Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 16. Februar 2012 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe des dem Kläger ab September 2005 bewilligten Arbeitslosengelds (Alg).

2

Der Kläger war in der Zeit vom 2.9.2002 bis 15.7.2005 Auszubildender in einem Betrieb und erhielt eine Ausbildungsvergütung. Anschließend war er befristet bis zum 31.8.2005 als Facharbeiter im selben Betrieb beschäftigt. Am 26.8.2005 meldete er sich zum 1.9.2005 arbeitslos. Bis zu seinem Ausscheiden aus dem Betrieb hatte der Arbeitgeber die Ausbildungsvergütung und den Lohn für die befristete Beschäftigung bis einschließlich Juli 2005 abgerechnet. Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 6.9.2005 Alg in Höhe von 8,53 Euro täglich. Dabei legte sie als Bemessungsentgelt das vom Arbeitgeber bescheinigte Arbeitsentgelt von September 2004 bis Juli 2005 zugrunde.

3

Am 7.9.2005 rechnete der Arbeitgeber den Lohn für August 2005 ab. Der Kläger hat mit Widerspruch und Klage erfolglos begehrt, auch dieses Arbeitsentgelt zu berücksichtigen (Widerspruchsbescheid vom 17.10.2005; Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 21.8.2008).

4

Im Berufungsverfahren hat der Kläger nach einem rechtlichen Hinweis des Gerichts die Klage dahin erweitert, dass eine fiktive Bemessung des Alg nach dem in seinem Beruf als Facharbeiter erzielbaren Arbeitsentgelt vorzunehmen sei.

5

Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen und die weitergehende Klage abgewiesen (Urteil vom 16.2.2012). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die angegriffene Bewilligung entspreche dem seit dem 1.1.2005 geltenden Bemessungsrecht. Insbesondere sei die Beklagte zutreffend von einem Bemessungsrahmen vom 1.9.2004 bis zum 31.8.2005 ausgegangen und habe die abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume von September 2004 bis Juli 2005 zugrunde gelegt. Zum einen sei das Arbeitsentgelt für August 2005 nicht zu berücksichtigen; zum anderen sei die seit 1.9.2004 erzielte Ausbildungsvergütung als beitragspflichtiges Arbeitsentgelt im Sinne des Bemessungsrechts einzubeziehen. Deswegen fehle es an einer rechtlichen Handhabe für eine fiktive Bemessung nach § 132 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III). Das dem Kläger günstigere Vorgängerrecht (§ 134 Abs 2 Nr 2 SGB III alter Fassung) sei auf den am 1.9.2005 eingetretenen Leistungsfall nicht mehr anwendbar, ohne dass dadurch eine verfassungsrechtlich geschützte Position des Klägers verletzt werde. Es stelle zwar eine Härte dar, dass er schlechter gestellt werde als in außerbetrieblichen Einrichtungen ausgebildete Personen, bei denen eine fiktive Bemessung durchgeführt werde. Eine analoge Anwendung des § 132 SGB III zugunsten des Klägers sei jedoch nicht möglich. Die unterschiedliche Bemessung bei einer betrieblichen und einer außerbetrieblichen Ausbildung sei auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

6

Mit der (vom LSG zugelassenen) Revision verfolgt der Kläger in erster Linie das Ziel einer fiktiven Bemessung weiter; hilfsweise begehrt er die Berücksichtigung des Lohns für August 2005. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Der Anspruch auf Berechnung des Alg nach einem fiktiven Bemessungsentgelt gemäß § 132 Abs 2 S 2 Nr 3 SGB III bestehe, weil er im Bemessungsrahmen an weniger als 150 Tagen Arbeitsentgelt erzielt habe. Denn die bezogene Ausbildungsvergütung sei begrifflich kein "Arbeitsentgelt". Zumindest sei § 132 SGB III analog anzuwenden, weil ab 1.1.2005 eine unbewusste Regelungslücke entstanden sei. Denn der Gesetzgeber habe eine dem § 134 Abs 2 Nr 2 SGB III in der bis 31.12.2004 geltenden Fassung (aF) entsprechende Sonderregelung für Berufsanfänger vergessen. Die frühere Regelung sei auch aus Gründen des Vertrauensschutzes heranzuziehen. Ihr Wegfall ohne Übergangsregelung stelle eine unechte Rückwirkung dar, die unbillig in eine geschützte Position des Klägers eingreife, weil seine Ausbildung zur Zeit der Verkündung der Gesetzesänderung fast beendet gewesen sei und er bereits bis 31.12.2004 Anwartschaften auf Alg erworben habe. Ferner sei die Anwendung des § 132 SGB III verfassungsrechtlich geboten, weil die unterschiedliche Behandlung von Auszubildenden in Betrieben und Auszubildenden in außerbetrieblichen Einrichtungen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße. Wenigstens aber sei das Arbeitsentgelt für August 2005 in die Bemessung einzubeziehen, weil darauf beim Ausscheiden bereits ein Anspruch bestanden habe. Nach den Umständen des Falls sei die Abrechnung durch den Arbeitgeber zudem unwesentlich gewesen, weil der monatliche Lohn immer standardmäßig abzurechnen gewesen sei. Auch hätte die Berücksichtigung des am 7.9.2005 abgerechneten Lohns die Auszahlung des Alg nicht wesentlich verzögert.

7

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 16.2.2012 und das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 21.8.2008 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 6.9.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.10.2005 zu verurteilen, dem Kläger ab 1.9.2005 höheres Arbeitslosengeld nach einem fiktiven Arbeitsentgelt der Qualifikationsgruppe 3 (§ 132 Abs 2 S 2 Nr 3 SGB III) zu gewähren,
hilfsweise,
dem Bemessungsentgelt für die Zeit vom 1.9.2004 bis 15.7.2005 nach § 134 SGB III (alter Fassung) die Hälfte des tariflichen Arbeitsentgelts einer Fachkraft für Lebensmitteltechnik zugrunde zu legen,
äußerst hilfsweise,
bei der Berechnung des Bemessungsentgelts das für August 2005 erzielte Arbeitsentgelt zu berücksichtigen.

8

Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.

9

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 Sozialgerichtsgesetz). Dem Kläger steht höheres als das von der Beklagten bewilligte Alg nicht zu.

11

1. Der Kläger hat ab 1.9.2005 dem Grunde nach Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit. Er war nach den den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) nach Ende der bis 31.8.2005 befristeten Tätigkeit arbeitslos, hatte sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt (§ 118 Abs 1, § 119 SGB III, jeweils idF des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003, BGBl I 2848, § 25 Abs 1 S 1 SGB III).

12

2. Die Höhe des dem Kläger zustehenden Alg richtet sich - wie das LSG im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt hat - nach § 129 SGB III - idF des Gesetzes vom 16.2.2001, BGBl I 266 - sowie nach §§ 130 ff SGB III, die durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003, BGBl I 2848, mit Wirkung ab 1.1.2005 neu gefasst worden sind. Dagegen sind die §§ 130 ff SGB III aF nicht mehr anzuwenden(vgl zum Fehlen einer Übergangsregelung: BSGE 105, 94 = SozR 4-4300 § 132 Nr 4, jeweils RdNr 12). Nach § 129 Nr 2 SGB III beträgt das Alg für Arbeitslose, für die keine Kinder zu berücksichtigen sind, 60 vH des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Der Bemessungszeitraum umfasst die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen (§ 130 Abs 1 S 1 SGB III). Der Bemessungsrahmen umfasst regelmäßig ein Jahr; er endet mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs (§ 130 Abs 1 S 2 SGB III). Die Ermittlung des Leistungsentgelts mittels pauschalierter Abzüge vom Bemessungsentgelt erfolgt nach näherer Maßgabe des § 133 SGB III(idF des Gesetzes vom 23.12.2003 aaO bzw des Gesetzes vom 19.11.2004, BGBl I 2902). Diesen gesetzlichen Vorgaben entspricht die Alg-Bemessung der Beklagten.

13

a) Das mit dem Hauptantrag des Klägers verfolgte Ziel, die Beklagte zu verurteilen, höheres Alg nach einem fiktiven Arbeitsentgelt der Qualifikationsgruppe 3 (§ 132 Abs 2 S 2 Nr 3 SGB III) zu gewähren, findet im Gesetz keine Grundlage.

14

Nach § 132 Abs 1 SGB III in der hier anzuwendenden Fassung ist als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen, wenn ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmens nicht festgestellt werden kann. Diese Voraussetzungen sind beim Kläger, der während seiner Ausbildung in der Zeit von September 2002 bis Juli 2005 eine Ausbildungsvergütung erhalten hat, nicht erfüllt.

15

Entgegen seiner zur Begründung des Hauptantrags geäußerten Auffassung hat der Kläger mit der Ausbildungsvergütung Arbeitsentgelt erzielt. Die Auszubildenden zu gewährende Vergütung ist im sozialversicherungsrechtlichen Sinn Arbeitsentgelt (vgl Lakies/Malottke, Berufsbildungsgesetz , 4. Aufl 2011, § 17 RdNr 4; Voelzke in Küttner, Personalbuch 2012, Stichwort Ausbildungsverhältnis <74> RdNr 92; Rolfs in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 30 RdNr 30; derselbe in Gagel, SGB III, Stand Oktober 2012, § 152 RdNr 10; Brand, SGB III, 6. Aufl 2012, § 151 RdNr 6; Seewald in Kasseler Kommentar, SGB IV, Stand August 2008, § 14 RdNr 84; Benner/Niermann, BB Beilage 2008, Nr 002, S 7, Stichwort "Ausbildungsvergütungen"; vgl auch Klattenhoff in Hauck/Noftz, SGB IV, Stand XII/05, § 14 RdNr 10). Denn nach § 14 Abs 1 S 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) sind "Arbeitsentgelt" alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. "Beschäftigung" ist nach § 7 SGB IV nicht nur die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis(Abs 1 S 1), sondern auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung (Abs 2).

16

Mithin handelt es sich bei der Ausbildungsvergütung einer zur betrieblichen Berufsausbildung beschäftigten Person begrifflich um "Arbeitsentgelt" (vgl auch Senatsbeschluss vom 21.4.1993 - 11 BAr 143/92 - Juris, RdNr 6; BSG SozR 3-4100 § 112 Nr 28 zur grundsätzlichen Identität des beitragsrechtlichen und des leistungsrechtlichen Arbeitsentgeltbegriffs). Aus diesem Grunde ist der vom 7. Senat des Bundessozialgerichts im Urteil vom 18.5.2010 (B 7 AL 49/08 R - SozR 4-4300 § 122 Nr 8 RdNr 20 aE)in einem obiter dictum geäußerten Erwägung nicht zu folgen, bei Vergütungen im Rahmen einer betrieblichen Ausbildung könne ggf der Arbeitsentgeltcharakter im Sinne des Bemessungsrechts verneint werden.

17

b) Die Beklagte hat somit zu Recht der Alg-Bemessung das vom Kläger während seiner betrieblichen Ausbildung erzielte Arbeitsentgelt zugrunde gelegt. Dieses Arbeitsentgelt hat der Kläger im - oben zu 2. definierten - Bemessungszeitraum erzielt. Als Bemessungsrahmen hat die Beklagte zutreffend die Zeit vom 1.9.2004 bis 31.8.2005 ermittelt, weil der Kläger in der betrieblichen Ausbildung versicherungspflichtig war und das anschließende - letzte - Versicherungspflichtverhältnis vor der Entstehung des Anspruchs bis zum 31.8.2005 bestanden hat (§ 25 Abs 1 S 1 SGB III, § 130 Abs 1 S 2 SGB III). Ebenfalls zutreffend ist die Beklagte davon ausgegangen, dass sich Bemessungsrahmen und Bemessungszeitraum vorliegend zeitlich nicht decken. Zwar liegt auch die nach dem 15.7.2005 ausgeübte Beschäftigung vollständig im Bemessungsrahmen. Der Entgeltabrechnungszeitraum vom 1.8.2005 bis 31.8.2005 gehört aber gleichwohl nicht zum Bemessungszeitraum, weil die Abrechnung des Lohns für August 2005 nach den bindenden Feststellungen des LSG erst am 7.9.2005 erfolgte (vgl Senatsurteile vom 29.6.2000 - B 11 AL 89/99 R - SozR 3-4100 § 136 Nr 12; vom 8.7.2009 - B 11 AL 14/08 R - SozR 4-4300 § 130 Nr 6 RdNr 22 ff).

18

Zu berücksichtigen ist also nur das bis 31.7.2005 erzielte abgerechnete Entgelt. Bemessungsentgelt ist nach § 131 Abs 1 S 1 SGB III das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat. Dieses hat die Beklagte anhand der Entgeltnachweise zutreffend ermittelt.

19

c) Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass der Kläger mit seinem zweiten Hilfsantrag, der auf Berücksichtigung des für August 2005 erzielten Arbeitsentgelt gerichtet ist, keinen Erfolg haben kann. Soweit der Kläger vorträgt, er habe beim Ausscheiden aus dem letzten versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis bereits einen Anspruch auf das Arbeitsentgelt für August 2005 erworben, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Nach § 131 Abs 1 S 2 SGB III gelten zwar Arbeitsentgelte, auf die der Arbeitslose beim Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis Anspruch hatte, als erzielt, wenn sie (ua) zugeflossen sind. Das betrifft aber allein die Frage, welches Arbeitsentgelt im Bemessungszeitraum "erzielt" worden ist, und modifiziert nicht die den Bemessungszeitraum selbst betreffenden Tatbestandsmerkmale des § 130 Abs 1 S 1 SGB III(Senatsurteil vom 8.7.2009 - B 11 AL 14/08 R - SozR 4-4300 § 130 Nr 6 RdNr 26).

20

Die Berücksichtigung nur abgerechneter Entgeltabrechnungszeiträume gemäß § 130 Abs 1 S 1 SGB III ist auch sachgerecht. Zweck der Regelung ist es, unter Inkaufnahme vereinfachter Maßstäbe bei der Leistungsberechnung eine schnelle Feststellung und Auszahlung des Alg zu ermöglichen. Dabei ist hinzunehmen, dass die Teile des Arbeitseinkommens unberücksichtigt bleiben, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgerechnet sind (vgl ua BSG SozR 3-4100 § 112 Nr 10 und BSGE 76, 162 = SozR 3-4100 § 112 Nr 22, jeweils mwN). Der Gesetzgeber ist bei der Ordnung von Massenerscheinungen wie der Bemessung des Alg grundsätzlich zu typisierenden, generalisierenden und pauschalierenden Regelungen berechtigt und darf dabei auch die Praktikabilität und Einfachheit des Rechts als hochrangige Ziele berücksichtigen, um den Erfordernissen einer Massenverwaltung Rechnung zu tragen (vgl ua Senatsurteil vom 29.5.2008 - B 11a AL 23/07 R - BSGE 100, 295 = SozR 4-4300 § 132 Nr 1 mwN).

21

Entgegen der Auffassung des Klägers ist eine Abrechnung durch den Arbeitgeber im vorliegenden Fall auch nicht deshalb entbehrlich, weil "der monatliche Lohn immer standardmäßig" abzurechnen gewesen sei. Das trifft bereits deshalb nicht zu, weil August 2005 der einzige volle Kalendermonat war, den das auf die Zeit vom 18.7. bis 31.8.2005 befristete Arbeitsverhältnis überhaupt umfasste. Überdies war - wie das LSG zutreffend dargelegt hat - kein Monatslohn vereinbart, sondern eine Stundenlohnvergütung bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden, zu der noch Mehr- und Überstundenarbeit im gesetzlich zulässigen Umfang hinzukommen konnte. Da das erzielbare Arbeitsentgelt damit von der Anzahl der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden abhing, fehlte es auch aus diesem Grund an der Feststellbarkeit des Arbeitseinkommens anhand des vorgelegten Arbeitsvertrags.

22

d) Auch die mit dem ersten Hilfsantrag begehrte fiktive Bemessung von Arbeitsentgelt auf der Grundlage des Ende 2004 außer Kraft getretenen Rechts kann der Kläger nicht erreichen; eine solche lässt das seit 1.1.2005 geltende Recht nicht (mehr) zu (vgl oben 2a). Für eine analoge Anwendung des § 134 SGB III aF fehlt es bereits an einer ausfüllungsbedürftigen Gesetzeslücke.

23

aa) Zwar bestimmte § 134 Abs 2 Nr 2 SGB III aF, dass für Zeiten einer Beschäftigung zur Berufsausbildung, wenn der Arbeitslose die Abschlussprüfung bestanden hat, dieHälfte des tariflichen Arbeitsentgelts derjenigen Beschäftigung, auf die das Arbeitsamt die Vermittlungsbemühungen in erster Linie zu erstrecken hat, mindestens das Arbeitsentgelt der Beschäftigung zur Berufsausbildung als Entgelt zugrunde zu legen ist. Daraus kann der Kläger aber keinen Anspruch auf eine höhere Leistung herleiten. Das LSG hat insoweit zutreffend ausgeführt, dass § 134 Abs 2 Nr 2 SGB III aF mit dem Inkrafttreten des Bemessungsrechts idF des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt am 1.1.2005 und damit vor dem Entstehen des Leistungsanspruchs des Klägers ersatzlos weggefallen ist.

24

Zur Bemessung des Alg bei Arbeitslosen, die während einer außerbetrieblichen Ausbildung kein "Arbeitsentgelt" erzielt haben, hat der Senat bereits entschieden, dass das Fehlen einer Sonderregelung für diesen Personenkreis nicht den Schluss auf eine planwidrige Regelungslücke zulässt (Urteil vom 3.12.2009 - B 11 AL 42/08 R - BSGE 105, 94 = SozR 4-4300 § 132 Nr 4 RdNr 16 ff). Daran ist auch im Hinblick auf die ersatzlose Abschaffung der Sonderregelung des § 134 Abs 2 Nr 2 SGB III aF für die Bemessung nach dem Abschluss einer vergüteten betrieblichen Ausbildung festzuhalten. Denn es gibt keine tragfähigen Anhaltspunkte dafür, dass es zum Regelungskonzept des Gesetzgebers im Dritten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt gehört hätte, den bisherigen Rechtszustand beizubehalten oder in vergleichbarer Weise fortzuschreiben.

25

Ziel der Reform des Bemessungsrechts ab 1.1.2005 war es ua, die Vielfalt und Komplexität der bisherigen Regelungen zurückzuführen und im Interesse der Verwaltungsvereinfachung detaillierte Einzelfallregelungen durch ein größeres Maß an Pauschalierung zu ersetzen und Ausnahmeregelungen zu beschränken (BT-Drucks 15/1515 S 85, zu Nr 71; Senatsurteil vom 3.12.2009 - B 11 AL 42/08 R - BSGE 105, 94 = SozR 4-4300 § 132 Nr 4, RdNr 18). Eine durchgreifende Vereinfachung des Leistungsrechts war erforderlich, weil ihr zentrale Bedeutung vor allem für eine bessere und schnellere Vermittlung zukam. Der Gesetzgeber versprach sich dadurch die Freisetzung großer Personalkapazitäten bei der Beklagten, die dann zur Verstärkung der Vermittlung und Eingliederung von Arbeitslosen zur Verfügung stünden (vgl Senatsurteil vom 29.5.2008 - B 11a AL 23/07 R - BSGE 100, 295 = SozR 4-4300 § 132 Nr 1, RdNr 51). Diese Zielsetzungen sprechen dagegen, dass es sich bei dem Wegfall der Sonderregelung zur Bemessung des Alg für betrieblich ausgebildete Berufsanfänger um ein Versehen des Gesetzgebers handeln könnte, zumal er bestimmte andere Sonderregelungen beibehalten hat, was auf eine bewusste Auswahl schließen lässt (vgl Senatsurteil vom 3.12.2009 - B 11 AL 42/08 R - BSGE 105, 94 = SozR 4-4300 § 132 Nr 4, RdNr 18 bis 20).

26

bb) Der Kläger kann eine fiktive Bemessung auch nicht mit der Begründung verlangen, der Wegfall des § 134 Abs 2 Nr 2 SGB III aF ab 1.1.2005 habe zu einer aus Gründen des Vertrauensschutzes unzulässigen unechten Rückwirkung geführt. Eine unechte Rückwirkung ist gegeben, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich eine betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet (stRspr, zB BVerfGE 128, 90 = SozR 4-1100 Art 14 Nr 23 mwN RdNr 47). Das kann zwar ua zutreffen, wenn eine Rechtsänderung Anwartschaften aus einem bestehenden Versicherungsverhältnis betrifft, die mangels Eintritt eines Versicherungsfalls noch nicht zum Entstehen eines Anspruchs geführt haben, und sich die Rechtsänderung nachteilig auf die Höhe der künftigen Leistung auswirken wird (vgl aus jüngster Zeit: Bundesverfassungsgericht , Beschluss vom 17.12.2012 - 1 BvR 488/10, 1 BvR 11 BvR 1047/10 - veröffentlicht in Juris, RdNr 27). Erforderlich ist allerdings eine bereits verfestigte Anspruchsposition, weil der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz nicht so weit geht, den Staatsbürger vor jeglicher Enttäuschung seiner Erwartung in die Dauerhaftigkeit der Rechtslage zu schützen. Die bloße Erwartung des Bürgers, er werde - den Fortbestand der jeweiligen Rechtslage vorausgesetzt - in einer bestimmten zukünftigen Sachlage leistungsberechtigt sein, ist mangels hinreichender Konkretisierung noch kein verfassungsrechtlich geschütztes Recht (BVerfG, Beschluss vom 7.12.2010 - 1 BvR 2628/07 - BVerfGE 128, 90 = SozR 4-1100 Art 14 Nr 23, Juris RdNr 43, 48 f). Eine über die bloße Erwartung hinausgehende verfestigte Rechtsposition nahm der Kläger jedoch nicht ein.

27

Abgesehen davon, dass in Anwartschaften von vornherein die Möglichkeit von Änderungen angelegt ist (BVerfG, Beschluss vom 17.12.2012 - 1 BvR 488/10, 1 BvR 11 BvR 1047/10 - Juris RdNr 30 mwN), hatte der Kläger bei Rechtsänderung noch nicht "die Ausbildung fast beendet". Denn das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt wurde bereits am 27.12.2003 im Bundesgesetzblatt verkündet. Deshalb konnte der Kläger schon rund eineinhalb Jahre vor Abschluss seiner Ausbildung im Juli 2005 keinen Fortbestand der Regelung in § 134 Abs 2 Nr 2 SGB III aF mehr erwarten, selbst wenn die Neufassung der §§ 130 bis 134 SGB III gemäß Art 134 Abs 3 des genannten Gesetzes im Wesentlichen erst am 1.1.2005 in Kraft getreten ist. Gerade das Hinausschieben des Wirksamwerdens des neuen Bemessungsrechts um rund ein Jahr seit der Gesetzesverkündung gab Betroffenen - ähnlich wie eine Übergangsfrist - auch Gelegenheit, sich auf die zu erwartenden Änderungen einzustellen.

28

cc) Dass das Alg des Klägers nach dem seit 1.1.2005 geltenden Bemessungsrecht nicht fiktiv zu bemessen ist, lässt auch sonst keinen Verstoß gegen höherrangiges Recht erkennen. Insbesondere ergeben sich keine durchgreifenden Bedenken daraus, dass bei Arbeitslosen, die in einer außerbetrieblichen Ausbildung kein Arbeitsentgelt erzielt haben, eine fiktive Bemessung vorzunehmen ist. Denn das führt nicht zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung des Personenkreises, dem der Kläger angehört (offen gelassen im Senatsurteil vom 3.12.2009 - B 11 AL 42/08 R - BSGE 105, 94 = SozR 4-4300 § 132 Nr 4, RdNr 23).

29

Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art 3 Abs 1 Grundgesetz verwehrt dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung, sondern verbietet ihm nur, eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten abweichend zu behandeln, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten. Wegen seines bereits erwähnten Gestaltungsspielraums bei der Ordnung von Massenerscheinungen, der das Recht zur Berücksichtigung der Verwaltungspraktikabilität einschließt, verstößt der Gesetzgeber nicht schon gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, wenn er sich für generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen entscheidet, die mit gewissen Härten verbunden sind und ggf nicht die denkbar zweckmäßigste oder gerechteste Lösung darstellen (stRspr, zB BVerfGE 84, 348, 359; BVerfGE 111, 115, 137 = SozR 4-8570 § 6 Nr 3; BVerfGE 117, 272, 300 f; Senatsurteil vom 29.5.2008 - B 11a AL 23/07 R - BSGE 100, 295 = SozR 4-4300 § 132 Nr 1, RdNr 38 f und 50).

30

Dass nach diesen Maßstäben die zum 1.1.2005 eingeführte fiktive Bemessung in den Fällen, in denen es an einem ausreichenden Bemessungszeitraum mit Anspruch auf Arbeitsentgelt innerhalb des Bemessungsrahmens fehlt, weder im allgemeinen noch in der Anwendung auf außerbetrieblich ausgebildete Arbeitslose gegen Verfassungsrecht verstößt, hat der Senat bereits entschieden (Urteil vom 3.12.2009 - B 11 AL 42/08 R - BSGE 105, 94 = SozR 4-4300 § 132 Nr 4, RdNr 22 f mwN). Dass die Bemessung bei betrieblich ausgebildeten Berufungsanfängern im Fall eines ausreichenden Bemessungszeitraums mit Anspruch auf Arbeitsentgelt anderen Regeln unterworfen ist, mag zwar im Einzelfall zu für diesen Personenkreis unbefriedigenden Bemessungsergebnissen führen, überschreitet aber noch nicht die Grenzen des Spielraums, der dem Gesetzgeber bei der Gestaltung des Leistungsrechts zuzugestehen ist. Denn beide Personengruppen weisen so erhebliche und für das Gestaltungskonzept des Gesetzgebers wesentliche Unterschiede auf, dass eine Gleichbehandlung nicht verfassungsrechtlich geboten ist. Ob bei der Ermittlung des Bemessungsentgelts an eine zuletzt ausgeübte entgeltliche Beschäftigung angeknüpft werden kann oder nicht, stellt einen zu einer Differenzierung berechtigenden Unterschied dar (vgl Senatsurteil vom 25.8.2011 - B 11 AL 13/10 R - SozR 4-4300 § 132 Nr 6 RdNr 21).

31

Anders als bei der Personengruppe, zu der der Kläger gehört, steht bei außerbetrieblich ausgebildeten Personen die für die Regelbemessung kennzeichnende Anknüpfung an den zuletzt auf Arbeitsentgelt gegründeten Lebensstandard nicht zur Verfügung. Denn sie üben weder eine bei der Regelbemessung vorausgesetzte Beschäftigung aus noch erhalten sie Arbeitsentgelt im Sinne des Bemessungsrechts (Senatsurteil vom 3.12.2009 - B 11 AL 42/08 R - aaO RdNr 14). Von der Beschäftigung zur betrieblichen Berufsausbildung unterscheidet sich die mit öffentlichen Mitteln geförderte Ausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen im Übrigen auch aus arbeitsrechtlicher Sicht erheblich. Denn auf die Angemessenheit der Vergütung werden gemäß § 10 Abs 1 S 1 BBiG in der bis 31.3.2005 geltenden Fassung bzw seit 1.4.2005 gemäß § 17 Abs 1 S 1 BBiG unterschiedliche Maßstäbe angelegt. Bei öffentlich geförderten Ausbildungen in außerbetrieblichen Einrichtungen kann die Ausbildungsvergütung sogar dann noch als angemessen angesehen werden, wenn sie deutlich unter der von der Rechtsprechung gezogenen Untergrenze für betriebliche Ausbildungen liegt. Die der Ausbildungsvergütung ua zukommenden Funktionen des Unterhaltsbeitrags und der “Entlohnung” dürfen bei einer öffentlich geförderten außerbetrieblichen Ausbildung zurücktreten. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz steht dem nicht entgegen, weil die Situation von Teilnehmern an Ausbildungen in außerbetrieblichen Einrichtungen nicht vergleichbar ist mit derjenigen von Auszubildenden in der betrieblichen Berufsbildung (zu allem: BAGE 125, 285 mwN, insbes RdNr 35 ff und 60 ff).

32

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundessozialgericht Urteil, 06. März 2013 - B 11 AL 12/12 R

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundessozialgericht Urteil, 06. März 2013 - B 11 AL 12/12 R

Referenzen - Gesetze

Bundessozialgericht Urteil, 06. März 2013 - B 11 AL 12/12 R zitiert 17 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 163


Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

Sozialgesetzbuch (SGB) Viertes Buch (IV) - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (Artikel I des Gesetzes vom 23. Dezember 1976, BGBl. I S. 3845) - SGB 4 | § 7 Beschäftigung


(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. (1a) Eine B

Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594) - SGB 3 | § 25 Beschäftigte


(1) Versicherungspflichtig sind Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt (versicherungspflichtige Beschäftigung) sind. Die folgenden Personen stehen Beschäftigten zur Berufsausbildung im Sinne des Satzes 1 gleich:

Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594) - SGB 3 | § 119 Übergangsgeld


Menschen mit Behinderungen haben Anspruch auf Übergangsgeld, wenn1.die Voraussetzung der Vorbeschäftigungszeit für das Übergangsgeld erfüllt ist und2.sie an einer Maßnahme der Berufsausbildung, der Berufsvorbereitung einschließlich einer wegen der Be

Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594) - SGB 3 | § 118 Leistungen


Die besonderen Leistungen umfassen1.das Übergangsgeld,2.das Ausbildungsgeld, wenn ein Übergangsgeld nicht gezahlt werden kann,3.die Übernahme der Teilnahmekosten für eine Maßnahme.

Berufsbildungsgesetz - BBiG 2005 | § 17 Vergütungsanspruch und Mindestvergütung


(1) Ausbildende haben Auszubildenden eine angemessene Vergütung zu gewähren. Die Vergütung steigt mit fortschreitender Berufsausbildung, mindestens jährlich, an. (2) Die Angemessenheit der Vergütung ist ausgeschlossen, wenn sie folgende monatlich

Berufsbildungsgesetz - BBiG 2005 | § 10 Vertrag


(1) Wer andere Personen zur Berufsausbildung einstellt (Ausbildende), hat mit den Auszubildenden einen Berufsausbildungsvertrag zu schließen. (2) Auf den Berufsausbildungsvertrag sind, soweit sich aus seinem Wesen und Zweck und aus diesem Gesetz nic

Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594) - SGB 3 | § 129 Anordnungsermächtigung


Die Bundesagentur wird ermächtigt, durch Anordnung das Nähere über Voraussetzungen, Art, Umfang und Ausführung der Leistungen in Übereinstimmung mit den für die anderen Träger der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben geltenden Regelungen zu bestim

Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594) - SGB 3 | § 133 Saison-Kurzarbeitergeld und ergänzende Leistungen im Gerüstbauerhandwerk


(1) In Betrieben des Gerüstbauerhandwerks (§ 1 Absatz 3 Nummer 1 der Baubetriebe-Verordnung) werden bis zum 31. März 2021 Leistungen nach den §§ 101 und 102 nach Maßgabe der folgenden Regelungen erbracht. (2) Die Schlechtwetterzeit beginnt am 1.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundessozialgericht Urteil, 06. März 2013 - B 11 AL 12/12 R zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Bundessozialgericht Urteil, 06. März 2013 - B 11 AL 12/12 R zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundessozialgericht Urteil, 25. Aug. 2011 - B 11 AL 13/10 R

bei uns veröffentlicht am 25.08.2011

Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 29. April 2009 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Arbeitslosengeld dem Kläger auch für die Zeit

Bundesverfassungsgericht Beschluss, 07. Dez. 2010 - 1 BvR 2628/07

bei uns veröffentlicht am 07.12.2010

Tenor 1. Verwirft ein oberstes Bundesgericht die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision, weil es alle wesentlichen Aspekte einer Verfassungsfrage bereits als in seiner Rechtsprechun

Bundessozialgericht Urteil, 18. Mai 2010 - B 7 AL 49/08 R

bei uns veröffentlicht am 18.05.2010

Tatbestand 1 Im Streit ist - nach einem Teilvergleich im Berufungsverfahren für die Zeit vom 1.10.2006 bis 31.5.2007 - (noch) ein Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld (
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundessozialgericht Urteil, 06. März 2013 - B 11 AL 12/12 R.

BSG B 11 AL 9/17 R

bei uns veröffentlicht am 23.10.2018

Tenor I. Das Verfahren wird ausgesetzt. II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden folgende Fragen zur Ausle

Referenzen

Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

Die besonderen Leistungen umfassen

1.
das Übergangsgeld,
2.
das Ausbildungsgeld, wenn ein Übergangsgeld nicht gezahlt werden kann,
3.
die Übernahme der Teilnahmekosten für eine Maßnahme.

Menschen mit Behinderungen haben Anspruch auf Übergangsgeld, wenn

1.
die Voraussetzung der Vorbeschäftigungszeit für das Übergangsgeld erfüllt ist und
2.
sie an einer Maßnahme der Berufsausbildung, der Berufsvorbereitung einschließlich einer wegen der Behinderung erforderlichen Grundausbildung, der individuellen betrieblichen Qualifizierung im Rahmen der Unterstützten Beschäftigung nach § 55 des Neunten Buches, einer Maßnahme im Eingangsverfahren oder Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen oder bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches oder an einer Maßnahme der beruflichen Weiterbildung teilnehmen, für die die besonderen Leistungen erbracht werden.
Im Übrigen gelten die Vorschriften des Kapitels 11 des Teils 1 des Neunten Buches, soweit in diesem Buch nichts Abweichendes bestimmt ist. Besteht bei Teilnahme an einer Maßnahme, für die die allgemeinen Leistungen erbracht werden, kein Anspruch auf Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung, erhalten Menschen mit Behinderungen Übergangsgeld in Höhe des Arbeitslosengeldes, wenn sie bei Teilnahme an einer Maßnahme, für die die besonderen Leistungen erbracht werden, Übergangsgeld erhalten würden.

(1) Versicherungspflichtig sind Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt (versicherungspflichtige Beschäftigung) sind. Die folgenden Personen stehen Beschäftigten zur Berufsausbildung im Sinne des Satzes 1 gleich:

1.
Auszubildende, die im Rahmen eines Berufsausbildungsvertrages nach dem Berufsbildungsgesetz in einer außerbetrieblichen Einrichtung ausgebildet werden,
2.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer an dualen Studiengängen und
3.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Ausbildungen mit Abschnitten des schulischen Unterrichts und der praktischen Ausbildung, für die ein Ausbildungsvertrag und Anspruch auf Ausbildungsvergütung besteht (praxisintegrierte Ausbildungen).

(2) Bei Wehrdienstleistenden und Zivildienstleistenden, denen nach gesetzlichen Vorschriften für die Zeit ihres Dienstes Arbeitsentgelt weiterzugewähren ist, gilt das Beschäftigungsverhältnis durch den Wehrdienst oder Zivildienst als nicht unterbrochen. Personen, die nach dem Vierten Abschnitt des Soldatengesetzes Wehrdienst leisten, sind in dieser Beschäftigung nicht nach Absatz 1 versicherungspflichtig; sie gelten als Wehrdienst Leistende im Sinne des § 26 Abs. 1 Nr. 2. Die Sätze 1 und 2 gelten auch für Personen in einem Wehrdienstverhältnis besonderer Art nach § 6 des Einsatz-Weiterverwendungsgesetzes, wenn sie den Einsatzunfall in einem Versicherungspflichtverhältnis erlitten haben.

Die Bundesagentur wird ermächtigt, durch Anordnung das Nähere über Voraussetzungen, Art, Umfang und Ausführung der Leistungen in Übereinstimmung mit den für die anderen Träger der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben geltenden Regelungen zu bestimmen.

(1) In Betrieben des Gerüstbauerhandwerks (§ 1 Absatz 3 Nummer 1 der Baubetriebe-Verordnung) werden bis zum 31. März 2021 Leistungen nach den §§ 101 und 102 nach Maßgabe der folgenden Regelungen erbracht.

(2) Die Schlechtwetterzeit beginnt am 1. November und endet am 31. März.

(3) Ergänzende Leistungen nach § 102 Absatz 2 und 4 werden ausschließlich zur Vermeidung oder Überbrückung witterungsbedingter Arbeitsausfälle erbracht. Zuschuss-Wintergeld wird in Höhe von 1,03 Euro je Ausfallstunde gezahlt.

(4) Anspruch auf Zuschuss-Wintergeld nach § 102 Absatz 2 haben auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die zur Vermeidung witterungsbedingter Arbeitsausfälle eine Vorausleistung erbringen, die das Arbeitsentgelt bei witterungsbedingtem Arbeitsausfall in der Schlechtwetterzeit für mindestens 120 Stunden ersetzt, in angemessener Höhe im Verhältnis zum Saison-Kurzarbeitergeld steht und durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag geregelt ist. Der Anspruch auf Zuschuss-Wintergeld besteht für Zeiten des Bezugs der Vorausleistung, wenn diese niedriger ist als das ohne den witterungsbedingten Arbeitsausfall erzielte Arbeitsentgelt.

(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

(1a) Eine Beschäftigung besteht auch in Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung von mehr als einem Monat, wenn

1.
während der Freistellung Arbeitsentgelt aus einem Wertguthaben nach § 7b fällig ist und
2.
das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die vorausgegangenen zwölf Kalendermonate abweicht, in denen Arbeitsentgelt bezogen wurde.
Satz 1 gilt entsprechend, wenn während einer bis zu dreimonatigen Freistellung Arbeitsentgelt aus einer Vereinbarung zur flexiblen Gestaltung der werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit oder dem Ausgleich betrieblicher Produktions- und Arbeitszeitzyklen fällig ist. Beginnt ein Beschäftigungsverhältnis mit einer Zeit der Freistellung, gilt Satz 1 Nummer 2 mit der Maßgabe, dass das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die Zeit der Arbeitsleistung abweichen darf, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll. Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht während der Zeit der Freistellung auch, wenn die Arbeitsleistung, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll, wegen einer im Zeitpunkt der Vereinbarung nicht vorhersehbaren vorzeitigen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr erbracht werden kann. Die Vertragsparteien können beim Abschluss der Vereinbarung nur für den Fall, dass Wertguthaben wegen der Beendigung der Beschäftigung auf Grund verminderter Erwerbsfähigkeit, des Erreichens einer Altersgrenze, zu der eine Rente wegen Alters beansprucht werden kann, oder des Todes des Beschäftigten nicht mehr für Zeiten einer Freistellung von der Arbeitsleistung verwendet werden können, einen anderen Verwendungszweck vereinbaren. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht für Beschäftigte, auf die Wertguthaben übertragen werden. Bis zum 31. Dezember 2024 werden Wertguthaben, die durch Arbeitsleistung im Beitrittsgebiet erzielt werden, getrennt erfasst; sind für die Beitrags- oder Leistungsberechnung im Beitrittsgebiet und im übrigen Bundesgebiet unterschiedliche Werte vorgeschrieben, sind die Werte maßgebend, die für den Teil des Inlandes gelten, in dem das Wertguthaben erzielt worden ist.

(1b) Die Möglichkeit eines Arbeitnehmers zur Vereinbarung flexibler Arbeitszeiten gilt nicht als eine die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber begründende Tatsache im Sinne des § 1 Absatz 2 Satz 1 des Kündigungsschutzgesetzes.

(2) Als Beschäftigung gilt auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung.

(3) Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt gilt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Eine Beschäftigung gilt auch als fortbestehend, wenn Arbeitsentgelt aus einem der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben bezogen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn Krankengeld, Krankentagegeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Pflegeunterstützungsgeld oder Mutterschaftsgeld oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld oder Elterngeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen oder Wehrdienst oder Zivildienst geleistet wird. Satz 1 gilt auch nicht für die Freistellung nach § 3 des Pflegezeitgesetzes.

(4) Beschäftigt ein Arbeitgeber einen Ausländer ohne die nach § 284 Absatz 1 des Dritten Buches erforderliche Genehmigung oder ohne die nach § 4a Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit, wird vermutet, dass ein Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt für den Zeitraum von drei Monaten bestanden hat.

Tatbestand

1

Im Streit ist - nach einem Teilvergleich im Berufungsverfahren für die Zeit vom 1.10.2006 bis 31.5.2007 - (noch) ein Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld (Alg) für den Monat September 2006.

2

Der im Jahre 1985 geborene ledige, kinderlose Kläger absolvierte vom 1.9.2004 bis 31.8.2006 eine außerbetriebliche Ausbildung nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) zum Hochbaufacharbeiter beim Bildungswerk B eV in G Am 30.5.2006 meldete er sich zum 1.9.2006 arbeitsuchend sowie arbeitslos und beantragte Alg. Die Beklagte bewilligte ihm die Leistung ab dem 1.9.2006 nach einem Bemessungsentgelt von 9,72 Euro (täglich), resultierend aus seiner während der Ausbildung erhaltenen Vergütung (bestandskräftiger Bescheid vom 21.9.2006). Ab 14.9.2006 befand sich der Kläger auf Kosten der Krankenkasse in stationärer Krankenhausbehandlung. Im Februar 2007 beantragte er erfolglos eine Überprüfung des bestandskräftigen Bescheids mit dem Ziel, höheres Alg unter fiktiver Bemessung nach § 132 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) zu erhalten(Bescheid vom 14.2.2007; Widerspruchsbescheid vom 4.4.2007).

3

Während die Klage erstinstanzlich keinen Erfolg hatte (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Altenburg vom 14.9.2007), hat das Thüringer Landessozialgericht (LSG) die Beklagte verurteilt, den Bescheid vom 21.9.2006 abzuändern und dem Kläger für die Zeit vom 1. bis 30.9.2006 Alg nach einem Bemessungsentgelt von 65,33 Euro (täglich) zu zahlen (Urteil vom 6.8.2008). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, das höhere Alg ergebe sich auf Grund fiktiver Bemessung des Arbeitsentgelts nach Maßgabe des § 132 SGB III für die Qualifikationsgruppe 3 (abgeschlossene Ausbildung in einem Ausbildungsberuf) unter Berücksichtigung des Ausgangswerts der Bezugsgröße. Die vom Kläger bezogene Vergütung während der Ausbildung sei kein Arbeitsentgelt im Sinne des Bemessungsrechts für das Alg, sodass der Kläger keinen Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmens aufweisen könne. Es sei nach der Regelung des § 132 SGB III für die fiktive Bemessung nicht von der niedrigeren Bezugsgröße-Ost, sondern der Bezugsgröße-West auszugehen, weil sich der Kläger für Beschäftigungen im gesamten Bundesgebiet zur Verfügung gestellt habe.

4

Mit ihrer Revision macht die Beklagte geltend, die außerbetriebliche Ausbildung des Klägers sei versicherungspflichtig gewesen, sodass auch bei der Berechnung des Alg von der Höhe der erzielten Vergütung auszugehen sei. Eine fiktive Bemessung des Alg scheide deshalb aus.

5

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG zurückzuweisen.

6

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Er hält das Urteil des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der Beklagten ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz). Der Kläger hat einen Anspruch auf Alg unter Korrektur des bestandskräftigen Bescheids vom 21.9.2006.

9

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 14.2.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.4.2007 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte die teilweise Rücknahme des bestandskräftigen Alg-Bewilligungsbescheids abgelehnt hat. Richtige Klageart ist eine kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (Steinwedel in Kasseler Kommentar, § 44 SGB X RdNr 16 f mwN zur Rechtsprechung, Stand Mai 2006; Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, § 330 RdNr 12a, Stand August 2007; aA zu Unrecht in einem obiter dictum BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 18 RdNr 9; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl 2008, Kap IV RdNr 76, Ulmer in Hennig SGG, Stand 2006, § 54 RdNr 106), auf die auch bei Anwendung des § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) ein Grundurteil(§ 130 Abs 1 SGG) ergehen kann (BSGE 88, 299, 300 = SozR 3-4300 § 137 Nr 1 S 2). Der missverständliche Tenor des LSG-Urteils war entsprechend zu korrigieren; gemeint hat das LSG eine Verurteilung zur höheren Leistung, wenn auch - unter zusätzlichem Hinweis - auf Grund eines höheren Bemessungsentgelts (vgl zu dieser Möglichkeit Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 130 RdNr 3 f); unzulässig wäre eine reine Elementenfeststellung. Ein Grundurteil ist auch möglich, wenn nur über die Höhe der Leistungen gestritten wird (Keller, aaO, RdNr 2d mwN).

10

Gemäß § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht nicht erhoben worden sind. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt; der Kläger hat für September 2006 einen Anspruch auf höheres als das bestandskräftig bewilligte Alg (nach einem Bemessungsentgelt von 65,33 Euro). Sein Anspruch auf dieses Alg richtet sich nach § 118 Abs 1 SGB III(idF, die die Norm durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 - BGBl I 2848 - erhalten hat). Danach haben Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit Arbeitnehmer, die arbeitslos sind, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben.

11

Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hat der Kläger die Anwartschaftszeit erfüllt (§ 118 Abs 1 Nr 3, §§ 123, 124 SGB III). Er stand gemäß § 25 Abs 1 Satz 2 SGB III(idF, die dieser durch das Gesetz zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 10.12.2001 - BGBl I 3443 - gefunden hat) während seiner Ausbildung in einem Versicherungspflichtverhältnis. Nach dieser Vorschrift stehen Auszubildende, die im Rahmen eines Berufsausbildungsvertrags nach dem BBiG in einer außerbetrieblichen Einrichtung ausgebildet werden, den (versicherungspflichtigen) Beschäftigten zur Berufsausbildung iS des Satzes 1 gleich (vgl BSG, Urteil vom 3.12.2009 - B 11 AL 42/08 R - SozR 4-4300 § 132 Nr 4 RdNr 10). Der Kläger war bis zum 13.9.2006 auch arbeitslos iS von § 118 Abs 1 Nr 1, § 119 Abs 1 SGB III(letzterer in der Normfassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt); für die Zeit ab 14.9.2006, die Zeit des Krankenhausaufenthalts, besaß er einen Alg-Fortzahlungsanspruch nach § 126 SGB III.

12

Der Kläger war auch wirksam arbeitslos gemeldet (§ 118 Abs 1 Nr 2 SGB III iVm § 122 Abs 1, letzterer ebenfalls in der Normfassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt). Danach hat sich der Arbeitslose persönlich bei der zuständigen Agentur für Arbeit arbeitslos zu melden (Satz 1). Eine Meldung ist nach Satz 2 auch zulässig, wenn die Arbeitslosigkeit noch nicht eingetreten, der Eintritt der Arbeitslosigkeit aber innerhalb der nächsten drei Monate zu erwarten ist. Aus dieser Regelung kann nicht geschlossen werden, dass eine Arbeitslosmeldung, die - wie vorliegend - bereits vor den in Satz 2 genannten letzten drei Monaten erfolgt ist, generell unwirksam wäre. Dies würde dem Sinn der Regelung des § 122 Abs 1 SGB III widersprechen.

13

Die Arbeitslosmeldung hat nämlich die Funktion, dem Vermittlungsvorrang (§ 4 Abs 1 SGB III) Rechnung zu tragen, also die Beklagte davon in Kenntnis zu setzen, dass Arbeitslosigkeit droht bzw eingetreten ist, damit die Bundesagentur für Arbeit (BA) mit Aktivitäten dazu beitragen kann, den Leistungsfall zu verhindern oder ihn möglichst rasch zu beenden (BSG SozR 3-4300 § 122 Nr 1 S 3; vgl auch Lauer in Mutschler/Bartz/Schmidt-De Caluwe, Nomo-Komm SGB III, 3. Aufl 2008, § 122 RdNr 5; Spellbrink in Eicher/Schlegel, SGB III, § 122 RdNr 6, Stand August 2004). In der Gesetzesbegründung des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes (BT-Drucks 13/4941, S 176 zu § 122 Abs 1 und 3) heißt es insoweit zur früheren Zweimonatsfrist, die Regelung stelle klar, dass die Meldung - der bereits geübten zweckmäßigen Verwaltungspraxis entsprechend - bereits vor Eintritt der Arbeitslosigkeit erfolgen könne, um eine möglichst nahtlose Leistungsgewährung zu ermöglichen. Mit dem Dritten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt wurde die Regelung später mit Wirkung ab 1.1.2004 dahin geändert, dass eine Meldung auch zulässig ist, wenn der Eintritt der Arbeitslosigkeit statt wie früher innerhalb der nächsten zwei Monate, innerhalb der nächsten drei Monate zu erwarten sei. Dies geschah ausdrücklich in Angleichung an die Regelung zur Verpflichtung einer frühzeitigen Arbeitsuchendmeldung nach dem früheren § 37b SGB III(jetzt § 38 Abs 1 SGB III). Nähme man die Aussagen des Gesetzgebers in den Gesetzesbegründungen ernst, wäre ohnedies eine Arbeitslosmeldung schon mehr als drei Monate vor Eintritt der Arbeitslosigkeit möglich; auch eine Arbeitsuchendmeldung war bereits vor den letzten drei Monaten des Arbeitsverhältnisses erforderlich (vgl zur Diskrepanz zwischen § 37b SGB III aF<= § 38 Abs 1 SGB III nF> auch Coseriu in Eicher/Schlegel, SGB III, § 144 RdNr 453i und in der BT-Drucks 13/4941 wird nur auf die Legalisierung früherer Verwaltungspraxis ohne konkrete Zeitangabe verwiesen). Es läge deshalb nahe, schon aus diesem Grund eine bereits vor den letzten drei der Arbeitslosigkeit vorausgehenden Monaten vorgenommene Arbeitslosmeldung in jedem Fall als wirksam anzusehen; dies widerspräche jedoch dem Gesetzeswortlaut.

14

Die Arbeitslosmeldung war vorliegend allerdings unter Berücksichtigung des weiteren Umstands wirksam, dass die Beklagte sie nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG in Kenntnis ihrer "Frühzeitigkeit" entgegengenommen und akzeptiert hat. Sinn der Dreimonatsregelung des § 122 Abs 1 Satz 2 SGB III für die frühestmöglich zulässige Abgabe einer Arbeitslosmeldung ist wie bei § 37b SGB III aF bzw § 38 Abs 1 SGB III nF allein der Schutz der Beklagten davor, Vermittlungsbemühungen zu früh aufnehmen zu müssen. Akzeptiert aber die BA selbst eine frühzeitige Arbeitslosmeldung, so wäre es vor dem Hintergrund des Ziels einer "Job-to-Job-Vermittlung" geradezu sinnwidrig, dem Arbeitslosen nachträglich entgegenzuhalten, er habe sich zu früh arbeitslos gemeldet. Würde dies die BA vortragen, müsste ihr entgegen gehalten werden, ihr Verhalten sei wegen eines "venire contra factum proprium" treuwidrig. Dann aber ist die Annahme, die frühzeitige Arbeitslosmeldung sei unwirksam, auch dem Gericht verwehrt. Es kann dahinstehen, ob dies uneingeschränkt gelten kann; jedenfalls ist die Annahme einer wirksamen Arbeitslosmeldung gerechtfertigt, wenn der Alg-Empfänger sich zeitnah zur im Gesetz enthaltenen Dreimonatsgrenze mit Billigung der zuständigen Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet hat. Dies gilt umso mehr, als sich vorliegend der Kläger gleichzeitig arbeitsuchend gemeldet hat und ohnedies, wie oben ausgeführt, eine Harmonisierung beider Meldungen angestrebt worden war.

15

Zutreffend hat das LSG entschieden, dass der Kläger auf Grund der fiktiven Bemessung des § 132 SGB III(hier idF, die die Norm durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt erhalten hat) einen Anspruch auf höheres Alg hat, und zwar unter Zugrundelegung eines Bemessungsentgelts von 65,33 Euro statt 9,72 Euro. Dem Kläger stand gemäß § 129 SGB III(idF, die die Norm durch das Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften vom 16.2.2001 - BGBl I 266 - erhalten hat) Alg nach dem allgemeinen Leistungssatz von 60 % des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt) zu, das sich aus dem Bemessungsentgelt ergibt. Leistungsentgelt ist insoweit nach § 133 Abs 1 SGB III(idF des Vierten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19.11.2004 - BGBl I 2902) das um pauschalierte Abzüge verminderte Bemessungsentgelt. Das Bemessungsentgelt selbst ist nach § 131 SGB III(hier idF des Gesetzes zur Förderung ganzjähriger Beschäftigung vom 24.4.2006 - BGBl I 926 -) das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat. Der Bemessungszeitraum ermittelt sich gemäß § 130 SGB III(hier idF, die die Norm durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt erhalten hat) aus dem Bemessungsrahmen (letztes Jahr vor Ende des letzten Versicherungspflichtverhältnisses und vor Entstehung des Anspruchs), der sich unter bestimmten Voraussetzungen auf zwei Jahre erweitert (Abs 3). Der in diesem Bemessungsrahmen liegende Bemessungszeitraum umfasst die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigung. Im Unterschied zum bis zum 31.12.2004 geltenden Recht werden also nur Entgelte aus einer (versicherungspflichtigen) Beschäftigung, nicht aus sonstigen Versicherungspflichtverhältnissen in die Bemessung einbezogen (BSG SozR 4-4300 § 130 Nr 6 RdNr 27; BT-Drucks 15/1515, S 85; vgl auch Valgolio in Hauck/Noftz, SGB III, K § 130 RdNr 8, Stand Juli 2009; Behrend in Eicher/Schlegel, SGB III, Vor §§ 129 bis 134 RdNr 4 Stand Juni 2005).

16

Die außerbetriebliche Ausbildung des Klägers in den letzten zwei Jahren vor Eintritt der Arbeitslosigkeit war zwar versicherungspflichtig (s oben). Für das Bemessungsrecht des Alg ist sie indes einer Beschäftigung nicht gleichgestellt (s auch § 7 Abs 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung -< SGB IV>). Die in diesem Versicherungspflichtverhältnis erzielte Vergütung nach § 17 BBiG, der nicht zwischen betrieblichen und außerbetrieblichen Ausbildungen unterscheidet(vgl zur Angemessenheit der Ausbildungsvergütung etwa BAGE 96, 237, 246; BAG Urteil vom 16.1.2003 - 6 AZR 325/01 - AP Nr 13 zu § 10 BBiG; BAG, Urteil vom 22.1.2008 - 9 AZR 999/06 -, AP Nr 7 zu § 17 BBiG), wird arbeitsrechtlich nicht als Arbeitsentgelt im eigentlichen Sinne verstanden (Kania in Küttner, Personalbuch 2010, Nr 74 RdNr 26 f mwN; Beckers in Fachanwaltskommentar Arbeitsrecht, 2008, § 17 BBG RdNr 1); sie ist jedoch ohnedies nicht im Rahmen einer Beschäftigung erzielt, wie dies § 130 Abs 1 SGB III iVm § 131 SGB III voraussetzt, sodass dahinstehen kann, ob die Ausbildungsvergütung einer betrieblichen Ausbildung Arbeitsentgelt iS des Alg-Bemessungsrechts iVm § 14 SGB IV ist. Dass die Ausbildung im Rahmen einer außerbetrieblichen Ausbildung keine Beschäftigung darstellt, belegt § 25 Abs 1 Satz 2 SGB III, weil der Gesetzgeber mit dieser Regelung auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 12.10.2000 (SozR 3-2600 § 1 Nr 7) reagiert hat, wonach die Umschulung, die in einer Bildungseinrichtung als Dienstleistung gegen Vergütung durchgeführt wird, keine Beschäftigung zur Berufsausbildung darstellt (vgl nur Schlegel in Eicher/Schlegel, SGB III, § 25 RdNr 143, Stand März 2010; vgl auch Brand in Niesel, SGB III, 4. Aufl 2007, § 25 RdNr 35). An einer Beschäftigung zur Berufsausbildung iS des § 25 Abs 1 Satz 1 SGB III iVm § 7 Abs 2 SGB IV durch Eingliederung in den Produktions- und Dienstleistungsprozess eines Betriebs fehlt es nämlich bei einem Auszubildenden, wenn der alleinige Betriebszweck des Ausbildungsbetriebs in der Organisation und Durchführung von Qualifizierungs- und Bildungsmaßnahmen besteht und der Auszubildende nicht innerhalb dieses Betriebszwecks, sondern nur - wie hier - als Teilnehmer der Maßnahme tätig wird(BSG SozR 4-4300 § 25 Nr 2 RdNr 14; s auch Schlegel, aaO).

17

Während durch § 25 Abs 1 Satz 2 SGB III ausdrücklich - ebenso wie im Beitragsrecht durch § 346 Abs 1 Satz 2 SGB III - die außerbetriebliche Ausbildung der betrieblichen Ausbildung in einem Beschäftigungsverhältnis gleichgestellt ist, ist dies in §§ 131, 132 SGB III nicht geschehen. Der Gesetzgeber hat also auf eine generelle Erweiterung des Beschäftigungsbegriffs für die Gruppe der nach § 25 Abs 1 Satz 2 SGB III Versicherungspflichtigen verzichtet und sich auf punktuelle Gleichstellungen in den einzelnen Gesetzen für einzelne Bereiche des jeweiligen Gesetzes beschränkt(vgl auch: § 5 Abs 4a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung -, § 1 Nr 3a Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung -, § 226 Abs 1 Satz 3 SGB V, § 162 Nr 3a SGB VI). Dies wäre nicht erforderlich gewesen, wenn die außerbetriebliche Ausbildung uneingeschränkt als Beschäftigung hätte angesehen werden sollen.

18

Weist mithin der Kläger keinen Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt (aus einem Beschäftigungsverhältnis) auf, ist dem Alg nach § 132 Abs 1 SGB III ein fiktives Arbeitsentgelt zu Grunde zu legen, das sich gemäß Abs 2 der Vorschrift nach vier Qualifikationsstufen errechnet, hier nach der Qualifikationsgruppe 3 (abgeschlossene Ausbildung in einem Ausbildungsberuf). Nachdem der Kläger seine Berufsausbildung als Hochbaufacharbeiter erfolgreich abgeschlossen hat, mussten sich die Vermittlungsbemühungen der Beklagten grundsätzlich auf Beschäftigungen entsprechend der erworbenen beruflichen Qualifikation erstrecken (§ 132 Abs 2 Satz 1 SGB III), weil diese Tätigkeiten eine bestmögliche Eingliederung in den Arbeitsmarkt garantieren (vgl zu dieser Voraussetzung: BSG, Urteil vom 3.12.2009 - B 11 AL 42/08 R - SozR 4-4300 § 132 Nr 4 RdNr 15; vgl auch Coseriu/Jakob in NK-SGB III, 3. Aufl 2008, § 132 RdNr 15 ff; Behrend in Eicher/Schlegel, SGB III, § 132 RdNr 33 ff, Stand März 2007). Für andere Überlegungen, etwa die Füllung einer planwidrigen Gesetzeslücke zur Erlangung angemessener sachlicher Ergebnisse, bleibt kein Raum (BSG, Urteil vom 3.12.2009 - B 11 AL 42/08 R - aaO, RdNr 16 ff).

19

Bei der Qualifikationsgruppe 3 ist gemäß § 132 Abs 2 Satz 2 Nr 3 SGB III ein Arbeitsentgelt in Höhe von 1/450 der Bezugsgröße zu Grunde zu legen. Maßgeblich ist dabei die Bezugsgröße-West für das Jahr 2006 mit 29 400 Euro (vgl die Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung vom 21.12.2005 - BGBl I 3627); hieraus errechnet sich ein Betrag von 65,33 Euro. Zwar hat der Kläger die Ausbildung in den neuen Bundesländern (im Beitrittsgebiet) zurückgelegt; jedoch ist § 408 SGB III für ihn nicht einschlägig. Danach ist die Bezugsgröße für das in Art 3 des Einigungsvertrags genannte Gebiet (Beitrittsgebiet) maßgebend, wenn der Beschäftigungsort im Beitrittsgebiet liegt, soweit Vorschriften dieses Buchs (des SGB III) bei Entgelten an die Bezugsgröße anknüpfen. § 408 Nr 1 SGB III stellt jedoch erkennbar auf das Entgelt aus einer ausgeübten Beschäftigung ab, was durch die Bezugnahme auf den konkreten Beschäftigungsort(§ 9 SGB IV) deutlich wird (vgl: Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, § 408 RdNr 30, Stand März 2010; Rolfs in Gagel; SGB II/SGB III, § 132 SGB III RdNr 12, Stand April 2010; Rokita in Schönefelder/Kranz/Wanka, SGB III, § 132 RdNr 70, Stand Juli 2006). Bei Anwendung des § 132 SGB III geht es jedoch nicht um das früher erzielte Entgelt, sondern darum, auf welche Tätigkeit die Beklagte ihre Vermittlungsbemühungen zu erstrecken hat. Die Ausgangslage beider Vorschriften ist damit nicht identisch und verbietet damit auch eine generelle analoge Anwendung. Offen bleiben kann, ob dies anders ist, wenn - was vorliegend nicht der Fall ist - der Leistungsempfänger seine Arbeitsbereitschaft - zulässigerweise - auf das Beitrittsgebiet beschränkt hat.

20

Gegen die Regelung des § 132 Abs 2 SGB III, die den Kläger ohnedies begünstigt, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken(BSG, Urteil vom 3.12.2009 - B 11 AL 42/08 R - SozR 4-4300 § 132 Nr 4 RdNr 22 f mwN; vgl auch BSG SozR 4-4300 § 132 Nr 3 und BSG, Urteil vom 16.12.2009 - B 7 AL 39/08 R). Als unbillig empfundene Ungleichbehandlungen, die daraus resultieren, dass durch die fiktive Bemessung sich im Einzelfall ein höherer Alg-Anspruch ergibt als in den Fällen eines niedrigeren Arbeitsentgelts, sind angesichts des Gesetzeszwecks der Vereinfachung und Pauschalierung hinzunehmen (vgl BSG aaO). Es besteht deshalb keine Veranlassung, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) gemäß Art 100 Abs 1 Grundgesetz einzuholen, die für das Urteil in der vorliegenden Sache nur dann von Bedeutung wäre, wenn das BVerfG zu einer Unvereinbarkeit der Vorschriften des Bemessungsrechts für das Alg gelangen und dem Gesetzgeber eine Neuregelung auferlegen würde, die für den Kläger ungünstiger als die jetzige ausfallen könnte. Davon ist nicht auszugehen. Ggf könnte, um eine unterschiedliche Behandlung von außerbetrieblich und betrieblich Ausgebildeten zu vermeiden, auch bei Vergütungen im Rahmen einer betrieblichen Ausbildung deren Arbeitsentgeltcharakter iS des Bemessungsrechts verneint werden.

21

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Versicherungspflichtig sind Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt (versicherungspflichtige Beschäftigung) sind. Die folgenden Personen stehen Beschäftigten zur Berufsausbildung im Sinne des Satzes 1 gleich:

1.
Auszubildende, die im Rahmen eines Berufsausbildungsvertrages nach dem Berufsbildungsgesetz in einer außerbetrieblichen Einrichtung ausgebildet werden,
2.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer an dualen Studiengängen und
3.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Ausbildungen mit Abschnitten des schulischen Unterrichts und der praktischen Ausbildung, für die ein Ausbildungsvertrag und Anspruch auf Ausbildungsvergütung besteht (praxisintegrierte Ausbildungen).

(2) Bei Wehrdienstleistenden und Zivildienstleistenden, denen nach gesetzlichen Vorschriften für die Zeit ihres Dienstes Arbeitsentgelt weiterzugewähren ist, gilt das Beschäftigungsverhältnis durch den Wehrdienst oder Zivildienst als nicht unterbrochen. Personen, die nach dem Vierten Abschnitt des Soldatengesetzes Wehrdienst leisten, sind in dieser Beschäftigung nicht nach Absatz 1 versicherungspflichtig; sie gelten als Wehrdienst Leistende im Sinne des § 26 Abs. 1 Nr. 2. Die Sätze 1 und 2 gelten auch für Personen in einem Wehrdienstverhältnis besonderer Art nach § 6 des Einsatz-Weiterverwendungsgesetzes, wenn sie den Einsatzunfall in einem Versicherungspflichtverhältnis erlitten haben.

Tenor

1. Verwirft ein oberstes Bundesgericht die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision, weil es alle wesentlichen Aspekte einer Verfassungsfrage bereits als in seiner Rechtsprechung geklärt ansieht, steht dies der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde nicht entgegen, wenn der Beschwerdeführer vernünftige und gewichtige Gründe für eine Überprüfung dieser Rechtsfrage anführen kann und es sich um eine ungeklärte verfassungsrechtliche Frage handelt.

2. Der gesetzliche Anspruch auf Arbeitslosenhilfe nach den §§ 190 bis 206 Sozialgesetzbuch Drittes Buch in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung unterlag nicht dem grundrechtlichen Eigentumsschutz des Art. 14 Abs. 1 GG.

3. Die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe mit Wirkung zum 1. Januar 2005 ist mit dem Grundgesetz vereinbar.

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerden richten sich gegen die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe zum 1. Januar 2005.

I.

2

1. Die gesetzliche Trennung zwischen einer beitragsfinanzierten "regulären" Entgeltersatzleistung wegen Arbeitslosigkeit und einer steuerfinanzierten Leistung für bestimmte Ausnahmefälle steht in einer jahrzehntelangen Tradition.

3

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde im Jahr 1918 in Deutschland erstmals eine Erwerbslosenfürsorge eingeführt und zwar für arbeitsfähige und arbeitswillige Personen über 14 Jahre, die sich infolge des Krieges durch Erwerbslosigkeit in bedürftiger Lage befanden (§ 6 Satz 1 der Verordnung über Erwerbslosenfürsorge vom 13. November 1918, RGBl S. 1305). Die Mittel zu ihrer Finanzierung wurden zunächst zu fünf Sechsteln vom Reich und dem zuständigen Bundesstaat und im Übrigen von der jeweiligen Gemeinde aufgebracht, wobei für leistungsschwache Gemeinden oder einzelne Bezirke eine Erhöhung der Reichsbeihilfe bewilligt werden konnte (§ 4 Sätze 1 und 2 der Verordnung). Mit § 1 Abs. 1 und § 2 Abs. 3 der Verordnung über die Aufbringung der Mittel für die Erwerbslosenfürsorge vom 13. Oktober 1923 (RGBl I S. 946) wurde die Finanzierung geändert. Ein erheblicher Teil des "notwendigen Aufwandes" für die Erwerbslosenfürsorge wurde nun durch Beiträge der Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgebracht und gemeinsam mit den Krankenkassenbeiträgen erhoben. Diese Regelung wurde später in die §§ 33 ff. der Verordnung über Erwerbslosenfürsorge in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Februar 1924 (RGBl I S. 127) aufgenommen.

4

Durch Gesetz vom 19. November 1926 (RGBl I S. 489) wurde dann eine Krisenfürsorge für Erwerbslose eingeführt. Sie ist als Vorläufer der Arbeitslosenhilfe anzusehen (vgl. BVerfGE 9, 20 <22>) und diente vor allem zur Absicherung von Arbeitslosen, die ihren Anspruch auf Erwerbslosenfürsorge erschöpft hatten (§ 1 Abs. 1 des Gesetzes). Wegen der Leistungsvoraussetzungen verwies das Gesetz in § 2 auf die Vorschriften zur Erwerbslosenfürsorge; jedoch waren die finanziellen Mittel zu drei Vierteln vom Reich und zu einem Viertel von den Gemeinden aufzubringen (§ 7 Abs. 1 des Gesetzes).

5

Mit dem Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) vom 16. Juli 1927 (RGBl I S. 187) wurde schließlich die Arbeitslosenversicherung errichtet. Sie umfasste einerseits die Arbeitslosenunterstützung und andererseits eine Krisenunterstützung, die "in Zeiten andauernd besonders ungünstiger Arbeitsmarktlage" vom Reichsarbeitsminister für bedürftige Arbeitslose, die keinen Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung hatten, zugelassen werden konnte (§ 101 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 2 AVAVG). Während sich die Höhe der Arbeitslosenunterstützung nach dem zuletzt erzielten Arbeitsentgelt (§§ 104, 105 AVAVG) zuzüglich Familienzuschlägen (§ 103 AVAVG) richtete, konnten die Höhe und die Dauer der Krisenunterstützung vom Reichsarbeitsminister beschränkt werden (§ 101 Abs. 1 Satz 3 AVAVG). Die von der Reichsanstalt für Arbeit zur Durchführung ihrer Aufgaben benötigten Mittel wurden durch Beiträge der Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgebracht (§ 142 AVAVG); "von dem notwendigen Aufwand" für die Krisenunterstützung trugen hingegen das Reich 80 % und die Gemeinden 20 % (§ 167 Abs. 1 AVAVG). Ihre endgültige Gestalt erhielt die Arbeitslosenhilfe durch das Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung vom 23. Dezember 1956 (BGBl I S. 1018; §§ 141 bis 141m AVAVG, später §§ 144 bis 156 AVAVG in der Fassung vom 3. April 1957, BGBl I S. 322). Das Gesetz sah nunmehr eine Unterstützung Arbeitsloser in den Formen des Arbeitslosengeldes und der Arbeitslosenhilfe vor. Im Gegensatz zum Arbeitslosengeld setzte der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe Bedürftigkeit voraus (§ 145 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AVAVG). Die Aufwendungen für die Arbeitslosenhilfe trug nach § 1 Satz 2 AVAVG der Bund.

6

Das am 1. Juli 1969 in Kraft getretene Arbeitsförderungsgesetz (AFG) vom 25. Juni 1969 (BGBl I S. 582) änderte hieran wenig. Arbeitslosenhilfe wurde weiterhin nur an bedürftige Arbeitslose erbracht (§ 134 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AFG). Die Höhe der Leistung richtete sich nach dem früheren Arbeitsentgelt, jedoch in niedrigerem Anteil als beim Arbeitslosengeld; die Kosten trug der Bund (§ 188 Satz 1 AFG).

7

Der Übergang vom Arbeitsförderungsgesetz zu dem ab dem 1. Januar 1998 geltenden Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) brachte in dieser Hinsicht ebenfalls keine wesentlichen Änderungen. Allerdings wurde durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch vom 22. Dezember 1999 (BGBl I S. 2624) die originäre Arbeitslosenhilfe, die in Sonderfällen ohne vorherigen Bezug von Arbeitslosengeld geleistet wurde, mit Wirkung zum 1. Januar 2000 gestrichen (vgl. BVerfGK 6, 126).

8

2. Die Arbeitslosenhilfe war in ihrer letzten, bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Form in den §§ 190 bis 206 SGB III a.F. geregelt. Es handelte sich um eine aus Steuermitteln finanzierte Entgeltersatzleistung bei Arbeitslosigkeit (§ 363 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F.), die von der Bundesagentur für Arbeit im Auftrag des Bundes erbracht wurde (§ 205 Satz 1 SGB III a.F.). Sie war auf der Tatbestandsseite bedürftigkeitsabhängig (§ 190 Abs. 1 Nr. 5, §§ 193, 194 SGB III a.F.), orientierte sich auf der Rechtsfolgenseite jedoch nicht am Bedarf des Empfängers, sondern an dessen letztem Arbeitsentgelt. Die Arbeitslosenhilfe belief sich auf einen bestimmten Prozentsatz eines pauschalierten Nettoarbeitsentgelts. Der auf diese Weise errechnete Betrag verminderte sich um das im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung anzurechnende Einkommen und Vermögen des Hilfeempfängers (§ 195 Satz 2 SGB III a.F.).

9

Der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe setzte neben der Bedürftigkeit voraus, dass der Arbeitnehmer arbeitslos war (§ 190 Abs. 1 Nr. 1 SGB III a.F.), sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet hatte (§ 190 Abs. 1 Nr. 2 SGB III a.F.), er keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld besaß, weil er die Anwartschaftszeit nicht erfüllt hatte (§ 190 Abs. 1 Nr. 3 SGB III a.F.), und er in einer Vorfrist Arbeitslosengeld bezogen hatte, ohne dass der Anspruch wegen des Eintritts von Sperrzeiten mit einer Dauer von insgesamt 21 Wochen erloschen war (§ 190 Abs. 1 Nr. 4 SGB III a.F.). Der Arbeitslose musste ferner eine versicherungspflichtige, mindestens fünfzehn Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung suchen (§ 118 Abs. 1 Nr. 2 SGB III a.F.) und den Vermittlungsbemühungen der Arbeitsverwaltung zur Verfügung stehen, um einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe zu haben (vgl. Straub, in: Schönefelder/Kranz/Wanka, SGB III, 3. Aufl., § 190 Rn. 18 ).

10

Die Arbeitslosenhilfe wurde in Zeitabschnitten bewilligt, wobei § 190 Abs. 3 Satz 2 SGB III a.F. ausdrücklich anordnete, dass vor einer erneuten Bewilligung die Voraussetzungen des Anspruchs zu prüfen waren. Der Prüfungsumfang umfasste sämtliche Leistungsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach ohne Bindung an frühere Bescheide; lediglich ein früher bereits gestellter Arbeitslosenhilfeantrag wirkte fort (vgl. Krauß, in: PK-SGB III, 2. Aufl. 2004, § 190 Rn. 41 f.). Nach § 190 Abs. 3 Satz 1 SGB III in der bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Fassung sollte Arbeitslosenhilfe jeweils für längstens ein Jahr bewilligt werden.

11

3. Durch Art. 3 Nr. 14 des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl I S. 2954) wurde § 190 Abs. 3 Satz 1 SGB III dahingehend geändert, dass Arbeitslosenhilfe längstens bis zum 31. Dezember 2004 bewilligt werden durfte. Diese Änderung trat gemäß Art. 61 Abs. 2 des Gesetzes am 1. Januar 2004 in Kraft. Durch Art. 3 Nr. 15 des Gesetzes wurden die §§ 190 bis 206 SGB III aufgehoben. Die Änderung trat nach Art. 61 Abs. 1 des Gesetzes zum 1. Januar 2005 in Kraft. Hierdurch ist die Arbeitslosenhilfe ab dem 1. Januar 2005 vollständig aus dem Leistungskatalog der Arbeitsförderung gestrichen worden. An ihre Stelle ist das Arbeitslosengeld II nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - getreten. Im Unterschied zur Arbeitslosenhilfe knüpft die Berechnung des Arbeitslosengeldes II nicht mehr an das frühere Einkommen des Hilfebedürftigen an, sondern orientiert sich - wie die Sozialhilfe - grundsätzlich an dessen Bedarf.

12

4. Nach § 428 Abs. 1 Satz 1 SGB III haben Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitslosengeld, die das 58. Lebensjahr vollendet haben und die Regelvoraussetzungen des Anspruchs allein deshalb nicht erfüllen, weil sie nicht arbeitsbereit sind und nicht alle Möglichkeiten nutzen oder nutzen wollen, um ihre Beschäftigungslosigkeit zu beenden. Die Vorschrift war nach § 198 Satz 2 Nr. 3 SGB III a.F. ebenfalls auf die Arbeitslosenhilfe anwendbar. Der in § 428 Abs. 1 SGB III geregelte Rechtszustand tritt in der Praxis ein, wenn der Arbeitslose gegenüber der Bundesagentur für Arbeit eine entsprechende Erklärung abgibt (vgl. Brandts, in: Niesel/Brand , SGB III, 5. Aufl. 2010, § 428 Rn. 5).

13

Die Möglichkeit, Arbeitslosenhilfe unter diesen erleichterten Voraussetzungen in Anspruch zu nehmen, war von Anfang an nur befristet angelegt: § 428 geht zurück auf § 105c AFG, der mit Wirkung zum 1. Januar 1986 als Reaktion auf die Arbeitslosigkeit der 1980er Jahre eingeführt worden war (Art. 1 Nr. 20 des Siebten Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes vom 20. Dezember 1985, BGBl I S. 2484). Zunächst galt die Vorschrift nur für Fälle, in denen der Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung vor dem 1. Januar 1990 entstanden war und der Arbeitslose vor diesem Tag das 58. Lebensjahr vollendet hatte. Diese Befristung wurde wiederholt verlängert und schließlich in das am 1. Januar 1998 in Kraft getretene Sozialgesetzbuch Drittes Buch übergeleitet. Dort wurde sie im Jahr 2000 (Art. 2 des Zweiten Gesetzes zur Fortentwicklung der Altersteilzeit vom 27. Juni 2000, BGBl I S. 910) bis zum 1. Januar 2006 und schließlich im Jahr 2005 (Art. 1 Nr. 21 des Fünften Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22. Dezember 2005, BGBl I S. 3676) bis zum 1. Januar 2008 verlängert. § 428 Abs. 1 SGB III gilt insofern nur noch in Fällen, in denen der Arbeitslosengeldanspruch vor dem 1. Januar 2008 entstanden ist und der Arbeitslose vor diesem Tag das 58. Lebensjahr vollendet hat.

II.

14

1. Der 1946 geborene Beschwerdeführer zu 1) bezog bis Ende 2002 Arbeitslosengeld und anschließend Arbeitslosenhilfe. Im Juni 2004 gab er eine Erklärung im Sinne von § 428 Abs. 1 Satz 1 SGB III ab und bezog sodann weiter Arbeitslosenhilfe bis zum Jahresende. Seit dem 1. Juni 2006 bezieht er nach eigenen Angaben Altersrente. Seinen Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld II ab Januar 2005 lehnte der Leistungsträger mit der Begründung ab, das anzurechnende monatliche Einkommen übersteige den ermittelten Gesamtbedarf des Beschwerdeführers zu 1) und seiner Ehefrau, der Beschwerdeführerin zu 2). Ein Arbeitslosenhilfeanspruch der Beschwerdeführerin zu 2) war nicht Gegenstand des fachgerichtlichen Verfahrens.

15

Im anschließenden Klage- und Berufungsverfahren begehrte der Beschwerdeführer zu 1) erfolglos die Weiterzahlung der Arbeitslosenhilfe, hilfsweise begehrten beide Beschwerdeführer Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch.

16

Die gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Landessozialgericht gerichtete Beschwerde verwarf das Bundessozialgericht als unzulässig. Die Beschwerdeführer hätten die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht in der nach § 160a Abs. 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gebotenen Weise dargelegt, denn die Beschwerdebegründung zeige keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen auf, sondern greife allein die Rechtsauffassung des Landessozialgerichts an. Weiterhin liege bereits höchstrichterliche sozialgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vor, ob die Arbeitslosenhilfe auch für Leistungsbezieher nach § 428 SGB III habe abgeschafft werden dürfen. Dieser Rechtsprechung seien die Beschwerdeführer nicht in der gebotenen Weise entgegengetreten, sondern hätten lediglich solche Argumente wiederholt, mit denen sich das Gericht bereits in früheren Entscheidungen auseinandergesetzt habe.

17

2. Mit der Verfassungsbeschwerde verfolgen die Beschwerdeführer nur den Antrag auf Weiterzahlung der Arbeitslosenhilfe weiter. Sie rügen Verstöße gegen Art. 14 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 jeweils in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.

18

Art. 14 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG sei verletzt, da der Arbeitslosenhilfeanspruch des Beschwerdeführers zu 1) auf einer beinahe vierzigjährigen Beitragsleistung zur Arbeitslosenversicherung beruht habe. Da ein Arbeitslosenhilfeanspruch nach dem zuletzt geltenden Recht nur nach dem Erwerb einer Arbeitslosengeldanwartschaft bestanden habe, könne es nicht darauf ankommen, aus welchem Etat die Arbeitslosenhilfe finanziert worden sei.

19

Weiterhin verstoße die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe jedenfalls für die unter § 428 Abs. 1 Satz 1 SGB III fallenden Bezieher wegen unechter Rückwirkung gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Der Beschwerdeführer zu 1) habe im Vertrauen darauf, er werde bis zum Eintritt in die Altersrente Leistungen in einer an seinem letzten Einkommen orientierten Höhe erhalten, durch die Erklärung im Sinne von § 428 Abs. 1 Satz 1 SGB III seine "Vermittlungsrechte gegenüber der Arbeitsverwaltung" aufgegeben. Dieses Vertrauen sei nicht nur aus der Erklärung selbst, sondern auch aus ihren Folgen - dem Verlust des Kontakts zum Arbeitsmarkt sowie fehlenden Angeboten und Qualifizierungsmaßnahmen - erwachsen, denn an den hierdurch entstandenen Schwierigkeiten trage der Staat eine erhebliche Mitverantwortung.

III.

20

Zu den Verfassungsbeschwerden haben sich als sachkundige Dritte (§ 27a BVerfGG) der Deutsche Gewerkschaftsbund und der Deutsche Sozialgerichtstag e.V. geäußert.

21

1. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hält die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe jedenfalls für Leistungsbezieher nach § 428 Abs. 1 SGB III für verfassungswidrig. Der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe habe Eigentumsschutz genossen. Die Finanzierung aus Steuermitteln stehe dem nicht entgegen, da der Bezug von Anschlussarbeitslosenhilfe das Bestehen einer Arbeitslosengeldanwartschaft vorausgesetzt habe. Gerade ältere Arbeitslose hätten in der Regel jahrzehntelang Beiträge zur Arbeitslosenversicherung in erheblichem Umfang geleistet, denen schon angesichts der Zwangsmitgliedschaft in dieser Versicherung ein ausreichendes Leistungsäquivalent gegenüber stehen müsse. Die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe begründe einen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 14 Abs. 1 GG. Sie verstoße jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden gegen das Vertrauensschutzprinzip.

22

2. Der Deutsche Sozialgerichtstag e.V. sieht in der Abschaffung der Arbeitslosenhilfe - auch für die Bezieher nach § 428 Abs. 1 SGB III - keinen Verfassungsverstoß. Der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe sei zwar Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG. Allerdings sei der Eingriff gerechtfertigt. Die Erhaltung der Funktions- und Leistungsfähigkeit des sozialen Sicherungssystems der "(materiellen) Sozialhilfe", zu der auch die Arbeitslosenhilfe gezählt habe, stelle einen legitimierenden Eingriffsgrund dar. Dieser Eingriff sei verhältnismäßig. Es liege kein Verstoß gegen das Vertrauensschutzprinzip vor.

B.

23

Die Verfassungsbeschwerden sind teilweise unzulässig.

I.

24

1. Soweit sich der Beschwerdeführer zu 1) gegen die Entscheidung des Bundessozialgerichts wendet, mit dem seine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision als unzulässig verworfen wurde, ist die Verfassungsbeschwerde bereits unzulässig, weil sie nicht hinreichend begründet wurde (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG). Werden mehrere gerichtliche Entscheidungen, die auf verschiedenen Gründen beruhen, mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen, bedarf es der Auseinandersetzung mit jeder einzelnen Entscheidung (vgl. BVerfGE 82, 43 <49>; 86, 122 <127>; Magen, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl. 2005, § 92 Rn. 45). Da das Bundessozialgericht keine Entscheidung in der Sache getroffen hat, gehen die materiellen Ausführungen des Beschwerdeführers zu 1) ins Leere (vgl. BVerfGE 103, 172 <181 f.>). Mit den prozessualen Ausführungen des Bundessozialgerichts setzt er sich nicht auseinander; er behauptet insbesondere keine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG durch die Entscheidung des Bundessozialgerichts.

25

2. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 1) gegen die Entscheidungen des Sozialgerichts und des Landessozialgerichts sowie die vorangegangenen Behördenentscheidungen richtet, ist sie zulässig.

26

Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass das Bundessozialgericht die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen hat. Zwar ist eine Verfassungsbeschwerde mangels ordnungsgemäßer Rechtswegerschöpfung in der Regel unzulässig, wenn ein an sich gegebenes Rechtsmittel mangels Nutzung der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten erfolglos bleibt (vgl. BVerfGE 74, 102 <114>; BVerfGK 1, 222 <223>; stRspr). Es ist verfassungsrechtlich dabei insbesondere unbedenklich, die Beschreitung des Rechtswegs von der Erfüllung bestimmter formaler Voraussetzungen abhängig zu machen (vgl. BVerfGE 10, 264 <267 f.>). Da jedoch ein Beschwerdeführer wegen der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde auch dann verpflichtet ist, von einem Rechtsbehelf Gebrauch zu machen, wenn dessen Zulässigkeit im konkreten Fall unterschiedlich beurteilt werden kann (vgl. BVerfGE 47, 168 <175>), können ihm keine Nachteile daraus erwachsen, wenn sich ein solcher Rechtsbehelf später als unzulässig erweist. Anders liegen die Dinge nur bei einem offensichtlich unzulässigen oder nicht ordnungsgemäß genutzten Rechtsbehelf.

27

Im vorliegenden Fall kann dem Beschwerdeführer zu 1) aber nicht angelastet werden, den Rechtsweg nicht in gehöriger Weise erschöpft zu haben. Seiner Nichtzulassungsbeschwerde lässt sich entnehmen, dass er die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Abschaffung der Arbeitslosenhilfe für diejenigen Bezieher von Arbeitslosenhilfe, die von der Regelung des § 428 Abs. 1 Satz 1 SGB III Gebrauch gemacht haben, als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwerfen wollte. Dass das Bundessozialgericht wegen seiner eigenen Rechtsprechung dazu die Klärungsbedürftigkeit in einem Revisionsverfahren verneint und deshalb die Beschwerde als unzulässig verworfen hat, kann ihm im Rahmen der Zulässigkeitsvoraussetzungen der Verfassungsbeschwerde nicht entgegengehalten werden. Selbst wenn in der Rechtsprechung eines obersten Fachgerichts nach dessen Auffassung bereits alle wesentlichen Aspekte einer Verfassungsfrage gewürdigt wurden, ist es einem Beschwerdeführer möglich und verfassungsrechtlich auch bei Berücksichtigung des Grundsatzes der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde zulässig, eine verfassungsgerichtliche Überprüfung dieser Würdigung zu begehren, wenn er dafür vernünftige und gewichtige Gründe anführen kann und es sich um eine verfassungsrechtliche Frage handelt, die umstritten geblieben ist und über die das Bundesverfassungsgericht noch nicht entschieden hat (vgl. BVerfGE 91, 93 <106>).

II.

28

Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu 2) ist unzulässig. Ihr fehlt es bereits an einer nach § 90 Abs. 1 BVerfGG erforderlichen Behauptung, in eigenen Rechten verletzt zu sein. Inhaber eines Arbeitslosenhilfeanspruchs war allein der Beschwerdeführer zu 1). Dass auch die Beschwerdeführerin zu 2) einen derartigen Anspruch gehabt haben soll, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

C.

29

Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 1) ist unbegründet. Die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe verstößt weder gegen Art. 14 Abs. 1 GG noch gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG. Auch die hierauf beruhenden Entscheidungen des Sozialgerichts und des Landessozialgerichts sowie die vorangegangenen Behördenentscheidungen sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

I.

30

Die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe verletzt den Beschwerdeführer zu 1) nicht in seinem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG, da der gesetzliche Anspruch auf Arbeitslosenhilfe kein Eigentum im Sinne dieses Grundrechts ist. Dies gilt auch für die nach Maßgabe von § 428 Abs. 1 Satz 1 SGB III bezogene Arbeitslosenhilfe.

31

1. a) Sozialrechtliche Ansprüche genießen nur dann grundrechtlichen Eigentumsschutz, wenn es sich um vermögenswerte Rechtspositionen handelt, die dem Rechtsträger nach Art eines Ausschließlichkeitsrechts privatnützig zugeordnet sind, auf nicht unerheblichen Eigenleistungen beruhen und seiner Existenzsicherung dienen (vgl. BVerfGE 69, 272 <300>; 92, 365 <405>; 97, 217 <284>; 100, 1 <32 f.>).

32

Für die Anerkennung einer sozialversicherungsrechtlichen Rechtsposition als Eigentum im Sinne von Art. 14 Abs. 1 GG ist eine an den Versicherungsträger erbrachte Eigenleistung notwendig (vgl. BVerfGE 116, 96 <121>). Nur als Äquivalent einer nicht unerheblichen eigenen Leistung, die der besondere Grund für die Anerkennung als Eigentumsposition ist, erfahren sozialversicherungsrechtliche Anwartschaften den Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 53, 257 <291 f.>, 100, 1 <33>). Nicht von Art. 14 Abs. 1 GG geschützt sind demgegenüber Rechtsstellungen und gesetzliche Ansprüche, soweit sie vorwiegend auf staatlicher Gewährung beruhen (vgl. BVerfGE 22, 241 <253>; 24, 220 <226>; 53, 257 <291 f.>; 100, 1 <33>; 116, 96 <121 f.>).

33

b) Auf dieser Grundlage unterfällt der gesetzliche Anspruch auf Arbeitslosenhilfe dem Grundrechtsschutz des Art. 14 Abs. 1 GG nicht, weil es an dem Beruhen auf nicht unerheblichen Eigenleistungen fehlt.

34

aa) Ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung auf der Einnahmenseite und den Aufwendungen für die Arbeitslosenhilfe auf der Ausgabenseite bestand nicht. Die Arbeitslosenhilfe wurde nicht aus Beitragseinnahmen des Leistungsträgers finanziert; diese dienten allein der Finanzierung des Arbeitslosengeldes. Die Arbeitslosenhilfe wurde hingegen im Auftrag des Bundes erbracht (§ 205 Satz 1 SGB III a.F.). Die Ausgaben für sie trug der Bund aus Steuermitteln (§ 363 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F.).

35

Diese gesetzliche Unterscheidung zwischen einer beitragsfinanzierten "regulären" Entgeltersatzleistung wegen Arbeitslosigkeit und einer steuerfinanzierten Leistung im Anschluss daran wegen Bedürftigkeit steht in einer jahrzehntelangen Tradition. Sie reicht bis zur Einführung der Krisenfürsorge als Ergänzung der seit 1923 beitragsfinanzierten Erwerbslosenfürsorge im Jahr 1926 zurück und fand im Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) von 1927 ihre feste Verankerung. Bereits hier wurde zwischen der beitragsfinanzierten und nicht bedürftigkeitsabhängigen Arbeitslosenunterstützung (§§ 87 ff., § 142 AVAVG a.F.) und der bedürftigkeitsabhängigen und nicht beitragsfinanzierten Krisenunterstützung (§§ 101, 167 AVAVG a.F.) differenziert. Später blieb es bei der Differenzierung der beiden Leistungen und ihrer unterschiedlichen Finanzierung. Der Gesetzgeber hat deshalb mit der Streichung der Arbeitslosenhilfe keine aufgrund ihrer Finanzierung aus Beiträgen eigentumsgeschützte Rechtsposition beseitigt.

36

bb) Die Arbeitslosenhilfe war finanzrechtlich auch nicht als eine aus Beiträgen und Steuermitteln mischfinanzierte Einheit konzipiert (vgl. BVerfGK 6, 266 <270 f.>). Zwischen dem Arbeitslosengeld und der Arbeitslosenhilfe bestanden grundlegende Unterschiede. Die Arbeitslosenhilfe stellte - anders als das Arbeitslosengeld - keine Leistung dar, die dem versicherungstypischen Gegenseitigkeitsverhältnis von Beiträgen und Leistungen im System der Arbeitslosenversicherung entsprang. Das Arbeitslosengeld ist eine Versicherungsleistung, die Arbeitslosenhilfe war es nicht. Ein weiterer Unterschied lag darin, dass das Arbeitslosengeld - wie auch weiterhin - zeitlich begrenzt ist, während die Arbeitslosenhilfe grundsätzlich zeitlich unbegrenzt geleistet wurde. Zudem wurde die Arbeitslosenhilfe - anders als das Arbeitslosengeld - nur bei Bedürftigkeit gewährt. Auf das Arbeitslosengeld ist allein das "mühevolle Nebeneinkommen" (Arbeitsentgelt aus einer weniger als 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung) nach Maßgabe von § 141 SGB III anzurechnen, während bei der Arbeitslosenhilfe zusätzlich das "mühelose Einkommen" aus anderen Quellen als der Verwertung der Arbeitskraft (etwa aus Vermietung oder Kapitalvermögen) zu berücksichtigen war. Ferner wird bei ihr das Vermögen berücksichtigt, während es beim Arbeitslosengeld ohne Bedeutung ist. Die Arbeitslosenhilfe bildete demnach eine nachrangige Leistung, die von der Bedürftigkeit im Einzelfall abhing. An diese konzeptionellen und systematischen Unterschiede zwischen Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe hat die verfassungsrechtliche Beurteilung anzuknüpfen. Sie schließen es aus, beide Leistungen finanzrechtlich als einheitlichen Gesamtanspruch zu betrachten und davon auszugehen, dass sie beide gleichermaßen durch Beiträge und Zuschüsse mischfinanziert wurden und damit auch die Arbeitslosenhilfe zum Teil auf Beitragsleistung beruhte (vgl. BVerfGK 6, 266 <270 f.>). Daran ändert nichts, dass der Gesetzgeber bei der Bemessung der Arbeitslosenhilfe grundsätzlich an das zuletzt erzielte Arbeitsentgelt des Leistungsempfängers anknüpfte (vgl. BVerfGK 6, 266 <271>).

37

cc) Es lässt sich kein hinreichender personaler Bezug zwischen der Beitragsleistung des gegen Arbeitslosigkeit Versicherten und der nach Auslaufen des Arbeitslosengeldbezugs an den Arbeitslosen erbrachten Arbeitslosenhilfe erkennen. Wie die Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die dem Eigentumsschutz des Art. 14 Abs. 1 GG nicht unterfällt (vgl. BVerfGE 97, 271 <284>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 1. März 2010 - 1 BvR 2584/06 -, NVwZ-RR 2010, S. 505 <507>), war die Arbeitslosenhilfe eine sozialpolitisch motivierte Leistung. Mit ihr sollte eine erbrachte Arbeits- und Beitragsleistung über das versicherte Ausmaß hinaus gewürdigt werden. Sie wurde ohne eine eigens hierauf bezogene oder deswegen erhöhte Beitragsleistung des Versicherten gewährt. Dementsprechend folgte auch die Kompetenz des Bundes für die Regelung der Arbeitslosenhilfe als Sozialleistung aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG (öffentliche Fürsorge), während die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Regelungen über das Arbeitslosengeld auf der Zuständigkeitsbestimmung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG für das Gebiet der Sozialversicherung beruht (vgl. BVerfGE 81, 156 <184 ff.>; 87, 234 <256>; BVerfGK 6, 266 <270>).

38

dd) Der Arbeitslosenhilfeanspruch war nicht als lediglich modifizierte Fortsetzung des Arbeitslosengeldanspruchs in Fortwirkung einer früheren Arbeits- oder Beitragsleistung konzipiert (vgl. BVerfGK 6, 266 <270 f.>). Zwar war die Arbeitslosenhilfe arbeitsförderungsrechtlich eng mit dem Arbeitslosengeld verknüpft (vgl. § 190 Abs. 1 Nr. 4, § 198 SGB III a.F.). So galten nach § 198 Satz 1 SGB III a.F. die Ansprüche auf Arbeitslosengeld und auf Arbeitslosenhilfe vorrangig abweichender gesetzlicher Bestimmungen als einheitlicher Anspruch auf Entgeltersatzleistungen bei Arbeitslosigkeit. Hieraus folgte aber nicht, dass die Beitragsleistungen auch auf den Arbeitslosenhilfeanspruch bezogen wurden. § 198 Satz 1 SGB III a.F. berührte nicht den Entstehungsgrund der jeweiligen Leistungen, sondern ordnete lediglich auf der Vollzugsebene an, dass sich Tatbestände, die für den Arbeitslosengeldanspruch rechtserheblich waren, auch auf die anschließende Arbeitslosenhilfe auswirkten. Damit reagierte der Gesetzgeber (vgl. BTDrucks 9/846, S. 47) auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSGE 48, 109), das eine während des Arbeitslosengeldbezugs eingetretene Sperrzeit für den Arbeitslosenhilfeanspruch außer Betracht ließ, und bezog sie gesetzlich wieder in die Voraussetzungen der Arbeitslosenhilfe ein (vgl. auch Krauß, in: PK-SGB III, 2. Aufl. 2004, § 198 Rn. 5).

39

ee) Der Hinweis des Beschwerdeführers zu 1) auf die lange Zeit seiner Versicherungspflicht und Beitragsleistung ändert daran nichts, denn die Arbeitslosenhilfe war nach ihrer gesetzlichen Ausgestaltung kein Äquivalent für die Beitragszahlung. Die Arbeitslosenversicherung ist als Risikoversicherung ausgestaltet, die nach Erwerb einer Anwartschaft zeitlich begrenzte Leistungen bei Arbeitslosigkeit gewährt. Der langjährigen Beitragsleistung des Beschwerdeführers zu 1) stand ab erstmaliger Erfüllung einer gesetzlich vorgesehenen Anwartschaftszeit der Vorteil gegenüber, dass er für einen entsprechend größeren Zeitraum gegen das Risiko der Arbeitslosigkeit abgesichert war.

40

Im Übrigen trägt das Arbeitsförderungsrecht der Zeitspanne des Versicherungsverhältnisses und der der Arbeitslosigkeit vorangegangenen und entrichteten Beiträge in den Regelungen zur Dauer des Arbeitslosengeldanspruchs Rechnung (§ 127 SGB III). Eine derartige Berücksichtigung kannte das Recht der Arbeitslosenhilfe nicht; es behandelte die Arbeitslosen ungeachtet der Dauer vorangehender Versicherungszeiten oder Beitragsleistungen gleich.

41

2. Die Regelung des § 428 Abs. 1 Satz 1 SGB III führt nicht dazu, dass der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe dem Eigentumsschutz des Art. 14 Abs. 1 GG unterlag. Ihr Inhalt vermag das Erfordernis einer nicht unerheblichen Eigenleistung des Hilfebeziehers nicht zu ersetzen. § 428 Abs. 1 Satz 1 SGB III modifiziert vielmehr allein eine Anspruchsvoraussetzung, lässt aber die anderen Anspruchsvoraussetzungen nicht entfallen. Gerade dadurch, dass damit der Zugang zur Arbeitslosenhilfe erleichtert wurde, tritt deren Charakter als sozialpolitisch motivierte Leistung noch deutlicher hervor. Ob ein Versicherter die einseitige Erklärung nach § 428 Abs. 1 Satz 1 SGB III abgab, lag in seiner freien Entscheidung. Sie war weder verbunden mit einer staatlichen Zusage einer dauerhaften Gewährung von Arbeitslosenhilfe noch stellte sie den Anspruch unter grundrechtlichen Schutz.

II.

42

Die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe verstößt nicht gegen das Vertrauensschutzprinzip (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG).

43

1. Rechtsstaatsprinzip und Grundrechte begrenzen die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen, die an Sachverhalte der Vergangenheit anknüpfen. Die Verlässlichkeit der Rechtsordnung ist eine Grundbedingung freiheitlicher Verfassungen (vgl. BVerfGE 109, 133 <180>). Jedoch geht der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz nicht so weit, den Staatsbürger vor jeglicher Enttäuschung seiner Erwartung in die Dauerhaftigkeit der Rechtslage zu schützen (vgl. BVerfGE 30, 367 <389>; 68, 287 <307>; 109, 133 <180>). Die schlichte Erwartung, das geltende Recht werde auch in der Zukunft unverändert fortbestehen, ist verfassungsrechtlich nicht geschützt (vgl. BVerfGE 68, 193 <222>; 105, 17 <40>; 109, 133 <180 f.>).

44

2. Es liegt weder eine Rückwirkung vor noch war der Beschwerdeführer zu 1) aus anderen Gründen vor einer Änderung der Rechtslage geschützt.

45

a) Eine echte Rückwirkung liegt vor, wenn ein Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift oder wenn der Beginn seiner zeitlichen Anwendung auf einen Zeitpunkt festgelegt ist, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm durch ihre Verkündung rechtlich existent, das heißt gültig geworden ist (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juli 2010 - 1 BvL 11/06 u. a. -, juris, Rn. 71 m.w.N.).

46

Die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe hat keine echte Rückwirkung entfaltet. Art. 3 Nr. 14 und Nr. 15 des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, das am 29. Dezember 2003 verkündet worden ist (BGBl I S. 2954), hat den Anspruch auf Arbeitslosenhilfe in früheren, bereits vollständig abgeschlossenen Bewilligungsabschnitten unberührt gelassen. Beide Regelungen wirkten sich lediglich auf zukünftige Bewilligungsabschnitte aus, indem sie zunächst eine Neu- oder Weiterbewilligung nur für die Zeit bis zum 31. Dezember 2004 zuließen (Art. 3 Nr. 14) und sodann eine Bewilligung für die Zeit ab dem 1. Januar 2005 ausschlossen (Art. 3 Nr. 15).

47

b) Eine unechte Rückwirkung oder tatbestandliche Rückanknüpfung liegt vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet (vgl. BVerfGE 69, 272 <309>; 72, 141 <154>; 101, 239 <263>; 123, 186 <257>) oder wenn die Rechtsfolgen einer Norm zwar erst nach ihrer Verkündung eintreten, deren Tatbestand aber Sachverhalte erfasst, die bereits vor der Verkündung "ins Werk gesetzt" worden sind (vgl. BVerfGE 72, 200 <242>; 97, 67 <79>; 105, 17 <37 f.>; 109, 133 <181>).

48

Die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe bewirkt keine solche unechte Rückwirkung oder tatbestandliche Rückanknüpfung. Der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe hatte durch die Rechtsordnung keine Ausgestaltung erfahren, die über das Ende des jeweiligen Bewilligungsabschnitts hinaus eine verfestigte Anspruchsposition begründete. Die Arbeitslosenhilfe wurde vielmehr abschnittsweise und nur nach einer Neuprüfung der Anspruchsvoraussetzungen bewilligt (§ 190 Abs. 3 SGB III a.F.). Die einmal erfolgte Bewilligung vermochte weder in ihrem Verfügungssatz noch in den ihr zugrunde liegenden Feststellungen eine über den im Bescheid geregelten Zeitraum hinausgehende Rechtsposition zu begründen. Ein Recht, das durch den Vertrauensschutzgrundsatz gegen seine nachträgliche Entwertung hätte geschützt werden können, entstand daher frühestens mit der jeweiligen Neu- oder Weiterbewilligung der Arbeitslosenhilfe und bezog sich nur auf die Zeit bis zum Ablauf des jeweiligen Bewilligungsabschnitts.

49

Eine unabhängig vom Bewilligungsakt bestehende Erwartung des Bürgers, er werde - den Fortbestand der jeweiligen Rechtslage vorausgesetzt - in einer bestimmten zukünftigen Sachlage leistungsberechtigt sein, ist mangels hinreichender Konkretisierung kein solches geschütztes Recht. Denn die Verfassung gewährt keinen Schutz vor einer nachteiligen Veränderung der geltenden Rechtslage (vgl. BVerfGE 38, 61 <83>; 105, 17 <40>). Eine schützenswerte Rechtsposition liegt daher nicht schon in der voraussichtlichen Einschlägigkeit bestimmter Vorschriften in der Zukunft.

50

c) Besonderheiten für Arbeitslosenhilfebezieher nach § 428 Abs. 1 Satz 1 SGB III ergeben sich insoweit nicht. Der Umstand, dass ein Arbeitsloser die Arbeitslosenhilfe unter den besonderen Voraussetzungen von § 428 Abs. 1 Satz 1 SGB III in Anspruch nahm, modifizierte seine Rechtsbeziehungen zur Bundesagentur für Arbeit nicht in einer Weise, dass im Unterschied zum regulären Arbeitslosenhilfebezug ein hinreichend verfestigter Anspruch auf Arbeitslosenhilfe jenseits des aktuellen Bewilligungsabschnitts entstanden wäre. Es wurde lediglich von zwei Tatbestandsvoraussetzungen des Anspruchs abgesehen, ohne dass Inhalt und Umfang des Anspruchs sich verändert hätten. Die Abgabe der Erklärung im Sinne von § 428 Abs. 1 Satz 1 SGB III erweist sich nicht als Disposition des Arbeitslosen, die schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand des Anspruchs begründen konnte. § 428 Abs. 1 Satz 1 SGB III hat keinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres oder bis zur Inanspruchnahme einer abschlagsfreien Altersrente eingeräumt.

51

d) Zudem kann sich der Beschwerdeführer zu 1) nicht auf Vertrauensschutz berufen, weil er die Erklärung im Sinne von § 428 Abs. 1 Satz 1 SGB III erst im Juni 2004 abgegeben hat. Bereits im Dezember 2003 war aber durch Art. 3 Nr. 14 und Nr. 15 des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl I S. 2954) festgelegt worden, dass Arbeitslosenhilfe längstens bis zum 31. Dezember 2004 bewilligt werden durfte und anschließend als Leistungsart vollständig wegfiel. Damit bestand für den Beschwerdeführer zu 1) von vornherein keine Grundlage für die Bildung schutzwürdigen Vertrauens mit dem Inhalt, dass Arbeitslosenhilfe über den 31. Dezember 2004 hinaus gewährt würde.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 29. April 2009 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Arbeitslosengeld dem Kläger auch für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis 16. März 2008 nach einem Bemessungsentgelt von 98,00 Euro (täglich) zu zahlen ist.

Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten im Revisionsverfahren (nur) noch darüber, ob dem Kläger für die Zeit vom 1.10.2007 bis 16.3.2008 höheres Arbeitslosengeld (Alg) unter Zugrundelegung der Bezugsgröße West zusteht.

2

Der 1980 geborene Kläger (ledig, keine Kinder, Lohnsteuerklasse I) absolvierte in der Zeit von August 2001 bis Juni 2004 eine Ausbildung zum Industriekaufmann. Vom 1.10.2004 bis 30.9.2007 studierte er an der Berufsakademie G. Das Studium schloss er als "Diplom-Betriebswirt (Berufsakademie) - Dipl.-Betriebswirt (BA)" in der Studienrichtung Bauwirtschaft ab. Während seines Studiums absolvierte er in G. eine betriebliche Berufsausbildung, für die keine Ausbildungsvergütung vereinbart und auch tatsächlich nicht gezahlt wurde. Vielmehr wurden lediglich während der gesamten Dauer des Ausbildungsvertrags für den Kläger Beiträge zur Arbeitslosenversicherung unter Zugrundelegung eines Arbeitsentgelts in Höhe von 1 % der Bezugsgröße (vgl § 342 Sozialgesetzbuch Drittes Buch) entrichtet.

3

Auf seinen Antrag vom 27.9.2007 gewährte die Beklagte dem Kläger Alg ab 1.10.2007 bis 16.3.2008 unter Zugrundelegung eines Bemessungsentgelts von 22,59 Euro (täglich) entsprechend der tariflichen Ausbildungsvergütung vergleichbarer Auszubildender (drittes Ausbildungsjahr, West). Der tägliche Leistungssatz belief sich auf 10,71 Euro (Bescheid vom 8.10.2007; Widerspruchsbescheid vom 30.10.2007).

4

Das Sozialgericht (SG) hat mit Gerichtsbescheid vom 14.10.2008 die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger Alg auf der Grundlage einer fiktiven Bemessung nach § 132 SGB III zu gewähren. Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 29.4.2009 die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und auf die Anschlussberufung des Klägers und seine weitergehende Klage die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide (einschließlich des Änderungsbescheids vom 28.2.2008) verurteilt, dem Kläger bei Zuordnung zur Qualifikationsgruppe I Alg vom 1.10.2007 bis 16.3.2008 auf der Grundlage einer fiktiven Bemessung nach § 132 Abs 2 Satz 2 Nr 1 SGB III und unter Heranziehung der Bezugsgröße West zu gewähren. Zur maßgeblichen Bezugsgröße hat das LSG ausgeführt, § 408 SGB III sei für den Kläger nicht einschlägig. Laut dieser Vorschrift sei zwar die Bezugsgröße für das in Art 3 des Einigungsvertrags genannte Gebiet (Beitrittsgebiet) maßgebend, wenn der Beschäftigungsort im Beitrittsgebiet liege, soweit Vorschriften dieses Gesetzbuchs (des SGB III) bei Entgelten an die Bezugsgröße anknüpfen. § 408 Nr 1 SGB III stelle jedoch erkennbar auf das Entgelt aus einer ausgeübten Beschäftigung ab, was durch die Bezugnahme auf den konkreten Beschäftigungsort(§ 9 Sozialgesetzbuch Viertes Buch) deutlich werde. Die Vorschrift sei folglich bei der vorliegenden Fallgestaltung einer fiktiven Bemessung weder direkt noch analog anwendbar, zumal bei einem Arbeitslosen, der keinerlei Einschränkungen seiner Verfügbarkeit geltend gemacht habe. Dem Wohnsitz eines Arbeitslosen könne keine zwangsläufige Bedeutung zugemessen werden, wenn er sich für Vermittlungsbemühungen im gesamten Bundesgebiet zur Verfügung stelle. Gegenteiliges ergebe sich auch nicht aus § 121 Abs 4 SGB III. Diese Vorschrift regele nur, welche Tagespendelstrecke einem Arbeitslosen zumutbar sei. Dies schließe nicht aus, dass er eine Arbeit außerhalb des zumutbaren Tagespendelbereichs aufnehmen dürfe. Dem Kläger stehe daher für die Zeit vom 1.10. bis 31.12.2007 Alg unter Zugrundelegung eines täglichen Arbeitsentgelts in Höhe von (einem Dreihundertstel der Bezugsgröße West <29 400,00 Euro> =) 98,00 Euro und für die Zeit vom 1.1. bis 16.3.2008 Alg unter Zugrundelegung eines täglichen Arbeitsentgelts in Höhe von (einem Dreihundertstel der Bezugsgröße West <29 829,00 Euro> =) 99,40 Euro zu.

5

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Beklagte - nachdem sie mit Änderungsbescheid vom 29.4.2011 dem Kläger für die Zeit vom 1.10.2007 bis 16.3.2008 Alg auf der Grundlage einer fiktiven Bemessung nach § 132 Abs 2 Satz 2 Nr 1 SGB III unter Heranziehung der Bezugsgröße Ost gewährt und insoweit ihre Revision zurückgenommen hat - nur noch eine Verletzung von § 408 Nr 1 SGB III. Diese Vorschrift sei hier anzuwenden. Der Kläger habe sich zwar der Arbeitsvermittlung uneingeschränkt zur Verfügung gestellt. Er habe jedoch im Beitrittsgebiet eine Ausbildung absolviert und vor Beginn der Ausbildung seinen Beschäftigungsort ausschließlich im Beitrittsgebiet gehabt. Trotz der uneingeschränkten Vermittelbarkeit des Klägers seien auch die Vermittlungsbemühungen der zuständigen Agentur gemäß § 121 Abs 4 Satz 1 bis 3 SGB III in erster Linie auf Beschäftigungen im Tagespendelbereich zu erstrecken. Insoweit sei auch auf § 121 Abs 4 Satz 4 SGB III zu verweisen, wonach ein Umzug zur Aufnahme einer Beschäftigung außerhalb des zumutbaren Pendelbereichs (nur dann) zumutbar sei, wenn nicht zu erwarten sei, dass der Arbeitslose innerhalb der ersten drei Monate der Arbeitslosigkeit eine Beschäftigung innerhalb des zumutbaren Pendelbereichs aufnehmen werde. Um eine Benachteiligung von Arbeitslosen, deren Entgelt nach §§ 130, 131 SGB III ermittelt werde, gegenüber Arbeitslosen, deren Entgelt fiktiv nach § 132 SGB III bemessen werde, zu vermeiden, müsse auf ein objektives Kriterium abgestellt werden. Es könne nicht auf die subjektive Arbeitsbereitschaft und die bloße Erklärung des Arbeitslosen, für Beschäftigungen im gesamten Bundesgebiet zur Verfügung zu stehen, abgestellt werden.

6

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 29.4.2009 insoweit abzuändern, als damit auf die Anschlussberufung des Klägers und seine weitergehende Klage die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 8.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.10.2007 und des Bescheids vom 28.10.2008 verurteilt worden ist, dem Kläger Alg vom 1.10.2007 bis 16.3.2008 unter Heranziehung der Bezugsgröße West zu gewähren.

7

Der im Revisionsverfahren nicht vertretene Kläger hat keinen Antrag gestellt und sich im Revisionsverfahren nicht zur Sache geäußert.

8

Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs 2 SGG einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten hat nur hinsichtlich der aus dem Entscheidungssatz ersichtlichen Maßgabe Erfolg (hierzu unter 2c). Der Kläger hat Anspruch auf höheres Alg, und zwar unter Zugrundelegung eines Bemessungsentgelts von 98,00 Euro.

10

1. Von Amts wegen zu beachtende Verfahrenshindernisse stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind der Bescheid vom 8.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.10.2007 und der Änderungsbescheid vom 28.2.2008 (zum Änderungsbescheid vom 29.4.2011 unter 3). Die Beklagte hat ihre Revision ausdrücklich insoweit zurückgenommen, als sie vom LSG zur Gewährung höheren Alg bei Zuordnung zur Qualifikationsgruppe 1 auf der Grundlage einer fiktiven Bemessung nach § 132 Abs 2 Satz 2 Nr 1 SGB III verurteilt worden ist. Damit bleibt weiterhin Streitgegenstand die Höhe der Leistung, wenn auch zwischen den Beteiligten nur noch die Frage streitig ist, ob der Bemessung des Alg die Bezugsgröße Ost oder West zugrunde zu legen ist (zur Unzulässigkeit einer reinen Elementenfeststellung vgl BSG Urteil vom 18.5.2010 - B 7 AL 49/08 R - SozR 4-4300 § 122 Nr 8 RdNr 9).

11

2. Zu den Voraussetzungen des Anspruchs auf Alg (§§ 117, 118 SGB III), ohne deren Vorliegen auch eine Klage auf höhere Leistung keinen Erfolg hätte (stRspr; vgl zuletzt Urteile des Senats vom 6.5.2009 - B 11 AL 7/08 R - SozR 4-4300 § 130 Nr 5 RdNr 13 und vom 3.12.2009 - B 11 AL 42/08 R - BSGE 105, 94 ff = demnächst in SozR 4-4300 § 132 Nr 4 RdNr 10), hat das LSG für das Revisionsgericht bindend festgestellt (§ 163 SGG), dass sich der Kläger am 27.9.2007 mit Wirkung zum 1.10.2007 arbeitslos gemeldet hat (§ 118 Abs 1 Nr 2, § 122 Abs 1 SGB III). Nach den Feststellungen des LSG war der Kläger ab 1.10.2007 beschäftigungslos und hat sich uneingeschränkt der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt, sodass er arbeitslos iS der § 118 Abs 1 Nr 1, § 119 ff SGB III war. Den Feststellungen des LSG ist ferner zu entnehmen, dass der Kläger die Anwartschaftszeit erfüllt hatte (§ 118 Abs 1 Nr 3, §§ 123, 124 SGB III).

12

Zur Höhe des Anspruchs hat das LSG zu Recht entschieden, dass dem Kläger für die Zeit ab 1.10.2007 ein Anspruch auf Alg unter Zugrundelegung eines täglichen Arbeitsentgelts in Höhe von (einem Dreihundertstel der Bezugsgröße West <29 400,00 Euro> =) 98,00 Euro zusteht. Diese im Jahr der Anspruchsentstehung 2007 maßgebliche Bezugsgröße bleibt allerdings - entgegen der Rechtsansicht des LSG - nicht nur für die Zeit bis 31.12.2007 maßgebend, sondern auch für die weitere Dauer des Leistungsanspruchs bis 16.3.2008.

13

a) Gemäß § 132 Abs 2 Satz 2 Nr 1 SGB III ist bei der Qualifikationsgruppe 1 ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Dreihundertstel der Bezugsgröße zugrunde zu legen. Die dabei maßgebliche Bezugsgröße West für das Jahr 2007 beträgt 29 400,00 Euro (vgl § 2 Abs 1 Sozialversicherungs-Rechengrößengesetz 2007 vom 2.12.2006, BGBl I 2724, 2746); hieraus errechnet sich für die streitige Zeit ab 1.10.2007 bis 16.3.2008 der Betrag von 98,00 Euro (= ein Dreihundertstel der Bezugsgröße West). Entgegen der Rechtsansicht des LSG ist dieser Wert der Bezugsgröße West für den gesamten Zeitraum zugrunde zu legen (dazu unter c).

14

b) Die in den angefochtenen Bescheiden der Beklagten vorgenommene Bemessung nach der niedrigeren Bezugsgröße Ost ist rechtswidrig. Sie lässt sich nicht auf § 408 Nr 1 SGB III iVm § 132 SGB III stützen.

15

aa) Nach § 408 Nr 1 SGB III ist, soweit Vorschriften dieses Buches bei Entgelten oder Beitragsbemessungsgrundlagen an die Bezugsgröße anknüpfen, die Bezugsgröße für das in Art 3 des Einigungsvertrags genannte Gebiet (Beitrittsgebiet) maßgebend, wenn der Beschäftigungsort im Beitrittsgebiet liegt.

16

Wie bereits der 7. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) in seiner Entscheidung vom 18.5.2010 (B 7 AL 49/08 R - SozR 4-4300 § 122 Nr 8, RdNr 19, mwN) ausgeführt hat, stellt § 408 Nr 1 SGB III erkennbar auf das Entgelt aus einer ausgeübten Beschäftigung ab, was durch die Bezugnahme auf den konkreten Beschäftigungsort(§ 9 SGB IV) deutlich wird. Wie der 7. Senat in der genannten Entscheidung weiter ausgeführt hat, geht es bei der Anwendung des § 132 SGB III jedoch nicht um das früher erzielte Entgelt, sondern darum, auf welche Tätigkeit die Beklagte ihre Vermittlungsbemühungen zu erstrecken hat. Der 7. Senat hat daraus gefolgert, dass die Ausgangslage beider Vorschriften nicht identisch sei und sich damit auch eine generelle analoge Anwendung verbiete. Dieser Rechtsprechung schließt sich der erkennende Senat nach eigener Prüfung an.

17

bb) Soweit die Beklagte dieser Rechtsprechung entgegenhält, der Kläger habe nicht nur seine Ausbildung in den neuen Bundesländern (im Beitrittsgebiet) zurückgelegt, sondern im Zeitpunkt der Alg-Antragstellung seinen Wohnsitz im Beitrittsgebiet gehabt, und demzufolge sei die zuständige Agentur (vgl § 327 Abs 1 SGB III) - trotz der uneingeschränkten Vermittlungsbereitschaft des Klägers - gemäß § 121 Abs 4 SGB III zunächst zu einer wohnortnahen Vermittlung, also zur Vermittlung im Tagespendelbereich um seinen bisherigen Wohnsitz, gehalten gewesen, vermag diese Argumentation nicht zu überzeugen.

18

Nach den von der Beklagten nicht mit zulässigen Verfahrensrügen angegriffenen und daher gemäß § 163 SGG bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG hatte sich der (ledige und kinderlose) Kläger der Arbeitsvermittlung uneingeschränkt zur Verfügung gestellt. Sein zukünftiger "Beschäftigungsort" war also - ebenso wie bei der vom 7. Senat des BSG entschiedenen Fallgestaltung (aaO) - nicht auf das Beitrittsgebiet beschränkt. Demzufolge sind alle Beschäftigungen zu berücksichtigen, die ein nicht ortsgebundener Arbeitsloser auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im gesamten Bundesgebiet verrichten kann (ebenso Coseriu in Mutschler/Bartz/Schmidt-De Caluwe, SGB III, 3. Aufl 2008, § 132 RdNr 29; Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, § 408 RdNr 30, Stand Einzelkommentierung Dezember 2010; Rolfs in Gagel, SGB II/SGB III, § 132 SGB III RdNr 13, Stand Einzelkommentierung März 2011).

19

§ 327 Abs 1 SGB III, wonach für Leistungen an Arbeitnehmer die Agentur für Arbeit zuständig ist, in deren Bezirk der Arbeitnehmer bei Eintritt der leistungsbegründenden Tatbestände seinen Wohnsitz hat, regelt (nur) die örtliche Zuständigkeit im Bereich des Leistungsrechts(vgl ua Stratmann in Niesel/Brandt, SGB III, 5. Aufl 2010, § 327 RdNr 2, 5 ff; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, K § 327 RdNr 76 ff, 88 ff, Stand Einzelkommentierung Juli 2007; Striebinger in Gagel, SGB II/SGB III, § 327 SGB III RdNr 9 ff, Stand Einzelkommentierung Juli 2009). Demzufolge hat der Kläger; der im Zeitpunkt der Antragstellung seinen Wohnsitz in G. hatte, bei der Agentur für Arbeit G. seinen Leistungsantrag gestellt. Diese örtliche Zuständigkeitsregelung ist indes nicht geeignet, als objektives Kriterium für eine Begrenzung der Verfügbarkeit eines Leistungsempfängers zu dienen. Auch die von der Beklagten geltend gemachte (angebliche) unauflösbare Diskrepanz zwischen den Regelungsgehalten des § 121 Abs 4 SGB III und den Regelungen zur fiktiven Bemessung des Alg - im Falle einer Nichtanwendbarkeit des § 408 Nr 1 SGB III - ist nicht ersichtlich.

20

§ 121 Abs 4 SGB III regelt nur - worauf bereits das LSG zu Recht hingewiesen hat -, welche Tagespendelstrecke einem Arbeitslosen zumutbar ist. Nach § 121 Abs 1 SGB III sind einem Arbeitslosen alle seiner Arbeitsfähigkeit entsprechenden Beschäftigungen zumutbar, soweit allgemeine oder personenbezogene Gründe der Zumutbarkeit einer Beschäftigung nicht entgegenstehen. In den Absätzen 2 bis 4 des § 121 SGB III sind die allgemeinen Gründe (Abs 2), die personenbezogenen Gründe hinsichtlich des Arbeitsentgelts (Abs 3) und die personenbezogenen Gründe hinsichtlich Pendelzeiten (Abs 4) näher erläutert. Die in § 121 SGB III enthaltenen Durchbrechungen des Grundsatzes der Zumutbarkeit sind also Schutzvorschriften zugunsten des Arbeitslosen. Sie schließen keineswegs aus, dass er auch innerhalb der ersten drei Monate der Arbeitslosigkeit eine Arbeit außerhalb des zumutbaren Tagespendelbereichs aufnehmen darf. Hat sich also, wie hier vom LSG festgestellt, der Kläger zu Beginn seiner Arbeitslosigkeit für Vermittlungsbemühungen im gesamten Bundesgebiet zur Verfügung gestellt, bestehen gerade auch vor dem Hintergrund der persönlichen Lebensumstände des Klägers (ledig, kinderlos, Arbeitsaufnahme am 17.3.2008 in B.) keine Anhaltspunkte, die Schlussfolgerung des LSG, der Kläger sei uneingeschränkt vermittelbar gewesen, revisionsrechtlich zu beanstanden. Es bedarf deshalb auch keiner weiteren Vertiefung, dass die Beklagte in ihrem Ausgangsbescheid vom 8.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.10.2007 zunächst selbst das tarifliche Entgelt im dritten Ausbildungsjahr "West" zugrunde gelegt hat.

21

cc) Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten führt die Nichtanwendbarkeit es § 408 Nr 1 SGB III bei Arbeitslosen, deren Anspruch auf Alg nach einem fiktiven Arbeitsentgelt gemäß § 132 SGB III bestimmt wird, nicht zu einer sachwidrigen Benachteiligung von Arbeitslosen, deren Entgelt nach §§ 130, 131 SGB III ermittelt wird. Denn es handelt sich insoweit um unterschiedliche Sachverhaltsgestaltungen und Personengruppen. Während bei Arbeitslosen, deren Entgelt nach den §§ 130, 131 SGB III ermittelt wird, an eine zuletzt ausgeübte Beschäftigung angeknüpft werden kann, ist dies bei der fiktiven Bemessung nach § 132 SGB III gerade nicht der Fall; deshalb kann auch an keinen (zukünftigen) Beschäftigungsort angeknüpft werden (vgl 7. Senat, Urteil vom 18.5.2010, aaO). Aus Sicht des erkennenden Senats bestehen auch keine Anhaltspunkte für eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots nach Art 3 Abs 1 Grundgesetz. Im Gegenteil würden, wollte man der Rechtsansicht der Beklagten folgen, die Schutzvorschriften des § 121 Abs 3 und 4 SGB III in ihr Gegenteil verkehrt.

22

c) Die Revision der Beklagten hat jedoch insoweit Erfolg, als das Alg des Klägers für die Zeit vom 1.1. bis 16.3.2008 - anders als vom LSG in den Entscheidungsgründen (die insoweit als Ergänzung seines Entscheidungssatzes zu verstehen sind) ausgeführt - nach dem für das Jahr 2007 maßgebenden Wert der Bezugsgröße West zu berechnen ist.

23

Das fiktive Arbeitsentgelt wird ausgehend von den Verhältnissen bestimmt, die zum Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs auf Alg vorliegen. Dies hat das BSG in einer Entscheidung vom 23.11.1988 (BSGE 64, 174, 175 = SozR 4100 § 112 Nr 42 S 198) zur früheren Regelung des § 112 Abs 7 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) bereits klargestellt. Daran hat sich nach Inkrafttreten des SGB III und mit der ab 1.1.2005 eingeführten Vorschrift des § 132 SGB III durch das Gesetz vom 23.12.2003 (BGBl I 2848) insoweit nichts geändert (vgl ua Behrend in Eicher/Schlegel, SGB III, § 132 RdNr 30, Stand Einzelkommentierung Januar 2006). In gleicher Weise wie das reguläre Bemessungsentgelt nach § 131 SGB III bleibt das fiktive Arbeitsentgelt nach § 132 SGB III bis zur Erschöpfung des Anspruchs für die Bemessung des Alg maßgebend(ebenso Behrend in Eicher/Schlegel, aaO; Marschner in Gemeinschafts-Komm, SGB III, § 132 RdNr 11, Stand Einzelkommentierung November 2010). Entgegen der Rechtsansicht des LSG ist also der Wert der Bezugsgröße West 2007 für den gesamten streitigen Zeitraum und nicht nur für die Zeit bis zum 31.12.2007 zugrunde zu legen. Der Entscheidungssatz des Berufungsurteils war daher entsprechend klarzustellen.

24

3. Auf dieser Grundlage ist der Rechtsstreit abschließend erledigt, ohne dass der Änderungsbescheid vom 29.4.2011 nach § 171 Abs 2 SGG "als mit der Klage beim Sozialgericht angefochten" gälte. Denn insoweit ist der in der genannten Vorschrift geregelte Ausnahmetatbestand verwirklicht, dass "dem Klagebegehren durch die Entscheidung des Revisionsgerichts zum ersten Verwaltungsakt in vollem Umfange genügt wird". Die Rechtshängigkeit beim SG, die mit Bekanntgabe des Bescheids vom 29.4.2011 eingesetzt hat, wird durch die vorliegende Entscheidung wieder beseitigt (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 171 RdNr 4; Lüdtke in Nomos-Komm, SGG, 3. Aufl 2009, § 171 RdNr 5; Böttiger in Breitkreuz/Fichte, SGG, § 171 RdNr 14).

25

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Wer andere Personen zur Berufsausbildung einstellt (Ausbildende), hat mit den Auszubildenden einen Berufsausbildungsvertrag zu schließen.

(2) Auf den Berufsausbildungsvertrag sind, soweit sich aus seinem Wesen und Zweck und aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, die für den Arbeitsvertrag geltenden Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze anzuwenden.

(3) Schließen die gesetzlichen Vertreter oder Vertreterinnen mit ihrem Kind einen Berufsausbildungsvertrag, so sind sie von dem Verbot des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs befreit.

(4) Ein Mangel in der Berechtigung, Auszubildende einzustellen oder auszubilden, berührt die Wirksamkeit des Berufsausbildungsvertrages nicht.

(5) Zur Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen der Ausbildenden können mehrere natürliche oder juristische Personen in einem Ausbildungsverbund zusammenwirken, soweit die Verantwortlichkeit für die einzelnen Ausbildungsabschnitte sowie für die Ausbildungszeit insgesamt sichergestellt ist (Verbundausbildung).

(1) Ausbildende haben Auszubildenden eine angemessene Vergütung zu gewähren. Die Vergütung steigt mit fortschreitender Berufsausbildung, mindestens jährlich, an.

(2) Die Angemessenheit der Vergütung ist ausgeschlossen, wenn sie folgende monatliche Mindestvergütung unterschreitet:

1.
im ersten Jahr einer Berufsausbildung
a)
515 Euro, wenn die Berufsausbildung im Zeitraum vom 1. Januar 2020 bis zum 31. Dezember 2020 begonnen wird,
b)
550 Euro, wenn die Berufsausbildung im Zeitraum vom 1. Januar 2021 bis zum 31. Dezember 2021 begonnen wird,
c)
585 Euro, wenn die Berufsausbildung im Zeitraum vom 1. Januar 2022 bis zum 31. Dezember 2022 begonnen wird, und
d)
620 Euro, wenn die Berufsausbildung im Zeitraum vom 1. Januar 2023 bis zum 31. Dezember 2023 begonnen wird,
2.
im zweiten Jahr einer Berufsausbildung den Betrag nach Nummer 1 für das jeweilige Jahr, in dem die Berufsausbildung begonnen worden ist, zuzüglich 18 Prozent,
3.
im dritten Jahr einer Berufsausbildung den Betrag nach Nummer 1 für das jeweilige Jahr, in dem die Berufsausbildung begonnen worden ist, zuzüglich 35 Prozent und
4.
im vierten Jahr einer Berufsausbildung den Betrag nach Nummer 1 für das jeweilige Jahr, in dem die Berufsausbildung begonnen worden ist, zuzüglich 40 Prozent.
Die Höhe der Mindestvergütung nach Satz 1 Nummer 1 wird zum 1. Januar eines jeden Jahres, erstmals zum 1. Januar 2024, fortgeschrieben. Die Fortschreibung entspricht dem rechnerischen Mittel der nach § 88 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe g erhobenen Ausbildungsvergütungen im Vergleich der beiden dem Jahr der Bekanntgabe vorausgegangenen Kalenderjahre. Dabei ist der sich ergebende Betrag bis unter 0,50 Euro abzurunden sowie von 0,50 Euro an aufzurunden. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung gibt jeweils spätestens bis zum 1. November eines jeden Kalenderjahres die Höhe der Mindestvergütung nach Satz 1 Nummer 1 bis 4, die für das folgende Kalenderjahr maßgebend ist, im Bundesgesetzblatt bekannt. Die nach den Sätzen 2 bis 5 fortgeschriebene Höhe der Mindestvergütung für das erste Jahr einer Berufsausbildung gilt für Berufsausbildungen, die im Jahr der Fortschreibung begonnen werden. Die Aufschläge nach Satz 1 Nummer 2 bis 4 für das zweite bis vierte Jahr einer Berufsausbildung sind auf der Grundlage dieses Betrages zu berechnen.

(3) Angemessen ist auch eine für den Ausbildenden nach § 3 Absatz 1 des Tarifvertragsgesetzes geltende tarifvertragliche Vergütungsregelung, durch die die in Absatz 2 genannte jeweilige Mindestvergütung unterschritten wird. Nach Ablauf eines Tarifvertrages nach Satz 1 gilt dessen Vergütungsregelung für bereits begründete Ausbildungsverhältnisse weiterhin als angemessen, bis sie durch einen neuen oder ablösenden Tarifvertrag ersetzt wird.

(4) Die Angemessenheit der vereinbarten Vergütung ist auch dann, wenn sie die Mindestvergütung nach Absatz 2 nicht unterschreitet, in der Regel ausgeschlossen, wenn sie die Höhe der in einem Tarifvertrag geregelten Vergütung, in dessen Geltungsbereich das Ausbildungsverhältnis fällt, an den der Ausbildende aber nicht gebunden ist, um mehr als 20 Prozent unterschreitet.

(5) Bei einer Teilzeitberufsausbildung kann eine nach den Absätzen 2 bis 4 zu gewährende Vergütung unterschritten werden. Die Angemessenheit der Vergütung ist jedoch ausgeschlossen, wenn die prozentuale Kürzung der Vergütung höher ist als die prozentuale Kürzung der täglichen oder der wöchentlichen Arbeitszeit. Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 bis 4, auch in Verbindung mit Absatz 2 Satz 2 bis 7, sind mit der Maßgabe anzuwenden, dass für die nach § 7a Absatz 2 Satz 1 verlängerte Dauer der Teilzeitberufsausbildung kein weiterer Anstieg der Vergütung erfolgen muss.

(6) Sachleistungen können in Höhe der nach § 17 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch festgesetzten Sachbezugswerte angerechnet werden, jedoch nicht über 75 Prozent der Bruttovergütung hinaus.

(7) Eine über die vereinbarte regelmäßige tägliche Ausbildungszeit hinausgehende Beschäftigung ist besonders zu vergüten oder durch die Gewährung entsprechender Freizeit auszugleichen.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.