Bundesgerichtshof Urteil, 20. Dez. 2011 - X ZR 53/11

bei uns veröffentlicht am20.12.2011
vorgehend
Bundespatentgericht, 3 Ni 26/09, 25.01.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 53/11 Verkündet am:
20. Dezember 2011
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Glasfasern
EPÜ Art. 54; PatG § 3
Durch eine Veröffentlichung, in der hinsichtlich einer bestimmten Gruppe von
Produkten die Vermutung geäußert wird, dass diese Krebs verursachen können
, ist die Verwendung eines dieser Produkte für Zwecke, bei denen kein kanzerogenes
Potential vorhanden sein darf, nicht offenbart.
EPÜ Art. 56; PatG § 4
Besteht hinsichtlich einer bestimmten Gruppe von Produkten die Vermutung,
dass diese Krebs verursachen können, so hat der Fachmann auch dann nicht
ohne weiteres Anlass, aufwendige Versuche zur Ermittlung von eventuellen
Unterschieden hinsichtlich des kanzerogenen Potentials der einzelnen Produkte
anzustellen, wenn in einer Veröffentlichung berichtet wird, dass ein Hersteller
solche Versuche für bestimmte Produkte bereits in Auftrag gegeben hat.
BGH, Urteil vom 20. Dezember 2011 - X ZR 53/11 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche
Verhandlung vom 20. Dezember 2011 durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Gröning, Dr. Bacher und Hoffmann sowie die
Richterin Schuster

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 25. Januar 2011 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 399 320 (Streitpatents), das am 12. Mai 1990 unter Inanspruchnahme der Priorität einer deutschen Anmeldung vom 25. Mai 1989 angemeldet worden ist und die Verwendung von Glasfasern, die kein kanzerogenes Potential zeigen, betrifft. Das Streitpatent ist im Einspruchsverfahren in geänderter Fassung aufrechterhalten worden und umfasst in dieser Fassung drei Patentansprüche, von denen die beiden ersten in der Verfahrenssprache Deutsch wie folgt lauten: "1. Verwendung der Glasfasern mit der folgenden in Mol-% angegebenen Glaszusammensetzung : SiO 55-70 vorzugsweise 58-65

2

B O 0-5 vorzugsweise 0-4 2 3 AI O 0-3 vorzugsweise 0-1 2 3 TiO 0-6 vorzugsweise 0-3

2

Eisenoxide 0-2 vorzugsweise 0-1 MgO 1-4 CaO 8-24 vorzugsweise 12-20 NaO 10-20 vorzugsweise 12-18

2

KO 0-5 vorzugsweise 0,2-3

2

Fluorid 0-2 vorzugsweise 0-1 und die einen Durchmesser von < 8 μm besitzen, wobei mehr als 10% der Glasfasern einen Durchmesser von < 3 μm aufweisen, als Glasfasern, die kein kanzerogenes Potential zeigen, wobei die Anteile von TiO , BaO, ZnO,

2

SrO, ZrO < 1 Mol-% betragen.

2


2. Verwendung der Glasfasern nach Anspruch 1 und mit einem mittleren Durchmesser von < 2 μm, wobei folgende zusätzliche Bedingungen für die molaren Anteile von AI O , B O , CaO und Na O gelten: 2 3 2 3 2 AI O < 1 Mol-% 2 3 B O < 4 Mol-% 2 3 CaO > 11 Mol-% NaO > 4 Mol-%“

2


Die Klägerin, die von der Beklagten wegen Verletzung des Streitpatents
2
gerichtlich in Anspruch genommen wird, hat mit ihrer am 20. November 2009 erhobenen Klage das Streitpatent in vollem Umfang angegriffen und geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents gehe über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus und sei nicht patentfähig. Ferner werde die Erfindung nicht so offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Die Beklagte hat das Streitpatent zuletzt nur noch im Umfang der Patentansprüche 1 und 2 verteidigt.
Das Patentgericht hat das Streitpatent nur im Umfang des nicht verteidig3 ten Patentanspruchs 3 für nichtig erklärt und die weitergehende Klage abgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung, mit der sie weiterhin die vollständige Nichtigerklärung des Streitpatents anstrebt. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


4
Die zulässige Berufung, für deren Beurteilung die Verfahrensvorschriften des Patentgesetzes in der seit 1. Oktober 2009 geltenden Fassung maßgeblich sind, ist unbegründet.
5
I. Das Streitpatent betrifft - abweichend von den Angaben auf der ersten Seite der Patentschrift ("Glasfasern mit erhöhter biologischer Verträglichkeit" ) - die Verwendung von Glasfasern, die kein kanzerogenes Potential zeigen.
6
1. Nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift war im Stand der Technik bekannt, dass Glasfasern zu Krebserkrankungen führen können. Ausschlaggebend für diese Wirkung ist unter anderem die Verweildauer der Fasern in der Lunge. Diese wiederum hängt von der Größe und der Beständigkeit der Fasern ab. Nach einer wissenschaftlichen Definition, die aufgrund von Erkenntnissen über die krebserzeugende Wirkung von Asbest erstellt worden ist, können solche Wirkungen bei Fasern auftreten, die einen geometrischen Durchmesser von weniger als drei Mikrometer, eine Länge von mehr als fünf Mikrometer und ein Verhältnis zwischen Länge und Durchmesser von mehr als drei zu eins aufweisen. In einer Veröffentlichung aus dem Jahr 1986 wurde ausgeführt , die tumorerzeugende Wirkung bestimmter Fasern könne durch intensive Vorbehandlung mit einer Säure reduziert werden.
7
Das Streitpatent betrifft vor diesem Hintergrund das technische Problem, Glasfasern zur Verfügung zu stellen, die kein kanzerogenes Potential zeigen.
8
2. Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent in Patentanspruch 1 die Verwendung von Glasfasern mit folgenden Merkmalen vor (die abweichende Gliederung des Patentgerichts ist in eckigen Klammern wiedergegeben ): 1. Die Glaszusammensetzung umfasst folgende Stoffe [1]:
a) 55 bis 70 (vorzugsweise 58 bis 65) Molprozent Siliziumdioxid (SiO2),
b) 8 bis 24 (vorzugsweise 12 bis 20) Molprozent Calciumoxid (CaO),
c) 10 bis 20 (vorzugsweise 12 bis 18) Molprozent Natriumoxid (Na2O),
d) 0 bis 5 (vorzugsweise 0 bis 4) Molprozent Bortrioxid (B2O3),
e) 0 bis 3 (vorzugsweise 0 bis 1) Molprozent Aluminiumoxid (AI2O3),
f) 0 bis 2 (vorzugsweise 0 bis 1) Molprozent Eisenoxide,
g) 1 bis 4 Molprozent Magnesiumoxid (MgO),
h) 0 bis 5 (vorzugsweise 0,2 bis 3) Molprozent Kaliumoxid (K2O),
i) 0 bis 2 (vorzugsweise 0 bis 1) Molprozent Fluorid, 2. Folgende Stoffe sind in der Glaszusammensetzung höchstens mit einem Anteil von weniger als 1 Molprozent enthalten [5]:
a) Titandioxid (TiO2),
b) Bariumoxid (BaO),
c) Zinkoxid (ZnO),
d) Strontiumoxid (SrO),
e) Zirkoniumdioxid (ZrO2).
3. Der Durchmesser beträgt
a) weniger als acht Mikrometer bei allen Glasfasern [2],
b) weniger als drei Mikrometer bei mehr als 10 % der Glasfasern [3].
4. Die Glasfasern werden verwendet als Glasfasern, die kein kanzerogenes Potential zeigen [4].
9
3. Einige Merkmale bedürfen näherer Erörterung.
10
a) Das Streitpatent ist nicht auf Erzeugnisschutz für Glasfasern mit den Merkmalen 1 bis 3 gerichtet, sondern auf den Schutz der Verwendung solcher Glasfasern für den in Merkmal 4 definierten Zweck. Dennoch erfasst das Streitpatent nicht nur den unmittelbaren Einsatz der Fasern für diesen Zweck. Nach der Rechtsprechung des Senats erfasst ein Patent, das kein Arbeitsverfahren (dazu BGH, Urteil vom 5. Juli 2005 - X ZR 14/03, GRUR 2005, 845, 847 - Abgasreinigungsvorrichtung), sondern die Verwendung einer Sache zu einem bestimmten Zweck betrifft, bereits solche Handlungen, bei denen die Sache zu der betreffenden Verwendung sinnfällig hergerichtet wird (BGH, Beschluss vom 20. September 1983 - X ZB 4/83, BGHZ 88, 209, 216 f. = GRUR 1983, 729 - Hydropyridin). Die sinnfällige Herrichtung kann nicht nur durch eine besondere Gestaltung der Sache, sondern auch durch eine ihr beim Vertrieb beigegebene Gebrauchsanleitung in Form eines Beipackzettels oder in sonstiger Weise geschehen (BGH, Urteil vom 21. November 1989 - X ZR 29/88, GRUR 1990, 505, 506 f. - Geschlitzte Abdeckfolie).
11
b) Das Streitpatent schränkt den Einsatzzweck der Glasfasern nicht auf konkrete Anwendungsbereiche wie beispielsweise die Herstellung von Isoliermaterial ein. Es erfasst vielmehr die Verwendung der Glasfasern für alle Einsatzzwecke , bei denen die Gefahr von Krebserkrankungen mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden soll, und damit auch die sinnfällige Herrichtung von Gegenständen, die derartige Fasern enthalten, für solche Zwecke.
12
c) Als Glasfasern, die kein kanzerogenes Potential zeigen, sind nach dem Inhalt der Streitpatentschrift Glasfasern anzusehen, bei denen kein signifikanter Zusammenhang zwischen der Aufnahme des Materials über die menschliche Lunge und dem Entstehen einer Krebserkrankung besteht.
13
(1) Ein signifikanter Zusammenhang in diesem Sinne liegt vor, wenn die Glasfasern bei den in der Patentschrift beschriebenen Tierversuchen eine Erkrankungsrate von mehr als rund 10% innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren hervorrufen. Dies ergibt sich aus der Definition in der Beschreibung des Streitpatents. Dort wird ausgeführt, bei intratrachealer Instillation (Einträufeln in die Luftröhre) von Glasfasern gemäß Patentanspruch 2 in Rattenlungen trete nach einer Zeit von zwei Jahren eine Tumorrate von weniger als 10% auf. Solche Glasfasern könnten daher als nicht kanzerogen eingestuft werden (Abs. 18).
14
(2) Die weiteren, mit diesen Angaben zum Teil nicht ohne weiteres in Einklang zu bringenden Ausführungen in der Beschreibung des Streitpatents führen nicht zu einer abweichenden Beurteilung.
15
Für Glasfasern gemäß Patentanspruch 1 wird in der Streitpatentschrift eine Tumorrate von weniger als 5 % angegeben (Abs. 13). Hieraus kann nicht gefolgert werden, dass nur Fasern mit dieser Rate als nicht kanzerogen im Sinne des Streitpatents angesehen werden können. Dies hätte nämlich zur Folge, dass - sofern die in der Beschreibung genannten Tumorraten zutreffend sind - Verwendungen gemäß Patentanspruch 2 nicht als zum Gegenstand des Streitpatents gehörend angesehen werden könnten. Aus dem Umstand, dass für solche Verwendungen in Patentanspruch 2 ausdrücklich Schutz beansprucht wird, ist indes zu folgern, dass die dafür angegebene Tumorrate von weniger als 10 % ebenfalls als nicht kanzerogen zu qualifizieren ist.
16
Im Zusammenhang mit der Schilderung der Ausführungsbeispiele wird über Versuche an Ratten berichtet, denen unterschiedliche Mengen der untersuchten Faserproben intraperitoneal (in die Bauchhöhle) injiziert worden sind.
Bei der in Ausführungsbeispiel 2 eingesetzten Faserprobe C traten nach zwei Jahren Tumorraten von 29,2 % und 52,1 % auf (Tabelle in Abs. 37). Im Hinblick darauf werden Fasern dieses Typs in der Streitpatentschrift als stark kanzerogen eingestuft (Abs. 38). Bei den in Ausführungsbeispiel 1 eingesetzten Faserproben A und B, die sich untereinander nur hinsichtlich des Faserdurchmessers unterscheiden, trat hingegen eine Tumorrate von 0 % auf. Hieraus kann aus den bereits genannten Gründen nicht gefolgert werden, dass nur Verwendungen , die zu einer Tumorrate von 0 % führen, als nicht kanzerogen anzusehen sind. Gegen eine Auslegung in diesem engen Sinne spricht auch der von der Klägerin in anderem Zusammenhang angeführte Umstand, dass in der Regel jedes Material ein gewisses, wenn auch unter Umständen sehr geringes kanzerogenes Potential aufweist.
17
II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung hinsichtlich der von der Beklagten verteidigten Patentansprüche 1 und 2 im Wesentlichen wie folgt begründet :
18
Der Gegenstand von Patentanspruch 1 gehe nicht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus. In diesen sei die Verwendung von Glasfasern mit einem Durchmesser, wie er in Merkmalsgruppe 3 [Merkmale 2 und 3 nach der Gliederung des Patentgerichts] definiert sei, als zur Erfindung gehörend offenbart. Dass sich diese Größenangaben in Patentanspruch 1 in der Fassung der Anmeldung auf den mittleren Durchmesser der Fasern bezögen , führe nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei ferner die Merkmalsgruppe 2 [Merkmal 5] nicht nur für Fasern mit einem mittleren Durchmesser von weniger als einem Mikrometer, sondern auch für alle anderen von Patentanspruch 1 erfassten Fasern ursprungsoffenbart. Hinreichend offenbart sei auch, unter welchen Voraussetzungen eine Faser als Glasfaser anzusehen sei, die kein kanzerogenes Potential zeige. Die im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen in der Beschreibung des Streitpatents führten ebenfalls nicht zu einer unzulässigen Erweiterung.
19
Der Gegenstand von Patentanspruch 1 sei patentfähig. In keiner Entgegenhaltung werde die Verwendung einer Glasfaser offenbart, die die Merkmalsgruppe 2 [Merkmal 5] aufweise. Die Verwendung einer solchen Glasfaser für den in Patentanspruch 1 angegebenen Zweck sei durch den Stand der Technik auch nicht nahegelegt worden. In der Entgegenhaltung K3, die den nächstliegenden Stand der Technik beschreibe, seien die Merkmalsgruppen 1 bis 3 [Merkmale 1 bis 3 und 5] nur teilweise verwirklicht. Ferner sei Merkmal 4 [4] nicht offenbart. In K3 werde vielmehr die Vermutung geäußert, dass Fasern bis zu einem maximalen Durchmesser von drei Mikrometer eine kanzerogene Wirksamkeit aufwiesen. Der Fachmann, ein Diplomchemiker mit Erfahrung in der Mineralfaserherstellung, der in Zusammenarbeit mit erfahrenen Toxikologen , Pathologen oder klinischen Medizinern stehe, habe weder aus K3 noch aus K5 Hinweise darauf entnehmen können, dass Fasern mit geringen Anteilen an Titandioxid, Bariumoxid, Zinkoxid, Strontiumoxid und Zirkoniumdioxid schneller abbaubar seien und deshalb kein kanzerogenes Potential zeigten.
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Die Erfindung sei auch so deutlich offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Dem stehe nicht entgegen, dass die in der Patentschrift geschilderten Beispiele nicht mehr von Patentanspruch 1 umfasst würden. Der Fachmann sei aufgrund der Angaben in der Patentschrift in der Lage, das kanzerogene Potential der Fasern im Tierversuch zu ermitteln.
21
III. Diese Beurteilung hält der Nachprüfung im Berufungsverfahren, die gemäß § 117 Satz 1 PatG und § 519 Abs. 1 Nr. 1 ZPO grundsätzlich auf der Grundlage der vom Patentgericht getroffenen Tatsachenfeststellungen zu erfolgen hat, stand.
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1. Zutreffend ist das Patentgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 nicht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinausgeht.
23
a) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Festlegung in Merkmal 3 a, wonach der Durchmesser aller Glasfasern weniger als acht Mikrometer beträgt, bereits in der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung (K9) als zur Erfindung gehörend offenbart.
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Dem steht nicht entgegen, dass in Patentanspruch 1 in der Fassung der Anmeldung eine Höchstgrenze von acht und vorzugsweise drei Mikrometern nur für den mittleren Durchmesser der Fasern vorgegeben ist. Der Inhalt der Patentanmeldung bestimmt sich nicht allein nach den darin formulierten Ansprüchen. Maßgeblich ist vielmehr die Gesamtheit der ursprünglich eingereichten Unterlagen. Entscheidend ist, ob aus der Sicht des Fachmanns aus diesen Unterlagen zu entnehmen ist, dass der geänderte Lösungsvorschlag von dem ursprünglichen Schutzbegehren mit umfasst werden sollte (BGH, Urteil vom 22. Dezember 2009 - X ZR 28/06, GRUR 2010, 513 Rn. 28 - Hubgliedertor II).
25
In den ursprünglich eingereichten Unterlagen wird bei der Beschreibung der beiden Ausführungsbeispiele nicht nur der mittlere Durchmesser der untersuchten Fasern angegeben. Vielmehr werden anhand von grafischen Darstellungen (Figuren 1 bis 4) auch die Einzelwerte und deren prozentuale Häufigkeit mitgeteilt (K9 S. 7 Z. 8-11, S. 10 Z. 5-8 und S. 15 Z. 14 f.). Sowohl aus den Einzeldarstellungen in den Figuren 2 bis 4 als auch aus der Zusammenfassung in Figur 1 ist ersichtlich, dass der Faserdurchmesser bei 100% aller Fasern durchweg unter fünf, bei den Faserproben B und C sogar durchweg unter zwei Mikrometer liegt. Daraus ist zu entnehmen, dass auch Glasfasern mit solchen Durchmesserverteilungen zur Erfindung gehören. Dass in dem in der Anmeldung formulierten Patentanspruch 1 großzügigere Anforderungen an den Durchmesser vorgesehen sind und nur auf den mittleren Durchmesser abgestellt wird, führt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht zu einer anderen Beurteilung.
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Ob der Gegenstand des Streitpatents auch die Verwendung von Glasfasern mit den Merkmalen 1 bis 3 in Kombination mit Glasfasern größeren Durchmessers umfasst, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Diese Frage ist unabhängig davon zu beantworten, ob der Höchstwert für erfindungsgemäße Fasern anhand des mittleren oder anhand des maximalen Durchmessers bestimmt wird. In den ursprünglich eingereichten Unterlagen wird Schutz für Glasfasern der dort beschriebenen Art unabhängig von einem bestimmten Verwendungszweck beansprucht. Dies umfasst auch die Verwendung von Glasfasern mit einem mittleren Durchmesser von weniger als acht Mikrometer in Kombination mit Glasfasern, die einen größeren mittleren Durchmesser aufweisen. Der Übergang von der Festlegung des mittleren Durchmessers zur Festlegung des größten Durchmessers hat auch insoweit nicht zu einer Erweiterung geführt.
27
b) Entgegen der Auffassung der Klägerin führt die Festlegung des maximalen anstelle des mittleren Durchmessers auch nicht dazu, dass das Merkmal 3 b, wonach mehr als 10% der Glasfasern einen Durchmesser von weniger als drei Mikrometer aufweisen müssen, auch bei Glasfasermischungen erfüllt ist, die nicht zum Gegenstand der ursprünglichen Anmeldung gehören.
28
Hierbei ist unerheblich, dass sich bei einer isolierten Betrachtung von Patentanspruch 1 in der Fassung der ursprünglichen Anmeldung ein engerer Gegenstand ergeben könnte, weil bei der Berechnung des Prozentsatzes unter Umständen auch Glasfasern mit einem Durchmesser von mehr als acht Mikrometern zu berücksichtigen wären, so dass der Prozentsatz bezogen auf die Glasfasern, deren Durchmesser unter diesem Mittelwert liegt, größer ist. Aus der Beschreibung der Ausführungsbeispiele und den dort in Bezug genommenen Figuren 2 bis 4 der ursprünglich eingereichten Unterlagen ist ersichtlich, dass sich die dort enthaltenen Prozentangaben durchweg auf Faserproben beziehen , bei denen der größte Durchmesser unterhalb von acht Mikrometern liegt. Damit sind auch solche Glasfasermischungen als zur Erfindung gehörend offenbart, bei denen Fasern mit einem Durchmesser von mehr als acht Mikrometer bei der Berechnung des in Merkmal 3 b festgelegten Prozentsatzes nicht berücksichtigt werden. Dass in Patentanspruch 1 in der Fassung der Anmeldung insoweit möglicherweise engere Grenzen definiert wurden, führt nicht dazu , dass auch der Gegenstand der Anmeldung entsprechend beschränkt worden ist.
29
c) Entgegen der Auffassung der Klägerin sind auch Glasfasern, die das Merkmal 2 und einen mittleren Durchmesser von einem Mikrometer und mehr aufweisen, in den ursprünglich eingereichten Unterlagen als zur Erfindung gehörend offenbart.
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Wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, weist die in Ausführungsbeispiel 1 beschriebene Faserprobe A die in Merkmal 2 vorgesehenen Höchstwerte für die dort genannten Stoffe und einen mittleren Faserdurchmesser von mehr als einem Mikrometer auf. Weder aus den in der Anmeldung formulierten Patentansprüchen noch aus dem sonstigen Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen kann entnommen werden, dass Glasfasern, die das Merkmal 2 aufweisen, nur dann zum Gegenstand der Anmeldung gehören sollen , wenn sie zugleich einen mittleren Faserdurchmesser von weniger als einem Mikrometer haben. Aus dem Umstand, dass Patentanspruch 3 in der Fassung der Anmeldung diese beiden Merkmale in Kombination vorsieht, kann nicht gefolgert werden, dass der Gegenstand der Anmeldung entsprechend beschränkt und damit kein Schutz für die als Ausführungsbeispiel beschriebene Faserprobe A beansprucht werden sollte. Entsprechendes gilt für die Ausführungen in der Beschreibung der Anmeldung, wonach die Zusammensetzung nach Patentanspruch 3 zu besonders günstigen Werten bei der Halbwertszeit und der Tumorrate nach zwei Jahren führt (K9 S. 6 Z. 11-14). Aus dem Zusammenhang dieser Ausführungen (K9 S. 5 Z. 16 ff.) wird deutlich, dass auch Zu- sammensetzungen, die zu höheren Halbwertszeiten und Tumorraten führen, als erfindungsgemäß beansprucht wurden. Hierzu gehört auch die Faserprobe A.
31
Dass das diese Faserprobe betreffende Ausführungsbeispiel 1 in der Fassung , die die Streitpatentschrift im Einspruchsverfahren erhalten hat, als nicht erfindungsgemäß bezeichnet wird (S. 3 Z. 27), führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Die Bezeichnung als nicht erfindungsgemäß ist zutreffend, weil bei den in Ausführungsbeispiel 1 beschriebenen Glasfasern der Anteil an Magnesiumoxid bei 4,7 Molprozent und damit oberhalb der in Merkmal 1 g definierten Höchstgrenze von 4 Molprozent liegt. Anhaltspunkte dafür, dass diese Zusammensetzung darüber hinaus aus weiteren Gründen als nicht zur Erfindung gehörend gelten soll, sind weder festgestellt noch sonst ersichtlich.
32
d) Entgegen der Auffassung der Klägerin geht der Gegenstand des Streitpatents nicht deshalb über den Inhalt der ursprünglichen Unterlagen hinaus , weil die Angaben zu Halbwertszeit (42 Tage) und Tumorrate (weniger als 5 %), die in der Anmeldung zu Glasfasern nach dem dort formulierten Patentanspruch 3 gemacht wurden (K9 S. 6 Z. 11-14), in der Beschreibung des Streitpatents nach dem Einspruchsverfahren auf Glasfasern nach Patentanspruch 1 bezogen sind (Abs. 11).
33
Diese Änderung hat zwar zu einer inhaltlichen Abweichung geführt, weil Patentanspruch 3 in der Fassung der Anmeldung zusätzlich zu den Merkmalen von Patentanspruch 1 in der Fassung nach dem Einspruchsverfahren einen mittleren Durchmesser von weniger als einem Mikrometer vorsieht. Diese Abweichung hat jedoch keinen Einfluss auf den Gegenstand des Streitpatents.
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Eine Passage in der Beschreibung oder eine Zeichnung, die nicht Inhalt der ursprünglichen Unterlagen gewesen ist, kann nur dann den Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung begründen, wenn deren Berücksichtigung bei der Auslegung des Patentanspruchs des erteilten Patents zu einem veränderten Verständnis der darin verwendeten Begriffe oder des geschützten Gegenstands führt (BGH, Urteil vom 22. Dezember 2009 - X ZR 28/06, GRUR 2010, 513 Rn. 50 - Hubgliedertor II).
35
Die hier in Rede stehenden Angaben zu Halbwertszeit und Tumorrate haben, wie bereits oben dargelegt wurde, keinen Niederschlag in den Patentansprüchen gefunden. Als Glasfasern ohne kanzerogenes Potential im Sinne von Merkmal 4 sind vielmehr schon solche Fasern anzusehen, bei denen die im Tierversuch ermittelte Tumorrate weniger als 10 % beträgt. Ob dieser Wert durch die Verwendung von Glasfasern, die die Merkmale von Patentanspruch 1, nicht aber die zusätzlichen Merkmale von Patentanspruch 2 aufweisen , auf unter 5 % reduziert werden kann, ist für die Auslegung der Patentansprüche mithin unerheblich.
36
Vor diesem Hintergrund ist auch unerheblich, dass nach der jetzigen Fassung des Streitpatents für Glasfasern nach dem auf Patentanspruch 1 zurückbezogenen Patentanspruch 2 eine höhere Halbwertszeit (115 Tage) und eine höhere Tumorrate (weniger als 10%) angegeben werden (Abs. 18) als für Glasfasern nach dem Hauptanspruch. Diese Ausführungen bestätigen lediglich, dass die Einhaltung einer Tumorrate von unter 5 % für die Verwirklichung der Merkmale von Patentanspruch 1 nicht zwingend erforderlich ist.
37
2. Zutreffend ist das Patentgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Erfindung so deutlich und vollständig offenbart ist, dass ein Fachmann sie ausführen kann.
38
a) Der Umstand, dass in der Fassung, die die Streitpatentschrift im Einspruchsverfahren erhalten hat, kein Ausführungsbeispiel geschildert wird, bei dem alle Merkmale von Patentanspruch 1 verwirklicht sind, macht es dem Fachmann - als den das Patentgericht zutreffend und von der Berufung unbeanstandet einen Diplomchemiker mit Erfahrung in der Mineralfaserherstellung angesehen hat, der in Zusammenarbeit mit erfahrenen Toxikologen, Pathologen oder klinischen Medizinern steht - nicht unmöglich, an Glasfasern zu gelangen , die erfindungsgemäß verwendet werden können.
39
Bei einem Vergleich der in den Merkmalen 1 und 2 definierten Anforderungen an die Glaszusammensetzung und den bei Ausführungsbeispiel 1 aufgeführten Werten ergibt sich für den Fachmann, dass lediglich der Anteil von Magnesiumoxid mit 4,70 Molprozent (in der Streitpatentschrift mit 3,2 Gewichtsprozent angegeben) geringfügig außerhalb des in Merkmal 1 g definierten Bereichs von 1 bis 4 Molprozent liegt. Ausgehend von dieser Erkenntnis kann der Fachmann den Anteil an Magnesium geringfügig verringern und so Glasfasern erhalten, die alle Merkmale der Merkmalsgruppen 1 bis 3 aufweisen.
40
b) Entgegen der Auffassung der Klägerin bedarf es für eine deutliche und vollständige Offenbarung keiner zusätzlichen Angaben dazu, wie die in der Streitpatentschrift als maßgeblich definierte Tumorrate von weniger als 10 % zu erreichen ist.
41
Selbst wenn sich diese Rate bei der Verwirklichung der Merkmale 1 bis 3 nicht ohne weiteres einstellt, kann der Fachmann durch Nacharbeiten des Ausführungsbeispiels 1 zu geeigneten Glasfasern gelangen. Dass er hierzu möglicherweise ergänzend auf sein Fachwissen zurückgreifen muss, ist in diesem Zusammenhang unerheblich (BGH, Urteil vom 13. Juli 2010 - Xa ZR 126/07, GRUR 2010, 916 Rn. 17- Klammernahtgerät).
42
Ebenfalls unerheblich ist die von der Berufung behandelte Frage, ob der Fachmann der Beschreibung des Streitpatents entnehmen kann, dass Glasfasern , die das Merkmal 2 nicht aufweisen, eine hohe Tumorrate aufweisen. Die Ausführbarkeit der im Streitpatent beanspruchten Erfindung hängt nicht davon ab, ob es auch noch andere Glaszusammensetzungen gibt, die zur Herstellung von Glasfasern für den hier in Rede stehenden Verwendungszweck geeignet sind. Zur Offenbarung der Erfindung reicht es aus, wenn die in Patentanspruch 1 beschriebenen Glasfasern diese Eignung aufweisen.
43
3. Zu Recht hat das Patentgericht den Gegenstand des Streitpatents als patentfähig angesehen.
44
a) Wie auch die Klägerin nicht in Zweifel zieht, ist der Gegenstand des Streitpatents neu.
45
(1) In der Produktinformation "Bayer - Microglasfasern für den technischen Einsatz", die am Prioritätstag in zwei inhaltlich im Wesentlichen übereinstimmenden Fassungen mit Stand vom Juli 1987 (K3) und vom Februar 1989 (K5) öffentlich zugänglich war, werden Glasfasern aus verschiedenen Glaszusammensetzungen und mit unterschiedlichen Durchmessern beschrieben. Für Glasfasern des Typs ATF 3101 wird dabei folgende Zusammensetzung angegeben (K3 und K5, jeweils vorletzte Seite): Bestandteil Anteil in Anteil in Gewichtprozent Molprozent SiO2 61,0 59,78-60,26 Al2O3 - - B2O3 3,3 2,79-2,81 TiO2 - - FeO+Fe2O3 <0,5 0-0,18 ZnO - - MgO 3,2 4,67-4,71 CaO 16,5 17,33-17,46 BaO - - Na2O 15,4 14,63-14,75 K2O <1,0 0-0,62 F2 - - Sonstige - -
46
Dies entspricht der Zusammensetzung der Glasfasern, die in Ausführungsbeispiel 1 des Streitpatents beschrieben werden.
47
Für Standardprodukte, zu denen auch der Typ ATF 3101 gehört, werden in K3 und K5 mehrere Spezifikationen angeboten, die sich unter anderem hinsichtlich des mittleren Durchmessers unterscheiden. Der mittlere Durchmesser der als lieferbar aufgeführten Spezifikationen liegt im Bereich zwischen 0,5 und 2,0 Mikrometer (K3 S. 2 f., K5 S. 2).
48
(2) Damit sind die Merkmalsgruppen 1 und 3 - mit Ausnahme des Merkmals 1 g - und auch die zusätzlichen Merkmale von Patentanspruch 2 offenbart. Lediglich der Anteil an Magnesiumoxid liegt - ebenso wie bei Ausführungsbeispiel 1 des Streitpatents - mit rund 4,7 Molprozent außerhalb des in Patentanspruch 1 definierten Bereichs.
49
(3) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist auch Merkmalsgruppe 2 offenbart.
50
Die in den Merkmalen 2 a, 2 b und 2 c aufgeführten Stoffe (Titandioxid, Bariumoxid und Zinkoxid) werden in der Liste der Bestandteile aufgeführt; in der Rubrik für den Anteil ist jeweils ein Strich eingetragen. Daraus ist zu folgern, dass diese Stoffe allenfalls in nicht messbaren Mengen in den Glasfasern enthalten sind.
51
Entgegen der Auffassung der Beklagten können die Angaben nicht dahin verstanden werden, dass hinsichtlich dieser Stoffe keine Messungen erfolgt sind. Dagegen spricht schon, dass für jeden dieser Stoffe bei zumindest einem anderen Glasfasertyp Mengenangaben aufgeführt werden, dort also Messungen durchgeführt worden sind. Hinweise darauf, dass solche Messungen beim Typ ATF 3101 unterblieben sind, lassen sich K3 und K5 nicht entnehmen.
52
Unabhängig davon ergibt sich aus den angegebenen Anteilen (ohne die nur als Obergrenze angegebenen Werte für Eisenoxide und Kaliumoxid) bereits eine Summe von 99,4 Gewichtprozent bzw. 99,2 Molprozent. Selbst wenn keine Messungen stattgefunden hätten, würde der Anteil aller anderen in Betracht kommenden Inhaltsstoffe mithin unter der in Merkmalsgruppe 2 definierten Grenze von einem Molprozent liegen. Angesichts dessen ist der Aufstellung in K3 und K5 auch zu entnehmen, dass Glasfasern des Typs ATF 3101 auch die in den Merkmalen 2 d und 2 e aufgeführten Stoffe (Strontiumoxid und Zirkoniumdioxid ) allenfalls in Anteilen von weniger als einem Molprozent enthalten.
53
(4) Nicht offenbart ist das Merkmal 4.
54
In K3 und K5 wird ausgeführt, Fasern mit einem maximalen Durchmesser von drei Mikrometer und einer Länge von 5 bis 200 Mikrometer gälten als lungengängig. Aufgrund ihrer ausgeprägten Faserfeinheit seien Microglasfasern in die Gruppe III.B der MAK-Liste eingestuft. Dies bedeute, dass eine kanzerogene Wirksamkeit vermutet werde. Um hier vollständige Klarheit zu bekommen, seien bereits 1986 zwei unabhängige Institute mit entsprechenden Untersuchungen beauftragt worden. Als voraussichtliches Abschlussdatum dieser Untersuchungen wird in K3 (S. 4) "nicht vor 1988" und in K5 (S. 3) "in 1989" angekündigt.
55
Damit ist die Verwendung der Glasfasern für Einsatzzwecke, bei denen die Gefahr von Krebserkrankungen mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden soll, in K3 und K5 nicht offenbart. Dass Glasfasern des Typs ATF 3101 nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift objektiv kein kanzerogenes Potential aufweisen und deshalb für diese Zwecke geeignet sind, führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Zwar ist die Verwendung eines Stoffes für einen bestimmten Zweck auch dann offenbart, wenn nicht bekannt ist, welche naturwissenschaftlichen Zusammenhänge für die Erzielung der angestrebten Wirkung maßgeblich sind (BGH, Urteil vom 9. Juni 2011 - X ZR 68/08, GRUR 2011, 999 Rn. 43 f. - Memantin). In K3 und K5 fehlt es aber nicht nur an der Angabe, dass gerade die in Patentanspruch 1 definierten Merkmale dazu führen, dass die Glasfasern kein kanzerogenes Potential zeigen. Dem in K3 und K5 enthaltenen, auch auf Glasfasern vom Typ ATF 3101 bezogenen Hinweis, eine kanzerogene Wirksamkeit werde vermutet, ist vielmehr zu entnehmen, dass diese Fasern als nicht zur Verwendung als Glasfasern ohne kanzerogenes Potential geeignet angesehen wurden. Das Streitpatent offenbart demgegenüber eine zusätzliche Verwendungsmöglichkeit, die durch objektive Merkmale von den im Stand der Technik bekannten Verwendungsmöglichkeiten abgegrenzt werden kann. Das Streitpatent ermöglicht es, Glasfasern für Verwendungszwecke einzusetzen, bei denen aufgrund rechtlicher oder sonstiger Vorgaben die Gefahr einer durch die Fasern verursachten Krebserkrankung ausgeschlossen sein muss. Die Verwendung von Glasfasern in einem solchen Umfeld dient objektiv einem anderen Zweck als die Verwendung von Glasfasern, bei der die Möglichkeit einer Verursachung von Krebserkrankungen in Kauf genommen wird. Diese neue Verwendung ist in K3 und K5 nicht offenbart.
56

b) Zutreffend hat das Patentgericht entschieden, dass der Gegenstand des Streitpatents auf erfinderischer Tätigkeit beruht.
57
(1) Die geschützte Verwendung ist dem Fachmann durch die Ausführungen in K3 und K5 nicht nahegelegt.
58
Aus diesen Entgegenhaltungen ergibt sich allerdings, dass es am Prioritätstag über das kanzerogene Potential der dort beschriebenen Glasfasern keine abschließenden Erkenntnisse, sondern lediglich Vermutungen gab und dass entsprechende Untersuchungen bereits in Auftrag gegeben waren. Der Fachmann , der diesen Hinweis zum Anlass genommen hätte, seinerseits entsprechende Untersuchungen aufzunehmen, wäre, wie die Ausführungen in der Streitpatentschrift belegen, zu dem Ergebnis gekommen, dass Glasfasern vom Typ ATF 3101 kein kanzerogenes Potential im Sinne des Streitpatents aufweisen. Damit wäre er zum Gegenstand des Streitpatents gelangt. Geringfügige Variationen in der Zusammensetzung, wie sie Patentanspruch 1 zulässt, und die geringfügige Verringerung der Obergrenze für Magnesiumoxid in Merkmal 1 g wären in diesem Zusammenhang auch nach den Ausführungen im Streitpatent ohne ausschlaggebende Bedeutung. Unerheblich wäre auch, ob der Fachmann auf diesem Weg die Erkenntnis gewonnen hätte, auf welchen naturwissenschaftlichen Zusammenhängen es beruht, dass gerade Glasfasern des Typs ATF 3101 kein kanzerogenes Potential haben, und ob dies tatsächlich auf der Einhaltung der in Merkmalsgruppe 2 definierten Obergrenzen für bestimmte Inhaltsstoffe beruht. Wie bereits dargelegt ist die Verwendung einer Sache für einen bestimmten Zweck auch dann offenbart, wenn nicht bekannt ist, aus welchem Grund die offenbarte Verwendung zu der angestrebten Wirkung führt.
59
Der Fachmann hatte am Prioritätstag aber keinen Anlass, Versuche zur Ermittlung des kanzerogenen Potentials der in K3 und K5 aufgeführten Glasfasern durchzuführen. Die Ausführungen in K3 und K5, wonach solche Versuche bereits in Auftrag gegeben waren, belegen zwar, dass eine derartige Vorgehensweise möglich war. Weder daraus noch aus sonstigen Umständen ergaben sich für den Fachmann aber hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass auf diesem - mit relativ hohem Aufwand verbundenen - Weg Glasfasern zu finden waren, die zu der in Merkmal 4 beschriebenen Verwendung geeignet sind. Nach den auch in K3 und K5 wiedergegebenen Erkenntnissen am Prioritätstag mag zwar einiges dafür gesprochen haben, dass die Verweildauer in der Lunge auch von der Abbaubarkeit und damit von der chemischen Zusammensetzung des Ausgangsmaterials abhängt. Daraus ergab sich aber keine hinreichende Aussicht darauf, dass die in K3 und K5 aufgeführten Glasfasern insoweit zu unterschiedlichen Versuchsergebnissen führen würden, die eine gezielte Auswahl von geeigneten Ausgangsmaterialien ermöglichten. Der Entschluss, diesen Weg zu beschreiten, war damit nicht in einer Weise vorgezeichnet, dass der Fachmann Anlass hatte, ihn zur Lösung des dem Streitpatent zu Grunde liegenden Problems zu beschreiten. Dass andere ihn - mit unbekanntem Ausgang - bereits beschritten hatten, führt insoweit nicht zu einer abweichenden Beurteilung.
60
(2) Aus den weiteren Entgegenhaltungen ergeben sich keine zusätzlichen Anhaltspunkte, die es dem Fachmann hätten nahelegen können, Versuche mit Glasfasern vom Typ ATF 3101 und mit anderen Glasfasern, die höhere Anteile der in Merkmal 2 aufgeführten Komponenten enthalten, durchzuführen.
61
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 97 Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck Gröning Bacher
Hoffmann Schuster
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 25.01.2011 - 3 Ni 26/09 (EU) -

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Bundesgerichtshof Urteil, 20. Dez. 2011 - X ZR 53/11 zitiert 8 §§.

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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 519 Berufungsschrift


(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

Patentgesetz - PatG | § 121


(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend. (2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über d

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Eine Erfindung gilt als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Gehören zum Stand der Technik auch Unterlagen im Sinne des § 3 Abs. 2, so werden diese

Patentgesetz - PatG | § 3


(1) Eine Erfindung gilt als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört. Der Stand der Technik umfaßt alle Kenntnisse, die vor dem für den Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Tag durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung od

Patentgesetz - PatG | § 117


Auf den Prüfungsumfang des Berufungsgerichts, die verspätet vorgebrachten, die zurückgewiesenen und die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sind die §§ 529, 530 und 531 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden. Dabei tritt an die Stelle de

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Tenor 1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 17.04.2012 (Az. 2 O 129/09) wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, a) dass in Ziffer 1 des Tenors der auf die Tabelle folgende Halbsatz lautet: „wobei

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(1) Eine Erfindung gilt als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört. Der Stand der Technik umfaßt alle Kenntnisse, die vor dem für den Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Tag durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung oder in sonstiger Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind.

(2) Als Stand der Technik gilt auch der Inhalt folgender Patentanmeldungen mit älterem Zeitrang, die erst an oder nach dem für den Zeitrang der jüngeren Anmeldung maßgeblichen Tag der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind:

1.
der nationalen Anmeldungen in der beim Deutschen Patent- und Markenamt ursprünglich eingereichten Fassung;
2.
der europäischen Anmeldungen in der bei der zuständigen Behörde ursprünglich eingereichten Fassung, wenn mit der Anmeldung für die Bundesrepublik Deutschland Schutz begehrt wird und die Benennungsgebühr für die Bundesrepublik Deutschland nach Artikel 79 Abs. 2 des Europäischen Patentübereinkommens gezahlt ist und, wenn es sich um eine Euro-PCT-Anmeldung (Artikel 153 Abs. 2 des Europäischen Patentübereinkommens) handelt, die in Artikel 153 Abs. 5 des Europäischen Patentübereinkommens genannten Voraussetzungen erfüllt sind;
3.
der internationalen Anmeldungen nach dem Patentzusammenarbeitsvertrag in der beim Anmeldeamt ursprünglich eingereichten Fassung, wenn für die Anmeldung das Deutsche Patent- und Markenamt Bestimmungsamt ist.
Beruht der ältere Zeitrang einer Anmeldung auf der Inanspruchnahme der Priorität einer Voranmeldung, so ist Satz 1 nur insoweit anzuwenden, als die danach maßgebliche Fassung nicht über die Fassung der Voranmeldung hinausgeht. Patentanmeldungen nach Satz 1 Nr. 1, für die eine Anordnung nach § 50 Abs. 1 oder Abs. 4 erlassen worden ist, gelten vom Ablauf des achtzehnten Monats nach ihrer Einreichung an als der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

(3) Gehören Stoffe oder Stoffgemische zum Stand der Technik, so wird ihre Patentfähigkeit durch die Absätze 1 und 2 nicht ausgeschlossen, sofern sie zur Anwendung in einem der in § 2a Abs. 1 Nr. 2 genannten Verfahren bestimmt sind und ihre Anwendung zu einem dieser Verfahren nicht zum Stand der Technik gehört.

(4) Ebenso wenig wird die Patentfähigkeit der in Absatz 3 genannten Stoffe oder Stoffgemische zur spezifischen Anwendung in einem der in § 2a Abs. 1 Nr. 2 genannten Verfahren durch die Absätze 1 und 2 ausgeschlossen, wenn diese Anwendung nicht zum Stand der Technik gehört.

(5) Für die Anwendung der Absätze 1 und 2 bleibt eine Offenbarung der Erfindung außer Betracht, wenn sie nicht früher als sechs Monate vor Einreichung der Anmeldung erfolgt ist und unmittelbar oder mittelbar zurückgeht

1.
auf einen offensichtlichen Mißbrauch zum Nachteil des Anmelders oder seines Rechtsvorgängers oder
2.
auf die Tatsache, daß der Anmelder oder sein Rechtsvorgänger die Erfindung auf amtlichen oder amtlich anerkannten Ausstellungen im Sinne des am 22. November 1928 in Paris unterzeichneten Abkommens über internationale Ausstellungen zur Schau gestellt hat.
Satz 1 Nr. 2 ist nur anzuwenden, wenn der Anmelder bei Einreichung der Anmeldung angibt, daß die Erfindung tatsächlich zur Schau gestellt worden ist und er innerhalb von vier Monaten nach der Einreichung hierüber eine Bescheinigung einreicht. Die in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Ausstellungen werden vom Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz im Bundesanzeiger bekanntgemacht.

Eine Erfindung gilt als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Gehören zum Stand der Technik auch Unterlagen im Sinne des § 3 Abs. 2, so werden diese bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht in Betracht gezogen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 14/03 Verkündet am:
5. Juli 2005
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
BGHR: ja
BGHZ: nein
Nachschlagewerk: ja
Abgasreinigungsvorrichtung
In der sinnfälligen Herrichtung einer Vorrichtung zur Ausübung eines patentgeschützten
Verfahrens liegt noch keine Anwendung des Verfahrens.
GWB § 17 Abs. 1

a) Die Verpflichtung des Patentlizenznehmers, für die Veräußerung einer selbst
nicht geschützten Vorrichtung, die für die Ausübung des erfindungsgemäßen
Verfahrens ausgelegt ist, auch dann eine Lizenzgebühr zu zahlen, wenn die
Vorrichtung im patentfreien Ausland eingesetzt werden soll, stellt eine über
den Inhalt des Schutzrechts hinausgehende Beschränkung des Lizenznehmers
dar.

b) Eine solche Verpflichtung kann grundsätzlich auch in einem Vergleich nicht
wirksam übernommen werden.
BGH, Urteil vom 5. Juli 2005 - X ZR 14/03 - OLG Karlsruhe
LG Mannheim
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. Mai 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter
Scharen, die Richterin Mühlens und die Richter Prof. Dr. Meier-Beck und
Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 18. Dezember 2002 aufgehoben.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Mannheim vom 15. Februar 2002 abgeändert. Es wird festgestellt, daß die Beklagte gegenüber der Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung von Lizenzgebühren aufgrund des vergleichsweise abgeschlossenen Lizenzvertrages vom 16. März 2000 hat, soweit die Klägerin die im Vergleich bezeichneten Vorrichtungen in Länder liefert, in denen das europäische Patent 347 753 keinen Schutz genießt.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Österreich, die Niederlande, die Schweiz und Liechtenstein erteilten europäischen Patents 347 753, das auf einer Anmeldung vom 15. Juni 1989 beruht, drei Verfahrensansprüche umfaßt und dessen Anspruch 1, dem die beiden weiteren Ansprüche untergeordnet sind, wie folgt lautet: "Verfahren zur Reinigung von mit Schadstoffen angereicherten Abgasen aus CVD-Prozessen in Anlagen zur chemischen Bearbeitung von Halbleitersubstraten für die Herstellung mikroelektronischer Bauelemente mittels Niederdruckprozessen, wobei die zu reinigenden Abgase nach Verlassen einer Vakuumpumpeneinheit in einem separaten, mit einer lufttechnischen Anlage verbundenen aus Brenn- und Waschkammer bestehenden Reaktionsraum einer Nachbehandlung unterzogen werden, gekennzeichnet dadurch, daß die Abgase unter Sauerstoffüberschuß in der Brennkammer verbrannt, nachfolgend aus einem durch einen über der Brennkammer und davon beabstandet angeordneten Spritzschutzkegel gebildeten Ringspalt aus der Brennkammer herausgeführt und im separaten Reaktionsraum mit einem Sorptionsmittel intensiv in Kontakt gebracht werden, welches aus einer zentrisch über dem Spritzschutzkegel und davon beabstandet angeordneten Düsenanordnung kegelförmig gegen die Gasströmungsrichtung gesprüht wird, und gereinigt über die lufttechnische Anlage abgeleitet werden." Die Klägerin stellte Vorrichtungen zur Reinigung von Abgasen her. Mit der Begründung, diese Vorrichtungen seien zur Anwendung des erfindungsgemäßen Verfahrens geeignet und bestimmt, wurde sie von der Beklagten vor dem Landgericht München I wegen mittelbarer Verletzung des Patents auf Unterlassung , Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch genommen. Mit Urteil vom 2. September 1999 verurteilte das Landgericht München I die Klägerin u.a.,

"es zu unterlassen, im Geltungsbereich des deutschen Teils des europäischen Patents 347 753 Vorrichtungen herzustellen, an zur Benutzung der Erfindung nicht Berechtigte anzubieten und/oder in den Verkehr zu bringen, die dazu bestimmt und geeignet sind, ein Verfahren ... auszuüben, wobei ... [folgt Wiedergabe des Patentanspruchs 1]". Im Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht München schlossen die Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 16. März 2000 einen Vergleich , der u.a. folgendes bestimmte: I. Die [Beklagte] erteilt der [Klägerin] am europäischen Patent 347 753 eine einfache Lizenz in allen benannten Vertragsstaaten. Diese Lizenz kann nur aus wichtigem Grund gekündigt werden. II. Die [Klägerin] zahlt an die [Beklagte] für Vorrichtungen gemäß Ziffer I.1. des Urteils des LG München 1 vom 02.09.1999 (Az. 7 0 18501/96) eine Lizenz von 2,5 % (zzgl. einer etwa anfallenden MwSt) vom Nettoverkaufspreis. ... Die lizenzpflichtigen Vorrichtungen sind mit einer fortlaufenden Seriennummer zu versehen. Die Klägerin begehrt die Feststellung, daß die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von Lizenzgebühren aufgrund des vergleichsweise abgeschlossenen Lizenzvertrages vom 16.03.2000 in Verbindung mit dem europäischen Patent 347 753 habe, wenn und soweit sie - die Klägerin - die entsprechenden Vorrichtungen in Länder liefere, für die das Patent keinen Schutz genießt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin den Klageantrag weiter. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und auf die Berufung der Klägerin zur Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und zur antragsgemäßen Feststellung.
A. Die Feststellungsklage ist zulässig. Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob der Klägerin im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung zur Seite steht, daß die Beklagte für bestimmte Auslandslieferungen keine Lizenzgebühren beanspruchen kann. Diese Frage ist zu bejahen. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Klage auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses und nicht lediglich auf die Klärung rechtlicher Vorfragen gerichtet. Denn die Klägerin will nicht abstrakt den Vergleich verbindlich ausgelegt haben, sondern begehrt die Feststellung, daß der Beklagten ein bestimmter Anspruch nicht zusteht. Daß es nicht um einen konkreten Zahlungsanspruch geht, weil die Klägerin entsprechende Lieferungen bislang nicht ausgeführt hat, ist unerheblich. Das Rechtsverhältnis, das festgestellt werden soll, muß zwar gegenwärtig sein, weshalb künftige Rechtsverhältnisse in der Regel nicht zum Gegenstand einer Feststellungsklage gemacht werden können (BGHZ 120, 239, 253;

Musielak/Foerste, ZPO, 4. Aufl., § 256 Rdn. 4 m.w.N.; Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 256 Rdn. 3a). Ein betagtes oder bedingtes Rechtsverhältnis ist jedoch feststellungsfähig (BGHZ 28, 225, 234), und erst recht erlaubt § 256 ZPO die Klärung angeblich schon bestehender Rechtsbeziehungen, wenn die daraus in Betracht kommenden Ansprüche noch von einer Bedingung abhängig sind (BGHZ 4, 133, 135; BGH, Urt. v. 10.10.1991 - IX ZR 38/91, NJW 1992, 436, 437). Es genügt daher, daß mit dem Vergleich die Grundlagen für den streitigen Lizenzgebührenanspruch gelegt sind, und es ist unschädlich, daß dieser Anspruch in bestimmter Höhe erst dann entsteht, wenn die Klägerin entsprechende Lieferungen ausführt. Das rechtliche Interesse an der begehrten Feststellung ist ohne weiteres gegeben, da sich die Beklagte eines entsprechenden Anspruchs berühmt, daher dem Recht eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht und das erstrebte Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen.
B. Die Klage ist auch begründet. Die Beklagte kann für die Lieferung von Vorrichtungen, die zur Ausübung des geschützten Verfahrens geeignet sind, in das patentfreie Ausland keine Lizenzgebühren beanspruchen. I. Das Berufungsgericht hat den Vergleich dahin ausgelegt, daß die Beklagte Lizenzgebühren auch für die Lieferung von Abgasreinigungsvorrichtungen in Länder verlangen könne, in denen das Verfahren nach dem europäischen Patent nicht zugunsten der Beklagten geschützt sei. Der Wortlaut des Vertrages spreche nicht entscheidend dafür, daß die Klägerin für Vorrichtungen, die im Inland hergestellt, aber in das patentfreie Ausland ausgeführt werden, keine Lizenzgebühren zu zahlen habe. Der Vergleich verweise zur näheren Beschreibung der vertragsgegenständlichen Vorrichtungen auf Nr. I.1 des Urteils

des Landgerichts München I. Der betreffenden Formulierung könne nicht entnommen werden, eine Lizenz sei nur dann zu zahlen, wenn kumulativ erstens Vorrichtungen hergestellt, zweitens diese an zur Benutzung der Erfindung Nichtberechtigte angeboten oder in Verkehr gebracht und drittens diese zur Anwendung des patentgemäßen Verfahrens geeignet und bestimmt seien. Die Aufzählung der verschiedenen Verletzungsformen mit Herstellen, Anbieten und Inverkehrbringen im Urteil des Landgerichts München I erfolge vielmehr nach der Üblichkeit in Patentverletzungssachen und nach dem unbefangenen Wortlaut alternativ. Auf die Frage, ob die Beklagte im Vorprozeß nur eine mittelbare Patentverletzung geltend gemacht habe, komme es nicht an. Denn das Landgericht München I habe der Klägerin auch die Herstellung der zur Ausführung des patentgemäßen Verfahrens geeigneten Vorrichtungen verboten. Den Streit, ob das Urteil in diesem Punkt richtig oder falsch gewesen sei, hätten die Parteien gerade durch den Vergleich beigelegt. Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Auslegung des Vergleichs durch das Berufungsgericht ist von Rechtsfehlern beeinflußt. Den Ausgangspunkt der Auslegung hat, wie das Berufungsgericht an sich zutreffend sieht, der Wortlaut der getroffenen Vereinbarung zu bilden. Das Berufungsgericht orientiert sich jedoch vornehmlich nicht am Wortlaut des Vergleichs , sondern am Wortlaut der Urteilsformel des Landgerichts München I. Es beachtet infolgedessen auch den Zusammenhang zwischen den Regelungen zu Nr. I und II des Vergleichs nicht hinreichend. Das Urteil des Landgerichts München I spricht ein für den "Geltungsbereich des deutschen Teils" des (späteren) Lizenzpatents geltendes Unterlassungsgebot aus. In Nr. I des Vergleichs wird der Klägerin hingegen eine einfa-

che Lizenz an dem Patent für alle benannten Vertragsstaaten erteilt. Es wird damit für diese Vertragsstaaten jeweils die Anwendung des erfindungsgemäßen Verfahrens lizenziert. Da es nicht - oder jedenfalls nicht in erster Linie - darum ging, der Klägerin selbst die Anwendung des geschützten Verfahrens zu erlauben , sollte die Klägerin damit in die Lage versetzt werden, mit der Veräußerung von ihr hergestellter Vorrichtungen deren Abnehmern in allen benannten Vertragstaaten die Anwendung des geschützten Verfahrens zu gestatten. Nr. II des Vergleichs regelt demgegenüber nicht den Lizenzgegenstand, sondern die Lizenzgebühr und knüpft diese an den Nettoverkaufspreis von "Vorrichtungen gemäß Ziffer I.1 des Urteils ...", d.h. an Vorrichtungen, die wie es im Urteil heißt, dazu geeignet und bestimmt sind, das im Patentanspruch 1 bezeichnete Verfahren auszuüben. Von den im Urteilstenor des Landgerichts München I genannten Tathandlungen ("im Geltungsbereich des deutschen Teils des europäischen Patents 347 753 [solche] Vorrichtungen herzustellen, an zur Benutzung der Erfindung nicht Berechtigte anzubieten und/oder in den Verkehr zu bringen" ) ist im Vergleich nicht die Rede. Sie passen auch nicht zum Vergleichsinhalt , schon deshalb, weil die Lizenzgebühr nicht an die Herstellung und nicht an ein Anbieten, sondern an die Nettoverkaufspreise anknüpft, vor allem aber, weil der Vergleich ohnehin nicht auf den deutschen Teil des Patents beschränkt ist. Er erfaßt daher ohne weiteres Vorrichtungen, die die Klägerin beispielsweise in Österreich herstellt oder herstellen läßt und dort zur Nutzung in Österreich oder einem anderen der benannten Vertragsstaaten in den Verkehr bringt, denn damit macht die Klägerin von der erteilten Lizenz Gebrauch. Für eine Differenzierung zwischen im Inland und im Ausland (hergestellten und) in den Verkehr gebrachten Vorrichtungen gibt der Vergleich somit nichts her. Andererseits liegt es fern und hat auch das Berufungsgericht nicht angenommen, daß Vorrichtungen auch dann lizenzgebührenpflichtig sein sol-

len, wenn jeder Bezug zu der erteilten Lizenz fehlt, weil sie außerhalb des Geltungsbereichs des Lizenzpatents, beispielsweise in Tschechien, hergestellt, in den Verkehr gebracht und dort auch eingesetzt werden. Ist mithin ein (im Vertrag nicht ausdrücklich genannter) Bezug zum Geltungsbereich des Lizenzpatentes erforderlich, liegt es - was das Berufungsgericht nicht berücksichtigt hat - näher, ihn in der Anwendung des geschützten Verfahrens im Geltungsbereich des Lizenzpatentes zu finden, als den Bezugspunkt in dem Ort des Inverkehrbringens der Vorrichtung zu sehen. Denn dieser Bezugspunkt erfaßte einerseits Lieferungen, die einer Lizenzierung nicht bedürfen (Lieferung von Deutschland nach Tschechien), und ließe andererseits Lieferungen unberücksichtigt, mit denen von der erteilten Lizenz Gebrauch gemacht wird (Inverkehrbringen in Tschechien zur Benutzung in Deutschland). Im Zweifel wird jedoch bei einer Patentlizenz die vereinbarte Lizenzgebühr für alle diejenigen, aber auch nur diejenigen Handlungen versprochen, die sich als Patentverletzung darstellten, wenn sie nicht durch die Lizenz gestattet wären (vgl. RG, Urt. v. 19.7.1935 - I 40/35, GRUR 1936, 121, 123). Dem steht auch nicht die Erwägung des Berufungsgerichts entgegen, die Parteien hätten Streit darüber vermeiden wollen, ob die Abnehmer der Klägerin bei Gebrauch der Vorrichtung tatsächlich das geschützte Verfahren anwendeten. Denn das haben die Parteien dadurch erreicht, daß sie, wie bereits das Landgericht, auf dessen Entscheidungsgründe das Berufungsgericht Bezug nimmt, rechtsfehlerfrei angenommen hat, die generelle Eignung der Vorrichtungen genügen lassen wollten (obwohl dies im Wortlaut des Vergleichs nur unzulänglich Ausdruck findet, der durch die Bezugnahme auf das Urteil des Landgerichts München I nicht nur die Eignung, sondern auch die Bestimmung der Vorrichtung zur Ausübung des Verfahrens verlangt). Das rechtfertigt aber noch nicht die Annahme, die Parteien hätten damit auch Lieferfälle erfassen wollen,

in denen es mangels Patentschutzes für das Verfahren weder auf die Bestimmung noch auch nur auf die Eignung zu seiner Anwendung ankommt. II. Das Berufungsurteil kann hiernach keinen Bestand haben. Einer Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht bedarf es jedoch nicht, da der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif ist. Selbst wenn die Parteien vereinbart hätten, auch für das patentfreie Ausland bestimmte Vorrichtungen sollten lizenzgebührenpflichtig sein, stünden der Beklagten solche Lizenzgebühren nicht zu, da der Vertrag in diesem Fall - jedenfalls insoweit - nach § 134 BGB i.V.m. § 17 GWB nichtig wäre. Die gegenteilige Auffassung des Berufungsgerichts greift die Revision mit Erfolg an. 1. Das Berufungsgericht hat dahinstehen lassen, ob die Beklagte von der Klägerin aufgrund ihres Patentrechts verlangen könne, die Herstellung von Vorrichtungen (schlechthin) zu unterlassen, die dazu geeignet und bestimmt seien, das erfindungsgemäße Verfahren auszuüben. Auch wenn dies nicht der Fall sein sollte, verstoße der Vergleich nicht gegen § 17 Abs. 1 Satz 1 GWB. Mit Rücksicht auf den Zweck eines Vergleichs seien über die Verbietungsrechte aus dem Schutzrecht hinausgehende Unterlassungsverpflichtungen als kartellrechtlich unbedenklich anzusehen, wenn objektive Zweifel an der Rechtslage bestünden. Das sei hier der Fall, da das Landgericht München I die Klägerin sogar zur Unterlassung der Herstellung verurteilt habe, so daß auch aus objektiver Sicht erhebliche Zweifel an den der Patentinhaberin zustehenden Rechten bestanden hätten. 2. Nach § 17 Abs. 1 GWB sind Verträge über die Lizenzierung von Patenten verboten, soweit sie dem Lizenznehmer Beschränkungen im Geschäftsverkehr auferlegen, die über den Inhalt der Schutzrechte hinausgehen.

In der Auslegung des Berufungsgerichts enthält der Vergleich eine derartige Verpflichtung; sie unterfällt dem Verbot des § 17 GWB ungeachtet des Umstandes , daß sie Bestandteil eines gerichtlichen Vergleichs ist.
a) Die vom Berufungsgericht offengelassene Frage, ob der Vergleich in der Auslegung, die ihm das Berufungsgericht gegeben hat, über den Inhalt des lizenzierten Schutzrechts hinausgeht, ist zu bejahen. Die Verpflichtung des Lizenznehmers zur Zahlung einer Lizenzgebühr stellt eine Beschränkung im Geschäftsverkehr dar (Sen.Urt. v. 3.6.2003 - X ZR 215/01, GRUR 2003, 896 f. - Chirurgische Instrumente - m.w.N.). Wird eine solche Lizenzgebühr für Handlungen versprochen, die nicht kraft Gesetzes dem Patentinhaber vorbehalten sind, geht die Beschränkung über den Inhalt des Schutzrechts hinaus. So verhält es sich hier. Das Klagepatent des Vorprozesses betrifft ein Arbeitsverfahren, nämlich ein Verfahren zur Reinigung von Abgasen. Es kann demgemäß im Inland nur durch die in § 9 Satz 2 Nr. 2 PatG bezeichneten Handlungen (unmittelbar) verletzt werden, d.h. insbesondere durch die Anwendung des erfindungsgemäßen Verfahrens. Die Lieferung der von der Klägerin hergestellten nicht patentgeschützten Vorrichtung kann als solche nur nach § 10 PatG verboten sein, nämlich als Lieferung eines sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehenden Mittels an einen zur Benutzung des erfindungsgemäßen Verfahrens nicht berechtigten Dritten zur Benutzung dieses Verfahrens im Inland. Die Vorschrift erfaßt jedoch nur die Lieferung und das Anbieten, nicht die Herstellung der Vorrichtung, da Dritte andernfalls daran gehindert würden, solche Mittel zur Benutzung außerhalb des Geltungsbereiches des Patentgesetzes zu liefern, was dem Zweck des § 10 PatG widerspräche, lediglich nach § 9 PatG verbote-

nen Handlungen im Vorfeld entgegenzuwirken (vgl. das für BGHZ 159, 76 vorgesehene Sen.Urt. v. 4.5.2004 - X ZR 48/03, GRUR 2004, 758 - Flügelradzähler - m.w.N.). Ob im Einzelfall bereits die Herstellung einer zur Anwendung des erfindungsgemäßen Verfahrens geeigneten Vorrichtung als Teilnahme an einer verbotenen Anwendung des Verfahrens gewertet werden kann, wie die Beklagte im Vorprozeß gemeint hat, erscheint fraglich, kann jedoch dahinstehen , da dies jedenfalls eine entsprechende Haupttat, d.h. eine Benutzung des Verfahrens im Inland, voraussetzt und deshalb weder ein allgemeines Herstellungsverbot noch ein allgemeines Lieferverbot rechtfertigen kann. Ein solches Verbot kann auch nicht mit der - von der Beklagten erstmals im (jetzigen) Berufungsverfahren vorgetragenen - Erwägung gerechtfertigt werden , in der Herstellung der Vorrichtung sei bereits eine Benutzung des Verfahrens zu sehen, da die Vorrichtung sinnfällig dafür hergerichtet sei, für die Abgasreinigung im Sinne des Anspruchs 1 des Klagepatents des Vorprozesses verwendet zu werden. Die Beklagte will sich hierbei auf die Rechtsprechung des Senats stützen, nach der bereits in der sinnfälligen Herrichtung einer Sache zu deren zugunsten des Patentinhabers geschützter Verwendung der Beginn der Verwendung selbst gesehen werden kann (BGHZ 88, 209, 212 - Hydropyridin ; Sen.Urt. v. 21.11.1989 - X ZR 29/88, GRUR 1990, 505, 506 f. - Geschlitzte Abdeckfolie). Auf ein reines Arbeitsverfahren, wie es hier in Rede steht, läßt sich diese Rechtsprechung indes nicht übertragen. Zwar ist die Herrichtungsformel in der von der Beklagten zitierten Entscheidung "Bierklärmittel" (Sen.Urt. v. 31.1.1984 - X ZR 7/82, GRUR 1984, 425) in einem obiter dictum auf einen nicht unmittelbar als Verwendungsanspruch formulierten Verfahrensanspruch angewandt worden. Dabei hat es sich jedoch um einen Anspruch gehandelt, bei dem sich die Verfahrensanweisungen sach-

lich in der Lehre erschöpften, ein bestimmtes Kieselgel zur Erhöhung der Eiweißstabilität von Bier zu verwenden, und damit der Sache nach um einen Verwendungsanspruch. Der Gegenstand eines Verwendungspatents wird charakterisiert durch einen Stoff oder eine sonstige, grundsätzlich dem Sachschutz zugängliche Sache in einer bestimmten Verwendung. Nur deshalb kann in der sinnfälligen Herrichtung der Sache nicht etwa nur eine der späteren Verwendung gleich zu behandelnde Handlung, sondern der Beginn der im Patentanspruch ausdrücklich als Schutzgegenstand genannten Verwendung selbst gesehen werden (vgl. BGHZ 116, 122, 128 - Heliumeinspeisung). Demgegenüber verbietet es sich, in einer zur Anwendung eines bestimmten Verfahrens geeigneten Maschine oder sonstigen Vorrichtung das Verfahren selbst zu sehen.
b) Nach der Rechtsprechung des Kartellsenats des Bundesgerichtshofs ist ein Vergleich mit objektiv wettbewerbsbeschränkendem Inhalt dann zulässig , wenn ein ernsthafter, objektiv begründeter Anlaß zu der Annahme besteht , der begünstigte Vertragspartner habe einen Anspruch auf Unterlassung der durch den Vergleich untersagten Handlung, so daß bei Durchführung eines Rechtsstreits ernstlich mit dem Ergebnis zu rechnen wäre, daß dem Wettbewerber das umstrittene Vorgehen untersagt werde. Nur solche wettbewerbsbeschränkenden Abreden sind von der Nichtigkeitsfolge freigestellt, die sich innerhalb der Grenzen dessen halten, was auch bei objektiver Beurteilung ernstlich zweifelhaft sein kann (BGHZ 65, 147, 151 f. - Thermalquelle; vgl. auch BGH, Urt. v. 21.4.1983 - I ZR 201/80, GRUR 1983, 602, 603 - Vertragsstrafenrückzahlung ). Die vergleichsweise getroffene Regelung wäre daher nur dann gerechtfertigt , wenn ein ernsthafter, objektiv begründeter Anlaß zu der Annahme bestanden hätte, die Klägerin verletze das Klagepatent des Vorprozesses auch

dann, wenn sie zur Ausübung des erfindungsgemäßen Verfahrens geeignete Vorrichtungen in das patentfreie Ausland liefere, so daß die Parteien nicht über die Schutzwirkung des Patents hinausgingen, wenn die Klägerin eine Lizenzgebühr auch für den Verkauf der betreffenden von ihr hergestellten Vorrichtungen in das patentfreie Ausland verspreche. Derartiges hat das Berufungsgericht jedoch - zu Recht - nicht angenommen, sondern sich ganz allgemein mit "Zweifeln an der Rechtslage" begnügt, die es aus dem Urteil des Landgerichts München I hergeleitet hat. Dabei hat es jedoch nicht beachtet, daß das Landgericht München I ersichtlich Auslandslieferungen gar nicht in den Blick genommen hat. Warum es ein Herstellungsverbot ausgesprochen hat, ist dem Urteil nicht zu entnehmen, das zwar auch § 10 PatG nicht ausdrücklich erwähnt, aber verschiedentlich von mittelbarer Verletzung und Mitteln zur Benutzung der Erfindung spricht. Möglicherweise hat das Landgericht München I bei der Übernahme des entsprechend formulierten Klageantrags schlicht übersehen, daß dieser nicht in Übereinstimmung mit § 10 PatG formuliert war. Erst in zweiter Instanz des Vorprozesses ist zur Rechtfertigung dieses Antrags vorgetragen worden, Herstellung und Lieferung der für die Benutzung des Klagepatents bestimmten Abgasreinigungsanlage begründeten "eine patentrechtliche Verantwortung der [damaligen] Beklagten nicht nur aufgrund des § 10 PatG, sondern auch nach § 9 PatG als Mittäter der vom Abnehmer durch Benutzung des im Klagepatent geschützten Verfahrens begangenen Patentverletzung". Das gibt nicht einmal für die subjektive Vorstellung auch nur der Beklagten etwas her, der Klägerin könnte die Herstellung der Maschinen ohne Rücksicht auf deren Lieferung in ein "patentfreies" Land untersagt sein, in dem § 9 PatG keine Geltung beanspruchen kann. Um so weniger kann davon die Rede sein, es sei bei objektiver Beurteilung ernstlich zweifelhaft gewesen, ob die Beklagte der Klägerin Herstel-

lung und Lieferung ihrer Vorrichtungen in das patentfreie Ausland untersagen könne. 3. Entgegen der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung stünde der Nichtigkeitsfolge auch Gemeinschaftsrecht nicht entgegen. Dabei kann dahinstehen, ob der Vertrag der Parteien, wozu das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen hat, dem Gemeinschaftsrecht unterliegt, weil er geeignet ist, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten oder den Wettbewerb innerhalb des gemeinsamen Marktes im Sinne des Art. 81 EG spürbar zu beeinträchtigen. Denn das könnte die Anwendung des § 17 GWB nur dann ausschließen, wenn der Vertrag nach Gemeinschaftsrecht freigestellt wäre (vgl. EuGH, Urt. v. 13.2.1969 - Rs. 14/68, GRUR Int. 1969, 264, 268 - Walt Wilhelm; Urt. v. 10.7.1980 - Rs. 253/78 u. 1-3/79, GRUR Int. 1980, 744, 745 - Guerlain; Urt. v. 21.5.1987 - Rs. 249/85, GRUR 1987, 585, 587 - Albako Margarinefabrik Maria von der Linde/Bundesanstalt für landwirtschaftliche Marktordnung); das ist nicht der Fall.
a) Die Frage, ob ein Vertrag der Parteien mit dem vom Berufungsgericht angenommenen Inhalt nach der Verordnung (EG) Nr. 772/2004 der Kommission vom 27. April 2004 über die Anwendung von Art. 81 Abs. 3 EG-Vertrag auf Gruppen von Technologietransfer-Vereinbarungen freigestellt wäre, stellt sich nicht. War nämlich der Vertrag zum Zeitpunkt seines Abschlusses ganz oder teilweise nichtig, so hätte er nach § 141 BGB allenfalls durch eine Bestätigung nach Änderung der Rechtslage Wirksamkeit erlangen kö nnen, denn die Wirksamkeit eines Vertrages richtet sich grundsätzlich nach den zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltenden Vorschriften (BGH, Urt. v. 11.12.2001 - KZR 13/00, GRUR 2002, 647 - Sabet/Massa). Eine solche Bestätigung ist je-

doch nicht festgestellt und kommt offensichtlich auch nicht in Betracht, da sie mit dem Klagebegehren im Widerspruch stünde.
b) Aus der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Verordnung (EG) Nr. 240/1996 der Kommission vom 31. Januar 1996 zur Anwendung von Art. 85 Abs. 3 des Vertrages auf Gruppen von Technologietransfer-Vereinbarungen (im folgenden: TechnologietransferV 1996) ergibt sich keine Freistellung. Bei Patentlizenzvereinbarungen wurden nämlich nach Art. 1 Abs. 2 Satz 1 TechnologietransferV 1996 die in Art. 1 Abs. 1 genannten Verpflichtungen nur soweit und solange freigestellt, wie das Lizenzerzeugnis im Gebiet des Lizenznehmers patentgeschützt war. Die Voraussetzungen für eine Freistellung nach Art. 1 liegen hiernach nicht vor, wenn im Lizenzgebiet kein Patentschutz (mehr) besteht (Langen/Bunte/Jestaedt, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, 9. Aufl., Art. 81 EG Fallgruppen Rdn. 251; Ullrich in Immenga/ Mestmäcker, EG-Wettbewerbsrecht, GRUR Abschn. C Rdn. 41; s. auch EuGH, Urt. v. 25.2.1986 - Rs. 193/83, GRUR Int. 1986, 635, 640 - Windsurfing International /Kommission). Eine Erstreckung von Verpflichtungen auf patentfreie Erzeugnisse schließt somit die Gruppenfreistellung für diese Verpflichtungen aus.
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Auf den Prüfungsumfang des Berufungsgerichts, die verspätet vorgebrachten, die zurückgewiesenen und die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sind die §§ 529, 530 und 531 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden. Dabei tritt an die Stelle des § 520 der Zivilprozessordnung der § 112.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

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a) Zur Feststellung einer unzulässigen Erweiterung ist der Gegenstand des erteilten Patents (bzw. des Patents in der verteidigten Fassung) mit dem Inhalt der ursprünglichen Unterlagen zu vergleichen. Gegenstand des Patents ist die durch die Patentansprüche bestimmte Lehre, wobei Beschreibung und Zeichnungen mit heranzuziehen sind. Der Inhalt der Patentanmeldung ist hingegen der Gesamtheit der Unterlagen zu entnehmen, ohne dass den Patentansprüchen dabei eine gleich hervorgehobene Bedeutung zukommt. Entscheidend ist, ob die ursprüngliche Offenbarung für den Fachmann erkennen ließ, dass der geänderte Lösungsvorschlag von vornherein von dem Schutzbegehren mit umfasst werden sollte (Sen.Urt. v. 21.9.1993 - X ZR 50/91, Mitt. 1996, 204, 206 - Unzulässige Erweiterung).
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d) In Kenntnis des Grundpatents kann die Behandlung - wie der gerichtliche Sachverständige ausgeführt hat - gezielter erfolgen. Grund dafür ist, dass das Patent eine wissenschaftliche Bestätigung der im Stand der Technik üblichen Behandlung von Alzheimer-Patienten mit Memantin bietet. Der durch das Grundpatent vermittelte Erkenntnisgewinn liegt darin, dass das Patent den biologischen Wirkmechanismus von Memantin, nämlich die Blockade der NMDA-Rezeptorkanäle und damit die Verhinderung von Neuronenschädigungen durch exzessiven Calciumüberschuss aufzeigt und auf diese Weise - wie der gerichtliche Sachverständige bestätigt und aus wissenschaftlicher Sicht als Fortschritt gewürdigt hat - eine wissenschaftliche Grundlage für die bereits Jahre zuvor begonnene Verwendung von Memantin bei der Behandlung von Alzheimerpatienten liefert. Das Patent hat damit nicht nur ein besseres Verständnis des biologischen Wirkmechanismus des verabreichten Wirkstoffs ermöglicht. Es begründet wegen dieses Verständnisses aus ärztlicher Sicht auch eine besser verantwortbare Indikation der Memantingabe, weil das Präparat nicht lediglich mit Blick auf eine beobachtete Verbesserung einer unspezifischen Krankheitssymptomatik gegeben wird, sondern zur Erzielung einer bestimmten neuroprotektiven Wirkung bei Morbus Alzheimer.

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)