris Rn. 40).

153

Wollte man eine Ausnahme von der Sperrklausel für Parteien der dänischen Minderheit auf den nördlichen Teil des Landes beschränken, forderte man ein anderes Wahlsystem

(vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Februar 2005, a.a.O., Juris Rn. 41; Pieroth, Der Begriff der Partei der dänischen Minderheit und die Verfassungsmäßigkeit ihrer Privilegierung im Schleswig-Holsteinischen Landeswahlrecht, Landtags-Umdruck 15/634, S. 39),

dessen Einführung allein dem Gesetzgeber obläge. Im Übrigen wird auch im Bundeswahlrecht die Befreiung von der 5%-Klausel für Parteien nationaler Minderheiten nicht auf deren Siedlungsgebiet beschränkt (vgl. § 6 Abs. 3 Satz 2 BWahlG).

154

(3) § 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG ist auch angemessen im Verhältnis zur Beeinträchtigung der Erfolgswertgleichheit anderer kleiner Parteien im Vergleich zu den Parteien der dänischen Minderheit. Während für die Befreiung der Minderheitenparteien Gründe von Verfassungsrang aus Art. 5 Abs. 2 LV sprechen, unterliegen die anderen kleinen Parteien der legitimen Beschränkung durch die Sperrklausel, haben aber als (potenziell) landes- und bundesweit tätige und auf die deutsche Mehrheitsgesellschaft bezogene Parteien die jeweils gleiche Chance, diese Hürde zu überschreiten.

155

Die Angemessenheit der Sonderregelung könnte dann entfallen, wenn eine Partei der dänischen Minderheit durch Regelungen im Wahlrecht oder Veränderungen der politischen Wirklichkeit keinen Nachteil mehr hätte, der ausgeglichen werden müsste.

156

Dass der SSW in den letzten Jahrzehnten seinen Stimmenanteil bei Landtagswahlen steigern konnte und dass möglicherweise ein Teil der für ihn abgegebenen Stimmen von Personen kam, die sich nicht oder nicht fest der dänischen Minderheit zurechnen, spricht nicht gegen die Angemessenheit der geltenden Regelung. Der SSW ist seit 1955 bisher landesweit immer unter 5% der Stimmen geblieben. Bei insgesamt beweglicherem Wahlverhalten mag die Bereitschaft in der Wählerschaft steigen, einer Partei der dänischen Minderheit die Stimme zu geben. An der im Vergleich zu anderen Parteien regionalen und personellen Einschränkung ändert sich dadurch nichts.

157

Es wird weiterhin diskutiert, ob die durch das Zweistimmenwahlrecht notwendig eingetretene Wählbarkeit des SSW im ganzen Land die Angemessenheit der geltenden Regelung beeinflusst. Der durch das Einstimmenwahlrecht vor 1997 bestehende Nachteil als Partei einer Minderheit, die nur in den Wahlkreisen ihres Tätigkeitsgebiets wählbar war, besteht nicht mehr in gleicher Weise. Die durch die im ganzen Land wählbare Liste entstandenen Chancen haben diesen Nachteil abgemildert, aber nicht entfallen lassen. Der SSW ist als eine Partei der dänischen Minderheit weiterhin nach Satzung, Parteiorganisation, Teilnahme an der Kommunalpolitik und Wahlkreiskandidaturen nur in Südschleswig und auf Helgoland vertreten. Der SSW kandidiert direkt nur in elf von 35 Wahlkreisen, in acht von diesen erzielt er mehr als 5% der Zweitstimmen. Die meisten seiner Zweitstimmen erzielt er in diesem Gebiet

(vgl. Bekanntmachung der Landeswahlleiterin vom 18. Mai 2012, ABl Nr. 23 S. 499 ff., Übersichten 3 und 4).

158

Soweit das Zweistimmenwahlrecht als Problem für eine möglichst schonende Regelung zum Minderheitenschutz im Wahlrecht angesehen wird, ist im Übrigen anzumerken, dass das Zweistimmenwahlrecht zwar trotz der mit ihm verbundenen Gefahr von Überhang- und Ausgleichsmandaten eine legitime Gestaltung des Wahlrechts ist, das Zweistimmenwahlrecht aber anders als der Minderheitenschutz keinen Verfassungsrang hat. Angesichts des Stellenwertes des Minderheitenschutzes in der Schleswig-Holsteinischen Verfassung ist diese Folge des Zweistimmenwahlrechts hinzunehmen, solange ein solches Wahlrecht besteht.

159

Eine Änderung in der politischen Wirklichkeit, die eine veränderte Beurteilung auslösen könnte, würde eintreten, wenn eine Partei der dänischen Minderheit durch innere Verknüpfung mit regional und politisch in der Mehrheitsgesellschaft verankerten Strömungen den durch die Sperrklausel entstehenden Nachteil so ausgleichen könnte, dass es einer wahlrechtlichen Regelung nicht mehr bedürfte. Dies wäre möglich, wenn eine Partei der dänischen Minderheit neben ihrer Verankerung in der Minderheit regional und politisch gleichermaßen in der Mehrheit verankert und an sie adressiert wäre, zum Beispiel durch den Aufbau einer über die Minderheit hinausweisenden Parteiorganisation und durch entsprechende Kandidaturen in den Wahlkreisen des ganzen Landes.

III.

160

Das Verfahren ist kostenfrei (§ 33 Abs. 1 LVerfGG). Auslagen werden nicht erstattet (vgl. § 33 Abs. 4 LVerfGG). Eine Entscheidung über die Vollstreckung entfällt (§ 34 LVerfGG).

IV.

161

Das Urteil ist hinsichtlich des Tenors und der Gründe zu C.II.3. mit 4:3 Stimmen und im Übrigen einstimmig ergangen.

Abweichende Meinung

Sondervotum der Richter Brock und Brüning und der Richterin Hillmann
gemäß § 28 Abs. 2 Satz 2 LVerfGG
zum Urteil des Landesverfassungsgerichts vom 13. September 2013

- LVerfG 9/12 -

1

Wir können die Entscheidung hinsichtlich des Tenors und hinsichtlich der Gründe insoweit nicht mittragen, als die Befreiung der Parteien der dänischen Minderheit von der 5%-Klausel (§ 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG) für verfassungsrechtlich gerechtfertigt angesehen wird. Das Gericht erkennt zutreffend, dass das Minderheitenprivileg für den SSW als Rückausnahme von der 5%-Klausel an denselben Maßstäben zu messen ist wie diese. In der Rechtsprechung des Gerichts wird die Bedeutung der Wahlgleichheit für die parlamentarische Demokratie in besonderem Maße hervorgehoben. Bei Anwendung dieser Maßstäbe kommt man unserer Ansicht nach jedoch zu dem Ergebnis, dass die vollständige Befreiung des SSW von der Sperrklausel für die Sicherstellung der politischen Mitwirkung der dänischen Minderheit im Schleswig-Holsteinischen Landtag das Maß des zur Erreichung dieses Zieles Erforderlichen überschreitet und die Gleichheit der Wahl unangemessen beeinträchtigt.

2

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl sichert die vom Demokratieprinzip vorausgesetzte Egalität der Staatsbürgerinnen und Staatsbürger und ist heute im Sinne einer strengen und formalen Gleichheit zu verstehen

(Urteil vom 30. August 2010 - LVerfG 1/10 -, Rn. 91, LVerfGE 21, 434 ff. = SchlHA 2010, 276 ff. = NordÖR 2010, 401 ff. = JZ 2011, 254 ff., Juris Rn. 96).

3

Nicht zuletzt durch Art. 10 Abs. 2 Satz 2 LV werden der Grundsatz der Wahlgleichheit aus Art. 3 Abs. 1 LV gewahrt und gestärkt sowie der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Wahlsystems insoweit verfassungsfest gebunden, als er der Wahlgleichheit „bestmöglich“ genügen muss

(Urteil vom 30. August 2010 - LVerfG 1/10 -, Rn. 124, a.a.O., Juris Rn. 129).

4

Das aus der Wahlgleichheit entwickelte Kriterium der Erfolgswertgleichheit beinhaltet zwar kein absolutes Differenzierungsverbot, belässt dem Gesetzgeber bei der Ordnung des jeweiligen Wahlsystems aber nur einen eng bemessenen Gestaltungsspielraum. Die Wahlgleichheit hat strikt formalen Charakter; sie ist einer „flexiblen“ Auslegung nicht zugänglich

(Urteil vom 30. August 2010 - LVerfG 1/10 -, Rn. 125, a.a.O., Juris Rn. 130).

5

Innerhalb dieses engen Gestaltungsspielraums ist es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, das Gebot der Wahlrechtsgleichheit mit anderen, verfassungsrechtlich legitimen Zielen zum Ausgleich zu bringen. Differenzierungen in der Erfolgswertgleichheit sind aber nur zulässig, wenn hierfür ein zwingender Grund vorliegt

(Urteil vom 30. August 2010 - LVerfG 1/10 -, Rn. 142, a.a.O., Juris Rn. 148).

6

„Zwingend“ sind Differenzierungen, die von Verfassungs wegen zwangsläufig oder notwendig sind, weil eine Kollision mit Grundrechten oder anderen Wahlrechtsgrundsätzen vorliegt, oder solche Differenzierungen, die sonst durch die Verfassung legitimiert und von so einem Gewicht sind, dass sie der Wahlgleichheit die Waage halten können

(Urteil vom 30. August 2010 - LVerfG 1/10 -, Rn. 143, a.a.O., Juris Rn. 150).

7

Solche differenzierende Regelungen müssen zur Verfolgung ihrer Zwecke geeignet und erforderlich sein. In welchem Ausmaß sie noch zulässig sind, richtet sich auch nach der Intensität des Eingriffs in das Wahlrecht. Bei der Einschätzung und Bewertung differenzierender Wahlrechtsbestimmungen hat sich der Gesetzgeber an der politischen Wirklichkeit zu orientieren

(Urteil vom 30. August 2010 - LVerfG 1/10 -, Rn. 144, a.a.O., Juris Rn. 151).

8

Gemessen daran ist die in § 3 Abs. 1 Satz 1 LWahlG geregelte 5%-Klausel gerechtfertigt; insoweit kann auf die zutreffenden Gründe aus der Entscheidung Bezug genommen werden.

9

Für die Rückausnahme des § 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG gelten dieselben Maßstäbe, schon weil sie ihrerseits zu einer weiteren Ungleichbehandlung führt im Verhältnis der Parteien der dänischen Minderheit zu anderen – kleinen – Parteien, die das 5%-Quorum nicht erreichen. Auch die Befreiung des SSW von der Sperrklausel bedarf daher eines durch die Verfassung legitimierten, zwingenden Grundes, muss zur Erreichung des verfolgten Zieles geeignet sein, darf das Maß des zur Erreichung dieses Zieles Erforderlichen nicht überschreiten und muss angemessen sein. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber durch die streitbefangene Befreiung von der Sperrklausel deren Auswirkungen – anders als im Falle einer Grundmandatsklausel oder einer regionalisierten 5%-Hürde – nur für bestimmte Minderheits-, nicht aber für alle Parteien gleichermaßen abmildert.

10

Die dänische Minderheit hat nach Art. 5 Abs. 2 Satz 2 LV Anspruch auf Schutz und Förderung. In Verbindung mit Satz 1 ist davon auch die politische Mitwirkung dieser nationalen Minderheit erfasst. Ob hieraus – auch unter Berücksichtigung völkerrechtlicher Verpflichtungen der Bundesrepublik – ein Anspruch auf politische Repräsentation abzuleiten ist, die das Wahlgesetz nicht allen in dieser Vorschrift genannten Minderheiten gewährt, kann offen bleiben. Denn jedenfalls kann der hiermit verfassungsrechtlich verankerte Minderheitenschutz ein hinreichender Rechtfertigungsgrund für eine Differenzierung und den damit verbundenen Eingriff in die Gleichheit der Wahl sein. Diesbezüglich kann auf die zutreffenden Gründe der Entscheidung Bezug genommen werden.

11

Die vollständige Befreiung der Parteien der dänischen Minderheit, das heißt des SSW, von der 5%-Hürde ist aber durch den Minderheitenschutz in seiner Form des Anspruchs auf politische Repräsentation nicht gerechtfertigt. Denn insofern stehen ebenso geeignete, jedoch mildere Mittel zur Verfügung. Jedenfalls ist die Bestimmung des § 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG unangemessen.

12

Je umfangreicher eine Rückausnahme erfolgt, desto stärker ist die damit verbundene Ungleichbehandlung gegenüber anderen kleinen Parteien. Die vollständige Rückausnahme der Parteien der dänischen Minderheit von der Sperrklausel ist daher ein stärkerer Eingriff in die Erfolgswertgleichheit als eine partielle Befreiung, etwa durch Beschränkung der Befreiung auf ein Mandat. Die Sicherstellung der politischen Repräsentation wird schon mit einem Mandat erreicht. Das Argument, die Beschränkung auf ein Mandat würde die politische Mitwirkung der Minderheit nicht in gleichem Maße schützen und fördern und etwa zu einer geringeren Mitwirkung in den Ausschüssen führen, trägt nicht. Zwingend ist der Minderheitenschutz als legitimer Grund für einen Eingriff in die Wahlgleichheit nur insoweit, als die Repräsentation der Minderheit überhaupt sichergestellt, ihr also ein politisches „Sprachrohr“ gegeben wird. Auch bei nur einem Sitz erhält die nationale Minderheit jedoch diese parlamentarische Stimme. Wird der Zuspruch im Wahlvolk größer, greift einerseits die Grundmandatsklausel mit anschließendem Verhältnisausgleich und andererseits – unabhängig davon – der Verhältnisausgleich bei Erreichen des Quorums. Im Übrigen wird eine Integration der Minderheit in die Gesellschaft des Landes durch mehr Abgeordnete im Landtag ohnehin nicht stärker befördert.

13

Der Regelungsgehalt der Landesverfassung, hier Art. 5 Abs. 2 LV, ist so offen, dass daraus keine verlässlichen Rückschlüsse auf die konkrete Ausgestaltung des Wahlrechts gezogen werden können. Hätte der Verfassungsgeber eine wahlrechtliche Privilegierung bestimmter einzelner nationaler Minderheiten gewollt, hätte er eine entsprechende Regelung in der Landesverfassung treffen können. Dies hat er nicht getan; er gewährleistet vielmehr allgemein „die politische Mitwirkung nationaler Minderheiten und Volksgruppen“. Hieraus lässt sich kein verfassungsrechtlich verankertes Ziel einer möglichst umfangreichen Mitwirkung an der politischen Willensbildung im Lande ableiten. Erst der einfache Wahlgesetzgeber hat nur die Parteien der dänischen Minderheit von der Sperrklausel befreit. Dabei belegt das geltende Wahlrecht selbst, dass es nicht auf größtmögliche Repräsentanz aus Gründen des Minderheitenschutzes angelegt ist. Denn Schutz und Förderung der politischen Mitwirkung der dänischen Minderheit können ohne weiteres vollständig leerlaufen. Wenn nämlich nicht die für ein Mandat erforderliche Stimmenzahl erreicht wird, ist die Partei der dänischen Minderheit gar nicht im Landtag vertreten.

14

Ungeachtet dessen könnte auch eine regionalisierte Sperrklausel für Parteien der dänischen Minderheit in Betracht kommen. Anknüpfungspunkt der Privilegierung des SSW ist ein Umstand, der außerhalb des Wahlvorgangs liegt und der zudem eine räumliche Dimension in Gestalt des angestammten Siedlungsgebiets in Südschleswig hat. Damit geht es nicht nur um eine allgemeine Rückausnahme zur Sperrklausel. Vielmehr werden durch die besondere Befreiung bestimmter Parteien, hier des SSW, neue Ungleichbehandlungen gegenüber anderen kleineren Parteien bewirkt. Diese sind auf ein Mindestmaß zu beschränken. Insofern erschiene es nicht systemwidrig, wenn der Gesetzgeber das wahlvorgangsfremde Merkmal nicht nur privilegierend, sondern auch limitierend bemühte.

15

Selbst wenn man die vollständige Befreiung des SSW von der Sperrklausel mit dem Gericht als erforderlich ansehen wollte, wäre sie nicht angemessen, da sie zu einer Überkompensation führt.

16

Zwar kann einer Partei der dänischen Minderheit der Wahlerfolg ebenso wenig negativ angerechnet werden wie ein in Anspruch genommenes allgemeinpolitisches Mandat oder die Beteiligung an der Landesregierung. Das alles sind Folgen der Teilnahme an Wahlen und der Repräsentanz im Landtag. Die Annahme von Abgeordnetenmandaten zweiter Klasse oder eigener Art verbietet sich mit Blick auf Art. 11 LV. Hier geht es indes um die Vorfrage des Umfangs der Vertretung im Parlament aus Gründen des Minderheitenschutzes. Das geltende Wahlrecht sieht eine allgemeine Sperrklausel vor. Dann durchbricht der Gesetzgeber das von ihm festgelegte System, wenn er den zwingenden Grund für die 5%-Klausel nicht durchhält, sondern es zum Schutz für nationale Minderheiten über das notwendige Maß hinaus aufgibt. Staats- und parteipolitisch betrachtet erschwert auch eine Minderheitenpartei die Regierungs- und Mehrheitsbildung im Parlament.

17

Die dänische Minderheit umfasst laut Angaben des Bundesministeriums des Inneren und der Landesregierung etwa 50.000 Personen

(Broschüre „Nationale Minderheiten, Minderheiten- und Regionalsprachen in Deutschland“, Bundesministerium des Innern , November 2012, S. 12 sowie http://www.schleswig-holstein.de/ Portal/DE/LandLeute/Minderheiten/Daenisch/ daenisch_node.html; abgerufen am 1. August 2013).

Damit ist derzeit von einer relevanten dänischen Minderheit auszugehen. Deswegen kann dahinstehen, wie sich die Zugehörigkeit zur dänischen Minderheit verfassungsrechtlich und einfachgesetzlich im Einzelnen definiert, insbesondere ob das bloße Bekenntnis hierfür ausreicht.

18

Der SSW hat 61.025 Zweitstimmen erhalten und damit 4,6 % aller gültigen Zweitstimmen, hiervon einen erheblichen Anteil in Gebieten außerhalb des Siedlungsgebietes der dänischen Minderheit

(Bekanntmachung der Landeswahlleiterin vom 18. Mai 2012, ABl Nr. 23 S. 499 ff., Übersicht 4).

Zwar verbietet es sich zu erheben, wie viele dieser Wählerinnen und Wähler Angehörige der dänischen Minderheit waren. Es ist aber davon auszugehen, dass nicht alle Angehörigen der dänischen Minderheit wahlberechtigt sind und nicht alle Angehörigen der Minderheit den SSW gewählt haben dürften. Vor diesem Hintergrund lassen die Zahlen und die regionale Verteilung erkennen, dass der SSW erheblichen Zuspruch von Wählerinnen und Wählern gehabt haben muss, die nicht der Minderheit angehören. Diese politische Realität darf das Gericht bei seiner Beurteilung der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs in die Wahlgleichheit aus Gründen des Minderheitenschutzes nicht außer Betracht lassen.

19

Wenn man dem SSW sämtliche sich aus seinem Zweitstimmenergebnis rechnerisch ergebenden Sitze zuteilt, dann profitiert er zu einem großen Teil von seinem allgemeinpolitischen Erfolg, der nicht aus seinem Minderheitenstatus herrührt. Die hiermit, also mit der Zuteilung weiterer, über einen „Sitz für die nationale Minderheit“ hinausgehender Sitze bei einem Wahlergebnis unter 5 % insbesondere gegenüber anderen kleinen Parteien verbundene Vertiefung des Eingriffs in die Gleichheit der Wahl kann vorbehaltlich anderer Instrumente wie etwa einer regionalisierten Sperrklausel nicht mit dem Minderheitenschutz gerechtfertigt werden. Die Integrationskraft von Wahlen bei der politischen Willensbildung des Volkes verlangt eine effektive parlamentarische Repräsentanz der nach dem Wählervotum bedeutsamen politischen Strömungen. Soweit einer nationalen Minderheit der Zugang zum Parlament erleichtert wird, darf dabei nicht die Relation der wahlberechtigten Minderheit zum gesamten Wahlvolk außer Acht gelassen werden.

20

Die zwingende Wählbarkeit der Parteien der dänischen Minderheit, das heißt des SSW, im ganzen Land ist zwar eine (Neben-)Folge der Änderung des Wahlrechts durch Einführung der Zweitstimme. Mit der Zulässigkeit dieser Systementscheidung hat es aber nicht sein Bewenden. Vielmehr ist der Gesetzgeber nach der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung verpflichtet,

eine die Wahlgleichheit und die Chancengleichheit berührende Norm des Wahlrechts zu überprüfen und gegebenenfalls zu ändern, wenn die verfassungsrechtliche Rechtfertigung dieser Norm durch neue Entwicklungen in Frage gestellt wird, etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder dadurch, dass sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen hat (...). Für Sperrklauseln im Verhältniswahlrecht bedeutet dies, dass die Vereinbarkeit einer Sperrklausel mit dem Grundsatz der Wahlgleichheit und der Chancengleichheit der politischen Parteien nicht ein für allemal abstrakt beurteilt werden kann. Eine Wahlrechtsbestimmung kann mit Blick auf eine Repräsentativkörperschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt gerechtfertigt sein (...) (und) zu einem anderen Zeitpunkt jedoch nicht (...). Eine einmal als zulässig angesehene Sperrklausel darf daher nicht als für alle Zeiten verfassungsrechtlich unbedenklich eingeschätzt werden. Vielmehr kann sich eine abweichende verfassungsrechtliche Beurteilung ergeben, wenn sich die Verhältnisse wesentlich ändern. Findet der Wahlgesetzgeber in diesem Sinne veränderte Umstände vor, so muss er ihnen Rechnung tragen. Maßgeblich für die Frage der weiteren Beibehaltung der Sperrklausel sind allein die aktuellen Verhältnisse (...)

(BVerfG, Urteil vom 9. November 2011 - 2 BvC 4/10 u.a. -, BVerfGE 129, 300 ff., Juris Rn. 90).

21

Dieser Beobachtungs- und Prüfpflicht ist der Wahlgesetzgeber nicht nachgekommen. Die in Folge der Einführung der Zweitstimme eingetretene Überprivilegierung ist durch das Ziel des Minderheitenschutzes nicht (mehr) gedeckt. Eine Unterstützung durch Wählerinnen und Wähler, die nicht der dänischen Minderheit zuzurechnen sind – die jedoch stattfindet, wie insbesondere das Wahlergebnis des SSW außerhalb von Südschleswig dokumentiert –, erfolgt aus allgemeinpolitischen Motiven und unterliegt damit der allgemeinen Sperrklausel. Allein der Bezug zur nationalen Minderheit rechtfertigt die Ungleichbehandlung des SSW gegenüber Parteien mit geringer Stimmenzahl und Parteien ohne örtliche Schwerpunkte im Zuge des Verhältnisausgleichs. Zugleich wird durch Verbindung der Partei mit einer besonderen Wählergruppe die Zulässigkeit der wahlrechtlichen Ungleichbehandlung begrenzt. Dem Wahlgesetzgeber ist verwehrt, jenseits zwingender Gründe über den Einzug von Parteien in das Parlament zu disponieren.

22

Die Regelung in § 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG verstößt daher in ihrer derzeitigen Fassung gegen Art. 3 Abs. 1 LV. Da die Mehrheit des Gerichts die Regelung für mit der Landesverfassung vereinbar hält, bedarf es vorliegend keiner Entscheidung, welche Rechtsfolge der Verstoß nach sich zöge.

23

Ebenso bedarf die in der mündlichen Verhandlung angesprochene Frage, ob der „Sitz für die nationale Minderheit“ dem SSW stets, also selbst dann zugeteilt werden sollte, wenn die Partei das für ein Mandat erforderliche Zweitstimmenergebnis nicht erreicht, hier keiner Entscheidung. Sie richtet sich in erster Linie an den Gesetzgeber.


(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

(2) Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.

(3) Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz.

Tenor

Die Wahlprüfungsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Gründe

A.

1

Gegenstand des Verfahrens sind die Beschwerden mehrerer Wahlberechtigter gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Landtages vom 26. September 2012 über die Gültigkeit und das Ergebnis der Wahl vom 6. Mai 2012 (Landtags-Drucksache 18/163, PlPr 18/7, S. 427 <429>).

I.

2

1. Die maßgeblichen Vorschriften der Landesverfassung (LV) lauteten zum Zeitpunkt der Landtagswahl:

3

Artikel 3

Wahlen und Abstimmungen

(1) Die Wahlen zu den Volksvertretungen im Lande, in den Gemeinden und Gemeindeverbänden und die Abstimmungen sind allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim.
(2) […]
(3) Die Wahlprüfung und die Abstimmungsprüfung stehen den Volksvertretungen jeweils für ihr Wahlgebiet zu. Ihre Entscheidungen unterliegen der gerichtlichen Nachprüfung.
(4) […]
4

Artikel 10

Funktion und Zusammensetzung des Landtages

(1) Der Landtag ist das vom Volk gewählte oberste Organ der politischen Willensbildung. Der Landtag wählt die Ministerpräsidentin oder den Ministerpräsidenten. Er übt die gesetzgebende Gewalt aus und kontrolliert die vollziehende Gewalt. Er behandelt öffentliche Angelegenheiten.
(2) Die Abgeordneten des Landtages werden nach einem Verfahren gewählt, das die Persönlichkeitswahl mit den Grundsätzen der Verhältniswahl verbindet. Das Nähere regelt ein Gesetz, das für den Fall des Entstehens von Überhangmandaten Ausgleichsmandate vorsehen muss.
5

Artikel 5

Nationale Minderheiten und Volksgruppen

(1) Das Bekenntnis zu einer nationalen Minderheit ist frei; es entbindet nicht von den allgemeinen staatsbürgerlichen Pflichten.
(2) Die kulturelle Eigenständigkeit und die politische Mitwirkung nationaler Minderheiten und Volksgruppen stehen unter dem Schutz des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände. Die nationale dänische Minderheit und die friesische Volksgruppe haben Anspruch auf Schutz und Förderung.
6

2. § 3 des Wahlgesetzes für den Landtag von Schleswig-Holstein (Landeswahlgesetz – LWahlG –) in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. Oktober 1991 (GVOBl S. 442, ber. S. 637), zuletzt geändert durch Gesetz vom 30. März 2010 (GVOBl S. 392) bestimmt:

§ 3

Wahl der Abgeordneten aus den Landeslisten

(1) An dem Verhältnisausgleich nimmt jede Partei teil, für die eine Landesliste aufgestellt und zugelassen worden ist, sofern für sie in mindestens einem Wahlkreis eine Abgeordnete oder ein Abgeordneter gewählt worden ist oder sofern sie insgesamt fünf v.H. der im Land abgegebenen gültigen Zweitstimmen erzielt hat. Diese Einschränkungen gelten nicht für Parteien der dänischen Minderheit.

(2) - (7) […]

7

3. Bereits die Landessatzung für Schleswig-Holstein vom 13. Dezember 1949 (GVOBl 1950 S. 3) enthielt die seither unveränderte Regelung des heutigen Art. 5 Abs. 1 LV. Mit Gesetz zur Änderung der Landessatzung für Schleswig-Holstein vom 13. Juni 1990 (GVOBl S. 391) ist Art. 5 Abs. 2 LV im Rahmen der Verfassungsreform auf Empfehlung des Sonderausschusses „Verfassungs- und Parlamentsreform“ aufgenommen worden.

8

Die Vorschriften zur dänischen Minderheit in Art. 5 LV und in § 3 Abs. 1 LWahlG haben ihren Ursprung in der von der Schleswig-Holsteinischen Landesregierung mit Billigung des Schleswig-Holsteinischen Landtages abgegebenen Kieler Erklärung vom 26. September 1949 (GVOBl S. 183) und den Bonn-Kopenhagener Erklärungen vom 29. März 1955 (Bundesanzeiger Nr. 63 vom 31. März 1955, S. 4). Letztere waren das Ergebnis von Beratungen der Dänischen Regierung und der deutschen Bundesregierung und bestanden aus je einer Erklärung der Bundesregierung im Einvernehmen mit der Schleswig-Holsteinischen Landesregierung und der Dänischen Regierung. Der Deutsche Bundestag, der Schleswig-Holsteinische Landtag und das dänische Folketing haben diesen Erklärungen zugestimmt

(vgl. dazu im Einzelnen: Abdruck bei Jäckel, Die Schleswig-Frage seit 1945, Frankfurt am Main, Berlin 1959, S. 71 ff.).

9

Sowohl die Kieler Erklärung als auch die Bonn-Kopenhagener Erklärungen wurden mit dem Ziel abgegeben,

das friedliche Zusammenleben der Bevölkerung beiderseits der deutsch-dänischen Grenze und damit auch die Entwicklung freundschaftlicher Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Dänemark allgemein zu fördern.

Sie bekräftigen, dass die Angehörigen der dänischen Minderheit wie alle Staatsbürgerinnen und Staatsbürger die im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 garantierten Rechte genießen. Schon in der Kieler Erklärung war unter anderem festgestellt worden, dass das Bekenntnis zum dänischen Volkstum und zur dänischen Kultur frei ist und von Amts wegen nicht bestritten oder nachgeprüft werden darf (a.a.O., S. 184, II. Nr. 1). Dieser Grundsatz wurde in den Bonn-Kopenhagener Erklärungen übernommen (a.a.O., S. 5).

10

Der Gesetzgeber nahm erstmals mit § 3 Abs. 1 LWahlG vom 27. Februar 1950 (GVOBl S. 77) die Grundmandatsklausel, die 5%-Klausel sowie eine Sonderregelung für Parteien nationaler Minderheiten in das Wahlrecht auf. Letztere beschränkte sich darauf, dass bei Parteien nationaler Minderheiten die Zulassung von Wahlvorschlägen in allen Wahlkreisen nicht Voraussetzung für die Teilnahme am Verhältnisausgleich war.

11

Mit Landeswahlgesetz vom 22. Oktober 1951 (GVOBl S. 180) wurden die Vorschrift über Parteien nationaler Minderheiten aufgehoben und die Sperrklausel auf 7,5% angehoben. Diese 7,5%-Klausel erklärte das Bundesverfassungsgericht in seiner Eigenschaft als Landesverfassungsgericht für Schleswig-Holstein (vgl. Art. 99 GG) für verfassungswidrig

(vgl. BVerfG, Urteil vom 5. April 1952 - 2 BvH 1/52 -, BVerfGE 1, 208 ff.).

Daraufhin wurde in § 3 Abs. 1 LWahlG vom 5. November 1952 (GVOBl S. 175) die bis heute geltende 5%-Klausel verankert.

12

Auf die Bonn-Kopenhagener Erklärungen hin wurden mit Gesetz zur Änderung des Landeswahlgesetzes vom 31. Mai 1955 (GVOBl S. 124) die Parteien der dänischen Minderheit durch Einfügung des bis heute geltenden § 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG von der 5%-Klausel ausgenommen.

13

Durch die Wahlrechtsänderung im Jahre 1997 (vgl. Gesetz zur Änderung des LWahlG vom 27. Oktober 1997, GVOBl S. 462) wurde die Zweitstimme bei Landtagswahlen eingeführt. § 3 Abs. 1 LWahlG ist im Wesentlichen unverändert geblieben; lediglich das Wort „Stimmen“ wurde durch „Zweitstimmen“ ersetzt.

14

4. Nach dem endgültigen Ergebnis der Wahl zum Schleswig-Holsteinischen Landtag vom 6. Mai 2012 (Bekanntmachung der Landeswahlleiterin vom 18. Mai 2012, ABl Nr. 23 S. 499) entfielen von den gültigen Zweitstimmen

auf die CDU

        

30,8 %,

auf die SPD

        

30,4 %,

auf die FDP

        

 8,2 %,

auf die GRÜNEN

        

13,2 %,

auf die LINKE

        

 2,3 %,

auf den SSW

        

 4,6 %,

auf die PIRATEN

        

 8,2 %,

auf die FREIEN WÄHLER

        

0,6 %,

auf die NPD

        

 0,7 %,

auf die FAMILIE

        

 1,0 %

und auf die MUD

        

 0,1 %.

15

An der Verteilung der Sitze aus den Landeslisten nach § 3 Abs. 1 LWahlG nahmen die CDU, die SPD, die FDP, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, der SSW und die PIRATEN teil.

16

Von den 69 zu vergebenden Sitzen entfielen gemäß § 3 Abs. 3 LWahlG aufgrund des Zweitstimmenergebnisses

auf die CDU

        

22 Sitze,

auf die SPD

        

22 Sitze,

auf die FDP

        

 6 Sitze,

auf die GRÜNEN

        

 10 Sitze,

auf den SSW

        

 3 Sitze

und auf die PIRATEN

        

 6 Sitze.

17

Sämtliche der von der CDU und 13 der von der SPD errungenen Sitze wurden als Direktmandate besetzt und nach § 3 Abs. 4 LWahlG auf den verhältnismäßigen Sitzanteil angerechnet. Mehrsitze (§ 3 Abs. 5 Satz 1 LWahlG), die entstehen und verbleiben, wenn die Anzahl der in den Wahlkreisen für eine Partei gewählten Bewerberinnen und Bewerber größer ist als ihr verhältnismäßiger Sitzanteil, fielen nicht an.

18

Gegen das bekanntgemachte Ergebnis der Landtagswahl vom 6. Mai 2012 gingen bei der Landeswahlleiterin 35 Einsprüche ein, die überwiegend – mit unterschiedlicher Begründung – die Teilnahme des Südschleswigschen Wählerverbandes (SSW) an der Sitzverteilung für rechtswidrig hielten. Nach entsprechender Vorprüfung leitete die Landeswahlleiterin die Einsprüche zur Vorbereitung der Wahlprüfung durch den Landtag an dessen Innen- und Rechtsausschuss als Wahlprüfungsausschuss weiter. Die Landeswahlleiterin teilte weder die in den Einsprüchen geltend gemachten Zweifel daran, dass der SSW eine Partei der dänischen Minderheit sei, noch diejenigen an der Verfassungsmäßigkeit des § 3 Abs. 1 LWahlG. Zudem wies sie darauf hin, dass allein das Landesverfassungsgericht das Landeswahlgesetz verfassungsrechtlich überprüfen kann (Vorprüfungsbericht vom 13. Juli 2012, Landtags-Umdruck 18/45).

19

Am 5. September 2012 empfahl der Wahlprüfungsausschuss dem Landtag, die Einsprüche zurückzuweisen und das vom Landeswahlausschuss festgestellte und von der Landeswahlleiterin bekannt gegebene Ergebnis der Wahl zum Schleswig-Holsteinischen Landtag am 6. Mai 2012 zu bestätigen (Landtags-Drucksache 18/163). Am 26. September 2012 beschloss der Landtag mit den Stimmen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, FDP, SSW und zwei Stimmen aus der Fraktion der PIRATEN, diese Empfehlung anzunehmen (PlPr 18/7, S. 427 <429>). Dies teilte der Präsident des Schleswig-Holsteinischen Landtages den Einspruchführenden jeweils mit Bescheid vom 27. September 2012 mit.

II.

20

Gegen den Beschluss des Landtages vom 26. September 2012 haben die wahlberechtigte Beschwerdeführerin und die wahlberechtigten Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben, die das Gericht mit Beschluss vom 8. März 2013 unter dem Aktenzeichen LVerfG 9/12 zur gemeinsamen Entscheidung verbunden hat. Sie begehren eine Aufhebung des Landtagsbeschlusses mit dem Ziel, die Landtagswahl zu wiederholen; die Beschwerdeführerin verlangt vorrangig eine Änderung des Beschlusses und eine Neufeststellung des Wahlergebnisses, bei der nur diejenigen Parteien berücksichtigt werden, die mindestens 5% der Zweitstimmen erzielt haben.

21

Die Beschwerdeführerin und die Beschwerdeführer sind der Auffassung, es sei schon zweifelhaft, ob überhaupt eine dänische Minderheit in Schleswig-Holstein existiere, weil Angehörige der dänischen Minderheit nicht erkennbar seien und eine Assimilation stattgefunden habe, bzw. die Anzahl der Angehörigen nicht nachgewiesen sei. Darüber hinaus machen sie geltend, der SSW sei jedenfalls keine Partei der dänischen Minderheit mehr, so dass die Befreiung von der 5%-Klausel nach § 3 Abs. 1 LWahlG nicht auf ihn anwendbar sei. Ob die überwiegende Zahl der Mitglieder des SSW der dänischen Minderheit angehöre, sei nicht bekannt, zumal selbst der Vorsitzende des SSW im Landtag Friese sei. Ein besonderer Einsatz für dänische Belange sei nicht mehr erkennbar, der SSW decke vielmehr alle Politikfelder ab und unterscheide sich nicht von anderen Parteien. Dies zeige die angestrebte und realisierte Regierungsbeteiligung. Der hohe Anteil an Zweitstimmen, die der SSW außerhalb seines ursprünglichen Tätigkeitsbereichs erzielt habe, belege, dass der SSW keine Partei der dänischen Minderheit mehr sei.

22

Darüber hinaus halten die Beschwerdeführer § 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG für verfassungswidrig. Der Grundsatz der Wahlgleichheit in seiner Ausprägung als Erfolgswertgleichheit sowie der Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien würden durch die Befreiung von Parteien der dänischen Minderheit von der 5%-Klausel verletzt; seit Einführung des Zweistimmenwahlrechts seien diese überprivilegiert. Ein zwingender Grund, der eine Differenzierung rechtfertigen kann, sei nicht gegeben. Weder könne ein solcher aus der Landesverfassung noch aus den Bonn-Kopenhagener Erklärungen hergeleitet werden. Ein Teil der Beschwerdeführer meint zudem, § 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG verstoße auch gegen Art. 3 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG), wonach niemand wegen seiner Abstammung oder Sprache bevorzugt oder benachteiligt werden darf.

III.

23

1. Der Landtag und die Landesregierung haben Stellung genommen. Sie halten übereinstimmend die Wahlprüfungsbeschwerden für unbegründet. Sie sind der Auffassung, dass der SSW gegenwärtig unverändert eine Partei der dänischen Minderheit ist. Der SSW trete auf vielfältige Weise für Ziele und Interessen der dänischen Minderheit ein, was sich aus seiner Satzung und seinem Programm ergebe. Gegen seine Einstufung als Minderheitenpartei spreche nicht, dass der SSW sämtliche Politikfelder abdecke. Er habe seit jeher zu allen Feldern der Landespolitik Stellung bezogen. Dass er nun auch außerhalb seines satzungsmäßigen Tätigkeitsgebiets Südschleswig und Helgoland wählbar ist, beeinträchtige nicht seine unverändert fortbestehende Verwurzelung in der dänischen Minderheit.

24

Nach Auffassung des Landtages und der Landesregierung sind sowohl die 5%-Klausel selbst als auch die Befreiung der Parteien der dänischen Minderheit von der 5%-Klausel verfassungsmäßig. Beide verweisen auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die sich das Landesverfassungsgericht zu eigen gemacht habe. Danach könnten „zwingende“ bzw. „zureichende“ Gründe eine Abweichung von der Gleichbehandlung der Wählerstimmen rechtfertigen.

25

Der Landtag stellt hierzu heraus, dass die 5%-Klausel gerechtfertigt sei, um die Funktionsfähigkeit der verfassungsrechtlichen Ordnung zu sichern und zu stärken. Es genüge insoweit, wenn ohne Sperrklausel die Integrationswirkung der Wahl gefährdet werde und eine Funktionsstörung des Landtages durch Zersplitterung des Parteienspektrums wahrscheinlich sei. Dies sei heute ebenso gegeben wie bei der Einführung der 5%-Klausel. Eine Sperrklausel sei geeignet, schwere politische Krisen zu verhindern oder zumindest deren Folgen abzumildern. Dies betreffe sowohl die Regierungsbildung als auch die Gesetzgebung und die Aufstellung des Haushaltes. Diese Einschätzung werde durch den internationalen Vergleich mit Ländern mit niedrigerer oder ohne Sperrklausel bestätigt: Dort sei die Regierungsbildung häufig schwierig und langwierig.

26

Die Landesregierung hält die 5%-Klausel in § 3 Abs. 1 Satz 1 LWahlG ebenfalls für verfassungsmäßig. Sie meint, es sei dem Gesetzgeber nicht verwehrt, die Funktionsfähigkeit des Parlaments als zwingenden Grund für Sperrklauseln gegen parlamentarische Splitterparteien anzusehen. Es gehe insoweit um die Fähigkeit des Parlaments, seine Aufgaben der Gesetzgebung und der Regierungsbildung zu erfüllen. Die Entscheidungen des Bundesverfassungs-gerichts zu Kommunal- und Europawahlen seien auf die Landtagswahl nicht übertragbar, weil der Landtag die Ministerpräsidentin oder den Ministerpräsidenten wähle, die oder der auf das fortlaufende Vertrauen einer Mehrheit des Landtages angewiesen sei. Angesichts der tatsächlichen politischen Verhältnisse in Schleswig-Holstein drohten eine Zersplitterung des Parlaments und dadurch eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit, was sich anhand der Wahlergebnisse aus den Landtagswahlen von 2009 und 2012 belegen lasse.

27

Der Landtag und die Landesregierung halten die Befreiung der Parteien der dänischen Minderheit von der 5%-Klausel in § 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG für verfassungsgemäß. Der Landtag macht insoweit geltend, dass das verfassungsrechtlich legitime Ziel die politische Integration der dänischen Minderheit sei, die nach Art. 5 Abs. 2 Satz 2 LV Anspruch auf Schutz und Förderung hat. Da nach Art. 5 Abs. 2 Satz 1 LV die politische Mitwirkung nationaler Minderheiten und Volksgruppen unter dem Schutz des Landes steht, sei das Land zumindest berechtigt, wenn nicht verpflichtet, Parteien der dänischen Minderheit die Wahl in den Landtag als Mittel der politischen Mitwirkung zu erleichtern.

28

§ 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG stelle keine Privilegierung der dänischen Minderheit dar, sondern gleiche den Nachteil aus, dass dieser Teil der Wählerschaft nicht groß genug sei, um mit Sicherheit die 5%-Hürde zu überwinden. Die Sorge um gute Beziehungen Deutschlands und Schleswig-Holsteins zum Nachbarstaat Dänemark habe den Gesetzgeber bewogen, die Parteien der dänischen Minderheit von der Sperrklausel auszunehmen. Zudem habe er durch die Einbeziehung der dänischen Minderheit in die politische Willensbildung Spannungen abbauen wollen, die auf Grund der besonderen Lage im Grenzgebiet entstanden seien und jederzeit wieder entstehen könnten. Dadurch habe der Gesetzgeber einen wesentlichen Teil seiner verfassungsrechtlichen Pflicht aus Art. 5 Abs. 2 Satz 2 LV erfüllt. Die Integration der dänischen Minderheit in die Landespolitik komme im Sinne eines gutnachbarlichen, vertrauensvollen Verhältnisses der Volksgruppen zueinander und störungsfreier Beziehungen zu Dänemark allen Einwohnerinnen und Einwohnern des Landes zugute.

29

Nach Auffassung des Landtages werden Parteien der dänischen Minderheit auch nicht dadurch übermäßig begünstigt, dass sie in den landesweiten Verhältnisausgleich einbezogen werden. Dies sei vielmehr Folge des schleswig-holsteinischen Zweistimmenwahlrechts, das im gesamten Landesgebiet einheitlich und uneingeschränkt gilt.

30

Die Landesregierung betont, dass der Landesgesetzgeber im Rahmen der Grundsätze des demokratischen Rechtsstaats nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG einen autonomen Spielraum bei der Ausgestaltung des Wahlsystems habe, so dass er das Teilgebot der Erfolgswertgleichheit in begrenzter Weise ausgestalten dürfe. Hier ergebe sich ein zwingender Grund für die wahlrechtliche Sonderregelung für Parteien der dänischen Minderheit zunächst aus Art. 5 Abs. 2 Satz 1 und 2 LV, aber auch unmittelbar aus bundesrechtlichen Erwägungen. § 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG verstoße auch nicht gegen Art. 3 Abs. 3 GG, der im Wahlrecht nicht gelte. Unabhängig davon wäre das Benachteiligungsverbot wegen der Abstammung aber auch tatbestandlich nicht einschlägig, weil die Zugehörigkeit zu einer Minderheit nicht aus der Familiengeschichte der Person folge, sondern allein aus dem freien Bekenntnis zur Minderheit.

31

2. Die Landeswahlleiterin vertritt in ihrer Stellungnahme – wie bereits im Vorprüfungsverfahren – die Auffassung, dass kein Anlass bestehe, die Anerkennung des SSW als Partei der dänischen Minderheit in Frage zu stellen. Sie meint, sowohl die Regelung über die 5%-Klausel als auch die Ausnahme hiervon für Parteien der dänischen Minderheit seien nicht verfassungswidrig.

32

3. Auch nach Auffassung des SSW im Landtag ist die Wahlprüfungsbeschwerde unbegründet. Er macht geltend, dass er weiterhin als Vertretung der dänischen Minderheit und der nationalen Friesen eine Partei der dänischen Minderheit sei und die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Sperrklausel erfülle. Insbesondere führten weder die Befassung mit allgemeinen Themen noch seine Regierungsbeteiligung dazu, dass er die Eigenschaft einer Partei der dänischen Minderheit verloren habe. Dies folge schon aus dem gesetzlich vorgeschriebenen Aufgabenspektrum einer Partei und dem Umfang des Mandats von Abgeordneten. Er trägt anhand seiner Programme und Aktivitäten im Landtag seit der 1. Wahlperiode vor, dass er seit jeher zu allen Politikfeldern Stellung bezogen habe. Darüber hinaus sei seine Verflechtung mit den Institutionen der dänischen Minderheit evident.

33

Nach Ansicht des SSW im Landtag hält § 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG auch einer verfassungsrechtlichen Prüfung stand. Die Befreiung von der 5%-Klausel greife nicht in die Erfolgswertgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien ein, sondern sei gerechtfertigt, um einen Nachteil auszugleichen. Hierzu verweist er auf mathematische Berechnungen. Der SSW sei keine Splitterpartei. Als legitime Gründe für seine Befreiung von der 5%-Hürde seien unter anderem Art. 5 Abs. 2 LV, die Integrationsfunktion der Wahlen und die Bindung der Bundesrepublik Deutschland und Schleswig-Holsteins an die Bonn-Kopenhagener-Erklärungen anzuführen. Gleich geeignete und weniger einschneidende Mittel, die angestrebten Zwecke zu erreichen, gebe es nicht. Die Gründe für die Befreiung von der 5%-Klausel überwögen den verhältnismäßig geringen Eingriff in die Wahlrechtsgleichheit.

34

4. Die FDP-Landtagsfraktion ist der Auffassung, dass eine Mandatszuteilung zugunsten des SSW nur mit einem Sitz erfolgen dürfe. Hierzu verweist sie auf ein von ihr in Auftrag gegebenes Gutachten (Becker, Die wahlrechtliche Privilegierung von Parteien der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein <§ 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG>, Gesetzliche Voraussetzungen und verfassungs-rechtliche Rechtfertigung, Dänischenhagen 2013). Art. 10 Abs. 2 Satz 2 LV gewährleiste noch eindringlicher als das Grundgesetz den Grundgedanken der Wahlgleichheit. Die Regelung in § 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG sei eine Rückausnahme von einer Einschränkung des wahlrechtlichen Gleichheits-grundsatzes (der 5%-Klausel) und müsse im Zusammenhang mit dieser beurteilt werden. Parteien der dänischen Minderheit würden durch die Regelung gegenüber anderen Parteien begünstigt. Eine solche Ungleichbehandlung könne nicht allgemein mit der Integrationsfunktion der Wahl begründet werden. Die Integration nationaler Minderheiten sei zwar ein legitimes Ziel der schleswig-holsteinischen Wahlgesetzgebung, jedoch nach Art. 5 Abs. 2 LV nicht geboten. Die Regelung in § 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG sei geeignet, das legitime Ziel zu erreichen, jedoch nicht erforderlich. Eine auf Südschleswig beschränkte regionalisierte Regelung wäre ein milderes Mittel. Ebenso wäre es möglich, bei Unterschreiten der 5%-Klausel durch eine Partei der dänischen Minderheit diese nur mit der ersten Person auf der Landesliste am Verhältnisausgleich teilnehmen zu lassen. Die dänische Minderheit sei nicht wegen ihrer Stimmenzahl, sondern auf Grund ihrer gesellschaftlichen Bezugspersonen wesentlich. Ihre Integration werde nicht weiter dadurch gestärkt, dass sie mit mehreren Abgeordneten vertreten sei.

35

5. Nach Auffassung der Piratenfraktion im Landtag ist die 5%-Klausel nicht mehr zu rechtfertigen, weil die Bildung von Regierungskoalitionen auch ohne 5%-Sperrklausel möglich bleibe. Dies bewiesen die Verhältnisse in anderen europäischen Staaten, in denen die Sperrklausel nicht gelte. Dann wäre auch die Sonderregelung für den SSW beseitigt, ohne die Vertretung der dänischen Minderheit im Landtag zu erschweren.

B.

36

Gegen die Entscheidung des Landtages vom 26. September 2012 über die Gültigkeit und das Ergebnis der Landtagswahl vom 6. Mai 2012 ist gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 2 und Art. 44 Abs. 2 Nr. 5 LV, § 3 Nr. 5 des Gesetzes über das Schleswig-Holsteinische Landesverfassungsgericht (LVerfGG) die Beschwerde zum Landesverfassungsgericht gegeben. Danach ist Gegenstand der Wahlprüfung die Rechtmäßigkeit des die Wahlprüfung abschließenden Beschlusses des Landtages und die von ihm angenommene Gültigkeit der Wahl (vgl. auch Art. 3 Abs. 3 Satz 2 und Art. 44 Abs. 2 Nr. 5 LV, § 50 Abs. 1 LVerfGG, § 43 Abs. 2 LWahlG). Wahlberechtigte, deren Einsprüche der Landtag verworfen hat, sind zur Beschwerde befugt (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 LVerfGG).

C.

37

Die zulässigen Wahlprüfungsbeschwerden sind unbegründet. Der Beschluss des Landtages vom 26. September 2012 ist rechtmäßig. Zu Recht hat der SSW mit 4,6% der gültigen Zweitstimmen am Verhältnisausgleich teilgenommen und ist mit drei Abgeordneten im Landtag vertreten. Das festgestellte Ergebnis der Landtagswahl ist nicht zu beanstanden. Weder hat die Rüge der fehlerhaften Anwendung von § 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG auf den SSW (I.) noch die der Verfassungswidrigkeit von § 3 LWahlG (II.) Erfolg.

I.

38

Aus der einfachgesetzlichen Anwendung des Wahlrechts ergeben sich keine Wahlfehler. Dabei hat das Landesverfassungsgericht die einschlägigen Normen selbst auszulegen und zum Maßstab der Wahlprüfung zu machen

(Urteil vom 30. August 2010 - LVerfG 1/10 -, Rn. 46, LVerfGE 21, 434 ff. = SchlHA 2010, 276 ff. = NordÖR 2010, 401 ff. = JZ 2011, 254 ff., Juris Rn. 50; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 1998 - 2 BvC 28/96 -, BVerfGE 97, 317 ff., Juris Rn. 15 und Urteil vom 3. Juli 2008 - 2 BvC 1/07 u.a. -, BVerfGE 79, 169 ff., Juris Rn. 90; Schreiber, Bundeswahlgesetz, 8. Aufl. 2009, § 49 Rn. 34 m.w.N.).

39

Für die Wahl zum 18. Landtag wurde § 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG zu Recht auf den SSW angewandt.

40

Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG gelten die in Satz 1 der Vorschrift geregelten Einschränkungen zur Teilnahme am Verhältnisausgleich – für eine Partei muss entweder in mindestens einem Wahlkreis eine Abgeordnete oder ein Abgeordneter gewählt worden sein oder sie muss insgesamt fünf v.H. der im Land abgegebenen gültigen Zweitstimmen erzielt haben – nicht für Parteien der dänischen Minderheit. Um eine Partei der dänischen Minderheit handelt es sich, wenn diese eine Partei im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Parteiengesetz (PartG) ist (1.), es unverändert eine dänische Minderheit gibt (2.), und die Partei aus der dänischen Minderheit hervorgegangen ist und weiterhin von ihr getragen und geprägt wird (3). Danach ist der SSW eine Partei der dänischen Minderheit.

41

1. Der SSW ist eine Partei im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 PartG. Parteien sind Vereinigungen von Bürgern, die dauernd oder für längere Zeit für den Bereich des Bundes oder eines Landes auf die politische Willensbildung Einfluss nehmen und an der Vertretung des Volkes im Deutschen Bundestag oder einem Landtag mitwirken wollen. Sie müssen nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere nach Umfang und Festigkeit ihrer Organisation, nach der Zahl ihrer Mitglieder und nach ihrem Hervortreten in der Öffentlichkeit eine ausreichende Gewähr für die Ernsthaftigkeit dieser Zielsetzung bieten.

42

Diese Voraussetzungen erfüllt der SSW, der seit seiner Gründung 1948 regelmäßig zu Wahlen zum Schleswig-Holsteinischen Landtag angetreten ist

(vgl. Kühl, Dänische Minderheitenpolitik in Deutschland, Südschleswigscher Wählerverband , in: Kühl/ Bohn, Ein europäisches Modell? Bielefeld 2005, S. 142 <147 ff.>).

43

2. Es gibt in Schleswig-Holstein auch unverändert eine dänische Minderheit. Ihre Existenz wird mit dem erst mit der Verfassungsreform durch das Gesetz zur Änderung der Landessatzung für Schleswig-Holstein vom 13. Juni 1990 (GVOBl S. 391) aufgenommenen Art. 5 Abs. 2 Satz 2 LV anerkannt. Der Landesverfassungsgeber hat diese Regelung aktuell bestätigt, indem erden Anspruch auf Schutz und Förderung in Art. 5 Abs. 2 Satz 2 LV mit Gesetz zur Änderung der Landesverfassung Schleswig-Holstein vom 28. Dezember 2012 (GVOBl 2013 S. 8) um „die Minderheit der deutschen Sinti und Roma“ ergänzt, die Vorschrift die dänische Minderheit und die friesische Volksgruppe betreffend aber unverändert gelassen hat. Auch die Bundesrepublik Deutschland setzte bei ihrer Zustimmung zum Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten vom 1. Februar 1995 (BGBl 1997 II S. 1406) voraus, dass eine dänische Minderheit in Schleswig-Holstein besteht. Die Bundesregierung hat bei der Zeichnung des Rahmenübereinkommens am 11. Mai 1995 ausdrücklich erklärt, dass nationale Minderheiten in der Bundesrepublik Deutschland unter anderem die Dänen deutscher Staatsangehörigkeit sind (BGBl 1997 II S. 1418). Schließlich belegen die Minderheitenberichte der Landesregierung die unveränderte Existenz und Aktivität der dänischen Minderheit im Einzelnen

(zuletzt: Bericht der Landesregierung zur Minderheiten- und Volksgruppenpolitik in der 17. Legislaturperiode (2009 – 2012) – Minderheitenbericht 2011, Landtags-Drucksache 17/2025, S. 37 ff.).

44

Zudem tritt die dänische Minderheit zum Beispiel durch ihre Schulen, den dänischen Kulturverein – den Sydslesvigsk Forening (SSF) – mit seinen Einrichtungen und Veranstaltungen sowie durch die in dänischer Sprache erscheinende Zeitung Flensborg Avis im nördlichen Schleswig-Holstein (Südschleswig) wahrnehmbar in Erscheinung.

45

3. Eine Partei ist dann eine Partei der dänischen Minderheit, wenn sie aus der Minderheit hervorgegangen ist und sie gegenwärtig personell von der Minderheit getragen wird sowie programmatisch von ihr geprägt ist

(so auch OVG Schleswig, Beschluss vom 25. September 2002 - 2 K 2/01 -, SchlHA 2003, 19 ff. = NVwZ-RR 2003, 161 ff. = NordÖR 2003, 61 ff. = JZ 2003, 519 ff., Juris Rn. 36; Kühn, Privilegierung nationaler Minderheiten im Wahlrecht der Bundesrepublik Deutschland und Schleswig-Holsteins, Frankfurt am Main 1991, S. 4; Becker, Die wahlrechtliche Privilegierung von Parteien der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein, <§ 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG SH>, Gesetzliche Voraussetzungen und verfassungsrechtliche Rechtfertigung, Dänischenhagen 2013, S. 13).

Diese Voraussetzungen treffen auf den SSW zum Zeitpunkt der Landtagswahl im Jahr 2012 zu. Die dagegen erhobenen Einwände greifen nicht durch.

46

Die genannten Merkmale folgen bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes, der besagt, dass die Einschränkungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 LWahlG nicht für Parteien „der“ dänischen Minderheit gelten. Da der Gesetzgeber nicht Parteien „für“ die dänische Minderheit von der Sperrklausel ausgenommen hat, kann dem Wortlaut nicht entnommen werden, dass sich die von § 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG erfassten Parteien personell, thematisch und programmatisch ausschließlich an die dänische Minderheit richten müssten oder nur von ihren Angehörigen wählbar wären. Sowohl die Wählbarkeit und Wahl durch alle Wählerinnen und Wähler, also auch Nicht-Angehörige der Minderheit, als auch die Befassung mit allen politischen Themen gehören zudem notwendig zu einer Partei, wie dies bundesrechtlich durch Art. 21 GG und § 2 Abs. 1 Satz 1 PartG zwingend vorgegeben ist; sie sind Ausdruck der den Parteien im demokratischen Gefüge zukommenden Integrationsfunktion. Ohne personelle und programmatische Prägung durch die dänische Minderheit aber wäre eine Partei ihr nicht zuzuordnen, weil ansonsten der im Gesetz vorgegebene Bezug zur Minderheit fehlte. Insofern muss die Partei aus der Minderheit hervorgegangen sein und von ihr auch gegenwärtig noch getragen und geprägt werden.

47

a) Der SSW ist als Partei aus der dänischen Minderheit hervorgegangen. Er wurde 1948 als Partei der dänischen Minderheit in Südschleswig und der nationalen Friesen in Nordfriesland als Südschleswigscher Wählerverband gegründet. Zuvor hatte die britische Besatzungsmacht der dänischen Minderheit bereits den Status einer nationalen Minderheit und deren kultureller Organisation, dem SSF, für die Landtagswahl 1947 vorübergehend den Status einer politischen Partei zuerkannt. Nach der Landtagswahl wurde dem SSF die Anerkennung wieder entzogen, weil sich dieser dafür einsetzte, den nördlichen Landesteil an Dänemark anzuschließen bzw. als unabhängiges Territorium zu behandeln. Daraufhin wurde der SSW als politische Interessenvertretung der Minderheit neben dem fortan ausschließlich auf kulturellem Gebiet tätigen SSF geschaffen

(vgl. Kühl, a.a.O., S. 142 ff.; Kühn, a.a.O., S. 43 f. m.w.N.).

48

aa) Die enge Verknüpfung des SSW mit der dänischen Minderheit spiegelt sich auch in der geschichtlichen Entwicklung des § 3 LWahlG wider:

49

Die erste Fassung von § 3 LWahlG vom 31. Januar 1947 (ABl S. 95) enthielt keine Sonderregelung für nationale Minderheiten. Der SSF errang bei der Landtagswahl 1947 9,27% der insgesamt im Land abgegebenen gültigen Stimmen. Mit zwei Wahlkreiskandidaten (Wahlkreise Flensburg I Stadt und Flensburg II Glücksburg) und vier weiteren Sitzen, die er über die Landesliste erhielt, war er im Landtag vertreten

(vgl. Bekanntmachung des Landeswahlleiters über das endgültige Ergebnis der Wahlen zum Schleswig-Holsteinischen Landtag am 20. April und 18. Mai 1947 vom 8. August 1947, ABl S. 399).

50

Der sodann gegründete SSW, der Kandidaten nur in Südschleswig aufgestellt hatte, erzielte bei der Landtagswahl 1950 5,5% der Stimmen; er war mit zwei Direktkandidaten und zwei weiteren von der Landesliste gewählten Kandidaten in den Landtag eingezogen

(vgl. Bekanntmachung des Landeswahlleiters über das endgültige Ergebnis der Wahl zum Schleswig-Holsteinischen Landtag am 9. Juli 1950 vom 17. Juli 1950, ABl S. 328).

51

Das Landeswahlgesetz vom 27. Februar 1950 (GVOBl S. 77) enthielt erstmals eine 5%-Sperrklausel und eine Sonderregelung für Parteien nationaler Minderheiten, nach der bei Parteien nationaler Minderheiten die Zulassung von Wahlvorschlägen in allen Wahlkreisen nicht Voraussetzung für die Teilnahme am Verhältnisausgleich war. Die Vorschrift bezog sich sowohl nach dem Verständnis des Gesetzgebers

(vgl. Landtags-Protokolle vom 21. Dezember 1949, S. 33 ff. und vom 27. Februar 1950, S. 48; dazu auch Kühn, a.a.O., S. 67 ff. m.w.N.)

als auch nach der Rechtsprechung des seinerzeit zuständigen Oberverwaltungsgerichts

(vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 19. Juni 1950 - II OVG A 243/50 -, OVGE MüLü. Band 2, S. 157 <173>)

auf den SSW.

52

Die mit Landeswahlgesetz vom 22. Oktober 1951 (GVOBl S. 180) eingeführte 7,5%-Klausel hat das Bundesverfassungsgericht durch Urteil vom 5. April 1952 (- 2 BvH 1/52 -, BVerfGE 1, 208 ff.) wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichheit der Wahl für verfassungswidrig erklärt. Daraufhin hat der Landtag das Wahlgesetz geändert und in § 3 Abs. 1 LWahlG anstelle der 7,5%-Klausel die 5%-Klausel verankert (LWahlG vom 5. November 1952, GVOBl S. 175).

53

Nachdem der SSW bei der Bundestagswahl am 6. September 1953 nur 3,3 % der in Schleswig-Holstein abgegebenen Zweitstimmen erhalten hatte (bei der Bundestagswahl 1949 waren es 5,4 % und bei der Landtagswahl 1950 5,5 %), rief er erneut das Bundesverfassungsgericht an, weil er die 5%-Klausel im Landeswahlgesetz ohne Sonderregelung für Parteien einer nationalen Minderheit für verfassungswidrig hielt. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 11. August 1954 (- 2 BvK 2/54 -, BVerfGE 4, 31 ff.) die Norm unbeanstandet gelassen.

54

Auf die Bonn-Kopenhagener Erklärungen hin wurde die noch heute geltende Fassung des § 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG mit Gesetz vom 31. Mai 1955 (GVOBl S. 124) eingeführt. Diese Regelung war auf den SSW zugeschnitten worden

(vgl. Antrag der SSW-Fraktion vom 9. April 1954, Landtags-Drucksache 2/573, PlPr 82. Sitzung vom 27. April 1954, S. 1531 ff.).

55

bb) Dass der SSW sich seit Beginn seiner Tätigkeit auch als Vertretung der Friesen versteht, vermag hieran nichts zu ändern. Er ist aus den historisch miteinander verknüpften Bewegungen der nationalen Friesen und der dänischen Minderheit hervorgegangen. Dies war dem Gesetzgeber bei der Schaffung von § 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG bekannt und für ihn kein Hindernis, den SSW als Partei der dänischen Minderheit anzusehen

(so auch OVG Schleswig, Beschluss vom 25. September 2002 - 2 K 2/01 -, SchlHA 2003, 19 ff. = NVwZ-RR 2003, 161 ff. = NordÖR 2003, 61 ff. = JZ 2003, 519 ff., Juris Rn. 44 mit weiteren Ausführungen dazu).

56

b) Der SSW wird auch gegenwärtig personell von der dänischen Minderheit getragen und programmatisch von ihr geprägt.

57

aa) Die personelle Verknüpfung des SSW mit der dänischen Minderheit ergibt sich insbesondere aus der Doppelmitgliedschaft einer großen Anzahl von Personen, die sowohl im SSW als auch in den weiteren Organisationen der Minderheit engagiert sind. Diese arbeiten im Südschleswigschen Gemeinsamen Rat für die dänische Minderheit (Det Sydslesvigske Samråd) zusammen und stimmen ihr gemeinsames Vorgehen ab

(vgl. Minderheitenbericht 2011, Landtags-Drucksache 17/2025, S. 37).

58

Zu den Organisationen der dänischen Minderheit gehören neben dem SSW und dem SSF unter anderem die Dänische Kirche in Südschleswig (Dansk Kirke i Sydslesvig), der Dänische Schulverein für Südschleswig (Dansk Skoleforening for Sydslesvig), die Dänischen Jugendverbände in Südschleswig (Sydslesvigs danske Ungdomsforeninger ), die Dänische Zentralbibliothek für Südschleswig (Dansk Centralbibliotek for Sydslesvig), der Dänische Gesundheitsdienst (Dansk Sundhedstjeneste for Sydslesvig), die Dänische Volkshochschule (Jaruplund Højskole) und die Tageszeitung Flensborg Avis

(vgl. Minderheitenbericht 2011, a.a.O., S. 153 f.).

59

Nach Angaben des Landesverbandes des SSW sind von den 3.660 SSW-Mitgliedern 78 % gleichzeitig Mitglied im SSF, dem dänischen Kulturverein, und ca. 2% Mitglied im Friisk Foriining, dem friesischen Kulturverein. Viele seien zusätzlich Mitglieder in Skoleforening, SdU, Dansk Kirke usw., worüber keine Statistik geführt werde. Alle führenden Politikerinnen und Politiker des SSW seien Mitglied im dänischen Kulturverein oder übten dort Funktionen aus. Die große Mehrheit der Vorsitzenden und Hauptamtlichen der Organisationen der dänischen Minderheit seien jedenfalls Mitglied im SSW oder sogar in der Kommunalpolitik und Organisation der Partei aktiv

(vgl. Dossier 08 Dokument 01 der Stellungnahme des SSW zum Verfahren).

Spezifische Gründe dafür, diese Angaben zu bezweifeln, sind im Verfahren nicht vorgetragen worden.

60

bb) Der SSW ist auch programmatisch durch die Minderheit geprägt, was sich aus seiner Satzung, seinen Programmen und seinem Zusammenwirken mit den örtlichen Vereinigungen in seinem Tätigkeitsgebiet Südschleswig und Helgoland, dem angestammten Siedlungsgebiet der dänischen Minderheit und der friesischen Volksgruppe, ergibt. Daran ändert weder die Wählbarkeit der Liste im ganzen Land noch die Wahrnehmung eines allgemeinen politischen Mandats etwas.

61

(1) In § 2 Nr. 2 der Satzung des SSW heißt es:

(...) Die Partei wirkt auf der Grundlage des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland, der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein, ihrer Satzung sowie der Rahmen- und Aktionsprogramme an der politischen Willensbildung mit. Der SSW ist die politische Vertretung der dänischen Minderheit und der nationalen Friesen in Südschleswig und fühlt sich diesen besonders verpflichtet, will zugleich aber auch dem Wohl aller Bürgerinnen und Bürger in Schleswig-Holstein dienen. Der SSW tritt für eine demokratische Lebens- und Gesellschaftsform ein, die von sozialer Gerechtigkeit, gegenseitiger Achtung und dem Respekt gegenüber den Mitmenschen nach nordischem Vorbild geprägt ist. Der SSW will an der Verständigung zwischen den Völkern und an der Zusammenarbeit in Europa mitwirken. Seine Politik ist frei und unabhängig.

62

Das Verständnis der nordischen Rechtstradition, das für das Wirken maßgebend ist, wird in den verschiedenen Programmen des SSW aufgegriffen. So beschreibt das seit dem 13. Februar 1999 geltende Rahmenprogramm, dass

(...) die Grundwerte des SSW (…) vor allem von unserem besonderen Standpunkt als Minderheitenpartei, von der regionalen Verankerung im Norden Schleswig-Holsteins und von unserer besonderen Verbindung zu den nordischen Ländern geprägt (werden).

63

Das Wahlprogramm zur Landtagswahl 2012 enthält einerseits Aussagen zur allgemeinen Landespolitik. Andererseits gibt es Belege einer ausdrücklich dänischen Ausrichtung wie etwa bei der Schulpolitik, der Hochschulzusammenarbeit, der Anerkennung von Berufsabschlüssen, bei grenzüberschreitenden Gesundheitsangeboten, dem Erfahrungsaustausch mit Grenzregionen und bei der Verkehrsinfrastruktur zur Anbindung an Dänemark

(vgl. Wahlprogramm des SSW 2012, S. 20 ff.).

Dazu gehört auch die Forderung, dass im Schulgesetz des Landes wieder die Förderung des Dänischen Schulvereins mit 100 % der öffentlichen Schülerkostenansätze verankert und dadurch die Gleichstellung der Kinder an den dänischen Schulen wiederhergestellt wird

(vgl. Wahlprogramm des SSW 2012, S. 50).

64

(2) Der SSW verliert seine Prägung auch nicht durch seine über eine spezifische Minderheitenpolitik hinausreichende Tätigkeit.

65

(a) Der Umstand, dass der SSW seit Einführung des Zweistimmenwahlrechts durch Gesetz zur Änderung des Landeswahlgesetzes vom 27. Oktober 1997 (GVOBl S. 462) im gesamten Land wählbar ist, steht seiner Eigenschaft als Partei der dänischen Minderheit nicht entgegen.

66

Allein die Änderung des Wahlrechts kann den Status des SSW als Minderheitenpartei nicht beeinflussen

(so auch BVerfG, Beschluss vom 17. November 2004 - 2 BvL 18/02 -, NVwZ 2005, 205 ff. = NordÖR 2005, 19 ff., Juris Rn. 25 ff.).

Es läge sonst in der Hand der Mehrheit, durch ein entsprechendes Wahlrecht den Status der Minderheitenpartei aufzuheben. Der SSW hatte sich im Übrigen ausdrücklich gegen die Wahlrechtsänderung ausgesprochen

(vgl. Landtags-Drucksache 14/39, PlPr 14/37, S. 2449 – Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des LWahlG, Redebeitrag der Abgeordneten Spoorendonk –).

67

Zudem werden Direktkandidatinnen und Direktkandidaten des SSW für den Landtag seit 1997 – wie zuvor – nur in Südschleswig und im Wahlkreis Pinneberg Nord (Helgoland) aufgestellt, obwohl es dem SSW schon vor der Wahlrechtsänderung möglich gewesen wäre, in allen Wahlkreisen Kandidatinnen und Kandidaten aufzustellen

(vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. November 2004, a.a.O., Juris Rn. 27 unter Hinweis auf Ausschussprotokoll 14/32 der vorbereitenden Sitzung des Innen- und Rechtsausschusses vom 13. August 1997, S. 14 sowie die Beiträge im PlPr 14/37, S. 2445 ff.).

68

Die Wahlrechtsänderung hat somit zwar zu einer Wählbarkeit der Liste des SSW im ganzen Land geführt, dessen Charakter als Partei der dänischen Minderheit aber in der politischen Wirklichkeit nicht wesentlich verändert. Die verstärkte Wahrnehmung des SSW, die im gesamten Land durch die Wählbarkeit seiner Liste entstanden ist, reicht für einen solchen grundlegenden Wandel seines Charakters als Minderheitenpartei nicht aus.

69

(b) Einschränkungen der programmatischen Ausrichtung auf minderheitenspezifische Themen – wie dies die Beschwerdeführer für angezeigt hielten – widersprächen nicht nur dem Wortlaut des § 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG, sondern auch seinem Sinn und Zweck, mit dem die Vorgaben der Bonn-Kopenhagener Erklärungen erfüllt werden sollen () und die dänische Minderheit in das allgemeinpolitische Gemeinwesen der Mehrheit integriert werden soll (). Eine Beschränkung der Wählbarkeit des SSW auf Angehörige der Minderheit stünde zudem im Widerspruch zu den spezifischen landesverfassungsrechtlichen Regelungen, in deren Kontext die Vorschrift steht ().

70

(aa) Als Ergebnis der deutsch-dänischen Besprechungen hat das Auswärtige Amt in der Protokollerklärung zu den Bonn-Kopenhagener Erklärungen vom 29. März 1955 (Bundesanzeiger Nr. 63 vom 31. März 1955, S. 4) unter I. Nr. 3 ausdrücklich ausgeführt:

Die Landesregierung Schleswig-Holstein hat die Bundesregierung davon unterrichtet, daß sie bereit ist:

a) darauf hinzuwirken, daß der Schleswig-Holsteinische Landtag eine Ausnahmebestimmung von der 5%-Klausel in § 3 des Schleswig-Holsteinischen Landeswahlgesetzes zu Gunsten der dänischen Minderheit baldmöglichst beschließt; (…).

Dem ist der schleswig-holsteinische Gesetzgeber nachgekommen, indem er mit Gesetz zur Änderung des Landeswahlgesetzes vom 31. Mai 1955 (GVOBl S. 124) den bis heute unverändert geltenden § 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG eingefügt hat.

71

(bb) § 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG will entsprechend dem verfassungsrechtlich vorgegebenen Charakter der Wahl als Integrationsvorgang bei der politischen Willensbildung die Repräsentanz der dänischen Minderheit als politisch bedeutsame Strömung im Parlament sichern.

72

Die Vertretung anerkannter nationaler Minderheiten ist stets politisch bedeutsam

(so auch BVerfG, Beschlüsse vom 14. Februar 2005 - 2 BvL 1/05 -, SchlHA 2005, 128 ff. = NVwZ 2005, 568 ff. = NordÖR 2005, 106 ff., Juris Rn. 34 und vom 13. Juni 1956 - 1 BvR 315/53 u.a. -, BVerfGE 5, 77 ff., Juris Rn. 22; Urteil vom 23. Januar 1957 - 2 BvE 2/56 -, BVerfGE 6, 84 ff., Juris Rn. 34).

An der Behandlung der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein nimmt die internationale Staatengemeinschaft, insbesondere Dänemark, Anteil. Denn nachdem die Bundesrepublik Deutschland anlässlich der Zeichnung und Ratifizierung des Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten ausdrücklich erklärt hatte, dass unter anderem die Dänen deutscher Staatsangehörigkeit eine nationale Minderheit in der Bundesrepublik seien (BGBl II vom 29. Juli 1997 S. 1418), hat Dänemark seinerseits erklärt, dass das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten auf die deutsche Minderheit in Südjütland (Nordschleswig) im Königreich Dänemark Anwendung findet

(vgl. Erklärung Dänemarks vom 22. September 1997 zur Anwendung des Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten, Abdruck bei Kühl/ Bohn, Ein europäisches Modell? Bielefeld 2005, S. 553).

Durch die Vertretung der dänischen Minderheit im Landtag wird verhindert, dass diese sich eher einem anderen Staat (Dänemark) zugehörig fühlt, und dass durch Ausgrenzung separatistische Tendenzen entstehen. Zudem wird ermöglicht, dass die spezifischen Belange der nationalen Minderheit in den politischen Willensbildungsprozess einfließen und die von der Minderheit vertretenen Werte das Wirken des Parlaments beeinflussen können.

73

Eine Partei der dänischen Minderheit übt die ihr in der politischen Willensbildung zukommende Mittlerfunktion zwar für einen bestimmten Teil des Staatsvolkes – für diejenigen deutschen Staatsangehörigen, die sich zur dänischen Minderheit bekennen – aus

(vgl. Pieroth, Der Begriff der Partei der dänischen Minderheit und die Verfassungsmäßigkeit ihrer Privilegierung im Schleswig-Holsteinischen Landeswahlrecht, Landtags-Umdruck 15/634, S. 14).

Da aber politische Auseinandersetzung und Einflussnahme einer Partei im Sinne von Art. 21 GG, dessen Grundsätze nicht nur im Bund, sondern unmittelbar auch in den Ländern gelten

(BVerfG, Urteile vom 5. April 1952 - 2 BvH 1/52 -, BVerfGE 1, 208 ff. Juris Rn. 64 und vom 24. Januar 1984 - 2 BvH 3/83 -, BVerfGE 66, 107 ff., Juris Rn. 23 m.w.N., stRspr.),

immanent ist, muss eine Partei nach § 2 Abs. 1 Satz 1 PartG das Ziel verfolgen, dauernd oder für längere Zeit im Bund oder Land auf die politische Willensbildung Einfluss zu nehmen und an der Vertretung des gesamten Volkes im Deutschen Bundestag oder in einem Landtag mitzuwirken

(vgl. Lenski, PartG, 1. Aufl. 2011, § 2 Rn. 7).

74

Programmatische Prägung durch die Minderheit bedeutet deshalb nicht, dass die Partei auf minderheitenspezifische Themen beschränkt werden könnte. Dem Integrationsanliegen wird nur Genüge getan, wenn die Partei der dänischen Minderheit sich nicht auf Partikularinteressen beschränkt; andernfalls wäre sie auch für die Minderheit selbst unwählbar, weil keine Teilhabe an der politischen Willensbildung angestrebt würde

(vgl. Pieroth, a.a.O., S. 28 f.).

75

Die Aussage des SSW, sich für alle Menschen in seinem Tätigkeitsgebiet einsetzen und zu allen Fragen der Landespolitik Stellung beziehen zu wollen, ist Ausdruck dieses Integrationsgedankens. Das legitime Ziel, Regierungsverantwortung übernehmen zu wollen, wird auch von der dänischen Minderheit mitgetragen. Der Südschleswigsche Gemeinsame Rat wollte sich nach der Resolution vom 24. Januar 2011 für einen Regierungswechsel einsetzen. Dies kann als Aufforderung an den SSW seitens der dänischen Minderheit verstanden werden, sich an einem Regierungswechsel zu beteiligen.

76

(cc) Schließlich liefen Beschränkungen der Wählbarkeit dem Grundsatz der geheimen Wahl (Art. 3 Abs. 1 LV) und der Freiheit des Bekenntnisses zur Minderheit (Art. 5 Abs. 1 Halbs. 1 LV) zuwider. Da sowohl das Verlangen nach Offenbarung der gewählten Partei verboten ist

(vgl. Caspar, in: Caspar/ Ewer/ Nolte/ Waack , Verfassung des Landes Schleswig-Holstein, 2006, Art. 3 Rn. 71 ff.; Achterberg/ Schulte, in: von Mangoldt/ Klein/ Starck, Band 2, 6. Aufl. 2010, Art. 38 Rn. 151 f.; Trute, in: von Münch/ Kunig, GG-Kommentar, Band 1, 6. Aufl. 2012, Art. 38 Rn. 65 ff.),

als auch eine Nachprüfung des nationalen Bekenntnisses anhand objektiver Kriterien wie etwa Abstammung oder Fremdsprachigkeit ausgeschlossen ist

(vgl. Abschnitt II Ziff. 1 der „Kieler Erklärung“ vom 26. September 1949, GVOBl S. 183 f.; von Mutius, in: von Mutius/ Wuttke/ Hübner, Kommentar zur Landesverfassung, 1995, Art. 5 Rn. 5; Riedinger, in: Caspar/ Ewer/ Nolte/ Waack , Verfassung des Landes Schleswig-Holstein, 2006, Art. 5 Rn. 10; Köster, Der Minderheitenschutz nach der schleswig-holsteinischen Landesverfassung, Bredstedt 2009, S. 34 ff.; Lemke, Nationale Minderheiten und Volksgruppen im schleswig-holsteinischen und übrigen deutschen Verfassungsrecht, Kiel 1998, S. 242 ff.),

sind der Adressatenkreis der Parteitätigkeit und die Wählerschaft nicht im Einzelnen personell eingrenzbar.

II.

77

Die in § 3 Abs. 1 Satz 1 LWahlG geregelte 5%-Klausel ist mit der Landesverfassung vereinbar. Sie verletzt weder den Grundsatz der Gleichheit der Wahl (Art. 3 Abs. 1 und Art. 10 Abs. 2 LV) noch das Gebot der Chancengleichheit der Parteien (Art. 3 Abs. 1 LV in Verbindung mit Art. 21 Abs. 1 GG) (1.). Auch die in § 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG festgelegte Befreiung der Parteien der dänischen Minderheit von der 5%-Klausel ist nicht zu beanstanden. Insoweit ist Art. 2a LV in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG im vorliegenden Kontext kein geeigneter Maßstab (2.). § 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG berührt zwar die Wahlrechtsgleichheit in ihrer Ausprägung als Erfolgswertgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien. Die Regelung ist jedoch durch zwingende Gründe gerechtfertigt (3.).

78

1. Die Wahlgrundsätze in Art. 3 Abs. 1 LV stimmen überein mit denjenigen, die nach Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG für die Wahlen zum Deutschen Bundestag gelten. Auf sie ist das Land nach Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG verpflichtet. Deshalb kann für die Auslegung von Art 3 Abs. 1 LV auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG zurückgegriffen werden, soweit sich aus den Wahlsystemen keine entscheidenden Unterschiede ergeben. Bei der Ausgestaltung des Wahlsystems genießen die Länder im Rahmen der Bindung an die Grundsätze des Art. 28 GG einen autonomen Spielraum

(Urteil vom 30. August 2010 - LVerfG 1/10 -, Rn. 90 m.w.N., LVerfGE 21, 434 ff. = SchlHA 2010, 276 ff. = NordÖR 2010, 401 ff. = JZ 2011, 254 ff., Juris Rn. 95).

79

a) Die Gleichheit der Wahl gebietet, dass alle Staatsbürgerinnen und Staatsbürger das aktive und passive Wahlrecht in möglichst gleicher Weise ausüben können. Das Wahlgesetz gestaltet nach Art. 10 Abs. 2 Satz 2 LV das Nähere des in Art. 10 Abs. 2 Satz 1 LV als personalisierte Verhältniswahl festgelegten Wahlsystems aus. Dabei müssen die Stimmen aller Wahlberechtigten ex ante betrachtet den gleichen Zählwert und die gleiche Erfolgschance haben

(Urteil vom 30. August 2010, Rn. 91 ff., a.a.O., Juris Rn. 96 ff.; BVerfG, Urteil vom 10. April 1997 - 2 BvC 3/96 -, BVerfGE 95, 408 ff., Juris Rn. 41).

80

Den gleichen Anforderungen hat das Wahlrecht auch im Hinblick auf die in Art. 3 Abs. 1 LV in Verbindung mit Art. 21 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich verbürgte Chancengleichheit der Parteien zu genügen

(vgl. BVerfG, Urteil vom 10. April 1997, a.a.O., Juris Rn. 42).

81

Aus der Chancengleichheit der Parteien folgt für Verhältniswahlen, dass alle Parteien in einem möglichst den Stimmenzahlen angenäherten Verhältnis in dem zu wählenden Organ vertreten sind und dass jeder Partei und Wählergruppe grundsätzlich die gleichen Chancen bei der Verteilung der Sitze eingeräumt werden

(vgl. BVerfGE, Urteile vom 13. Februar 2008 - 2 BvK 1/07 -, BVerfGE 120, 82 ff., Juris, Rn. 99, 103 und vom 9. November 2011 - 2 BvC 4/10 u.a. -, BVerfGE 129, 300 ff., Rn. 79, 82; LVerfG Hamburg, Urteil vom 15. Januar 2013 - HVerfG 2/11 -, DVBl 2013, 304 ff. = NordÖR 2013, 156 ff., Juris Rn. 71, 72).

82

b) § 3 Abs. 1 Satz 1 LWahlG berührt die Wahlgleichheit in der Ausprägung als Erfolgswertgleichheit. Denn die 5%-Klausel bewirkt eine Ungleichbehandlung der Wählerstimmen. Während der Zählwert aller Wählerstimmen von der 5%-Klausel unberührt bleibt, werden die Wählerstimmen hinsichtlich ihres Erfolgswerts ungleich behandelt, je nachdem, ob die Stimme für eine Partei abgegeben wurde, die mehr als fünf Prozent der Stimmen auf sich vereinigen konnte, oder für eine Partei, die daran gescheitert ist. Wenn eine Partei die Sperrklausel nicht überwindet, bleiben die für sie abgegebenen Stimmen nach § 3 Abs. 1 Satz 1 LWahlG bei der Zuteilung der Mandate unberücksichtigt. Die 5%-Klausel nimmt diesen Stimmen insoweit ihren Erfolgswert

(so auch VerfGH Saarland, Urteil vom 29. September 2011 - Lv 4/11 -, NVwZ-RR 2012, 169 ff., Juris Rn. 200).

83

Zugleich wird durch die 5%-Klausel das Recht der Parteien auf Chancengleichheit berührt. Denn nach Art. 10 Abs. 2 Satz 2 LV in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 1 LWahlG werden von einer festen Zahl von 69 Sitzen – vorbehaltlich der sich aus dem Gesetz ergebenden Abweichungen – 34 nach dem Zweitstimmenergebnis proportional auf die Parteien verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. So verfügen die im Landtag vertretenen Parteien über mehr Sitze als es ihrem Anteil an der Gesamtstimmenzahl entspricht, während die Parteien, die an der 5%-Klausel scheitern, nicht an der Sitzverteilung teilnehmen

(so auch VerfGH Saarland, Urteil vom 29. September 2011, a.a.O., Juris Rn. 201).

84

c) Die Wahlgleichheit unterliegt ebenso wie der Grundsatz der Chancengleichheit der politischen Parteien keinem absoluten Differenzierungsverbot. Allerdings folgt aus dem formalen Charakter der Wahlgleichheit, dass dem Gesetzgeber bei der Ordnung des Wahlrechts nur ein eng bemessener Spielraum für Differenzierungen bleibt. Es geht um die Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts in formal möglichst gleicher Weise

(BVerfG, Urteile vom 23. Januar 1957 - 2 BvE 2/56 -, BVerfGE 6, 84 ff., Juris Rn. 25 f., und vom 3. Juli 2008 - 2 BvC 1/07 u.a. -, BVerfGE 121, 266 ff., Juris Rn. 97, stRspr.).

85

Differenzierungen der Wahlgleichheit bedürfen zu ihrer Rechtfertigung stets eines besonderen, sachlich legitimierten, „zwingenden“ Grundes. Mit diesem Begriff ist nicht gemeint, dass sich die Differenzierung von Verfassungs wegen als notwendig darstellen muss. Differenzierungen im Wahlrecht können vielmehr auch durch Gründe gerechtfertigt werden, die durch die Verfassung legitimiert und von einem Gewicht sind, das der Wahlgleichheit die Waage halten kann

(Urteil vom 30. August 2010, Rn. 142 ff., a.a.O., Juris Rn.148 ff.; so auch: BVerfG, Urteile vom 13. Februar 2008, a.a.O., Juris Rn. 108 f. und vom 9. November 2011, a.a.O., Juris Rn. 87; LVerfG Hamburg, Urteil vom 15. Januar 2013, a.a.O., Juris Rn. 78).

86

Da zwischen der Wahlgleichheit und der Chancengleichheit der Parteien bei Wahlen ein enger Zusammenhang besteht, folgt die verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Einschränkungen der Chancengleichheit der Parteien ebenfalls den gleichen Maßstäben

(BVerfG, Urteil vom 9. November 2011, a.a.O., Juris Rn. 86 m.w.N.).

87

Innerhalb dieses engen Gestaltungsspielraums ist es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, das Gebot der Wahlgleichheit mit anderen verfassungsrechtlich legitimen Zielen zum Ausgleich zu bringen

(Urteil vom 30. August 2010 - LVerfG 1/10 -, Rn. 142, LVerfGE 21, 434 ff. = SchlHA 2010, 276 ff. = NordÖR 2010, 401 ff. = JZ 2011, 254 ff., Juris Rn. 148).

Er hat sich bei der Bewertung, ob ein zwingender Grund von verfassungsrechtlichem Gewicht die Sperrklausel rechtfertigt, nicht an abstrakt konstruierten Fallgestaltungen, sondern an der politischen Wirklichkeit zu orientieren

(vgl. BVerfG, Urteile vom 13. Februar 2008, a.a.O., Juris Rn. 110 und vom 9. November 2011, a.a.O., Juris Rn. 89; LVerfG Hamburg, Urteil vom 15. Januar 2013, a.a.O., Juris Rn. 80).

Er hat zu prüfen und zu beurteilen, ob eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Vertretungsorgane mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist

(vgl. BVerfG, Urteile vom 9. November 2011, a.a.O., Juris Rn. 92 und vom 13. Februar 2008, a.a.O., Juris Rn. 126; LVerfG Hamburg, Urteil vom 15. Januar 2013, a.a.O., Juris Rn. 102).

88

Aufgabe eines Verfassungsgerichts ist es, unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Gegebenheiten zu prüfen, ob die Grenzen des gesetzgeberischen Ermessens bezüglich der Regelung eines Quorums überschritten sind

(vgl. BVerfG, Urteil vom 11. August 1954 - 2 BvK 2/54 -, BVerfGE 4, 31ff., Juris Rn. 36).

Das Schleswig-Holsteinische Landesverfassungsgericht prüft daher lediglich, ob bei der Abwägung des Gesetzgebers und der ihr zugrundeliegenden Prognose die verfassungsrechtlichen Grenzen eingehalten sind, nicht aber, ob der Gesetzgeber die am meisten zweckmäßige oder eine rechtspolitisch besonders erwünschte Lösung gefunden hat

(vgl. zum entsprechenden Prüfungsumfang des Bundesverfassungsgerichts: Urteil vom 25. Juli 2012 - 2 BvE 9/11 u.a. -, BVerfGE 131, 316 ff., Juris Rn. 63, stRspr.).

89

Sofern eine differenzierende Regelung einen legitimen Zweck verfolgt, kann das Landesverfassungsgericht einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichheit der Wahl nur feststellen, wenn die Regelung zur Erreichung des Zieles nicht geeignet ist oder das Maß des zur Erreichung dieses Zieles Erforderlichen überschreitet

(vgl. Urteil vom 30. August 2010, Rn. 144, a.a.O., Juris Rn. 151; BVerfG, Urteile vom 10. April 1997 - 2 BvC 3/96 -, BVerfGE 95, 408 ff., Rn. 49, und vom 25. Juli 2012, a.a.O., Juris Rn. 63 m.w.N.)

oder im Ergebnis unangemessen die Gleichheit der Wahl beeinträchtigt.

90

d) Nach diesen Maßstäben verletzt die 5%-Klausel nicht die Gleichheit der Wahl und nicht die Chancengleichheit der Parteien.

91

aa) Da die Sperrklausel nicht in der Landesverfassung sondern einfachgesetzlich in § 3 Abs. 1 Satz 1 LWahlG geregelt ist

(vgl. Diskussion des schleswig-holsteinischen Gesetzgebers im Rahmen der Verfassungsreform 1990: Ausschussprotokolle Sonderausschuss „Verfassungs- und Parlamentsreform“, z.B. Sitzung vom 21. April 1989 12/6, S. 18 ff. und vom 2. Juni 1989 12/11, S. 10),

bedarf es hoher Anforderungen an ihre Rechtfertigung. Allein der Umstand, dass die Sperrklausel keinen unmittelbaren Verfassungsrang hat, macht sie jedoch nicht verfassungswidrig.

92

bb) Verfassungsrechtlich legitimierte Gründe, die der Wahlgleichheit die Waage halten können, sind die Funktionsfähigkeit des Landtages und die Integrationsfunktion der Parteien.

93

(1) Die Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Parlaments ist im Zusammenhang mit der 5%-Sperrklausel als Differenzierungsgrund bei Landtags- und Bundestagswahlen anerkannt. Dies ist begründet durch die Sorge, dass das Parlament aufgrund einer Zersplitterung der vertretenen Kräfte funktionsunfähig wird, insbesondere nicht mehr in der Lage ist, aus sich heraus stabile Mehrheiten zu bilden und eine aktionsfähige Regierung zu schaffen

(Urteil vom 30. August 2010, Rn. 151, a.a.O., Juris Rn. 158; vgl. auch BVerfG, Urteile vom 5. April 1952 - 2 BvH 1/52 -, BVerfGE 1, 208 ff., Juris Rn. 127 f.; vom 11. August 1954, a.a.O., Juris Rn. 36 f.; vom 23. Januar 1957 - 2 BvE 2/56 -, BVerfGE 6, 84 ff., Juris Rn. 28; vom 29. September 1990 - 2 BvE 1/90 u.a. -, BVerfGE 82, 322 ff., Juris Rn. 45; vom 10. April 1997 - 2 BvC 3/96 -, BVerfGE 95, 408 ff., Juris Rn. 52 ff., und vom 13. Februar 2008 - 2 BvK 1/07 -, BVerfGE 120, 82 ff., Juris Rn. 121; VerfGH Bayern, Entscheidung vom 18. Juli 2006 - Vf.9-VII-04 -, VerfGHE BY 59, 125 ff., Juris Rn. 24; VerfGH Berlin, Beschluss vom 17. März 1997 - 82/95 -, LVerfGE 6, 28 ff., Juris Rn. 10; StGH Bremen, Urteil vom 29. August 2000 – St 4/99 -, StGHE BR 6, 253 ff., Juris Rn. 55; StGH Niedersachsen, Beschluss vom 15. April 2010- 2/09, StGH 2/09 -, NdsVBl 2011, 77 f., Juris Rn. 25; VerfGH Saarland, Urteil vom 22. März 2012 - Lv 3/12 -, LKRZ 2012, 209 ff., Juris Rn. 36 ff.; OVG Schleswig, Beschluss vom 25. September 2002 - 2 K 2/01 -, SchlHA 2003, 19 ff. = NVwZ-RR 2003, 161 ff. = NordÖR 2003, 61 ff. = JZ 2003, 519 ff., Juris Rn. 47, 50; Caspar, in: Caspar/ Ewer/ Nolte/ Waack , Verfassung des Landes Schleswig-Holstein, Kommentar, 2006, Art. 3 Rn. 41).

94

Diese Einschätzung ist bundesdeutsche Verfassungstradition im Bund und in allen Ländern. Bei den Wahlen zum Deutschen Bundestag und zu acht der sechzehn Landtage in der Bundesrepublik Deutschland gilt die Sperrklausel auch, ohne in der Verfassung verankert zu sein

(§ 6 Abs. 3 Satz 1 BWahlG; § 3 Abs. 1 Brandenburgisches Landeswahlgesetz; § 5 Abs. 2 Gesetz über die Wahl zur Hamburgischen Bürgerschaft; § 4 Abs. 1 Landeswahlgesetz Mecklenburg-Vorpommern; § 33 Abs. 2 Landeswahlgesetz Nordrhein-Westfalen; § 38 Abs. 1 Saarländisches Landtagswahlgesetz; § 6 Abs. 1 Sächsisches Wahlgesetz; § 35 Abs. 3 Wahlgesetz des Landes Sachsen-Anhalt und § 3 Abs. 1 Landeswahlgesetz Schleswig-Holstein).

In den anderen acht Ländern ist die Sperrklausel durch die Verfassung ausdrücklich vorgeschrieben

(Art. 14 Abs. 4 Verfassung des Freistaats Bayern; Art. 39 Abs. 2 Verfassung von Berlin; Art. 75 Abs. 3 Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen; Art. 8 Abs. 3 Niedersächsische Verfassung und Art. 49 Abs. 2 Verfassung des Freistaats Thüringen)

oder zugelassen

(Art. 28 Abs. 3 Verfassung des Landes Baden-Württemberg; Art. 75 Abs. 3 Verfassung des Landes Hessen und Art. 80 Abs. 4 Verfassung für Rheinland-Pfalz).

95

Ihre Zulässigkeit für den Deutschen Bundestag und die Landtage ist bisher durch die Verfassungsgerichte bestätigt worden

(BVerfG, Urteile vom 29. September 1990 - 2 BvE 1/90 u.a. -, BVerfGE 82, 322 ff., Juris Rn. 46, und vom 10. April 1997 - 2 BvC 3/96 -, BVerfGE 95, 408 ff., Juris Rn. 53 ff.; VerfGH Bayern, Entscheidung vom 18. Juli 2006 - Vf.9-VII-04 -, a.a.O., Juris Rn. 24 f.; VerfGH Berlin, Beschluss vom 17. März 1997 - 82/95 -, a.a.O., Juris Rn. 11 ff.; StGH Bremen, Urteil vom 29. August 2000 - St 4/99 -, a.a.O., Juris Rn. 54 ff.; StGH Niedersachsen, Beschluss vom 15. April 2010, a.a.O., Juris Rn. 25; VerfGH Saarland, Urteile vom 22. März 2012 - Lv 3/12 -, a.a.O., Juris Rn. 36 ff., und vom 18. März 2013 - Lv 12/12 -, U.A. S. 7 ff.).

96

Die Sperrklausel kann auch in Schleswig-Holstein weiterhin gelten. Denn die Annahme des Gesetzgebers ist hinreichend plausibel, dass die Funktionsfähigkeit des Parlaments nur gewährleistet ist, wenn durch stabile Mehrheiten die Regierungsbildung, Gesetzgebung und Aufstellung des Haushalts sichergestellt sind. Ohne Sperrklausel wäre zwar ein genaueres Abbild des Wählervotums im Parlament gegeben, es zögen aber mit größerer Wahrscheinlichkeit partikulare Interessen und nur einzelne Programmpunkte vertretende kleine Parteien in den Landtag ein. Bei einer Aufsplitterung der im Parlament vertretenen Kräfte wäre es hinreichend wahrscheinlich, dass die Handlungs- und Funktionsfähigkeit beeinträchtigt würde, weil stabile Mehrheiten, die kontinuierliches Arbeiten ermöglichen, nicht gewährleistet wären. Dadurch könnte die Demokratie gefährdet werden, in der Meinungen und Willensäußerungen des Volkes nicht nur zum Ausdruck kommen, sondern auch in staatliches Handeln umgesetzt werden müssen.

97

Soweit dagegen angeführt wird, auch unter Einbeziehung von Kleinstparteien sei eine effektive Staatstätigkeit – ggf. mit stets wechselnden Mehrheiten – möglich, trifft dies auf den Landtag nicht zu. Insbesondere bei der Bildung und Tätigkeit der Regierung, die das dauernde Vertrauen des Landtages benötigt (Art. 35, 36 LV), und bei der Haushaltswirtschaft kommt es darauf an, dass sich im Landtag längerfristig verlässliche Mehrheiten mit einem kohärenten Programm bilden können. Auch aus diesem Grund ist eine fünfjährige Wahlperiode festgesetzt (Art. 13 Abs. 1 Satz 1 LV).

98

Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und von Landesverfassungsgerichten aus jüngerer Zeit, wonach die Sperrklauseln bei Kommunalwahlen

(vgl. BVerfG, Urteil vom 13. Februar 2008 - 2 BvK 1/07 -, BVerfGE 120, 82 ff. zu Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein; StGH Bremen, Urteil vom 14. Mai 2009 - St 2/08 - zur Sperrklausel in Bremerhaven, NordÖR 2009, 251 ff.; VerfGH Thüringen, Urteil vom 11. April 2008 - 22/05 - zu Kommunalwahlen in Thüringen, NVwZ-RR 2009, 1 ff. und LVerfG Hamburg, Urteil vom 15. Januar 2013 - HVerfG 2/11 - zur Wahl zu den Bezirksversammlungen, NordÖR 2013, 304 ff.)

und bei der Wahl der deutschen Abgeordneten zum Europäischen Parlament

(BVerfG, Urteil vom 9. November 2011 - 2 BvC 4/10 u.a. -, BVerfGE 129, 300 ff.)

für verfassungswidrig erklärt worden sind, ist nicht auf das Landtagswahlrecht übertragbar. Denn sowohl bei Europawahlen als auch bei Kommunalwahlen besteht eine andere Interessenlage als bei Landtagswahlen. Die auf europäischer und kommunaler Ebene gewählten Vertretungen haben anders als der Landtag, der die Ministerpräsidentin oder den Ministerpräsidenten zu wählen hat (vgl. Art. 26 Abs. 2 LV) und für die Gesetzgebung zuständig ist (vgl. Art. 37 Abs. 2 LV), keine vergleichbare Kreations- und Gesetzgebungsfunktion

(so auch Morlok/ Kühr, JuS 2012, 385 <391>).

99

Dem Bestreben, die Funktionsfähigkeit des Parlaments zu sichern, kann nicht entgegengehalten werden, die Gesetzgebungstätigkeit des Landtages sei von minderer Bedeutung

(so aber Wenner, Sperrklauseln im Wahlrecht der Bundesrepublik Deutschland, Frankfurt am Main, Bern, New York 1986, S. 282 f.).

Die demokratisch gebundene und rechtsstaatlich verfasste Staatsgewalt der Länder wird in Art. 28 Abs. 1, Art. 30, 51, 70, 83, 92 und 109 GG ausdrücklich hervorgehoben. Die Gesetzgebung des Landes zum Beispiel im Haushaltsrecht, im Kommunalrecht, im Polizei- und Ordnungsrecht sowie im Schul- und Hochschulrecht ist notwendig, um die Aufrechterhaltung des Gliedstaates Schleswig-Holstein und der Bundesrepublik Deutschland zu sichern.

100

Das Bundesverfassungsgericht hat demgegenüber für die Wahl zum Europäischen Parlament herausgestellt, es fehle an zwingenden Gründen, in die Wahl- und Chancengleichheit durch Sperrklauseln einzugreifen, weil das Europäische Parlament keine Unionsregierung wähle, die auf fortlaufende Unterstützung angewiesen wäre; ebenso wenig seien die Gesetzgebung der Union und die Informations- und Kontrollrechte des Parlaments von einer gleichbleibenden Mehrheit im Europäischen Parlament abhängig

(BVerfG, Urteil vom 9. November 2011, a.a.O., Juris Rn. 118).

101

Bezogen auf die Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein hat das Bundesverfassungsgericht die 5%-Klausel für verfassungswidrig erklärt, weil diese nicht zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Gemeindevertretungen und Kreistage erforderlich sei. Denn diese übten anders als staatliche Parlamente keine Gesetzgebungstätigkeit aus, für die klare Mehrheiten zur Sicherung einer politisch aktionsfähigen Regierung unentbehrlich seien. Die kommunalen Vertretungsorgane hätten auch keine Kreationsfunktion für ein der Regierung vergleichbares Organ und schließlich unterlägen ihre Entscheidungen der Rechtsaufsicht

(BVerfG, Urteil vom 13. Februar 2008, a.a.O., Juris Rn. 123).

102

Beide Entscheidungen sind nicht unumstritten und zwar einerseits im Hinblick auf die wichtigen Funktionen des Europäischen Parlaments gerade nach dem Vertrag von Lissabon

(vgl. BVerfG, Urteil vom 9. November 2011, a.a.O., abweichende Meinung, Juris Rn. 147 ff.; Schönberger, JZ 2012, 80 ff.; Geerlings/ Hamacher, DÖV 2012, 671 <675 ff.>)

und andererseits auf kommunaler Ebene hinsichtlich der Gefahr der Zersplitterung, die eine gemeinwohlverträgliche Arbeit der kommunalen Volksvertretung etwa im Zusammenhang mit dem Erlass der Haushaltssatzung, der Grundlage gemeindlicher Politik, gefährden könnte

(vgl. Theis, KommJur 2010, 168 <169 ff.>).

103

(2) Legitimer Zweck der 5%-Klausel ist zudem die Sicherung des Charakters der Wahl als eines Integrationsvorgangs bei der politischen Willensbildung des Volkes

(vgl. BVerfG, Urteil vom 10. April 1997 - 2 BvC 3/96 -, BVerfGE 95, 408 ff., Juris Rn. 44, 53),

um der Parteienzersplitterung vorzubeugen und funktionsfähige Verfassungsorgane bilden zu können

(vgl. Schreiber, Bundeswahlgesetz, 8. Aufl. 2009, § 6 Rn. 35; § 20 Rn. 8).

Insoweit wird die Integrationsfunktion der Parteien unterstützt, die durch die Sperrklausel angehalten werden sollen, Interessen und politische Strömungen zu bündeln und zu strukturieren.

104

cc) § 3 Abs. 1 Satz 1 LWahlG ist auch verhältnismäßig.

105

(1) Die 5%-Klausel ist geeignet, die mit ihr verfolgten legitimen Zwecke zu fördern, indem sie den vermehrten Einzug kleinerer und nicht auf stärkere Zustimmung angelegter Parteien in den Landtag verhindert.

106

(2) Die bisherige Einschätzung des Landtages, die 5%-Klausel sei auch in Zukunft erforderlich, um einer zu erwartenden Funktionsstörung des Landtages entgegenzuwirken, ist derzeit nicht zu beanstanden. Einerseits ist es neuen Parteien – etwa der Partei DIE LINKE in der 17. Wahlperiode und den PIRATEN in der 18. Wahlperiode – trotz der 5%-Klausel gelungen, in den Landtag einzuziehen. Andererseits hat die Hürde verhindert, dass daneben weitere kleinere Parteien mit einem oder zwei Sitzen in den Landtag eingezogen wären und zu einer Zersplitterung beigetragen hätten.

107

Die Einführung einer zweiten Listenstimme im Sinne einer Ersatz- bzw. Eventualstimme, die nur dann zu berücksichtigen wäre, wenn die mit der Hauptstimme gewählte Partei unter der 5%-Klausel bliebe

(vgl. Linck, DÖV 1984, 884 ff.; Wenner, a.a.O., S. 412 ff.),

ist kein gleich geeignetes milderes Mittel. Denn dieses Modell bedeutete eine Änderung des Konzepts des geltenden Wahlsystems der personalisierten Verhältniswahl durch Verstärkung der Erfolgschancen der großen Parteien.

108

Es unterliegt vielmehr dem Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers, ob zur Zweckerreichung eine 5%-Klausel, eine niedrigere Sperrklausel oder aber andere Milderungsmaßnahmen in Betracht kommen

(so auch Linck, a.a.O., S. 884 und von Arnim, DÖV 2012, 224 <225>, die die Verfassungsmäßigkeit der 5%-Klausel nicht bezweifeln und Milderungsmaßnahmen dem politischen Ermessen zuschreiben).

109

(3) Die Sperrklausel ist auch angemessen. Das Bundesverfassungsgericht als Landesverfassungsgericht für Schleswig-Holstein hat eine Sperrklausel von 7,5% als unangemessen und eine Sperrklausel von 5% als angemessen angesehen

(vgl. BVerfG, Urteil vom 5. April 1952 - 2 BvH 1/52 -, BVerfGE 1, 208 ff., Juris Rn. 152 ff.)

und diese Auffassung auch für den Deutschen Bundestag vertreten

(vgl. BVerfG, Urteil vom 10. April 1997, a.a.O., Juris Rn. 54).

Das erkennende Gericht hält an dieser Auffassung für den jetzigen Zeitpunkt fest. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits die Notwendigkeit aufgezeigt, die Sperrklausel in der jeweiligen politischen Situation zu bewerten, als es ausgeführt hat, es müssten „ganz besondere, zwingende Gründe gegeben sein, um eine Erhöhung des Quorums über den gemeindeutschen Satz von 5% zu rechtfertigen“

(vgl. BVerfG, Urteil vom 5. April 1952, a.a.O., Juris Rn. 153).

110

Der Gesetzgeber ist daher verpflichtet, die politische Wirklichkeit zu beobachten und unter Berücksichtigung der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten die Bedingungen und Gründe für die Aufrechterhaltung der bestehenden und nicht explizit in der Verfassung verankerten 5%-Hürde zu überprüfen; er hat eine die Gleichheit der Wahl berührende Norm des Wahlrechts gegebenenfalls zu ändern, wenn die verfassungsrechtliche Rechtfertigung dieser Norm durch neue Entwicklungen in Frage gestellt wird, etwa durch eine Änderung der vorausgesetzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder dadurch, dass sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen hat

(BVerfG, Urteile vom 9. November 2011 - 2 BvC 4/10 u.a. -, BVerfGE 129, 300 ff., Juris Rn. 90 und vom 25. Juli 2012 - 2 BvE 9/11 u.a. -, BVerfGE 131, 316 ff., Juris Rn. 64 m.w.N.).

Der Prüfpflicht kommt der Schleswig-Holsteinische Landtag auf Gesetzesinitiative der PIRATEN zur Abschaffung der 5%-Klausel (vgl. Landtags-Drucksache 18/385) derzeit nach, obwohl er noch im Rahmen der Novellierung des Kommunalwahlrechts im Jahre 2008 die 5%-Klausel bei Landtagswahlen bewusst unangetastet gelassen hatte (vgl. Landtags-Drucksache 16/1879, PlPr 16/79 vom 27. Februar 2008, S. 5736 ff.).

111

Da das Wahlrecht und der politische Prozess in einem Wechselverhältnis stehen, ist die Erforderlichkeit und Angemessenheit einer Sperrklausel einer empirischen Überprüfung allein mit den Mitteln der politischen Wissenschaften oder der Mathematik nicht zugänglich. Die Ergebnisse vergangener Wahlen ermöglichen keine gesicherte Aussage über den Ausgang zukünftiger Wahlen. Das geltende Wahlrecht wirkt auf die Wahlergebnisse und das Wahlverhalten zurück. Insoweit bleibt die Entscheidung über die Aufrechterhaltung einer Sperrklausel eine wertende Prognoseentscheidung.

112

dd) Nichts anderes ergibt sich für die Auslegung des schleswig-holsteinischen Verfassungsrechts unter Berücksichtigung von Art. 3 des Ersten Zusatzprotokolls zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK, BGBl 1956 II S. 1880), der das Recht auf freie Wahlen garantiert, und von Art. 25 des Pakts über bürgerliche und politische Rechte (BGBl II 1973 S. 1534), der das Recht gewährt, ohne Unterschied bei gleichen Wahlen zu wählen und gewählt zu werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gelten die Menschenrechtsübereinkommen im Range einfachen Bundesrechts. Sie sind bei der Interpretation des nationalen Rechts – auch der Grundrechte und rechtsstaatlichen Garantien – als Auslegungshilfen zu berücksichtigen. Dabei sind die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte besonders zu berücksichtigen

(vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 2004 - 2 BvR 1481/04 -, BVerfGE 111, 307 ff., Juris Rn. 30, 38).

113

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in mehreren Entscheidungen einen weiten Spielraum der nationalen Wahlgesetzgebung anerkannt und unter anderem Sperrklauseln von 10% in der Türkei, 6% in Spanien und 5% in Lettland als vereinbar mit Art. 3 des Ersten Zusatzprotokolls zur EMRK angesehen

(vgl. EGMR, Urteil vom 8. Juli 2008 - 10226/03 -, Yumak und Sadak ./. Türkei -, NVwZ-RR 2010, 81 ff.; EGMR, Entscheidung vom 7. Juni 2001 - 56618/00 -, Federación Nacionalista Canaria ./. Spanien, Reports of Judgments and Decisions 2001-VI, 433 <443>; EGMR, Entscheidung vom 29. November 2007 - 10547/07 u.a. -, Partija „Jaunie Demokrati“ u. Partija „Musu Zeme ./. Lettland, http://www.hudoc.echr.coe.int., unter „EN DROIT“ A.2 b>).

Dabei wurden jedenfalls keine strengeren Maßstäbe an die Rechtfertigung von Sperrklauseln angelegt als nach dem deutschen Verfassungsrecht.

114

2. Die Befreiung der Parteien der dänischen Minderheit von der 5%-Klausel (§ 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG) verstößt nicht gegen Art. 2a LV in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG.Ungeachtet der Frage, ob Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG im Zusammenhang mit Landtagswahlen Anwendung findet, oder die Wahlrechtsgleichheit demgegenüber lex specialis ist

(vgl. Becker, Die wahlrechtliche Privilegierung von Parteien der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein <§ 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG>, Gesetzliche Voraussetzungen und verfassungsrechtliche Rechtfertigung, Dänischenhagen 2013, S. 43),

ist die Norm schon tatbestandlich nicht einschlägig. Nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG darf niemand wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Die Zugehörigkeit zu einer Minderheit im vorliegenden Kontext folgt jedoch weder aus der Abstammung oder Herkunft einer Person, noch aus ihrer politischen Anschauung, sondern allein aus dem freien Bekenntnis zur Minderheit

(vgl. Riedinger, in: Caspar/ Ewer/ Nolte/ Waack , Verfassung des Landes Schleswig-Holstein, 2006, Art. 5 Rn. 10).

Letzteres ist kein verbotenes Differenzierungskriterium im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG.

115

3. § 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG als Rückausnahme von der Einschränkung der Berücksichtigung aller Stimmen bei der Mandatsverteilung berührt zwar die Wahlrechtsgleichheit in ihrer Ausprägung als Erfolgswertgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien (a). Die Regelung ist jedoch durch zwingende Gründe gerechtfertigt (b).

116

a) Die Zweitstimme derjenigen Wählerinnen und Wähler, die eine Partei der dänischen Minderheit wählen, die im Ergebnis die Sperrklausel nicht erreicht, hat einen höheren Erfolgswert als eine Stimme, die für eine andere Partei abgegeben wurde, die die Sperrklausel ebenfalls nicht erreicht. Die für eine Partei der dänischen Minderheit abgegebene Zweitstimme wird in jedem Fall berücksichtigt, wenn die Partei so viele Stimmen erzielt, dass ihr bei der Sitzverteilung ein Mandat zugerechnet werden kann. Die Zweitstimme dieser Wählerinnen und Wähler wird mit den Stimmen gleich behandelt, die für die Parteien abgegeben werden, die die Sperrklausel überwinden.

117

Auch für eine Rückausnahme, das heißt für eine Ausnahme von einem zulässigen Quorum, gelten die oben unter C.II.1.c) (Rn. 84 ff.) beschriebenen Grundsätze der Zulässigkeit von Differenzierungen bei Vorliegen von Gründen, die durch die Verfassung legitimiert sind. Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Rückausnahme ist der Kontext der Sperrklausel und ihrer Rechtfertigung zu berücksichtigen.

118

Das Bundesverfassungsgericht hat zur schleswig-holsteinischen Regelung entschieden, dass es dem Gesetzgeber freisteht, von einem zulässigen Quorum Ausnahmen zu machen, wenn ein zureichender Grund dafür gegeben ist

(BVerfG, Urteil vom 11. August 1954 - 2 BvK 2/54 -, BVerfGE 4, 31 ff., Juris Rn. 37).

Innerhalb des Quorums ist es dem Gesetzgeber überlassen, wie weit er die Möglichkeit zur Differenzierung ausschöpft

(BVerfG, Urteil vom 10. April 1997 - 2 BvC 3/96 -, BVerfGE 95, 408 ff., Juris Rn. 47 ff.).

119

Dabei ist die konkrete politische Situation zu beachten, zu der die Existenz von nationalen Minderheiten und ihre regionale Verteilung gehören

(BVerfG, Urteile vom 5. April 1952 - 2 BvH 1/52 -, BVerfGE 1, 208 ff., Juris Rn. 146, 158 und vom 23. Januar 1957 - 2 BvE 2/56 -, BVerfGE 6, 84 ff., Juris Rn. 34).

120

Auch in anderen Zusammenhängen hat das Bundesverfassungsgericht Ausnahmen von einer unterschiedslos für das Wahlgebiet geltenden Sperrklausel gefordert oder gebilligt. So hat es bei der ersten gesamtdeutschen Wahl nach der Wiedervereinigung gefordert, dass der Gesetzgeber berücksichtigt, dass besondere Umstände ein Quorum unzulässig werden lassen können. Regelungen, mit denen der Gesetzgeber an einer Sperrklausel festhält, aber ihre Auswirkungen mildert, müssen ihrerseits mit der Verfassung vereinbar sein und den Grundsätzen der Wahlrechtsgleichheit genügen

(BVerfG, Urteil vom 29. September 1990 - 2 BvE 1/90 u.a. -, BVerfGE 82, 322 ff., Leitsatz 2b).

121

Die Grundmandatsklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag, nach der eine Partei auch dann am Verhältnisausgleich teilnimmt, wenn sie in drei Wahlkreisen ein Direktmandat errungen hat (§ 6 Abs. 3 Satz 1 BWahlG = § 6 Abs. 6 Satz 1 BWahlG a.F.), hat das Bundesverfassungsgericht als zulässige Ausnahme vom Quorum angesehen. Eine entsprechende Regelung ist – für den Erwerb eines Direktmandats – auch im schleswig-holsteinischen Wahlrecht in § 3 Abs. 1 Satz 1 LWahlG enthalten. Das Bundesverfassungsgericht hat ausgeführt, dass der Zugang zum Sitzverteilungsverfahren auch von mehreren alternativen Hürden abhängig gemacht werden darf, soweit dadurch keine höhere Sperrwirkung als durch eine 5%-Klausel erzeugt wird. Eine weitere Zugangsmöglichkeit nimmt den durch eine Sperrklausel bewirkten Eingriff in die Wahlgleichheit teilweise zurück und schwächt dessen Intensität ab. Die weitere Differenzierung bewirkt eine neue Ungleichheit und bedarf daher ihrerseits rechtfertigender Gründe. Dabei kann allerdings die Abmilderung der Intensität der Sperrklausel in Rechnung gestellt werden

(BVerfG, Urteil vom 10. April 1997 - 2 BvC 3/96 -, BVerfGE 95, 408 ff., Juris Rn 45 f.).

122

Davon ausgehend bestehen an die Rechtfertigung von Ausnahmen von der Sperrklausel zumindest keine höheren Anforderungen als an die Rechtfertigung der Sperrklausel selbst. Die Ausnahme kann vielmehr dazu beitragen, die Legitimation der Sperrklausel selbst zu sichern, indem sie Wirkungen der Sperrklausel abmildert, durch welche die Integrationsfunktion der Wahl oder andere Verfassungswerte gefährdet werden

(vgl. zur Milderung der Auswirkungen der 5%-Klausel auf Bundesebene: BVerfG, Urteil vom 29. September 1990, Juris Rn. 68 ff.).

123

Zudem ist die Rückausnahme für die Parteien der dänischen Minderheit jedenfalls durch zwingende Gründe gerechtfertigt, die in der Landesverfassung von Schleswig-Holstein verankert sind.

124

b) Die Regelung zugunsten von Parteien der dänischen Minderheit – derzeit des SSW – ist durch die Schutzpflicht des Landes für die politische Mitwirkung der nationalen dänischen Minderheit nach Art. 5 Abs. 2 LV legitimiert (aa-bb) und verstößt nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (cc).

125

aa) Art. 5 Abs. 2 Satz 1 LV stellt die politische Mitwirkung nationaler Minderheiten unter den Schutz des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände. Der nationalen dänischen Minderheit und der friesischen Volksgruppe wird der Schutz der politischen Mitwirkung, der ihnen schon nach Art. 5 Abs. 2 Satz 1 LV zusteht, durch Art. 5 Abs. 2 Satz 2 LV ausdrücklich als „Anspruch auf Schutz“ und zudem als „Anspruch auf Förderung“ zugebilligt.

126

Die politische Mitwirkung der nationalen dänischen Minderheit ist ein Verfassungsgut von hohem Rang, dessen Schutz und Förderung dem Land aufgegeben ist. Es ist insofern geeignet, den die Sperrklausel begründenden Erwägungen sowie dem Anspruch konkurrierender Parteien auf Gleichbehandlung die Waage zu halten und als hinreichender und zwingender Grund für eine Rückausnahme anerkannt zu werden. Ob es sich im Übrigen bei Art. 5 Abs. 2 Satz 2 LV um eine nur objektiv-rechtliche Staatszielbestimmung handelt

(so Riedinger, in: Caspar/ Ewer/ Nolte/ Waack , Verfassung des Landes Schleswig-Holstein, 2006, Art. 5 Rn. 19; Wuttke, Verfassungsrecht, in: Schmalz/ Ewer/ von Mutius/ Schmidt-Jortzig, Staats- und Verwaltungsrecht für Schleswig-Holstein, 2002, Rn. 28),

oder ob sich aus dem Wortlaut („Anspruch“) auch ein subjektives Recht der Gruppe oder von Einzelnen ergibt

(so Köster, Der Minderheitenschutz nach der schleswig-holsteinischen Landesverfassung, Bredstedt 2009, S. 156 ff. m.w.N.),

kann hier offen bleiben.

127

Im Sinne des Wahlrechts „zwingende“ Gründe sind nicht nur Gründe, die zu mathematisch unausweichlichen Unschärfen führen, sondern auch Differenzierungen, die von Verfassungs wegen zwangsläufig oder notwendig sind, weil eine Kollision mit Grundrechten oder anderen Wahlrechtsgrundsätzen vorliegt, oder solche, die sonst durch die Verfassung legitimiert und von so einem Gewicht sind, dass sie der Wahlgleichheit die Waage halten können, wie etwa die vormals in der Schleswig-Holsteinischen Verfassung vorgegebene Regelgröße des Parlaments von 69 Abgeordneten

(Urteil vom 30. August 2010 - LVerfG 1/10 -, Rn. 143, LVerfGE 21, 434 ff. = SchlHA 2010, 276 ff. = NordÖR 2010, 401 ff. = JZ 2011, 254 ff., Juris Rn. 150).

128

Sinn und Zweck des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 LV ist die verfassungsrechtliche Verankerung der Mitwirkung und Integration der dänischen Minderheit nach dem im Jahre 1990 – bei Schaffung von Art. 5 Abs. 2 LV – vorgefundenen und erprobten Konzept des Wahlrechts. Die bereits seit 1955 geltende Regelung in § 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG hat dazu geführt, dass der SSW seitdem in sämtlichen Legislaturperioden im Landtag vertreten war.

129

Diese beiden Regelungen zunächst im einfachen Wahlrecht und später auch im Verfassungsrecht waren eine Reaktion darauf, dass eine politische Mitwirkung der Minderheit durch die Sperrklausel erschwert bzw. unmöglich war. Denn bei der Landtagswahl vom 12. September 1954 hatte der SSW weder die 5%-Hürde übersprungen noch ein Direktmandat erzielt

(vgl. Bekanntmachung des Landeswahlleiters über das endgültige Ergebnis der Wahl zum Schleswig-Holsteinischen Landtag am 12. September 1954 vom 23. September 1954, ABl Nr. 40 S. 398 <401 f.>).

130

Aus den Materialien zu Art. 5 Abs. 2 LV ergibt sich, dass die in Absatz 2 Satz 1 geregelte Schutzbestimmung zugunsten der kulturellen Eigenständigkeit und zugunsten der politischen Mitwirkung speziell für die dänische Minderheit und die friesische Volksgruppe ausdrücklich festgeschrieben und für diese beiden Gruppen zudem ein Grundsatz der Förderung aufgestellt werden sollte. Darin sollte der verfassungspolitische Wille zum Ausdruck kommen, die historischen Gegebenheiten und die faktische Situation im Lande zu berücksichtigen

(Bericht und Beschlussempfehlung des Sonderausschusses zur Beratung des Schlussberichts der Enquete-Kommission „Verfassungs- und Parlamentsreform“ vom 28. November 1989, Landtags-Drucksache 12/620 (neu), S. 34).

131

Aus den Protokollen des Sonderausschusses „Verfassungs- und Parlamentsreform“ geht hervor, dass zunächst daran gedacht worden war, die Befreiung von der 5%-Klausel für Parteien der dänischen Minderheit in die Verfassung aufzunehmen, letztlich aber davon Abstand genommen wurde, weil die Sperrklausel selbst nicht in der Verfassung verankert ist (vgl. SoAVP 12/6 vom 21. April 1989, S. 19). Ausdrücklich wurden aber Schutz und Förderung der politischen Mitwirkung der Minderheit aufgenommen (vgl. SoAVP 12/11 vom 2. Juni 1989, S. 10).

132

Der Zweck der effektiven Integration der dänischen Minderheit in das Staatsvolk kann rechtfertigen, dass die Wahlrechtsgleichheit berührt wird. Denn der Charakter der Wahl als eines Integrationsvorgangs bei der politischen Willensbildung wird gesichert, wenn die Regelungen des Wahlrechts die parlamentarische Repräsentanz der politisch bedeutsamen Strömungen im Wahlvolk ermöglichen

(vgl. Pieroth, Der Begriff der Partei der dänischen Minderheit und die Verfassungsmäßigkeit ihrer Privilegierung im Schleswig-Holsteinischen Landeswahlrecht, Landtags-Umdruck 15/634, S. 35 unter Bezugnahme auf BVerfG, Urteil vom 10. April 1997, - 2 BvC 3/96 -, BVerfGE 95, 408 ff., Juris Rn. 55).

133

So hat das Bundesverfassungsgericht die wahlrechtliche Sonderregelung als gerechtfertigt angesehen, weil sie der nationalen Minderheit zur Vertretung ihrer spezifischen Belange die Tribüne des Parlaments eröffnet, wenn sie nur die für ein Mandat erforderliche Stimmenzahl aufbringt

(vgl. BVerfG, Urteil vom 23. Januar 1957 - 2 BvE 2/56 -, BVerfGE 6, 84 ff., Juris Rn. 34).

134

bb) Dieses Verständnis von Art. 5 Abs. 2 LV wird durch die Einbindung Schleswig-Holsteins in die Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland verstärkt. Art. 5 Abs. 2 LV ist im Lichte der völkerrechtlichen Bindungen des Bundes durch die Bonn-Kopenhagener Erklärungen vom 29. März 1955 und des Rahmenübereinkommens des Europarats vom 1. Februar 1995 zum Schutz nationaler Minderheiten (BGBl 1997 II S. 1406 ff. im Folgenden: Rahmenübereinkommen) auszulegen. Denn das Land Schleswig-Holstein ist ein Gliedstaat der Bundesrepublik Deutschland (Art. 1 LV), der zur Bundestreue verpflichtet ist. Die Bundestreue besagt, dass im deutschen Bundesstaat das gesamte verfassungsrechtliche Verhältnis zwischen dem Gesamtstaat und seinen Gliedern sowie das verfassungsrechtliche Verhältnis zwischen den Gliedern durch den ungeschriebenen Verfassungsgrundsatz von der wechselseitigen Pflicht des Bundes und der Länder zu bundesfreundlichem Verhalten beherrscht ist

(vgl. BVerfG, Urteil vom 28. Februar 1961 - 2 BvG 1/60 u.a. -, BVerfGE 12, 205 ff., Juris Rn. 173).

135

Die Bonn-Kopenhagener Erklärungen haben nach der gleichzeitigen Bekanntmachung der Ergebnisse der deutsch-dänischen Besprechungen durch das Auswärtige Amt zum Inhalt, dass die Sperrklausel nicht zum Hindernis der politischen Mitwirkung der Minderheit werden darf (vgl. Bundesanzeiger Nr. 63 vom 31. März 1955, S. 4).

136

Die Bonn-Kopenhagener Erklärungen sind keine völkerrechtlichen Verträge sondern von zwei Regierungen abgegebene einseitige Willenserklärungen

(vgl. Kühn, Privilegierung nationaler Minderheiten im Wahlrecht der Bundesrepublik Deutschland und Schleswig-Holsteins, Frankfurt am Main 1991, S. 284),

die den auswärtigen Beziehungen des Bundes zuzurechnen sind. Solche Erklärungen können Bindungswirkung entfalten, wenn sie öffentlich und mit dem Willen zur Bindung abgegeben worden sind

(vgl. IGH , I.C.J. Reports 1974, 457 <472 f.>).

Eine solche Bindungswirkung ist nach dem Wortlaut der Erklärungen anzunehmen, zumal sich beide Regierungen bei ihrer Abgabe auf ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen aus dem Gebot des Minderheitenschutzes nach Art. 14 EMRK (BGBl 1952 II S. 690) berufen haben. Das Land Schleswig-Holstein ist indirekt daran beteiligt gewesen und aufgrund des Grundsatzes der Bundestreue weiterhin daran gebunden.

137

Der Bundesgesetzgeber hat den Inhalt der Bonn-Kopenhagener Erklärungen in die geltenden Verpflichtungen eingeordnet und sich fortdauernd gebunden. Die bereits seit dem Bundeswahlgesetz von 1953 bestehende Ausnahme von der Sperrklausel für Parteien nationaler Minderheiten, die aus außenpolitischen Erwägungen im Zusammenhang mit der dänischen Minderheit in Südschleswig eingeführt worden war

(vgl. Schreiber, Bundeswahlgesetz, Kommentar, 8. Aufl. 2008, § 6 Rn. 47),

besteht seitdem unverändert und wurde zuletzt in der Fassung des Bundeswahlgesetzes vom 3. Mai 2013 (BGBl I S. 1082) in § 6 Abs. 3 Satz 2 BWahlG beibehalten.

138

Auch die Bundesregierung fühlt sich den Bonn-Kopenhagener Erklärungen weiterhin verpflichtet. Die Bonner Erklärung vom 29. März 1955 sowie die Kieler Erklärung vom 26. September 1949 sind im Jahre 1997 in der Denkschrift der Bundesregierung zum Rahmenübereinkommen des Europarats vom 1. Februar 1995 zum Schutz nationaler Minderheiten ausdrücklich in Bezug genommen worden (vgl. Bundestags-Drucksache 13/6912, S. 21 ff.).

139

Nach Art. 4 Abs. 2 des Rahmenübereinkommens haben sich die Vertragsparteien verpflichtet, erforderlichenfalls angemessene Maßnahmen zu ergreifen, um in allen Bereichen des wirtschaftlichen, sozialen, politischen und kulturellen Lebens die vollständige und tatsächliche Gleichheit zwischen den Angehörigen einer nationalen Minderheit und den Angehörigen der Mehrheit zu fördern und in dieser Hinsicht in gebührender Weise die besonderen Bedingungen der Angehörigen nationaler Minderheiten zu berücksichtigen. Das Rahmenübereinkommen ist als internationaler Vertrag ein rechtsverbindliches Instrument

(vgl. Klebes, EuGRZ 1995, 262 <264>),

das als Bundesrecht unmittelbar gilt

(vgl. Achter Bericht der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik in den auswärtigen Beziehungen und in anderen Politikbereichen vom 16. Juli 2008, Bundestags-Drucksache 16/10037, S. 79 f.).

140

Nach Art. 1 des Rahmenübereinkommens und seinen Begründungserwägungen ist der Schutz nationaler Minderheiten Bestandteil des internationalen Menschenrechtsschutzes. Das Rahmenübereinkommen ist, nicht anders als die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, bei der Auslegung nationalen Rechts, auch nationalen Verfassungsrechts, zu berücksichtigen (vgl. oben unter C.II.1.d>dd> ).

141

Das Rahmenübereinkommen wurde im Hinblick auf die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten und der Protokolle dazu abgeschlossen. Insoweit ist das Rahmenübereinkommen auch zur Interpretation des Art. 3 des Ersten Zusatzprotokolls zur EMRK (BGBl 1956 II S. 1879), der das Recht auf freie Wahlen garantiert, heranzuziehen. Da die Bundesregierung und die Dänische Regierung bereits die Bonn-Kopenhagener Erklärungen in den Kontext der in Art. 14 EMRK enthaltenen Verpflichtung zur Nichtdiskriminierung nationaler Minderheiten gestellt haben, haben sie insoweit auch eine Abwägung auf Ebene der Menschenrechte vorgenommen.

142

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat zuletzt in einer Entscheidung zum rumänischen Wahlrecht keine Bedenken gegen eine Berücksichtigung nationaler Minderheiten im Wahlrecht erkennen lassen und ausgeführt, dass diese in mehreren europäischen Ländern praktiziert wird

(vgl. EGMR, Urteil vom 2. März 2010 - 78039/01 -, Grosaru ./. Rumänien, unter www.echr.coe.int/hudoc).

143

Auch wenn die in dem Abkommen festgelegten Grundsätze keine unmittelbar geltenden Rechtssätze, sondern Handlungsaufträge für die Unterzeichnerstaaten sind (vgl. Art. 19 des Rahmenübereinkommens), bestätigen sie doch, dass Minderheitenschutz nicht auf die Gewährung formaler Gleichheit beschränkt ist, sondern ausgleichende und fördernde Maßnahmen einschließt

(ebenso VerfG Brandenburg, Urteil vom 18. Juni 1998 - 27/97 -, LVerfGE 8, 97 ff., Juris Rn. 120).

Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und insbesondere Satz 2 LV entsprechen diesem Auftrag.

144

Ein Beispiel für die Umsetzung der Verpflichtungen aus dem Rahmenübereinkommen und die Bindung an die Bonn-Kopenhagener Erklärungen liefert die Antwort der Bundesregierung vom 14. Februar 2008 auf eine Kleine Anfrage zur finanziellen Unterstützung für den Bund Deutscher Nordschleswiger. Darin teilt die Bundesregierung unter anderem unter Bezugnahme auf Art. 4 Abs. 2 des Rahmenübereinkommens mit, dass die finanzielle Förderung der deutschen Volksgruppe in Nordschleswig/ Dänemark auf Grundlage der Bonn-Kopenhagener Erklärungen erfolge (vgl. Bundestags-Drucksache 16/8093, S. 2).

145

In der laufenden Wahlperiode hat sich die Bundesregierung erneut ausdrücklich zu den Bonn-Kopenhagener Erklärungen bekannt (Staatsministerin im Auswärtigen Amt Pieper am 7. Juli 2010, Bundestags-PlPr 17/54, S. 5537 f.).

146

cc) Die Regelung durch § 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG ist auch verhältnismäßig.

147

Das Gericht prüft neben der Frage, ob die differenzierende Regelung an einem Ziel orientiert ist, das der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Wahlrechts verfolgen darf, lediglich, ob die Regelung zur Erreichung dieses Zieles geeignet ist, nicht das Maß des Erforderlichen überschreitet und angemessen ist; denn es ist grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, verfassungsrechtlich legitime Ziele wie die Belange der Funktionsfähigkeit des Parlaments, das Anliegen weitgehender integrativer Repräsentanz und die Gebote der Wahlrechtsgleichheit sowie der Chancengleichheit der politischen Parteien zum Ausgleich zu bringen

(vgl. BVerfG, Urteil vom 10. April 1997 - 2 BvC 3/96 -, BVerfGE 95, 408 ff., Juris Rn. 49 m.w.N.).

148

Mit welcher Regelung der Verfassungsauftrag erfüllt wird, ist vom Gesetzgeber einzuschätzen. Er hat auch die Pflicht zu beobachten, wie sich die Regelung auswirkt, ob sie im Kontext der wahlrechtlichen Regelungen und der tatsächlichen Verhältnisse geeignet ist, ihren Zweck zu erfüllen, und ob zugleich andere Grundsätze des Wahlrechts nicht unangemessen beeinträchtigt werden (siehe oben C.II.1.c> entsprechend zur Sperrklausel). Angesichts des Einschätzungsspielraums des Gesetzgebers und der von ihm zu wählenden Gesamtsystematik des Wahlrechts kann das Gericht nicht seine eigene Einschätzung von einer zweckmäßigeren Lösung an dessen Stelle setzen, sondern hat nur zu kontrollieren, ob entweder die politische Mitwirkung der Minderheit nicht mehr hinreichend geschützt wird oder ob die dazu genutzte Regelung außer Verhältnis zur Beeinträchtigung anderer Wahlrechtsgrundsätze steht.

149

(1) Die Regelung ist geeignet, den angestrebten Zweck zu erfüllen. Sie hat seit ihrem Bestehen die politische Mitwirkung der dänischen Minderheit gesichert.

150

(2) Sie ist auch erforderlich. Ein anderes gleich geeignetes Mittel ist in der gegebenen Systematik des Wahlrechts nicht ersichtlich. Die gegenwärtige Regelung verwirklicht den in Art. 3 und 10 LV enthaltenen Grundsatz der Erfolgswertgleichheit der Verhältniswahl und hebt nur dessen Einschränkung durch die nicht in der Verfassung geregelte Sperrklausel auf. Die Regelung sichert den Parteien der Minderheit die Möglichkeit, auch unter den Bedingungen eines regional und personell beschränkten Aktionsradius für ihre Anschauungen zu werben und stärkere Zustimmung zu ihrer Politik auch in entsprechende Mandate umzusetzen, ohne dass sie dafür die 5%-Klausel überwinden müssen. Diese Möglichkeit würde durch eine Beschränkung der Befreiung auf ein Mandat verkürzt. Eine solche würde die politische Mitwirkung der Minderheit nicht in gleichem Maße schützen und fördern wie die jetzige Regelung, bei der die Zahl der Abgeordneten vom Zuspruch bei den Wahlen abhängt.

151

Die Beschränkung auf ein Mandat würde zudem die Repräsentanz einer Partei der Minderheit in der arbeitsteiligen Parlamentsarbeit, insbesondere in den Ausschüssen des Landtages, einschränken. Die Möglichkeit, Einfluss auf Regierungsbildung, Gesetzgebung und Haushalt zu nehmen und Wahlkreisarbeit zu leisten, wäre geringer. Außerdem könnte eine Partei bei einer stark verminderten Chance, ein zweites oder drittes Mandat zu erringen, die Wählerinnen und Wähler der Minderheit weniger gut durch ein zum Beispiel nach politischen Strömungen innerhalb der Minderheit, Regionen oder Geschlechtern ausgewogenes Personalangebot ansprechen, sondern wäre darauf verwiesen, sich durch eine Person repräsentieren zu lassen. Die Beschränkung der Befreiung auf ein Mandat würde das dem jetzigen Wahlrecht zu Grunde liegende Konzept von Schutz und Förderung politischer Mitwirkung der Minderheit nicht mehr ausfüllen. Entsprechend kann das Gericht es nicht als gleich geeignetes „milderes Mittel“ zum Schutz und zur Förderung der politischen Mitwirkung der Minderheit ansehen. Ob und in welcher Form ein solches anderes Wahlrecht das Verfassungsgebot von Art. 5 Abs. 2 LV erfüllen würde, war hier nicht zu entscheiden.

152

Die Beschränkung der Befreiung von der 5%-Klausel auf ein Siedlungsgebiet der Minderheit wäre ebenfalls kein gleich geeignetes Mittel, um einer auf das ganze Land bezogenen Minderheitenposition gerecht zu werden. Da der Landtag auf das gesamte Gebiet des Landes hin ausgerichtet und insoweit verantwortlich ist, ist das Vorhandensein einer originären dänischen Minderheit in Südschleswig maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Entscheidung des Landesgesetzgebers, alle Teile des Landes bei der Wahl zum Landtag in die Sonderregelung einzubeziehen

(so auch BVerfG, Beschluss vom 14. Februar 2005 - 2 BvL 1/05 - als obiter dictum, SchlHA 2005, 128 ff. = NVwZ 2005, 568 ff. = NordÖR 2005, 106 ff. = BVerfGK 5, 96 ff., Juris Rn. 40).

153

Wollte man eine Ausnahme von der Sperrklausel für Parteien der dänischen Minderheit auf den nördlichen Teil des Landes beschränken, forderte man ein anderes Wahlsystem

(vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Februar 2005, a.a.O., Juris Rn. 41; Pieroth, Der Begriff der Partei der dänischen Minderheit und die Verfassungsmäßigkeit ihrer Privilegierung im Schleswig-Holsteinischen Landeswahlrecht, Landtags-Umdruck 15/634, S. 39),

dessen Einführung allein dem Gesetzgeber obläge. Im Übrigen wird auch im Bundeswahlrecht die Befreiung von der 5%-Klausel für Parteien nationaler Minderheiten nicht auf deren Siedlungsgebiet beschränkt (vgl. § 6 Abs. 3 Satz 2 BWahlG).

154

(3) § 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG ist auch angemessen im Verhältnis zur Beeinträchtigung der Erfolgswertgleichheit anderer kleiner Parteien im Vergleich zu den Parteien der dänischen Minderheit. Während für die Befreiung der Minderheitenparteien Gründe von Verfassungsrang aus Art. 5 Abs. 2 LV sprechen, unterliegen die anderen kleinen Parteien der legitimen Beschränkung durch die Sperrklausel, haben aber als (potenziell) landes- und bundesweit tätige und auf die deutsche Mehrheitsgesellschaft bezogene Parteien die jeweils gleiche Chance, diese Hürde zu überschreiten.

155

Die Angemessenheit der Sonderregelung könnte dann entfallen, wenn eine Partei der dänischen Minderheit durch Regelungen im Wahlrecht oder Veränderungen der politischen Wirklichkeit keinen Nachteil mehr hätte, der ausgeglichen werden müsste.

156

Dass der SSW in den letzten Jahrzehnten seinen Stimmenanteil bei Landtagswahlen steigern konnte und dass möglicherweise ein Teil der für ihn abgegebenen Stimmen von Personen kam, die sich nicht oder nicht fest der dänischen Minderheit zurechnen, spricht nicht gegen die Angemessenheit der geltenden Regelung. Der SSW ist seit 1955 bisher landesweit immer unter 5% der Stimmen geblieben. Bei insgesamt beweglicherem Wahlverhalten mag die Bereitschaft in der Wählerschaft steigen, einer Partei der dänischen Minderheit die Stimme zu geben. An der im Vergleich zu anderen Parteien regionalen und personellen Einschränkung ändert sich dadurch nichts.

157

Es wird weiterhin diskutiert, ob die durch das Zweistimmenwahlrecht notwendig eingetretene Wählbarkeit des SSW im ganzen Land die Angemessenheit der geltenden Regelung beeinflusst. Der durch das Einstimmenwahlrecht vor 1997 bestehende Nachteil als Partei einer Minderheit, die nur in den Wahlkreisen ihres Tätigkeitsgebiets wählbar war, besteht nicht mehr in gleicher Weise. Die durch die im ganzen Land wählbare Liste entstandenen Chancen haben diesen Nachteil abgemildert, aber nicht entfallen lassen. Der SSW ist als eine Partei der dänischen Minderheit weiterhin nach Satzung, Parteiorganisation, Teilnahme an der Kommunalpolitik und Wahlkreiskandidaturen nur in Südschleswig und auf Helgoland vertreten. Der SSW kandidiert direkt nur in elf von 35 Wahlkreisen, in acht von diesen erzielt er mehr als 5% der Zweitstimmen. Die meisten seiner Zweitstimmen erzielt er in diesem Gebiet

(vgl. Bekanntmachung der Landeswahlleiterin vom 18. Mai 2012, ABl Nr. 23 S. 499 ff., Übersichten 3 und 4).

158

Soweit das Zweistimmenwahlrecht als Problem für eine möglichst schonende Regelung zum Minderheitenschutz im Wahlrecht angesehen wird, ist im Übrigen anzumerken, dass das Zweistimmenwahlrecht zwar trotz der mit ihm verbundenen Gefahr von Überhang- und Ausgleichsmandaten eine legitime Gestaltung des Wahlrechts ist, das Zweistimmenwahlrecht aber anders als der Minderheitenschutz keinen Verfassungsrang hat. Angesichts des Stellenwertes des Minderheitenschutzes in der Schleswig-Holsteinischen Verfassung ist diese Folge des Zweistimmenwahlrechts hinzunehmen, solange ein solches Wahlrecht besteht.

159

Eine Änderung in der politischen Wirklichkeit, die eine veränderte Beurteilung auslösen könnte, würde eintreten, wenn eine Partei der dänischen Minderheit durch innere Verknüpfung mit regional und politisch in der Mehrheitsgesellschaft verankerten Strömungen den durch die Sperrklausel entstehenden Nachteil so ausgleichen könnte, dass es einer wahlrechtlichen Regelung nicht mehr bedürfte. Dies wäre möglich, wenn eine Partei der dänischen Minderheit neben ihrer Verankerung in der Minderheit regional und politisch gleichermaßen in der Mehrheit verankert und an sie adressiert wäre, zum Beispiel durch den Aufbau einer über die Minderheit hinausweisenden Parteiorganisation und durch entsprechende Kandidaturen in den Wahlkreisen des ganzen Landes.

III.

160

Das Verfahren ist kostenfrei (§ 33 Abs. 1 LVerfGG). Auslagen werden nicht erstattet (vgl. § 33 Abs. 4 LVerfGG). Eine Entscheidung über die Vollstreckung entfällt (§ 34 LVerfGG).

IV.

161

Das Urteil ist hinsichtlich des Tenors und der Gründe zu C.II.3. mit 4:3 Stimmen und im Übrigen einstimmig ergangen.

Abweichende Meinung

Sondervotum der Richter Brock und Brüning und der Richterin Hillmann
gemäß § 28 Abs. 2 Satz 2 LVerfGG
zum Urteil des Landesverfassungsgerichts vom 13. September 2013

- LVerfG 9/12 -

1

Wir können die Entscheidung hinsichtlich des Tenors und hinsichtlich der Gründe insoweit nicht mittragen, als die Befreiung der Parteien der dänischen Minderheit von der 5%-Klausel (§ 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG) für verfassungsrechtlich gerechtfertigt angesehen wird. Das Gericht erkennt zutreffend, dass das Minderheitenprivileg für den SSW als Rückausnahme von der 5%-Klausel an denselben Maßstäben zu messen ist wie diese. In der Rechtsprechung des Gerichts wird die Bedeutung der Wahlgleichheit für die parlamentarische Demokratie in besonderem Maße hervorgehoben. Bei Anwendung dieser Maßstäbe kommt man unserer Ansicht nach jedoch zu dem Ergebnis, dass die vollständige Befreiung des SSW von der Sperrklausel für die Sicherstellung der politischen Mitwirkung der dänischen Minderheit im Schleswig-Holsteinischen Landtag das Maß des zur Erreichung dieses Zieles Erforderlichen überschreitet und die Gleichheit der Wahl unangemessen beeinträchtigt.

2

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl sichert die vom Demokratieprinzip vorausgesetzte Egalität der Staatsbürgerinnen und Staatsbürger und ist heute im Sinne einer strengen und formalen Gleichheit zu verstehen

(Urteil vom 30. August 2010 - LVerfG 1/10 -, Rn. 91, LVerfGE 21, 434 ff. = SchlHA 2010, 276 ff. = NordÖR 2010, 401 ff. = JZ 2011, 254 ff., Juris Rn. 96).

3

Nicht zuletzt durch Art. 10 Abs. 2 Satz 2 LV werden der Grundsatz der Wahlgleichheit aus Art. 3 Abs. 1 LV gewahrt und gestärkt sowie der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Wahlsystems insoweit verfassungsfest gebunden, als er der Wahlgleichheit „bestmöglich“ genügen muss

(Urteil vom 30. August 2010 - LVerfG 1/10 -, Rn. 124, a.a.O., Juris Rn. 129).

4

Das aus der Wahlgleichheit entwickelte Kriterium der Erfolgswertgleichheit beinhaltet zwar kein absolutes Differenzierungsverbot, belässt dem Gesetzgeber bei der Ordnung des jeweiligen Wahlsystems aber nur einen eng bemessenen Gestaltungsspielraum. Die Wahlgleichheit hat strikt formalen Charakter; sie ist einer „flexiblen“ Auslegung nicht zugänglich

(Urteil vom 30. August 2010 - LVerfG 1/10 -, Rn. 125, a.a.O., Juris Rn. 130).

5

Innerhalb dieses engen Gestaltungsspielraums ist es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, das Gebot der Wahlrechtsgleichheit mit anderen, verfassungsrechtlich legitimen Zielen zum Ausgleich zu bringen. Differenzierungen in der Erfolgswertgleichheit sind aber nur zulässig, wenn hierfür ein zwingender Grund vorliegt

(Urteil vom 30. August 2010 - LVerfG 1/10 -, Rn. 142, a.a.O., Juris Rn. 148).

6

„Zwingend“ sind Differenzierungen, die von Verfassungs wegen zwangsläufig oder notwendig sind, weil eine Kollision mit Grundrechten oder anderen Wahlrechtsgrundsätzen vorliegt, oder solche Differenzierungen, die sonst durch die Verfassung legitimiert und von so einem Gewicht sind, dass sie der Wahlgleichheit die Waage halten können

(Urteil vom 30. August 2010 - LVerfG 1/10 -, Rn. 143, a.a.O., Juris Rn. 150).

7

Solche differenzierende Regelungen müssen zur Verfolgung ihrer Zwecke geeignet und erforderlich sein. In welchem Ausmaß sie noch zulässig sind, richtet sich auch nach der Intensität des Eingriffs in das Wahlrecht. Bei der Einschätzung und Bewertung differenzierender Wahlrechtsbestimmungen hat sich der Gesetzgeber an der politischen Wirklichkeit zu orientieren

(Urteil vom 30. August 2010 - LVerfG 1/10 -, Rn. 144, a.a.O., Juris Rn. 151).

8

Gemessen daran ist die in § 3 Abs. 1 Satz 1 LWahlG geregelte 5%-Klausel gerechtfertigt; insoweit kann auf die zutreffenden Gründe aus der Entscheidung Bezug genommen werden.

9

Für die Rückausnahme des § 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG gelten dieselben Maßstäbe, schon weil sie ihrerseits zu einer weiteren Ungleichbehandlung führt im Verhältnis der Parteien der dänischen Minderheit zu anderen – kleinen – Parteien, die das 5%-Quorum nicht erreichen. Auch die Befreiung des SSW von der Sperrklausel bedarf daher eines durch die Verfassung legitimierten, zwingenden Grundes, muss zur Erreichung des verfolgten Zieles geeignet sein, darf das Maß des zur Erreichung dieses Zieles Erforderlichen nicht überschreiten und muss angemessen sein. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber durch die streitbefangene Befreiung von der Sperrklausel deren Auswirkungen – anders als im Falle einer Grundmandatsklausel oder einer regionalisierten 5%-Hürde – nur für bestimmte Minderheits-, nicht aber für alle Parteien gleichermaßen abmildert.

10

Die dänische Minderheit hat nach Art. 5 Abs. 2 Satz 2 LV Anspruch auf Schutz und Förderung. In Verbindung mit Satz 1 ist davon auch die politische Mitwirkung dieser nationalen Minderheit erfasst. Ob hieraus – auch unter Berücksichtigung völkerrechtlicher Verpflichtungen der Bundesrepublik – ein Anspruch auf politische Repräsentation abzuleiten ist, die das Wahlgesetz nicht allen in dieser Vorschrift genannten Minderheiten gewährt, kann offen bleiben. Denn jedenfalls kann der hiermit verfassungsrechtlich verankerte Minderheitenschutz ein hinreichender Rechtfertigungsgrund für eine Differenzierung und den damit verbundenen Eingriff in die Gleichheit der Wahl sein. Diesbezüglich kann auf die zutreffenden Gründe der Entscheidung Bezug genommen werden.

11

Die vollständige Befreiung der Parteien der dänischen Minderheit, das heißt des SSW, von der 5%-Hürde ist aber durch den Minderheitenschutz in seiner Form des Anspruchs auf politische Repräsentation nicht gerechtfertigt. Denn insofern stehen ebenso geeignete, jedoch mildere Mittel zur Verfügung. Jedenfalls ist die Bestimmung des § 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG unangemessen.

12

Je umfangreicher eine Rückausnahme erfolgt, desto stärker ist die damit verbundene Ungleichbehandlung gegenüber anderen kleinen Parteien. Die vollständige Rückausnahme der Parteien der dänischen Minderheit von der Sperrklausel ist daher ein stärkerer Eingriff in die Erfolgswertgleichheit als eine partielle Befreiung, etwa durch Beschränkung der Befreiung auf ein Mandat. Die Sicherstellung der politischen Repräsentation wird schon mit einem Mandat erreicht. Das Argument, die Beschränkung auf ein Mandat würde die politische Mitwirkung der Minderheit nicht in gleichem Maße schützen und fördern und etwa zu einer geringeren Mitwirkung in den Ausschüssen führen, trägt nicht. Zwingend ist der Minderheitenschutz als legitimer Grund für einen Eingriff in die Wahlgleichheit nur insoweit, als die Repräsentation der Minderheit überhaupt sichergestellt, ihr also ein politisches „Sprachrohr“ gegeben wird. Auch bei nur einem Sitz erhält die nationale Minderheit jedoch diese parlamentarische Stimme. Wird der Zuspruch im Wahlvolk größer, greift einerseits die Grundmandatsklausel mit anschließendem Verhältnisausgleich und andererseits – unabhängig davon – der Verhältnisausgleich bei Erreichen des Quorums. Im Übrigen wird eine Integration der Minderheit in die Gesellschaft des Landes durch mehr Abgeordnete im Landtag ohnehin nicht stärker befördert.

13

Der Regelungsgehalt der Landesverfassung, hier Art. 5 Abs. 2 LV, ist so offen, dass daraus keine verlässlichen Rückschlüsse auf die konkrete Ausgestaltung des Wahlrechts gezogen werden können. Hätte der Verfassungsgeber eine wahlrechtliche Privilegierung bestimmter einzelner nationaler Minderheiten gewollt, hätte er eine entsprechende Regelung in der Landesverfassung treffen können. Dies hat er nicht getan; er gewährleistet vielmehr allgemein „die politische Mitwirkung nationaler Minderheiten und Volksgruppen“. Hieraus lässt sich kein verfassungsrechtlich verankertes Ziel einer möglichst umfangreichen Mitwirkung an der politischen Willensbildung im Lande ableiten. Erst der einfache Wahlgesetzgeber hat nur die Parteien der dänischen Minderheit von der Sperrklausel befreit. Dabei belegt das geltende Wahlrecht selbst, dass es nicht auf größtmögliche Repräsentanz aus Gründen des Minderheitenschutzes angelegt ist. Denn Schutz und Förderung der politischen Mitwirkung der dänischen Minderheit können ohne weiteres vollständig leerlaufen. Wenn nämlich nicht die für ein Mandat erforderliche Stimmenzahl erreicht wird, ist die Partei der dänischen Minderheit gar nicht im Landtag vertreten.

14

Ungeachtet dessen könnte auch eine regionalisierte Sperrklausel für Parteien der dänischen Minderheit in Betracht kommen. Anknüpfungspunkt der Privilegierung des SSW ist ein Umstand, der außerhalb des Wahlvorgangs liegt und der zudem eine räumliche Dimension in Gestalt des angestammten Siedlungsgebiets in Südschleswig hat. Damit geht es nicht nur um eine allgemeine Rückausnahme zur Sperrklausel. Vielmehr werden durch die besondere Befreiung bestimmter Parteien, hier des SSW, neue Ungleichbehandlungen gegenüber anderen kleineren Parteien bewirkt. Diese sind auf ein Mindestmaß zu beschränken. Insofern erschiene es nicht systemwidrig, wenn der Gesetzgeber das wahlvorgangsfremde Merkmal nicht nur privilegierend, sondern auch limitierend bemühte.

15

Selbst wenn man die vollständige Befreiung des SSW von der Sperrklausel mit dem Gericht als erforderlich ansehen wollte, wäre sie nicht angemessen, da sie zu einer Überkompensation führt.

16

Zwar kann einer Partei der dänischen Minderheit der Wahlerfolg ebenso wenig negativ angerechnet werden wie ein in Anspruch genommenes allgemeinpolitisches Mandat oder die Beteiligung an der Landesregierung. Das alles sind Folgen der Teilnahme an Wahlen und der Repräsentanz im Landtag. Die Annahme von Abgeordnetenmandaten zweiter Klasse oder eigener Art verbietet sich mit Blick auf Art. 11 LV. Hier geht es indes um die Vorfrage des Umfangs der Vertretung im Parlament aus Gründen des Minderheitenschutzes. Das geltende Wahlrecht sieht eine allgemeine Sperrklausel vor. Dann durchbricht der Gesetzgeber das von ihm festgelegte System, wenn er den zwingenden Grund für die 5%-Klausel nicht durchhält, sondern es zum Schutz für nationale Minderheiten über das notwendige Maß hinaus aufgibt. Staats- und parteipolitisch betrachtet erschwert auch eine Minderheitenpartei die Regierungs- und Mehrheitsbildung im Parlament.

17

Die dänische Minderheit umfasst laut Angaben des Bundesministeriums des Inneren und der Landesregierung etwa 50.000 Personen

(Broschüre „Nationale Minderheiten, Minderheiten- und Regionalsprachen in Deutschland“, Bundesministerium des Innern , November 2012, S. 12 sowie http://www.schleswig-holstein.de/ Portal/DE/LandLeute/Minderheiten/Daenisch/ daenisch_node.html; abgerufen am 1. August 2013).

Damit ist derzeit von einer relevanten dänischen Minderheit auszugehen. Deswegen kann dahinstehen, wie sich die Zugehörigkeit zur dänischen Minderheit verfassungsrechtlich und einfachgesetzlich im Einzelnen definiert, insbesondere ob das bloße Bekenntnis hierfür ausreicht.

18

Der SSW hat 61.025 Zweitstimmen erhalten und damit 4,6 % aller gültigen Zweitstimmen, hiervon einen erheblichen Anteil in Gebieten außerhalb des Siedlungsgebietes der dänischen Minderheit

(Bekanntmachung der Landeswahlleiterin vom 18. Mai 2012, ABl Nr. 23 S. 499 ff., Übersicht 4).

Zwar verbietet es sich zu erheben, wie viele dieser Wählerinnen und Wähler Angehörige der dänischen Minderheit waren. Es ist aber davon auszugehen, dass nicht alle Angehörigen der dänischen Minderheit wahlberechtigt sind und nicht alle Angehörigen der Minderheit den SSW gewählt haben dürften. Vor diesem Hintergrund lassen die Zahlen und die regionale Verteilung erkennen, dass der SSW erheblichen Zuspruch von Wählerinnen und Wählern gehabt haben muss, die nicht der Minderheit angehören. Diese politische Realität darf das Gericht bei seiner Beurteilung der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs in die Wahlgleichheit aus Gründen des Minderheitenschutzes nicht außer Betracht lassen.

19

Wenn man dem SSW sämtliche sich aus seinem Zweitstimmenergebnis rechnerisch ergebenden Sitze zuteilt, dann profitiert er zu einem großen Teil von seinem allgemeinpolitischen Erfolg, der nicht aus seinem Minderheitenstatus herrührt. Die hiermit, also mit der Zuteilung weiterer, über einen „Sitz für die nationale Minderheit“ hinausgehender Sitze bei einem Wahlergebnis unter 5 % insbesondere gegenüber anderen kleinen Parteien verbundene Vertiefung des Eingriffs in die Gleichheit der Wahl kann vorbehaltlich anderer Instrumente wie etwa einer regionalisierten Sperrklausel nicht mit dem Minderheitenschutz gerechtfertigt werden. Die Integrationskraft von Wahlen bei der politischen Willensbildung des Volkes verlangt eine effektive parlamentarische Repräsentanz der nach dem Wählervotum bedeutsamen politischen Strömungen. Soweit einer nationalen Minderheit der Zugang zum Parlament erleichtert wird, darf dabei nicht die Relation der wahlberechtigten Minderheit zum gesamten Wahlvolk außer Acht gelassen werden.

20

Die zwingende Wählbarkeit der Parteien der dänischen Minderheit, das heißt des SSW, im ganzen Land ist zwar eine (Neben-)Folge der Änderung des Wahlrechts durch Einführung der Zweitstimme. Mit der Zulässigkeit dieser Systementscheidung hat es aber nicht sein Bewenden. Vielmehr ist der Gesetzgeber nach der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung verpflichtet,

eine die Wahlgleichheit und die Chancengleichheit berührende Norm des Wahlrechts zu überprüfen und gegebenenfalls zu ändern, wenn die verfassungsrechtliche Rechtfertigung dieser Norm durch neue Entwicklungen in Frage gestellt wird, etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder dadurch, dass sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen hat (...). Für Sperrklauseln im Verhältniswahlrecht bedeutet dies, dass die Vereinbarkeit einer Sperrklausel mit dem Grundsatz der Wahlgleichheit und der Chancengleichheit der politischen Parteien nicht ein für allemal abstrakt beurteilt werden kann. Eine Wahlrechtsbestimmung kann mit Blick auf eine Repräsentativkörperschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt gerechtfertigt sein (...) (und) zu einem anderen Zeitpunkt jedoch nicht (...). Eine einmal als zulässig angesehene Sperrklausel darf daher nicht als für alle Zeiten verfassungsrechtlich unbedenklich eingeschätzt werden. Vielmehr kann sich eine abweichende verfassungsrechtliche Beurteilung ergeben, wenn sich die Verhältnisse wesentlich ändern. Findet der Wahlgesetzgeber in diesem Sinne veränderte Umstände vor, so muss er ihnen Rechnung tragen. Maßgeblich für die Frage der weiteren Beibehaltung der Sperrklausel sind allein die aktuellen Verhältnisse (...)

(BVerfG, Urteil vom 9. November 2011 - 2 BvC 4/10 u.a. -, BVerfGE 129, 300 ff., Juris Rn. 90).

21

Dieser Beobachtungs- und Prüfpflicht ist der Wahlgesetzgeber nicht nachgekommen. Die in Folge der Einführung der Zweitstimme eingetretene Überprivilegierung ist durch das Ziel des Minderheitenschutzes nicht (mehr) gedeckt. Eine Unterstützung durch Wählerinnen und Wähler, die nicht der dänischen Minderheit zuzurechnen sind – die jedoch stattfindet, wie insbesondere das Wahlergebnis des SSW außerhalb von Südschleswig dokumentiert –, erfolgt aus allgemeinpolitischen Motiven und unterliegt damit der allgemeinen Sperrklausel. Allein der Bezug zur nationalen Minderheit rechtfertigt die Ungleichbehandlung des SSW gegenüber Parteien mit geringer Stimmenzahl und Parteien ohne örtliche Schwerpunkte im Zuge des Verhältnisausgleichs. Zugleich wird durch Verbindung der Partei mit einer besonderen Wählergruppe die Zulässigkeit der wahlrechtlichen Ungleichbehandlung begrenzt. Dem Wahlgesetzgeber ist verwehrt, jenseits zwingender Gründe über den Einzug von Parteien in das Parlament zu disponieren.

22

Die Regelung in § 3 Abs. 1 Satz 2 LWahlG verstößt daher in ihrer derzeitigen Fassung gegen Art. 3 Abs. 1 LV. Da die Mehrheit des Gerichts die Regelung für mit der Landesverfassung vereinbar hält, bedarf es vorliegend keiner Entscheidung, welche Rechtsfolge der Verstoß nach sich zöge.

23

Ebenso bedarf die in der mündlichen Verhandlung angesprochene Frage, ob der „Sitz für die nationale Minderheit“ dem SSW stets, also selbst dann zugeteilt werden sollte, wenn die Partei das für ein Mandat erforderliche Zweitstimmenergebnis nicht erreicht, hier keiner Entscheidung. Sie richtet sich in erster Linie an den Gesetzgeber.


(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

(2) Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.

(3) Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz.

(1) Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muß demokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben.

(2) Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.

(3) Parteien, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen. Wird der Ausschluss festgestellt, so entfällt auch eine steuerliche Begünstigung dieser Parteien und von Zuwendungen an diese Parteien.

(4) Über die Frage der Verfassungswidrigkeit nach Absatz 2 sowie über den Ausschluss von staatlicher Finanzierung nach Absatz 3 entscheidet das Bundesverfassungsgericht.

(5) Das Nähere regeln Bundesgesetze.

(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

(2) Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.

(3) Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz.

(1) Ein Mitglied des Bundestages erhält zur Abgeltung seiner durch das Mandat veranlaßten Aufwendungen eine Amtsausstattung als Aufwandsentschädigung. Die Amtsausstattung umfaßt Geld- und Sachleistungen.

(2) Ein Mitglied des Bundestages erhält eine monatliche Kostenpauschale für den Ausgleich insbesondere von

1.
Bürokosten zur Einrichtung und Unterhaltung von Wahlkreisbüros außerhalb des Sitzes des Deutschen Bundestages, einschließlich Miete und Nebenkosten, Inventar und Büromaterial, Literatur und Medien sowie Porto,
2.
Mehraufwendungen am Sitz des Bundestages und bei Reisen mit Ausnahme von Auslandsdienstreisen,
3.
Fahrtkosten für Fahrten in Ausübung des Mandats innerhalb der Bundesrepublik Deutschland unbeschadet der Regelungen in den §§ 16 und 17 und
4.
sonstigen Kosten für andere mandatsbedingte Kosten (Repräsentation, Einladungen, Wahlkreisbetreuung usw.), die auch sonst nicht aus dem der Lebensführung dienenden beruflichen Einkommen zu bestreiten sind.
Die Kostenpauschale wird zum 1. Januar eines jeden Jahres der Entwicklung der allgemeinen Lebenshaltungsausgaben aller privaten Haushalte im vorvergangenen Kalenderjahr angepaßt. Das Nähere über die Höhe der am tatsächlichen Aufwand orientierten pauschalierten Einzelansätze und die Anpassung regeln das Haushaltsgesetz und Ausführungsbestimmungen, die vom Ältestenrat zu erlassen sind.

(3) Ein Mitglied des Bundestages erhält Aufwendungen für die Beschäftigung von Mitarbeitern zur Unterstützung bei der Erledigung seiner parlamentarischen Arbeit gegen Nachweis ersetzt. Der Ersatzanspruch ist nicht auf ein anderes Mitglied des Bundestages übertragbar. Der Ersatz von Aufwendungen für Arbeitsverträge mit Mitarbeitern, die mit dem Mitglied des Bundestages verwandt, verheiratet oder verschwägert sind oder waren, ist grundsätzlich unzulässig. Entsprechendes gilt für den Ersatz von Aufwendungen für Arbeitsverträge mit Lebenspartnern oder früheren Lebenspartnern eines Mitglieds des Bundestages. Einzelheiten über den Umfang und die Voraussetzungen für den Ersatz von Aufwendungen, über nicht abdingbare Mindestvorschriften für den Arbeitsvertrag und sonstige Fragen regeln das Haushaltsgesetz und die vom Ältestenrat zu erlassenden Ausführungsbestimmungen. Die Abrechnung der Gehälter und anderen Aufwendungen für Mitarbeiter erfolgt durch die Verwaltung des Bundestages. Eine Haftung des Bundestages gegenüber Dritten ist ausgeschlossen. Die Mitarbeiter sind nicht Angehörige des öffentlichen Dienstes. Es bestehen keine arbeitsrechtlichen Beziehungen zwischen den Mitarbeitern und der Verwaltung des Bundestages.

(3a) Ausgeschlossen ist die Erstattung für Tätigkeiten der Mitarbeiter, die nicht der Unterstützung bei der Erledigung der parlamentarischen Arbeit dienen und deshalb nicht in der Arbeitszeit ausgeübt werden dürfen. Das Präsidium kann gegen ein Mitglied des Bundestages, das hiergegen verstößt, ein Ordnungsgeld bis zur Höhe der Hälfte der jährlichen Abgeordnetenentschädigung festsetzen. Der Präsident macht das Ordnungsgeld durch Verwaltungsakt geltend. § 31 bleibt unberührt. Das Nähere bestimmen die Verhaltensregeln des Elften Abschnitts.

(4) Zur Amtsausstattung gehören auch

1.
die Bereitstellung eines eingerichteten Büros am Sitz des Bundestages,
2.
die Benutzung von Verkehrsmitteln gemäß § 16,
3.
die Benutzung der Dienstfahrzeuge des Bundestages,
4.
die Bereitstellung und Nutzung des gemeinsamen Informations- und Kommunikationssystems des Bundestages und
5.
sonstige Leistungen des Bundestages.
Das Nähere regeln das Haushaltsgesetz und Ausführungsbestimmungen, die vom Ältestenrat zu erlassen sind.

(5) Der Präsident des Bundestages erhält eine monatliche Amtsaufwandsentschädigung von 1.023 Euro, seine Stellvertreter erhalten eine monatliche Amtsaufwandsentschädigung von 307 Euro.

(6) Ein Mitglied des Bundestages, dem ein Dienstwagen des Bundes zur ausschließlichen Verfügung steht, erhält eine um 25 vom Hundert verminderte Kostenpauschale.

(1) Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muß demokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben.

(2) Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.

(3) Parteien, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen. Wird der Ausschluss festgestellt, so entfällt auch eine steuerliche Begünstigung dieser Parteien und von Zuwendungen an diese Parteien.

(4) Über die Frage der Verfassungswidrigkeit nach Absatz 2 sowie über den Ausschluss von staatlicher Finanzierung nach Absatz 3 entscheidet das Bundesverfassungsgericht.

(5) Das Nähere regeln Bundesgesetze.

(1) Ein Mitglied des Bundestages erhält zur Abgeltung seiner durch das Mandat veranlaßten Aufwendungen eine Amtsausstattung als Aufwandsentschädigung. Die Amtsausstattung umfaßt Geld- und Sachleistungen.

(2) Ein Mitglied des Bundestages erhält eine monatliche Kostenpauschale für den Ausgleich insbesondere von

1.
Bürokosten zur Einrichtung und Unterhaltung von Wahlkreisbüros außerhalb des Sitzes des Deutschen Bundestages, einschließlich Miete und Nebenkosten, Inventar und Büromaterial, Literatur und Medien sowie Porto,
2.
Mehraufwendungen am Sitz des Bundestages und bei Reisen mit Ausnahme von Auslandsdienstreisen,
3.
Fahrtkosten für Fahrten in Ausübung des Mandats innerhalb der Bundesrepublik Deutschland unbeschadet der Regelungen in den §§ 16 und 17 und
4.
sonstigen Kosten für andere mandatsbedingte Kosten (Repräsentation, Einladungen, Wahlkreisbetreuung usw.), die auch sonst nicht aus dem der Lebensführung dienenden beruflichen Einkommen zu bestreiten sind.
Die Kostenpauschale wird zum 1. Januar eines jeden Jahres der Entwicklung der allgemeinen Lebenshaltungsausgaben aller privaten Haushalte im vorvergangenen Kalenderjahr angepaßt. Das Nähere über die Höhe der am tatsächlichen Aufwand orientierten pauschalierten Einzelansätze und die Anpassung regeln das Haushaltsgesetz und Ausführungsbestimmungen, die vom Ältestenrat zu erlassen sind.

(3) Ein Mitglied des Bundestages erhält Aufwendungen für die Beschäftigung von Mitarbeitern zur Unterstützung bei der Erledigung seiner parlamentarischen Arbeit gegen Nachweis ersetzt. Der Ersatzanspruch ist nicht auf ein anderes Mitglied des Bundestages übertragbar. Der Ersatz von Aufwendungen für Arbeitsverträge mit Mitarbeitern, die mit dem Mitglied des Bundestages verwandt, verheiratet oder verschwägert sind oder waren, ist grundsätzlich unzulässig. Entsprechendes gilt für den Ersatz von Aufwendungen für Arbeitsverträge mit Lebenspartnern oder früheren Lebenspartnern eines Mitglieds des Bundestages. Einzelheiten über den Umfang und die Voraussetzungen für den Ersatz von Aufwendungen, über nicht abdingbare Mindestvorschriften für den Arbeitsvertrag und sonstige Fragen regeln das Haushaltsgesetz und die vom Ältestenrat zu erlassenden Ausführungsbestimmungen. Die Abrechnung der Gehälter und anderen Aufwendungen für Mitarbeiter erfolgt durch die Verwaltung des Bundestages. Eine Haftung des Bundestages gegenüber Dritten ist ausgeschlossen. Die Mitarbeiter sind nicht Angehörige des öffentlichen Dienstes. Es bestehen keine arbeitsrechtlichen Beziehungen zwischen den Mitarbeitern und der Verwaltung des Bundestages.

(3a) Ausgeschlossen ist die Erstattung für Tätigkeiten der Mitarbeiter, die nicht der Unterstützung bei der Erledigung der parlamentarischen Arbeit dienen und deshalb nicht in der Arbeitszeit ausgeübt werden dürfen. Das Präsidium kann gegen ein Mitglied des Bundestages, das hiergegen verstößt, ein Ordnungsgeld bis zur Höhe der Hälfte der jährlichen Abgeordnetenentschädigung festsetzen. Der Präsident macht das Ordnungsgeld durch Verwaltungsakt geltend. § 31 bleibt unberührt. Das Nähere bestimmen die Verhaltensregeln des Elften Abschnitts.

(4) Zur Amtsausstattung gehören auch

1.
die Bereitstellung eines eingerichteten Büros am Sitz des Bundestages,
2.
die Benutzung von Verkehrsmitteln gemäß § 16,
3.
die Benutzung der Dienstfahrzeuge des Bundestages,
4.
die Bereitstellung und Nutzung des gemeinsamen Informations- und Kommunikationssystems des Bundestages und
5.
sonstige Leistungen des Bundestages.
Das Nähere regeln das Haushaltsgesetz und Ausführungsbestimmungen, die vom Ältestenrat zu erlassen sind.

(5) Der Präsident des Bundestages erhält eine monatliche Amtsaufwandsentschädigung von 1.023 Euro, seine Stellvertreter erhalten eine monatliche Amtsaufwandsentschädigung von 307 Euro.

(6) Ein Mitglied des Bundestages, dem ein Dienstwagen des Bundes zur ausschließlichen Verfügung steht, erhält eine um 25 vom Hundert verminderte Kostenpauschale.

Ein Mitglied des Bundestages, das im letzten Vierteljahr der Wahlperiode in den Bundestag eintritt, hat keinen Anspruch auf die Leistungen nach § 12 Abs. 2 und 3, wenn der Bundestag seine Tätigkeit bereits abgeschlossen hat.

(1) Ein Mitglied des Bundestages erhält zur Abgeltung seiner durch das Mandat veranlaßten Aufwendungen eine Amtsausstattung als Aufwandsentschädigung. Die Amtsausstattung umfaßt Geld- und Sachleistungen.

(2) Ein Mitglied des Bundestages erhält eine monatliche Kostenpauschale für den Ausgleich insbesondere von

1.
Bürokosten zur Einrichtung und Unterhaltung von Wahlkreisbüros außerhalb des Sitzes des Deutschen Bundestages, einschließlich Miete und Nebenkosten, Inventar und Büromaterial, Literatur und Medien sowie Porto,
2.
Mehraufwendungen am Sitz des Bundestages und bei Reisen mit Ausnahme von Auslandsdienstreisen,
3.
Fahrtkosten für Fahrten in Ausübung des Mandats innerhalb der Bundesrepublik Deutschland unbeschadet der Regelungen in den §§ 16 und 17 und
4.
sonstigen Kosten für andere mandatsbedingte Kosten (Repräsentation, Einladungen, Wahlkreisbetreuung usw.), die auch sonst nicht aus dem der Lebensführung dienenden beruflichen Einkommen zu bestreiten sind.
Die Kostenpauschale wird zum 1. Januar eines jeden Jahres der Entwicklung der allgemeinen Lebenshaltungsausgaben aller privaten Haushalte im vorvergangenen Kalenderjahr angepaßt. Das Nähere über die Höhe der am tatsächlichen Aufwand orientierten pauschalierten Einzelansätze und die Anpassung regeln das Haushaltsgesetz und Ausführungsbestimmungen, die vom Ältestenrat zu erlassen sind.

(3) Ein Mitglied des Bundestages erhält Aufwendungen für die Beschäftigung von Mitarbeitern zur Unterstützung bei der Erledigung seiner parlamentarischen Arbeit gegen Nachweis ersetzt. Der Ersatzanspruch ist nicht auf ein anderes Mitglied des Bundestages übertragbar. Der Ersatz von Aufwendungen für Arbeitsverträge mit Mitarbeitern, die mit dem Mitglied des Bundestages verwandt, verheiratet oder verschwägert sind oder waren, ist grundsätzlich unzulässig. Entsprechendes gilt für den Ersatz von Aufwendungen für Arbeitsverträge mit Lebenspartnern oder früheren Lebenspartnern eines Mitglieds des Bundestages. Einzelheiten über den Umfang und die Voraussetzungen für den Ersatz von Aufwendungen, über nicht abdingbare Mindestvorschriften für den Arbeitsvertrag und sonstige Fragen regeln das Haushaltsgesetz und die vom Ältestenrat zu erlassenden Ausführungsbestimmungen. Die Abrechnung der Gehälter und anderen Aufwendungen für Mitarbeiter erfolgt durch die Verwaltung des Bundestages. Eine Haftung des Bundestages gegenüber Dritten ist ausgeschlossen. Die Mitarbeiter sind nicht Angehörige des öffentlichen Dienstes. Es bestehen keine arbeitsrechtlichen Beziehungen zwischen den Mitarbeitern und der Verwaltung des Bundestages.

(3a) Ausgeschlossen ist die Erstattung für Tätigkeiten der Mitarbeiter, die nicht der Unterstützung bei der Erledigung der parlamentarischen Arbeit dienen und deshalb nicht in der Arbeitszeit ausgeübt werden dürfen. Das Präsidium kann gegen ein Mitglied des Bundestages, das hiergegen verstößt, ein Ordnungsgeld bis zur Höhe der Hälfte der jährlichen Abgeordnetenentschädigung festsetzen. Der Präsident macht das Ordnungsgeld durch Verwaltungsakt geltend. § 31 bleibt unberührt. Das Nähere bestimmen die Verhaltensregeln des Elften Abschnitts.

(4) Zur Amtsausstattung gehören auch

1.
die Bereitstellung eines eingerichteten Büros am Sitz des Bundestages,
2.
die Benutzung von Verkehrsmitteln gemäß § 16,
3.
die Benutzung der Dienstfahrzeuge des Bundestages,
4.
die Bereitstellung und Nutzung des gemeinsamen Informations- und Kommunikationssystems des Bundestages und
5.
sonstige Leistungen des Bundestages.
Das Nähere regeln das Haushaltsgesetz und Ausführungsbestimmungen, die vom Ältestenrat zu erlassen sind.

(5) Der Präsident des Bundestages erhält eine monatliche Amtsaufwandsentschädigung von 1.023 Euro, seine Stellvertreter erhalten eine monatliche Amtsaufwandsentschädigung von 307 Euro.

(6) Ein Mitglied des Bundestages, dem ein Dienstwagen des Bundes zur ausschließlichen Verfügung steht, erhält eine um 25 vom Hundert verminderte Kostenpauschale.

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Ein Mitglied des Bundestages erhält zur Abgeltung seiner durch das Mandat veranlaßten Aufwendungen eine Amtsausstattung als Aufwandsentschädigung. Die Amtsausstattung umfaßt Geld- und Sachleistungen.

(2) Ein Mitglied des Bundestages erhält eine monatliche Kostenpauschale für den Ausgleich insbesondere von

1.
Bürokosten zur Einrichtung und Unterhaltung von Wahlkreisbüros außerhalb des Sitzes des Deutschen Bundestages, einschließlich Miete und Nebenkosten, Inventar und Büromaterial, Literatur und Medien sowie Porto,
2.
Mehraufwendungen am Sitz des Bundestages und bei Reisen mit Ausnahme von Auslandsdienstreisen,
3.
Fahrtkosten für Fahrten in Ausübung des Mandats innerhalb der Bundesrepublik Deutschland unbeschadet der Regelungen in den §§ 16 und 17 und
4.
sonstigen Kosten für andere mandatsbedingte Kosten (Repräsentation, Einladungen, Wahlkreisbetreuung usw.), die auch sonst nicht aus dem der Lebensführung dienenden beruflichen Einkommen zu bestreiten sind.
Die Kostenpauschale wird zum 1. Januar eines jeden Jahres der Entwicklung der allgemeinen Lebenshaltungsausgaben aller privaten Haushalte im vorvergangenen Kalenderjahr angepaßt. Das Nähere über die Höhe der am tatsächlichen Aufwand orientierten pauschalierten Einzelansätze und die Anpassung regeln das Haushaltsgesetz und Ausführungsbestimmungen, die vom Ältestenrat zu erlassen sind.

(3) Ein Mitglied des Bundestages erhält Aufwendungen für die Beschäftigung von Mitarbeitern zur Unterstützung bei der Erledigung seiner parlamentarischen Arbeit gegen Nachweis ersetzt. Der Ersatzanspruch ist nicht auf ein anderes Mitglied des Bundestages übertragbar. Der Ersatz von Aufwendungen für Arbeitsverträge mit Mitarbeitern, die mit dem Mitglied des Bundestages verwandt, verheiratet oder verschwägert sind oder waren, ist grundsätzlich unzulässig. Entsprechendes gilt für den Ersatz von Aufwendungen für Arbeitsverträge mit Lebenspartnern oder früheren Lebenspartnern eines Mitglieds des Bundestages. Einzelheiten über den Umfang und die Voraussetzungen für den Ersatz von Aufwendungen, über nicht abdingbare Mindestvorschriften für den Arbeitsvertrag und sonstige Fragen regeln das Haushaltsgesetz und die vom Ältestenrat zu erlassenden Ausführungsbestimmungen. Die Abrechnung der Gehälter und anderen Aufwendungen für Mitarbeiter erfolgt durch die Verwaltung des Bundestages. Eine Haftung des Bundestages gegenüber Dritten ist ausgeschlossen. Die Mitarbeiter sind nicht Angehörige des öffentlichen Dienstes. Es bestehen keine arbeitsrechtlichen Beziehungen zwischen den Mitarbeitern und der Verwaltung des Bundestages.

(3a) Ausgeschlossen ist die Erstattung für Tätigkeiten der Mitarbeiter, die nicht der Unterstützung bei der Erledigung der parlamentarischen Arbeit dienen und deshalb nicht in der Arbeitszeit ausgeübt werden dürfen. Das Präsidium kann gegen ein Mitglied des Bundestages, das hiergegen verstößt, ein Ordnungsgeld bis zur Höhe der Hälfte der jährlichen Abgeordnetenentschädigung festsetzen. Der Präsident macht das Ordnungsgeld durch Verwaltungsakt geltend. § 31 bleibt unberührt. Das Nähere bestimmen die Verhaltensregeln des Elften Abschnitts.

(4) Zur Amtsausstattung gehören auch

1.
die Bereitstellung eines eingerichteten Büros am Sitz des Bundestages,
2.
die Benutzung von Verkehrsmitteln gemäß § 16,
3.
die Benutzung der Dienstfahrzeuge des Bundestages,
4.
die Bereitstellung und Nutzung des gemeinsamen Informations- und Kommunikationssystems des Bundestages und
5.
sonstige Leistungen des Bundestages.
Das Nähere regeln das Haushaltsgesetz und Ausführungsbestimmungen, die vom Ältestenrat zu erlassen sind.

(5) Der Präsident des Bundestages erhält eine monatliche Amtsaufwandsentschädigung von 1.023 Euro, seine Stellvertreter erhalten eine monatliche Amtsaufwandsentschädigung von 307 Euro.

(6) Ein Mitglied des Bundestages, dem ein Dienstwagen des Bundes zur ausschließlichen Verfügung steht, erhält eine um 25 vom Hundert verminderte Kostenpauschale.

Hat eine Partei Spenden unter Verstoß gegen § 25 Abs. 2 angenommen und nicht gemäß § 25 Abs. 4 an den Präsidenten des Deutschen Bundestages weitergeleitet, entsteht gegen sie ein Anspruch in Höhe des Dreifachen des rechtswidrig erlangten Betrages; bereits abgeführte Spenden werden angerechnet. Hat eine Partei Spenden nicht den Vorschriften dieses Gesetzes entsprechend im Rechenschaftsbericht veröffentlicht (§ 25 Abs. 3), entsteht gegen sie ein Anspruch in Höhe des Zweifachen des nicht den Vorschriften dieses Gesetzes entsprechend veröffentlichten Betrages. Der Präsident stellt die Verpflichtung der Partei zur Zahlung des Betrages durch Verwaltungsakt fest. § 31a Abs. 2 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

Der Ältestenrat erlässt Ausführungsbestimmungen über Inhalt und Umfang der im Zehnten und Elften Abschnitt vorgesehenen Pflichten.

(1) Ein Mitglied des Bundestages erhält zur Abgeltung seiner durch das Mandat veranlaßten Aufwendungen eine Amtsausstattung als Aufwandsentschädigung. Die Amtsausstattung umfaßt Geld- und Sachleistungen.

(2) Ein Mitglied des Bundestages erhält eine monatliche Kostenpauschale für den Ausgleich insbesondere von

1.
Bürokosten zur Einrichtung und Unterhaltung von Wahlkreisbüros außerhalb des Sitzes des Deutschen Bundestages, einschließlich Miete und Nebenkosten, Inventar und Büromaterial, Literatur und Medien sowie Porto,
2.
Mehraufwendungen am Sitz des Bundestages und bei Reisen mit Ausnahme von Auslandsdienstreisen,
3.
Fahrtkosten für Fahrten in Ausübung des Mandats innerhalb der Bundesrepublik Deutschland unbeschadet der Regelungen in den §§ 16 und 17 und
4.
sonstigen Kosten für andere mandatsbedingte Kosten (Repräsentation, Einladungen, Wahlkreisbetreuung usw.), die auch sonst nicht aus dem der Lebensführung dienenden beruflichen Einkommen zu bestreiten sind.
Die Kostenpauschale wird zum 1. Januar eines jeden Jahres der Entwicklung der allgemeinen Lebenshaltungsausgaben aller privaten Haushalte im vorvergangenen Kalenderjahr angepaßt. Das Nähere über die Höhe der am tatsächlichen Aufwand orientierten pauschalierten Einzelansätze und die Anpassung regeln das Haushaltsgesetz und Ausführungsbestimmungen, die vom Ältestenrat zu erlassen sind.

(3) Ein Mitglied des Bundestages erhält Aufwendungen für die Beschäftigung von Mitarbeitern zur Unterstützung bei der Erledigung seiner parlamentarischen Arbeit gegen Nachweis ersetzt. Der Ersatzanspruch ist nicht auf ein anderes Mitglied des Bundestages übertragbar. Der Ersatz von Aufwendungen für Arbeitsverträge mit Mitarbeitern, die mit dem Mitglied des Bundestages verwandt, verheiratet oder verschwägert sind oder waren, ist grundsätzlich unzulässig. Entsprechendes gilt für den Ersatz von Aufwendungen für Arbeitsverträge mit Lebenspartnern oder früheren Lebenspartnern eines Mitglieds des Bundestages. Einzelheiten über den Umfang und die Voraussetzungen für den Ersatz von Aufwendungen, über nicht abdingbare Mindestvorschriften für den Arbeitsvertrag und sonstige Fragen regeln das Haushaltsgesetz und die vom Ältestenrat zu erlassenden Ausführungsbestimmungen. Die Abrechnung der Gehälter und anderen Aufwendungen für Mitarbeiter erfolgt durch die Verwaltung des Bundestages. Eine Haftung des Bundestages gegenüber Dritten ist ausgeschlossen. Die Mitarbeiter sind nicht Angehörige des öffentlichen Dienstes. Es bestehen keine arbeitsrechtlichen Beziehungen zwischen den Mitarbeitern und der Verwaltung des Bundestages.

(3a) Ausgeschlossen ist die Erstattung für Tätigkeiten der Mitarbeiter, die nicht der Unterstützung bei der Erledigung der parlamentarischen Arbeit dienen und deshalb nicht in der Arbeitszeit ausgeübt werden dürfen. Das Präsidium kann gegen ein Mitglied des Bundestages, das hiergegen verstößt, ein Ordnungsgeld bis zur Höhe der Hälfte der jährlichen Abgeordnetenentschädigung festsetzen. Der Präsident macht das Ordnungsgeld durch Verwaltungsakt geltend. § 31 bleibt unberührt. Das Nähere bestimmen die Verhaltensregeln des Elften Abschnitts.

(4) Zur Amtsausstattung gehören auch

1.
die Bereitstellung eines eingerichteten Büros am Sitz des Bundestages,
2.
die Benutzung von Verkehrsmitteln gemäß § 16,
3.
die Benutzung der Dienstfahrzeuge des Bundestages,
4.
die Bereitstellung und Nutzung des gemeinsamen Informations- und Kommunikationssystems des Bundestages und
5.
sonstige Leistungen des Bundestages.
Das Nähere regeln das Haushaltsgesetz und Ausführungsbestimmungen, die vom Ältestenrat zu erlassen sind.

(5) Der Präsident des Bundestages erhält eine monatliche Amtsaufwandsentschädigung von 1.023 Euro, seine Stellvertreter erhalten eine monatliche Amtsaufwandsentschädigung von 307 Euro.

(6) Ein Mitglied des Bundestages, dem ein Dienstwagen des Bundes zur ausschließlichen Verfügung steht, erhält eine um 25 vom Hundert verminderte Kostenpauschale.

(1) Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muß demokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben.

(2) Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.

(3) Parteien, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen. Wird der Ausschluss festgestellt, so entfällt auch eine steuerliche Begünstigung dieser Parteien und von Zuwendungen an diese Parteien.

(4) Über die Frage der Verfassungswidrigkeit nach Absatz 2 sowie über den Ausschluss von staatlicher Finanzierung nach Absatz 3 entscheidet das Bundesverfassungsgericht.

(5) Das Nähere regeln Bundesgesetze.

(1) Ein Mitglied des Bundestages erhält zur Abgeltung seiner durch das Mandat veranlaßten Aufwendungen eine Amtsausstattung als Aufwandsentschädigung. Die Amtsausstattung umfaßt Geld- und Sachleistungen.

(2) Ein Mitglied des Bundestages erhält eine monatliche Kostenpauschale für den Ausgleich insbesondere von

1.
Bürokosten zur Einrichtung und Unterhaltung von Wahlkreisbüros außerhalb des Sitzes des Deutschen Bundestages, einschließlich Miete und Nebenkosten, Inventar und Büromaterial, Literatur und Medien sowie Porto,
2.
Mehraufwendungen am Sitz des Bundestages und bei Reisen mit Ausnahme von Auslandsdienstreisen,
3.
Fahrtkosten für Fahrten in Ausübung des Mandats innerhalb der Bundesrepublik Deutschland unbeschadet der Regelungen in den §§ 16 und 17 und
4.
sonstigen Kosten für andere mandatsbedingte Kosten (Repräsentation, Einladungen, Wahlkreisbetreuung usw.), die auch sonst nicht aus dem der Lebensführung dienenden beruflichen Einkommen zu bestreiten sind.
Die Kostenpauschale wird zum 1. Januar eines jeden Jahres der Entwicklung der allgemeinen Lebenshaltungsausgaben aller privaten Haushalte im vorvergangenen Kalenderjahr angepaßt. Das Nähere über die Höhe der am tatsächlichen Aufwand orientierten pauschalierten Einzelansätze und die Anpassung regeln das Haushaltsgesetz und Ausführungsbestimmungen, die vom Ältestenrat zu erlassen sind.

(3) Ein Mitglied des Bundestages erhält Aufwendungen für die Beschäftigung von Mitarbeitern zur Unterstützung bei der Erledigung seiner parlamentarischen Arbeit gegen Nachweis ersetzt. Der Ersatzanspruch ist nicht auf ein anderes Mitglied des Bundestages übertragbar. Der Ersatz von Aufwendungen für Arbeitsverträge mit Mitarbeitern, die mit dem Mitglied des Bundestages verwandt, verheiratet oder verschwägert sind oder waren, ist grundsätzlich unzulässig. Entsprechendes gilt für den Ersatz von Aufwendungen für Arbeitsverträge mit Lebenspartnern oder früheren Lebenspartnern eines Mitglieds des Bundestages. Einzelheiten über den Umfang und die Voraussetzungen für den Ersatz von Aufwendungen, über nicht abdingbare Mindestvorschriften für den Arbeitsvertrag und sonstige Fragen regeln das Haushaltsgesetz und die vom Ältestenrat zu erlassenden Ausführungsbestimmungen. Die Abrechnung der Gehälter und anderen Aufwendungen für Mitarbeiter erfolgt durch die Verwaltung des Bundestages. Eine Haftung des Bundestages gegenüber Dritten ist ausgeschlossen. Die Mitarbeiter sind nicht Angehörige des öffentlichen Dienstes. Es bestehen keine arbeitsrechtlichen Beziehungen zwischen den Mitarbeitern und der Verwaltung des Bundestages.

(3a) Ausgeschlossen ist die Erstattung für Tätigkeiten der Mitarbeiter, die nicht der Unterstützung bei der Erledigung der parlamentarischen Arbeit dienen und deshalb nicht in der Arbeitszeit ausgeübt werden dürfen. Das Präsidium kann gegen ein Mitglied des Bundestages, das hiergegen verstößt, ein Ordnungsgeld bis zur Höhe der Hälfte der jährlichen Abgeordnetenentschädigung festsetzen. Der Präsident macht das Ordnungsgeld durch Verwaltungsakt geltend. § 31 bleibt unberührt. Das Nähere bestimmen die Verhaltensregeln des Elften Abschnitts.

(4) Zur Amtsausstattung gehören auch

1.
die Bereitstellung eines eingerichteten Büros am Sitz des Bundestages,
2.
die Benutzung von Verkehrsmitteln gemäß § 16,
3.
die Benutzung der Dienstfahrzeuge des Bundestages,
4.
die Bereitstellung und Nutzung des gemeinsamen Informations- und Kommunikationssystems des Bundestages und
5.
sonstige Leistungen des Bundestages.
Das Nähere regeln das Haushaltsgesetz und Ausführungsbestimmungen, die vom Ältestenrat zu erlassen sind.

(5) Der Präsident des Bundestages erhält eine monatliche Amtsaufwandsentschädigung von 1.023 Euro, seine Stellvertreter erhalten eine monatliche Amtsaufwandsentschädigung von 307 Euro.

(6) Ein Mitglied des Bundestages, dem ein Dienstwagen des Bundes zur ausschließlichen Verfügung steht, erhält eine um 25 vom Hundert verminderte Kostenpauschale.

(1) Die Beschwerde gegen den Beschluß des Bundestages über die Gültigkeit einer Wahl, die Verletzung von Rechten bei der Vorbereitung oder Durchführung der Wahl, soweit sie der Wahlprüfung nach Artikel 41 des Grundgesetzes unterliegen, oder den Verlust der Mitgliedschaft im Bundestag kann der Abgeordnete, dessen Mitgliedschaft bestritten ist, eine wahlberechtigte Person oder eine Gruppe von wahlberechtigten Personen, deren Einspruch vom Bundestag verworfen worden ist, eine Fraktion oder eine Minderheit des Bundestages, die wenigstens ein Zehntel der gesetzlichen Mitgliederzahl umfaßt, binnen einer Frist von zwei Monaten seit der Beschlußfassung des Bundestages beim Bundesverfassungsgericht erheben; die Beschwerde ist innerhalb dieser Frist zu begründen.

(2) Das Bundesverfassungsgericht kann von einer mündlichen Verhandlung absehen, wenn von ihr keine weitere Förderung des Verfahrens zu erwarten ist.

(3) Erweist sich bei Prüfung der Beschwerde einer wahlberechtigten Person oder einer Gruppe von wahlberechtigten Personen, dass deren Rechte verletzt wurden, stellt das Bundesverfassungsgericht diese Verletzung fest, wenn es nicht die Wahl für ungültig erklärt.

(1) Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muß demokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben.

(2) Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.

(3) Parteien, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen. Wird der Ausschluss festgestellt, so entfällt auch eine steuerliche Begünstigung dieser Parteien und von Zuwendungen an diese Parteien.

(4) Über die Frage der Verfassungswidrigkeit nach Absatz 2 sowie über den Ausschluss von staatlicher Finanzierung nach Absatz 3 entscheidet das Bundesverfassungsgericht.

(5) Das Nähere regeln Bundesgesetze.