Bundesgerichtshof Urteil, 14. Juni 2016 - X ZR 29/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:140616UXZR29.15.0
bei uns veröffentlicht am14.06.2016
vorgehend
Landgericht Düsseldorf, 4b O 114/12, 03.04.2014
Oberlandesgericht Düsseldorf, 2 U 16/14, 05.03.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 29/15 Verkündet am:
14. Juni 2016
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Pemetrexed
EPÜ Art. 69 Abs. 1; EuPatAuslProt Art. 1, 2; PatG § 14

a) Eine Patentverletzung mit äquivalenten Mitteln ist in der Regel zu verneinen,
wenn die Beschreibung mehrere Möglichkeiten offenbart, wie eine bestimmte
technische Wirkung erzielt werden kann, jedoch nur eine dieser Möglichkeiten
in den Patentanspruch aufgenommen worden ist (Bestätigung von BGH,
Urteil vom 10. Mai 2011 - X ZR 16/09, BGHZ 189, 330 = GRUR 2011, 701
Rn. 35 - Okklusionsvorrichtung; Urteil vom 13. September 2011
- X ZR 69/10, GRUR 2012, 45 Rn. 44 - Diglycidverbindung).

b) Für die Anwendbarkeit dieses Grundsatzes reicht es nicht aus, dass sich eine
vom Patent beanspruchte Ausführungsform aufgrund von Angaben in der
Beschreibung oder aus sonstigen Gründen als spezieller Anwendungsfall eines
allgemeineren Lösungsprinzips darstellt und der Fachmann aufgrund
dieser Erkenntnis in der Lage war, weitere diesem Lösungsprinzip entsprechende
Ausführungsformen aufzufinden.
BGH, Urteil vom 14. Juni 2016 - X ZR 29/15 - OLG Düsseldorf
ECLI:DE:BGH:2016:140616UXZR29.15.0

LG Düsseldorf
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juni 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Gröning, Dr. Bacher und Hoffmann sowie die Richterin Schuster
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 5. März 2015 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 313 508 (Klagepatents), das am 15. Juni 2001 angemeldet wurde und die Verwendung von Pemetrexeddinatrium in Kombination mit Vitamin B12 zur Hemmung des Wachstums von Tumoren betrifft. Patentanspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache: Use of pemetrexed disodium in the manufacture of a medicament for use in combination therapy for inhibiting tumor growth in mammals wherein said medicament is to be administered in combination with vitamin B12 or a pharmaceutical derivative thereof, said pharmaceutical derivative of vitamin B12 being hydroxocobalamin, cyano-10-chlorocobalamin, aquocobalamin perchlorate, aquo-10-chlorocobalamin perchlorate, azidocobalamin, chlorocobalamin or cobalamin.
2
Die Klägerin ist ferner Mitinhaberin des europäischen Patents 432 677 und des auf dessen Grundlage in Deutschland für den Zeitraum bis 10. Dezember 2015 erteilten ergänzenden Schutzzertifikats 12 2005 000 012, das Pemetrexed und pharmazeutisch verträgliche Salze davon betrifft.
3
Die Beklagte zu 1 (nachfolgend: Beklagte) ließ der Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 12. Juli 2012 mitteilen, sie wolle nach Ablauf des Schutzzertifikats ein Arzneimittel mit dem Wirkstoff Pemetrexeddikalium auf den Markt bringen, und zwar als Generikum mit dem von der Klägerin vertriebenen, den Wirkstoff Pemetrexeddinatrium enthaltenden Produkt Alimta als Referenzarzneimittel.
4
Die Klägerin hat die Beklagte, deren deutsche Vertriebsgesellschaft und deren Geschäftsführer auf Unterlassung in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Beklagte entsprechend dem auf eine Verletzung des Klagepatents mit äquivalenten Mitteln gestützten Hilfsantrag verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der vom Senat zugelassenen Revision, der die Beklagte entgegentritt.

Entscheidungsgründe:


5
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
6
I. Das Klagepatent betrifft die Verwendung von Pemetrexeddinatrium in Kombination mit Vitamin B12 zur Hemmung des Wachstums von Tumoren bei Säugern.
7
1. In der Klagepatentschrift wird erläutert, Antifolate gehörten zu den am besten untersuchten Klassen von antineoplastischen Mitteln. Sie führten zu einer Hemmung eines oder mehrerer Schlüsselenzyme für die Biosynthese von Thymidin und Purin, indem sie mit reduziertem Folat um die Bindung dieser Enzyme konkurrierten. Als Beispiele für solche Antifolate werden 5-Fluoruracil, Tomudex®, Methotrexat®, Lometrexol und Pemetrexeddinatrium (Alimta®) genannt.
8
Als begrenzender Faktor für die Entwicklung solcher Arzneimittel wird in der Klagepatentschrift die erhebliche Toxizität angeführt, die mitunter sogar ein hohes Mortalitätsrisiko zur Folge habe. Als Mittel zur Verringerung der Toxizität seien Folsäure und Retinoidverbindungen wie Vitamin A eingesetzt worden. Dennoch gebe die zytotoxische Aktivität von Antifolaten weiterhin Anlass zu ernsthafter Besorgnis bei der Entwicklung solcher Arzneimittel.
9
2. In der Klagepatentschrift wird nicht ausdrücklich dargelegt, welches technische Problem das Klagepatent betrifft.
10
a) Das Berufungsgericht hat die Aufgabe des Klagepatents dahin formuliert , die für den Patienten nachteiligen toxischen Effekte, die durch die Verabreichung von Pemetrexeddinatrium als Antifolat verursacht würden, zu reduzieren , ohne die therapeutische Wirksamkeit nachteilig zu beeinflussen.
11
b) Die Revision rügt dies als fehlerhaft. Sie meint, das Berufungsgericht hätte das dem Klagepatent zugrunde liegende Problem nicht definieren dürfen, ohne zuvor den Patentanspruch auszulegen.
12
Diese Rüge ist unbegründet.
13
aa) Nach der Rechtsprechung des Senats dient die Bestimmung des technischen Problems (der Aufgabe) in einem Nichtigkeits- oder Einspruchsverfahren dazu, den Ausgangspunkt der fachmännischen Bemühungen um eine Bereicherung des Stands der Technik ohne Kenntnis der Erfindung zu lokalisieren , um bei der anschließenden und davon zu trennenden Prüfung auf Patentfähigkeit zu bewerten, ob die dafür vorgeschlagene Lösung durch den Stand der Technik nahegelegt war oder nicht (BGH, Urteil vom 11. November 2014 - X ZR 128/09, GRUR 2015, 356 Rn. 9 - Repaglinid). Sie hat hingegen nicht die Funktion, über die Frage der Patentfähigkeit bereits eine Vorentscheidung zu treffen (BGH, Urteil vom 13. Januar 2015 - X ZR 41/13, GRUR 2015, 352 Rn. 16 - Quetiapin).
14
Für einen Verletzungsrechtsstreit gilt im Ausgangspunkt nichts anderes. Zur Beurteilung der Frage, ob die jeweils angegriffene Ausführungsform von der patentierten Lehre Gebrauch macht, ist durch Auslegung des Patentanspruchs zu ermitteln, welchen Niederschlag die fachmännischen Bemühungen um eine Bereicherung des Stands der Technik konkret darin gefunden haben (vgl. nur BGH, Urteil vom 24. Juli 2012 - X ZR 126/09, GRUR 2012, 1130 Rn. 9 - Leflunomid). Zur Herausarbeitung dessen, was die Erfindung in diesem Sinne tatsächlich leistet, trägt die Bestimmung des technischen Problems bei (vgl. BGH, Urteil vom 4. Februar 2010 - Xa ZR 36/08, GRUR 2010, 602 - Gelenkanordnung ). Hieraus ergibt sich, dass sich ein Gericht in den Gründen einer Ent- scheidung mit dem technischen Problem nicht erst dann befassen darf, wenn es den Patentanspruch ausgelegt hat. Bestimmung der Aufgabe und Auslegung des Patentanspruchs stehen vielmehr in einer gewissen Wechselwirkung. In der Regel ist es dementsprechend zweckmäßig und geboten, vorab Überlegungen zum technischen Problem anzustellen. Im Rahmen der Auslegung sind nämlich sowohl der Sinngehalt des Patentanspruchs in seiner Gesamtheit als auch der Beitrag, den die einzelnen Merkmale zum Leistungsergebnis der Erfindung liefern , zu bestimmen (vgl. nur BGH, Urteil vom 17. Juli 2012 - X ZR 117/11, BGHZ 194, 107 = GRUR 2012, 1124 Rn. 27 - Polymerschaum I). Dies erfordert in der Regel eine vorläufige Orientierung darüber, welches technische Problem betroffen ist.
15
Rechtsfehlerhaft wäre es lediglich, das technische Problem im Rahmen dieser ersten Betrachtung bereits so festzulegen, dass damit eine Vorentscheidung über die Auslegung getroffen ist. In der Patentschrift enthaltene Angaben zur Aufgabe der Erfindung dürfen - ebenso wie der übrige Inhalt der Patentschrift - nicht zu einer sachlichen Einengung des durch den Wortsinn des Patentanspruchs festgelegten Gegenstands führen (BGH, Urteil vom 4. Februar 2010 - Xa ZR 36/08, GRUR 2010, 602 Rn. 27 - Gelenkanordnung; Urteil vom 17. Juli 2012 - X ZR 113/11, GRUR 2012, 1122 Rn. 22 - Palettenbehälter III). Sie müssen zudem auch dann unberücksichtigt bleiben, wenn im Patentanspruch keine Mittel angegeben sind, mit denen das betreffende Ziel erreicht werden könnte (BGH, Urteil vom 25. Februar 2014 - X ZR 84/12, Rn. 13). Diese Grundsätze gelten auch für eine Aufgabenbeschreibung, die in der Patentschrift nicht ausdrücklich enthalten ist. Jede Aufgabenbeschreibung ist deshalb in einem nachfolgenden Schritt darauf zu überprüfen, ob sie mit den durch Auslegung ermittelten Festlegungen des Patentanspruchs in Einklang steht.
16
bb) Die angefochtene Entscheidung lässt vor diesem Hintergrund keinen Rechtsfehler erkennen.
17
Angesichts der aufgezeigten Wechselwirkungen zwischen der Bestimmung der Aufgabe und der Auslegung des Patents könnte die Aufgabe in einem ersten Schritt möglicherweise auch dahin definiert werden, dass die nachteiligen toxischen Effekte des verwendeten Antifolats verringert werden sollen, ohne die angestrebten Wirkungen nachteilig zu verändern. Rechtsfehlerhaft wäre die angefochtene Entscheidung unter diesem Aspekt aber nur dann, wenn das Berufungsgericht aus der von ihm gewählten engeren Definition Schlussfolgerungen für die Auslegung des Klagepatents gezogen hätte.
18
Anzeichen für einen solchen Zirkelschluss lassen sich dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen. Das Berufungsgericht hat bei der Auslegung vielmehr durchweg berücksichtigt, dass eine Verringerung der Toxizität auch bei anderen Antifolaten in Frage kommt.
19
3. Zur Lösung des Problems schlägt das Klagepatent eine Verwendung vor, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen: 1. Pemetrexeddinatrium wird verwendet zur Herstellung eines Arzneimittels.
2. Das Arzneimittel dient der Verwendung in einer Kombinationstherapie zur Hemmung eines Tumorwachstums bei Säugern.
3. Das Arzneimittel soll in Kombination mit Vitamin B12 oder einem pharmazeutischen Derivat hiervon verabreicht werden.
4. Das pharmazeutische Derivat von Vitamin B12 ist Hydroxocobalamin , Cyano-10-chlorcobalamin, Aquocobalamin-
perchlorat, Aquo-10-chlorcobalaminperchlorat, Azidocobalamin , Chlorcobalamin oder Cobalamin.
20
Nach der Beschreibung des Klagepatents führt die Verabreichung von Vitamin B12 zu einer Verringerung der im Körper vorhandenen Methylmalonsäure. Weshalb diese Wirkung für die Verringerung der Toxizität von Bedeutung ist, wird nicht aufgezeigt.
21
II. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
22
Nach dem Wortsinn von Merkmal 1 sei die Verwendung von Pemetrexeddinatrium erforderlich. Mit diesem Begriff werde eine spezifische chemische Verbindung bezeichnet, nämlich das Dinatriumsalz des Antifolats Pemetrexed. Für den Fachmann, ein Team aus einem Onkologen und einem Pharmakologen, ergebe sich aus der Klagepatentschrift kein Anhaltspunkt dafür , dass dem Patentanspruch ein hiervon abweichender Sprachgebrauch zugrunde liege. In der Beschreibung werde vielmehr ausgeführt, das Antifolat zur Verwendung in der Erfindung sei Pemetrexeddinatrium (Alimta). Auch im Übrigen sei in der Beschreibung mit einer Ausnahme durchweg von Pemetrexeddinatrium - häufig mit dem in Klammern gesetzten Hinweis auf das von der Klägerin vertriebene Produkt Alimta - und nicht von Pemetrexed die Rede. Pemetrexed werde lediglich im Zusammenhang mit einer im Stand der Technik bekannten Untersuchung zu den Wirkungen von Folsäure erwähnt. Dass mit Pemetrexeddinatrium ausschließlich die betreffende Verbindung und nicht allgemein Derivate von Pemetrexed gemeint seien, werde ferner dadurch bestätigt , dass das Klagepatent für den in Kombination zu verwendenden Wirkstoff Vitamin B12 und für das in Patentanspruch 2 vorgesehene Bindemittel nicht nur Schutz für die konkrete Verbindung, sondern auch für Derivate beanspruche. Eine funktionsorientierte Auslegung könne vor diesem Hintergrund nicht zu einem abweichenden Ergebnis führen. Die Erkenntnis, dass es entscheidend auf die Antifolat-Wirkung von Pemetrexed ankomme, rechtfertige es nicht, Patentanspruch 1 über seinen eindeutigen Wortlaut hinaus zu erweitern. Entspre- chendes gelte für den Umstand, dass sich die Gewichtsangaben in der Beschreibung der Ausführungsbeispiele auf Pemetrexed bezögen. Die in der Beschreibung enthaltene Definition des Begriffs "Antifolat" sei ebenfalls klar und eindeutig. Dass der Begriff "Pemetrexeddinatrium" wörtlich zu verstehen sei, werde zudem bestätigt durch die Stellungnahme des Prüfers im Erteilungsverfahren , der frühere Anspruchsfassungen, die in Merkmal 1 die Verwendung eines Antifolats bzw. von Pemetrexed vorgesehen hätten, mit der Begründung beanstandet habe, in den ursprünglich eingereichten Unterlagen sei nur die Verwendung von Pemetrexeddinatrium als zur Erfindung gehörend offenbart.
23
Pemetrexeddikalium könne nicht als äquivalentes Mittel angesehen werden. Dabei könne dahinstehen, ob es gleichwirkend sei und ob sein Einsatz als Austauschmittel für den Fachmann nahegelegen habe. Es fehle jedenfalls an der Gleichwertigkeit, weil sich der Patentanspruch auf eine einzige chemische Verbindung festgelegt habe, obwohl der Fachmann der Klagepatentschrift als Ganzes nur die Botschaft entnehmen könne, dass sich die Erfindung mit jedem Antifolat erfolgreich durchführen lasse. Eine Ausführungsform sei aus dem Schutzbereich des Patents ausgeschlossen, wenn sie zwar offenbart oder für den Fachmann jedenfalls auffindbar sei, der Leser der Patentschrift aber annehmen müsse, dass sie - aus welchen Gründen auch immer - nicht unter Schutz gestellt werden sollte. Hierbei könne es keinen Unterschied machen, ob alternative Lösungsvarianten in einer detaillierten Liste notiert oder aber unter Verwendung von übergeordneten Gattungsbegriffen gleichsam gesammelt benannt würden. In der zuletzt genannten Konstellation seien allerdings grundsätzlich nur diejenigen Austauschmittel vom Äquivalenzschutz ausgenommen, die am Prioritätstag bereits bekannt gewesen seien. Auf Pemetrexeddikalium treffe dies zu, weil in der europäischen Patentschrift 432 677 offenbart werde, dass Pemetrexed auch in Form eines Kaliumsalzes einsetzbar sei. Die Diskrepanz zwischen dem Beschreibungstext und Patentanspruch 1 spiegle zudem den Gang des Erteilungsverfahrens wieder. Es gehe nicht an, Schutzgegenstände , die der Anmelder im Prüfungsverfahren bewusst habe fallen lassen, nachträglich im Verletzungsprozess wieder in den Patentschutz einzubeziehen. Jede andere Handhabung lasse den Gesichtspunkt der Rechtssicherheit in unverantwortlicher Weise zurücktreten. Der Patentinhaber dürfe die Aufgabe und das Risiko, den Schutzbereich des Patents zutreffend zu umreißen, nicht den Wettbewerbern aufbürden.
24
Mit dem von ihr erwogenen Vertrieb verletze die Beklagte das Klagepatent auch nicht mittelbar. Zwar werde die angegriffene Ausführungsform durch Infusion verabreicht und die Infusionslösung enthalte Natriumionen. Daraus ergebe sich aber nicht, dass zu irgendeinem Zeitpunkt Pemetrexeddinatrium zur Herstellung eines Arzneimittels verwendet werde.
25
III. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung in zwei entscheidenden Punkten nicht stand.
26
1. Ohne Rechtsfehler ist das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt , dass der Begriff "Pemetrexeddinatrium" nicht im Sinne von "Pemetrexed" auszulegen ist.
27
a) Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe die Voraussetzungen für eine funktionsorientierte Auslegung zu eng definiert.
28
Diese Rüge ist unbegründet.
29
Das Berufungsgericht hat unter Bezugnahme auf das erstinstanzliche Urteil ausgeführt, eine funktionsorientierte Auslegung sei zwar grundsätzlich geboten , dürfe aber nicht dazu führen, dass ein räumlich-körperlich definiertes Merkmal auf seine bloße Funktion reduziert werde, weil anderenfalls die Grenze zwischen wortsinngemäßer und äquivalenter Benutzung aufgelöst würde.
30
Dies steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Senats. Das Streitpatent hat zwar keine Vorrichtung zum Gegenstand, sondern - worauf zurückzukommen sein wird (III 3 a) - in einen Verwendungsanspruch gekleideten zweckgebundenen Stoffschutz; dementsprechend kann es nicht auf räumlichkörperlich definierte Merkmale und deren Funktion ankommen, sondern auf die stofflichen Eigenschaften. Insoweit gelten aber die gleichen Grundsätze. Auch im Rahmen eines solchen Verwendungsanspruchs können im Rahmen der Anspruchsauslegung einem rein funktionalen Verständnis der betreffenden stofflichen Verbindung Grenzen gesetzt sein.
31
In der von der Revision angeführten Entscheidung "Spannschraube" hat der Senat ausgeführt, die Auslegung eines Merkmals habe sich entscheidend an dessen in der Patentschrift zum Ausdruck gekommenen Zweck zu orientieren (BGH, Urteil vom 2. März 1999 - X ZR 85/96, GRUR 1999, 909, 911 - Spannschraube). Hieraus kann nicht entnommen werden, dass im Patentanspruch enthaltene Festlegungen zur räumlich-körperlichen oder - wie hier - stofflichen Ausgestaltung eines Merkmals stets in den Hintergrund zu treten haben. Im damals entschiedenen Fall ging es vielmehr darum, dass ein bestimmter Gesichtspunkt - nämlich die Frage, in welcher Weise eine Unterlegscheibe zwischen einen Flansch und einen Schraubenkopf "eingeführt" sein muss - im Patentanspruch keine ausdrückliche Festlegung erfahren hatte. Bei dieser Ausgangslage sah es der Senat nicht als rechtsfehlerhaft an, dass das Berufungsgericht in funktionsorientierter Auslegung zu dem Ergebnis gelangt war, das Einführen müsse durch eine Linearbewegung erfolgen.
32
In der ebenfalls von der Revision angeführten Entscheidung "Staubsaugersaugrohr" hat der Senat ausgeführt, eine funktionsorientierte Auslegung sei jedenfalls dann sachgerecht, wenn die Wortwahl des Patentanspruchs im Wesentlichen für sich kein fest umrissenes Verständnis erlaube (BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2004 - X ZR 176/02, GRUR 2005, 41, 42 - Staubsaugersaugrohr ). Dies steht nicht in Widerspruch zu dem vom Berufungsgericht vertretenen Ansatz und deckt sich mit der kurz zuvor in der Literatur geäußerten und vom Landgericht zitierten Auffassung, dass räumlich-körperliche Festlegungen nicht völlig außer Acht gelassen werden dürfen (Meier-Beck, GRUR 2003, 905, 907).
33
Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält sich innerhalb dieses Rahmens. Das Berufungsgericht hat eine ausschließlich an der Funktion orientierte Auslegung im Streitfall nicht allein aufgrund des nach seiner Auffassung eindeutigen Anspruchswortlauts abgelehnt, sondern deshalb, weil es die von ihm zuvor behandelten Gesichtspunkte, die nach seiner Auffassung für eine enge Orientierung am Wortlaut sprechen, als ausschlaggebend angesehen hat. Dies lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
34
Das Berufungsgericht hat insbesondere die von der Revision aufgezeigten Gesichtspunkte berücksichtigt, dass die tumorhemmende Wirkung allein von dem Pemetrexedion ausgeht und dass das Dinatriumsalz vor der Verabreichung an einen Patienten in Lösung gebracht wird, so dass sich der Ionenverbund auflöst. Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich aus diesen Gesichtspunkten nicht zwingend, dass die im Patentanspruch enthaltene Angabe "Pemetrexeddinatrium" über ihren Wortlaut hinaus auszulegen ist. Die vom Berufungsgericht als ausschlaggebend erachteten Umstände, insbesondere der einheitliche Sprachgebrauch innerhalb der Patentschrift, dessen Übereinstimmung mit dem Wortlaut des Patentanspruchs und der Umstand, dass für Vitamin B12 und andere Stoffe ausdrücklich auch pharmazeutische Derivate beansprucht werden, sprechen vielmehr entscheidend dafür, den Patentanspruch insoweit beim Wort zu nehmen.
35
b) Die Revision beanstandet, dass das Berufungsgericht sich bei der Auslegung des Klagepatents auf Unterlagen aus dem Erteilungsverfahren gestützt hat.
36
Damit zeigt sie ebenfalls keinen entscheidungserheblichen Rechtsfehler auf.
37
aa) Die Revision macht geltend, die selektive Berücksichtigung von Vorgängen aus dem Erteilungsverfahren stehe in Widerspruch zur Rechtsprechung des Senats.
38
Dies ist unzutreffend.
39
Wie das Berufungsgericht zutreffend aufgezeigt hat, ist es nach der Rechtsprechung des Senats zulässig, Äußerungen des Anmelders im Erteilungsverfahren als Indiz dafür heranzuziehen, wie der Fachmann den Gegenstand des Patents versteht (BGH, Urteil vom 5. Juni 1997 - X ZR 73/95, NJW 1997, 3377, 3380 - Weichvorrichtung II). Für Äußerungen des Prüfers gilt nichts anderes.
40
Solche Indizien können allerdings nicht ohne weiteres als alleinige Grundlage für die Auslegung herangezogen werden. Diesbezügliche Rechtsfehler lassen sich dem angefochtenen Urteil indes nicht entnehmen. Das Berufungsgericht hat die Äußerung des Prüfers, wonach mit der Nennung von Pemetrexeddinatrium nicht der allgemeinere Begriff "Pemetrexed" offenbart sei, vielmehr nur als zusätzliche Bestätigung für seine auf andere Gesichtspunkte gestützte Auslegung herangezogen.
41
bb) Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe Vorbringen der Klägerin übergangen, wonach die Äußerung des Prüfers keine Rückschlüsse auf das Verständnis des Fachmanns erlaube, weil sie auf dem strengen Offenbarungsbegriff des Europäischen Patentamts beruhe, das sich schlicht am Wortlaut der Unterlagen orientiere.
42
Diese Rüge ist ebenfalls unbegründet.
43
Zwar hat sich das Berufungsgericht mit dem genannten Gesichtspunkt nicht ausdrücklich näher befasst. Angesichts der umfassenden Begründung, auf die das Berufungsgericht die Auslegung des Klagepatents gestützt hat, erscheint es aber jedenfalls ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung dieses Gesichtspunkts zu einem abweichenden Ergebnis gelangt wäre.
44
Wie bereits erwähnt hat das Berufungsgericht die Äußerung des Prüfers nur als zusätzliches bestätigendes Indiz herangezogen. Hätte es diese Äußerung nicht als Hinweis auf des Verständnis des Fachmanns, sondern lediglich als Äußerung einer Rechtsauffassung angesehen, so hätte es ihr im vorliegenden Zusammenhang eine Indizwirkung weder in die eine noch in die andere Richtung beimessen dürfen. Alle verbleibenden Gesichtspunkte sprechen aber nach der rechtsfehlerfreien Beurteilung des Berufungsgerichts ebenfalls für das von ihm als zutreffend erachtete Auslegungsergebnis.
45
c) Die Revision macht geltend, das Berufungsgericht hätte auch die Äußerungen der Anmelderin im Erteilungsverfahren in seine Beurteilung einbeziehen müssen.
46
Damit zeigt sie keinen Verfahrensfehler auf.
47
Die Klägerin hat dieses Argument zwar im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemacht. Aus dem Umstand, dass das Berufungsgericht sich nicht ausdrücklich mit ihm befasst hat, kann aber nicht darauf geschlossen werden, dass das Berufungsgericht einen wesentlichen Aspekt ihrer Argumentation übergangen hätte. Die in Rede stehende Äußerung der Klägerin im Erteilungsverfahren deckt sich der Sache nach mit ihrer rechtlichen Argumentation im Verletzungsverfahren. Mit dieser hat sich das Berufungsgericht eingehend auseinandergesetzt.
48
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann eine Verletzung des Klagepatents mit äquivalenten Mitteln nicht unter Rückgriff auf die vom Senat entwickelten Grundsätze zur Auswahlentscheidung verneint werden.
49
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist die Verletzung eines Patents mit äquivalenten Mitteln nur dann zu bejahen, wenn die Überlegungen , die der Fachmann anstellen muss, um ein abgewandeltes Mittel als objektiv gleichwirkend aufzufinden, am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre orientiert sind (BGH, Urteil vom 12. März 2002 - X ZR 168/00, BGHZ 150, 149, 154 = GRUR 2002, 515, 517 - Schneidmesser I; Urteil vom 14. Dezember 2010 - X ZR 193/03, GRUR 2011, 313 Rn. 35 - Crimpwerkzeug IV).
50
aa) Orientierung am Patentanspruch setzt voraus, dass der Patentanspruch in allen seinen Merkmalen nicht nur den Ausgangspunkt, sondern die maßgebliche Grundlage für die Überlegungen des Fachmanns bildet (BGH, Urteil vom 29. November 1988 - X ZR 63/87, BGHZ 106, 84, 90 f. = GRUR 1989, 205, 208 - Schwermetalloxidationskatalysator; Urteil vom 12. März 2002 - X ZR 168/00, BGHZ 150, 149, 154 = GRUR 2002, 515, 517 - Schneidmesser I). Beschränkt sich das Patent bei objektiver Betrachtung auf eine engere Anspruchsfassung , als dies vom technischen Gehalt der Erfindung und gegenüber dem Stand der Technik geboten wäre, darf die Fachwelt darauf vertrauen, dass der Schutz entsprechend beschränkt ist. Dem Patentinhaber ist es dann verwehrt , nachträglich Schutz für etwas zu beanspruchen, was er nicht unter Schutz hat stellen lassen. Dies gilt selbst dann, wenn der Fachmann erkennt, dass die erfindungsgemäße Wirkung als solche (in dem vorstehend ausgeführten engeren Sinn) über den im Patentanspruch unter Schutz gestellten Bereich hinaus erreicht werden könnte (BGH, Urteil vom 12. März 2002 - X ZR 168/00, BGHZ 150, 149, 159 = GRUR 2002, 515, 518 - Schneidmesser I). Deshalb ist eine Ausführungsform aus dem Schutzbereich des Patents ausgeschlossen, die zwar offenbart oder für den Fachmann jedenfalls auffindbar sein mag, von der der Leser der Patentschrift aber annehmen muss, dass sie - aus welchen Gründen auch immer - nicht unter Schutz gestellt werden sollte (BGH, Urteil vom 10. Mai 2011 - X ZR 16/09, BGHZ 189, 330 = GRUR 2011, 701 Rn. 36 - Okklusionsvorrichtung; Urteil vom 13. September 2011 - X ZR 69/10, GRUR 2012, 45 Rn. 44 - Diglycidverbindung).
51
Dieses Kriterium entspricht nach dem Verständnis des Senats der dritten der drei so genannten Improver- oder Protokoll-Fragen, die die britischen Gerichte in ständiger Rechtsprechung zur Beurteilung der Frage heranziehen, ob eine Ausführungsform, die vom primären, buchstäblichen oder vom Kontext losgelösten Wortlaut des Patentanspruchs nicht erfasst wird, dennoch in den Schutzbereich des Patents fällt. Nach dieser Rechtsprechung fällt eine solche Ausführungsform, auch wenn die Abwandlung keinen wesentlichen Einfluss auf die erfindungsgemäße Wirkung hat und dieser Umstand dem Fachmann nahegelegt war, nicht in den Schutzbereich des Patents, wenn dem Patentanspruch aus fachmännischer Sicht zu entnehmen ist, dass die Übereinstimmung mit dem primären Wortlaut zu den wesentlichen Erfordernissen der Erfindung gehört (ähnlich bereits für nationale Patente: Catnic Components Ltd v Hill & Smith Ltd [1982] RPC 183 Rn. 242 f.; grundlegend zu Art. 69 EPÜ: Improver Corporation v Remington Consumer Products Ltd (Hoffman J), [1990] FSR 181 Rn. 289, zitiert in den beiden das hiesige Klagepatent betreffenden Entscheidungen Actavis UK Ltd & Ors v Eli Lilly & Company, [2014] EWHC 1511 (Arnold J), Rn. 92 [insoweit nicht in GRUR Int. 2015, 52]; [2015] EWCA Civ 555 (Floyd LJ), Rn. 46).
52
bb) Für Fallgestaltungen, in denen dem Patentanspruch eine Auswahlentscheidung zwischen verschiedenen Möglichkeiten zugrunde liegt, hat der Senat das Erfordernis der Orientierung am Patentanspruch dahin konkretisiert, dass die fachmännischen Überlegungen zu möglichen Abwandlungen gerade auch mit dieser Auswahlentscheidung in Einklang stehen müssen (BGH, Urteil vom 10. Mai 2011 - X ZR 16/09, BGHZ 189, 330 = GRUR 2011, 701 Rn. 35 - Okklusionsvorrichtung). Deshalb ist eine Patentverletzung mit äquivalenten Mitteln in der Regel zu verneinen, wenn die Beschreibung mehrere Möglichkeiten offenbart, wie eine bestimmte technische Wirkung erzielt werden kann, jedoch nur eine dieser Möglichkeiten in den Patentanspruch aufgenommen worden ist (BGH, Urteil vom 10. Mai 2011 - X ZR 16/09, BGHZ 189, 330 = GRUR 2011, 701 Rn. 35 - Okklusionsvorrichtung; Urteil vom 13. September 2011 - X ZR 69/10, GRUR 2012, 45 Rn. 44 - Diglycidverbindung).
53
b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sind die zuletzt genannten Voraussetzungen im Streitfall nicht erfüllt.
54
aa) Wie die Revision zu Recht geltend macht und wie auch das Berufungsgericht im Ansatz nicht verkannt hat, ist der Streitfall im Ausgangspunkt anders gelagert als die Fälle, die den Entscheidungen "Okklusionsvorrichtung" und "Diglycidverbindung" zugrunde lagen.
55
In diesen Fällen wurden in der Beschreibung des Patents jeweils (mindestens ) zwei konkrete Ausführungsformen aufgezeigt, mit denen die erfindungsgemäße Wirkung erzielt werden konnte, und jeweils nur eine dieser Ausführungsformen hatte im Patentanspruch Niederschlag gefunden. Im Streitfall wird in der Patentschrift nur eine Ausführungsform offenbart. In der Beschreibung wird zwar ausgeführt, die Erfindung betreffe allgemein die Verwendung von Antifolatarzneimitteln durch Verabreichung eines Methylmalonsäure verringernden Mittels wie Vitamin B12. Als konkrete Ausführungsform dieser Erfindung wird aber nur die Verwendung von Pemetrexeddinatrium aufgezeigt.
56
bb) Das Berufungsgericht geht davon aus, die Offenbarung einer Gattung von chemischen Verbindungen habe dieselben rechtlichen Wirkungen wie die Auflistung aller zu der Gattung gehörenden und am Prioritätstag als solche bereits bekannten Verbindungen.
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Dies steht in Widerspruch zur neueren Rechtsprechung des Senats.
58
Nach dieser Rechtsprechung darf die Fähigkeit des Fachmanns, mit Hilfe bekannter Verfahren und seines sonstigen Fachwissens eine mehr oder weniger große Anzahl von Einzelverbindungen herzustellen, die unter eine offenbarte Strukturformel fallen, nicht mit der Offenbarung dieser Einzelverbindungen gleichgesetzt werden. Vielmehr stellen die Einzelverbindungen, jedenfalls regelmäßig , Nutzanwendungen der technischen Information dar, die dem Fachmann durch die Offenbarung der Strukturformel oder sonst einer allgemeineren Formel gegeben wird. Durch deren Mitteilung sind die darunter fallenden einzelnen Verbindungen als solche nicht offenbart. Um sie dem Fachmann im Sinne der Neuheitsprüfung "in die Hand zu geben", bedarf es in der Regel weitergehender Informationen insbesondere zu ihrer Individualisierung (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2008 - X ZR 89/07, BGHZ 179, 168 = GRUR 2009, 382 Rn. 28 - Olanzapin; Urteil vom 10. September 2009 - Xa ZR 130/07, GRUR 2010, 123 Rn. 31 - Escitalopram).
59
Im Streitfall ist Pemetrexeddikalium in der Klagepatentschrift nicht ausdrücklich benannt. Der Umstand, dass es ein Antifolat ist und zu derselben Gruppe gehört wie Pemetrexeddinatrium, reicht nach der aufgezeigten Rechtsprechung nicht aus, um es als durch die Klagepatentschrift offenbart anzusehen. Besondere Umstände, die darauf hindeuten könnten, dass der Fachmann diese Verbindung dennoch gleichsam mitliest, sind nicht festgestellt.
60
cc) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann der in der Entscheidung "Okklusionsvorrichtung" entwickelte Grundsatz nicht schon dann auf die Konstellation des Streitfalls übertragen werden, wenn die Verwendung von Pemetrexeddikalium anstelle von Pemetrexeddinatrium durch die Klagepatentschrift nahegelegt ist.
61
Wie oben bereits dargelegt wurde, beruht der genannte Grundsatz zwar auf der allgemeineren Erwägung, dass eine Ausführungsform vom Schutzbereich des Patents ausgeschlossen ist, wenn sie offenbart oder für den Fachmann jedenfalls auffindbar ist, der Leser der Patentschrift aber annehmen muss, dass sie - aus welchen Gründen auch immer - nicht unter Schutz gestellt werden sollte. Den Grundsatz selbst hat der Senat aber, wie die Revision zutreffend aufzeigt, nur für die Konstellation aufgestellt, dass die Patentschrift selbst mehrere mögliche Ausführungsformen offenbart. Eine Erweiterung auf Ausführungsformen, die aufgrund der Angaben in der Patentschrift auffindbar waren, führte hingegen schon deshalb zu weit, weil die Auffindbarkeit eine Grundvoraussetzung für die Bejahung von Äquivalenz ist und der Einsatz abgewandelter Mittel folglich niemals zu einer Patentverletzung führen könnte.
62
dd) Hieraus ergibt sich andererseits nicht zwingend, dass die Bejahung einer Auswahlentscheidung in der hier zu beurteilenden Fallkonstellation schlechterdings ausgeschlossen ist.
63
Aus dem Inhalt der Patentschrift oder aus sonstigen für die Auslegung maßgeblichen Umständen kann sich im Einzelfall ergeben, dass die Fokussierung auf eine einzelne Verbindung aus einer Gruppe von Stoffen, die in der Beschreibung ohne nähere Differenzierung als geeignet eingestuft werden, auf einer Auswahl beruht, die es ausschließt, weitere zu der Gruppe gehörende Verbindungen in den Schutzbereich des Patents einzubeziehen. Dies kann etwa dann in Betracht kommen, wenn die in den Patentanspruch aufgenommene Verbindung im Vergleich zu anderen Verbindungen der offenbarten Gruppe eine besondere Eigenschaft aufweist, die für die Verwirklichung der erfindungsgemäßen Funktion von Bedeutung ist. Dies ist aber eine Frage des Einzelfalls, für die keine allgemeinen Regeln aufgestellt werden können.
64
ee) Aus einem Vergleich zwischen der geltenden Fassung des Patents und der (veröffentlichten) Anmeldung oder etwaigen früheren Fassungen des Schutzrechts können ebenfalls keine allgemeingültigen Schlussfolgerungen gezogen werden. Deshalb bedarf es für die Beurteilung des Streitfalls keiner Entscheidung, ob solche Unterlagen bei der Auslegung der geltenden Fassung eines Patents berücksichtigt werden dürfen.
65
(1) Wenn der Patentinhaber in einem bestimmten Stadium des Verfahrens Schutz für eine Gruppe von Verbindungen beansprucht, die Patentansprüche später aber so gefasst hat, dass ihr Wortsinn nur noch eine einzelne Verbindung erfasst, mag dies im Einzelfall darauf hindeuten, dass er die übrigen Verbindungen aus dem Schutzbegehren ausgenommen hat. Dann ist Raum für die Anwendung des bereits erwähnten Grundsatzes, dass der Patentinhaber über die Rechtsfigur der Äquivalenz nicht nachträglich Schutz für etwas beanspruchen darf, was er nicht unter Schutz hat stellen lassen.
66
(2) Die Annahme, dass mit der Konkretisierung der Anspruchsfassung alle übrigen zur offenbarten Gruppe gehörenden Verbindungen vom Schutz ausgenommen werden, kommt aber nur unter bestimmten Voraussetzungen in Betracht.
67
Sie mag im Einzelfall gerechtfertigt sein, wenn ein Vergleich der unterschiedlichen Anspruchsfassungen unter Berücksichtigung des übrigen Inhalts der zugehörigen Anmeldung bzw. Patentschrift hinreichend deutlich ergibt, dass die Konkretisierung vorgenommen wurde, um den Gegenstand des Patents vom Stand der Technik abzugrenzen und so Zweifel hinsichtlich der Patentfähigkeit zu vermeiden. Wenn dies der Fall ist, ist die Bejahung einer Auswahlentscheidung in der Regel auch dann nicht ausgeschlossen, wenn die Konkretisierung bei objektiver Betrachtung nicht notwendig gewesen wäre, denn die Gründe, aus denen von einer Einbeziehung bestimmter Ausführungsformen abgesehen wird, sind nach der oben aufgezeigten Rechtsprechung grundsätzlich ohne Bedeutung.
68
Wenn die Konkretisierung im Hinblick auf formelle Anforderungen vorgenommen wurde - wiederum unabhängig davon, ob diese Anforderungen objektiv bestanden haben - oder wenn nicht hinreichend deutlich wird, aus welchem Grund sie erfolgt ist, kann hingegen in der Regel nicht von einer Auswahlentscheidung im oben genannten Sinne ausgegangen werden. Sofern der Patentanspruch etwa aus Gründen der Anspruchsklarheit oder zur Vermeidung einer unzulässigen Erweiterung eine verhältnismäßig enge Fassung erhält, können daraus für die Frage einer Verletzung mit äquivalenten Mitteln schon deshalb keine zwingenden Schlussfolgerungen gezogen werden, weil diese beiden Gesichtspunkte für die Äquivalenz nicht von unmittelbarer Bedeutung sind. Die Frage der Anspruchsklarheit kann sich in der Regel nicht stellen, weil es nur darum geht, ob der Einsatz eines bestimmten Austauschmittels als gleichwertig (äquivalent) anzusehen ist, und hierfür grundsätzlich nicht von Bedeutung ist, ob noch weitere gleichwertige Austauschmittel in Betracht kommen. Der Frage, ob eine Ausführungsform in den ursprünglich eingereichten Unterlagen als zur Erfindung gehörend offenbart ist, kommt in der Regel ebenfalls keine Bedeutung zu, weil ein Austauschmittel auch dann gleichwertig (äquivalent) sein kann, wenn es weder in der Anmeldung noch im Patent offenbart, aber dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt war.
69
c) Im Streitfall kann die Orientierung am Patentanspruch auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht verneint werden.
70
aa) Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist Pemetrexeddikalium in der Klagepatentschrift nicht als mögliches Austauschmittel aufgeführt. Der Umstand, dass in der Klagepatentschrift grundsätzlich alle Antifolate als zur erfindungsgemäßen Verwendung geeignet eingestuft werden, und die sich daraus zumindest mittelbar ergebende Schlussfolgerung, dass dies grundsätzlich auch für alle Pemetrexedverbindungen gilt, vermögen die Annahme einer Auswahlentscheidung aus den oben aufgeführten Gründen für sich allein nicht zu stützen.
71
bb) Für den Umstand, dass die Klägerin in der Anmeldung Schutz für die Verwendung eines beliebigen Antifolats in Kombination mit einem beliebigen Methylmalonsäure verringernden Mittel beansprucht hat, gilt nichts anderes.
72
Der Vergleich der beiden Fassungen gibt keinen hinreichenden Aufschluss darüber, aus welchem Grund die Konkretisierung auf Pemetrexeddinatrium sowie Vitamin B12 und dessen Derivat erfolgt ist. Der vom Berufungsgericht ergänzend herangezogene Inhalt der Erteilungsakte deutet darauf hin, dass sie auf formellen Erwägungen beruht. Damit ist die Annahme einer Auswahlentscheidung aus den oben aufgezeigten Gründen nicht gerechtfertigt.
73
cc) Der Schutz der Rechtssicherheit für Dritte erfordert es nicht zwingend , Pemetrexeddikalium vom Schutzbereich des Klagepatents auszunehmen.
74
Der Rechtssicherheit für Dritte kommt nach Art. 1 Satz 3 des Protokolls über die Auslegung des Artikels 69 EPÜ zwar erhebliche Bedeutung zu. Nach dieser Bestimmung sind aber auch die Belange des Patentinhabers zu berücksichtigen. Die widerstreitenden Interessen sind nach Art. 1 Satz 3 des Protokolls einem angemessenen Ausgleich zuzuführen, der einen angemessenen Schutz für den Patentinhaber mit ausreichender Rechtssicherheit für Dritte verbindet. Nach Art. 2 des Protokolls ist hierbei auch solchen Elementen gebührend Rechnung zu tragen, die Äquivalente der in den Patentansprüchen genannten Elemente sind.
75
Angesichts dessen kann die Einbeziehung einer Ausführungsform in den Schutzbereich eines Patents nicht allein deshalb abgelehnt werden, weil der Patentinhaber es versäumt hat, seinem Patent eine Fassung zu geben, bei der die Ausführungsform vom Wortsinn des Patentanspruchs erfasst wäre. Die mit der Einbeziehung von Äquivalenten verbundene Konsequenz, dass der Rechtsverkehr den Schutzbereich des Patents nicht allein anhand der Anspruchsfassung in jeder Hinsicht exakt und abschließend abschätzen kann, kann schon deshalb nicht zu einer anderen Beurteilung führen, weil nach Art. 69 EPÜ Be- schreibung und Zeichnungen zur Auslegung des Patentanspruchs heranzuziehen sind.
76
dd) Entgegen der Auffassung der Beklagten kann die Orientierung am Patentanspruch nicht allein deshalb verneint werden, weil der Begriff "Pemetrexeddinatrium" eine exakte Umschreibung für eine bestimmte chemische Verbindung darstellt, deren Detaillierungsgrad mit demjenigen einer Zahlenangabe vergleichbar ist.
77
(1) Nach der Rechtsprechung des Senats bestimmt und begrenzt eine eindeutige Zahlenangabe den geschützten Gegenstand grundsätzlich insoweit abschließend. Dies schließt aber nicht aus, dass der Fachmann eine gewisse Unschärfe als mit dem technischen Sinngehalt einer Zahlenangabe vereinbar ansieht. Ob und in welchem Umfang dies zu bejahen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (BGH, Urteil vom 12. März 2002 - X ZR 168/00, BGHZ 150, 149, 156 f. = GRUR 2002, 515, 518 - Schneidmesser I).
78
(2) Für die Angabe einer Stoffbezeichnung oder einer chemischen Formel gilt im Grundsatz nichts anderes.
79
Eine solche Bezeichnung mag im Einzelfall denselben Konkretisierungsgrad aufweisen wie eine Zahlenangabe. Dies kann dazu führen, dass Stoffe, die nicht unter diese Definition fallen, vom Wortsinn des Patentanspruchs nicht erfasst werden. Ebenso wie bei Zahlenangaben rechtfertigt all dies aber nicht ohne weiteres den Schluss, dass der Einsatz einer gleichwirkenden und für den Fachmann auffindbaren Verbindung nicht am Sinngehalt des Patentanspruchs orientiert ist.
80
(3) Entgegen der Auffassung der Beklagten führt der Umstand, dass in der Beschreibung des Klagepatents (Abs. 22) ausdrücklich ausgeführt wird, das Antifolat zur Verwendung in der Erfindung sei Pemetrexeddinatrium, nicht zu einer abweichenden Beurteilung.
81
Diese Ausführungen in der Beschreibung stützen und bestätigen zwar die Einschätzung, dass der im Patentanspruch verwendete Ausdruck "Pemetrexeddinatrium" im allgemeinen technischen Sinne zu verstehen ist, also als exakte wissenschaftliche Definition einer bestimmten chemischen Verbindung. Die Verwendung einer solchen Definition reicht aber aus den genannten Gründen nicht aus, um eine Orientierung am Patentanspruch verneinen zu können. Eine darüber hinausgehende Festlegung kann der in der Beschreibung des Streitpatents enthaltenen Definition ebenso wenig entnommen werden wie dem mit der Definition näher charakterisierten Begriff im Patentanspruch selbst.
82
3. Ebenfalls rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht eine mittelbare Patentverletzung verneint.
83
a) Nach der Rechtsprechung des Senats ist Gegenstand eines auf die Verwendung eines Stoffs zur Behandlung einer Krankheit gerichteten Patentanspruchs die Eignung des Stoffes für einen bestimmten medizinischen Einsatzzweck und damit letztlich eine dem Stoff innewohnende Eigenschaft (BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2005 - X ZB 7/03, BGHZ 164, 220 = GRUR 2006, 135 - Arzneimittelgebrauchsmuster). Dies entspricht in der Sache einem zweckgebundenen Stoffschutz, wie ihn § 3 Abs. 4 PatG und Art. 54 Abs. 5 EPÜ in der seit 13. Dezember 2007 geltenden Fassung ausdrücklich vorsehen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Patentanspruch seinem Wortlaut nach auf zweckgebundenen Stoffschutz, auf die Verwendung des Medikaments oder auf dessen Herrichtung zu einem bestimmten Verwendungszweck gerichtet ist (BGH, Beschluss vom 25. Februar 2014 - X ZB 5/13, BGHZ 200, 229 = GRUR 2014, 461 Rn. 17 - Kollagenase I).
84
Für Ansprüche, die entsprechend der früheren Rechtspraxis des Europäischen Patentamts auf Verwendung des Stoffs zur Herstellung eines Medikaments gerichtet sind, gilt nichts anderes. Diese besondere, als Swiss type claim bezeichnete Anspruchsfassung trug dem Umstand Rechnung, dass die Verwendung eines Stoffs zur Behandlung einer Krankheit nach Auffassung des Europäischen Patentamts der Patentierung nicht zugänglich war. Die stattdes- sen gewählte Lösung, den Schutz auf die Verwendung zur Herstellung eines Medikaments zu richten, ändert nichts daran, dass der Sache nach eine besondere Eigenschaft des Stoffs geschützt ist, die auch dem hergestellten Medikament innewohnt.
85
Eine abweichende Beurteilung ergäbe sich selbst dann nicht, wenn Swiss type claims entsprechend ihrem Wortlaut als Ansprüche verstanden würden , die auf den Schutz eines Herstellungsverfahrens gerichtet sind. Ausgehend von einem solchen Verständnis wäre ein nach dem geschützten Verfahren hergestelltes Medikament als unmittelbares Verfahrenserzeugnis anzusehen , das für den geschützten Verwendungszweck gemäß § 9 Nr. 3 PatG ebenfalls nur durch den Patentinhaber angeboten, in den Verkehr gebracht und gebraucht werden darf. Dies führte im Ergebnis ebenfalls zu einem auf den Verwendungszweck beschränkten Stoffschutz.
86
b) Die Entscheidung des Berufungsgerichts steht in Widerspruch zu diesen Grundsätzen.
87
Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob das Arzneimittel, das die Beklagte vertreiben will, vor der Verabreichung in einer Kochsalzlösung aufgelöst werden soll und ob dabei ein Gemisch aus Pemetrexedionen und mindestens doppelt so vielen Natriumionen erzeugt wird. Es hat das diesbezügliche Vorbringen der Klägerin schon deshalb als unerheblich angesehen, weil der Patentanspruch auf die Verwendung des Dinatriumsalzes zur Herstellung eines Arzneimittels gerichtet sei.
88
Hierbei hat das Berufungsgericht unberücksichtigt gelassen, dass auch eine solche Anspruchsfassung beschränkten Stoffschutz gewährt. Eine Verletzung des Klagepatents kann nicht allein wegen dieser Anspruchsfassung abgelehnt werden. Sofern ein Gemisch aus Pemetrexedionen und mindestens doppelt so vielen Natriumionen als Pemetrexeddinatrium im Sinne von Patentanspruch 1 anzusehen ist und ein solches Gemisch vor der bestimmungsgemäßen Verabreichung des Arzneimittels, das die Beklagte vertreiben will, hergestellt wird, ist vielmehr - in Übereinstimmung mit der nach dem Berufungsurteil ergangenen Entscheidung des Court of Appeal for England and Wales (Floyd LJ, [2015] EWCA Civ 555, Rn. 74-92) - eine mittelbare Patentverletzung zu bejahen.
89
IV. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif.
90
Das Berufungsgericht hat ausdrücklich offengelassen, ob die Verwendung von Pemetrexeddikalium als gleichwirkendes Mittel anzusehen ist und ob es für den Fachmann als solches auffindbar war. Die Beurteilung dieser beiden Fragen - deren zweite die britischen Gerichte verneint haben (Arnold J, [2014] EWHC 1511, Rn. 120-128 [insoweit nicht in GRUR Int. 2015, 52]; Floyd LJ, [2015] EWCA Civ 555, Rn. 62-71) - erfordert zusätzliche tatsächliche Feststellungen.
91
Das Berufungsgericht wird zudem die von ihm offen gelassenen Fragen zur mittelbaren Patentverletzung zu klären haben, sofern es auf diesem Gesichtspunkt im weiteren Verfahrensverlauf trotz der mittlerweile vor den britischen Gerichten abgegebenen Erklärung der Beklagten, sie wolle das Arzneimittel zur Verabreichung in einer Dextroselösung vertreiben (dazu Arnold J [2016] EWHC 234), noch ankommen sollte.
Meier-Beck Gröning Bacher
Hoffmann Schuster
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 03.04.2014 - 4b O 114/12 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 05.03.2015 - I-2 U 16/14 -

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Patentgesetz - PatG | § 9


Das Patent hat die Wirkung, dass allein der Patentinhaber befugt ist, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu benutzen. Jedem Dritten ist es verboten, ohne seine Zustimmung 1. ein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, herzust

Patentgesetz - PatG | § 14


Der Schutzbereich des Patents und der Patentanmeldung wird durch die Patentansprüche bestimmt. Die Beschreibung und die Zeichnungen sind jedoch zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen.

Patentgesetz - PatG | § 3


(1) Eine Erfindung gilt als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört. Der Stand der Technik umfaßt alle Kenntnisse, die vor dem für den Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Tag durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung od

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 50/16 Verkündet am: 24. April 2018 Zöller Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nei

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Tenor Auf die Berufung wird das Urteil des 1. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 15. Oktober 2015 abgeändert.

Bundesgerichtshof Urteil, 23. Aug. 2016 - X ZR 76/14

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Der Schutzbereich des Patents und der Patentanmeldung wird durch die Patentansprüche bestimmt. Die Beschreibung und die Zeichnungen sind jedoch zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen.

9
2. In der Beschreibung des Streitpatents ist eine Aufgabe nicht formuliert. Die Beklagte sieht diese darin, ein (Langzeit-)Diabetes-Therapeutikum mit gegenüber dem Stand der Technik vorteilhaften pharmakologischen Eigenschaften , insbesondere mit einem durch schnelles Einsetzen der Wirkung, einem im Verhältnis zur Blutzuckersenkung niedrigen Plasmaspiegel und rascher Eliminierung des Wirkstoffs aus dem Blut ausgestatteten besonderen pharmakokinetischen Profil vorzuschlagen. Dieser Aufgabenbestimmung kann nicht beigetreten werden. Gegen sie wäre möglicherweise nichts einzuwenden, wenn zweifelsfrei feststünde, dass der Fachmann seine Bemühungen am Anmeldetag gezielt und ausschließlich an den genannten Parametern ausgerichtet hätte. Das ist jedoch nicht der Fall. Der Beschreibung zufolge hat sich erst bei den Bemühungen der Erfinder um eine Weiterentwicklung des Stands der Technik herausgestellt, dass Repaglinid die genannten vorteilhaften pharmakokinetischen Eigenschaften aufweist. Die Bestimmung des technischen Problems dient dazu, den Ausgangspunkt der fachmännischen Bemühungen um eine Bereicherung des Stands der Technik ohne Kenntnis der Erfindung zu lokalisieren, um bei der anschließenden und davon zu trennenden Prüfung auf Patentfähigkeit zu bewerten, ob die dafür vorgeschlagene Lösung durch den Stand der Technik nahegelegt war oder nicht. Elemente, die zur patentgemäßen Lösung gehören oder die sich bei ihrer Erarbeitung herausgestellt haben, sind deshalb bei der Bestimmung des technischen Problems nicht zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 22. Mai 1990 - X ZR 124/88, GRUR 1991, 811, 814 - Falzmaschine; Urteil vom 30. Juli 2009 - Xa ZR 22/06, GRUR 2010, 44 Rn. 14 - Dreinahtschlauchfolienbeutel ). Dem Streitpatent liegt hiernach das Problem zugrunde, ein (Langzeit-)Diabetes-Therapeutikum mit verbesserter Wirkung bereitzustellen.

Tenor

Die Berufung gegen das am 13. November 2012 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 907 364 (Streitpatents), das am 27. Mai 1997 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 31. Mai 1996 angemeldet wurde und ein Arzneimittel aus einem Dibenzothiazepinderivat mit verzögerter Freisetzung betrifft. Patentanspruch 1, auf den neunzehn weitere Patentansprüche zurückbezogen sind, lautet in der Verfahrenssprache:

"A sustained release formulation comprising a gelling agent and 11-[4-[2-(2-hydroxyethoxy)ethyl]-1-piperazinyl]dibenzo-[b,f][1,4]thiazepine or a pharmaceutically acceptable salt thereof, together with one or more pharmaceutically acceptable excipients."

2

Die Klägerinnen haben geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig. Die Klägerin zu 1 hat ferner geltend gemacht, die Erfindung sei im Streitpatent nicht so offenbart, dass der Fachmann sie ausführen könne. Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten Fassung und hilfsweise in vier geänderten Fassungen verteidigt.

3

Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt. Die Klägerinnen treten dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe

4

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

5

I. Das Streitpatent betrifft eine Retard-Formulierung mit dem Wirkstoff Quetiapin.

6

1. Nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift war im Stand der Technik bekannt, dass der Wirkstoff 11-[4-[2-(2-Hydroxyethoxy)ethyl]-1-piperazinyl]dibenzo-[b,f][1,4]thiazepin (Freiname: Quetiapin) antidopaminerge Wirkung hat und zum Beispiel als Antipsychotikum oder zur Behandlung von Hyperaktivität eingesetzt werden kann.

7

In der Streitpatentschrift wird weiter ausgeführt, bei der Behandlung einer Reihe von Krankheiten sei es wünschenswert, die pharmazeutischen Wirkstoffe in Retard-Form bereitzustellen, um eine einheitliche und konstante Freisetzungsrate über einen längeren Zeitraum ohne häufige Verabreichung sicherzustellen. Im Stand der Technik seien zahlreiche Retard-Formulierungen mit Geliermitteln wie Hydroxypropylmethylcellulosen bekannt. Die Herstellung solcher Formulierungen von löslichen Medikamenten habe sich aber als schwierig dargestellt. Wasserlösliche Wirkstoffe neigten zu dem als dose dumping bekannten Phänomen, dass die Freisetzung zunächst verzögert werde, dann aber mit hoher Rate einsetze. Ferner bestehe die Tendenz zu Fluktuationen und Tagesschwankungen bei der Plasmakonzentration. Schließlich sei es schwierig, die Freisetzungsrate zu steuern. Deshalb bestehe ein Bedarf an Retard-Formulierungen von löslichen Medikamenten wie Quetiapin, mit denen diese Schwierigkeiten überwunden oder vermindert werden könnten.

8

2. Das Patentgericht hat hieraus abgeleitet, das Streitpatent betreffe das technische Problem, eine Formulierung des Wirkstoffs Quetiapin zur Verfügung zu stellen, die eine möglichst konstante Freisetzungsrate über einen möglichst langen Zeitraum hinweg ermöglicht.

9

3. Diese Definition ist zu eng. Das dem Streitpatent zugrunde liegende Problem besteht vielmehr darin, eine Darreichungsform von Quetiapin zur Verfügung zu stellen, die zu einer verbesserten Wirkung führt.

10

a) Die vom Patentgericht zugrunde gelegte Definition bietet sich zwar durch den Wortlaut der Beschreibung an. Diesem kommt aber, wie das Patentgericht im Ansatz nicht verkannt hat und wovon auch die Parteien im Ansatz übereinstimmend ausgehen, nicht notwendigerweise ausschlaggebende Bedeutung zu.

11

Nach der Rechtsprechung des Senats ist als Ausgangspunkt für die Prüfung auf erfinderische Tätigkeit nicht zwingend auf die der Beschreibung des Streitpatents zu entnehmende "Aufgabe" abzustellen (BGH, Urteil vom 1. März 2011 - X ZR 72/08, GRUR 2011, 607 Rn. 19 - Kosmetisches Sonnenschutzmittel III). Maßgeblich ist vielmehr, was die Erfindung gegenüber dem Stand der Technik im Ergebnis tatsächlich leistet (vgl. nur BGH, Urteil vom 12. Februar 2003 - X ZR 200/99, GRUR 2003, 693, 695 - Hochdruckreiniger).

12

b) Hieraus ergibt sich entgegen der Auffassung der Berufung allerdings nicht, dass bei der Definition des technischen Problems kumulativ alle Vorteile zu berücksichtigen sind, die die Erfindung objektiv mit sich bringt.

13

Nach der Rechtsprechung des Senats kann eine Erfindung mehrere unterschiedliche technische Probleme betreffen. In solchen Konstellationen sind die einzelnen Problemstellungen bei der Prüfung der Patentfähigkeit gesondert zu betrachten. Die Patentfähigkeit ist gegebenenfalls schon dann zu verneinen, wenn die Bewältigung eines dieser Probleme zum Aufgabenkreis des Fachmanns gehört hat und die beanspruchte Erfindung von diesem Ausgangspunkt aus durch den Stand der Technik nahegelegt war (BGH, Urteil vom 1. März 2011 - X ZR 72/08, GRUR 2011, 607 Rn. 19 - Kosmetisches Sonnenschutzmittel III).

14

Vor diesem Hintergrund ist die zwischen den Parteien umstrittene Frage, ob die vom Streitpatent beanspruchte Formulierung nicht nur eine konstante Freisetzungsrate über einen langen Zeitraum hinweg ermöglicht, sondern auch zusätzliche Anwendungsfelder und Indikationen für Quetiapin eröffnet, für die Entscheidung des Streitfalls nicht von Bedeutung. Sofern der Fachmann Anlass hatte, nach einer Formulierung mit konstanter Freisetzungsrate zu suchen und der Gegenstand des Streitpatents ausgehend von dieser Problemstellung durch den Stand der Technik nahegelegt war, ist die Patentfähigkeit auch dann zu verneinen, wenn die Erfindung daneben zur Lösung weiterer Probleme geeignet ist.

15

c) Die vom Patentgericht zugrunde gelegte Definition des technischen Problems ist aber deshalb zu eng, weil der Streitfall unter anderem die Frage aufwirft, ob der Fachmann Anlass hatte, für Quetiapin eine Formulierung in Betracht zu ziehen, die eine möglichst konstante Freisetzungsrate über einen möglichst langen Zeitraum hinweg ermöglicht.

16

Die Definition des technischen Problems, das einer Erfindung zugrunde liegt, dient nicht dazu, eine Vorentscheidung über die Frage der Patentfähigkeit zu treffen. Deshalb dürfen Elemente, die zur patentgemäßen Lösung gehören, nicht berücksichtigt werden (BGH, Urteil vom 22. Mai 1990 - X ZR 124/88, GRUR 1991, 811, 814 - Falzmaschine; Urteil vom 30. Juli 2009 - Xa ZR 22/06, GRUR 2010, 44 Rn. 14 - Dreinahtschlauchfolienbeutel).

17

Aus demselben Grund ist es nicht zulässig, ohne weiteres zu unterstellen, dass dem Fachmann die Befassung mit einer bestimmten Aufgabenstellung nahegelegt war. In vielen Fällen mag sich zwar aus der Beschreibung des Patents oder aus sonstigen Umständen klar ergeben, welchen Problemen sich der Fachmann ausgehend vom Stand der Technik zugewendet hätte. Sofern sich dies nicht zweifelsfrei beurteilen lässt, wäre es jedoch verfehlt, schon bei der Definition der Aufgabe die Frage zu prüfen, welche Anregungen dem Fachmann durch den Stand der Technik gegeben wurden. Vielmehr ist das technische Problem so allgemein und neutral zu formulieren, dass sich diese Frage ausschließlich in dem Zusammenhang stellt, in dem sie relevant ist, nämlich bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit.

18

d) Im Streitfall besteht das technische Problem deshalb darin, eine Darreichungsform von Quetiapin zur Verfügung zu stellen, die zu einer verbesserten Wirkung führt. Die Frage, welche Maßnahmen dem Fachmann zur Erreichung dieses Ziels nahegelegt waren, ist demgegenüber ausschließlich für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit von Bedeutung.

19

Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent eine Retard-Formulierung vor, die ein Geliermittel, Quetiapin oder ein pharmazeutisch unbedenkliches Salz davon und einen oder mehrere pharmazeutisch unbedenkliche Hilfsstoffe enthält.

20

II. Das Patentgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, der Gegenstand des Streitpatents beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit, und hat dies im Wesentlichen wie folgt begründet:

21

Aus der Veröffentlichung von Gefvert et al. (Time course for dopamine and serotonin receptor occupancy in the brain of schizophrenic patients following dosing with 150 mg Seroquel TM tld, European Neuropsychopharmacology, 1995, S. 347, P-4-65, NiK9 = TM8) habe der Fachmann, ein Team aus einem auf dem Gebiet der pharmazeutischen Technologie promovierten Pharmazeuten und einem Mediziner, entnehmen können, dass nach Verabreichung des Quetiapin sofort freisetzenden Arzneimittels Seroquel zwei von drei für die Wirksamkeit wichtige Werte innerhalb von 26 Stunden erheblich absanken. Hieraus habe sich ergeben, dass dieses Medikament mehr als einmal pro Tag verabreicht werden müsse, damit die angestrebte Wirkung erzielt werden könne. In NiK9 werde zwar eine Verabreichungshäufigkeit von ein- oder zweimal pro Tag als erstrebenswert bezeichnet. Das weitere Vorgehen der Autoren zeige aber, dass sie die bekannte, Quetiapin sofort freisetzende orale Darreichungsform für eine nur einmalige Verabreichung pro Tag nicht in Betracht gezogen hätten. Eine Anregung, zur Verwirklichung dieses Ziels eine Formulierung mit anderem Freisetzungsprofil in Betracht zu ziehen, habe sich aus der als TM17 vorgelegten Pressemitteilung ergeben, in der berichtet werde, dass die Beklagte die Entwicklung einer Formulierung in Auftrag gegeben habe, mit der Seroquel nur einmal pro Tag verabreicht werden müsse.

22

Für den Fachmann habe auch der Einsatz eines Geliermittels nahegelegen. Aus der US-Patentschrift 4 389 393 (NiK12) sei bekannt gewesen, dass sich Matrixsysteme auf der Grundlage von Geliermitteln wie Hydroxypropylmethylcellulosen für die Formulierung einer Vielzahl von Wirkstoffen eigneten.

23

Aus der europäischen Patentanmeldung 240 228 (NiK3) ergebe sich keine abweichende Beurteilung. Diese enthalte nur allgemeine Dosierungsangaben. Darüber hinausgehende Hinweise ergäben sich erst aus NiK9, die den Fachmann lehre, eine den Wirkstoff sofort freisetzende Darreichungsform mindestens zweimal täglich zu verabreichen. Die in NiK9 als vorteilhaft dargestellte Wirkstoffmenge sei nicht so groß, dass sie den Fachmann davon abgehalten habe, Retard-Formulierungen ins Auge zu fassen. Aus den Veröffentlichungen von Farde et. al (Positron emission tomographic analysis of central D1 and D2 dopamine receptor occupancy in patients treated with classical neuroleptics and clozapine, Arch. Gen Psychiatry 49 (1992), 538, NiK29), Wetzel et al. (Seroquel (ICl 204 636), a putative "atypical" antipsychotic, in schizophrenia with positive symptomatology: results of an open clinical trial and changes of neuroendocrinological and EEG parameters, Psychopharmacology 119 (1995), 231, NiK30) und Gelder et al. (Oxford Textbook of Psychiatry, Third Edition, 1996, Kap. 9 S. 246 ff. und Kap. 17, S. 532 ff., NiK32) ergebe sich keine abweichende Beurteilung.

24

Die mit den Hilfsanträgen verteidigten Fassungen des Streitpatents unterschieden sich von der erteilten Fassung lediglich durch zusätzliche Angaben zur Verabreichungsart (Tablettenform), zum Anteil des Geliermittels (5 bis 50 Gewichtsprozent) und zur Auswahl des Geliermittels. Alle diese Maßnahmen hielten sich im Rahmen des aus fachlicher Sicht Üblichen.

25

III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren stand.

26

1. Die Berufung rügt, das Patentgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, der zu dem als Fachmann anzusehenden Team gehörende pharmazeutische Technologe verfüge über mehrjährige Erfahrung in der Entwicklung und Herstellung von Formulierungen mit kontrollierter Wirkstofffreisetzung. Sie macht geltend, innerhalb des Teams sei der Mediziner die treibende Kraft, die die zu überwindenden Probleme vorgebe.

27

Diese Rüge vermag das angefochtene Urteil nicht in Frage zu stellen.

28

Dabei kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass innerhalb des aus einem Mediziner und einem Pharmazeuten bestehenden Teams der erstere die Federführung hat und dass der Pharmazeut nicht zwingend auf Retard-Formulierungen spezialisiert ist. Auch ein solches Team ist indes in der Lage, auf besonderes Fachwissen hinsichtlich solcher Formulierungen zuzugreifen, sofern es erkennt, dass eine kontrollierte Freisetzung des Wirkstoffs als Lösungsmittel in Betracht kommt.

29

2. Zutreffend hat das Patentgericht entschieden, dass der Gegenstand des Streitpatents nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht.

30

a) Zu Recht ist das Patentgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Fachmann Anlass hatte, nach Verabreichungsformen zu suchen, mit denen Quetiapin nur einmal pro Tag verabreicht wird.

31

aa) Eine hinreichende Anregung dafür ergab sich, wie das Patentgericht zutreffend festgestellt hat, aus der Veröffentlichung von Gefvert et al. (NiK9).

32

In der Einleitung von NiK9 wird ausgeführt, das Quetiapin enthaltende Medikament Seroquel sei in Tests der Phasen II und III drei- oder viermal täglich verabreicht worden. Im Hinblick auf die große Bedeutung, die einer verlässlichen Einnahme bei Schizophrenie-Patienten zukomme, sei ein bequemeres (more convenient) Verabreichungsschema hilfreich. In den abschließenden Bemerkungen wird die Hoffnung geäußert, eine ein- bis zweimalige Verabreichung pro Tag könnte ausreichend sein.

33

Daraus ergab sich nicht nur die Anregung, die Zahl der täglichen Verabreichungen auf zwei zu verringern, sondern jedenfalls auch die Anregung, eine Verabreichungshäufigkeit von nur einmal pro Tag anzustreben.

34

bb) Die von der Beklagten unter Bezugnahme auf die Ausführungen ihres Privatgutachters Prof. Dr. M.   geäußerte Einschätzung, eine Verabreichung einmal pro Tag habe keine nennenswerten Vorteile gegenüber einer Verabreichung zweimal pro Tag (HE12 S. 8), führt insoweit nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

35

Die genannte Einschätzung stellt nicht in Frage, dass sowohl für den Patienten als auch für eine gegebenenfalls mit der Betreuung oder Überwachung betraute Person ein geringerer Aufwand entsteht, wenn das Medikament nur einmal pro Tag eingenommen werden muss. Schon dies gab Anlass, eine solche Verabreichungsform auch dann als Alternative ins Auge zu fassen, wenn die damit verbundenen Vorteile von einem Teil der Fachwelt als eher geringfügig angesehen wurden.

36

Dass eine Verringerung der Verabreichungshäufigkeit von zweimal auf einmal pro Tag auch in Zusammenhang mit Quetiapin nicht generell als nutzlos angesehen wurde, ergibt sich schon aus dem Umstand, dass in NiK9 die Hoffnung geäußert wurde, eine ein- oder zweimalige Verabreichung pro Tag könnte ausreichend sein. Eine zusätzliche Bestätigung dafür bildet die in TM17 wiedergegebene Pressemitteilung, wonach die Unternehmensgruppe der Beklagten schon vor dem Prioritätstag einem anderen Unternehmen den Auftrag erteilt hat, eine Verabreichungsform von Seroquel zu entwickeln, die eine Verabreichungshäufigkeit von einmal pro Tag ermöglicht.

37

b) Zu Recht ist das Patentgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Fachmann aufgrund der in NiK9 wiedergegebenen Daten davon ausgehen musste, dass die Belegung der D2-Rezeptoren vierundzwanzig Stunden nach dem Zeitpunkt der letzten Einnahme gegen null tendiert.

38

Zwar enthält NiK9 keine ausdrücklichen Angaben zur Rezeptorbelegung zu dem genannten Zeitpunkt. Aus den dort wiedergegebenen Werten ergibt sich aber, dass der Prozentsatz der belegten D2-Rezeptoren zwei Stunden nach der letzten Einnahme bei 44 % und sechsundzwanzig Stunden nach diesem Zeitpunkt bei null liegt. Die hieraus abgeleitete Schlussfolgerung des Patentgerichts, dass der Wert schon vierundzwanzig Stunden nach der letzten Einnahme nicht in einem signifikanten Bereich lag, ist rechtlich nicht zu beanstanden und wird durch die Einwände der Berufung nicht in Frage gestellt.

39

Zwar ist nicht auszuschließen, dass die Werte nicht linear absinken, zumal in NiK9 für das sechsstündige Intervall zwischen der ersten und der zweiten Messung ein Rückgang um vierzehn Prozentpunkte ausgewiesen ist, für den nachfolgenden Zeitraum von vier Stunden dagegen nur noch ein Rückgang um drei Prozentpunkte. Auch die Beklagte zieht aber nicht in Zweifel, dass der weitere Rückgang im Wesentlichen gleichmäßig erfolgt. Ihre auf der Prämisse eines linearen Rückgangs gezogene Schlussfolgerung, vierundzwanzig Stunden nach dem Zeitpunkt der letzten Einnahme seien noch 4 % der D2-Rezeptoren belegt, steht zu der Annahme des Patentgerichts, die Belegung tendiere zu diesem Zeitpunkt gegen null, nicht in Widerspruch. Zwar wird in NiK9 nicht dargelegt, welcher Prozentsatz an D2-Rezeptoren mindestens belegt sein muss, damit Quetiapin die angestrebte Wirkung entfalten kann. Angesichts des Umstandes, dass der Anteil der belegten Rezeptoren acht Stunden nach dem Zeitpunkt der letzten Einnahme - also innerhalb eines Zeitraums, in dem bei dreimaliger Verabreichung pro Tag eine erneute Einnahme zu erwarten ist - noch 30 % beträgt, gibt es aber keine Anhaltspunkte dafür, dass ein Wert von 4 % aus fachlicher Sicht ebenfalls noch ausreichend erschien, zumal NiK9 für den Prozentsatz der belegten 5HT2-Rezeptoren einen deutlich anderen Verlauf wiedergibt, der erst acht Stunden nach dem Zeitpunkt der letzten Einnahme den gemessenen Höchststand von 85 % und sechsundzwanzig Stunden nach dem genannten Zeitpunkt noch einen Restbestand von 50 % aufweist.

40

c) Zu Recht hat das Patentgericht hieraus die Schlussfolgerung gezogen, dass sich aus NiK9 keine erfolgversprechenden Hinweise darauf ergaben, dass die dort angegebene Wirkstoffmenge von 450 mg für eine nur einmalige Verabreichung pro Tag mit sofortiger Freisetzung geeignet sein würde.

41

aa) Der von der Beklagten und ihrem Privatgutachter Prof. Dr. M.   aufgezeigte Umstand, dass die relativ schwache Bindung an den D2-Rezeptor und das relativ starke Abdriften von diesem nach dem Prioritätstag als mögliche Ursachen für die Wirkung von Quetiapin angesehen wurden (HE12 S. 11), führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Daraus ergibt sich insbesondere nicht, dass dem Fachmann diese Überlegungen schon am Prioritätstag bekannt waren.

42

Die von der Beklagten und ihrem Privatgutachter Prof. Dr. K.   angeführte Veröffentlichung aus dem Jahr 1996 (Kasper et al., D2-Receptor Imaging (SPEC) as a Tool for Measuring the Efficacy and Side-Effect Profile of Treatment With Neuroleptics, Biol Psychiatry 39 (1996), 564, Anlage 3 zu HE8) gab hierüber noch keinen Aufschluss. Dort wird zwar berichtet, es habe kein signifikanter Zusammenhang zwischen der Belegung der D2-Rezeptoren und der Wirksamkeit festgestellt werden können und eine Belegung dieser Rezeptoren sei mit Nebenwirkungen im extrapyramidalmotorischen System (EPMS) verbunden. Für Seroquel wird aber berichtet, die zur Verfügung stehenden vorläufigen Daten deuteten auf einen vergleichbaren Belegungsgrad wie bei dem verwandten Wirkstoff Clozapin hin. Daraus ergibt sich nicht, dass auch extrem geringe Prozentsätze oder eine nur kurzzeitige Belegung ausreichen könnten. In der Veröffentlichung selbst wurde vielmehr die Vermutung geäußert, die beobachteten Zusammenhänge könnten auf der Wirkung auf die 5HT2-Rezeptoren beruhen, weil Risperidon und Olanzapin zu einer relativ hohen Belegung der D2-Rezeptoren führten, aber dennoch eher geringe Nebenwirkungen zeigten.

43

In der Veröffentlichung von Wetzel et al. (Seroquel (ICI 204 636), a putative “atypical” antipsychotic, in schizophrenia with positive symptomatology: results of an open clinical trial and changes of neuroendocrinological and EEG parameters, Psychopharmacology 119 (1995), 231-238, NiK30) wird ebenfalls die kombinierte und ausgeglichene Blockade der D2- und 5HT2-Rezeptoren als wahrscheinliche Ursache der beobachteten Wirkungen von Seroquel und Clozapin angeführt und der Antagonismus zu D2-Rezeptoren bei Seroquel als eher schwach eingeschätzt (NiK30 S. 232 links oben). Auch daraus ergeben sich keine Hinweise darauf, dass eine anteilsmäßig geringe oder nur kurzfristig wirkende Belegung dieser Rezeptoren ausreichen könnte.

44

Aus den Veröffentlichungen von Casey ('Seroquel' (Quetiapine): preclinical and clinical findings of a new atypical antipsychotic, Exp. Opin. Ivest. Drugs 1996, 939-957, NiK31), Hirsch et al. (ICI 204 636: A New Atypical Antipsychotic Drug, British Journal of Psychiatry 168 (1996), 45-56, NiK37) sowie Fleischhacker et al. (A Multicentre, Double-Blind, Randomised Comparison of Dose and Dose Regimen of 'Seroquel' in the Treatment of Patients with Schizophrenia, American College of Neuropsychopharmacology, 34th Annual Meeting (1995), 275, NiK45) ergeben sich insoweit keine weitergehenden Erkenntnisse.

45

bb) Die in NiK9 geäußerte Hoffnung, Seroquel könnte dennoch für eine ein- oder zweimalige Verabreichung pro Tag geeignet sein, führt ebenfalls nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

46

Diese Äußerung lässt schon für sich gesehen gewisse Zweifel daran erkennen, ob sich am Ende nicht doch eine Verabreichungshäufigkeit von mindestens zweimal pro Tag als erforderlich erweisen werde. In NiK9 werden zudem keine Hinweise darauf gegeben, auf welche konkreten Ergebnisse der angestellten Untersuchung die Hoffnung bezüglich einer nur einmaligen Verabreichung pro Tag gestützt wird und ob sie sich auf die im Rahmen der Untersuchung verabreichte Dosis von 450 mg pro Tag oder auf eine höhere Dosis bezieht.

47

Das vom Privatgutachter Prof. Dr. M.   in diesem Zusammenhang angeführte Konzept von "drug holidays" (HE12 S. 13) findet in NiK9 keine Erwähnung und steht überdies in Widerspruch zu der dort einleitend wiedergegebenen Einschätzung, wonach zum damaligen Zeitpunkt eine Verabreichung von drei- oder viermal pro Tag als erforderlich angesehen wurde.

48

cc) Zu Recht hat das Patentgericht in diesem Zusammenhang ergänzend die Ergebnisse der in NiK9 erwähnten SAFARI-Studie herangezogen, über die in NiK45 und in einer Pressemeldung aus der Unternehmensgruppe der Beklagten vom 2. Oktober 1995 (World opinion leaders on psychiatric disease are updated on benefits of Zeneca's 'Seroquel' in treating schizophrenia, TM16) berichtet wird.

49

In NiK45 wird zwar, wie die Berufung zutreffend anführt, unter Bezugnahme auf NiK9 die dort geäußerte Hoffnung wiedergegeben, Seroquel könnte aktiv sein, wenn es ein- oder zweimal täglich verabreicht werde. Die SAFARI-Studie betraf ausweislich beider Veröffentlichungen aber allein die Frage, ob die Verabreichung von 450 mg Seroquel bei einer Aufteilung auf zwei Verabreichungen pro Tag die gleichen Wirkungen zeigt wie bei einer Aufteilung auf drei Verabreichungen pro Tag. Die aus der Studie abgeleitete positive Antwort bezieht sich mithin lediglich auf die Verabreichung von zweimal 225 mg pro Tag. Daraus hat das Patentgericht zutreffend abgeleitet, dass sich aus der Studie keine Hinweise auf die Möglichkeit ergeben, die genannte Dosis mit sofortiger Freisetzung in einer einzigen täglichen Verabreichung anzuwenden, und dass die Autoren der Studie die in NiK9 diesbezüglich geäußerten Hoffnungen nicht zum Anlass genommen haben, ihre Untersuchungen auf diese Art der Verabreichung zu erstrecken.

50

Ob für die Konzeption der Studie, wie die Berufung geltend macht, auch ethische Gesichtspunkte eine Rolle gespielt haben, ist für die rechtliche Beurteilung unerheblich. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, ergäbe sich auch daraus, dass eine Verabreichungshäufigkeit von nur einmal pro Tag aus Sicht des Fachmanns auf praktische Schwierigkeiten stieß und im Ergebnis keine allzu große Erfolgsaussicht bot.

51

d) Im Ergebnis zutreffend hat das Patentgericht entschieden, dass eine Erhöhung der Dosis aus Sicht des Fachmanns jedenfalls nicht als einziges erfolgversprechendes Mittel in Betracht kam, um die Verabreichungshäufigkeit auf einmal pro Tag absenken zu können.

52

aa) Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ergab sich allerdings aus der in TM17 wiedergegebenen Pressemitteilung allein für den Fachmann nicht hinreichend deutlich, dass sich der von Seiten der Beklagten erteilte Auftrag zur Entwicklung einer neuen Darreichungsform auf eine Retard-Formulierung bezog. Der Umstand, dass das beauftragte Unternehmen besondere Kompetenz bei der Entwicklung solcher Formulierungen hatte, mag einen gewissen Hinweis in diese Richtung geben. Der Mitteilung lässt sich bei isolierter Betrachtung aber nicht hinreichend sicher entnehmen, dass diese Kompetenz bei dem erteilten Auftrag zum Einsatz kommen sollte oder zumindest für die Auswahl des Auftragnehmers relevant war. Zu Schlussfolgerungen in diese Richtung bestand nur dann Anlass, wenn es auch aus fachlicher Sicht Gründe gab, eine Retard-Formulierung für Quetiapin in Betracht zu ziehen.

53

bb) Solche Gründe ergeben sich indes aus den im Prioritätszeitpunkt zugänglichen Kenntnissen über die Bedeutung der Rezeptorbelegung und des Plasmaspiegels.

54

Wie bereits oben dargelegt wurde, gab es im Prioritätszeitpunkt zwar Hinweise darauf, dass ein relativ geringer Prozentsatz für die Belegung der D2-Rezeptoren ausreichend und sogar eher vorteilhaft ist. Es gab aber keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Erwartung, dass eine kurzfristige Belegung dieser Rezeptoren ausreicht, um die angestrebten Wirkungen zu erzielen. Vor diesem Hintergrund mag sich als eine erfolgversprechende Möglichkeit zur Überwindung der aus NiK9 ersichtlichen Schwierigkeiten angeboten haben, die verabreichte Dosis zu erhöhen. Die vom Patentgericht erwähnte Gefahr, dass es dabei zu toxischen Plasmawirkstoffspitzen kommen könnte, schloss dies nicht ohne weiteres aus, zumal der in NiK9 dokumentierte Belegungsgrad der D2-Rezeptoren von Anfang an nicht allzu hoch war und es aus Anlage 3 zu HE8 Hinweise darauf gab, dass ein höherer Belegungsgrad nicht zwangsläufig zu schädlichen Wirkungen führen muss, wenn eine gleichzeitige Belegung der 5HT2-Rezeptoren gewährleistet bleibt.

55

Der Fachmann hatte im Prioritätszeitpunkt dennoch Anlass, eine Dosiserhöhung nicht als einzige Alternative in Betracht zu ziehen, weil die einmalige Verabreichung einer hohen Dosis zu erheblichen Schwankungen des Plasmaspiegels führt und dies jedenfalls aus damaliger Sicht nicht wünschenswert war.

56

(1) Nach den Feststellungen des Patentgerichts ist ein möglichst gleichmäßiger Plasmaspiegel aus Sicht des Fachmanns grundsätzlich als erstrebenswert anzusehen.

57

Dies deckt sich mit den Ausführungen in der Beschreibung des Streitpatents (Abs. 2) und wird auch von der Berufung nicht grundsätzlich in Zweifel gezogen. Ihr Einwand, kurze Halbwertszeiten, wie sie für Quetiapin unter anderem aus NiK9 dokumentiert sind, und die damit verbundene schnelle Abnahme der Plasmakonzentration stünden einer Verabreichungshäufigkeit von einmal pro Tag nicht zwingend im Wege, bestätigt vielmehr, dass starke Schwankungen des Plasmaspiegels zumindest ein potentielles Problem darstellen.

58

(2) Exemplarisch wurde diese Einschätzung für Neuroleptika, die die D2-Rezeptoren belegen, auch in der Veröffentlichung von Tench et al. (Steady-state pharmacokinetics of controlled release and immediate release formulations of remoxipride in patients with chronic schizophrenia, Psychopharmacology 101 (1990), 132-136, TM23) zum Ausdruck gebracht.

59

In TM23 wird über Versuche mit einer Retard-Formulierung des Wirkstoffs Remoxiprid berichtet. In der Einleitung wird ausgeführt, extrapyramidale Symptome zeigten einen hohen Korrelationsgrad mit neuroleptischer Dosis und Plasmaspiegeln. Remoxiprid habe eine Halbwertszeit von vier bis sieben Stunden und müsse deshalb zwei- bis dreimal täglich verabreicht werden. Für eine einmalige Verabreichung pro Tag sei eine Formulierung mit kontrollierter Abgabe entwickelt worden, um mögliche Nebenwirkungen, die mit hohen Plasma-Spitzenkonzentrationen verbunden sein könnten, zu vermeiden (TM 23 S. 132 rSp).

60

Daraus ergibt sich, dass eine Retard-Formulierung schon dann in Betracht gezogen wurde, wenn bei einer Höherdosierung zwar nicht zwingend mit unerwünschten Nebenwirkungen zu rechnen war, zumindest aber eine gewisse Gefahr bestand.

61

Eine vergleichbare Ausgangssituation bestand am Prioritätstag auch in Bezug auf Quetiapin. Zwar deuteten die bereits oben behandelten Veröffentlichungen darauf hin, dass der Grad der Belegung der D2-Rezeptoren bei Quetiapin grundsätzlich eher niedrig ist und dass die gleichzeitige Belegung der 5HT2-Rezeptoren einen zusätzlichen Schutz gegen Nebenwirkungen im extrapyramidalmotorischen System gewährleistet. Dies bot aber keine hinreichende Gewissheit dafür, dass solche Nebenwirkungen auch dann ausbleiben, wenn die Verabreichungshäufigkeit auf einmal pro Tag gesenkt und hierzu die Tagesdosis signifikant erhöht wird.

62

(3) Aus dem Umstand, dass sich die allgemein bestehenden Vorbehalte gegenüber stark schwankenden Plasmaspiegeln bei einzelnen Wirkstoffen als unbegründet erwiesen haben, ließ sich im Prioritätszeitpunkt mangels einschlägiger Erkenntnisse nicht ableiten, dass dies auch bei Quetiapin der Fall sein werde. Aus der von der Berufung herangezogenen Passage aus dem Lehrbuch von Remington (The Science and Practice of Pharmacy, 19. Auflage 1995, S. 893, HE13), laut der Omeprazol trotz geringer Halbwertszeit einen therapeutischen Effekt hervorruft, der zweiundsiebzig Stunden anhält, ergaben sich deshalb keine gesicherten Erkenntnisse darüber, ob ein ähnlicher Effekt auch bei Quetiapin eintreten könnte, zumal die lange Wirkungsdauer von Omeprazol in HE13 für einen Wirkstoff mit geringer Halbwertszeit als unerwartet bezeichnet wird.

63

cc) Angesichts all dessen lagen im Prioritätszeitpunkt gewichtige Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Erhöhung der Dosis nicht ausreichen würde, um eine Verringerung der Verabreichungshäufigkeit auf einmal pro Tag zu ermöglichen. Dies gab dem Fachmann Anlass, gängige Alternativen in den Blick zu nehmen. Dazu gehörte eine Retard-Formulierung, die zu einer verzögerten Freisetzung und damit zu geringeren Schwankungen des Plasmaspiegels führt.

64

dd) Die von der Berufung geltend gemachten Bedenken, dass die erforderliche Dosis bei Quetiapin zu hoch sein könnte, um eine solche Formulierung herstellen zu können, wiegen im Hinblick auf die in NiK9 und NiK45 als ausreichend bezeichnete Dosierung von 450 mg pro Tag jedenfalls nicht hinreichend schwer, um von einem Beschreiten des nahegelegten Wegs abzusehen.

65

e) Aus den von der Berufung angeführten Dosierungsangaben in der Patentanmeldung für Quetiapin (EP 0 240 228 A1, NiK3, S. 4 Z. 42-43) ergibt sich keine abweichende Beurteilung. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob diese Angaben (1,0 mg bis 40 mg pro Tag und Kilogramm Körpergewicht) hinsichtlich der Obergrenze einen Druckfehler enthalten, weil die ebenfalls angegebenen Beispielswerte für ein Körpergewicht von 50 kg (50 mg bis 200 mg) pro Tag auf eine Obergrenze von 4,0 mg hindeuten. Jedenfalls ergab sich für den Fachmann aus nachfolgenden Veröffentlichungen wie NiK9 und NiK45 die begründete Erwartung, dass eine derart hohe Dosierung nicht erforderlich ist.

66

e) Die Ausführungen des Patentgerichts, dass der Einsatz eines Geliermittels sowie die nach den Hilfsanträgen zusätzlich vorgesehenen Maßnahmen durch den Stand der Technik nahegelegt waren, greift die Berufung nicht an. Rechtsfehler oder konkrete Umstände, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der vom Patentgericht getroffenen Feststellungen begründen könnten, sind insoweit nicht ersichtlich.

67

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 97 ZPO.

Meier-Beck                       Gröning                              Bacher

                    Deichfuß                       Kober-Dehm

9
Ein konkretes zu lösendes Problem wird in der Beschreibung des Streitpatents nicht ausdrücklich formuliert. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestimmt sich das von einer Schutzrechtslehre gelöste Problem danach , was die Erfindung objektiv leistet, was wiederum durch Auslegung der Patentansprüche, gegebenenfalls unter Heranziehung von Beschreibung und Zeichnungen, zu ermitteln ist (BGH, Urteil vom 4. Februar 2010 - Xa ZR 36/08, GRUR 2010, 602 Rn. 27 mwN - Gelenkanordnung).
27
a) Das Patentgericht hat eine zusammenhängende Ermittlung der mit Patentanspruch 1 gegebenen technischen Lehre unterlassen und lediglich bei der Prüfung der Neuheit jeweils Ausführungen zum Sinngehalt einzelner Merkmale gemacht. Im Rahmen der Auslegung sind jedoch der Sinngehalt des Patentanspruchs in seiner Gesamtheit und der Beitrag, den die einzelnen Merkmale zum Leistungsergebnis der Erfindung liefern, zu bestimmen (BGH, Urteil vom 3. Juni 2004 - X ZR 82/03, BGHZ 159, 221, 226 - Drehzahlermittlung; Urteil vom 13. Februar 2007 - X ZR 74/05, BGHZ 171, 120 Rn. 18 f. - Kettenradanordnung I; Beschluss vom 17. April 2007 - X ZB 9/06, BGHZ 172, 108 Rn. 13 f. - Informationsübermittlungsverfahren I; Urteil vom 31. Mai 2007 - X ZR 172/04, BGHZ 172, 298 Rn. 38 - Zerfallszeitmessgerät; Urteil vom 29. Juni 2010 - X ZR 193/03, BGHZ 186, 90 Rn. 13 - Crimpwerkzeug III). Die Bestimmung des Sinngehalts eines einzelnen Merkmals muss stets in diesem Kontext erfolgen, aus dem sich ergeben kann, dass dem Merkmal eine andere Bedeutung zukommt als einem entsprechenden Merkmal in einer zum Stand der Technik gehörenden Entgegenhaltung. Denn für das Verständnis entschei- dend ist zumindest im Zweifel die Funktion, die das einzelne technische Merkmal für sich und im Zusammenwirken mit den übrigen Merkmalen des Patentanspruchs bei der Herbeiführung des erfindungsgemäßen Erfolgs hat. Dabei sind Beschreibung und Zeichnungen heranzuziehen, die die technische Lehre des Patentanspruchs erläutern und veranschaulichen und daher nach ständiger Rechtsprechung nicht nur für die Bestimmung des Schutzbereichs (Art. 69 Abs. 1 EPÜ, § 14 PatG), sondern ebenso für die Auslegung des Patentanspruchs heranzuziehen sind, unabhängig davon, ob diese Auslegung die Grundlage der Verletzungsprüfung oder der Prüfung des Gegenstands des Patentanspruchs auf seine Patentfähigkeit ist (BGHZ 186, 90 Rn. 13 - Crimpwerkzeug
22
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergibt sich das einer Erfindung zugrunde liegende technische Problem aus dem, wasdie Erfindung tatsächlich leistet. In der Beschreibung enthaltene Angaben zur Aufgabenstellung können einen Hinweis auf das richtige Verständnis enthalten, entheben aber nicht davon, den Patentanspruch anhand der dafür maßgeblichen Kriterien auszulegen und aus der Funktion der einzelnen Merkmale im Kontext des Patentanspruchs abzuleiten, welches technische Problem diese Merkmale für sich und in ihrer Gesamtheit tatsächlich lösen (BGH, Urteil vom 4. Februar 2010 - Xa ZR 36/08, GRUR 2010, 602 Rn. 27 - Gelenkanordnung; Urteil vom 1. März 2011 - X ZR 72/08, GRUR 2011, 607 Rn. 12 - Kosmetisches Sonnenschutzmittel III, jeweils mwN).
13
Erfindung erreicht werden soll, bezeichnen hiernach nicht das technische Problem , das durch den Gegenstand des Patentanspruchs 1 tatsächlich gelöst wird. Denn in diesem sind keine Mittel angegeben, die es erlaubten, bei der Herstellung des Geräts reproduzierbare Einstellungen für eine Vielzahl von Frequenzmodi vorzunehmen oder Herstellereinstellungen wiederherzustellen. Patentanspruch 1 verlangt auch nicht, dass von der in der Beschreibung als bei Computerbildschirmen üblich bezeichneten Einstellung von Anzeigeparametern über Drehknöpfe am Bildschirm abgewichen wird. Erforderlich ist lediglich, dass das Ergebnis der Einstellung auf dem Bildschirm selbst sichtbar gemacht wird. Das vom Gegenstand der Patentansprüche 1 und 10 tatsächlich gelöste Problem kann hiernach (lediglich) darin gesehen werden, den Bedienungskomfort für den Bildschirmnutzer zu verbessern. Es wird dadurch gelöst, dass gewählte Einstellungen, etwa zum Kontrast, auf dem Bildschirm selbst sichtbar gemacht werden, und zwar in einer dem jeweiligen Frequenzmodus hinsichtlich der Größe der Darstellung angepassten Weise.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZR 176/02
vom
12. Oktober 2004
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Staubsaugersaugrohr
ZPO 2002 § 91 a, § 572
Zur Zulässigkeit und Behandlung übereinstimmend erklärter Erledigung
des Patentverletzungsstreits in der Revisionsinstanz.
BGH, Beschl. v. 12. Oktober 2004 - X ZR 176/02 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden
Richter Dr. Melullis, die Richter Scharen, Keukenschrijver, die Richterin
Mühlens und den Richter Dr. Meier-Beck
am 12. Oktober 2004

beschlossen:
Die Kosten des in der Hauptsache erledigten Rechtsstreits werden den Beklagten als Gesamtschuldnern auferlegt.

Gründe:


I. Die Beklagte zu 1, die unter der Geschäftsführung des Beklagten zu 2 steht, stellte her und vertrieb teleskopierbare Staubsauger-Saugrohre. Die Klägerin , die eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 40 17 721 (Klagepatents ) ist, hat die Beklagten deshalb wegen Patentverletzung auf Unterlassung und Rechnungslegung in Anspruch genommen und Feststellung begehrt, daß die Beklagte zu 1 bzw. die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung und zu Schadensersatz verpflichtet sind.
In den Tatsacheninstanzen ist folgende Gliederung des Patentanspruchs 1 des Klagepatents zugrunde gelegt worden:
1. Teleskopierbares Rohr zur Verwendung als StaubsaugerSaugrohr ,
2. mit einem Innenrohr und mit einem Außenrohr von jeweils zumindest überwiegend kreisrundem Querschnitt,
3. mit einer endseitig des Innenrohres an diesem im Zwischenraum zwischen Innen- und Außenrohr angeordneten Dichtungshülse ,
4. zu deren Befestigung der die Dichtungshülse aufnehmende Bereich des Innenrohrquerschnitts verengungsfrei ist,
5. wobei die Dichtungshülse eine kreisförmig umlaufende, an der Innenumfangsfläche des Außenrohres anliegende Dichtungslippe
6. und einen gegenüber letzterer zur Stirnfläche des Innenrohres axial zurückverlagerten Stützring aufweist,
7. der Stützring zumindest teilumfänglich innen an der Dichtungshülse angeformt ist und radial nach innen vorspringt, die Stirnfläche des Innenrohres übergreifend.
8. Die Wandstärke (a) der Dichtungshülse ist dem radialen Passungsspiel (S) zwischen Außen- und Innenrohr im wesentlichen gleich;
9. die Dichtungshülse besteht aus Polyamid;
10. die radiale Höhe des Stützringes ist geringer als die Wandstärke des Innenrohres;
11. die Dichtungshülse weist an ihrer Innenfläche jeweils von einer fensterartigen Materialverdünnung umgebene Rastmittel auf;
12. die federnden Rastmittel greifen in Rastaussparungen des Innenrohres ein;
13. die Rastmittel lassen den freien Querschnitt des Innenrohres frei.
Das Landgericht hat der Patentverletzungsklage der Klägerin im wesentlichen entsprochen und den Beklagten als Gesamtschuldnern die in dieser Instanz entstandenen Kosten vollen Umfangs auferlegt. Die hiergegen von den Beklagten eingelegte Berufung ist erfolglos geblieben. Die Beklagten haben die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Die Parteien haben sodann in Ausführung eines Vergleichs, der im Rahmen eines von der Beklagten zu 1 angestrengten Patentnichtigkeitsverfahrens unter anderem zu dessen Beendigung abgeschlossen worden ist, übereinstimmend den Patentverlet-
zungsrechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und insoweit um Kostenentscheidung durch den Senat gebeten.
II. 1. Die übereinstimmende Erklärung der Parteien, der Patentverletzungsrechtsstreit sei in der Hauptsache erledigt, ist auch in der Revisionsinstanz statthaft (BGH, Beschl. v. 16.03.1967 - Ia ZR 97/64, Umdr. S. 13/14; BGHZ 50, 198). Sie führt zur Anwendung von § 91 a ZPO (BGH, Beschl. v. 12.10.1951 - V ZR 39/50, LM Nr. 2 zu § 91 a ZPO), wonach nur noch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden ist. Ist durch übereinstimmende Erledigungserklärung der Parteien in der Revisionsinstanz der Rechtsstreit erledigt , umfaßt diese Entscheidung alle bisher entstandenen Kosten, also nicht nur die im Revisionsverfahren angefallenen, sondern auch diejenigen der Vorinstanzen (BGH, Urt. v. 29.01.1985 - VI ZR 59/84, VersR 1985, 441). Hierüber ist - wie es in § 91 a ZPO heißt - unter Berücksichtigung des bisherigen Sachund Streitstands nach billigem Ermessen zu entscheiden. In dieser Formulierung kommt die Zielsetzung von § 91 a ZPO zum Ausdruck, in der Kernfrage erledigte Rechtsstreitigkeiten einer summarischen, beschleunigten Erledigung zuzuführen (BGH, Beschl. v. 22.01.1963 - Ia ZR 56/63, Umdr. S. 4). Die Frage der Kostenlast rechtfertigt nur eine abgekürzte, Zeit- und Arbeitskraft ersparende Behandlung und Entscheidung (Sen.Beschl. v. 25.02.1986 - X ZR 8/85, GRUR 1986, 531 - Schweißgemisch). Im Falle der auf übereinstimmender Erklärung beruhenden Erledigung des Rechtsstreits in der Revisionsinstanz bedeutet das, daß lediglich der mutmaßliche Ausgang des Revisionsverfahrens und dessen Auswirkung auf die Kostenentscheidungen der Vorinstanzen festzustellen ist (BGH, Urt. v. 29.01.1985 - VI ZR 59/84, VersR 1985, 441) und es sich regelmäßig verbietet, hierbei alle rechtlichen Zweifelsfragen auszuschöpfen (Sen.Beschl. v. 25.02.1986 - X ZR 8/85, GRUR 1986, 531
- Schweißgemisch). An diesen zum früheren Zivilprozeßrecht entwickelten Grundsätzen hat sich durch dessen Novellierung zum 1. Januar 2002 nichts geändert (vgl. BGH, Beschl. v. 13.02.2003 - VII ZR 121/02, BauR 2003, 1075), so daß sie auch auf den Streitfall anzuwenden sind.
2. Hiernach haben die Beklagten die Kosten des Rechtsstreits zu tragen und sind lediglich folgende Ausführungen veranlaßt:
Die zugelassene Revision der Beklagten hätte voraussichtlich keinen Erfolg gehabt, weil bei summarischer Prüfung die von den Tatsacheninstanzen übereinstimmend getroffene und die zuerkannten Ansprüche rechtfertigende Feststellung einen Rechtsfehler nicht erkennen läßt, die von der Beklagten zu 1 hergestellte und vertriebene angegriffene Ausführungsform verwirkliche teils wortsinngemäß, teils in abgewandelter Form sämtliche Merkmale des Patentanspruchs 1 des Klagepatents und die Benutzungshandlungen der Beklagten zu 1, für die auch der Beklagte zu 2 als Geschäftsführer einzustehen habe, hätten deshalb das Patentrecht der Klägerin verletzt.

a) Da die Beklagten ausweislich des angefochtenen Urteils die Behauptung der Klägerin nicht bestritten haben, die Gestaltung der angegriffenen Ausführungsform sei in einer den Merkmalen 1 bis 7, 10 und 12 entsprechenden Weise beschaffen, und da die dies ohnehin nur hinsichtlich des Merkmals 4 beanstandende Revision nicht aufzeigt, mit welchem Vorbringen die Beklagten dessen Vorhandensein seitens der Beklagten in den Tatsacheninstanzen in Zweifel gezogen worden sei, ist auch der revisionsrechtlichen Überprüfung die Verwirklichung dieser Merkmale zugrunde zu legen.

b) Hinsichtlich des Merkmals 8 hat das Berufungsgericht dem Patentanspruch 1 in funktionsorientierter Deutung seines Wortlauts folgendes entnommen : Unter "radialem Passungsspiel zwischen Außen- und Innenrohr" sei die durchschnittliche Breite des sich zwangsläufig ergebenden Ringspalts zu verstehen , die der vom Berufungsgericht hinzugezogene Sachverständige mit etwas weniger als 1 mm angegeben habe. Denn das Klagepatent wolle erreichen , daß die Dichtungshülse in dem Raum zwischen Innen- und Außenrohr Platz finde, ohne daß es dazu eines Innenrohres bedürfe, das (insgesamt oder auch nur in einem einzelnen, eingezogenen Bereich) einen deutlich geringeren Durchmesser als das Außenrohr habe, daß es vielmehr ausreiche, die - unvermeidbare - Differenz der Rohrdurchmesser nur so groß zu machen, wie sie sein müsse, um sicherzustellen, daß sich die Rohre - die als Massenartikel ohne übermäßigen Aufwand hergestellt werden sollten und daher in ihren Abmessungen , auch hinsichtlich der "Rundheit" ihres Querschnitts, gewisse, nicht ganz unerhebliche Toleranzen hätten - problemlos gegeneinander verschieben ließen. Die erforderliche "Gleichheit im wesentlichen" sei hingegen auch dann - wie es etwa bei den vom Sachverständigen für mindestens erforderlich gehalten 0,5 mm der Fall sei - noch gegeben, wenn die Wandstärke der Dichtungshülse verhältnismäßig deutlich hinter der Breite des Ringspalts zurückbleibe. Denn die Wand selbst habe lediglich die Funktion, die an ihrem einen Ende befindliche Dichtungslippe, die der genauen und dauerhaften Befestigung der Dichtungshülse am Innenrohr dienenden Rastmittel sowie den Stützring sicher zu tragen, und dürfe andererseits nicht zu einem Klemmen der beiden Rohre führen.
Dieser Auslegung tritt der Senat bei. Die funktionsorientierte Auslegung ist jedenfalls dann sachgerecht, wenn die Wortwahl des Patentanspruchs - wie
hier "im wesentlichen" - für sich kein fest umrissenes Verständnis erlaubt (vgl. Sen.Urt. v. 07.11.2000 - X ZR 145/98, GRUR 2001, 232, 233 - Brieflocher). Die zum Verständnis beitragenden Größenordnungen von Ringspalt und Wandstäke , die das Berufungsgericht ermittelt hat, beruhen auf entsprechenden Angaben des von ihm hinzugezogenen Sachverständigen und finden insoweit Bestätigung durch die Angaben der Beschreibung des Klagepatents, als auch diese für ein Ausführungsbeispiel lediglich eine Wandstärke von 0,75 mm für die Dichtungshülse benennt (Sp. 3 Z. 18). Das von der Revision der Auslegung des Berufungsgerichts Entgegengehaltene schließlich findet keine Stütze in dem erteilten Patentanspruch, der die maßgebliche Grundlage für die Auslegung bildet (Sen.Urt. v. 02.03.1999 - X ZR 85/96, GRUR 1999, 909, 912 - Spannschraube). Von einer Identität oder näherungsweisen Übereinstimmung im Maß von Spaltbreite einerseits und andererseits von Wandstärke sowie radialer Breite des Vorsprungs der Dichtungslippe der Hülse zusammen ist dort nicht die Rede. Die Dichtwirkung der Hülse, deren Notwendigkeit durch die Wortwahl "Dichtungshülse" im Patentanspruch zum Ausdruck kommt, kann bereits durch die zu diesem Vorrichtungsteil gehörende und im Patentanspruch auch entsprechend als Dichtungslippe bezeichnete Gestaltung erzielt werden; es berührt deshalb die nach Patentanspruch 1 zu beachtende Festlegung nicht, wenn der übrige Teil der Hülse sich auf andere, nämlich die vom Berufungsgericht festgestellten Funktionen beschränkt. Daß zu diesen - wie vom Berufungsgericht angenommen - gerade nicht die Führung der beiden Rohre ineinander gehören muß, hat auch der vom Berufungsgericht hinzugezogene Sachverständige nachvollziehbar dargelegt, und zwar entgegen der Meinung der Revision in Auseinandersetzung mit den schriftlichen Ausführungen des vom Senat im Patentnichtigkeitsverfahren beauftragten Sachverständigen. Denn diese Ausführungen waren der Sache nach Gegenstand von Vorhaltun-
gen des Berufungsgerichts und der vom Sachverständigen anläßlich seiner Anhörung im Termin vom 23. Mai 2002 (GA II 357 ff.) gegebenen Antworten.
Unter diesen Umständen ist es eine nicht zu beanstandende Folgerung, daß das Berufungsgericht eine Verwirklichung des Merkmals 8 angenommen hat, weil die Hülse der angegriffenen Ausführungsform - wie auch die Revision selbst angibt - eine Wandstärke von 0,62 bis 0,63 mm bei einem Ringspalt von 0,95 mm Breite aufweist.

c) Das Merkmal 9 hat das Berufungsgericht dagegen nicht als wortsinngemäß verwirklicht angesehen, weil bei der angegriffenen Ausführungsform die Hülse aus Polyäthylen PE-LD besteht. Aus dem Umstand, daß das im Patentanspruch 1 genannte Polyamid lediglich eine Werkstoffgruppe bezeichne und die hierzu gehörenden Kunststoffe unstreitig durchaus unterschiedliche Festigkeit und Elastizitätswerte aufwiesen, erkenne der nacharbeitende Fachmann aber, daß er eine Auswahl zu treffen habe, die sich an Aufgabe und Funktion der Hülse im Rahmen des Lösungsvorschlags des Klagepatents zu orientieren habe. Das habe zu der Ansicht veranlaßt, daß patentgemäß die Verwendung eines Polyamids nicht unverzichtbar sei, vielmehr auch geeignete Kunststoffe anderer Gruppen in den Blick gerückt und den Fachmann schließlich zu dem bei der angegriffenen Ausführungsform verwendeten Polyäthylen geführt. Nach Aufgabe und Funktion im Rahmen des Patentanspruchs 1 müsse die Hülse nämlich einerseits eine hinreichende Festigkeit und Formbeständigkeit aufweisen , damit sie durch den Stützring und die Rastmittel genau und dauerhaft am Innenrohr befestigt werden könne, die Hülse müsse des weiteren gute Gleiteigenschaften und genügende Elastizität haben, damit ein sicheres Anliegen der Dichtlippe an der Innenwand des Außenrohres gewährleistet sei und die Rohre
sich trotz des für eine ausreichende Dichtwirkung erforderlichen festen Anliegens der Dichtlippe an der Innenwand des Außenrohres ohne großen Kraftaufwand gegeneinander verschieben ließen, und das Material der Hülse müsse schließlich auch genügend abriebfest sein, damit diese sich durch die beim Verschieben der Rohre entstehende Reibung nicht zu schnell abnutze. Hierfür eigne sich aber erkennbar gerade Polyäthylen, während aus fachlicher Sicht ein eher steifer Kunststoff, wie er in der Gruppe der Polyamide zu finden sei, hierfür nicht besonders geeignet erschienen sei. Als abgewandelte Ausführung erfasse der Patentanspruch 1 daher auch die in der angegriffenen Form verwirklichte Alternative.
Auch diese Würdigung des Berufungsgerichts beruht auf einer Auslegung des Klagepatents, welcher der Senat beitritt, und läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen. Die Rechtsprechung des Senats zur Bedeutung von Zahlen und Maßangaben in Patentansprüchen, mit der die Revision hauptsächlich argumentiert und eine Verletzung der Denkgesetze durch das Berufungsgericht darzulegen versucht, steht ihr nicht entgegen. Sie beruht auf der Überlegung, daß insbesondere durch Zahlen und Maße gekennzeichnete Bereiche als genau eingegrenzt erscheinen können. Es kann regelmäßig erwartet werden, daß der Anmelder sich des präzisen Charakters solcher Angaben bewußt ist und sie deshalb - wenn er sich ihrer zur Definition eines Gegenstands, für den er Schutz begehrt, bedient - sicher ermittelt hat, mit der Folge, daß der Fachmann keinen Anlaß sehen kann, im Rahmen der Nacharbeitung einer patentgeschützten Lehre sich auch außerhalb des genannten Bereichs für Lösungsmittel zu interessieren. Daß das im Streitfall gerade nicht der Fall ist, hat das Berufungsgericht mit den wiedergegebenen Ausführungen jedoch nachvollziehbar und gestützt auf entsprechende Angaben des hinzugezogenen Sachverständi-
gen dargelegt. Angesichts der die Würdigung des Berufungsgerichts bestätigenden Ausführungen des Sachverständigen kann entgegen der ferner von der Revision erhobenen Rüge auch keine Rede davon sein, das Berufungsgericht habe die von den Beklagten in den Tatsacheninstanzen aufgezeigten Unterschiede zwischen den Werkstoffen Polyamid einerseits und Polyäthylen andererseits nicht beachtet.

d) Die bei der angegriffenen Ausführungsform unstreitig fehlenden fensterartig die Rastnocken umgebenden Materialverdünnungen in der Dichtungshülse (Merkmal 11) hat das Berufungsgericht ebenfalls als in abgewandelter Form verwirklicht angesehen. Da Polyäthylen PE-LD von sich aus so elastisch sei, daß es auch ohne fensterartige Materialverdünnungen die patentgemäß erforderlichen Bewegungen der Rastmittel ermögliche, hätten die zum Merkmal 9 erörterten Überlegungen den Fachmann auch insoweit zur Gestaltung der angegriffenen Ausführungsform geführt. Hierbei handelt es sich um eine konsequente Fortführung der bereits erörterten und nicht zu beanstandenden Würdigung des Berufungsgerichts. Ihr steht der von der Revision herangezogene Grundsatz nicht entgegen, wonach der ersatzlose Wegfall eines patentgemäßen Mittels die betreffende Lösung aus dem Schutzbereich des Patents führe. Denn nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die angegriffene Ausführungsform auch hinsichtlich des Merkmals 11 in Form des verwendeten Polyäthylens und seiner Elastizität ein gleichwirkendes und im Sinne des Klagepatents gleichwertiges Ersatzmittel. Auch diese Feststellungen werden entgegen der Meinung der Revision durch die Angaben des vom Berufungsgericht hinzugezogenen Sachverständigen gestützt. Dieser hat insbesondere anläßlich seiner mündlichen Anhörung eine Gleichwirkung hinsichtlich des Merkmals 11 nicht verneint, sondern mit den Angaben, auf welche die Revision insoweit abhebt, sich lediglich mit den
soweit abhebt, sich lediglich mit den vermeintlichen Absichten des Konstrukteurs der angegriffenen Ausführungsform befaßt (GA II 362).

e) Das Merkmal 13 hat das Berufungsgericht wiederum als wortsinngemäß verwirklicht angesehen, weil bei der angegriffenen Ausführungsform die Rastmittel (lediglich) um Bruchteile von Millimeter über die Innenwandfläche des Innenrohres in dieses hineinragten, dies aber die Saugleistung eines Staubsaugers nicht meßbar beeinträchtigen könne. Da gegen diese Feststellung der Beschaffenheit der angegriffenen Ausführungsform Rügen nicht erhoben sind, ist hiervon auch für die revisionsrechtliche Überprüfung auszugehen.
Gerügt wird lediglich, das Berufungsgericht habe verkannt, daß bei der angegriffenen Ausführungsform der Querschnitt des Innenrohres "nicht völlig frei" sei mit der Folge, daß sich beispielsweise Schmutzpartikel festsetzen könnten. Ein Rechtsfehler wird hiermit jedoch nicht aufgezeigt. Die von der Revision für patentgemäß angesehene völlige Eliminierung jedweder Störfaktoren beim Saugbetrieb kann dem Klagepatent weder nach dem Wortlaut des Patentanspruchs 1 noch nach seiner Beschreibung entnommen werden. Patentanspruch 1 verlangt nur ganz allgemein Freilassen des freien Querschnitts des Innenrohres. Nach der Beschreibung geht es dabei nur um eine Steigerung der Saugleistung gegenüber dem aufgeführten Stand der Technik. Die Saugleistung - weil nicht meßbar - praktisch nicht beeinträchtigende, durch die Rastmittel hervorgerufene Unebenheiten, die das Landgericht anschaulich als mit dem Auge kaum wahrnehmbar bezeichnet hat und die sich ohne weiteres auch aufgrund der vom Berufungsgericht in anderem Zusammenhang erörterten Fertigungstoleranzen ergeben könnten, verbieten deshalb aus Rechtsgründen auch die Annahme wortsinngemäßer Verwirklichung des Merkmals 13 nicht.

f) Was schließlich den von der Revision dem angefochtenen Urteil noch entgegengehaltenen Einwand unzulässiger Erweiterung hinsichtlich des Merkmals 8 anbelangt, kann die Revision mit ihrer Rüge im Patentverletzungsverfahren nicht gehört werden. Das Klagepatent steht in der erteilten Fassung in Kraft und ist deshalb in dieser Form der revisionsrechtlichen Überprüfung zugrunde zu legen.
Eine auch nur teilweise Kostenlast der Klägerin kommt wegen der Bindung des Verletzungsrichters an die bestehende Patentlage auch nicht etwa deshalb in Betracht, weil - wie die Beklagten meinen - im Nichtigkeitsverfahren offengeblieben sei, ob der Fortbestand des Klagepatents ungerechtfertigt sei.
3. Nach allem ist es billig, daß die Beklagten die Kosten des Revisionsverfahrens und - als Konsequenz der voraussichtlichen Erfolglosigkeit ihres Rechtsmittels - auch die zu ihren Lasten bereits ausgeurteilten Kosten beider Vorinstanzen tragen.
Melullis Scharen Keukenschrijver Mühlens Meier-Beck

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 168/00 Verkündet am:
12. März 2002
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
Schneidmesser I
PatG 1981 § 14; EPÜ Art. 69

a) Durch in den Patentanspruch aufgenommene Zahlen- und Maßangaben
wird der Schutzgegenstand des Patents mitbestimmt und damit auch begrenzt.
Wie jeder Bestandteil eines Patentanspruchs sind Zahlen- und
Maßangaben jedoch grundsätzlich der Auslegung fähig.

b) Erschließt sich dem Fachmann kein abweichender Zahlenwert als im Sinne
des anspruchsgemäßen Wertes gleichwirkend, erstreckt sich der Schutzbereich
insoweit nicht über den Sinngehalt des Anspruchs hinaus.
BGH, Urt. v. 12. März 2002 - X ZR 168/00 - OLG Karlsruhe
LG Mannheim
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 29. Januar 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis,
den Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Dr. MeierBeck
und Asendorf

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das am 23. August 2000 verkündete Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin ist Inhaberin einer ausschlieûlichen Lizenz an dem am 12. Juni 1987 angemeldeten deutschen Patent 37 19 721 (Klagepatent), wegen dessen Verletzung sie die Beklagte in Anspruch nimmt.
Das Klagepatent ist im Einspruchsverfahren vom Bundespatentgericht beschränkt aufrechterhalten worden. Patentanspruch 1 lautet danach:
"Mit einem Gegenmesser zusammenwirkendes Schneidmesser (1) für Rotationsschneidanlagen für Papier, insbesondere mehrlagige vereinzelte Papierprodukte in Schuppenformation, mit einem runden, im wesentlichen kegelstumpfförmigen Grundkörper (4), dessen zur senkrecht zur Drehachse verlaufenden Schneidebene (6) konische Tragfläche Klingen (8) o. dgl. trägt, dadurch gekennzeichnet , daû die Klingen (8)

a) auf der kegelstumpfförmigen Rückfläche (3) des Grundkörpers (4) angeordnet sind und mit der Schneidebene (6) einen Winkel (5) von 10°- 22°, vorzugsweise 16° einschlieûen,

b) in unterschiedlichen Schneidstellungen in Richtung auf die Schneidebene (6) in länglichen Aussparungen (18) des Grundkörpers (4) verschiebbar gelagert und in diesem arretierbar sind,

c) mit ihren Längsachsen einen spitzen Winkel zum jeweiligen Radius des Grundkörpers (4), der 9° - 12° beträgt, einschlieûen ,
- in Draufsicht rechteckig ausgebildet sind, und
- in Zahnform die Schneidfläche (13) bilden."
Die Beklagte ist als übernehmende Gesellschaft Rechtsnachfolgerin der mit ihr verschmolzenen E. GmbH (im folgenden: E.). E. belieferte ein französi-
sches Unternehmen, das eine Rotationsschneidemaschine von der Klägerin bezogen hatte, mit passenden Schneidmessern, in denen die Klägerin eine Verletzung des Klagepatents sieht.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäû zur Unterlassung und zur Rechnungslegung verurteilt und ihre Verpflichtung zum Schadensersatz und zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung festgestellt. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.
Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie weiterhin die Abweisung der Klage erstrebt. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Revision hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht ist ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, daû die angegriffenen Schneidmesser in den Schutzbereich des Klagepatents fallen und die Beklagte wegen deren Herstellung und Vertriebs zur Unterlassung, zum Schadensersatz und zur Entschädigung sowie zur Rechnungslegung verpflichtet ist (§§ 14, 139 Abs. 1 und 2, 33 Abs. 1 PatG, 242 BGB).
I. Das Klagepatent betrifft ein Schneidmesser für Rotationsschneidanlagen für Papier. Derartige Schneidmesser dienen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts dazu, im Zusammenwirken mit einem Gegenmesser eine Schuppe aus vereinzelten, überlappend aufeinanderliegenden Druckerzeug-
nissen zu beschneiden. Sie bestehen aus einem runden Grundkörper, dessen zur - senkrecht zur Drehachse verlaufenden - Schneidebene konische Tragfläche mit einer Vielzahl von Klingen bestückt ist.
Bei einem aus der deutschen Offenlegungsschrift 35 36 989 bekannten Schneidmesser dieser Art ist die konische Tragfläche als Vorderfläche des Grundkörpers der Schneidebene zugekehrt. Sind die Schneidflächen der (unverschiebbar ) in Ausnehmungen der Tragfläche untergebrachten Klingen abgenutzt , können sie zwar nachgeschliffen werden, jedoch verringert sich der Durchmesser des Schneidmessers entsprechend.
Das Berufungsgericht hat das technische Problem in Übereinstimmung mit den Angaben in der Klagepatentschrift dahin formuliert, die Lebensdauer derartiger Schneidmesser zu erhöhen und gleichzeitig zu gewährleisten, daû der jeweils wirksame Radius der Schneidflächen auch nach einem etwaigen Nachschleifen unverändert bleiben kann, und die erfindungsgemäûe Lösung nach dem aufrechterhaltenen Patentanspruch 1 wie folgt in Merkmale gegliedert :
1. Es handelt sich um ein mit einem Gegenmesser zusammenwirkendes Schneidmesser für Rotationsschneidanlagen für Papier, insbesondere mehrlagige vereinzelte Papierprodukte in Schuppenformation.
2. Das Schneidmesser besitzt einen runden, im wesentlichen kegelstumpfförmigen Grundkörper.
3. Der Grundkörper weist eine Tragfläche auf, die zur - senkrecht zur Drehachse verlaufenden - Schneidebene konisch ist und Klingen oder dergleichen trägt.
4. Die Klingen

a) sind auf der kegelstumpfförmigen Rückfläche des Grundkörpers angeordnet und schlieûen mit der Schneidebene einen Winkel von 10° bis 22°, vorzugsweise von 16°, ein,

b) sind in unterschiedlichen Schneidstellungen in Richtung auf die Schneidebene in länglichen Aussparungen des Grundkörpers verschiebbar gelagert und in diesen arretierbar,

c) schlieûen mit ihren Längsachsen einen spitzen Winkel zum jeweiligen Radius des Grundkörpers ein, wobei der Winkel 9° bis 12° beträgt ,

d) sind in Draufsicht rechteckig ausgebildet und

e) bilden in Zahnform die Schneidfläche.
Nach den weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts, bei denen es sich auf den Beschluû des Bundespatentgerichts im Einspruchsverfahren bezogen hat, unterscheidet sich das so umschriebene Schneidmesser von dem im Einspruchsverfahren gewürdigten Stand der Technik insbesondere dadurch, daû die Klingenlängsachsen nur einen kleinen Winkel von 9° bis 12° zum
Radius des Grundkörpers aufweisen und die Schneidkanten entsprechend flach in das Schneidgut eintauchen, wodurch sich eine besonders vorteilhafte Schnittführung ergibt. Das wird weder von der Revisionsklägerin noch von der Revisionsbeklagten angegriffen und läût keinen Rechtsfehler erkennen.
II. Auch insoweit unbeanstandet und rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht weiterhin festgestellt, daû das von E. hergestellte und vertriebene Schneidmesser bis auf Merkmal 4 c) wortsinngemäû Patentanspruch 1 des Klagepatents entspreche. Hinsichtlich des streitigen Merkmals 4 c) hat das Landgericht gemeint, daû auch dieses verwirklicht sei, weil der Winkel bei der angegriffenen Ausführungsform selbst mit dem von der Beklagten behaupteten Maû von 8° 40' noch im Wortsinn des Anspruchs liege, zu dem der Fachmann den in der DIN ISO 2768 T2 für die Toleranzklassen "fein" und "mittel" vorgesehenen Toleranzbereich von ± 20' rechne. Das Berufungsgericht hat offengelassen , ob dem zu folgen sei, und angenommen, daû ein Winkel von 8° 40' jedenfalls eine Verletzung des Klagepatents mit äquivalenten Mitteln begründe.
1. Die Auffassung der Beklagten, der Schutzbereich eines Patents, in dessen Anspruch Maûangaben als Höchst- und Mindestwerte angegeben seien , beschränke sich unter Ausschluû von Äquivalenten auf den im Anspruch genannten Bereich, hat das Berufungsgericht für unzutreffend erachtet. Zwar möge die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Rechtslage vor 1978 (Sen.Urt. v. 31.1.1984 - X ZR 7/82, GRUR 1984, 425 - Bierklärmittel) im Hinblick auf die durch § 14 PatG betonte Bedeutung der Patentansprüche für die Bemessung des Schutzbereichs sowie unter Berücksichtigung des Gesichtspunkts der Rechtssicherheit einer Einschränkung bedürfen. Sie könne jedoch nicht so weit gehen, daû jeder über den Anspruchswortlaut hinausgehende
Schutzbereich ausgeschlossen sei. Vielmehr erfasse, soweit nicht der Stand der Technik oder sonstige Umstände wie etwa Beschränkungen oder Verzichtserklärungen im Erteilungsverfahren eine einschränkende Auslegung geböten , der Schutzbereich eines Patents, dessen Anspruch Zahl- und Maûangaben enthalte, jedenfalls solche Ausführungsformen, bei denen von dem im Patent beanspruchten Bereich nur in derart geringfügigem Maû abgewichen werden, daû sich dem Fachmann die Gleichwirkung geradezu aufdränge.
2. Die Revision ist demgegenüber der Meinung, das entscheidende Gewicht , das der Rechtssicherheit für auûenstehende Dritte nach dem Auslegungsprotokoll zu Art. 69 EPÜ zukomme, hindere, den Schutzbereich von Patentansprüchen , die Zahlenangaben als Höchst- und Mindestwerte enthalten, durch Äquivalenzbetrachtungen über die im Patentanspruch genannten Grenzen hinaus zu erweitern. Solche Höchst- und Mindestwerte müûten vielmehr wörtlich genommen und als absolute Grenzen des Schutzbereichs behandelt werden. Die Rechtsprechung des Senats zur Erstreckung des Schutzbereichs auf äquivalente Ausführungsformen sei nicht auf Anspruchsmerkmale übertragbar , die mit der Formulierung "von ... bis" mit Zahlen- und Maûangaben Höchst- und Mindestwerte festlegten. Die Lehre von der Äquivalenz sei für normale Anspruchsmerkmale entwickelt worden, die den unter Schutz gestellten Gegenstand mit Worten und Begriffen definierten. Zahlen- und Maûangaben seien schon begrifflich durch die Angabe der Maûeinheit und des Zahlenwertes um ein Vielfaches schärfer und exakter definiert als ein normales, in Worten und Begriffen formuliertes Anspruchsmerkmal; sie würden daher vom angesprochenen Verkehr von vornherein als exakte scharf definierte Grenze des Schutzbereichs verstanden. Zudem habe es der Anmelder in der Hand, die
im Patentanspruch angegebenen Höchst- und Mindestwerte zu variieren und exakt an den Anwendungsbereich der Erfindung anzupassen.
3. Dem kann nur zum Teil gefolgt werden.

a) Nach § 14 PatG und der wortgleichen Vorschrift des Art. 69 Abs. 1 EPÜ wird der Schutzbereich des Patents durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt, zu deren Auslegung die Beschreibung und die Zeichnungen heranzuziehen sind. Nach den Grundsätzen, die der erkennende Senat hierzu entwickelt hat, dient die Auslegung der Patentansprüche nicht nur der Behebung etwaiger Unklarheiten, sondern auch zur Erläuterung der darin verwendeten technischen Begriffe sowie zur Klärung der Bedeutung und der Tragweite der dort beschriebenen Erfindung (BGHZ 98, 12, 18 f. - Formstein; 105, 1, 10 - Ionenanalyse; 125, 303, 309 f. - Zerlegvorrichtung für Baumstämme; Sen.Urt. v. 5.5.1992 - X ZR 9/91, GRUR 1992, 594, 596 - mechanische Betätigungsvorrichtung ). Abzustellen ist dabei auf die Sicht des Fachmanns, von dessen Verständnis bereits die Bestimmung des Inhalts der Patentansprüche einschlieûlich der dort verwendeten Begriffe abhängt und das auch bei der Feststellung des über den Wortlaut hinausgehenden Umfangs des von den Patentansprüchen ausgehenden Schutzes maûgebend ist. Bei der Prüfung der Frage, ob die im Patent unter Schutz gestellte Erfindung benutzt wird, ist daher zunächst unter Zugrundelegung dieses Verständnisses der Inhalt der Patentansprüche festzustellen, d.h. der dem Anspruchswortlaut vom Fachmann beigelegte Sinn zu ermitteln. Macht die angegriffene Ausführungsform von dem so ermittelten Sinngehalt eines Patentanspruchs Gebrauch, dann wird die unter Schutz stehende Erfindung benutzt. Bei einer vom Sinngehalt der Patentansprüche abweichenden Ausführung kann eine Benutzung dann vorliegen, wenn der Fach-
mann auf Grund von Überlegungen, die an den Sinngehalt der in den Ansprüchen unter Schutz gestellten Erfindung anknüpfen, die bei der angegriffenen Ausführungsform eingesetzten abgewandelten Mittel mit Hilfe seiner Fachkenntnisse als für die Lösung des der Erfindung zugrundeliegenden Problems gleichwirkend auffinden konnte (BGHZ 105, 1, 10 f. - Ionenanalyse; Sen.Urt. v. 3.10.1989 - X ZR 33/88, GRUR 1989, 903, 904 - Batteriekastenschnur; v. 28.6.2000 - X ZR 128/98, GRUR 2000, 1005, 1006 - Bratgeschirr). Dabei fordert es das gleichgewichtig neben dem Gesichtspunkt eines angemessenen Schutzes der erfinderischen Leistung stehende Gebot der Rechtssicherheit, daû der durch Auslegung zu ermittelnde Sinngehalt der Patentansprüche nicht nur den Ausgangspunkt, sondern die maûgebliche Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereichs bildet; diese hat sich an den Patentansprüchen auszurichten (BGHZ 106, 84, 90 f. - Schwermetalloxidationskatalysator; Sen.Urt. v. 3.10.1989 - X ZR 33/88, GRUR 1989, 903, 904 - Batteriekastenschnur; v. 20.4.1993 - X ZR 6/91, GRUR 1993, 886, 889 - Weichvorrichtung I). Für die Zugehörigkeit einer vom Wortsinn des Patentanspruchs abweichenden Ausführung zum Schutzbereich genügt es hiernach nicht, daû sie (1.) das der Erfindung zu Grunde liegende Problem mit zwar abgewandelten, aber objektiv gleichwirkenden Mitteln löst und (2.) seine Fachkenntnisse den Fachmann befähigen , die abgewandelten Mittel als gleichwirkend aufzufinden. Ebenso wie die Gleichwirkung nicht ohne Orientierung am Patentanspruch festgestellt werden kann (Einzelheiten hierzu Sen.Urt. v. 28.6.2000 - X ZR 128/98, GRUR 2000, 1005, 1006 - Bratgeschirr), müssen (3.) darüber hinaus die Überlegungen , die der Fachmann anstellen muû, derart am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre orientiert sein, daû der Fachmann die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als der gegenständlichen gleichwertige Lösung in Betracht zieht.

Von diesen Grundsätzen abzuweichen, besteht kein Anlaû. Sie stehen in Einklang mit dem Protokoll über die Auslegung von Art. 69 Abs. 1 EPÜ (BGBl. 1976 II 1000), das nach ständiger Rechtsprechung des Senats (BGHZ 106, 84, 93 f. - Schwermetalloxidationskatalysator; Sen.Urt. v. 5.5.1992 - X ZR 9/91, GRUR 1992, 594, 596 - mechanische Betätigungsvorrichtung) auch zur Auslegung von § 14 PatG heranzuziehen ist. Nach Art. 2 Nr. 1 der Münchener Revisionsakte zum Europäischen Patentübereinkommen vom 29.11.2000 soll zukünftig das revidierte Auslegungsprotokoll in Art. 2 ausdrücklich vorsehen, daû bei der Bestimmung des Schutzbereichs des europäischen Patents solchen Elementen gebührend Rechnung zu tragen ist, die Äquivalente der in den Patentansprüchen genannten Elemente sind.

b) Die Grundsätze der Schutzbereichsbestimmung sind auch dann anzuwenden , wenn der Patentanspruch Zahlen- oder Maûangaben enthält. Solche Angaben nehmen an der Verbindlichkeit des Patentanspruchs als maûgeblicher Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereichs teil. Die Aufnahme von Zahlen- oder Maûangaben in den Anspruch verdeutlicht, daû sie den Schutzgegenstand des Patents mitbestimmen und damit auch begrenzen sollen (Sen., BGHZ 118, 210, 218 f. - Chrom-Nickel-Legierung). Es verbietet sich daher, solche Angaben als minder verbindliche, lediglich beispielhafte Festlegungen der geschützten technischen Lehre anzusehen, wie dies in der Rechtsprechung zur Rechtslage im Inland vor Inkrafttreten des Art. 69 EPÜ und der entsprechenden Neuregelung des nationalen Rechts für möglich erachtet worden ist (vgl. RGZ 86, 412, 416 f. - pyrophore Metallegierungen; RG, Urt. v. 10.3.1928 - I 238/27, GRUR 1928, 481 - Preûhefe I; OGH BrZ 3, 63, 71 f. - künstliche Wursthüllen).


c) Wie jeder Bestandteil eines Patentanspruchs sind Zahlen- und Maûangaben grundsätzlich der Auslegung fähig. Wie auch sonst kommt es darauf an, wie der Fachmann solche Angaben im Gesamtzusammenhang des Patentanspruchs versteht, wobei auch hier zur Erläuterung dieses Zusammenhangs Beschreibung und Zeichnungen heranzuziehen sind. Dabei ist zu berücksichtigen , daû Zahlen- und Maûangaben schon nach ihrem objektiven Gehalt, der auch das Verständnis des Fachmanns prägen wird, nicht einheitlich sind, sondern in unterschiedlichen Formen Sachverhalte mit durchaus verschiedenen Inhalten bezeichnen können.

d) Schon diese Umstände schlieûen es aus, daû der Fachmann Zahlen-, Maû- oder Bereichsangaben eine immer gleiche feste Bedeutung zuweisen wird. Jedoch wird er solchen Angaben in aller Regel einen höheren Grad an Eindeutigkeit und Klarheit zubilligen, als dies bei verbal umschriebenen Elementen der erfindungsgemäûen Lehre der Fall wäre (v. Rospatt, GRUR 2001, 991, 993). Denn Zahlen sind als solche eindeutig, während sprachlich formulierte allgemeine Begriffe eine gewisse Abstraktion von dem durch sie bezeichneten Gegenstand bedeuten. Zudem müssen solche Begriffe, wenn sie in einer Patentschrift verwendet werden, nicht notwendig in dem Sinn gebraucht werden , den der allgemeine technische Sprachgebrauch ihnen beimiût; die Patentschrift kann insoweit ihr "eigenes Wörterbuch" bilden (vgl. Sen.Urt. v. 2.3.1999 - X ZR 85/96, GRUR 1999, 909, 912 - Spannschraube; v. 13.4.1999 - X ZR 23/97, Mitt. 2000, 105, 106 - Extrusionskopf). Aus der Sicht des fachmännischen Lesers kann durch Zahlen- und Maûangaben konkretisierten Merkmalen deshalb die Bedeutung zukommen, daû der objektive, erfindungsgemäû zu erreichende Erfolg genauer und gegebenenfalls enger eingegrenzt
wird, als dies bei bloû verbaler Umschreibung der Fall wäre. Da es Sache des Anmelders ist, dafür zu sorgen, daû in den Patentansprüchen alles niedergelegt ist, wofür er Schutz begehrt (Sen.Urt. v. 3.10.1989 - X ZR 33/88, GRUR 1989, 903, 905 - Batteriekastenschnur; v. 5.5.1992 - X ZR 9/91, GRUR 1992, 594, 596 - Mechanische Betätigungsvorrichtung), darf der Leser der Patentschrift annehmen, daû diesem Erfordernis auch bei der Aufnahme von Zahlenangaben in die Formulierung der Patentansprüche genügt worden ist. Dies gilt um so mehr, als der Anmelder bei Zahlenangaben besonderen Anlaû hat, sich über die Konsequenzen der Anspruchsformulierung für die Grenzen des nachgesuchten Patentschutzes klar zu werden.
Daher ist eine deutlich strengere Beurteilung angebracht, als es der Praxis zur Rechtslage in Deutschland vor 1978 entsprach (Bruchhausen, GRUR 1982, 1, 4). Eine eindeutige Zahlenangabe bestimmt und begrenzt den geschützten Gegenstand grundsätzlich insoweit abschlieûend; ihre Über- oder Unterschreitung ist daher in aller Regel nicht mehr zum Gegenstand des Patentanspruchs zu rechnen (v. Falck, Festschrift zum 100jährigen Bestehen der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, S. 543, 577).
Andererseits schlieût dies nicht aus, daû der Fachmann eine gewisse, beispielsweise übliche Toleranzen umfassende, Unschärfe als mit dem technischen Sinngehalt einer Zahlenangabe vereinbar ansieht. So hat das House of Lords in der Catnic-Entscheidung (R.P.C. 1982, 163; deutsch GRUR Int. 1982, 136), die allerdings die Rechtslage im Vereinigten Königreich vor der europäischen Harmonisierung betraf, bei einem auf einen rechten Winkel gerichteten Anspruchsmerkmal Abweichungen von 6° bzw. 8° vom rechten Winkel als mit
der Annahme einer Benutzung der geschützten Lehre vereinbar angesehen. In einem solchen Fall kann es grundsätzlich nicht darauf ankommen, ob im Anspruch von einem rechten Winkel oder von 90° die Rede ist. Maûgeblich ist vielmehr der unter Heranziehung von Beschreibung und Zeichnungen zu ermittelnde Sinngehalt des Patentanspruchs. In einem anderem Zusammenhang kann der gleiche Winkel sich daher dem Fachmann auch als exakt einzuhaltende Gröûe darstellen. Dies gilt grundsätzlich auch für Zahlenbereiche mit Grenzwerten (vgl. Sen., BGHZ 118, 210, 218 f. - Chrom-Nickel-Legierung; vgl. auch White, The C.I.P.A. Guide to the Patents Act, 5. Aufl., Part III, Section 125 Rdn. 22 mit Hinweis auf die soweit ersichtlich - insoweit - unveröffentlichten Entscheidungen Lubrizol v. Esso und Goldschmidt v. EOC Belgium). Ein Verständnis , daû ein Wert genau einzuhalten ist, wird vor allem dann der Vorstellung des Fachmanns entsprechen, wenn er erkennt, daû es sich um einen "kritischen" Wert handelt. Wie eine bestimmte Zahlen- oder Maûangabe im Patentanspruch demnach zu verstehen ist, ist eine Frage des der tatrichterlichen Beurteilung unterliegenden fachmännischen Verständnisses im Einzelfall.

d) Wie für die Erfassung des technischen Sinngehalts des Patentanspruchs gilt auch für die Bestimmung eines über diesen hinausreichenden Schutzbereichs, daû im Anspruch enthaltene Zahlen- oder Maûangaben mit den angegebenen Werten den geschützten Gegenstand begrenzen. Im Rahmen der Schutzbereichsbestimmung darf vom Sinngehalt der Zahlen- und Maûangaben nicht abstrahiert werden. Bei der Prüfung der Frage, ob der Fachmann eine Ausführungsform mit einem vom Anspruch abweichenden Zahlenwert aufgrund von Überlegungen, die sich am Sinngehalt der im Anspruch umschriebenen Erfindung orientieren, als gleichwirkende Lösung auffinden kann, muû vielmehr die sich aus der Zahlenangabe ergebende Eingren-
zung des objektiven, erfindungsgemäû zu erreichenden Erfolgs berücksichtigt werden. Als im Sinne des Patentanspruchs gleichwirkend kann nur eine Ausführungsform angesehen werden, die der Fachmann als eine solche auffinden kann, die nicht nur überhaupt die Wirkung eines - im Anspruch zahlenmäûig eingegrenzten - Merkmals der Erfindung erzielt, sondern auch gerade diejenige , die nach seinem Verständnis anspruchsgemäû der zahlenmäûigen Eingrenzung dieses Merkmals zukommen soll. Fehlt es daran, ist auch eine objektiv und für den Fachmann erkennbar technisch ansonsten gleichwirkende Ausführungsform vom Schutzbereich des Patents grundsätzlich nicht umfaût.
Damit im Kern übereinstimmend hat auch die Rechtsprechung im Vereinigten Königreich zur Feststellung einer Verletzung geprüft, ob die fachkundige Öffentlichkeit erwarten und sich darauf einstellen darf, daû es nach dem Patent auf die genaue Einhaltung des Wortlauts des Patentanspruchs ankommen soll (vgl. die sog. dritte Catnic-Frage; für das harmonisierte Recht u.a. Patents Court, F.S.R. 1989, 181 = GRUR Int. 1993, 245 - Improver Corporation v. Remington Consumer Products Ltd. ("Epilady"-Fall); Court of Appeal R.P.C. 1995, 585 = GRUR Int. 1997, 374 - Kastner v. Rizla Ltd.). Bezogen auf ein einzelnes Merkmal des Patentanspruchs geht es darum, ob das betreffende Merkmal dem Fachmann als ein solches erscheint, das ausschlieûlich wortsinngemäû benutzt werden kann, wenn die beanspruchte Lehre zum technischen Handeln eingehalten werden soll (vgl. Court of Appeal R.P.C. 1995, 585 = GRUR Int. 1997, 374 - Kastner v. Rizla Ltd.). Ein solches Verständnis kann insbesondere bei Zahlen- und Maûangaben in Betracht zu ziehen sein (vgl. Patents Court, R.P.C. 1997, 649 - Auchincloss v. Agricultural & Veterinary Supplies Ltd.).
Wie bei anderen Elementen des Patentanspruchs auch darf deshalb die anspruchsgemäûe Wirkung nicht unter Auûerachtlassung von im Anspruch enthaltenen Zahlen- und Maûangaben bestimmt werden. Es reicht daher für die Einbeziehung abweichender Ausführungsformen in den Schutzbereich grundsätzlich nicht aus, daû nach der Erkenntnis des Fachmanns die erfindungsgemäûe Wirkung im übrigen unabhängig von der Einhaltung des Zahlenwertes eintritt. Erschlieût sich dem Fachmann kein abweichender Zahlenwert als im Sinne des anspruchsgemäûen Wertes gleichwirkend, erstreckt sich der Schutzbereich insoweit nicht über den Sinngehalt des Patentanspruchs hinaus. Die anspruchsgemäûe Wirkung des zahlenmäûig bestimmten Merkmals wird in diesem Fall nach dem Verständnis des Fachmanns durch die (genaue ) Einhaltung eines Zahlenwertes bestimmt und kann daher notwendigerweise durch einen abweichenden Zahlenwert nicht erzielt werden. In einem solchen Fall genügt es nicht, daû der Fachmann auch eine von der Zahlenangabe abstrahierende Lehre als technisch sinnvoll erkennt.
Der Anmelder wird nicht immer den vollen technischen Gehalt der Erfindung erkennen und ausschöpfen; er ist auch - unbeschadet der Frage, ob ihm das rechtlich möglich ist - von Rechts wegen nicht gehalten, dies zu tun. Beschränkt sich das Patent bei objektiver Betrachtung auf eine engere Anspruchsfassung , als dies vom technischen Gehalt der Erfindung und gegenüber dem Stand der Technik geboten wäre, darf die Fachwelt darauf vertrauen, daû der Schutz entsprechend beschränkt ist. Dem Patentinhaber ist es dann verwehrt, nachträglich Schutz für etwas zu beanspruchen, was er nicht unter Schutz hat stellen lassen. Das gilt selbst dann, wenn der Fachmann erkennt, daû die erfindungsgemäûe Wirkung als solche (in dem vorstehend ausgeführ-
ten engeren Sinn) über den im Patentanspruch unter Schutz gestellten Bereich hinaus erreicht werden könnte.
4. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze läût die Bestimmung des Schutzbereichs des Klagepatents durch das Berufungsgericht keinen Rechtsfehler erkennen.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die angegriffenen Schneidmesser erzielten mindestens im wesentlichen die gleiche Wirkung wie Vorrichtungen, bei denen der Winkel zwischen den Längsachsen der Klingen und dem jeweiligen Radius des Grundkörpers zwischen 9° und 12° liege. Die im Klagepatent unter Schutz gestellte geringfügige Abwinklung der Klingen zum jeweiligen Radius führe im Vergleich mit dem Stand der Technik zu einer anderen Schneidgeometrie. Sie bewirke, wie das Bundespatentgericht in seinem Beschluû vom 15. Februar 1996 überzeugend ausgeführt habe, im Zusammenwirken mit der Grundform der Klingen, daû bei einem entsprechend dem Klagepatent ausgestalteten Schneidmesser stets das radial innere Ende der Schneidkante zuerst in das Papier eintauche. Das flache Eintauchen der Schneidkanten in das Schneidgut gewährleiste einen "sanften Einschnitt", wobei gleichzeitig die gegenüber einem Rundmesser bessere Schneidwirkung einer zahnförmigen Schneidfläche erhalten bleibe. Diese Wirkungen träten, wie auch die Beklagte nicht in Abrede stelle, bei der Wahl eines geringfügig spitzeren Winkels (8° 40© statt 9°) in gleicher Weise ein.
Der Fachmann, dem die Wirkungsweise eines gemäû dem Hauptanspruch des Patents ausgestalteten Schneidmesser auch ohne nähere Darstellung in der Beschreibung aufgrund seines Fachwissens klar sei, könne auf-
grund von Überlegungen, die sich an der im Anspruch 1 umschriebenen Erfindung orientierten, ohne weiteres erkennen, daû die Wahl eines geringfügig spitzeren Winkels die erzielten Ergebnisse nicht wesentlich ändere. Allerdings werde der Fachmann dann, wenn in einem Patentanspruch ein bestimmter Bereich vorgegeben sei und sich der Patentschrift kein Anhaltspunkt dafür entnehmen lasse, daû die beanspruchten Werte nur beispielhaft gemeint sein könnten, in der Regel keinen Anlaû haben, sich darüber Gedanken zu machen, ob die Erfindung auch bei der Wahl anderer Werte ausführbar sein könnte. Etwas anderes müsse aber für solche Werte gelten, die nur in so geringem Maû auûerhalb des im Patent genannten Bereichs lägen, daû eine ins Gewicht fallende Änderung der Wirkung von vornherein ausgeschlossen erscheine. So liege es im Streitfall, da der Winkel von 8° 40© um weniger als 4 % von dem im Patent genannten unteren Wert abweiche. Dem angesprochenen Fachmann - einem mit einschlägigen Schneidanordnungen vertrauten Maschinenbauingenieur - sei zudem bekannt, daû eine Abweichung von ± 20© sich im Rahmen der von der einschlägigen DIN-Norm vorgegebenen Allgemeintoleranz für Winkelmaûe halte.
Dem Inhalt der Patentschrift und dem dort mitgeteilten Stand der Technik könne nicht entnommen werden, daû die Vermeidung einer noch so geringfügigen Überschreitung des im Merkmal 4 c) der Merkmalsgliederung genannten Bereichs für die unter Schutz gestellte Lehre wesentlich und bestimmend sei. Bei der in der Patentschrift gewürdigten DE-OS 35 36 989 seien die Längsachsen der Klingen parallel zum jeweiligen Radius angeordnet, ihre Schneidkanten seien schräg zu den Längsachsen in der Weise orientiert, daû stets das radial äuûere Ende zuerst in das Papier eintauche. Aber auch der übrige, im Einspruchsverfahren herangezogene und auf dem Deckblatt der
Klagepatentschrift genannte Stand der Technik gebe keine Veranlassung zu einer einschränkenden und eine äquivalente Verletzung ausschlieûenden Auslegung des Patents.
Damit hat das Berufungsgericht alle maûgeblichen Gesichtspunkte berücksichtigt und in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt , daû der Fachmann den unteren Wert des Winkelbereichs von 9° bis 12° im Prioritätszeitpunkt nicht als starren Grenzwert ansah und eine Ausführungsform , bei der das Winkelmaû von 9° geringfügig unterschritten wird, als gleichwirkend auffinden konnte. Aus den Ausführungen des Berufungsgerichts zur Wirkung der im Klagepatent unter Schutz gestellten geringfügigen Abwinklung der Klingen zum jeweiligen Radius, die im Vergleich mit dem Stand der Technik zu einer anderen Schneidgeometrie führe, ergibt sich, daû der für den Fachmann erkennbare technische Sinngehalt des durch die Bereichsangabe 9 bis 12° näher definierten spitzen Winkels zum jeweiligen Radius des Grundkörpers in dieser durch den Winkel bestimmten und im Anspruch durch die Winkelangabe ausgedrückten Schneidgeometrie zu finden ist. Dann konnte das Berufungsgericht aber auch ohne Rechtsfehler zu der Feststellung gelangen , daû der Fachmann den objektiv unstreitig gleichwirkenden geringfügig kleineren Winkel der angegriffenen Ausführungsform aufgrund von Überlegungen als gleichwirkend auffinden konnte, die sich derart am Sinngehalt des Patentanspruchs einschlieûlich der in Merkmal 4 c) enthaltenen Winkelangabe orientierten, daû er die angegriffene Ausführungsform als der gegenständlichen gleichwertige Lösung des dem Klagepatent zugrundeliegenden Problems in Betracht zog.
5. Die Rüge der Revision, mit der Berufung auf die Allgemeintoleranz setze sich das Berufungsgericht in Widerspruch zu seiner Unterstellung, nach dem Verständnis des Fachmanns seien bei der Angabe des Bereichs 9° bis 12° Herstellungstoleranzen bereits berücksichtigt, ist nicht begründet. Das Berufungsgericht hat mit dieser Unterstellung ersichtlich nur sagen wollen, der technische Sinngehalt (Wortsinn) des Winkelbereichs 9° bis 12° dürfe nach dem Verständnis des Fachmanns nicht noch um einen Toleranzbereich auf 8° 40© bis 12° 20© erweitert werden. Das schloû es nicht aus, bei der Prüfung der Frage, ob die angegriffene Ausführungsform vom Fachmann als gleichwirkend aufgefunden werden konnte, das geringe, sich im Rahmen der üblichen Toleranz haltende Maû der Abweichung vom Wortlaut des Anspruchs zu berücksichtigen.
6. Keinen Erfolg hat auch die weitere Rüge, das Klagepatent sei im Einspruchsbeschwerdeverfahren durch Aufnahme des Winkelbereichs 9° bis 12° eingeschränkt worden, was es ausschlieûe, den Schutzbereich über diese Grenzen hinaus wieder auszudehnen.
Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt, die Beschränkung nehme dem Klagepatent nicht den Schutzbereich, den es gehabt hätte, wenn es schon in der nunmehr geltenden Fassung angemeldet (und erteilt) worden wäre. Das ist richtig, und dabei hat das Berufungsgericht auch nicht, wie die Revision meint, übersehen, daû das Klagepatent "doppelt" beschränkt worden ist, nämlich zunächst durch die Aufnahme des Merkmals des spitzen Winkels aus dem erteilten Anspruch 6 und sodann durch den konkreten Winkelbereich aus dem erteilten Anspruch 7. Denn das schlieût es zwar aus, jeden spitzen Winkel als äquivalent anzusehen, verbietet jedoch nicht die Annahme, der Fachmann er-
kenne eine geringfügige Unterschreitung des 9°-Winkels als für die erfindungsgemäûe Wirkung unschädlich.
III. Ebenfalls keinen Rechtsfehler erkennen lassen die Ausführungen des Berufungsgerichts zu den Rechtsfolgen, die es aus der festgestellten Patentverletzung abgeleitet hat; die Revision erhebt insoweit auch keine Rügen. Sie ist daher insgesamt mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Asendorf
35
1. Damit eine vom Wortsinn des Patentanspruchs abweichende Ausführung in dessen Schutzbereich fällt, muss regelmäßig dreierlei erfüllt sein. Die Ausführung muss erstens das der Erfindung zugrunde liegende Problem mit (zwar abgewandelten , aber) objektiv gleichwirkenden Mitteln lösen. Zweitens müssen seine Fachkenntnisse den Fachmann befähigen, die abgewandelte Ausführung mit ihren abweichenden Mitteln als gleichwirkend aufzufinden. Die Überlegungen, die der Fachmann hierzu anstellen muss, müssen schließlich drittens am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten Lehre orientiert sein. Sind diese Voraussetzungen der Gleichwirkung, der Auffindbarkeit und der Orientierung am Patentanspruch erfüllt, ist die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln aus fachmännischer Sicht als der wortsinngemäßen Lösung gleichwertige (äquivalente) Lösung in Betracht zu ziehen und damit nach dem Gebot des Artikels 2 des Protokolls über die Auslegung des Art. 69 EPÜ bei der Bestimmung des Schutzbereichs des Patents zu berücksichtigen (vgl. u.a. Senat, Urteile vom 12. März 2002 - X ZR 168/00, BGHZ 150, 149, 154 - Schneidmesser I, und vom 17. April 2007 - X ZR 1/05, GRUR 2007, 58 Rn. 24 - Pumpeinrichtung). Der Schutzbereich des Patents wird auf diese Weise nach Maßgabe dessen bestimmt, was der Fachmann auf der Grundlage der erfindungsgemäßen Lehre als äquiva- lent zu erkennen vermag, und damit an dem Gebot des Art. 1 des Auslegungsprotokolls ausgerichtet, bei der Bestimmung des Schutzbereichs einen angemessenen Schutz für den Patentinhaber mit ausreichender Rechtssicherheit für Dritte zu verbinden (näher zu diesem Gebot Laddie, IIC 2009, 3).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 168/00 Verkündet am:
12. März 2002
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
Schneidmesser I
PatG 1981 § 14; EPÜ Art. 69

a) Durch in den Patentanspruch aufgenommene Zahlen- und Maßangaben
wird der Schutzgegenstand des Patents mitbestimmt und damit auch begrenzt.
Wie jeder Bestandteil eines Patentanspruchs sind Zahlen- und
Maßangaben jedoch grundsätzlich der Auslegung fähig.

b) Erschließt sich dem Fachmann kein abweichender Zahlenwert als im Sinne
des anspruchsgemäßen Wertes gleichwirkend, erstreckt sich der Schutzbereich
insoweit nicht über den Sinngehalt des Anspruchs hinaus.
BGH, Urt. v. 12. März 2002 - X ZR 168/00 - OLG Karlsruhe
LG Mannheim
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 29. Januar 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis,
den Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Dr. MeierBeck
und Asendorf

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das am 23. August 2000 verkündete Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin ist Inhaberin einer ausschlieûlichen Lizenz an dem am 12. Juni 1987 angemeldeten deutschen Patent 37 19 721 (Klagepatent), wegen dessen Verletzung sie die Beklagte in Anspruch nimmt.
Das Klagepatent ist im Einspruchsverfahren vom Bundespatentgericht beschränkt aufrechterhalten worden. Patentanspruch 1 lautet danach:
"Mit einem Gegenmesser zusammenwirkendes Schneidmesser (1) für Rotationsschneidanlagen für Papier, insbesondere mehrlagige vereinzelte Papierprodukte in Schuppenformation, mit einem runden, im wesentlichen kegelstumpfförmigen Grundkörper (4), dessen zur senkrecht zur Drehachse verlaufenden Schneidebene (6) konische Tragfläche Klingen (8) o. dgl. trägt, dadurch gekennzeichnet , daû die Klingen (8)

a) auf der kegelstumpfförmigen Rückfläche (3) des Grundkörpers (4) angeordnet sind und mit der Schneidebene (6) einen Winkel (5) von 10°- 22°, vorzugsweise 16° einschlieûen,

b) in unterschiedlichen Schneidstellungen in Richtung auf die Schneidebene (6) in länglichen Aussparungen (18) des Grundkörpers (4) verschiebbar gelagert und in diesem arretierbar sind,

c) mit ihren Längsachsen einen spitzen Winkel zum jeweiligen Radius des Grundkörpers (4), der 9° - 12° beträgt, einschlieûen ,
- in Draufsicht rechteckig ausgebildet sind, und
- in Zahnform die Schneidfläche (13) bilden."
Die Beklagte ist als übernehmende Gesellschaft Rechtsnachfolgerin der mit ihr verschmolzenen E. GmbH (im folgenden: E.). E. belieferte ein französi-
sches Unternehmen, das eine Rotationsschneidemaschine von der Klägerin bezogen hatte, mit passenden Schneidmessern, in denen die Klägerin eine Verletzung des Klagepatents sieht.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäû zur Unterlassung und zur Rechnungslegung verurteilt und ihre Verpflichtung zum Schadensersatz und zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung festgestellt. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.
Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie weiterhin die Abweisung der Klage erstrebt. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Revision hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht ist ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, daû die angegriffenen Schneidmesser in den Schutzbereich des Klagepatents fallen und die Beklagte wegen deren Herstellung und Vertriebs zur Unterlassung, zum Schadensersatz und zur Entschädigung sowie zur Rechnungslegung verpflichtet ist (§§ 14, 139 Abs. 1 und 2, 33 Abs. 1 PatG, 242 BGB).
I. Das Klagepatent betrifft ein Schneidmesser für Rotationsschneidanlagen für Papier. Derartige Schneidmesser dienen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts dazu, im Zusammenwirken mit einem Gegenmesser eine Schuppe aus vereinzelten, überlappend aufeinanderliegenden Druckerzeug-
nissen zu beschneiden. Sie bestehen aus einem runden Grundkörper, dessen zur - senkrecht zur Drehachse verlaufenden - Schneidebene konische Tragfläche mit einer Vielzahl von Klingen bestückt ist.
Bei einem aus der deutschen Offenlegungsschrift 35 36 989 bekannten Schneidmesser dieser Art ist die konische Tragfläche als Vorderfläche des Grundkörpers der Schneidebene zugekehrt. Sind die Schneidflächen der (unverschiebbar ) in Ausnehmungen der Tragfläche untergebrachten Klingen abgenutzt , können sie zwar nachgeschliffen werden, jedoch verringert sich der Durchmesser des Schneidmessers entsprechend.
Das Berufungsgericht hat das technische Problem in Übereinstimmung mit den Angaben in der Klagepatentschrift dahin formuliert, die Lebensdauer derartiger Schneidmesser zu erhöhen und gleichzeitig zu gewährleisten, daû der jeweils wirksame Radius der Schneidflächen auch nach einem etwaigen Nachschleifen unverändert bleiben kann, und die erfindungsgemäûe Lösung nach dem aufrechterhaltenen Patentanspruch 1 wie folgt in Merkmale gegliedert :
1. Es handelt sich um ein mit einem Gegenmesser zusammenwirkendes Schneidmesser für Rotationsschneidanlagen für Papier, insbesondere mehrlagige vereinzelte Papierprodukte in Schuppenformation.
2. Das Schneidmesser besitzt einen runden, im wesentlichen kegelstumpfförmigen Grundkörper.
3. Der Grundkörper weist eine Tragfläche auf, die zur - senkrecht zur Drehachse verlaufenden - Schneidebene konisch ist und Klingen oder dergleichen trägt.
4. Die Klingen

a) sind auf der kegelstumpfförmigen Rückfläche des Grundkörpers angeordnet und schlieûen mit der Schneidebene einen Winkel von 10° bis 22°, vorzugsweise von 16°, ein,

b) sind in unterschiedlichen Schneidstellungen in Richtung auf die Schneidebene in länglichen Aussparungen des Grundkörpers verschiebbar gelagert und in diesen arretierbar,

c) schlieûen mit ihren Längsachsen einen spitzen Winkel zum jeweiligen Radius des Grundkörpers ein, wobei der Winkel 9° bis 12° beträgt ,

d) sind in Draufsicht rechteckig ausgebildet und

e) bilden in Zahnform die Schneidfläche.
Nach den weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts, bei denen es sich auf den Beschluû des Bundespatentgerichts im Einspruchsverfahren bezogen hat, unterscheidet sich das so umschriebene Schneidmesser von dem im Einspruchsverfahren gewürdigten Stand der Technik insbesondere dadurch, daû die Klingenlängsachsen nur einen kleinen Winkel von 9° bis 12° zum
Radius des Grundkörpers aufweisen und die Schneidkanten entsprechend flach in das Schneidgut eintauchen, wodurch sich eine besonders vorteilhafte Schnittführung ergibt. Das wird weder von der Revisionsklägerin noch von der Revisionsbeklagten angegriffen und läût keinen Rechtsfehler erkennen.
II. Auch insoweit unbeanstandet und rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht weiterhin festgestellt, daû das von E. hergestellte und vertriebene Schneidmesser bis auf Merkmal 4 c) wortsinngemäû Patentanspruch 1 des Klagepatents entspreche. Hinsichtlich des streitigen Merkmals 4 c) hat das Landgericht gemeint, daû auch dieses verwirklicht sei, weil der Winkel bei der angegriffenen Ausführungsform selbst mit dem von der Beklagten behaupteten Maû von 8° 40' noch im Wortsinn des Anspruchs liege, zu dem der Fachmann den in der DIN ISO 2768 T2 für die Toleranzklassen "fein" und "mittel" vorgesehenen Toleranzbereich von ± 20' rechne. Das Berufungsgericht hat offengelassen , ob dem zu folgen sei, und angenommen, daû ein Winkel von 8° 40' jedenfalls eine Verletzung des Klagepatents mit äquivalenten Mitteln begründe.
1. Die Auffassung der Beklagten, der Schutzbereich eines Patents, in dessen Anspruch Maûangaben als Höchst- und Mindestwerte angegeben seien , beschränke sich unter Ausschluû von Äquivalenten auf den im Anspruch genannten Bereich, hat das Berufungsgericht für unzutreffend erachtet. Zwar möge die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Rechtslage vor 1978 (Sen.Urt. v. 31.1.1984 - X ZR 7/82, GRUR 1984, 425 - Bierklärmittel) im Hinblick auf die durch § 14 PatG betonte Bedeutung der Patentansprüche für die Bemessung des Schutzbereichs sowie unter Berücksichtigung des Gesichtspunkts der Rechtssicherheit einer Einschränkung bedürfen. Sie könne jedoch nicht so weit gehen, daû jeder über den Anspruchswortlaut hinausgehende
Schutzbereich ausgeschlossen sei. Vielmehr erfasse, soweit nicht der Stand der Technik oder sonstige Umstände wie etwa Beschränkungen oder Verzichtserklärungen im Erteilungsverfahren eine einschränkende Auslegung geböten , der Schutzbereich eines Patents, dessen Anspruch Zahl- und Maûangaben enthalte, jedenfalls solche Ausführungsformen, bei denen von dem im Patent beanspruchten Bereich nur in derart geringfügigem Maû abgewichen werden, daû sich dem Fachmann die Gleichwirkung geradezu aufdränge.
2. Die Revision ist demgegenüber der Meinung, das entscheidende Gewicht , das der Rechtssicherheit für auûenstehende Dritte nach dem Auslegungsprotokoll zu Art. 69 EPÜ zukomme, hindere, den Schutzbereich von Patentansprüchen , die Zahlenangaben als Höchst- und Mindestwerte enthalten, durch Äquivalenzbetrachtungen über die im Patentanspruch genannten Grenzen hinaus zu erweitern. Solche Höchst- und Mindestwerte müûten vielmehr wörtlich genommen und als absolute Grenzen des Schutzbereichs behandelt werden. Die Rechtsprechung des Senats zur Erstreckung des Schutzbereichs auf äquivalente Ausführungsformen sei nicht auf Anspruchsmerkmale übertragbar , die mit der Formulierung "von ... bis" mit Zahlen- und Maûangaben Höchst- und Mindestwerte festlegten. Die Lehre von der Äquivalenz sei für normale Anspruchsmerkmale entwickelt worden, die den unter Schutz gestellten Gegenstand mit Worten und Begriffen definierten. Zahlen- und Maûangaben seien schon begrifflich durch die Angabe der Maûeinheit und des Zahlenwertes um ein Vielfaches schärfer und exakter definiert als ein normales, in Worten und Begriffen formuliertes Anspruchsmerkmal; sie würden daher vom angesprochenen Verkehr von vornherein als exakte scharf definierte Grenze des Schutzbereichs verstanden. Zudem habe es der Anmelder in der Hand, die
im Patentanspruch angegebenen Höchst- und Mindestwerte zu variieren und exakt an den Anwendungsbereich der Erfindung anzupassen.
3. Dem kann nur zum Teil gefolgt werden.

a) Nach § 14 PatG und der wortgleichen Vorschrift des Art. 69 Abs. 1 EPÜ wird der Schutzbereich des Patents durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt, zu deren Auslegung die Beschreibung und die Zeichnungen heranzuziehen sind. Nach den Grundsätzen, die der erkennende Senat hierzu entwickelt hat, dient die Auslegung der Patentansprüche nicht nur der Behebung etwaiger Unklarheiten, sondern auch zur Erläuterung der darin verwendeten technischen Begriffe sowie zur Klärung der Bedeutung und der Tragweite der dort beschriebenen Erfindung (BGHZ 98, 12, 18 f. - Formstein; 105, 1, 10 - Ionenanalyse; 125, 303, 309 f. - Zerlegvorrichtung für Baumstämme; Sen.Urt. v. 5.5.1992 - X ZR 9/91, GRUR 1992, 594, 596 - mechanische Betätigungsvorrichtung ). Abzustellen ist dabei auf die Sicht des Fachmanns, von dessen Verständnis bereits die Bestimmung des Inhalts der Patentansprüche einschlieûlich der dort verwendeten Begriffe abhängt und das auch bei der Feststellung des über den Wortlaut hinausgehenden Umfangs des von den Patentansprüchen ausgehenden Schutzes maûgebend ist. Bei der Prüfung der Frage, ob die im Patent unter Schutz gestellte Erfindung benutzt wird, ist daher zunächst unter Zugrundelegung dieses Verständnisses der Inhalt der Patentansprüche festzustellen, d.h. der dem Anspruchswortlaut vom Fachmann beigelegte Sinn zu ermitteln. Macht die angegriffene Ausführungsform von dem so ermittelten Sinngehalt eines Patentanspruchs Gebrauch, dann wird die unter Schutz stehende Erfindung benutzt. Bei einer vom Sinngehalt der Patentansprüche abweichenden Ausführung kann eine Benutzung dann vorliegen, wenn der Fach-
mann auf Grund von Überlegungen, die an den Sinngehalt der in den Ansprüchen unter Schutz gestellten Erfindung anknüpfen, die bei der angegriffenen Ausführungsform eingesetzten abgewandelten Mittel mit Hilfe seiner Fachkenntnisse als für die Lösung des der Erfindung zugrundeliegenden Problems gleichwirkend auffinden konnte (BGHZ 105, 1, 10 f. - Ionenanalyse; Sen.Urt. v. 3.10.1989 - X ZR 33/88, GRUR 1989, 903, 904 - Batteriekastenschnur; v. 28.6.2000 - X ZR 128/98, GRUR 2000, 1005, 1006 - Bratgeschirr). Dabei fordert es das gleichgewichtig neben dem Gesichtspunkt eines angemessenen Schutzes der erfinderischen Leistung stehende Gebot der Rechtssicherheit, daû der durch Auslegung zu ermittelnde Sinngehalt der Patentansprüche nicht nur den Ausgangspunkt, sondern die maûgebliche Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereichs bildet; diese hat sich an den Patentansprüchen auszurichten (BGHZ 106, 84, 90 f. - Schwermetalloxidationskatalysator; Sen.Urt. v. 3.10.1989 - X ZR 33/88, GRUR 1989, 903, 904 - Batteriekastenschnur; v. 20.4.1993 - X ZR 6/91, GRUR 1993, 886, 889 - Weichvorrichtung I). Für die Zugehörigkeit einer vom Wortsinn des Patentanspruchs abweichenden Ausführung zum Schutzbereich genügt es hiernach nicht, daû sie (1.) das der Erfindung zu Grunde liegende Problem mit zwar abgewandelten, aber objektiv gleichwirkenden Mitteln löst und (2.) seine Fachkenntnisse den Fachmann befähigen , die abgewandelten Mittel als gleichwirkend aufzufinden. Ebenso wie die Gleichwirkung nicht ohne Orientierung am Patentanspruch festgestellt werden kann (Einzelheiten hierzu Sen.Urt. v. 28.6.2000 - X ZR 128/98, GRUR 2000, 1005, 1006 - Bratgeschirr), müssen (3.) darüber hinaus die Überlegungen , die der Fachmann anstellen muû, derart am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre orientiert sein, daû der Fachmann die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als der gegenständlichen gleichwertige Lösung in Betracht zieht.

Von diesen Grundsätzen abzuweichen, besteht kein Anlaû. Sie stehen in Einklang mit dem Protokoll über die Auslegung von Art. 69 Abs. 1 EPÜ (BGBl. 1976 II 1000), das nach ständiger Rechtsprechung des Senats (BGHZ 106, 84, 93 f. - Schwermetalloxidationskatalysator; Sen.Urt. v. 5.5.1992 - X ZR 9/91, GRUR 1992, 594, 596 - mechanische Betätigungsvorrichtung) auch zur Auslegung von § 14 PatG heranzuziehen ist. Nach Art. 2 Nr. 1 der Münchener Revisionsakte zum Europäischen Patentübereinkommen vom 29.11.2000 soll zukünftig das revidierte Auslegungsprotokoll in Art. 2 ausdrücklich vorsehen, daû bei der Bestimmung des Schutzbereichs des europäischen Patents solchen Elementen gebührend Rechnung zu tragen ist, die Äquivalente der in den Patentansprüchen genannten Elemente sind.

b) Die Grundsätze der Schutzbereichsbestimmung sind auch dann anzuwenden , wenn der Patentanspruch Zahlen- oder Maûangaben enthält. Solche Angaben nehmen an der Verbindlichkeit des Patentanspruchs als maûgeblicher Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereichs teil. Die Aufnahme von Zahlen- oder Maûangaben in den Anspruch verdeutlicht, daû sie den Schutzgegenstand des Patents mitbestimmen und damit auch begrenzen sollen (Sen., BGHZ 118, 210, 218 f. - Chrom-Nickel-Legierung). Es verbietet sich daher, solche Angaben als minder verbindliche, lediglich beispielhafte Festlegungen der geschützten technischen Lehre anzusehen, wie dies in der Rechtsprechung zur Rechtslage im Inland vor Inkrafttreten des Art. 69 EPÜ und der entsprechenden Neuregelung des nationalen Rechts für möglich erachtet worden ist (vgl. RGZ 86, 412, 416 f. - pyrophore Metallegierungen; RG, Urt. v. 10.3.1928 - I 238/27, GRUR 1928, 481 - Preûhefe I; OGH BrZ 3, 63, 71 f. - künstliche Wursthüllen).


c) Wie jeder Bestandteil eines Patentanspruchs sind Zahlen- und Maûangaben grundsätzlich der Auslegung fähig. Wie auch sonst kommt es darauf an, wie der Fachmann solche Angaben im Gesamtzusammenhang des Patentanspruchs versteht, wobei auch hier zur Erläuterung dieses Zusammenhangs Beschreibung und Zeichnungen heranzuziehen sind. Dabei ist zu berücksichtigen , daû Zahlen- und Maûangaben schon nach ihrem objektiven Gehalt, der auch das Verständnis des Fachmanns prägen wird, nicht einheitlich sind, sondern in unterschiedlichen Formen Sachverhalte mit durchaus verschiedenen Inhalten bezeichnen können.

d) Schon diese Umstände schlieûen es aus, daû der Fachmann Zahlen-, Maû- oder Bereichsangaben eine immer gleiche feste Bedeutung zuweisen wird. Jedoch wird er solchen Angaben in aller Regel einen höheren Grad an Eindeutigkeit und Klarheit zubilligen, als dies bei verbal umschriebenen Elementen der erfindungsgemäûen Lehre der Fall wäre (v. Rospatt, GRUR 2001, 991, 993). Denn Zahlen sind als solche eindeutig, während sprachlich formulierte allgemeine Begriffe eine gewisse Abstraktion von dem durch sie bezeichneten Gegenstand bedeuten. Zudem müssen solche Begriffe, wenn sie in einer Patentschrift verwendet werden, nicht notwendig in dem Sinn gebraucht werden , den der allgemeine technische Sprachgebrauch ihnen beimiût; die Patentschrift kann insoweit ihr "eigenes Wörterbuch" bilden (vgl. Sen.Urt. v. 2.3.1999 - X ZR 85/96, GRUR 1999, 909, 912 - Spannschraube; v. 13.4.1999 - X ZR 23/97, Mitt. 2000, 105, 106 - Extrusionskopf). Aus der Sicht des fachmännischen Lesers kann durch Zahlen- und Maûangaben konkretisierten Merkmalen deshalb die Bedeutung zukommen, daû der objektive, erfindungsgemäû zu erreichende Erfolg genauer und gegebenenfalls enger eingegrenzt
wird, als dies bei bloû verbaler Umschreibung der Fall wäre. Da es Sache des Anmelders ist, dafür zu sorgen, daû in den Patentansprüchen alles niedergelegt ist, wofür er Schutz begehrt (Sen.Urt. v. 3.10.1989 - X ZR 33/88, GRUR 1989, 903, 905 - Batteriekastenschnur; v. 5.5.1992 - X ZR 9/91, GRUR 1992, 594, 596 - Mechanische Betätigungsvorrichtung), darf der Leser der Patentschrift annehmen, daû diesem Erfordernis auch bei der Aufnahme von Zahlenangaben in die Formulierung der Patentansprüche genügt worden ist. Dies gilt um so mehr, als der Anmelder bei Zahlenangaben besonderen Anlaû hat, sich über die Konsequenzen der Anspruchsformulierung für die Grenzen des nachgesuchten Patentschutzes klar zu werden.
Daher ist eine deutlich strengere Beurteilung angebracht, als es der Praxis zur Rechtslage in Deutschland vor 1978 entsprach (Bruchhausen, GRUR 1982, 1, 4). Eine eindeutige Zahlenangabe bestimmt und begrenzt den geschützten Gegenstand grundsätzlich insoweit abschlieûend; ihre Über- oder Unterschreitung ist daher in aller Regel nicht mehr zum Gegenstand des Patentanspruchs zu rechnen (v. Falck, Festschrift zum 100jährigen Bestehen der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, S. 543, 577).
Andererseits schlieût dies nicht aus, daû der Fachmann eine gewisse, beispielsweise übliche Toleranzen umfassende, Unschärfe als mit dem technischen Sinngehalt einer Zahlenangabe vereinbar ansieht. So hat das House of Lords in der Catnic-Entscheidung (R.P.C. 1982, 163; deutsch GRUR Int. 1982, 136), die allerdings die Rechtslage im Vereinigten Königreich vor der europäischen Harmonisierung betraf, bei einem auf einen rechten Winkel gerichteten Anspruchsmerkmal Abweichungen von 6° bzw. 8° vom rechten Winkel als mit
der Annahme einer Benutzung der geschützten Lehre vereinbar angesehen. In einem solchen Fall kann es grundsätzlich nicht darauf ankommen, ob im Anspruch von einem rechten Winkel oder von 90° die Rede ist. Maûgeblich ist vielmehr der unter Heranziehung von Beschreibung und Zeichnungen zu ermittelnde Sinngehalt des Patentanspruchs. In einem anderem Zusammenhang kann der gleiche Winkel sich daher dem Fachmann auch als exakt einzuhaltende Gröûe darstellen. Dies gilt grundsätzlich auch für Zahlenbereiche mit Grenzwerten (vgl. Sen., BGHZ 118, 210, 218 f. - Chrom-Nickel-Legierung; vgl. auch White, The C.I.P.A. Guide to the Patents Act, 5. Aufl., Part III, Section 125 Rdn. 22 mit Hinweis auf die soweit ersichtlich - insoweit - unveröffentlichten Entscheidungen Lubrizol v. Esso und Goldschmidt v. EOC Belgium). Ein Verständnis , daû ein Wert genau einzuhalten ist, wird vor allem dann der Vorstellung des Fachmanns entsprechen, wenn er erkennt, daû es sich um einen "kritischen" Wert handelt. Wie eine bestimmte Zahlen- oder Maûangabe im Patentanspruch demnach zu verstehen ist, ist eine Frage des der tatrichterlichen Beurteilung unterliegenden fachmännischen Verständnisses im Einzelfall.

d) Wie für die Erfassung des technischen Sinngehalts des Patentanspruchs gilt auch für die Bestimmung eines über diesen hinausreichenden Schutzbereichs, daû im Anspruch enthaltene Zahlen- oder Maûangaben mit den angegebenen Werten den geschützten Gegenstand begrenzen. Im Rahmen der Schutzbereichsbestimmung darf vom Sinngehalt der Zahlen- und Maûangaben nicht abstrahiert werden. Bei der Prüfung der Frage, ob der Fachmann eine Ausführungsform mit einem vom Anspruch abweichenden Zahlenwert aufgrund von Überlegungen, die sich am Sinngehalt der im Anspruch umschriebenen Erfindung orientieren, als gleichwirkende Lösung auffinden kann, muû vielmehr die sich aus der Zahlenangabe ergebende Eingren-
zung des objektiven, erfindungsgemäû zu erreichenden Erfolgs berücksichtigt werden. Als im Sinne des Patentanspruchs gleichwirkend kann nur eine Ausführungsform angesehen werden, die der Fachmann als eine solche auffinden kann, die nicht nur überhaupt die Wirkung eines - im Anspruch zahlenmäûig eingegrenzten - Merkmals der Erfindung erzielt, sondern auch gerade diejenige , die nach seinem Verständnis anspruchsgemäû der zahlenmäûigen Eingrenzung dieses Merkmals zukommen soll. Fehlt es daran, ist auch eine objektiv und für den Fachmann erkennbar technisch ansonsten gleichwirkende Ausführungsform vom Schutzbereich des Patents grundsätzlich nicht umfaût.
Damit im Kern übereinstimmend hat auch die Rechtsprechung im Vereinigten Königreich zur Feststellung einer Verletzung geprüft, ob die fachkundige Öffentlichkeit erwarten und sich darauf einstellen darf, daû es nach dem Patent auf die genaue Einhaltung des Wortlauts des Patentanspruchs ankommen soll (vgl. die sog. dritte Catnic-Frage; für das harmonisierte Recht u.a. Patents Court, F.S.R. 1989, 181 = GRUR Int. 1993, 245 - Improver Corporation v. Remington Consumer Products Ltd. ("Epilady"-Fall); Court of Appeal R.P.C. 1995, 585 = GRUR Int. 1997, 374 - Kastner v. Rizla Ltd.). Bezogen auf ein einzelnes Merkmal des Patentanspruchs geht es darum, ob das betreffende Merkmal dem Fachmann als ein solches erscheint, das ausschlieûlich wortsinngemäû benutzt werden kann, wenn die beanspruchte Lehre zum technischen Handeln eingehalten werden soll (vgl. Court of Appeal R.P.C. 1995, 585 = GRUR Int. 1997, 374 - Kastner v. Rizla Ltd.). Ein solches Verständnis kann insbesondere bei Zahlen- und Maûangaben in Betracht zu ziehen sein (vgl. Patents Court, R.P.C. 1997, 649 - Auchincloss v. Agricultural & Veterinary Supplies Ltd.).
Wie bei anderen Elementen des Patentanspruchs auch darf deshalb die anspruchsgemäûe Wirkung nicht unter Auûerachtlassung von im Anspruch enthaltenen Zahlen- und Maûangaben bestimmt werden. Es reicht daher für die Einbeziehung abweichender Ausführungsformen in den Schutzbereich grundsätzlich nicht aus, daû nach der Erkenntnis des Fachmanns die erfindungsgemäûe Wirkung im übrigen unabhängig von der Einhaltung des Zahlenwertes eintritt. Erschlieût sich dem Fachmann kein abweichender Zahlenwert als im Sinne des anspruchsgemäûen Wertes gleichwirkend, erstreckt sich der Schutzbereich insoweit nicht über den Sinngehalt des Patentanspruchs hinaus. Die anspruchsgemäûe Wirkung des zahlenmäûig bestimmten Merkmals wird in diesem Fall nach dem Verständnis des Fachmanns durch die (genaue ) Einhaltung eines Zahlenwertes bestimmt und kann daher notwendigerweise durch einen abweichenden Zahlenwert nicht erzielt werden. In einem solchen Fall genügt es nicht, daû der Fachmann auch eine von der Zahlenangabe abstrahierende Lehre als technisch sinnvoll erkennt.
Der Anmelder wird nicht immer den vollen technischen Gehalt der Erfindung erkennen und ausschöpfen; er ist auch - unbeschadet der Frage, ob ihm das rechtlich möglich ist - von Rechts wegen nicht gehalten, dies zu tun. Beschränkt sich das Patent bei objektiver Betrachtung auf eine engere Anspruchsfassung , als dies vom technischen Gehalt der Erfindung und gegenüber dem Stand der Technik geboten wäre, darf die Fachwelt darauf vertrauen, daû der Schutz entsprechend beschränkt ist. Dem Patentinhaber ist es dann verwehrt, nachträglich Schutz für etwas zu beanspruchen, was er nicht unter Schutz hat stellen lassen. Das gilt selbst dann, wenn der Fachmann erkennt, daû die erfindungsgemäûe Wirkung als solche (in dem vorstehend ausgeführ-
ten engeren Sinn) über den im Patentanspruch unter Schutz gestellten Bereich hinaus erreicht werden könnte.
4. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze läût die Bestimmung des Schutzbereichs des Klagepatents durch das Berufungsgericht keinen Rechtsfehler erkennen.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die angegriffenen Schneidmesser erzielten mindestens im wesentlichen die gleiche Wirkung wie Vorrichtungen, bei denen der Winkel zwischen den Längsachsen der Klingen und dem jeweiligen Radius des Grundkörpers zwischen 9° und 12° liege. Die im Klagepatent unter Schutz gestellte geringfügige Abwinklung der Klingen zum jeweiligen Radius führe im Vergleich mit dem Stand der Technik zu einer anderen Schneidgeometrie. Sie bewirke, wie das Bundespatentgericht in seinem Beschluû vom 15. Februar 1996 überzeugend ausgeführt habe, im Zusammenwirken mit der Grundform der Klingen, daû bei einem entsprechend dem Klagepatent ausgestalteten Schneidmesser stets das radial innere Ende der Schneidkante zuerst in das Papier eintauche. Das flache Eintauchen der Schneidkanten in das Schneidgut gewährleiste einen "sanften Einschnitt", wobei gleichzeitig die gegenüber einem Rundmesser bessere Schneidwirkung einer zahnförmigen Schneidfläche erhalten bleibe. Diese Wirkungen träten, wie auch die Beklagte nicht in Abrede stelle, bei der Wahl eines geringfügig spitzeren Winkels (8° 40© statt 9°) in gleicher Weise ein.
Der Fachmann, dem die Wirkungsweise eines gemäû dem Hauptanspruch des Patents ausgestalteten Schneidmesser auch ohne nähere Darstellung in der Beschreibung aufgrund seines Fachwissens klar sei, könne auf-
grund von Überlegungen, die sich an der im Anspruch 1 umschriebenen Erfindung orientierten, ohne weiteres erkennen, daû die Wahl eines geringfügig spitzeren Winkels die erzielten Ergebnisse nicht wesentlich ändere. Allerdings werde der Fachmann dann, wenn in einem Patentanspruch ein bestimmter Bereich vorgegeben sei und sich der Patentschrift kein Anhaltspunkt dafür entnehmen lasse, daû die beanspruchten Werte nur beispielhaft gemeint sein könnten, in der Regel keinen Anlaû haben, sich darüber Gedanken zu machen, ob die Erfindung auch bei der Wahl anderer Werte ausführbar sein könnte. Etwas anderes müsse aber für solche Werte gelten, die nur in so geringem Maû auûerhalb des im Patent genannten Bereichs lägen, daû eine ins Gewicht fallende Änderung der Wirkung von vornherein ausgeschlossen erscheine. So liege es im Streitfall, da der Winkel von 8° 40© um weniger als 4 % von dem im Patent genannten unteren Wert abweiche. Dem angesprochenen Fachmann - einem mit einschlägigen Schneidanordnungen vertrauten Maschinenbauingenieur - sei zudem bekannt, daû eine Abweichung von ± 20© sich im Rahmen der von der einschlägigen DIN-Norm vorgegebenen Allgemeintoleranz für Winkelmaûe halte.
Dem Inhalt der Patentschrift und dem dort mitgeteilten Stand der Technik könne nicht entnommen werden, daû die Vermeidung einer noch so geringfügigen Überschreitung des im Merkmal 4 c) der Merkmalsgliederung genannten Bereichs für die unter Schutz gestellte Lehre wesentlich und bestimmend sei. Bei der in der Patentschrift gewürdigten DE-OS 35 36 989 seien die Längsachsen der Klingen parallel zum jeweiligen Radius angeordnet, ihre Schneidkanten seien schräg zu den Längsachsen in der Weise orientiert, daû stets das radial äuûere Ende zuerst in das Papier eintauche. Aber auch der übrige, im Einspruchsverfahren herangezogene und auf dem Deckblatt der
Klagepatentschrift genannte Stand der Technik gebe keine Veranlassung zu einer einschränkenden und eine äquivalente Verletzung ausschlieûenden Auslegung des Patents.
Damit hat das Berufungsgericht alle maûgeblichen Gesichtspunkte berücksichtigt und in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt , daû der Fachmann den unteren Wert des Winkelbereichs von 9° bis 12° im Prioritätszeitpunkt nicht als starren Grenzwert ansah und eine Ausführungsform , bei der das Winkelmaû von 9° geringfügig unterschritten wird, als gleichwirkend auffinden konnte. Aus den Ausführungen des Berufungsgerichts zur Wirkung der im Klagepatent unter Schutz gestellten geringfügigen Abwinklung der Klingen zum jeweiligen Radius, die im Vergleich mit dem Stand der Technik zu einer anderen Schneidgeometrie führe, ergibt sich, daû der für den Fachmann erkennbare technische Sinngehalt des durch die Bereichsangabe 9 bis 12° näher definierten spitzen Winkels zum jeweiligen Radius des Grundkörpers in dieser durch den Winkel bestimmten und im Anspruch durch die Winkelangabe ausgedrückten Schneidgeometrie zu finden ist. Dann konnte das Berufungsgericht aber auch ohne Rechtsfehler zu der Feststellung gelangen , daû der Fachmann den objektiv unstreitig gleichwirkenden geringfügig kleineren Winkel der angegriffenen Ausführungsform aufgrund von Überlegungen als gleichwirkend auffinden konnte, die sich derart am Sinngehalt des Patentanspruchs einschlieûlich der in Merkmal 4 c) enthaltenen Winkelangabe orientierten, daû er die angegriffene Ausführungsform als der gegenständlichen gleichwertige Lösung des dem Klagepatent zugrundeliegenden Problems in Betracht zog.
5. Die Rüge der Revision, mit der Berufung auf die Allgemeintoleranz setze sich das Berufungsgericht in Widerspruch zu seiner Unterstellung, nach dem Verständnis des Fachmanns seien bei der Angabe des Bereichs 9° bis 12° Herstellungstoleranzen bereits berücksichtigt, ist nicht begründet. Das Berufungsgericht hat mit dieser Unterstellung ersichtlich nur sagen wollen, der technische Sinngehalt (Wortsinn) des Winkelbereichs 9° bis 12° dürfe nach dem Verständnis des Fachmanns nicht noch um einen Toleranzbereich auf 8° 40© bis 12° 20© erweitert werden. Das schloû es nicht aus, bei der Prüfung der Frage, ob die angegriffene Ausführungsform vom Fachmann als gleichwirkend aufgefunden werden konnte, das geringe, sich im Rahmen der üblichen Toleranz haltende Maû der Abweichung vom Wortlaut des Anspruchs zu berücksichtigen.
6. Keinen Erfolg hat auch die weitere Rüge, das Klagepatent sei im Einspruchsbeschwerdeverfahren durch Aufnahme des Winkelbereichs 9° bis 12° eingeschränkt worden, was es ausschlieûe, den Schutzbereich über diese Grenzen hinaus wieder auszudehnen.
Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt, die Beschränkung nehme dem Klagepatent nicht den Schutzbereich, den es gehabt hätte, wenn es schon in der nunmehr geltenden Fassung angemeldet (und erteilt) worden wäre. Das ist richtig, und dabei hat das Berufungsgericht auch nicht, wie die Revision meint, übersehen, daû das Klagepatent "doppelt" beschränkt worden ist, nämlich zunächst durch die Aufnahme des Merkmals des spitzen Winkels aus dem erteilten Anspruch 6 und sodann durch den konkreten Winkelbereich aus dem erteilten Anspruch 7. Denn das schlieût es zwar aus, jeden spitzen Winkel als äquivalent anzusehen, verbietet jedoch nicht die Annahme, der Fachmann er-
kenne eine geringfügige Unterschreitung des 9°-Winkels als für die erfindungsgemäûe Wirkung unschädlich.
III. Ebenfalls keinen Rechtsfehler erkennen lassen die Ausführungen des Berufungsgerichts zu den Rechtsfolgen, die es aus der festgestellten Patentverletzung abgeleitet hat; die Revision erhebt insoweit auch keine Rügen. Sie ist daher insgesamt mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Asendorf
36
Entgegen der Auffassung des englischen Berufungsgerichts, das gemeint hat, die "Schneidmesser-Fragen" enthielten nichts, was der dritten der in Improver v. Remington ([1990] FSR 181) von J. Hoffmann als Teil seiner Wiedergabe von Lord Diplocks Auslegungsansatz in Catnic gestellten Fragen entspreche (aaO Rn. 28 f.), führt somit die Prüfung der Orientierung am Patentanspruch zum Ausschluss einer Ausführungsform aus dem Schutzbereich des Patents, die zwar offenbart oder für den Fachmann jedenfalls auffindbar sein mag, von der der Leser der Patentschrift aber annehmen muss, dass sie - aus welchen Gründen auch immer - nicht unter Schutz gestellt werden sollte (vgl. BGH, aaO, 159 - Schneidmesser I).
28
Hierbei darf, wiederum nicht anders als bei Vorrichtungspatenten, die Fähigkeit des Fachmanns, mit Hilfe bekannter Verfahren und seines sonstigen Fachwissens eine mehr oder weniger große Anzahl von Einzelverbindungen herzustellen, die unter eine offenbarte Strukturformel fallen, nicht mit der Offenbarung dieser Einzelverbindungen gleichgesetzt werden (Sen.Urt. v. 30.9.1999 - X ZR 168/96, GRUR 2000, 296, 297 - Schmierfettzusammensetzung). Vielmehr stellen die Einzelverbindungen, jedenfalls regelmäßig, Nutzanwendungen der technischen Information dar, die dem Fachmann durch die Offenbarung der Strukturformel oder sonst einer allgemeineren Formel gegeben wird. Durch deren Mitteilung sind die darunter fallenden einzelnen Verbindungen als solche nicht offenbart; um sie dem Fachmann im Sinne der Neuheitsprüfung "in die Hand zu geben", bedarf es in der Regel weitergehender Informationen insbesondere zu ihrer Individualisierung. Soweit der noch zum Patentgesetz 1968 ergangenen Entscheidung "Fluoran", in der der Senat sich im Rechtsbeschwerdeverfahren an die Feststellung des Patentgerichts gebunden gesehen hat, dem Fachmann seien durch eine allgemeine Formel fast 2000 unter die betreffende Formel fallende Einzelverbindungen als herstellbar offenbart, etwas an- deres zu entnehmen sein sollte, wird daran für das geltende Recht nicht festgehalten. Als offenbart kann eine nicht ausdrücklich genannte Einzelverbindung vielmehr nur dann gelten, wenn der Fachmann sie im vorstehend ausgeführten Sinne "mitliest", etwa weil sie ihm als die übliche Verwirklichungsform der genannten allgemeinen Formel geläufig ist und sich ihm daher sofort als jedenfalls auch gemeint aufdrängt, wenn er die allgemeine Formel liest.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 168/00 Verkündet am:
12. März 2002
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
Schneidmesser I
PatG 1981 § 14; EPÜ Art. 69

a) Durch in den Patentanspruch aufgenommene Zahlen- und Maßangaben
wird der Schutzgegenstand des Patents mitbestimmt und damit auch begrenzt.
Wie jeder Bestandteil eines Patentanspruchs sind Zahlen- und
Maßangaben jedoch grundsätzlich der Auslegung fähig.

b) Erschließt sich dem Fachmann kein abweichender Zahlenwert als im Sinne
des anspruchsgemäßen Wertes gleichwirkend, erstreckt sich der Schutzbereich
insoweit nicht über den Sinngehalt des Anspruchs hinaus.
BGH, Urt. v. 12. März 2002 - X ZR 168/00 - OLG Karlsruhe
LG Mannheim
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 29. Januar 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis,
den Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Dr. MeierBeck
und Asendorf

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das am 23. August 2000 verkündete Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin ist Inhaberin einer ausschlieûlichen Lizenz an dem am 12. Juni 1987 angemeldeten deutschen Patent 37 19 721 (Klagepatent), wegen dessen Verletzung sie die Beklagte in Anspruch nimmt.
Das Klagepatent ist im Einspruchsverfahren vom Bundespatentgericht beschränkt aufrechterhalten worden. Patentanspruch 1 lautet danach:
"Mit einem Gegenmesser zusammenwirkendes Schneidmesser (1) für Rotationsschneidanlagen für Papier, insbesondere mehrlagige vereinzelte Papierprodukte in Schuppenformation, mit einem runden, im wesentlichen kegelstumpfförmigen Grundkörper (4), dessen zur senkrecht zur Drehachse verlaufenden Schneidebene (6) konische Tragfläche Klingen (8) o. dgl. trägt, dadurch gekennzeichnet , daû die Klingen (8)

a) auf der kegelstumpfförmigen Rückfläche (3) des Grundkörpers (4) angeordnet sind und mit der Schneidebene (6) einen Winkel (5) von 10°- 22°, vorzugsweise 16° einschlieûen,

b) in unterschiedlichen Schneidstellungen in Richtung auf die Schneidebene (6) in länglichen Aussparungen (18) des Grundkörpers (4) verschiebbar gelagert und in diesem arretierbar sind,

c) mit ihren Längsachsen einen spitzen Winkel zum jeweiligen Radius des Grundkörpers (4), der 9° - 12° beträgt, einschlieûen ,
- in Draufsicht rechteckig ausgebildet sind, und
- in Zahnform die Schneidfläche (13) bilden."
Die Beklagte ist als übernehmende Gesellschaft Rechtsnachfolgerin der mit ihr verschmolzenen E. GmbH (im folgenden: E.). E. belieferte ein französi-
sches Unternehmen, das eine Rotationsschneidemaschine von der Klägerin bezogen hatte, mit passenden Schneidmessern, in denen die Klägerin eine Verletzung des Klagepatents sieht.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäû zur Unterlassung und zur Rechnungslegung verurteilt und ihre Verpflichtung zum Schadensersatz und zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung festgestellt. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.
Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie weiterhin die Abweisung der Klage erstrebt. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Revision hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht ist ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, daû die angegriffenen Schneidmesser in den Schutzbereich des Klagepatents fallen und die Beklagte wegen deren Herstellung und Vertriebs zur Unterlassung, zum Schadensersatz und zur Entschädigung sowie zur Rechnungslegung verpflichtet ist (§§ 14, 139 Abs. 1 und 2, 33 Abs. 1 PatG, 242 BGB).
I. Das Klagepatent betrifft ein Schneidmesser für Rotationsschneidanlagen für Papier. Derartige Schneidmesser dienen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts dazu, im Zusammenwirken mit einem Gegenmesser eine Schuppe aus vereinzelten, überlappend aufeinanderliegenden Druckerzeug-
nissen zu beschneiden. Sie bestehen aus einem runden Grundkörper, dessen zur - senkrecht zur Drehachse verlaufenden - Schneidebene konische Tragfläche mit einer Vielzahl von Klingen bestückt ist.
Bei einem aus der deutschen Offenlegungsschrift 35 36 989 bekannten Schneidmesser dieser Art ist die konische Tragfläche als Vorderfläche des Grundkörpers der Schneidebene zugekehrt. Sind die Schneidflächen der (unverschiebbar ) in Ausnehmungen der Tragfläche untergebrachten Klingen abgenutzt , können sie zwar nachgeschliffen werden, jedoch verringert sich der Durchmesser des Schneidmessers entsprechend.
Das Berufungsgericht hat das technische Problem in Übereinstimmung mit den Angaben in der Klagepatentschrift dahin formuliert, die Lebensdauer derartiger Schneidmesser zu erhöhen und gleichzeitig zu gewährleisten, daû der jeweils wirksame Radius der Schneidflächen auch nach einem etwaigen Nachschleifen unverändert bleiben kann, und die erfindungsgemäûe Lösung nach dem aufrechterhaltenen Patentanspruch 1 wie folgt in Merkmale gegliedert :
1. Es handelt sich um ein mit einem Gegenmesser zusammenwirkendes Schneidmesser für Rotationsschneidanlagen für Papier, insbesondere mehrlagige vereinzelte Papierprodukte in Schuppenformation.
2. Das Schneidmesser besitzt einen runden, im wesentlichen kegelstumpfförmigen Grundkörper.
3. Der Grundkörper weist eine Tragfläche auf, die zur - senkrecht zur Drehachse verlaufenden - Schneidebene konisch ist und Klingen oder dergleichen trägt.
4. Die Klingen

a) sind auf der kegelstumpfförmigen Rückfläche des Grundkörpers angeordnet und schlieûen mit der Schneidebene einen Winkel von 10° bis 22°, vorzugsweise von 16°, ein,

b) sind in unterschiedlichen Schneidstellungen in Richtung auf die Schneidebene in länglichen Aussparungen des Grundkörpers verschiebbar gelagert und in diesen arretierbar,

c) schlieûen mit ihren Längsachsen einen spitzen Winkel zum jeweiligen Radius des Grundkörpers ein, wobei der Winkel 9° bis 12° beträgt ,

d) sind in Draufsicht rechteckig ausgebildet und

e) bilden in Zahnform die Schneidfläche.
Nach den weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts, bei denen es sich auf den Beschluû des Bundespatentgerichts im Einspruchsverfahren bezogen hat, unterscheidet sich das so umschriebene Schneidmesser von dem im Einspruchsverfahren gewürdigten Stand der Technik insbesondere dadurch, daû die Klingenlängsachsen nur einen kleinen Winkel von 9° bis 12° zum
Radius des Grundkörpers aufweisen und die Schneidkanten entsprechend flach in das Schneidgut eintauchen, wodurch sich eine besonders vorteilhafte Schnittführung ergibt. Das wird weder von der Revisionsklägerin noch von der Revisionsbeklagten angegriffen und läût keinen Rechtsfehler erkennen.
II. Auch insoweit unbeanstandet und rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht weiterhin festgestellt, daû das von E. hergestellte und vertriebene Schneidmesser bis auf Merkmal 4 c) wortsinngemäû Patentanspruch 1 des Klagepatents entspreche. Hinsichtlich des streitigen Merkmals 4 c) hat das Landgericht gemeint, daû auch dieses verwirklicht sei, weil der Winkel bei der angegriffenen Ausführungsform selbst mit dem von der Beklagten behaupteten Maû von 8° 40' noch im Wortsinn des Anspruchs liege, zu dem der Fachmann den in der DIN ISO 2768 T2 für die Toleranzklassen "fein" und "mittel" vorgesehenen Toleranzbereich von ± 20' rechne. Das Berufungsgericht hat offengelassen , ob dem zu folgen sei, und angenommen, daû ein Winkel von 8° 40' jedenfalls eine Verletzung des Klagepatents mit äquivalenten Mitteln begründe.
1. Die Auffassung der Beklagten, der Schutzbereich eines Patents, in dessen Anspruch Maûangaben als Höchst- und Mindestwerte angegeben seien , beschränke sich unter Ausschluû von Äquivalenten auf den im Anspruch genannten Bereich, hat das Berufungsgericht für unzutreffend erachtet. Zwar möge die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Rechtslage vor 1978 (Sen.Urt. v. 31.1.1984 - X ZR 7/82, GRUR 1984, 425 - Bierklärmittel) im Hinblick auf die durch § 14 PatG betonte Bedeutung der Patentansprüche für die Bemessung des Schutzbereichs sowie unter Berücksichtigung des Gesichtspunkts der Rechtssicherheit einer Einschränkung bedürfen. Sie könne jedoch nicht so weit gehen, daû jeder über den Anspruchswortlaut hinausgehende
Schutzbereich ausgeschlossen sei. Vielmehr erfasse, soweit nicht der Stand der Technik oder sonstige Umstände wie etwa Beschränkungen oder Verzichtserklärungen im Erteilungsverfahren eine einschränkende Auslegung geböten , der Schutzbereich eines Patents, dessen Anspruch Zahl- und Maûangaben enthalte, jedenfalls solche Ausführungsformen, bei denen von dem im Patent beanspruchten Bereich nur in derart geringfügigem Maû abgewichen werden, daû sich dem Fachmann die Gleichwirkung geradezu aufdränge.
2. Die Revision ist demgegenüber der Meinung, das entscheidende Gewicht , das der Rechtssicherheit für auûenstehende Dritte nach dem Auslegungsprotokoll zu Art. 69 EPÜ zukomme, hindere, den Schutzbereich von Patentansprüchen , die Zahlenangaben als Höchst- und Mindestwerte enthalten, durch Äquivalenzbetrachtungen über die im Patentanspruch genannten Grenzen hinaus zu erweitern. Solche Höchst- und Mindestwerte müûten vielmehr wörtlich genommen und als absolute Grenzen des Schutzbereichs behandelt werden. Die Rechtsprechung des Senats zur Erstreckung des Schutzbereichs auf äquivalente Ausführungsformen sei nicht auf Anspruchsmerkmale übertragbar , die mit der Formulierung "von ... bis" mit Zahlen- und Maûangaben Höchst- und Mindestwerte festlegten. Die Lehre von der Äquivalenz sei für normale Anspruchsmerkmale entwickelt worden, die den unter Schutz gestellten Gegenstand mit Worten und Begriffen definierten. Zahlen- und Maûangaben seien schon begrifflich durch die Angabe der Maûeinheit und des Zahlenwertes um ein Vielfaches schärfer und exakter definiert als ein normales, in Worten und Begriffen formuliertes Anspruchsmerkmal; sie würden daher vom angesprochenen Verkehr von vornherein als exakte scharf definierte Grenze des Schutzbereichs verstanden. Zudem habe es der Anmelder in der Hand, die
im Patentanspruch angegebenen Höchst- und Mindestwerte zu variieren und exakt an den Anwendungsbereich der Erfindung anzupassen.
3. Dem kann nur zum Teil gefolgt werden.

a) Nach § 14 PatG und der wortgleichen Vorschrift des Art. 69 Abs. 1 EPÜ wird der Schutzbereich des Patents durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt, zu deren Auslegung die Beschreibung und die Zeichnungen heranzuziehen sind. Nach den Grundsätzen, die der erkennende Senat hierzu entwickelt hat, dient die Auslegung der Patentansprüche nicht nur der Behebung etwaiger Unklarheiten, sondern auch zur Erläuterung der darin verwendeten technischen Begriffe sowie zur Klärung der Bedeutung und der Tragweite der dort beschriebenen Erfindung (BGHZ 98, 12, 18 f. - Formstein; 105, 1, 10 - Ionenanalyse; 125, 303, 309 f. - Zerlegvorrichtung für Baumstämme; Sen.Urt. v. 5.5.1992 - X ZR 9/91, GRUR 1992, 594, 596 - mechanische Betätigungsvorrichtung ). Abzustellen ist dabei auf die Sicht des Fachmanns, von dessen Verständnis bereits die Bestimmung des Inhalts der Patentansprüche einschlieûlich der dort verwendeten Begriffe abhängt und das auch bei der Feststellung des über den Wortlaut hinausgehenden Umfangs des von den Patentansprüchen ausgehenden Schutzes maûgebend ist. Bei der Prüfung der Frage, ob die im Patent unter Schutz gestellte Erfindung benutzt wird, ist daher zunächst unter Zugrundelegung dieses Verständnisses der Inhalt der Patentansprüche festzustellen, d.h. der dem Anspruchswortlaut vom Fachmann beigelegte Sinn zu ermitteln. Macht die angegriffene Ausführungsform von dem so ermittelten Sinngehalt eines Patentanspruchs Gebrauch, dann wird die unter Schutz stehende Erfindung benutzt. Bei einer vom Sinngehalt der Patentansprüche abweichenden Ausführung kann eine Benutzung dann vorliegen, wenn der Fach-
mann auf Grund von Überlegungen, die an den Sinngehalt der in den Ansprüchen unter Schutz gestellten Erfindung anknüpfen, die bei der angegriffenen Ausführungsform eingesetzten abgewandelten Mittel mit Hilfe seiner Fachkenntnisse als für die Lösung des der Erfindung zugrundeliegenden Problems gleichwirkend auffinden konnte (BGHZ 105, 1, 10 f. - Ionenanalyse; Sen.Urt. v. 3.10.1989 - X ZR 33/88, GRUR 1989, 903, 904 - Batteriekastenschnur; v. 28.6.2000 - X ZR 128/98, GRUR 2000, 1005, 1006 - Bratgeschirr). Dabei fordert es das gleichgewichtig neben dem Gesichtspunkt eines angemessenen Schutzes der erfinderischen Leistung stehende Gebot der Rechtssicherheit, daû der durch Auslegung zu ermittelnde Sinngehalt der Patentansprüche nicht nur den Ausgangspunkt, sondern die maûgebliche Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereichs bildet; diese hat sich an den Patentansprüchen auszurichten (BGHZ 106, 84, 90 f. - Schwermetalloxidationskatalysator; Sen.Urt. v. 3.10.1989 - X ZR 33/88, GRUR 1989, 903, 904 - Batteriekastenschnur; v. 20.4.1993 - X ZR 6/91, GRUR 1993, 886, 889 - Weichvorrichtung I). Für die Zugehörigkeit einer vom Wortsinn des Patentanspruchs abweichenden Ausführung zum Schutzbereich genügt es hiernach nicht, daû sie (1.) das der Erfindung zu Grunde liegende Problem mit zwar abgewandelten, aber objektiv gleichwirkenden Mitteln löst und (2.) seine Fachkenntnisse den Fachmann befähigen , die abgewandelten Mittel als gleichwirkend aufzufinden. Ebenso wie die Gleichwirkung nicht ohne Orientierung am Patentanspruch festgestellt werden kann (Einzelheiten hierzu Sen.Urt. v. 28.6.2000 - X ZR 128/98, GRUR 2000, 1005, 1006 - Bratgeschirr), müssen (3.) darüber hinaus die Überlegungen , die der Fachmann anstellen muû, derart am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre orientiert sein, daû der Fachmann die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als der gegenständlichen gleichwertige Lösung in Betracht zieht.

Von diesen Grundsätzen abzuweichen, besteht kein Anlaû. Sie stehen in Einklang mit dem Protokoll über die Auslegung von Art. 69 Abs. 1 EPÜ (BGBl. 1976 II 1000), das nach ständiger Rechtsprechung des Senats (BGHZ 106, 84, 93 f. - Schwermetalloxidationskatalysator; Sen.Urt. v. 5.5.1992 - X ZR 9/91, GRUR 1992, 594, 596 - mechanische Betätigungsvorrichtung) auch zur Auslegung von § 14 PatG heranzuziehen ist. Nach Art. 2 Nr. 1 der Münchener Revisionsakte zum Europäischen Patentübereinkommen vom 29.11.2000 soll zukünftig das revidierte Auslegungsprotokoll in Art. 2 ausdrücklich vorsehen, daû bei der Bestimmung des Schutzbereichs des europäischen Patents solchen Elementen gebührend Rechnung zu tragen ist, die Äquivalente der in den Patentansprüchen genannten Elemente sind.

b) Die Grundsätze der Schutzbereichsbestimmung sind auch dann anzuwenden , wenn der Patentanspruch Zahlen- oder Maûangaben enthält. Solche Angaben nehmen an der Verbindlichkeit des Patentanspruchs als maûgeblicher Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereichs teil. Die Aufnahme von Zahlen- oder Maûangaben in den Anspruch verdeutlicht, daû sie den Schutzgegenstand des Patents mitbestimmen und damit auch begrenzen sollen (Sen., BGHZ 118, 210, 218 f. - Chrom-Nickel-Legierung). Es verbietet sich daher, solche Angaben als minder verbindliche, lediglich beispielhafte Festlegungen der geschützten technischen Lehre anzusehen, wie dies in der Rechtsprechung zur Rechtslage im Inland vor Inkrafttreten des Art. 69 EPÜ und der entsprechenden Neuregelung des nationalen Rechts für möglich erachtet worden ist (vgl. RGZ 86, 412, 416 f. - pyrophore Metallegierungen; RG, Urt. v. 10.3.1928 - I 238/27, GRUR 1928, 481 - Preûhefe I; OGH BrZ 3, 63, 71 f. - künstliche Wursthüllen).


c) Wie jeder Bestandteil eines Patentanspruchs sind Zahlen- und Maûangaben grundsätzlich der Auslegung fähig. Wie auch sonst kommt es darauf an, wie der Fachmann solche Angaben im Gesamtzusammenhang des Patentanspruchs versteht, wobei auch hier zur Erläuterung dieses Zusammenhangs Beschreibung und Zeichnungen heranzuziehen sind. Dabei ist zu berücksichtigen , daû Zahlen- und Maûangaben schon nach ihrem objektiven Gehalt, der auch das Verständnis des Fachmanns prägen wird, nicht einheitlich sind, sondern in unterschiedlichen Formen Sachverhalte mit durchaus verschiedenen Inhalten bezeichnen können.

d) Schon diese Umstände schlieûen es aus, daû der Fachmann Zahlen-, Maû- oder Bereichsangaben eine immer gleiche feste Bedeutung zuweisen wird. Jedoch wird er solchen Angaben in aller Regel einen höheren Grad an Eindeutigkeit und Klarheit zubilligen, als dies bei verbal umschriebenen Elementen der erfindungsgemäûen Lehre der Fall wäre (v. Rospatt, GRUR 2001, 991, 993). Denn Zahlen sind als solche eindeutig, während sprachlich formulierte allgemeine Begriffe eine gewisse Abstraktion von dem durch sie bezeichneten Gegenstand bedeuten. Zudem müssen solche Begriffe, wenn sie in einer Patentschrift verwendet werden, nicht notwendig in dem Sinn gebraucht werden , den der allgemeine technische Sprachgebrauch ihnen beimiût; die Patentschrift kann insoweit ihr "eigenes Wörterbuch" bilden (vgl. Sen.Urt. v. 2.3.1999 - X ZR 85/96, GRUR 1999, 909, 912 - Spannschraube; v. 13.4.1999 - X ZR 23/97, Mitt. 2000, 105, 106 - Extrusionskopf). Aus der Sicht des fachmännischen Lesers kann durch Zahlen- und Maûangaben konkretisierten Merkmalen deshalb die Bedeutung zukommen, daû der objektive, erfindungsgemäû zu erreichende Erfolg genauer und gegebenenfalls enger eingegrenzt
wird, als dies bei bloû verbaler Umschreibung der Fall wäre. Da es Sache des Anmelders ist, dafür zu sorgen, daû in den Patentansprüchen alles niedergelegt ist, wofür er Schutz begehrt (Sen.Urt. v. 3.10.1989 - X ZR 33/88, GRUR 1989, 903, 905 - Batteriekastenschnur; v. 5.5.1992 - X ZR 9/91, GRUR 1992, 594, 596 - Mechanische Betätigungsvorrichtung), darf der Leser der Patentschrift annehmen, daû diesem Erfordernis auch bei der Aufnahme von Zahlenangaben in die Formulierung der Patentansprüche genügt worden ist. Dies gilt um so mehr, als der Anmelder bei Zahlenangaben besonderen Anlaû hat, sich über die Konsequenzen der Anspruchsformulierung für die Grenzen des nachgesuchten Patentschutzes klar zu werden.
Daher ist eine deutlich strengere Beurteilung angebracht, als es der Praxis zur Rechtslage in Deutschland vor 1978 entsprach (Bruchhausen, GRUR 1982, 1, 4). Eine eindeutige Zahlenangabe bestimmt und begrenzt den geschützten Gegenstand grundsätzlich insoweit abschlieûend; ihre Über- oder Unterschreitung ist daher in aller Regel nicht mehr zum Gegenstand des Patentanspruchs zu rechnen (v. Falck, Festschrift zum 100jährigen Bestehen der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, S. 543, 577).
Andererseits schlieût dies nicht aus, daû der Fachmann eine gewisse, beispielsweise übliche Toleranzen umfassende, Unschärfe als mit dem technischen Sinngehalt einer Zahlenangabe vereinbar ansieht. So hat das House of Lords in der Catnic-Entscheidung (R.P.C. 1982, 163; deutsch GRUR Int. 1982, 136), die allerdings die Rechtslage im Vereinigten Königreich vor der europäischen Harmonisierung betraf, bei einem auf einen rechten Winkel gerichteten Anspruchsmerkmal Abweichungen von 6° bzw. 8° vom rechten Winkel als mit
der Annahme einer Benutzung der geschützten Lehre vereinbar angesehen. In einem solchen Fall kann es grundsätzlich nicht darauf ankommen, ob im Anspruch von einem rechten Winkel oder von 90° die Rede ist. Maûgeblich ist vielmehr der unter Heranziehung von Beschreibung und Zeichnungen zu ermittelnde Sinngehalt des Patentanspruchs. In einem anderem Zusammenhang kann der gleiche Winkel sich daher dem Fachmann auch als exakt einzuhaltende Gröûe darstellen. Dies gilt grundsätzlich auch für Zahlenbereiche mit Grenzwerten (vgl. Sen., BGHZ 118, 210, 218 f. - Chrom-Nickel-Legierung; vgl. auch White, The C.I.P.A. Guide to the Patents Act, 5. Aufl., Part III, Section 125 Rdn. 22 mit Hinweis auf die soweit ersichtlich - insoweit - unveröffentlichten Entscheidungen Lubrizol v. Esso und Goldschmidt v. EOC Belgium). Ein Verständnis , daû ein Wert genau einzuhalten ist, wird vor allem dann der Vorstellung des Fachmanns entsprechen, wenn er erkennt, daû es sich um einen "kritischen" Wert handelt. Wie eine bestimmte Zahlen- oder Maûangabe im Patentanspruch demnach zu verstehen ist, ist eine Frage des der tatrichterlichen Beurteilung unterliegenden fachmännischen Verständnisses im Einzelfall.

d) Wie für die Erfassung des technischen Sinngehalts des Patentanspruchs gilt auch für die Bestimmung eines über diesen hinausreichenden Schutzbereichs, daû im Anspruch enthaltene Zahlen- oder Maûangaben mit den angegebenen Werten den geschützten Gegenstand begrenzen. Im Rahmen der Schutzbereichsbestimmung darf vom Sinngehalt der Zahlen- und Maûangaben nicht abstrahiert werden. Bei der Prüfung der Frage, ob der Fachmann eine Ausführungsform mit einem vom Anspruch abweichenden Zahlenwert aufgrund von Überlegungen, die sich am Sinngehalt der im Anspruch umschriebenen Erfindung orientieren, als gleichwirkende Lösung auffinden kann, muû vielmehr die sich aus der Zahlenangabe ergebende Eingren-
zung des objektiven, erfindungsgemäû zu erreichenden Erfolgs berücksichtigt werden. Als im Sinne des Patentanspruchs gleichwirkend kann nur eine Ausführungsform angesehen werden, die der Fachmann als eine solche auffinden kann, die nicht nur überhaupt die Wirkung eines - im Anspruch zahlenmäûig eingegrenzten - Merkmals der Erfindung erzielt, sondern auch gerade diejenige , die nach seinem Verständnis anspruchsgemäû der zahlenmäûigen Eingrenzung dieses Merkmals zukommen soll. Fehlt es daran, ist auch eine objektiv und für den Fachmann erkennbar technisch ansonsten gleichwirkende Ausführungsform vom Schutzbereich des Patents grundsätzlich nicht umfaût.
Damit im Kern übereinstimmend hat auch die Rechtsprechung im Vereinigten Königreich zur Feststellung einer Verletzung geprüft, ob die fachkundige Öffentlichkeit erwarten und sich darauf einstellen darf, daû es nach dem Patent auf die genaue Einhaltung des Wortlauts des Patentanspruchs ankommen soll (vgl. die sog. dritte Catnic-Frage; für das harmonisierte Recht u.a. Patents Court, F.S.R. 1989, 181 = GRUR Int. 1993, 245 - Improver Corporation v. Remington Consumer Products Ltd. ("Epilady"-Fall); Court of Appeal R.P.C. 1995, 585 = GRUR Int. 1997, 374 - Kastner v. Rizla Ltd.). Bezogen auf ein einzelnes Merkmal des Patentanspruchs geht es darum, ob das betreffende Merkmal dem Fachmann als ein solches erscheint, das ausschlieûlich wortsinngemäû benutzt werden kann, wenn die beanspruchte Lehre zum technischen Handeln eingehalten werden soll (vgl. Court of Appeal R.P.C. 1995, 585 = GRUR Int. 1997, 374 - Kastner v. Rizla Ltd.). Ein solches Verständnis kann insbesondere bei Zahlen- und Maûangaben in Betracht zu ziehen sein (vgl. Patents Court, R.P.C. 1997, 649 - Auchincloss v. Agricultural & Veterinary Supplies Ltd.).
Wie bei anderen Elementen des Patentanspruchs auch darf deshalb die anspruchsgemäûe Wirkung nicht unter Auûerachtlassung von im Anspruch enthaltenen Zahlen- und Maûangaben bestimmt werden. Es reicht daher für die Einbeziehung abweichender Ausführungsformen in den Schutzbereich grundsätzlich nicht aus, daû nach der Erkenntnis des Fachmanns die erfindungsgemäûe Wirkung im übrigen unabhängig von der Einhaltung des Zahlenwertes eintritt. Erschlieût sich dem Fachmann kein abweichender Zahlenwert als im Sinne des anspruchsgemäûen Wertes gleichwirkend, erstreckt sich der Schutzbereich insoweit nicht über den Sinngehalt des Patentanspruchs hinaus. Die anspruchsgemäûe Wirkung des zahlenmäûig bestimmten Merkmals wird in diesem Fall nach dem Verständnis des Fachmanns durch die (genaue ) Einhaltung eines Zahlenwertes bestimmt und kann daher notwendigerweise durch einen abweichenden Zahlenwert nicht erzielt werden. In einem solchen Fall genügt es nicht, daû der Fachmann auch eine von der Zahlenangabe abstrahierende Lehre als technisch sinnvoll erkennt.
Der Anmelder wird nicht immer den vollen technischen Gehalt der Erfindung erkennen und ausschöpfen; er ist auch - unbeschadet der Frage, ob ihm das rechtlich möglich ist - von Rechts wegen nicht gehalten, dies zu tun. Beschränkt sich das Patent bei objektiver Betrachtung auf eine engere Anspruchsfassung , als dies vom technischen Gehalt der Erfindung und gegenüber dem Stand der Technik geboten wäre, darf die Fachwelt darauf vertrauen, daû der Schutz entsprechend beschränkt ist. Dem Patentinhaber ist es dann verwehrt, nachträglich Schutz für etwas zu beanspruchen, was er nicht unter Schutz hat stellen lassen. Das gilt selbst dann, wenn der Fachmann erkennt, daû die erfindungsgemäûe Wirkung als solche (in dem vorstehend ausgeführ-
ten engeren Sinn) über den im Patentanspruch unter Schutz gestellten Bereich hinaus erreicht werden könnte.
4. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze läût die Bestimmung des Schutzbereichs des Klagepatents durch das Berufungsgericht keinen Rechtsfehler erkennen.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die angegriffenen Schneidmesser erzielten mindestens im wesentlichen die gleiche Wirkung wie Vorrichtungen, bei denen der Winkel zwischen den Längsachsen der Klingen und dem jeweiligen Radius des Grundkörpers zwischen 9° und 12° liege. Die im Klagepatent unter Schutz gestellte geringfügige Abwinklung der Klingen zum jeweiligen Radius führe im Vergleich mit dem Stand der Technik zu einer anderen Schneidgeometrie. Sie bewirke, wie das Bundespatentgericht in seinem Beschluû vom 15. Februar 1996 überzeugend ausgeführt habe, im Zusammenwirken mit der Grundform der Klingen, daû bei einem entsprechend dem Klagepatent ausgestalteten Schneidmesser stets das radial innere Ende der Schneidkante zuerst in das Papier eintauche. Das flache Eintauchen der Schneidkanten in das Schneidgut gewährleiste einen "sanften Einschnitt", wobei gleichzeitig die gegenüber einem Rundmesser bessere Schneidwirkung einer zahnförmigen Schneidfläche erhalten bleibe. Diese Wirkungen träten, wie auch die Beklagte nicht in Abrede stelle, bei der Wahl eines geringfügig spitzeren Winkels (8° 40© statt 9°) in gleicher Weise ein.
Der Fachmann, dem die Wirkungsweise eines gemäû dem Hauptanspruch des Patents ausgestalteten Schneidmesser auch ohne nähere Darstellung in der Beschreibung aufgrund seines Fachwissens klar sei, könne auf-
grund von Überlegungen, die sich an der im Anspruch 1 umschriebenen Erfindung orientierten, ohne weiteres erkennen, daû die Wahl eines geringfügig spitzeren Winkels die erzielten Ergebnisse nicht wesentlich ändere. Allerdings werde der Fachmann dann, wenn in einem Patentanspruch ein bestimmter Bereich vorgegeben sei und sich der Patentschrift kein Anhaltspunkt dafür entnehmen lasse, daû die beanspruchten Werte nur beispielhaft gemeint sein könnten, in der Regel keinen Anlaû haben, sich darüber Gedanken zu machen, ob die Erfindung auch bei der Wahl anderer Werte ausführbar sein könnte. Etwas anderes müsse aber für solche Werte gelten, die nur in so geringem Maû auûerhalb des im Patent genannten Bereichs lägen, daû eine ins Gewicht fallende Änderung der Wirkung von vornherein ausgeschlossen erscheine. So liege es im Streitfall, da der Winkel von 8° 40© um weniger als 4 % von dem im Patent genannten unteren Wert abweiche. Dem angesprochenen Fachmann - einem mit einschlägigen Schneidanordnungen vertrauten Maschinenbauingenieur - sei zudem bekannt, daû eine Abweichung von ± 20© sich im Rahmen der von der einschlägigen DIN-Norm vorgegebenen Allgemeintoleranz für Winkelmaûe halte.
Dem Inhalt der Patentschrift und dem dort mitgeteilten Stand der Technik könne nicht entnommen werden, daû die Vermeidung einer noch so geringfügigen Überschreitung des im Merkmal 4 c) der Merkmalsgliederung genannten Bereichs für die unter Schutz gestellte Lehre wesentlich und bestimmend sei. Bei der in der Patentschrift gewürdigten DE-OS 35 36 989 seien die Längsachsen der Klingen parallel zum jeweiligen Radius angeordnet, ihre Schneidkanten seien schräg zu den Längsachsen in der Weise orientiert, daû stets das radial äuûere Ende zuerst in das Papier eintauche. Aber auch der übrige, im Einspruchsverfahren herangezogene und auf dem Deckblatt der
Klagepatentschrift genannte Stand der Technik gebe keine Veranlassung zu einer einschränkenden und eine äquivalente Verletzung ausschlieûenden Auslegung des Patents.
Damit hat das Berufungsgericht alle maûgeblichen Gesichtspunkte berücksichtigt und in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt , daû der Fachmann den unteren Wert des Winkelbereichs von 9° bis 12° im Prioritätszeitpunkt nicht als starren Grenzwert ansah und eine Ausführungsform , bei der das Winkelmaû von 9° geringfügig unterschritten wird, als gleichwirkend auffinden konnte. Aus den Ausführungen des Berufungsgerichts zur Wirkung der im Klagepatent unter Schutz gestellten geringfügigen Abwinklung der Klingen zum jeweiligen Radius, die im Vergleich mit dem Stand der Technik zu einer anderen Schneidgeometrie führe, ergibt sich, daû der für den Fachmann erkennbare technische Sinngehalt des durch die Bereichsangabe 9 bis 12° näher definierten spitzen Winkels zum jeweiligen Radius des Grundkörpers in dieser durch den Winkel bestimmten und im Anspruch durch die Winkelangabe ausgedrückten Schneidgeometrie zu finden ist. Dann konnte das Berufungsgericht aber auch ohne Rechtsfehler zu der Feststellung gelangen , daû der Fachmann den objektiv unstreitig gleichwirkenden geringfügig kleineren Winkel der angegriffenen Ausführungsform aufgrund von Überlegungen als gleichwirkend auffinden konnte, die sich derart am Sinngehalt des Patentanspruchs einschlieûlich der in Merkmal 4 c) enthaltenen Winkelangabe orientierten, daû er die angegriffene Ausführungsform als der gegenständlichen gleichwertige Lösung des dem Klagepatent zugrundeliegenden Problems in Betracht zog.
5. Die Rüge der Revision, mit der Berufung auf die Allgemeintoleranz setze sich das Berufungsgericht in Widerspruch zu seiner Unterstellung, nach dem Verständnis des Fachmanns seien bei der Angabe des Bereichs 9° bis 12° Herstellungstoleranzen bereits berücksichtigt, ist nicht begründet. Das Berufungsgericht hat mit dieser Unterstellung ersichtlich nur sagen wollen, der technische Sinngehalt (Wortsinn) des Winkelbereichs 9° bis 12° dürfe nach dem Verständnis des Fachmanns nicht noch um einen Toleranzbereich auf 8° 40© bis 12° 20© erweitert werden. Das schloû es nicht aus, bei der Prüfung der Frage, ob die angegriffene Ausführungsform vom Fachmann als gleichwirkend aufgefunden werden konnte, das geringe, sich im Rahmen der üblichen Toleranz haltende Maû der Abweichung vom Wortlaut des Anspruchs zu berücksichtigen.
6. Keinen Erfolg hat auch die weitere Rüge, das Klagepatent sei im Einspruchsbeschwerdeverfahren durch Aufnahme des Winkelbereichs 9° bis 12° eingeschränkt worden, was es ausschlieûe, den Schutzbereich über diese Grenzen hinaus wieder auszudehnen.
Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt, die Beschränkung nehme dem Klagepatent nicht den Schutzbereich, den es gehabt hätte, wenn es schon in der nunmehr geltenden Fassung angemeldet (und erteilt) worden wäre. Das ist richtig, und dabei hat das Berufungsgericht auch nicht, wie die Revision meint, übersehen, daû das Klagepatent "doppelt" beschränkt worden ist, nämlich zunächst durch die Aufnahme des Merkmals des spitzen Winkels aus dem erteilten Anspruch 6 und sodann durch den konkreten Winkelbereich aus dem erteilten Anspruch 7. Denn das schlieût es zwar aus, jeden spitzen Winkel als äquivalent anzusehen, verbietet jedoch nicht die Annahme, der Fachmann er-
kenne eine geringfügige Unterschreitung des 9°-Winkels als für die erfindungsgemäûe Wirkung unschädlich.
III. Ebenfalls keinen Rechtsfehler erkennen lassen die Ausführungen des Berufungsgerichts zu den Rechtsfolgen, die es aus der festgestellten Patentverletzung abgeleitet hat; die Revision erhebt insoweit auch keine Rügen. Sie ist daher insgesamt mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Asendorf

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 7/03
vom
5. Oktober 2005
in der Rechtsbeschwerdesache
betreffend die Gebrauchsmusteranmeldung 200 14 819.2
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Arzneimittelgebrauchsmuster
§ 2 Nr. 3 GebrMG schließt die Eintragung eines Gebrauchsmusters für die Verwendung
bekannter Stoffe im Rahmen einer medizinischen Indikation nicht aus.
BGH, Beschl. v. 5. Oktober 2005 - X ZB 7/03 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. Oktober 2005 durch
den Richter Scharen, die Richterin Ambrosius und die Richter Prof. Dr. MeierBeck
, Asendorf und Dr. Kirchhoff

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Anmelders wird der Beschluss des 5. Senats (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts vom 28. Oktober 2002 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.

Gründe:


1
I. Der Anmelder begehrt die Eintragung eines Gebrauchsmusters mit elf Schutzansprüchen und der Bezeichnung "Pharmakologisch wirksame Substanz zur Behandlung kardiovaskulärer Erkrankungen", wobei er die Abzweigung aus der deutschen Patentanmeldung 100 38 043.3 erklärt hat. Der Schutzanspruch 1 lautet: "1. Verwendung von Serin/Threonin-Proteinphosphatase-Inhibitoren für ein Arzneimittel zur therapeutischen und präventiven Behandlung arteriosklerotischer Erkrankungen." Die Ansprüche 10 und 11 beziehen sich auf die Verwendung eines näher bestimmten Arzneimittels nach Anspruch 1 mit mindestens einer weiteren pharmakologisch wirksamen Substanz (Anspruch 9) und einer solchen weiteren Substanz aus einer bestimmten Gruppe von Substanzen (Anspruch 10) zur Behandlung bestimmter Krankheiten.
2
Durch Beschluss vom 11. Juli 2001 hat die Gebrauchsmusterstelle des Deutschen Patent- und Markenamts die Anmeldung zurückgewiesen, weil sie ein nach § 2 Nr. 3 GebrMG nicht schutzfähiges Verfahren betreffe.
3
Die gegen diese Entscheidung gerichtete Beschwerde des Anmelders hat das Bundespatentgericht durch den angefochtenen Beschluss (Mitt. 2004, 266) zurückgewiesen. Es geht davon aus, dass es sich bei den angemeldeten Schutzansprüchen um typische Verwendungsansprüche handele, die gemäß § 2 Nr. 3 GebrMG ausdrücklich vom Schutz durch Gebrauchsmuster ausgeschlossen seien. Die beantragten Schutzansprüche seien darauf gerichtet, ein bekanntes Erzeugnis durch Verfahrensmaßnahmen "für eine neue Verwendung geeignet" zu machen. Typische Ansprüche auf medizinische Verwendungen seien Verfahrensansprüche. Denn sie umfassten neben der Verabreichung des Stoffs an den Patienten auch die Maßnahmen für seine Herrichtung zur Verwendung bei der therapeutischen Behandlung, etwa seine gebrauchsfertige Verpackung und Kennzeichnung für den neuen therapeutischen Verwendungszweck (unter Bezug auf Sen. BGHZ 88, 209, 212 "Hydropyridin"). Die Anweisung in den beanspruchten Schutzansprüchen richtet sich darauf, einen bestimmten Stoff, der als solcher selbst nicht geschützt werden solle, zu einem bestimmten Zweck, nämlich der Behandlung näher bezeichneter Krankheiten, zu verwenden. Soweit neben diesem nach den Ansprüchen 10 und 11 noch ein zweiter Stoff benutzt werden solle, ändere dies nichts an der Qualifizierung als Verfahrensanspruch. Einerseits werde Schutz wiederum nicht für das Stoffgemisch begehrt, andererseits würde auch ein Verwendungsanspruch, bei dem ein Stoff eingesetzt werde, um ein neues Erzeugnis (Verbindung/Mischung) hervorzubringen, nichts am Charakter als Verfahrensanspruch ändern.
4
Da der Ausschluss des Gebrauchsmusterschutzes für Verfahrenserfindungen dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers entspreche, fehle es an einer unbewussten Regelungslücke, die durch Analogie geschlossen werden müsse.
5
Es liege auch kein gegenständlich eingeschränktes Sachschutzbegehren vor, das auf einen zweckgebundenen Erzeugnisschutz gerichtet wäre und § 2 Nr. 3 GebrMG nicht unterfallen würde. Zwar könne sich ein Erzeugnisanspruch auf einen zweckgebundenen Erzeugnisschutz oder auch einen Schutz des Erzeugnisses für eine bestimmte Verwendung beschränken. Zwischen diesen beiden Formen des eingeschränkten Schutzes sei aber ein Unterschied zu machen. Das folge aus der Regelung des § 3 Abs. 3 PatG zum zweckgebundenen Arzneimittel-Stoffschutz und dem daneben möglichen patentrechtlichen Schutz für die Verwendung des Stoffs.
6
Das Bundespatentgericht will nicht der in der Literatur vertretenen Ansicht folgen, wonach Verwendungsansprüche im Wege der Auslegung als auf den betreffenden Gebrauch beschränkte Erzeugnisansprüche angesehen werden könnten, für die mangels Kategoriewechsels auch der Gebrauchsmusterschutz offenstehen solle (U. Krieger, GRUR Int. 1996, 354, 355, jetzt anders in Münch.Komm. z. EPÜ, Art. 64 Rdn. 10; Loth, GebrMG, § 1 Rdn. 136). Auch diese Literaturmeinung knüpfe an einen erteilten patentrechtlichen Erzeugnis- anspruch an, so dass sich allenfalls in Fällen der Abzweigung aus einer Erzeugnispatentanmeldung auf die Zulässigkeit solcher Verwendungsansprüche im Gebrauchsmustereintragungsverfahren schließen lasse. Hier dagegen enthalte die der Abzweigung zugrundeliegende Patentanmeldung nur Patentansprüche , die sich auf den Schutz von Verwendungen richteten.
7
Das Bundespatentgericht hat die Rechtsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Der Anmelder verfolgt mit ihr seinen Eintragungsantrag weiter. Er vertieft die bereits vor dem Bundespatentgericht vorgetragene Argumentation.
8
II. Die Rechtsbeschwerde erweist sich als begründet. Entgegen der Auffassung des Bundespatentgerichts schließt § 2 Nr. 3 GebrMG die Eintragung eines Gebrauchsmusters für die Verwendung bekannter Stoffe im Rahmen einer neuen medizinischen Indikation nicht aus.
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1. Der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 betrifft kein Verfahren im Sinne der Ausschlussbestimmung des § 2 Nr. 3 GebrMG. Denn der in dieser gesetzlichen Regelung verwendete Begriff entspricht der herkömmlichen Verfahrensdefinition bei den technischen Schutzrechten des gewerblichen Rechtsschutzes und schließt insbesondere Arbeitsverfahren und Herstellungsverfahren ein (BGHZ 158, 142, 149 - Signalfolge).
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Die Verwendung eines bekannten Stoffs zur Erzielung einer bestimmten therapeutischen oder präventiven Wirkung am menschlichen oder tierischen Körper kann nicht schlechterdings als auf die Erzeugung eines Stoffs oder einer Sache ausgerichtetes Herstellungsverfahren angesehen werden. Denn auch wenn bekannte Wirkstoffe regelmäßig der augenfälligen Herrichtung bedürfen, ehe sie zur Behandlung von Krankheiten eingesetzt werden (vgl. BGHZ 68, 156, 161 - Benzolsulfonylharnstoff; Sen.Beschl. v. 03.06.1982 - X ZR 21/81, GRUR 1982, 548, 549 - Sitosterylglykoside; BGHZ 88, 209, 216 - Hydropyridin), fehlt es hier doch an einem durch ein Verfahren hergestellten Erzeugnis im üblichen Sinn. Vielmehr erschöpft sich die Verwendung in einem Handlungserfolg, auf den sie abzielt (vgl. BGHZ 110, 82, 87 - Spreizdübel). Ebenso wenig handelt es sich um ein Arbeitsverfahren. Denn als Arbeitsverfahren wird eine technische Betätigung bezeichnet, durch die an einem Objekt Arbeitsschritte vollzogen werden, ohne dass dabei eine Veränderung der behandelten Sache eintritt (Sen.Beschl. v. 16.09.1997 - X ZB 21/94, GRUR 1998, 130 - Handhabungsgerät ). Bei der medizinischen Indikation dagegen wird zur Erzielung einer therapeutischen oder präventiven Wirkung auf einen menschlichen oder tierischen Körper eingewirkt.
11
Gegenstand des Verwendungsanspruchs gemäß Schutzanspruch 1 ist die Eignung eines bekannten Stoffs für einen bestimmten medizinischen Einsatzzweck und damit letztlich eine dem Stoff innewohnende Eigenschaft. Der Gegenstand eines solchen Verwendungsanspruchs wird charakterisiert durch einen Stoff in einer bestimmten Verwendung (Sen.Urt. v. 05.07.2005 - X ZR 14/03, GRUR 2005, 845, 847 - Abgasreinigungsvorrichtung). Verwendungsansprüche dieser Art weisen jedenfalls Elemente von Erzeugnisansprüchen auf. Ihre Verwandtschaft mit Erzeugnisansprüchen manifestiert sich auch darin, dass der Senat im Patentrecht die eingeschränkte Verteidigung eines Erzeugnisanspruchs in Form eines Verwendungsanspruchs zulässt. Das ist erlaubt , weil es nur zu einer Einschränkung, nicht aber einer Verlagerung des Patentschutzes kommt. Denn ein Anspruch für ein Erzeugnis als solches umfasst alle Verwendungsmöglichkeiten (vgl. Sen.Urt. v. 17.09.1987 - X ZR 56/86, GRUR 1988, 287, 288 - Abschlussblende).

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2. Diese Überlegungen sprechen im Streitfall dagegen, den für Verfahren in § 2 Nr. 3 GebrMG vorgesehenen Ausschlusstatbestand auch auf Schutzansprüche anzuwenden, deren Gegenstand die Verwendung bekannter Stoffe für bestimmte medizinische Indikationen ist. Auch den Gesetzesmaterialien ist, entgegen der Auffassung des Bundespatentgerichts, nicht zu entnehmen, dass Verwendungsansprüche für bestimmte medizinische Indikationen vom Gebrauchsmusterschutz ausgenommen werden sollten. Das Bundespatentgericht führt in diesem Zusammenhang einen von dem Präsidenten des Deutschen Patent- und Markenamtes in das Verfahren eingeführten Bericht des Bundesjustizministeriums an, auf den sich die Gesetzesmotive bezögen. Dieser Bericht referiert zwar den überwiegenden Wunsch der im Gesetzgebungsverfahren befragten Wirtschaftskreise, die Verfahrenserfindungen "einschließlich der Anwendungen oder Verwendungen bekannter Gegenstände für einen neuen Zweck" auch weiterhin vom Gebrauchsmusterschutz auszunehmen (vgl. S. 18 des Berichts). Der Rechtsausschuss des Bundestags hat sich aber nicht dieses Referat über die Ergebnisse der durchgeführten Befragung, sondern nur die Schlussfolgerungen des Berichts des Bundesjustizministeriums zu eigen gemacht (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, abgedr. BlPMZ 1990, 195, 197). Diese Schlussfolgerungen enthalten an keiner Stelle im Zusammenhang mit dem Ausschluss der Verfahren vom Gebrauchsmusterschutz die vom Bundespatentgericht zur Begründung seines angefochtenen Beschlusses herangezogene Parenthese "einschließlich der Anwendungen oder Verwendungen bekannter Gegenstände für einen neuen Zweck". Die Schlussfolgerungen nehmen darauf auch keinen Bezug.
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Nach den Schlussfolgerungen sollte die mit dem Verzicht auf das Raumformerfordernis bezweckte Öffnung des Gebrauchsmusterschutzes lediglich dort eine Grenze haben, wo das ungeprüfte Schutzrecht Gebrauchsmuster die Rechtssicherheit erheblich gefährden würde und der Gebrauchsmusterschutz aufgrund seiner dann mangelnden Bestandskraft praktisch ins Leere ginge. Diese Grenze sei bei Verfahrenserfindungen überschritten, weil es bei ihnen wegen des Fehlens von Zeichnungen oder von Darstellungen chemischer Formeln an einer Überprüfbarkeit auf Schutzfähigkeit und Schutzumfang mangele (Bericht, aaO, S. 23 f.). Dementsprechend führt der Rechtsausschuss als Grund für den Ausschluss der Verfahrenserfindungen vom Gebrauchsmusterschutz an, dass sie sich mangels konkreter Darstellbarkeit nicht für ein ungeprüftes Schutzrecht eigneten (Beschlussempfehlung, aaO).
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Diese Begründung erfasst nicht Verwendungsansprüche für medizinische Indikationen, die sich darauf beschränken, einen bekannten Stoff in einer beliebigen, bekannten Darreichungsform dem menschlichen oder tierischen Körper zuzuführen, um in diesem eine bestimmte Wirkung zu erzielen. Schwierigkeiten der Darstellung des Schutzanspruchs sind hier nicht zu erkennen. Dagegen lässt sich den Schlussfolgerungen des Bundesjustizministeriums entnehmen , dass mit dem am 1. Juli 1990 in Kraft getretenen Verzicht auf das Raumformerfordernis im deutschen Gebrauchsmustergesetz die Eintragung von Gebrauchsmustern insbesondere für gestaltlose Stoffe und Stoffmischungen wie Arzneimittel ermöglicht werden sollte (Bericht, aaO, S. 21). Ein Grund für eine hinsichtlich ihrer Schutzfähigkeit als Gebrauchsmuster unterschiedliche Behandlung von neuen Stoffen, die Arzneimittel sind, und bekannten Stoffen, deren Wirkung als Arzneimittel in einem erfinderischen Schritt gefunden wurde, ist indes nicht ersichtlich.
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An der Entwicklung neuer Arzneimittel besteht ein überragendes Interesse der Öffentlichkeit. Die Entwicklung solcher Innovationen würde nicht geför- dert, sondern gehemmt, wenn Arzneimittel zwar als neue Stoffe, nicht jedoch als neuartige Verwendungen bekannter Stoffe Gebrauchsmusterschutz beanspruchen könnten. Denn häufig wird bemerkenswerter medizinischer Fortschritt durch die innovative Verwendung bereits bekannter Stoffe erzielt.
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3. Auch der Ausschlusstatbestand des § 5 Abs. 2 PatG steht der Eintragung eines Gebrauchsmusters für Schutzansprüche, die sich auf die Verwendung bekannter Stoffe zu bestimmter medizinischer Indikation richten, nicht entgegen. Denn auch als solche oder als Arzneimittel bekannte Wirkstoffe bedürfen regelmäßig der augenfälligen Herrichtung im gewerblichen Bereich, ehe sie zur Behandlung von Krankheiten verwendet werden können (vgl. BGHZ 68, 156, 161 - Benzolsulfonylharnstoff; Sen.Beschl. v. 03.06.1982 - X ZR 21/81, GRUR 1982, 548, 549 - Sitosterylglykoside; BGHZ 88, 209, 216 - Hydropyridin).
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4. Die Schutzansprüche 10 und 11 beziehen sich auf die Verwendung zweier pharmakologisch wirksamer Substanzen zur Behandlung einer Krankheit. Auch wenn sie die Mischung oder Verbindung dieser Substanzen voraussetzen , geben sie doch keine Anleitung für ein Herstellungs- oder Arbeitsverfahren in dem beschriebenen, von § 2 Nr. 3 GebrMG erfassten Sinn. Diese Schutzansprüche sind daher ebenfalls nach den vorstehend für medizinische Indikationen entwickelten Grundsätzen zu beurteilen und nicht prinzipiell vom Gebrauchsmusterschutz ausgeschlossen.
18
III. Die vom Bundespatentgericht für die Ablehnung der Eintragung des angemeldeten Gebrauchsmusters angeführte Begründung erweist sich somit im Ergebnis als nicht tragfähig. Die Rechtsbeschwerde führt daher zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht (§§ 18 Abs. 4 GebrMG, 108 Abs. 1 PatG). Das Bundespatentgericht wird seine erneute Prüfung anhand der in dieser Entscheidung ausgeführten Grundsätze vorzunehmen haben. Eine Zurückweisung der Anmeldung im Hinblick auf den in § 2 Nr. 3 GebrMG formulierten Ausschlusstatbestand ist danach im Streitfall ausgeschlossen.
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Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht als erforderlich angesehen (§ 18 Abs. 4 GebrMG i.V.m. § 107 Abs. 1 PatG).
Scharen Ambrosius Meier-Beck
Asendorf Kirchhoff
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 28.10.2002 - 5 W(pat) 25/01 -

(1) Eine Erfindung gilt als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört. Der Stand der Technik umfaßt alle Kenntnisse, die vor dem für den Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Tag durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung oder in sonstiger Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind.

(2) Als Stand der Technik gilt auch der Inhalt folgender Patentanmeldungen mit älterem Zeitrang, die erst an oder nach dem für den Zeitrang der jüngeren Anmeldung maßgeblichen Tag der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind:

1.
der nationalen Anmeldungen in der beim Deutschen Patent- und Markenamt ursprünglich eingereichten Fassung;
2.
der europäischen Anmeldungen in der bei der zuständigen Behörde ursprünglich eingereichten Fassung, wenn mit der Anmeldung für die Bundesrepublik Deutschland Schutz begehrt wird und die Benennungsgebühr für die Bundesrepublik Deutschland nach Artikel 79 Abs. 2 des Europäischen Patentübereinkommens gezahlt ist und, wenn es sich um eine Euro-PCT-Anmeldung (Artikel 153 Abs. 2 des Europäischen Patentübereinkommens) handelt, die in Artikel 153 Abs. 5 des Europäischen Patentübereinkommens genannten Voraussetzungen erfüllt sind;
3.
der internationalen Anmeldungen nach dem Patentzusammenarbeitsvertrag in der beim Anmeldeamt ursprünglich eingereichten Fassung, wenn für die Anmeldung das Deutsche Patent- und Markenamt Bestimmungsamt ist.
Beruht der ältere Zeitrang einer Anmeldung auf der Inanspruchnahme der Priorität einer Voranmeldung, so ist Satz 1 nur insoweit anzuwenden, als die danach maßgebliche Fassung nicht über die Fassung der Voranmeldung hinausgeht. Patentanmeldungen nach Satz 1 Nr. 1, für die eine Anordnung nach § 50 Abs. 1 oder Abs. 4 erlassen worden ist, gelten vom Ablauf des achtzehnten Monats nach ihrer Einreichung an als der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

(3) Gehören Stoffe oder Stoffgemische zum Stand der Technik, so wird ihre Patentfähigkeit durch die Absätze 1 und 2 nicht ausgeschlossen, sofern sie zur Anwendung in einem der in § 2a Abs. 1 Nr. 2 genannten Verfahren bestimmt sind und ihre Anwendung zu einem dieser Verfahren nicht zum Stand der Technik gehört.

(4) Ebenso wenig wird die Patentfähigkeit der in Absatz 3 genannten Stoffe oder Stoffgemische zur spezifischen Anwendung in einem der in § 2a Abs. 1 Nr. 2 genannten Verfahren durch die Absätze 1 und 2 ausgeschlossen, wenn diese Anwendung nicht zum Stand der Technik gehört.

(5) Für die Anwendung der Absätze 1 und 2 bleibt eine Offenbarung der Erfindung außer Betracht, wenn sie nicht früher als sechs Monate vor Einreichung der Anmeldung erfolgt ist und unmittelbar oder mittelbar zurückgeht

1.
auf einen offensichtlichen Mißbrauch zum Nachteil des Anmelders oder seines Rechtsvorgängers oder
2.
auf die Tatsache, daß der Anmelder oder sein Rechtsvorgänger die Erfindung auf amtlichen oder amtlich anerkannten Ausstellungen im Sinne des am 22. November 1928 in Paris unterzeichneten Abkommens über internationale Ausstellungen zur Schau gestellt hat.
Satz 1 Nr. 2 ist nur anzuwenden, wenn der Anmelder bei Einreichung der Anmeldung angibt, daß die Erfindung tatsächlich zur Schau gestellt worden ist und er innerhalb von vier Monaten nach der Einreichung hierüber eine Bescheinigung einreicht. Die in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Ausstellungen werden vom Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz im Bundesanzeiger bekanntgemacht.

17
Gegenstand eines solchen Patentanspruchs ist die Eignung eines bekannten Stoffs für einen bestimmten medizinischen Einsatzzweck und damit letztlich eine dem Stoff innewohnende Eigenschaft (BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2005 - X ZB 7/03, BGHZ 164, 220, 222 = GRUR 2006, 135 Rn. 11 - Arzneimittelgebrauchsmuster ). Dies entspricht in der Sache einem zweckgebundenen Stoffschutz, wie ihn § 3 Abs. 4 PatG und Art. 54 Abs. 5 EPÜ nunmehr auch für weitere Indikationen ausdrücklich vorsehen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Patentanspruch seinem Wortlaut nach auf die Verwendung des Medikaments, auf dessen Herrichtung zu einem bestimmten Verwendungszweck oder - was im Hinblick auf die neue gesetzliche Regelung künftig am zweckmäßigsten sein dürfte - ausdrücklich auf zweckgebundenen Stoffschutz gerichtet ist.

Das Patent hat die Wirkung, dass allein der Patentinhaber befugt ist, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu benutzen. Jedem Dritten ist es verboten, ohne seine Zustimmung

1.
ein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen;
2.
ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, anzuwenden oder, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, daß die Anwendung des Verfahrens ohne Zustimmung des Patentinhabers verboten ist, zur Anwendung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten;
3.
das durch ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, unmittelbar hergestellte Erzeugnis anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen.