Bundesgerichtshof Urteil, 17. Juli 2012 - X ZR 117/11

bei uns veröffentlicht am17.07.2012
vorgehend
Bundespatentgericht, 3 Ni 28/09, 14.04.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 117/11 Verkündet am:
17. Juli 2012
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Polymerschaum
PatG §§ 81 ff., § 14; EPÜ Art. 69 Abs. 1
Die Prüfung der Patentfähigkeit erfordert regelmäßig eine Auslegung des Patentanspruchs, bei
der dessen Sinngehalt in seiner Gesamtheit und der Beitrag, den die einzelnen Merkmale zum
Leistungsergebnis der Erfindung liefern, zu bestimmen sind. Dem Patentanspruch darf dabei
nicht deshalb ein bestimmter Sinngehalt beigelegt werden, weil sein Gegenstand andernfalls
gegenüber den Ursprungsunterlagen unzulässig erweitert wäre.
Ergibt die mündliche Verhandlung des Patentnichtigkeitsberufungsverfahrens, dass die Sache
nicht zur Endentscheidung reif ist, kommt es für die Entscheidung, ob es sachdienlich ist, die
gebotene weitere Sachaufklärung dem Patentgericht zu übertragen oder zu diesem Zweck das
Berufungsverfahren vor dem Bundesgerichtshof fortzusetzen, in erster Linie darauf an, auf welchem
Weg die noch offenen Sachfragen möglichst effizient und zügig geklärt werden können.
BGH, Urteil vom 17. Juli 2012 - X ZR 117/11 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 17. Juli 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, den
Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Dr. Grabinski
und Dr. Bacher

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 14. April 2011 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Berufung, an das Patentgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 102 809 (Streitpatents), das am 30. Juli 1999 unter Inanspruchnahme einer US-amerikanischen Priorität vom 31. Juli 1998 international angemeldet worden ist und Polymerschaum enthaltende Artikel sowie ein Verfahren zu deren Herstellung betrifft. Das Streitpatent umfasst 38 Ansprüche, von denen die einander nebengeordneten Ansprüche 1, 15 und 36 in der Verfahrenssprache Englisch wie folgt lauten: "1. A method for preparing a polymer foam, said method comprising: (a) providing a plurality of expandable polymeric microspheres and a molten polymer composition containing less than 20 wt.% solvent , each expandable polymeric microsphere including a polymer shell and a core material in the form of a gas, liquid, or combination thereof, that expands upon heating, with the expansion of the core material, in turn, causing the shell to expand; (b) melt mixing the molten polymer composition and the plurality of expandable polymeric microspheres, under process conditions, including temperature and shear rate, selected to form an expandable extrudable composition; (c) extruding the expandable extrudable composition through a die to form the polymer foam; and (d) at least partially expanding a plurality of the expandable polymeric microspheres before the expandable extrudable composition exits the die. 15. An article comprising the polymer foam obtainable according to the method of claim 1. 36. An article comprising: a recess; a foam-in-place article comprising a polymer foam obtainable by a method of claim 1 comprising a polymeric matrix and a plurality of at least partially expanded polymeric microspheres, and optionally an activated blowing agent, said foam-in-place article being positioned in said recess and partially or completely filling said recess."
2
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig und die Erfindung sei nicht so deutlich offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Ferner hat die Klägerin im Wege der Klageerweiterung geltend gemacht, dass das Streitpatent über den Inhalt der ursprüng- lich eingereichten Anmeldung hinausgehe. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat das Streitpatent hilfsweise in der Fassung mehrerer Hilfsanträge verteidigt.
3
Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt.
4
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung, mit der sie weiterhin die Abweisung der Klage anstrebt, soweit sie das Streitpatent verteidigt. Nach ihrem Hauptantrag, neben dem sie - in geänderter Reihenfolge - ihre erstinstanzlichen Hilfsanträge weiterverfolgt, sollen Patentanspruch 1 und die diesem untergeordneten Patentansprüche in der erteilten Fassung beibehalten werden. Patentanspruch 15 und die diesem untergeordneten Patentansprüche sollen die Fassung des bisherigen Hilfsantrags 5 erhalten. Danach soll Patentanspruch 15 wie folgt lauten: "15. An article comprising the polymer foam obtainable according to the method of claim 1, wherein said polymer foam is an adhesive, and wherein the polymer composition comprises an acrylate or methacrylate adhesive polymer or copolymer."
5
Unteranspruch 24 soll entfallen und die Nummerierung der nachfolgenden Unteransprüche 25 bis 35 entsprechend angepasst werden. Die Patentansprüche 36 bis 38 der erteilten Fassung sollen entfallen.
6
Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.
7
Die Parteien haben eine Mehrzahl von Gutachten vorgelegt, die Prof. Dr.-Ing. F. O. , Hochschule für Angewandte Wissenschaften H. , Department Maschinenbau & Produktion, für die Klägerin und Prof. Dr.-Ing. M. S. , Inhaber des Lehrstuhls für Polymerwerkstoffe der Universität S. , für die Beklagte erstattet haben.

Entscheidungsgründe:


8
Die zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Patentgericht.
9
I. Das Patentgericht hat die Erweiterung der Klage um den Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung als sachdienlich und die Klage daher insgesamt als zulässig angesehen.
10
Den Nichtigkeitsgrund mangelnder Ausführbarkeit hat das Patentgericht als unbegründet angesehen. Zur Begründetheit der Klage hat es im Übrigen ausgeführt, es teile die Bedenken der Klägerin gegen die Ursprungsoffenbarung der Merkmale "providing … a molten polymer composition …" und "melt mixing the molten polymer composition and the plurality of expandable polymeric microspheres …", sofern damit die zeitliche Reihenfolge der Arbeitsweisen der Absätze (a) und (b) derart festgelegt sei, dass die Mikrokugeln erst der bereits geschmolzenen Polymerzusammensetzung zugegeben würden. Denn eine entsprechende Textstelle fehle in den Ursprungsunterlagen. Der Einwand der Beklagten , die Reihenfolge ergebe sich aus sämtlichen Ausführungsbeispielen, die Hot-Melt-Polymer-Zusammensetzungen beträfen, sowie einer voran gestellten allgemeinen Anweisung der Zugabe der expandierbaren Mikrokugeln zum geschmolzenen Polymer, könne die Bedenken nicht ausräumen, weil eine stoffliche Einschränkung hinsichtlich der Polymerzusammensetzung und eine Einschränkung der Verfahrensführung nicht offenbart seien.
11
Über den Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung müsse jedoch nicht abschließend entschieden werden, da die Gegenstände des Patentanspruchs 1 und des Patentanspruchs 15, der auf ein Erzeugnis in Form eines Product-by-Process-Anspruchs gerichtet sei und auf die Merkmale des Verfahrens gemäß Patentanspruch 1 Bezug nehme, nicht patentfähig seien.
12
Dies hat das Patentgericht im Wesentlichen damit begründet, dass die Erfindung gegenüber dem in den Entgegenhaltungen E01, E02, E04 und E05 offenbarten Stand der Technik nicht neu sei.
13
Die deutsche Offenlegungsschrift 195 31 631 (E01) betreffe ein Verfahren zur Herstellung thermoplastischer Kunststoffschäume mit syntaktischer Schaumstruktur. Danach werde ein Gemisch aus thermoplastischem Polymer bzw. einer thermoplastischen Zusammensetzung und expandierbaren polymeren Mikrokugeln ohne Zusatz von Lösemitteln in geschmolzenem Zustand im Extruder durch eine Düse extrudiert. Die von der Lehre der E01 umfassten Ausführungsformen des Extrusionsverfahrens wiesen sämtliche Merkmale des streitpatentgemäßen Verfahrens auf. Da aus dem Wortlaut des Patentanspruchs 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung nicht hervorgehe, wann genau im Verfahrensablauf die im Verfahrensschritt (d) vorgesehene mindestens teilweise Expansion der Mikrokugeln erfolge, erfasse das streitpatentgemäße Verfahren sowohl Ausführungsformen, bei denen nahezu die gesamte Expansion bereits vor dem Austritt der Polymermasse aus der Extruderdüse stattfinde, als auch Ausführungsformen, bei denen nur eine geringfügige Expansion vor dem Austritt aus der Düse und die vollständige Expansion erst nach dem Austritt aus der Düse erfolge. Schließlich sei das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 des Streitpatents nach seinem Wortlaut nicht in der Weise beschränkt, dass die Polymerzusammensetzung zunächst vollständig geschmolzen sein müsse, bevor die expandierbaren polymeren Mikrokugeln zugesetzt würden. Das streitpatentgemäße Verfahren umfasse daher auch eine Ausführungsform, bei der die Polymerzusammensetzung erst nach der Zugabe der expandierbaren polymeren Mikrokugeln im Verlauf der Passage durch den Extruder hin zur Extruderdüse vollständig schmelze, und sei daher nicht abgegrenzt von der Verfahrensweise der E01, bei der die Temperaturen im Extrusi- onszylinder bei 395 bis 405 K und damit oberhalb der Schmelztemperatur der jeweils eingesetzten Polyolefine lägen.
14
Das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 und damit auch die Erzeugnisse nach Patentanspruch 15 des Streitpatents in der erteilten Fassung seien auch gegenüber der Abhandlung von Elfving, Foaming Plastics With Expancel Microspheres, Seminarbeitrag 19. Februar 1998, RAPRA Technology Ltd. (E02), nicht neu. Diese Abhandlung befasse sich mit dem Aufschäumen von Polymermassen mittels "Expancel"-Mikrokugeln und beschreibe einen Großteil der Merkmale des Streitpatents. Die aufgabenhaft gehaltenen Merkmale, wonach das Schmelzmischen der geschmolzenen Polymerzusammensetzung und der expandierbaren polymeren Mikrokugeln hinsichtlich Temperatur und Schergeschwindigkeit unter solchen Prozessbedingungen durchzuführen sei, dass eine expandierbare, extrudierbare Masse entstehe, stellten Selbstverständlichkeiten bei der Extrusion von Thermoplasten dar, so dass insoweit fehlende Ausführungen in der E02 der Annahme der fehlenden Neuheit nicht entgegenstünden.
15
Ebenso lehre die veröffentlichte europäische Patentanmeldung 802 946 (E04) die Verarbeitung einer Mischung aus thermoplastischem und damit schmelzbaren polymeren Mikrokugeln zur Schäumung und damit Dichtereduktion im Extruder bei vorgegebener Temperatur und Verweilzeit. Sie erfülle damit ebenfalls alle Merkmale des streitgemäßen Verfahrens nach Anspruch 1. Dementsprechend seien auch die Erzeugnisse nach Anspruch 15 gegenüber der E04 nicht neu.
16
Schließlich seien streitpatentgemäße Erzeugnisse auch nach der Lehre der japanischen Offenlegungsschrift Hei 10-152575 (E05) erhältlich. Danach würden geschäumte Polymerformmassen aus dem Gemisch eines geschmolzenen thermoplastischen Materials als Matrix und expandierbarer polymerer Mikrokugeln des Typs "Expancel" unter Schmelzmischen bei geeigneten Be- dingungen im Extruder ohne den Zusatz von Lösemitteln hergestellt. Die Maßgaben des Verfahrensschritts (d) in Anspruch 1 des Streitpatents seien insofern erfüllt, als gemäß der Lehre der E05 verschiedene Expansionsgrade einschließlich der vollständigen Expansion vor dem Austritt aus der Düse des Extruders einstellbar seien.
17
Im Übrigen sei dem Fachmann, einem Diplom-Chemiker der Fachrichtung Makromolekulare Chemie bzw. Polymerchemie oder einem Diplom-Ingenieur der Verfahrenstechnik mit Kenntnissen und langjährigen Erfahrungen auf dem Gebiet der Kunststofftechnik, insbesondere der Herstellung geschäumter extrudierter Polymermassen und -formteile, ein Verfahren gemäß Patentanspruch 1 und damit ein nach dessen Arbeitsweise erhältliches Erzeugnis gemäß Patentanspruch 15 jedenfalls ausgehend von der Lehre der E02 nahegelegt worden , so dass das Streitpatent auch mangels erfinderischer Tätigkeit keinen Bestand haben könne. Die E02 gebe nicht nur die Anregung, Extrudate aus geeigneten thermoplastischen Polymerzusammensetzungen als Polymermatrix und expandierbaren extrudierbaren polymeren Mikrokugeln der Marke "Expancel" herzustellen, sondern vermittle darüber hinaus auch eine technische Lehre, die es einem Fachmann ermögliche, aufgrund seines Wissens und Könnens ohne weiteres zu einem für den jeweiligen Anwendungszweck maßgeschneiderten Verfahren bzw. zu Produkten mit sämtlichen Merkmalen der Patentansprüche 1 und 15 in der erteilten Fassung zu gelangen.
18
Schließlich könne das Streitpatent auch in den hilfsweise verteidigten Fassungen keinen Bestand haben. Unabhängig von der Frage der Zulässigkeit der Hilfsanträge beruhten die hilfsweise verteidigten Gegenstände des Streitpatents jedenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
19
II. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren nicht stand.
20
1. Das Streitpatent betrifft Polymerschaum enthaltende Erzeugnisse und Verfahren zu deren Herstellung.
21
Polymerschaum enthaltende Gegenstände waren im Prioritätszeitpunkt des Streitpatents bereits bekannt und finden in unterschiedlichen Bereichen, wie beispielsweise in der Luftfahrt, im Fahrzeugbau und auf medizinischem Gebiet , Verwendung.
22
Polymerschaum zeichnet sich dadurch aus, dass er eine geringere Dichte aufweist als die in ihm enthaltende Polymermatrix. Die Reduzierung der Dichte wird mit unterschiedlichen Verfahrensweisen erreicht, so durch die Erzeugung von gasgefüllten Hohlräumen in der Matrix (z.B. mit Hilfe eines Treibmittels) oder durch das Zusetzen polymerer Mikrokugeln (z.B. expandierbarer Mikrokugeln ) oder nichtpolymerer Mikrokugeln (z.B. gläserner Mikrokugeln). Die Streitpatentschrift verweist in diesem Zusammenhang auf die deutsche Offenlegungsschrift 195 31 631 (E01), die ein Verfahren zur Herstellung eines thermoplastischen Polymerschaums mittels Extrusions- oder Spritzgussmaschinen betrifft (Beschr. Abs. 2, 3).
23
In der Streitpatentschrift wird nicht ausdrücklich angegeben, welches technische Problem das Streitpatent betrifft. Die Aufgabenbeschreibung des Patentgerichts nimmt mit dem Hinweis auf die Art und den Zeitpunkt der Expansion der Mikrokugeln im Extruder die erfindungsgemäße Lösung teilweise vorweg. Das dem Streitpatent zugrunde liegende Problem ist allgemeiner darin zu sehen, ein Verfahren zur Verfügung zu stellen, bei dem das Aufschäumen mittels expandierbarer Mikrokugeln unter Einhaltung definierter Bedingungen möglich ist und Erzeugnisse zuverlässig innerhalb enger Fertigungstoleranzen hergestellt werden können.
24
Zur Lösung des Problems schlägt das Streitpatent ein Verfahren mit folgenden Merkmalen vor (die abweichende Merkmalsgliederung des Patentgerichts ist in eckigen Klammern wiedergegeben): 1. Verfahren zur Herstellung eines Polymerschaums durch Bereitstellen 1.1. von mehreren expandierbaren polymeren Mikrokugeln und 1.2. einer geschmolzenen Polymerzusammensetzung (molten polymer composition) [1; 2; 2.1]. 2. Die geschmolzene Polymerzusammensetzung enthält weniger als 20 Gewichtsprozent Lösungsmittel [2.1.1]. 3. Jede expandierbare polymere Mikrokugel umfasst eine Polymerhülle und ein Kernmaterial [2.1.2; 2.1.2.1], das 3.1. aus einem Gas, einer Flüssigkeit oder einer Kombination davon besteht [2.1.2.2] und 3.2. beim Erwärmen expandiert, was zur Expansion der Polymerhülle führt [2.1.2.3]. 4. Die geschmolzene Polymerzusammensetzung und die expandierbaren Mikrokugeln werden schmelzgemischt (melt mixing the molten polymer composition and the plurality of expandable polymeric microspheres) [2.2], wobei die Prozessbedingungen einschließlich Temperatur und Schergeschwindigkeit so gewählt werden, dass eine Zusammensetzung gebildet wird, die 4.1. extrudierbar und 4.2. expandierbar ist [2.2.1; 2.2.2]. 5. Die expandierbare extrudierbare Zusammensetzung wird durch eine Düse extrudiert, um den Polymerschaum zu bilden [2.3].
6. Mehrere der expandierbaren polymeren Mikrokugeln expandieren zumindest teilweise, bevor die expandierbare, extrudierbare Zusammensetzung aus der Düse tritt [2.4].
25
Der mit dem Hauptantrag allein noch verteidigte nebengeordnete Erzeugnisanspruch 15 ist auch in seiner verteidigten Fassung als Product-by-ProcessAnspruch ausgestaltet und dadurch definiert, dass die Erzeugnisse durch das Verfahren nach Patentanspruch 1 erhältlich sind, wobei der Polymerschaum ein Klebstoff ist und die Polymerzusammensetzung ein adhäsives Acryl- oder Methacrylpolymer oder -copolymer enthält.
26
2. Die Auslegung des Patentanspruchs 1, die das Patentgericht seiner Beurteilung der Patentfähigkeit des Gegenstands des Streitpatents zugrunde gelegt hat, ist nicht frei von Rechtsfehlern.
27
a) Das Patentgericht hat eine zusammenhängende Ermittlung der mit Patentanspruch 1 gegebenen technischen Lehre unterlassen und lediglich bei der Prüfung der Neuheit jeweils Ausführungen zum Sinngehalt einzelner Merkmale gemacht. Im Rahmen der Auslegung sind jedoch der Sinngehalt des Patentanspruchs in seiner Gesamtheit und der Beitrag, den die einzelnen Merkmale zum Leistungsergebnis der Erfindung liefern, zu bestimmen (BGH, Urteil vom 3. Juni 2004 - X ZR 82/03, BGHZ 159, 221, 226 - Drehzahlermittlung; Urteil vom 13. Februar 2007 - X ZR 74/05, BGHZ 171, 120 Rn. 18 f. - Kettenradanordnung I; Beschluss vom 17. April 2007 - X ZB 9/06, BGHZ 172, 108 Rn. 13 f. - Informationsübermittlungsverfahren I; Urteil vom 31. Mai 2007 - X ZR 172/04, BGHZ 172, 298 Rn. 38 - Zerfallszeitmessgerät; Urteil vom 29. Juni 2010 - X ZR 193/03, BGHZ 186, 90 Rn. 13 - Crimpwerkzeug III). Die Bestimmung des Sinngehalts eines einzelnen Merkmals muss stets in diesem Kontext erfolgen, aus dem sich ergeben kann, dass dem Merkmal eine andere Bedeutung zukommt als einem entsprechenden Merkmal in einer zum Stand der Technik gehörenden Entgegenhaltung. Denn für das Verständnis entschei- dend ist zumindest im Zweifel die Funktion, die das einzelne technische Merkmal für sich und im Zusammenwirken mit den übrigen Merkmalen des Patentanspruchs bei der Herbeiführung des erfindungsgemäßen Erfolgs hat. Dabei sind Beschreibung und Zeichnungen heranzuziehen, die die technische Lehre des Patentanspruchs erläutern und veranschaulichen und daher nach ständiger Rechtsprechung nicht nur für die Bestimmung des Schutzbereichs (Art. 69 Abs. 1 EPÜ, § 14 PatG), sondern ebenso für die Auslegung des Patentanspruchs heranzuziehen sind, unabhängig davon, ob diese Auslegung die Grundlage der Verletzungsprüfung oder der Prüfung des Gegenstands des Patentanspruchs auf seine Patentfähigkeit ist (BGHZ 186, 90 Rn. 13 - Crimpwerkzeug

III).


28
Entgegen der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung ist es dabei unerheblich, ob die Auslegung zu einem Ergebnis führt, bei dem der Patentanspruch eine unzulässige Erweiterung gegenüber den Ursprungsunterlagen enthält. Ebenso wenig wie der Patentanspruch nach Maßgabe dessen ausgelegt werden darf, was sich nach Prüfung des Standes der Technik als patentfähig erweist (BGH, Urteil vom 24. September 2003 - X ZR 7/00, BGHZ 156, 179, 186 - blasenfreie Gummibahn I), darf er nach Maßgabe des Sinngehalts der Ursprungsunterlagen ausgelegt werden. Grundlage der Auslegung ist vielmehr allein die Patentschrift. Ein Vergleich mit der Veröffentlichung der Patentanmeldung kommt allenfalls dann in Betracht, wenn dies bei Widersprüchen zwischen Beschreibung und Patentanspruch zur Klärung des Umfangs einer bei der Erteilung des Patents oder im Einspruchsverfahren vorgenommenen Beschränkung des geschützten Gegenstands beitragen kann (BGH, Urteil vom 10. Mai 2011 - X ZR 16/09, BGHZ 189, 330 Rn. 25 - Okklusionsvorrichtung; Urteil vom 4. Februar 2010 - Xa ZR 36/08, GRUR 2010, 602 Rn. 20 - Gelenkanordnung).
29
b) Die an diesen Grundsätzen orientierte Auslegung führt zu folgendem Ergebnis:
30
Der Begriff "molten polymer composition" wird im Patentanspruch sowohl in Merkmal 1.2 als auch in Merkmal 4 verwendet. Die wesentlich von dem Verständnis dieser Merkmale abhängige und zwischen den Parteien streitige Frage , ob der Patentanspruch eine Reihenfolge der Verfahrensschritte zum Ausdruck bringt, nach der die expandierten Mikrokugeln einer bereits vor der Beimischung geschmolzenen Polymerzusammensetzung zugesetzt werden, ist entgegen der Auffassung des Patentgerichts und der Klägerin zu bejahen.
31
Schon der Wortlaut des Patentanspruchs macht deutlich, dass die Komponenten des Verfahrens die Mikrokugeln (Merkmal 1.1) und die geschmolzene Polymerzusammensetzung (Merkmal 1.2) sind. Diese Komponenten sollen bereitgestellt werden ("providing"). Die Kennzeichnung der Verfahrensschritte mit den Buchstaben a bis d und ihre sachliche Aufeinanderfolge Bereitstellung - Schmelzmischen - Extrudieren/Expandieren sprechen gegen die Annahme, hiermit sei über die Aufeinanderfolge der Maßnahmen nichts ausgesagt. Bei der Schmelzmischung beider Komponenten (Merkmal 4) soll folgerichtig die Expandierbarkeit erhalten bleiben (Merkmal 4.2); entsprechend müssen die Prozessbedingungen gewählt werden. Erst in der Düse beginnt, bedingt durch den Druckabfall (Beschr. Abs. 64; Abs. 83 der Übers.), die Expansion der Mikrokugeln (Merkmal 6).
32
Die Beschreibung erläutert dies, indem sie ausführt, dass Harzteilchen und Additive (aber nicht die Mikrokugeln) gemischt werden, wobei das Mischen vorzugsweise bei einer Temperatur ausgeführt werde, die für eine Mikrokugelexpansion nicht ausreiche. Es könne jedoch auch eine höhere Temperatur verwendet werden, wobei die Temperatur in diesem Fall im Anschluss an das Mischen und vor dem Eintragen der Mikrokugeln erniedrigt werde (Beschr. Abs. 61; Abs. 80 der Übers.). Erst danach werden Polymerzusammensetzung und Mikrokugeln "schmelzgemischt", wobei Temperatur, Druck und Scherkräfte so eingestellt werden, dass kein Expandieren oder Reißen der Mikrokugeln verursacht wird (Beschr. Abs. 63; Abs. 82 der Übers.). Da die Temperatur hier- nach erforderlichenfalls im Verlaufe des Mischungsprozesses abgesenkt werden soll, um eine vorzeitige Expansion der Mikrokugeln zu vermeiden, andererseits am Ende eine extrudierbare Schmelze stehen soll, wird deutlich, dass - entgegen der Annahme des Patentgerichts - die in dieser Konstellation die Temperatur schon vor Zufügung der Mikrokugeln über dem Schmelzpunkt der Polymerzusammensetzung liegen muss.
33
3. Vor diesem Hintergrund kann die Beurteilung der Neuheit der erfindungsgemäßen Lehre durch das Patentgericht keinen Bestand haben. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist neu (Art. 54 Abs. 1 und 2 EPÜ). Keine der Entgegenhaltungen sieht vor, dass die Mikrokugeln in die geschmolzene Polymermischung gegeben werden.
34
a) Das in der deutschen Offenlegungsschrift 195 31 631 (E01) beschriebene Verfahren sieht vor, dass den zu verarbeitenden Matrixkunststoffen, deren Erweichungs- oder Schmelztemperaturen zwischen 375 K und 450 K liegen können, Komponenten zugemischt werden, die bereits vor dem Erreichen der Temperaturen, bei denen die Expansion der Mikrokugeln unter Normalbedingungen beginnen würde, Schmelzanteile bilden. Durch diese früh gebildeten Schmelzanteile soll der Aufbau von Druck noch vor dem Schmelzen des Matrixkunststoffes ermöglicht und die Expansion der Mikrokugeln im Extruder während der Existenz fester, höherschmelzender Matrixkunststoffanteile wirksam verhindert werden. Daraus ergibt sich, dass die Mikrokugeln dem Matrixkunststoff zu einem Zeitpunkt beigemischt werden, in dem dieser anders als beim Streitpatent noch nicht (vollständig) geschmolzen ist.
35
b) Der RAPRA-Seminarvortrag "Foaming Plastics With Expancel Microspheres" des Produktmanagers des Herstellers Expancel, Klaus Elfving, (E02) befasst sich in erster Linie mit der Frage, welche Art und Menge von Mikrokugeln vorzugsweise zu verwenden sind, um die erwünschten Schaumstrukturen zu erzielen. Zu den Einzelheiten des Herstellungsverfahrens enthält die E02 keine Angaben. Insbesondere sieht die E02 nicht vor, dass die Mikrokugeln einer bereits geschmolzenen Polymerzusammensetzung beizugeben sind.
36
c) Die Veröffentlichung der internationalen Anmeldung WO 96/11226 (E04) betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines thermoplastischen Kunststoffes zur Ruhigstellung und/oder zum Schutz eines Körperteils, bei dem einem thermoplastischen Grundmaterial Mikrokugeln, die ein Schäummittel bilden, als Füllstoff hinzugefügt werden. Die Ansprüche und die Beschreibung der E04 enthalten zwar Angaben sowohl zu den Eigenschaften des thermoplastischen Grundmaterials und der Mikrokugeln bzw. des Schäummittels sowie zum Anteil des Mischverhältnisses als auch zum Ablauf des Extrudiervorgangs und den dabei einzusetzenden Temperaturen. Die E04 sieht jedoch an keiner Stelle vor, dass die Mikrokugeln in eine bereits geschmolzene Polymermischung gegeben werden.
37
d) Ebenso wenig lässt sich ein solcher Verfahrensschritt der japanischen Offenlegungsschrift Hei 10-152575 (E05) entnehmen, die ein Verfahren zum Schäumen und Formen eines thermoplastischen Harzes betrifft. Bereits in der Aufgabenbeschreibung dieser Entgegenhaltung ist davon die Rede, dass ein Verfahren zur Verfügung gestellt werden soll, das das Mischen eines Ausgangsmaterials aus thermoplastischem Harz mit thermisch expandierbaren Mikrokapseln sowie das thermische Kneten und Schmelzen des Gemisches um- fasst (Beschr. Abs. 7). An anderer Stelle wird ausgeführt, dass die Außenhüllen der thermisch expandierbaren Mikrokapseln aus synthetischem Harz weich würden und das Gas oder die Flüssigkeit in den Mikrokapseln expandierten, sobald das thermoplastische Harz des Ausgangsmaterials im Extrusions- oder Spritzgussverfahren thermisch geschmolzen sei (Beschr. Abs. 14). Dies bedeutet , dass die Mikrokapseln bereits vor dem Schmelzen des Harzes beigegeben worden sein müssen.
38
e) Schließlich sieht auch das in dem US-Patent 5 100 728 (E18) beschriebene Verfahren zur Herstellung von Haftklebebändern an keiner Stelle vor, dass die Mikrokugeln einer geschmolzenen Polymermischung zugesetzt werden sollen. In der Beschreibung wird im Zusammenhang mit der Verwendung von Mikrokugeln als Füllstoff lediglich ausgeführt, es sei vorzugswürdig, den Füllstoff, d.h. in diesem Fall die Mikrokugeln, erst am Ende des Extruders zuzugeben (Beschr. Sp. 10 Z. 62-65). Über den Aggregatzustand der Polymermatrix werden dagegen keine Angaben gemacht.
39
4. Entgegen der Annahme des Patentgerichts ist unter Zugrundelegung der oben dargestellten Auslegung der Gegenstand von Patentanspruch 1 durch den ermittelten Stand der Technik nicht nahegelegt (Art. 56 EPÜ). Der Fachmann , gegen dessen Definition durch das Patentgericht keine Bedenken bestehen und die auch von den Parteien hingenommen wird, hatte keine Veranlassung , die aus dem Stand der Technik bekannten Verfahren dahingehend weiterzuentwickeln , dass die Mikrokugeln in eine bereits vollständig geschmolzene Polymermischung zu geben sind.
40
a) Die E02 mag zwar - wie das Patentgericht ausführt - die Anregung geben, Extrudate aus thermoplastischen Polymerzusammensetzungen als Polymermatrix und expandierbaren Mikrokugeln herzustellen. Aus der E02 ergab sich für den Fachmann jedoch keine ausreichende Anregung, zur Lehre des Streitpatents zu gelangen. Als Präsentation des Herstellers der Mikrokugeln befasst sich dieses Dokument vorrangig mit den Eigenschaften und der Funktion der Mikrokugeln. In Bezug auf die Komponente Polymere beschränkt sich die E02 auf die Frage, für welche Arten von Polymeren die ExpancelMikrokugeln als Treib- und Schäummittel gut geeignet sind. Vorgaben zum Aggregatzustand der in Betracht kommenden Polymere werden dagegen nicht gemacht. Ebenso wenig enthält die E02 Ausführungen zu den Einzelheiten des Herstellungsverfahrens. Auch insoweit hat die E02 nur die Mikrokugeln im Blick und führt aus, dass es sich bei der Reaktion der Mikrokugeln im Extrusions- und Spritzgussverfahren um Neuland handle (S. 3, li. Sp.: "… rather untouched ground: EXPANCEL in extrusion and injection molding") und dass die Expansionseigenschaften der Mikrokugeln durch Ausprobieren zu ermitteln seien (S. 4, li. Sp.: "trial and error"). Der Fachmann konnte der E02 mithin nichts entnehmen , das ihm Veranlassung hätte geben können, die Mikrokugeln einer bereits geschmolzenen Polymerzusammensetzung beizugeben.
41
b) Auch aus der Entgegenhaltung E01 ergibt sich für den Fachmann keine ausreichende Anregung, zur Lehre des Patentanspruchs 1 zu gelangen.
42
Diese Schrift, die ein Verfahren zur Herstellung von thermoplastischen Kunststoffschäumen mit syntaktischer Schaumstruktur betrifft, erörtert einleitend die verschiedenen im Stand der Technik auf diesem Gebiet bekannten Verfahren. Sie führt hierzu aus, dass im Stand der Technik davon ausgegangen werde, dass die - unerwünschte - vorzeitige Expansion von Mikrokugeln, die an sich durch die zum Aufschmelzen der Kunststoffe erforderlichen Temperaturen oberhalb der Expansionstemperaturen der Mikrokugeln begünstigt werde, durch den hohen Druck in den Kunststoffverarbeitungsmaschinen unterdrückt werde. Entgegen dieser Annahme sei jedoch der Druckaufbau während der Verarbeitung in der Spritzgussmaschine oder im Extruder nicht in allen Phasen gewährleistet , in denen es zur Expansion der Mikrokugeln kommen könne (Sp. 2 Z. 46-59). Ein für den erforderlichen Druckaufbau hermetischer Abschluss des Extruder- oder Spritzgussmaschinenzylinders könne jedoch nicht erfolgen, solange das Volumen zwischen Schneckenkern und Zylinderwandung noch überwiegend mit festen, unaufgeschmolzenen und gegeneinander bewegten Kunststoffpartikeln gefüllt sei. Vielmehr gewähre erst ein relativ hoher Schmelzanteil zwischen den Feststoffpartikeln den druckfesten Verschluss. Um auch Massenkunststoffe verwenden zu können, deren Schmelz- oder Erweichungstemperaturen im Bereich oder über der Expansionstemperatur der Mikroballons liegen, sieht die Schrift vor, den zu verarbeitenden Matrixkunststoffen, deren Erweichungs - oder Schmelztemperaturen zwischen 375 K und 450 K liegen können, Komponenten zuzumischen, die bereits vor dem Erreichen der Temperaturen, bei denen die Expansion der Mikroballons unter Normalbedingungen beginnen würde, Schmelzanteile bilden. Durch die früh gebildeten Schmelzanteile soll der Aufbau von Druck noch vor dem Schmelzen des - dem druckfesten Verschluss wegen seiner Partikularität entgegenstehenden (Sp. 3 Z. 3-13) - Matrixkunststoffes ermöglicht und die Expansion der Mikroballons im Extruder oder der Spritzgussmaschine während der Existenz fester, höherschmelzender Matrixkunststoffanteile wirksam verhindert und ferner die Einwirkung von Scherkräften auf die Mikrokugeln weitgehend vermieden werden (Sp. 4 Z. 22-39). Nach einer als vorteilhaft dargestellten Ausführungsform sollen gemahlene Matrixkunststoffe verwendet werden, mit denen die nicht expandierten Mikrokugeln und die Zusatzkomponenten vor dem Extrudieren gemischt werden, um so einen hohen Verteilungsgrad der Mikrokugeln im Kunststoff bereits vor der Verarbeitung über die Schmelze zu erreichen (Sp. 4 Z. 48-54). Der Grundgedanke der E01 besteht mithin darin, einer vorzeitigen Expansion der Mikrokugeln aufgrund der zum Aufschmelzen des Polymers erforderlichen Temperatur durch Druckaufbau entgegenzuwirken. Vor diesem Hintergrund bot die E01 dem Fachmann keine Veranlassung, die Mikrokugeln in die bereits geschmolzene Polymermischung zu geben.
43
c) Ebenso wenig ergibt sich aus den Entgegenhaltungen E04, E05 und E18 für den Fachmann eine Anregung zu dem erfindungsgemäßen Verfahren. In keinem dieser Patentdokumente ist von der Zufügung der Mikrokugeln in eine bereits geschmolzene Polymermasse die Rede. Dies gilt insbesondere auch für die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung hervorgehobene Passage in der Beschreibung der E18, wonach es vorzugswürdig sei, die Mikrokugeln erst am Abflussende des Extruders hinzuzufügen (Sp. 10 Z. 62-67). Mit dem Hinzufügen am Abflussende wird bei dem Verfahren nach der E18 nicht das Expansionsverhalten gesteuert, da es sich nicht um expandierende Kugeln handelt. Es ergibt sich mithin lediglich, an welcher Stelle die Mikrokugeln hinzu- zufügen sind. Dass die Polymerzusammensetzung zu diesem Zeitpunkt bereits vollständig geschmolzen sei, lässt sich dieser Aussage dagegen nicht entnehmen und wäre in diesem Kontext auch ohne Belang.
44
III. Das angefochtene Urteil des Patentgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 119 Abs. 1 PatG). Der vom Patentgericht festgestellte Sachverhalt erlaubt nicht die Schlussfolgerung, dass das Streitpatent gegenüber dem Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung unzulässig erweitert worden ist.
45
1. Gemäß Art. II § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IntPatÜbkG ist ein europäisches Patent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären, wenn sein Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht. Der danach maßgebliche Inhalt ist anhand der Gesamtheit der ursprünglich eingereichten Unterlagen zu ermitteln. Er ist nicht auf den Gegenstand der in der Anmeldung formulierten Patentansprüche beschränkt. Entscheidend ist vielmehr, was der mit durchschnittlichen Kenntnissen und Fähigkeiten ausgestattete Fachmann des betreffenden Gebiets der Technik der Gesamtheit der ursprünglichen Unterlagen als zur Erfindung gehörend entnehmen kann (BGH, Urteil vom 24. Januar 2012 - X ZR 88/09, GRUR 2012, 475 Rn. 31 - Elektronenstrahltherapiesystem ; Urteil vom 8. Juli 2010 - Xa ZR 124/07, GRUR 2010, 910 Rn. 46 - Fälschungssicheres Dokument; Urteil vom 22. Dezember 2009 - X ZR 28/06, GRUR 2010, 513 Rn. 29 - Hubgliedertor II).
46
2. Aus den Feststellungen des Patentgerichts ergibt sich nicht, dass der Gesamtheit der ursprünglich eingereichten Unterlagen, deren Inhalt der Veröffentlichung WO 00/06637 entspricht, ein Verfahren, bei dem die Polymerzusammensetzung vor dem Schmelzmischen mit den expandierbaren polymeren Mikrokugeln in bereits geschmolzenem Zustand bereit gestellt wird ("melt mi- xing the molten polymer composition and the plurality of expandable polymeric microspheres" - Merkmal 4), nicht als zur Erfindung gehörend zu entnehmen ist.
47
a) Allerdings hat das Patentgericht zu Recht angenommen, dass dem Text der Anmeldung Merkmal 4 nicht ausdrücklich zu entnehmen ist.
48
aa) Nach Patentanspruch 23 in der Fassung der Anmeldung ist der erste Verfahrensschritt das Schmelzmischen einer Polymerzusammensetzung und mehrerer Mikrokugeln. Eine eindeutige Festlegung dahingehend, dass die Polymerzusammensetzung bei der Zugabe der Mikrokugeln in geschmolzenen Zustand vorliegen müsse, enthält der Wortlaut des Patentanspruchs damit nicht.
49
bb) Ebenso wenig lassen diejenigen Passagen in der Beschreibung der Anmeldung, die den Ablauf des Verfahrens im Einzelnen schildern, für sich genommen eindeutige Rückschlüsse auf die Offenbarung des Merkmals 4 des Verfahrens gemäß Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung zu.
50
b) Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass sich dem Fachmann Merkmal 4 gleichwohl unmittelbar und eindeutig aus dem Zusammenhang der Beschreibung ergibt.
51
aa) Das Patentgericht hat das Vorbringen der Beklagten, aus sämtlichen Ausführungsbeispielen, die Hot-Melt-Polymerzusammensetzungen betreffen, ergebe sich die im erteilten Patent geschützte Verfahrensführung, für unerheblich erachtet, weil weder dem Streitpatent noch den ursprünglichen Unterlagen eine entsprechende stoffliche Einschränkung hinsichtlich der eingesetzten Polymerzusammensetzung etwa auf Hot-Melt-Polymere und eine Einschränkung der Verfahrensführung, insbesondere der Temperatur bei den einzelnen Verfahrensschritten , zu entnehmen sei. Mit dieser Begründung kann jedoch die Offen- barung einer Merkmal 4 umfassenden technischen Lehre nicht ausgeschlossen werden.
52
bb) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist für die Ursprungsoffenbarung des Gegenstands eines Patentanspruchs erforderlich, dass der Fachmann die im Anspruch bezeichnete technische Lehre den Ursprungsunterlagen - "unmittelbar und eindeutig" (BGH, Urteil vom 11. September 2001 - X ZR 168/98, BGHZ 148, 383, 389 - Luftverteiler; Urteil vom 16. Dezember 2008 - X ZR 89/07, BGHZ 179, 168 Rn. 25 - Olanzapin; Urteil vom 8. Juli 2010 - Xa ZR 124/07, GRUR 2010, 910, Rn. 62 - Fälschungssicheres Dokument) - als mögliche Ausführungsform der Erfindung entnehmen kann (Urteil vom 21. September 1993 - X ZR 50/91, Mitt. 1996, 204, 206 - Spielfahrbahn 03; Beschluss vom 11. September 2001 - X ZB 18/00, GRUR 2002, 49, 51 - Drehmomentübertragungseinrichtung ; Urteil vom 18. Februar 2010 - Xa ZR 52/08, GRUR 2010, 599 = BlPMZ 2010, 269, Rn. 22, 24 - Formteil). Dabei hat der Senat zur Vermeidung einer unbilligen Beschränkung des Anmelders bei der Ausschöpfung des Offenbarungsgehalts auch Verallgemeinerungen ursprungsoffenbarter Ausführungsbeispiele zugelassen. Er hat einen "breit" formulierten Anspruch unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Erweiterung jedenfalls dann für unbedenklich erachtet, wenn sich ein in der Anmeldung beschriebenes Ausführungsbeispiel der Erfindung für den Fachmann als Ausgestaltung der im Anspruch umschriebenen allgemeineren technischen Lehre darstellt und diese Lehre in der beanspruchten Allgemeinheit für ihn bereits der Anmeldung - sei es in Gestalt eines in der Anmeldung formulierten Anspruchs, sei es nach dem Gesamtzusammenhang der Unterlagen - als zu der angemeldeten Erfindung gehörend entnehmbar ist (BGH, GRUR 2002, 49, 51 - Drehmomentübertragungseinrichtung ). Solche Verallgemeinerungen sind vornehmlich dann zugelassen worden, wenn von mehreren Merkmalen eines Ausführungsbeispiels, die zusammengenommen, aber auch für sich betrachtet dem erfindungsgemäßen Erfolg förderlich sind, nur eines oder nur einzelne in den Anspruch aufgenom- men worden sind (ständige Rechtsprechung seit BGH, Beschluss vom 23. Januar 1990 - X ZB 9/89, BGHZ 110, 123, 126 - Spleißkammer; zuletzt Urteil vom 24. Januar 2012 - X ZR 88/09, GRUR 2012, 475 Rn. 34 - Elektronenstrahltherapiesystem ). Als zulässig ist jedoch auch die Verallgemeinerung einer chemischen Verbindung angesehen worden (BGH, Urteil vom 18. Dezember 1975 - X ZR 51/72, BGHZ 66, 17, 30 - Alkylendiamine I).
53
cc) Es würde daher für die Offenbarung einer Merkmal 4 umfassenden technischen Lehre genügen, wenn der fachmännische Leser den Hot-MeltPolymerzusammensetzungen betreffenden Ausführungsbeispielen der Ursprungsunterlagen entnähme, dass bei diesen Ausführungsbeispielen die Mikrokugeln einer Polymerschmelze zugegeben werden. Denn in diesem Fall entnähme er den Ursprungsunterlagen damit, dass die Erfindung jedenfalls so ausgeführt werden kann, wie nunmehr in Patentanspruch 1 unter Schutz gestellt. Das angefochtene Urteil schließt ein solches fachmännisches Verständnis nicht aus, sondern legt es vielmehr zugrunde.
54
IV. Das angefochtene Urteil ist somit aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Patentgericht zurückzuverweisen (§ 119 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 PatG). Eine abschließende Sachentscheidung durch den Senat ist nicht angezeigt (§ 119 Abs. 5 PatG).
55
1. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 119 Abs. 5 Satz 2 PatG).
56
a) Der Senat kann aufgrund der Feststellungen des Patentgerichts und des Sach- und Streitstandes am Schluss der mündlichen Verhandlung nicht abschließend beurteilen, ob das Streitpatent wegen unzulässiger Erweiterung für nichtig zu erklären ist. Hierzu bedarf es vielmehr zusätzlicher Feststellungen zu den Kenntnissen des Fachmanns über Beschaffenheit und Eigenschaften der in den Ursprungsunterlagen beschriebenen Hot-Melt-Zusammensetzungen, die der Senat nicht ohne Einholung des Gutachtens eines gerichtlichen Sachverständigen zu treffen vermag.
57
b) Auch über die Patentfähigkeit des Gegenstands des Streitpatents kann nicht abschließend entschieden werden. Zwar erweist sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1, wie ausgeführt, als patentfähig. Ob auch der Gegenstand des Patentanspruchs 15 patentfähig ist, kann aber ohne ergänzende Feststellungen gleichfalls nicht beurteilt werden.
58
Das Patentgericht hat dies - nach seinem Ausgangspunkt folgerichtig - nicht geprüft. Patentanspruch 15 in der im Berufungsverfahren zuletzt verteidigten Fassung beschreibt die geschützte Sache lediglich als adhäsives Acrylatoder Methacrylatpolymer oder -copolymer, das durch das Verfahren nach Patentanspruch 1 erhältlich ist. Die Patentfähigkeit dieses Gegenstands hängt mithin davon ab, ob sich das Ergebnis des Verfahrens durch mindestens ein nicht durch ein nahegelegtes Verfahren erhältliches Sachmerkmal von den Ergebnissen sämtlicher im Stand der Technik bekannter Verfahren unterscheidet. Die Klägerin hat erstinstanzlich unter Bezugnahme auf das Gutachten O. vom 18. März 2011 (G2a) geltend gemacht, dass sich die nach dem Verfahren nach der E01 erhältlichen Erzeugnisse nicht von den erfindungsgemäßen Erzeugnissen unterscheiden. Demgegenüber hat die Beklagte unter Bezugnahme auf das Gutachten S. vom 7. April 2011 (G3) die Aussagekraft des Gutachtens O. beanstandet. Es kann dahinstehen, ob der Senat die Begründetheit dieser Beanstandungen abschließend beurteilen könnte. Jedenfalls stünde damit noch nicht fest, dass die Behauptung der Klägerin nicht gleichwohl zutreffend ist. Auch dies könnte nicht ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens geklärt werden.
59
2. Eine Entscheidung durch den Senat ist auch nicht nach § 119 Abs. 5 Satz 1 PatG angebracht.
60
a) Nach dieser Bestimmung kann der Bundesgerichtshof in der Sache selbst entscheiden, wenn dies sachdienlich ist. In der Begründung des Gesetzentwurfs zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts (BT-Drucks. 16/11339, S. 25) zu dieser Vorschrift wird erläutert, dass der Bundesgerichtshof in einer noch nicht zur Endentscheidung reifen Sache selbst die notwendigen Feststellungen treffen und abschließend in der Sache entscheiden könne, wenn dies im Sinne der Verfahrensökonomie geboten sei. Eine Zurückweisung an das Patentgericht soll vermieden werden, wenn das Verfahren einfacher und schneller in der Berufungsinstanz abschließend erledigt werden kann. Für die Entscheidung der Frage, ob eine wegen fehlender Entscheidungsreife gebotene weitere Sachaufklärung dem Patentgericht übertragen wird oder in dem zu diesem Zweck fortgesetzten Berufungsverfahren vor dem Bundesgerichtshof erfolgt , kommt es mithin in erster Linie darauf an, auf welchem Weg die noch offenen Sachfragen möglichst effizient und zügig geklärt werden können.
61
b) Danach hält der Senat eine Fortsetzung des Berufungsverfahrens nicht für sachdienlich.
62
Die erforderliche Sachaufklärung könnte, wie ausgeführt, im Berufungsverfahren nur mithilfe eines vom Senat zu bestellenden Sachverständigen erfolgen. Hingegen kann der Senat nicht ausschließen, dass das Patentgericht die noch offenen Fragen aufgrund eigener Sachkunde entscheiden kann. Denn die Sachkunde seiner technischen Richter kann dem Patentgericht möglicherweise eine fundierte Auseinandersetzung mit den von den Parteien vorgelegten Gutachten erlauben, die es gestattet, sowohl die Frage der Ursprungsoffenbarung als auch gegebenenfalls die Frage der Patentfähigkeit des Gegenstands des Patentanspruchs 15 ohne Beratung durch einen gerichtlichen Sachverständigen abschließend zu klären. Sollte insbesondere die Beantwortung der Frage, ob und inwieweit sich die Erzeugnisse nach dem Verfahren der E01 von den erfindungsgemäßen unterscheiden, die Einholung des Gutachtens eines gerichtlichen Sachverständigen erfordern, wird es entscheidend darauf ankom- men, welche Randbedingungen bei gegebenenfalls erforderlichen Versuchen zu beachten sind; auch insoweit ist das Patentgericht aufgrund seiner Besetzung mit rechtskundigen und technischen Mitgliedern am besten in der Lage, die Beweiserhebung sachgerecht zu steuern.
63
V. Für die erneute Verhandlung vor dem Patentgericht weist der Senat auf Folgendes hin:
64
1. Bei der Ermittlung des Offenbarungsgehalts der ursprünglichen Unterlagen wird zu prüfen sein, ob aus der Sicht des Fachmanns das Mischen der Harzpartikel und der Additive unter Wärmezufuhr zumindest bei einzelnen Ausführungsbeispielen zwangsläufig zum Schmelzen der Mischung führt, bevor die Mikrokugeln zugegeben werden (S. 16 Z. 12-17). Nach der Darstellung des Ablaufs des Extrusionsverfahrens in der Beschreibung der Anmeldung wird zunächst das Polymerharz, das in jeder beliebigen geeigneten Form, wie beispielsweise als Granulat, Fäden oder Stränge verwendet werden kann, in den Extruder gegeben, um es zu erweichen und in kleine, zur Extrusion geeignete Teile zu zermahlen (S. 16 Z. 4-8). Beim folgenden Verfahrensschritt werden in den Fällen, in denen den Harzpartikeln noch weitere Additive zugefügt werden, die Komponenten mit Ausnahme der Mikrokugeln in einen zweiten Extruder gegeben, um sie in der Knetzone des Extruders zu vermischen. Hierbei wird für den Mischvorgang angegeben, bei welcher Temperatur er vorzugsweise durchgeführt werden soll. Als Parameter für die Temperatur wird lediglich die Expansion der Mikrokugeln genannt: die vorzuziehende Temperatur soll unter derjenigen liegen, die zur Expansion der Mikrokugeln führt. Wird die Temperatur höher gewählt, was nach der Beschreibung möglich ist, muss sie nach dem Mischen und vor dem Beifügen der Mikrokugeln wieder heruntergesetzt werden. Zu der Frage, wie sich die Temperatur auf die Polymermischung auswirkt bzw. auswirken soll, nämlich, dass diese schmelzen soll, enthält die Beschreibung der Anmeldung an dieser Stelle keine Aussage. Es fehlt insbesondere die Angabe, dass die Erwärmung auch ein Aufschmelzen der Polymerzusammensetzung bewirkt haben muss, bevor die Mikrokugeln zugegeben werden. Möglicherweise führt aber aus der Sicht des Fachmanns dieser Verfahrensschritt zwangsläufig zum Schmelzen der Mischung, bevor die Mikrokugeln zugegeben werden.
65
2. Auf Seite 5 (Z. 8 und Z. 23) der Beschreibung wird wie in Patentanspruch 23 in der Fassung der Anmeldung ausgeführt, dass eine Polymerzusammensetzung mit den Mikrokugeln schmelzgemischt wird, so dass auch der Verfahrensschritt des Schmelzmischens Aufschluss darüber geben könnte, ob die Merkmale 1.2 und 4 des Patentanspruchs 1 bereits in den Anmeldeunterlagen offenbart sind. Bei der Darstellung des Verfahrensablaufs ist nämlich erstmals bei diesem Verfahrensschritt von einem geschmolzenen Polymerharz die Rede (S. 16 Z. 27 der Beschreibung der Anmeldung). Sind die Harzpartikel und Additive gut gemischt, werden die expandierbaren Mikrokugeln dieser Mischung zugefügt, wobei die Beschreibung zur Bezeichnung dieser Mischung allerdings lediglich den Begriff "resulting mixture" verwendet und an dieser Stelle gerade nicht von einer "molten mixture" spricht. Jedoch wird der Begriff "molten polymer resin" im Zusammenhang mit der Beschreibung des Zwecks des Schmelzmischens verwendet, der darin bestehen soll, eine expandierbare und extrudierbare Zusammensetzung herzustellen, in der die expandierbaren polymeren Mikrokugeln und andere Additive gleichmäßig in dem geschmolzenen Polymerharz verteilt sind (S. 26 Z. 22-27 der Beschreibung der Anmeldung). Zu prüfen wird daher sein, ob dieser Stelle vor dem Hintergrund des allgemeinen Fachwissens entnommen werden kann, dass die Polymermasse bereits geschmolzen vorliegt, wenn die Mikrokugeln beigegeben werden.
66
3. Hingegen würde es für eine Ursprungsoffenbarung des Merkmals 4 nicht genügen, wenn sich bei der Nacharbeitung von Ausführungsbeispielen der Ursprungsunterlagen zwar objektiv ergäbe, dass die Polymerzusammensetzung bereits in einem geschmolzenen Zustand vorliegt, wenn die Mikrokugeln beige- geben werden, dies aber für den Fachmann anhand der Ursprungsunterlagen nicht ohne weiteres erkennbar wäre.
67
Denn zwar bestehen, wie ausgeführt, gegen eine allgemeinere, von für ein Ausführungsbeispiel dargestellten Einzelheiten abstrahierende Formulierung eines Patentanspruchs keine grundsätzlichen Bedenken. Eine solche Abstraktion ist jedoch dann nicht mehr durch die Ursprungsoffenbarung gedeckt, wenn mit der allgemeinen Formulierung auf eine als solche nicht genannte oder für den Fachmann ohne Weiteres erkennbare Eigenschaft des Gegenstands der Erfindung abgehoben wird. Wäre für den Fachmann nicht erkennbar, dass jedenfalls bei Ausführungsbeispielen die Mikrokugeln der Polymerschmelze zugegeben werden, enthielte Merkmal 4 ein Unterscheidungskriterium für die Wahl einer zur Erzielung des erfindungsgemäßen Erfolgs geeigneten Verfahrensführung , das in den Prioritätsunterlagen weder offenbart noch diesen als zur Erfindung gehörend zu entnehmen wäre.
Meier-Beck Keukenschrijver Mühlens
Grabinski Bacher Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 14.04.2011 - 3 Ni 28/09 (EU) -

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Der Schutzbereich des Patents und der Patentanmeldung wird durch die Patentansprüche bestimmt. Die Beschreibung und die Zeichnungen sind jedoch zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen.

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(1) Das Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents oder des ergänzenden Schutzzertifikats oder wegen Erteilung oder Rücknahme der Zwangslizenz oder wegen der Anpassung der durch Urteil festgesetzten Vergütung für eine Zwangslizenz wird dur

Gesetz über internationale Patentübereinkommen - IntPatÜbkG | § 6 Das Deutsche Patent- und Markenamt als ausgewähltes Amt


(1) Hat der Anmelder zu einer internationalen Anmeldung, für die das Deutsche Patent- und Markenamt Bestimmungsamt ist, beantragt, daß eine internationale vorläufige Prüfung der Anmeldung nach Kapitel II des Patentzusammenarbeitsvertrags durchgeführt

Patentgesetz - PatG | § 119


(1) Ergibt die Begründung des angefochtenen Urteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Berufung zurückzuweisen. (2) Insoweit die Berufung für begründet erachtet wir

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(1) Ergibt die Begründung des angefochtenen Urteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Berufung zurückzuweisen.

(2) Insoweit die Berufung für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen wird.

(3) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Patentgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Nichtigkeitssenat erfolgen.

(4) Das Patentgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(5) Der Bundesgerichtshof kann in der Sache selbst entscheiden, wenn dies sachdienlich ist. Er hat selbst zu entscheiden, wenn die Sache zur Endentscheidung reif ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 82/03 Verkündet am:
3. Juni 2004
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
Drehzahlermittlung
PatG § 14; EPÜ Art. 69 Abs. 1
Die tatrichterliche Feststellung, welchen Sinngehalt der vom Klagepatent angesprochene
Fachmann den Merkmalen des Patentanspruchs entnimmt, hat stets
den Gesamtzusammenhang des Patentanspruchs in den Blick zu nehmen.
Feststellungen zum Inhalt einzelner Merkmale dienen nur dazu, schrittweise
den allein maßgeblichen Wortsinn des Patentanspruchs als einer Einheit zu
ermitteln.
PatG §§ 10, 33 Abs. 1; IntPatÜG Art. II § 1 Abs. 1
Wer lediglich anderen im Sinne des § 10 PatG Mittel liefert, die sich auf ein wesentliches
Element der Erfindung beziehen, ist zu einer angemessenen Entschädigung
für die Benutzung des Gegenstandes der Patentanmeldung nicht
verpflichtet.
BGH, Urt. v. 3. Juni 2004 - X ZR 82/03 - OLG Karlsruhe
LG Mannheim
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 3. Juni 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter
Scharen, die Richterin Mühlens und die Richter Dr. Meier-Beck und Asendorf

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 14. Mai 2003 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Mannheim vom 26. Juli 2002 wird zurückgewiesen, soweit das Landgericht die Klageanträge auf Verurteilung zur Rechnungslegung für den Zeitraum vom 23. Februar 1991 bis zum 13. November 1993 sowie auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung abgewiesen hat.
Im übrigen wird der Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Patentverletzung in Anspruch. Sie ist eingetragene Inhaberin des deutschen Teils des am 1. Juni 1990 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 15. Juli 1989 angemeldeten europäischen Patents 408 877 (Klagepatents). Die Veröffentlichung der Patentanmeldung ist am 23. Januar 1991, die Bekanntmachung des Hinweises auf die Patenterteilung am 13. Oktober 1993 erfolgt.
Der mit der Klage geltend gemachte Patentanspruch 1 sowie der Patentanspruch 2 lauten:
"1. Verfahren zur Ermittlung der Drehzahl einer Brennkraftmaschine (10) mit bekannter Zylinderzahl, die mit vorgegebenem Übersetzungsverhältnis einen Generator (11) antreibt, mit einer signalverarbeitenden Anordnung (13 - 21), welche die Drehzahl aus einem am Generator (11) oder an einer Last auftretenden Signal (UB) ermittelt, das einen ersten Signalanteil (F1) enthält, der einem Wechselspannungsanteil der vom Generator (11) erzeugten Spannung entspricht, und welche einen zweiten, niederfrequenteren Signalanteil (F2) ermittelt, der durch die diskontinuierliche Arbeitsweise der Brennkraftmaschine, bedingt durch die Verbrennung in den einzelnen Zylindern, verursacht ist, wobei der erste Signalanteil (F1) mit dem zweiten Signalanteil (F2) frequenzmoduliert ist, und welche das Übersetzungsverhältnis zwischen Brennkraftmaschine (10) und Generator (11) aus dem Verhältnis der Frequenz des ersten Signalanteils (F1) und der Frequenz des zweiten Signalanteils (F2) bestimmt. 2. Verfahren nach Anspruch 1, mit einem FM-Demodulator zum Ermitteln der Frequenz des zweiten, niederfrequenteren Signalanteils (F2) aus dem ersten Signalanteil (F1)."
Die Beklagte vertreibt unter der Bezeichnung "G. " Drehzahlmesser für Benzin- und Dieselmotoren, die sie von ihrer Streithelferin bezieht und die nach Meinung der Klägerin das Klagepatent mittelbar verletzen. Ihre Klage gegen die Streithelferin der Beklagten aus dem französischen Teil des europäischen Patents wurde durch Urteil des Tribunal de Grande Instance de Paris vom 21. Mai 2002 rechtskräftig abgewiesen.
Das Landgericht hat die Klage ebenfalls abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung und zur Rechnungslegung verurteilt und ihre Verpflichtung zum Schadensersatz sowie zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung festgestellt.
Hiergegen richtet sich die - vom Senat zugelassene - Revision der Beklagten , mit der sie den Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, zur Abweisung des geltend gemachten Entschädigungsanspruchs und, soweit auf diesen rückbezogen, des Rechnungslegungsanspruchs und im übrigen zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Klagepatent betrifft ein Verfahren zur Ermittlung der Drehzahl einer Brennkraftmaschine mit bekannter Zylinderzahl.

1. Die Patentschrift bezeichnet es als allgemein bekannten Stand der Technik, die an einer Zündspule einer fremdgezündeten Brennkraftmaschine auftretenden Impulse in ein Drehzahlsignal umzuwandeln und anzuzeigen. Diese einfache Möglichkeit der Drehzahlerfassung sei jedoch bei Dieselmotoren nicht anwendbar.
Aus der europäischen Patentanmeldung 315 357 sei eine Vorrichtung bekannt, die ein Signal abgebe, das ein Maß für die Drehzahl einer Brennkraftmaschine sei. Die Vorrichtung enthalte eine signalverarbeitende Anordnung, die das Maß für die Drehzahl aus einem mehrere elektrische Komponenten enthaltenden Bordnetz ableite. Hingewiesen sei insbesondere auf die zum Zünden der Brennkraftmaschine vorgesehene Zündanlage, die den Zündimpulsen der Brennkraftmaschine entsprechende Störimpulse erzeuge, die zum Ableiten eines Signals als Maß für die Drehzahl der Brennkraftmaschine besonders geeignet sei. Jedoch sei es mit der bekannten Vorrichtung nicht ohne weiteres möglich, die tatsächliche Drehzahl anzugeben.
Daraus ergibt sich das dem Klagepatent zugrundeliegende technische Problem, ein einfaches und auch für Dieselmotoren geeignetes Verfahren zur Ermittlung der tatsächlichen Drehzahl einer Brennkraftmaschine mit bekannter Zylinderzahl bereitzustellen.
Dieses Problem soll durch ein Verfahren mit folgenden Merkmalen gelöst werden:
1. Das Verfahren dient zur Ermittlung der Drehzahl einer Brennkraftmaschine mit bekannter Zylinderzahl, die mit vorgegebenem Übersetzungsverhältnis einen Generator antreibt [Merkmale a/b].
2. Das Verfahren bedient sich einer signalverarbeitenden Anordnung [Merkmal c].
3. Die Anordnung ermittelt die Drehzahl aus einem am Generator oder an einer Last auftretenden Signal UB [Merkmal d].
4. Das Signal UB enthält
4.1 einen ersten (höherfrequenten) Signalanteil F1, der einem Wechselspannungsanteil der vom Generator erzeugten Spannung entspricht [Merkmal e], und
4.2 einen zweiten, niedererfrequenten Signalanteil F2, der durch die diskontinuierliche Arbeitsweise der Brennkraftmaschine (bedingt durch die Verbrennung in den einzelnen Zylindern) verursacht ist (und gleichfalls ermittelt wird) [Merkmal f],
4.3 wobei der erste Signalanteil F1 mit dem zweiten Signalanteil F2 frequenzmoduliert ist [Merkmal g].
5. Die Anordnung bestimmt das Übersetzungsverhältnis zwischen Brennkraftmaschine und Generator aus dem Verhältnis der Frequenzen der Signalanteile F1 und F2 [Merkmal h].
Die Abweichung von der Merkmalsgliederung des Berufungsgerichts, das sich darauf beschränkt hat, in den Text des Patentanspruchs zur Gliederung die Buchstaben a bis h einzufügen, die vorstehend in eckigen Klammern hinzugefügt sind, dient der Verdeutlichung des nachfolgend noch zu erörternden Zusammenhangs zwischen den Einzelmerkmalen.
2. Zum Verständnis des Patentanspruchs führt das Berufungsgericht aus: Merkmal 4.3 sehe vor, daß der erste Signalanteil (F1) mit dem zweiten Signalanteil (F2) frequenzmoduliert sei. Aus dem Gesamtzusammenhang des Patents ergebe sich dabei, daß es sich bei F1 und F2 jeweils um Signalanteile des Signals UB handele, wobei F1 den höher- und F2 den niedererfrequenten Signalanteil bezeichne. Aus dem Verhältnis dieser beider Signalanteile zueinander lasse sich das Übersetzungsverhältnis zwischen Brennkraftmaschine und Generator bestimmen, das wiederum Rückschlüsse auf die Drehzahl ermögliche. Um diese Berechnungen zu ermöglichen, sehe Patentanspruch 1 zunächst vor, die beiden "Frequenzanteile" zu ermitteln. Im Hinblick auf F2 ergebe sich die Anweisung, diesen "Frequenzanteil" zu ermitteln, aus Merkmal 4.2. Der Hauptanspruch enthalte jedoch keine Aussage zu der Frage, auf welche Weise F2 ermittelt werden solle. Vielmehr sei die Frage eines geeigneten Verfahrens zur Ermittlung von F2 erst Gegenstand des ersten Unteranspruchs. Das Verhältnis zwischen Hauptanspruch und Unteranspruch lasse sich daher zugespitzt dahingehend beschreiben, daß der Hauptanspruch in Merkmal 4.2 lediglich das "Ermittlungsergebnis" - nämlich die Gewinnung von F2 - zum Gegenstand ha-
be, während sich der Unteranspruch darauf aufbauend mit dem "Ermittlungsverfahren" - nämlich der Art und Weise der Gewinnung von F2 - befasse. Innerhalb dieser Aufgabenstellung des Hauptanspruchs bestehe die Funktion des Merkmals 4.3 allein darin, das "Ermittlungsergebnis" F2 durch Erläuterung seiner Beziehung zu F1 näher zu definieren. Diese nähere Definition erfolge dadurch, daß F1 mit F2 frequenzmoduliert sein solle. Allein das bloße objektive Bestehen dieser Beziehung - nämlich der Frequenzmodulation - zwischen den "Frequenzanteilen" reiche nach dem eindeutigen Wortlaut aus, um die Voraussetzungen des Merkmals 4.3 zu erfüllen.
3. Diese Ausführungen bieten keine ausreichende Grundlage für die Prüfung der Verletzungsfrage.
Das Berufungsgericht erläutert nicht, was es unter dem vom Klagepatent nicht verwendeten Begriff der "Frequenzanteile" versteht. Möglicherweise handelt es sich nur um einen anderen Ausdruck für die durch die Merkmale 4.1 bis 4.3 definierten Signalanteile F1 und F2 des am Generator auftretenden Signals UB. Bei diesem Verständnis bestünde nicht notwendigerweise ein Widerspruch zu den Feststellungen des Landgerichts, das angenommen hat, Merkmal 4.3 setze voraus, daß das Übersetzungsverhältnis zwischen Brennkraftmaschine und Generator durch die Auswertung eines Signals bestimmt werde, das aus dem Signalanteil F1 bestehe, der mit dem Signalanteil F2 frequenzmoduliert sei; der Fachmann verstehe dieses Merkmal dahin, daß die Messung des niederfrequenten Signalanteils (F2) sich den Umstand zunutze mache, daß dieser die Hochfrequenzkomponente (F1) moduliere, und daß das Übersetzungsverhältnis zwischen Brennkraftmaschine und Generator aus dem Verhältnis zweier Signalanteile bestimmt werde, deren besondere Eigenschaft "ihr frequenzmodu-
liertes Verhältnis zueinander" (gemeint: die Frequenzmodulation des einen Signalanteils mit dem anderen) sei. Gegen ein übereinstimmendes Verständnis beider Tatsacheninstanzen spricht jedoch die Bemerkung des Berufungsgerichts , das bloße objektive Bestehen der Frequenzmodulation reiche nach dem eindeutigen Wortlaut aus, um die Voraussetzungen des Merkmals 4.3 zu erfüllen. Das läßt es als möglich erscheinen, daß das Berufungsgericht den Patentanspruch dahin verstanden hat, das erfindungsgemäße Verfahren verlange keine Ermittlung des den Signalanteil F1 frequenzmodulierenden Signalanteils F2, sofern nur ein niederfrequenter Signalanteil erfaßt wird, der durch die diskontinuierliche Arbeitsweise der Brennkraftmaschine verursacht ist.
Ein eindeutiges Bild läßt sich insoweit schon deshalb nicht gewinnen, weil das Berufungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen hat, wie der Fachmann die Lehre des Patentanspruchs insgesamt versteht. Infolgedessen bilden seine - zudem unklaren - Ausführungen zu Merkmal 4.3 keine taugliche Grundlage für die Auslegung des Anspruchs. Da die Parteien darüber streiten, ob mit der angegriffenen Ausführungsform ein Verfahren mit den Merkmalen 4.2 bis 5 verwirklicht wird, bedarf es jedoch einer solchen Auslegung und als deren Grundlage nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zunächst der tatrichterlichen Feststellung, welchen technischen Sinngehalt der vom Klagepatent angesprochene Fachmann mit den Merkmalen des Patentanspruchs im einzelnen und in ihrer Gesamtheit verbindet (BGHZ 105, 1, 10 - Ionenanalyse; BGHZ 150, 149, 153 - Schneidmesser I; Sen.Urt. v. 28.6.2000 - X ZR 128/98, GRUR 2000, 1005, 1006 - Bratgeschirr). Diese Feststellungen können sich, wie es beide Tatrichter getan haben, gegebenenfalls auf die zwischen den Parteien "streitigen" Merkmale konzentrieren. Dabei darf jedoch der Gesamtzusammenhang des Patentanspruchs nicht aus dem Auge verloren
werden, da Feststellungen zum Inhalt einzelner Merkmale stets nur dazu dienen , schrittweise den allein maßgeblichen Wortsinn des Patentanspruchs als einer Einheit zu ermitteln.
Merkmal 4.3 enthält - isoliert betrachtet - keine Anweisung an den Fachmann , sondern beschreibt den durch die Gesetze der Physik vorgegebenen Sachverhalt, daß der Signalanteil F1 des am Generator auftretenden Signals UB (Merkmal 3), welcher einem Wechselspannungsanteil der vom Generator erzeugten Spannung entspricht (Merkmal 4.1), mit dem zweiten Signalanteil F2 frequenzmoduliert ist, welcher durch die diskontinuierliche Arbeitsweise der Brennkraftmaschine verursacht ist (Merkmal 4.2) und daher notwendigerweise am Generator auftreten muß. Eine solche isolierte Betrachtung des Merkmals 4.3 ist jedoch verfehlt. Isoliert betrachtet enthalten die Merkmale 4.1 bis 4.3 sämtlich der Ermittlung der Drehzahl vorgegebene physikalische Tatbestände. Maßgeblich ist jedoch, welche Bedeutung ihnen der Fachmann im Zusammenhang der technischen Lehre beimißt, die der Patentanspruch dem Fachmann vermitteln will. Ihren Sinn beziehen die Merkmale 4.1 bis 4.3 daraus, daß sie eine nähere Definition des Signals UB enthalten, aus dem nach Merkmal 3 die Drehzahl ermittelt wird. Welche Bedeutung der Fachmann in diesem Zusammenhang der Frequenzmodulation im Sinne des Merkmals 4.3 beimißt, hat das Berufungsgericht nicht geklärt.
II. Schon deswegen hält auch die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte verletze mittelbar das Klagepatent, da bei bestimmungsgemäßem Gebrauch der angegriffenen Ausführungsform das erfindungsgemäße Verfahren benutzt werde, der Nachprüfung nicht stand. Solange der technische Sinngehalt eines Patentanspruchs nicht feststeht, läßt sich nicht darüber urteilen, ob
er von einer angegriffenen Ausführungsform verwirklicht wird. Darüber hinaus rügt die Revision zu Recht die Feststellungen des Berufungsgerichts zur Arbeitsweise der angegriffenen Ausführungsform als rechtsfehlerhaft.
1. Die von ihm angenommene Verwirklichung des erfindungsgemäßen Verfahrens hat das Berufungsgericht wie folgt begründet:
Die Parteien stimmten aufgrund zutreffender patentrechtlicher Überlegungen darin überein, daß die angegriffene Ausführungsform von den Merkmalen 1, 2 und 4.1 Gebrauch mache. Entgegen der Auffassung des Landgerichts werde aber auch Merkmal 4.3 verwirklicht. Auch die angegriffene Ausführungsform ermittele nämlich wie das Klagepatent den niederfrequenten Signalanteil F2. Dies ergebe sich aus der Einlassung der Beklagten in der Klageerwiderung. Dort führe die Beklagte aus, daß zur Berechnung des Übersetzungsverhältnisses zwischen Brennkraftmaschine und Generator die vom Generator erzeugte Frequenz F1 und die Frequenz F2 der Verbrennungen des Motors bestimmt werden müßten. Im Klagepatent werde versucht, die Frequenz der Verbrennungen aus den regelmäßigen Schwankungen der Generatorfrequenz zu bestimmen, wobei als Ausgangsinformation auf die Modulationsfrequenz der vom Generator erzeugten Hochfrequenz zurückgegriffen werde. Mit den angegriffenen Meßgeräten werde demgegenüber versucht, die Frequenz F2 aus einem in der Klageerwiderung zuvor beschriebenen "Vorgang 3" zu berechnen, nämlich aus einer Spannungsänderung an den Batterieklemmen unter Ausschluß der Hochfrequenz des Generators. Die Frequenz F2 werde durch Unterdrückung der Generator-Hochfrequenzkomponente des Signals berechnet, während im Klagepatent versucht werde, die Frequenz F2 durch Aufsuchen der die Generatorfrequenz F1 modulierenden Frequenz zu bestimmen.

Aus dieser Einlassung der Beklagten ergebe sich unmißverständlich - so meint das Berufungsgericht, daß entgegen dem mündlichen Vortrag der Beklagten in der Berufungsverhandlung sowohl im Klagepatent als auch in der angegriffenen Ausführungsform derselbe niederfrequente Signalanteil F2 ermittelt werde. Der Sinngehalt der Einlassung der Beklagten in der Klageerwiderung bestehe allein darin nachzuweisen, daß diese Frequenz F2 bei der angegriffenen Ausführungsform aufgrund eines anderen "Ermittlungsverfahrens" gewonnen werde als im Klagepatent. Das "Ermittlungsergebnis" - nämlich der niederfrequente Signalanteil F2 - sei hingegen bei den Meßverfahren beider Parteien identisch. Nachdem somit bei beiden Meßverfahren identische Signalanteile, nämlich F1 und F2, verwendet würden, sei auch deren Beziehung zueinander in beiden Fällen denknotwendig identisch, so daß auch bei der angegriffenen Ausführungsform das physikalische Phänomen einer Frequenzmodulation vorliege. Die nachträgliche Änderung der Einlassung der Beklagt en nach der ersten mündlichen Verhandlung erster Instanz sowie in der Berufungserwiderung, nach der die angegriffene Ausführungsform nicht den Signalanteil F2 verwende, sondern eine Frequenzkomponente F3, die im Zusammenhang mit der Variation der Gleichspannung stehe und nicht mit dem Signalanteil F1 frequenzmoduliert sei, könne nicht berücksichtigt werden, da die ursprüngliche Sachverhaltsdarstellung ein Geständnis der Beklagten darstelle, das in der ersten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Wirksamkeit erlangt habe und nicht wirksam widerrufen worden sei.
Auch die Merkmale 3, 4.2 und 5 würden von der angegriffenen Ausführungsform verwirklicht. Mit der Widerlegung der Einwände der Beklagten gegen
die Verwirklichung des Merkmals 4.3 sei auch dem Vortrag der Beklagten zu diesen Merkmalen des Patentanspruchs die Grundlage entzogen.
2. Diese Beurteilung ist in zweifacher Hinsicht von Rechtsfehlern beeinflußt.

a) Das Landgericht hat als unstreitig festgestellt, daß das angegriffene Meßgerät das Übersetzungsverhältnis zwischen Brennkraftmaschine und Generator aus dem Verhältnis des hochfrequenten Signalanteils F1 des am Generator auftretenden Signals und einem von der Beklagten als F3 bezeichneten (niederfrequenten) "Wert" (Signalanteil) bestimmt, der sich aus Veränderungen der Spannungsamplitude an den Anschlußklemmen der Batterie ergibt. Das stimmt im übrigen überein mit dem schriftsätzlichen Vorbringen beider Parteien. So hat etwa die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 5. November 2001 unter Bezugnahme auf die Ergebnisse eines in Frankreich durchgeführten Procèsverbal de constat erläutert, daß sich bei der angegriffenen Ausführungsform ein Gesamtsignal ergebe, das eine Amplitudenmodulation aufweise, die durch die niederfrequente Signalkomponente F3 mit der Frequenz 20 Hz gegeben sei; das angegriffene Gerät spreche auf diese Amplitudenmodulation an. Im Schriftsatz vom 2. Oktober 2001 hat die Klägerin übereinstimmend damit ausgeführt, daß das Gerät der Beklagten offensichtlich frequenzmodulierte Signale nicht auswerte.
Die Feststellung des Landgerichts hatte, wie die Revision zu Recht rügt, grundsätzlich auch das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde zu legen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Mit ihr ist es jedoch unvereinbar, wenn das Beru-
fungsgericht meint, daß bei der angegriffenen Ausführungsform der (den Signalanteil F1 frequenzmodulierende) Signalanteil F2 ermittelt werde.
Sofern das Berufungsgericht Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellung des Landgerichts gehabt haben sollte, hatte es den Sachverhalt erneut festzustellen. In diesem Fall war ihm jedoch der Rückgriff auf das vom Berufungsgericht angenommene erstinstanzliche Geständnis der Beklagten verschlossen, da ein solches seine Wirksamkeit dadurch verloren hatte, daß die Parteien den abweichenden vom Landgericht festgestellten Sachverhalt in erster Instanz übereinstimmend vorgetragen haben. Denn § 288 Abs. 1 ZPO bestimmt lediglich, daß die von einer Partei behaupteten Tatsachen insoweit keines Beweises bedürfen, als sie im Laufe des Rechtsstreits von dem Gegner bei einer mündlichen Verhandlung zugestanden sind. Ein Geständnis ist daher ohne Wirkung, wenn die zugestandene Tatsache von der anderen Partei nicht (mehr) behauptet wird (vgl. Prütting in MünchKomm./ZPO, 2. Aufl., § 288 Rdn. 32; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 21. Aufl., § 288 Rdn. 19). Eine andere Beurteilung käme gemäß § 535 ZPO nur dann in Betracht, wenn das Landgericht zu Unrecht von einem unstreitigen Sachverhalt ausgegangen wäre; derartiges hat das Berufungsgericht jedoch nicht festgestellt.

b) Im übrigen ist dem Vorbringen der Beklagten in der Klageerwiderung das vom Berufungsgericht darin gesehene Geständnis auch nicht zu entnehmen , wie das Revisionsgericht selbst beurteilen kann (BGHZ 140, 156, 157). Die Beklagte hat nämlich den Sachverhalt auch in der Klageerwiderung nicht anders dargestellt, als ihn das Landgericht festgestellt hat und als ihn das Berufungsgericht der Berufungserwiderung entnimmt. Das Berufungsgericht mißversteht vielmehr die Sachdarstellung in der Klageerwiderung, indem es aus
dem Umstand, daß die Frequenz der Schwankungen der Amplitude mit der Frequenz des Signalanteils F2 übereinstimmt, schlußfolgert, daß die Beklagte den Signalanteil F2 im Sinne des Klagepatents meine, wo sie von der Ermittlung der "Frequenz F2" der Verbrennungen des Motors spricht. Das Berufungsgericht setzt hierbei - ähnlich wie möglicherweise bei dem bei der Erläuterung der patentgemäßen Lehre verwendeten Begriff der "Frequenzanteile" - den den Signalanteil F1 frequenzmodulierenden Signalanteil F2 des Signals UB unzulässigerweise kurzerhand mit seiner Frequenz gleich.
III. Der Rechtsstreit ist nur teilweise zur Endentscheidung reif.
1. Da das Berufungsgericht keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen hat, welche technische Lehre der Fachmann Patentanspruch 1 des Klagepatents in seiner Gesamtheit entnimmt und ob diese Lehre mit der angegriffenen Vorrichtung verwirklicht werden kann, muß dies in einem neuen Berufungsverfahren nachgeholt werden. Dabei wird das Berufungsgericht zu erwägen haben, ob es der Beratung durch einen Sachverständigen bedarf.
2. Dagegen ist die Klage aus Rechtsgründen abweisungsreif, soweit die Klägerin die Beklagte nach Art. II § 1a Abs. 1 IntPatÜG auf Leistung einer angemessenen Entschädigung und zur Vorbereitung der Bezifferung dieses Anspruchs auf Rechnungslegung in Anspruch nimmt.
Nach Art. II § 1 Abs. 1 IntPatÜG kann der Anmelder einer veröffentlichten europäischen Patentanmeldung, mit der für die Bundesrepublik Deutschland Schutz begehrt wird, eine den Umständen nach angemessene Entschädigung von demjenigen verlangen, der den Gegenstand der Anmeldung benutzt hat,
obwohl er wußte oder wissen mußte, daß die von ihm benutzte Erfindung Gegenstand der europäischen Patentanmeldung war. Daß die Beklagte den Gegenstand der Anmeldung, das erfindungsgemäße Verfahren, angewendet oder zur Anwendung im Inland angeboten hätte (§ 9 Satz 2 Nr. 2 PatG), hat das Berufungsgericht nicht festgestellt; die Revisionsbeklagte erhebt insoweit auch keine Gegenrügen. Damit scheidet aber eine Benutzung der angemeldeten Erfindung im Sinne des Art. II § 1 IntPatÜG durch die Beklagte aus. Der Umstand, daß die Beklagte Drehzahlmesser vertrieben hat, welche gegebenenfalls als Mittel anzusehen sind, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen und zur Benutzung der Erfindung geeignet sowie von ihren Abnehmern bestimmt gewesen sind, rechtfertigt einen Entschädigungsanspruch gegenüber der Beklagten nicht.
Der Anspruch aus Art. II § 1 Abs. 1 IntPatÜG richtet sich ebenso wie der entsprechende Anspruch aus § 33 Abs. 1 PatG (nur) gegen denjenigen, der den Gegenstand der Anmeldung benutzt. Das ist derjenige, der im Sinne des § 9 PatG ein entsprechendes Erzeugnis herstellt, anbietet, in den Verkehr bringt oder gebraucht oder zu diesem Zwecke einführt oder besitzt oder das angemeldete Verfahren anwendet. Nur er benutzt denjenigen immateriellen Schutzgegenstand , auf den sich das Recht auf das Patent (§ 6 PatG) richtet, der nach Patenterteilung durch den Patentanspruch umschrieben wird und dessen Benutzung dem Patentinhaber vorbehalten ist. Zwar existiert ein in diesem Sinne verbindlicher Patentanspruch bis zur Patenterteilung nicht. Da jedoch der Entschädigungsanspruch rückwirkend entfällt, soweit das Patent nicht erteilt, widerrufen oder für nichtig erklärt wird (Art. 67 Abs. 4, 68 EPÜ; §§ 58 Abs. 2, 21 Abs. 3, 22 Abs. 2 PatG), ist der Entschädigungsanspruch der Sache nach ebenso an den Patentanspruch gebunden wie das Ausschließlichkeitsrecht des
Patentinhabers aus dem erteilten Patent. Art. 69 Abs. 2 Satz 2 EPÜ bestimmt demgemäß auch, daß das europäische Patent in seiner erteilten Fassung rückwirkend den Schutzbereich der Anmeldung bestimmt, soweit dieser nicht erweitert wird.
Derjenige, der selbst nicht den durch den Patentanspruch umschriebenen immateriellen Schutzgegenstand nutzt, sondern - vorsätzlich oder fahrlässig - lediglich fremde Nutzung ermöglicht oder fördert, ist nach Patenterteilung wie der Nutzer selbst zum Schadensersatz verpflichtet, weil die Patentverletzung eine unerlaubte Handlung darstellt und jede Form der Teilnahme an dieser unerlaubten Handlung zum Schadensersatz verpflichtet. Auf die Entschädigung für die Benutzung der Anmeldung sind diese Grundsätze jedoch nicht übertragbar, weil die Benutzung des Gegenstands der Anmeldung nicht rechtswidrig ist (BGHZ 107, 161 - Offenendspinnmaschine). Es fehlt daher an einer rechtlichen Grundlage für die Erstreckung der "Entschädigungshaftung" auf die Förderung fremder Nutzung der Erfindung, die auch durch Art. 67 Abs. 2 Satz 3 EPÜ nicht gefordert wird.
Nichts anderes gilt für diejenigen Formen der Ermöglichung und Förderung fremder Nutzung des Erfindungsgegenstandes, die nach Patenterteilung dem Tatbestand des § 10 PatG unterfallen (so auch LG Düsseldorf, Entscheidungen der 4. Zivilkammer 1997, 25, 31; Busse, Patentgesetz, 6. Aufl., § 33 Rdn. 8; Mes, Patentgesetz, § 33 Rdn. 6; Schulte, Patentgesetz, 6. Aufl., § 33 Rdn. 7; a.A. OLG Düsseldorf, InstGE 2, 1, 13 = Mitt. 2003, 252; InstGE 2, 115, 117 = Mitt. 2003, 264, 269; Bernhardt/Kraßer, Patentrecht, 4. Aufl., S. 662; Kühnen/Geschke, Die Durchsetzung von Patenten in der Praxis, S. 104).
Vor ihrer gesetzlichen Regelung ist die sogenannte mittelbare Patentverletzung als besondere Form der Teilnahme an fremder Patentverletzung gesehen worden, die demgemäß eine unmittelbare Patentverletzung als "Haupttat" erforderte (BGHZ 82, 254, 257 f. - Rigg). Demgegenüber setzt der verselbständigte Tatbestand des § 10 Abs. 1 PatG keine unmittelbare Verletzung des Patents durch den mit den sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehenden Mitteln belieferten Dritten voraus (Sen.Urt. v. 10.10.2000 - X ZR 176/98, GRUR 2001, 228, 231 - Luftheizgerät). Unbeschadet dessen erweitert aber § 10 PatG nicht den - durch den Patentanspruch definierten - immateriellen Schutzgegenstand, dessen Nutzung ausschließlich dem Patentinhaber zugewiesen ist (BGHZ 115, 204, 208 - beheizbarer Atemluftschlauch). Vielmehr soll der Patentinhaber im Vorfeld drohender Verletzung vor dem Eingriff in diesen Schutzgegenstand geschützt werden; der Tatbestand des § 10 Abs. 1 PatG läßt sich demgemäß auch als Patentgefährdungstatbestand bezeichnen (BGH aaO - beheizbarer Atemluftschlauch; Sen.Urt. v. 4.5.2004 - X ZR 48/03 - Flügelradzähler, für BGHZ vorgesehen).
Auch der Lieferant von "Mitteln" im Sinne des § 10 PatG benutzt somit den Gegenstand der Anmeldung nicht, sondern ermöglicht und fördert lediglich fremde Benutzung; nur diese bezeichnet § 10 Abs. 1 PatG dementsprechend als "Benutzung der Erfindung", an die wiederum die Tatbestände der § 33 Abs. 1 PatG, Art. II § 1 Abs. 1 IntPatÜG und Art. 67 Abs. 2 Satz 3 EPÜ anknüpfen. Für den Tatbestand des § 139 PatG ist die Unterscheidung zwischen eigener und fremder Benutzung demgegenüber unerheblich, weshalb dort - anders als in § 33 Abs. 1 PatG, Art. II § 1 Abs. 1 IntPatÜG - an die Benutzung der Erfindung "entgegen den §§ 9 bis 13" PatG angeknüpft werden kann.
Es kommt hinzu, daß für die Anwendung eines Gefährdungstatbestands, wie ihn § 10 Abs. 1 PatG darstellt, dort kein Raum sein kann, wo es keine rechtswidrige Benutzung gibt, der durch einen vorgelagerten Verbotstatbestand entgegengewirkt werden müßte oder auch nur könnte. Da die Benutzung des Gegenstands der offengelegten Patentanmeldung nicht rechtswidrig ist, ist auch die Lieferung von Mitteln, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, unabhängig davon nicht rechtswidrig, ob die Mittel zur Benutzung der Erfindung (im Inland) bestimmt sind oder nicht. Wo es aber keine rechtswidrige Benutzung gibt, kann es sinnvollerweise auch kein Verbot geben, eine solche Benutzung zu ermöglichen oder zu fördern. Demgemäß existiert auch der Personenkreis von Lieferungs- oder Angebotsadressaten, auf den das Verbot des § 10 Abs. 1 PatG beschränkt ist, nämlich "andere als zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigte Personen", vor der Patenterteilung nicht.
Daß dem Gefährdungstatbestand des § 10 PatG vor der Patenterteilung sein Bezugspunkt, die aufgrund der verbotenen Handlungen drohende unmittelbare Patentverletzung fehlt, kann auch nicht mit der Erwägung überspielt werden, die Rechtmäßigkeit der mittelbaren Benutzung könne schon deshalb nicht ausschlaggebend sein, weil auch die entschädigungspflichtigen unmittelbaren Benutzungshandlungen rechtmäßig seien (so aber OLG Düsseldorf, InstGE 2, 115, 117). Denn entscheidend ist nicht die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Benutzung der Erfindung als solche, sondern die Frage, ob der Tatbestand des § 10 PatG auch dort herangezogen werden kann, wo diejenige Gefährdung der Rechte des Patentinhabers oder Patentanmelders, der § 10 PatG entgegenwirken soll, von vornherein ausscheidet.
Daß diese Frage zu verneinen ist, wird auch an dem vom Oberlandesgericht Düsseldorf erörterten Fall deutlich, daß der Patentinhaber nach Erteilung des Patents kein absolutes Verbot der Lieferung der in § 10 Abs. 1 PatG bezeichneten Mittel durch den Dritten beanspruchen kann, weil bereits durch Warnhinweise an dessen Abnehmer vor einer patentverletzenden Benutzung verhindert werden kann, daß diese die - nach der Beschaffenheit der Mittel mögliche, aber nicht zwingende - Bestimmung treffen, die Mittel zur Benutzung der Erfindung einzusetzen (vgl. dazu Scharen, GRUR 2001, 995, 997 f.). In diesem Fall könnte, wovon auch das Oberlandesgericht Düsseldorf ausgeht, eine Entschädigungspflicht des "mittelbaren Benutzers" weder ohne weitere Voraussetzungen an die Lieferung der Mittel anknüpfen noch daran, daß der "mittelbare Benutzer" ohne den - vor Patenterteilung unzutreffenden - Hinweis geliefert hat, daß die Mittel nicht ohne Zustimmung des Patentanmelders zur Benutzung der Erfindung verwendet werden dürften. Daher soll die Entschädigungspflicht nach Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf davon abhängen, ob der "mittelbare Benutzer" bei Lieferung der Mittel darauf hingewiesen hat, daß der Abnehmer Entschädigungsansprüchen des Patentanmelders unterliege, wenn er die gelieferten Mittel erfindungsgemäß verwende (OLG Düsseldorf InstGE 2, 115, 121). Das wäre jedoch eine Hinweispflicht, die mit der Herbeiführung oder Abwendung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 10 PatG nichts mehr zu tun hat und daher aus diesem Tatbestand auch nicht gerechtfertigt werden kann. Sie liefe darauf hinaus, den Dritten deshalb für entschädigungspflichtig zu erachten, weil er den unmittelbaren Benutzer nicht auf dessen eigene - und von diesem Hinweis unabhängige - Entschädigungspflichtigkeit hingewiesen hat. Entschädigungspflichtig wäre damit letztlich die Verletzung einer - richterrechtlich postulierten - Pflicht zur Belehrung über die objektive Rechtslage. Mit der von § 33 Abs. 1 PatG und Art. II § 1 Abs. 1 IntPatÜG angeordneten Entschädi-
gungspflicht des unmittelbaren Nutznießers des Gegenstands der Erfindung wäre dies nicht mehr in Einklang zu bringen.
Da weitere Feststellungen insoweit weder erforderlich noch zu erwarten sind, kann der Senat in der Sache entscheiden und die Klage abweisen, soweit das Berufungsgericht die Beklagte für die Zeit vor Veröffentlichung des Hinweises auf die Patenterteilung zur Rechnungslegung verurteilt und ihre Verpflichtung zur Entschädigung festgestellt hat.
Melullis Scharen Mühlens
Meier-Beck Asendorf
13
a) Zutreffend ist allerdings ihr Ausgangspunkt, dass sich die Prüfung, ob der Gegenstand des Patentanspruchs patentfähig ist (hier: ob er dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt war), auf die im Patentanspruch geschützte technische Lehre in ihrer Gesamtheit beziehen muss und sich nicht auf einen Teil, wie etwa die kennzeichnenden Merkmale eines zweiteiligen Patentanspruchs , beschränken darf (BGHZ 147, 137, 141 - Trigonellin; Sen.Urt. v. 08.12.1983 - X ZR 15/82, GRUR 1984, 272, 274 - Isolierglasscheibenrandfugenfüllvorrichtung ). Für die Prüfung dieses Gegenstandes reicht es nicht aus, zu untersuchen, ob sich der Wortlaut des Patentanspruchs auf eine Entgegenhaltung aus dem Stand der Technik oder einen Gegenstand, den der Stand der Technik dem Fachmann nahegelegt hat, lesen lässt. Vielmehr ist es grundsätzlich erforderlich, dass zunächst der Gegenstand des Patentanspruchs ermittelt wird, indem der Patentanspruch unter Heranziehung von Beschreibung und Zeichnungen aus der Sicht des von der Erfindung angesprochenen Fachmanns ausgelegt wird. Für die Prüfung der Patentfähigkeit im Einspruchs- oder Einspruchsbeschwerdeverfahren gilt dies ebenso wie für das Nichtigkeitsverfahren (Sen.Urt. v. 07.11.2000 - X ZR 145/98, GRUR 2001, 232 - Brieflocher) und den Verletzungsprozess (BGHZ 159, 221, 226 - Drehzahlermittlung). Denn erst wenn diese Auslegung erfolgt ist, steht der Gegenstand der nachfolgenden Überprüfung auf Patentfähigkeit fest.

Der Schutzbereich des Patents und der Patentanmeldung wird durch die Patentansprüche bestimmt. Die Beschreibung und die Zeichnungen sind jedoch zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 7/00 Verkündet am:
24. September 2003
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
blasenfreie Gummibahn I
PatG (1981) §§ 81 ff.
Im Patentnichtigkeitsverfahren bedarf es der Feststellung des Gegenstands
eines angegriffenen Patentanspruchs nur in dem Umfang, wie dies zur
Prüfung der Bestandsfähigkeit des Patents gegenüber dem geltend gemachten
Nichtigkeitsgrund erforderlich ist. Für diese Feststellung gelten die
gleichen Grundsätze wie bei der Feststellung des Sinngehalts und bei der
Auslegung des Patents im Verletzungsstreit. Dabei darf im Nichtigkeitsverfahren
nicht etwa deshalb eine einengende Auslegung der angegriffenen
Patentansprüche zugrunde gelegt werden, weil mit dieser die Schutzfähigkeit
eher bejaht werden könnte.
EPÜ Art. 138 Abs. 1; IntPatÜG Art. II § 6 Abs. 1; PatG (1981) § 21 Abs. 1
Eine "unangemessene Anspruchsbreite" füllt für sich gesehen einen der
gesetzlichen Nichtigkeitsgründe grundsätzlich nicht aus.
EPÜ Art. 56, PatG (1981) § 4
Eine von einem bestimmten Zweck oder Ergebnis losgelöste, letztlich nach
Belieben getroffene Auswahl eines engeren Bereichs aus einem größeren
ist für sich grundsätzlich nicht geeignet, eine erfinderische Leistung zu begründen.
BGH, Urt. v. 24. September 2003 - X ZR 7/00 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 3. Juni 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und die Richter Prof.
Dr. Jestaedt, Scharen, Keukenschrijver und Asendorf

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin, die im übrigen zurückgewiesen wird, wird das Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 12. Oktober 1999 abgeändert: Das europäische Patent 0 433 563 wird unter Abweisung der weitergehenden Klage mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, daß sein Patentanspruch 1 folgende Fassung erhält, auf die sich die Patentansprüche 2 und 3 zurückbeziehen: "1. Verfahren zur Herstellung einer Gummibahn mit folgenden Verfahrensschritten : - der noch ungehärteten Gummimasse wird vor der Vulkanisation eine Fraktion vulkanisierten, zerkleinerten Materials mit unregelmäßiger Grundstruktur in räumlich gleichmäßiger Verteilung beigemischt , die eine durch Siebanalyse ermittelbare Partikelgröße des Materials von 0,7 mm ± 0,1 mm in einer Menge von 1 – 4 Gew.%, bezogen auf das Gesamtmischungsgewicht, aufweist, - das so erhaltene Gemisch wird kalandriert - und anschließend ausvulkanisiert, - so daß die so hergestellte Gummibahn blasenfrei ist." Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin drei Viertel und die Beklagte ein Viertel.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 13. September 1990 unter Inanspruchnahme der Priorität einer deutschen Patentanmeldung vom 22. Dezember 1989 angemeldeten und mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 433 563 (Streitpatents), das ein "Verfahren zur Herstellung einer blasenfreien, kalandrierten Gummibahn" betrifft und drei Patentansprüche umfaßt, die in der Verfahrenssprache Deutsch wie folgt lauten:
"1. Verfahren zur Herstellung einer blasenfreien, kalandrierten Gummibahn , in dem man der noch ungehärteten Gummimasse, vor der Vulkanisation, eine Fraktion vulkanisierten, zerkleinerten Materials mit unregelmäßiger Grundstruktur in räumlich gleichmäßiger Verteilung beimischt, wobei man eine durch Siebanalyse ermittelbare Partikelgröße des Materials von 0,7 mm ± 0,1 mm wählt bei einer Dosierung von 1 – 4 Gew.%, bezogen auf das Gesamtmischungsgewicht , und wobei man anschließend das Gemisch ausvulkanisiert.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß man zusätzlich , unmittelbar vor der Vulkanisation, auf die Oberfläche der Gesamtmischung vulkanisiertes, zerkleinertes Material mit einer Korngröße von 20 – 80% der gewünschten Enddicke der Gummibahn gleichmäßig aufstreut in einer Menge zwischen 5 und 50 g/m2, und daß man anschließend mittels einer glatten Walze bei einem
Druck von 3 – 15 bar das aufgestreute Material bis zum Oberflächen -Niveau der Gummimasse eindrückt.
3. Verfahren nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, daß man als letzten Schritt vor der Vulkanisation die Oberfläche des Vulkanisates mit einer Prägestruktur versieht.“
Die Klägerin hat beantragt, das Streitpatent für nichtig zu erklären. Sie hat geltend gemacht, daß dessen Gegenstand nicht patentfähig sei, weil er durch den Stand der Technik, wie ihn insbesondere die US-Patentschrift 2.535.034 (Armstrong), die deutsche Patentschrift 36 23 795 (Rehau) und die Unterlagen der nach dem Gesetz der Alliierten Hohen Kommission Nr. 8 vom 20. Oktober 1949 (AHK 8) übergeleiteten, unter dem Aktenzeichen M 3872 XII/39a geführten deutschen Altpatentanmeldung vom 22. Juli 1941 (Michelin; Beschreibung vom 26.5.1952; Hinweis auf die Auslegung vom 30.10.1952) bildeten, vorweggenommen , jedenfalls aber für den Fachmann nahegelegt gewesen sei; sie hat sich zudem auf weitere Literaturstellen gestützt. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten ; das Bundespatentgericht hat sie abgewiesen.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Klageziel weiter. Sie macht weiter sinngemäß geltend, daß die Erfindung nicht so deutlich offenbart sei, daß ein Fachmann sie ausführen könne. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen. Hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent mit folgendem, hinsichtlich kleiner Versehen korrigiertem Patentanspruch 1, auf den sich die Patentansprüche 2 und 3 zurückbeziehen sollen:
"1. Verfahren zur Herstellung einer Gummibahn mit folgenden Verfahrensschritten : - der noch ungehärteten Gummimasse wird vor der Vulkanisation eine Fraktion vulkanisierten, zerkleinerten Materials mit unregelmäßiger Grundstruktur in räumlich gleichmäßiger Verteilung bei-
gemischt, die eine durch Siebanalyse ermittelbare Partikelgröße des Materials von 0,7 mm ± 0,1 mm in einer Menge von 1 – 4 Gew.%, bezogen auf das Gesamtmischungsgewicht, aufweist, - das so erhaltene Gemisch wird kalandriert - und anschließend ausvulkanisiert, - so daß die so hergestellte Gummibahn blasenfrei ist."
Die Klägerin sieht auch die hilfsweise verteidigte Fassung der Patentansprüche als nicht schutzfähig an.
Prof. Dr.-Ing. D. M. , hat im Auftrag des Senats ein schriftliches Gutachten erstellt, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


I. Die zulässige Berufung führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils und zur Nichtigerklärung des Streitpatents im Umfang seines Patentanspruchs 1 und der Unteransprüche in Rückbeziehung auf diesen, während sie ohne Erfolg bleibt, soweit die Beklagte das Streitpatent mit den Patentansprüchen nach Hilfsantrag verteidigt. Insoweit kann – was zu Lasten der Klägerin geht – der Senat nicht feststellen, daß der Gegenstand des Streitpatents nicht patentfähig ist (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG; Art. 138 Abs. 1 Buchst. a; Art. 52 ff. EPÜ). Die in Rückbeziehung auf den nicht bestandsfähigen Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung nicht verteidigten Patentansprüche 2 und 3 des Streitpatents werden in der Rückbeziehung auf den hilfsweise verteidigten Patentanspruch 1 von diesem mitgetragen. Durchgreifende Bedenken gegen die Ausführbarkeit der unter Schutz gestellten Gegenstände bestehen nicht (Art. II § 6 Nr. 2 IntPatÜG; Art. 138 Abs. 1 Buchst. b EPÜ); dies gilt sinngemäß auch für die hilfsweise verteidigten Patentansprüche.
II. 1. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur Herstellung einer blasenfreien , kalandrierten Gummibahn. Ein auf eine solche Gummibahn gerichteter Sachanspruch ist im Streitpatent nicht enthalten. Danach ist die Gummibahn als solche zwar vom Schutz des Streitpatents als unmittelbares Verfahrenserzeugnis erfaßt (§ 9 Nr. 3 PatG i.V.m. Art. 64 EPÜ), sie ist dagegen nicht Gegenstand des Patents (vgl. Senat BGHZ 95, 295, 298 – borhaltige Stähle).
2. Das Streitpatent bezeichnet es als üblich, zur Herstellung von Elastomer -Bahnenwerkstoffen und von bahnenförmigen Dichtungsmaterialien im Kalandrierverfahren einen Rohling entsprechender Dicke herzustellen und diesen sodann einem kontinuierlichen Vulkanisationsprozeß zu unterziehen. Dabei entstehe jedoch kein blasenfreier Rohling, weil sich im Kalandrierverfahren vorgebildete Blasen in der Rohlingsbahn im Fertigerzeugnis nachteilig bemerkbar
machten; insbesondere träten Ausschuß und Fehlerstellen auf, die bei Flachdichtungen die Funktionsfähigkeit gefährdeten.
3. Durch das Streitpatent soll demgegenüber ein Verfahren zur Verfügung gestellt werden, mit dem ohne sonstige Qualitätsverluste blasenfreie kalandrierte Gummibahnen hergestellt werden können (vgl. Beschreibung S. 2 Z. 24 – 27).
4. a) Hierzu lehrt das Streitpatent ein Verfahren mit folgenden Merkmalen:
(1) Der noch ungehärteten Gummimasse wird beigemischt (1.1) eine Fraktion vulkanisierten Materials (1.2) in räumlich gleichmäßiger Verteilung (1.3) in einer Dosierung von 1 – 4 Gew.%, bezogen auf das Gesamtmischungsgewicht.
(2) Das beigemischte vulkanisierte Material (2.1) ist zerkleinert, (2.1.1)weist eine Partikelgröße von 0,7 mm ± 0,1 mm auf und (2.2) hat eine unregelmäßige Grundstruktur.
(3) Anschließend wird das Gemisch ausvulkanisiert.

b) Die Beschreibung des Streitpatents gibt erläuternd an, systematische Versuche hätten überraschenderweise ergeben, daß bei Einhaltung der in Patentanspruch 1 angegebenen Grenzen ein Optimum an Blasenfreiheit in der Elastomerbahn erreicht werde. Zerkleinertes Material mit unregelmäßiger Raumstruktur sei mühelos zu erreichen, wenn man vulkanisierte Teile wie Produktionsrückstände in einer Prallmühle vermahle.

c) Die Angabe, daß die Beimischung vor der Vulkanisierung erfolgt, enthält dabei keinen sachlichen Überschuß gegenüber der weiteren Angabe im Patentanspruch, daß das Gemisch anschließend ausvulkanisiert wird.

d) Das Kalandrieren stellt nach der Formulierung des Patentanspruchs 1 keinen eigenen Verfahrensschritt dar, es ist vielmehr lediglich als Eigenschaft oder Zustand ("kalandriert") des angestrebten Produkts formuliert. In welcher Form diesem die Eigenschaft des Kalandriertseins vermittelt wird, ergibt sich aus der Formulierung des Patentanspruchs nicht. Die Eigenschaft, in bestimmter Weise hergestellt zu sein, muß einem Verfahrenserzeugnis auch nicht notwendig anzusehen sein. Aus der Sicht des Fachmanns erscheint sie daher nur als ein Hinweis, mit dem nicht ein Herstellungsschritt, sondern ein Zustand des Verfahrenserzeugnisses kurz und prägnant umschrieben wird.
Dies zeigt zugleich, daß bei einem Patentanspruch, der wie hier auf ein Herstellungsverfahren gerichtet ist, Angaben, die sich auf Eigenschaften des mit dem Verfahren herzustellenden Erzeugnisses beziehen, aber selbst nicht als Verfahrensschritt formuliert sind, jedenfalls nicht notwendig und nicht ohne weiteres Einschränkungen des Gegenstands des Patentanspruchs dahin bedeuten, daß eine aus der Eigenschaft abzuleitende weitere, im Patentanspruch aber nicht als Verfahrensschritt genannte Maßnahme ihrerseits zum Gegenstand des Patentanspruchs gehört.
III. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Erfindung im Streitpatent so deutlich und vollständig offenbart, daß ein Fachmann, als den der Senat in Übereinstimmung mit den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen einen Hochschulingenieur der Fachrichtung Verfahrenstechnik mit Erfahrungen auf dem Gebiet der Kautschukverarbeitung ansieht, sie ausführen kann.
1. Die Klägerin hat ihre Auffassung im wesentlichen damit begründet, daß Patentanspruch 1 nach seiner Formulierung jede beliebige Gummimasse und
damit auch solche erfasse, bei denen Blasenbildung nicht auftrete. Das steht der Ausführbarkeit indessen schon deshalb nicht entgegen, weil auch bei derartigen Ausgangsmaterialien die Verfahrensschritte, die Gegenstand des Patentanspruchs sind, ausgeführt werden können; nur hierauf kann es aber nach der Formulierung des Patentanspruchs ankommen, nicht dagegen auf eine Sinnhaftigkeit der Anweisung bei allen denkbaren Ausführungsformen. Selbst wenn man dies anders sehen wollte, entstände bei der Anwendung des Verfahrens auf Gummimassen, bei denen Blasenbildung nicht auftritt, im übrigen ebenfalls eine blasenfreie Gummibahn.
2. Die Klägerin macht weiter geltend, nur einer der in der Beschreibung angegebenen Versuche führe mit den dort angegebenen Parametern zu einer blasenfreien Bahn. Hierauf kommt es indessen schon deshalb nicht an, weil es für die Bejahung der Ausführbarkeit ausreicht, wenn lediglich ein gangbarer Weg zum Ausführen der Erfindung offenbart ist (vgl. Senat BGHZ 147, 306, 316 ff. – Taxol).
3. Aus dem gleichen Grund geht auch das Argument der Klägerin fehl, es wären Angaben über die Druckverhältnisse und die Temperatur bei der Vulkanisation erforderlich gewesen, da Blasenbildung nur dann auftrete, wenn der Vulkanisationsprozeß bei geringem Druck ausgeübt werde. Darüber hinaus hat der gerichtliche Sachverständige insoweit bei seiner Anhörung zur Überzeugung des Senats ausgeführt, daß das Auffinden dieser Parameter von einem Anwender des patentgemäßen Verfahrens auch ohne nähere Hinweise in der Streitpatentschrift erwartet werden konnte.
4. Die schließlich von der Klägerin jedenfalls implizit vertretene Auffassung , Patentanspruch 1 müsse eine vollständige Lehre zum technischen Handeln aufweisen, ist, wie der Senat erst kürzlich ausgeführt hat, rechtlich nicht zutreffend. Die Angaben, die der Fachmann zur Ausführung der Erfindung benötigt, müssen nicht sämtlich im Patentanspruch enthalten sein; es genügt vielmehr, wenn sie sich aus dem Inhalt der Patentschrift insgesamt ergeben (Sen.Urt. v. 1.10.2002 – X ZR
112/99, GRUR 2003, 235 – Kupplungsvorrichtung II). Bei den in den Patentanspruch aufgenommenen Maßnahmen ist bei der Prüfung der ausführbaren Offenbarung deshalb nicht danach zu fragen, ob diese bei isolierter Betrachtung für sich als "hinreichend" gewertet werden können.
5. Daran, daß der Fachmann die in Patentanspruch 1 genannten Maßnahmen im Verfahrensgang vornehmen kann, bestehen auch nach dem in der mündlichen Verhandlung überzeugend näher erläuterten Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen keine Zweifel.
6. Die von der Klägerin weiter angesprochene Anspruchsbreite bildet keinen Grund, das Streitpatent für nichtig zu erklären. Auch wenn die Patentansprüche über einen der Erfindung angemessenen Umfang hinausgehen sollten, füllt das für sich gesehen keinen der gesetzlichen Nichtigkeitsgründe aus (vgl. Busse, PatG 5. Aufl. 1999 § 34 PatG Rdn. 88). Sofern sich aus der Rechtsprechung insbesondere des House of Lords (GRUR Int. 1998, 412, 419 Biogen/Medeva; sogenannte "Biogen insuffiency"; vgl. auch Gerechtshof Den Haag BIE 1999, 394, 397) etwas anderes ergeben sollte, könnte der Senat für eine solche Auffassung keine Stütze in dem abschließenden Katalog der Nichtigkeitsgründe erkennen. In diesem Zusammenhang kommt es zudem darauf, wieweit die Ausführungsbeispiele zu blasenfreien Gummibahnen führen, schon deshalb nicht an, weil die Gummibahnen nicht Gegenstand des Patentanspruchs sind. Schließlich erscheint der Angriff aber auch sachlich nicht als berechtigt, weil nach den von der Klägerin nicht widerlegten Ausführungsbeispielen jedenfalls eines zu einer blasenfreien und mehrere zu deutlich blasenärmeren Bahnen führen.
IV. Der wie unter II. erläutert verstandene Patentanspruch 1 des Streitpatents in seiner erteilten Fassung ist gegenüber dem Stand der Technik nicht schutzfähig.
1. a) Der Prüfung der Schutzfähigkeit ist die in den Patentansprüchen unter Schutz gestellten Lehre zu unterziehen. Dabei bedarf es der Feststellung des Gegenstands der angegriffenen Patentansprüche nur in dem Umfang, wie dies zur Prüfung der Bestandsfähigkeit des Patents gegenüber den geltend gemachten Nichtigkeitsgründen erforderlich ist. Für diese Feststellung gelten die gleichen Grundsätze wie bei der Feststellung des Sinngehalts und bei der Auslegung des Patents im Verletzungsstreit (vgl. Sen.Urt. v. 7.11.2000, berichtigt am 9.1.2001 – X ZR 145/98, GRUR 2001, 232 – Brieflocher).

b) Grundlage für die Bestimmung der danach geschützten Lehre ist das Verständnis der Patentansprüche durch den maßgeblichen Fachmann. Erscheinen – auch unter Heranziehung von Beschreibung und Zeichnungen – Formulierungen in den Patentansprüchen als mehrdeutig, ist gleichwohl zu ermitteln, welche Vorstellungen der Fachmann mit ihnen verbindet. Dabei darf im Nichtigkeitsverfahren nicht etwa deshalb eine einengende Auslegung der angegriffenen Patentansprüche zugrunde gelegt werden, weil mit dieser die Schutzfähigkeit eher bejaht werden könnte.
2. Das Verfahren nach Patentanspruch 1 des Streitpatents in seiner erteilten Fassung ist allerdings neu; keine der Entgegenhaltungen offenbart ein Verfahren mit sämtlichen dort vorgesehenen Maßnahmen.

a) Die auf das Jahr 1941 zurückgehende Patentanmeldung M 3872 XII/39a (Michelin) betrifft ein Verfahren zur Aufarbeitung von Altkautschuk, der aus abgenutzten Erzeugnissen wie Reifen in großen Mengen anfällt. Nach dem dort gemachten Vorschlag werden einer vulkanisationsfertig vorliegenden Kautschukmischung polyedrisch gekörnte (vulkanisierte) Altkautschukteile einverleibt. Die Angabe, "die Mengenanteile der Körner und des Frischgemisches sind beliebig", stellt es dabei in das Belieben der Fachwelt, in welchen Mengen die Beimischung erfolgt, und erfaßt somit auch die Mengenangabe des Streitpatents. Dabei kann dahinstehen, ob dies in einer für die Prüfung auf Schutzfähigkeit gegenüber dem
Stand der Technik relevanten Weise geschieht, etwa als Offenbarung einer Bereichsangabe in der Form <100% und >0% (vgl. Sen.Urt. v. 7.12.1999 – X ZR 40/95, GRUR 2000, 591, 593 f. – Inkrustierungsinhibitoren), wogegen Bedenken geltend gemacht werden könnten, weil die Angabe, die Werte könnten beliebig gewählt werden, sich einer konkreten Bereichsangabe gerade enthält. Angaben zur Teilchengröße in der Entgegenhaltung fehlen ganz und sind, wie der gerichtliche Sachverständige auf Befragen in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, dieser auch nicht zu entnehmen. Damit mag zwar der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents unter die allgemeinere Lehre der Entgegenhaltung fallen; ein Neuheitshindernis stellt dies schon deshalb nicht dar, weil das Streitpatent eine zusätzliche Maßnahme vorsieht, die die Entgegenhaltung nicht offenbart.

b) Die auf eine Anmeldung aus dem Jahr 1946 zurückgehende USPatentschrift 2.535.034 (Armstrong) betrifft die Herstellung von Kautschukfolien und –platten ("sheets"). Sie hat sich zum Ziel gesetzt, die dabei auftretende Blasenbildung zu verhindern, ohne auf das Material während des Aushärtens hohe Drücke aufbringen zu müssen. Die Entgegenhaltung schlägt hierfür die Zugabe verschiedener Zusatzstoffe zum unvernetzten (d.h. noch nicht vulkanisierten) Kautschuk sowie bestimmte Temperatur- und Druckführungen vor. Das Material kann kalandriert werden und wird einer Aushärtung unterzogen. Ein Hinweis auf die Beimischung vulkanisierten Materials findet sich nicht; das haben auch das sachkundig besetzte Bundespatentgericht und der gerichtliche Sachverständige so gesehen. Damit sind die Merkmalsgruppen (1) und (2) nicht vorweggenommen.

c) Die deutsche Patentschrift 36 23 795 (Rehau) betrifft die Verwendung einer Fraktion gehärteter Partikel aus elastomerem Material als Beimischung zu Elastomeren vor deren Aushärtung. Dadurch sollen "definiert unruhige" Oberflächen von Elastomerprodukten erzeugt werden. Hierunter fällt, wie der gerichtliche Sachverständige in der mündlichen Verhandlung überzeugend angegeben hat, eine etwa auftretende Blasenbildung nicht. Die einzusetzenden Materialien umfassen
auch die Gummimasse und die Fraktion vulkanisierten Materials nach Patentanspruch 1 des Streitpatents. Das beizumischende Material weist dabei in teilweiser Übereinstimmung mit dem Streitpatent eine Partikelgröße von 0,1 mm bis 1 mm auf. Das Ausgangsmaterial wird im Lauf des Herstellungsverfahrens einer Härtung unterzogen (Beschreibung Sp. 3 Z. 55 f.); von diesem Begriff ist, wie der gerichtliche Sachverständige in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, auch das Ausvulkanisieren erfaßt. Damit nimmt diese Entgegenhaltung jedenfalls die Merkmale (1), (1.1), (2), (2.1.1) und (3) vorweg. Die Anteile betragen jedoch abweichend vom Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents 5 bis 60, bevorzugt 20 bis 40, Teile von 100 Teilen und liegen daher außerhalb des in Merkmal (1.3) des Patentanspruchs 1 des Streitpatents genannten Bereichs; daß die Angabe hier anders als im Streitpatent nicht auf das Gewicht, sondern auf das Volumen abstellt, spielt wegen des nahezu gleichen spezifischen Gewichts der Materialien nach den überzeugenden Angaben des gerichtlichen Sachverständigen im Ergebnis keine Rolle. Dies schließt es aus, Patentanspruch 1 des Streitpatents als durch die Entgegenhaltung neuheitsschädlich getroffen anzusehen.

d) Der sonst noch genannte Stand der Technik liegt weiter ab und kann die Neuheit der in Patentanspruch 1 des Streitpatents unter Schutz gestellten Lehre nicht in Frage stellen.
3. Bei Anlegung der oben genannten Maßstäbe erfaßt Patentanspruch 1 selbst dann, wenn man alle in ihm enthaltenen Angaben als Lösungsmerkmale verstehen wollte, Ausführungsformen, die durch den Stand der Technik jedenfalls nahegelegt sind. Damit beruht er nicht auf erfinderischer Tätigkeit (Art. 54, 56 EPÜ).

a) Der Formulierung in Patentanspruch 1 des Streitpatents läßt sich eine exakte Eingrenzung des Begriffs "kalandriert" nicht entnehmen. Die Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen hat ergeben, daß dieser Begriff auch so verstanden werden kann, daß er nicht nur das Kalandrieren als einzigen Arbeitsschritt zur Ausbildung der Bahnform, sondern als weitere Alternative auch ein Extrudieren mit
anschließendem Glattwalzen umfaßt. Nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen wird das (reine) Kalandrierverfahren vor allem bei der Herstellung breiterer Gummibahnen eingesetzt, während das Extrudierverfahren mit anschließendem Glattwalzen (das der gerichtliche Sachverständige zunächst ebenfalls, nach näherer Diskussion mit den Parteien und dem Gericht aber im weiteren Verlauf seiner Anhörung nicht mehr, dem Kalandrieren zugeordnet hat) bevorzugt bei der Erzeugung schmalerer Gummistreifen in Betracht kommt. Daß die Ausführungsbeispiele des Streitpatents durchwegs ein Kalandrieren im engeren Sinn, d.h. nicht das Extrudieren mit nachfolgendem Walzen, betreffen, führt schon wegen ihres Beispielcharakters in den Augen des Fachmanns nicht zu einer Festlegung auf ein engeres Verständnis. Dieses aus der Sicht des Fachmanns unsichere Verständnis des "Kalandriertseins" (s. oben II.4.d) legte es selbst unter Berücksichtigung des weiteren Umstands, daß die Gefahr der Blasenbildung gerade bei einem Kalandrieren im engeren Sinn bestand, für ihn jedenfalls nicht nahe, darin unter Außerachtlassen der für eine Verfahrensmaßnahme ungewöhnlichen sprachlichen Einkleidung einen konkreten Verfahrensschritt , insbesondere mehr als das Vorhandensein einer breit ausgewalzten, dünnen Kautschukbahn zu sehen, wie sie auch mittels eines Extrudier- und Walzverfahrens erzeugt werden kann.

b) Patentanspruch 1 bezieht somit jedenfalls auch die nach den unwidersprochen gebliebenen und für den Senat überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen am Prioritätstag des Streitpatents bereits bekannte Kombination von Extrusion mit nachfolgendem Glattwalzen ein. Auch wenn dabei die Beifügung von Körnchen zur Herstellung der Blasenfreiheit schon deshalb nicht erforderlich ist, weil bei einem solchen Verfahren nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen eine Blasenbildung nicht auftritt, kam diese Maßnahme aus der Sicht des Fachmanns aber etwa zur Herstellung von unruhigen Oberflächen, wie dies die deutsche Patentschrift 36 23 795 beschreibt, in Betracht. Daß die im Streitpatent unter Schutz gestellten Parameter von den in dieser deutschen Patentschrift genannten abweichen, läßt vor dem Hintergrund,
daß es nach dem unter II. erläuterten Verständnis des Patentanspruchs 1 des Streitpatents in seiner erteilten Fassung auf den Zweck der Beimischung nicht ankommt, die Annahme einer erfinderischen Tätigkeit nicht zu. Eine von einem bestimmten Zweck oder Ergebnis losgelöste, letztlich nach Belieben getroffene Auswahl eines engeren Bereichs aus einem größeren ist für sich nämlich grundsätzlich nicht geeignet, eine erfinderische Leistung zu begründen.

c) Dabei kommt es notwendigerweise schon auf Grund der Beliebigkeit der Maßnahme nicht darauf an, ob der Fachmann Anlaß hatte, diese vorzunehmen. Der insbesondere in der Praxis des Europäischen Patentamts entwickelte sogenannte "could-would-test" (vgl. u.a. Schulte, PatG, 6. Aufl. 2001, § 4 Rdn. 62; Benkard, EPÜ, 2002, Art. 56 Rdn. 60; Kroher in Singer/Stauder, EPÜ, 2. Auflage 2000, Art. 56 Rdn. 58 ff.; White, C.I.P.A. Guide to the Patents Acts. 5th ed., 2001, Rdn. 3.33, jeweils m.w.N.) mag vielfach für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit wertvolle Fingerzeige geben. Er kann aber in solchen Fällen nicht weiterführen, in denen – wie hier – dem Fachmann eine beliebige Auswahl an Möglichkeiten zur Verfügung stand; Kriterien für eine Vorzugswürdigkeit einer bestimmten Alternative aber fehlen.

d) Bei der gleichmäßigen Verteilung und der unregelmäßigen Grundstruktur des beizufügenden Materials handelt es sich ersichtlich um Trivialitäten, die sich mehr oder weniger zwangsläufig oder nach Belieben ergeben. Die schließlich noch im Patentanspruch 1 des erteilten Patents aufgeführte Maßnahme des anschließenden Ausvulkanisierens ist eine Selbstverständlichkeit.
V. Der Senat kann demgegenüber nicht feststellen, daß das in Patentanspruch 1 des Streitpatents in seiner hilfsweise verteidigten Fassung unter Schutz gestellte Verfahren gegenüber dem Stand der Technik nicht patentfähig ist. Insoweit sprechen vielmehr gewichtige Argumente für das Vorliegen einer erfinderischen Leistung. Gegen seine urspüngliche Offenbarung bestehen keine Bedenken; auch
ist er durch das erteilte Patent gedeckt, die Patentinhaberin konnte sich daher auf ihn zurückziehen.
1. Diese Fassung unterscheidet sich von der des erteilten Patents dadurch , daß sie deren weitere Angaben zu Merkmalen der anspruchsgemäßen Problemlösung macht. Sie enthält den weiteren Verfahrensschritt des Kalandrierens des Gemischs vor dem Ausvulkanisieren sowie eine Festlegung dahin, daß das Verfahrenserzeugnis, die Gummibahn, infolge der Durchführung des Verfahrens blasenfrei ist. Mit der Formulierung "so daß" im Zusammenhang mit der Beschreibung des durch das patentgemäße Verfahren zu erhaltenden Erzeugnisses wird zum Ausdruck gebracht, daß das Erzeugnis maßgeblich zumindest auch auf diesen Maßnahmen beruhen muß, d.h., daß die weiteren Maßnahmen jedenfalls im Sinn nicht hinwegzudenkender Bedingungen für die Blasenfreiheit (mit)ursächlich sein müssen. Bestärkt wird dies dadurch, daß auch das Kalandrieren als Verfahrensschritt ausdrücklich in das geschützte Verfahren einbezogen wird. Da diese Maßnahme – in ihrem engeren Verständnis – nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen bei seiner Anhörung im besonderen Maß die Gefahr von Gaseinschlüssen mit sich bringt, unterstreicht ihre Einbeziehung die kausale Verknüpfung auch dieser vorgeschlagenen Maßnahme mit den Eigenschaften des herzustellenden Erzeugnisses.
2. Der Gegenstand des hilfsweise verteidigten Patentanspruchs 1 ist neu, wie sich schon aus den Ausführungen zu Patentanspruch 1 des Streitpatents in seiner verteidigten Fassung ergibt.
3. Für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit sieht der Senat als nächstkommenden Stand der Technik die deutsche Patentschrift 36 23 795 an, die sich zwar ein anderes Ziel gesetzt hat als das Streitpatent, aber die meisten merkmalsmäßigen Übereinstimmungen mit diesem aufweist. Für die Dosierungsangabe in Merkmal (1.3) läßt sich ein Naheliegen nicht feststellen. Insbesondere war aus der Sicht des Fachmanns ein Grund dafür, den in der Entgegenhaltung
genannten Mengenbereich zu unterschreiten, nicht zu erkennen. Die danach bevorzugten Werte lagen am anderen Ende des offenbarten Bereichs. Für eine Eignung der Zugabe zur Vermeidung einer Blasenbildung ist der Entgegenhaltung für den hier interessierenden Wertebereich nichts zu entnehmen; sie ist dort überhaupt nicht angesprochen. Auch dem Stand der Technik im übrigen sind zielführende Hinweise nicht zu entnehmen. Für den Fachmann ergab sich damit keinerlei Hinweis auf die für die Verhinderung einer Blasenbildung geeigneten Maßnahmen. Da die Zugabe der vulkanisierten Teile nach der deutschen Patentschrift 36 23 795 einem ganz anderen Zweck dient, hatte der Fachmann keinen Anlaß, sich darüber Gedanken zu machen, ob er mit der – gegenüber dem unteren Grenzwert allerdings relativ geringen – Modifikation der Dosierung gegenüber dieser Entgegenhaltung eine Beeinflussung der Blasenbildung erreichen konnte. Damit fehlte es zugleich an einer Anregung, die dort offenbarten Werte mit der Zielrichtung der Blasenfreiheit zu ändern.
Die US-Patentschrift 2.535.034 geht zur Vermeidung der Blasenbildung einen ganz anderen Weg und sieht schon eine Beimischung vulkanisierten Materials nicht vor.
Der allgemeinen Angabe in der Michelin-Anmeldung, man könne – zur Wiederverwendung von Altkautschuk – Beimischungen in beliebiger Menge vornehmen, konnte der Fachmann, wenn er vor das Problem der Vermeidung der Blasenbildung gestellt war, ebenfalls keine Anregung entnehmen, die Dosierung der Beimischung gegenüber dem Rehau-Patent zu diesem Zweck auf bestimmte Werte zu konzentrieren. Die Entgegenhaltung enthält hierzu keinen Hinweis.
Gesichtspunkte, die bei dem hilfsweise verteidigten Patentanspruch 1 gleichwohl eine Verneinung der erfinderischen Tätigkeit rechtfertigen könnten, sind nicht hervorgetreten.
VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG i.V.m. § 91 ZPO.
Melullis Jestaedt Scharen
Keukenschrijver Asendorf
25
Relevante Widersprüche zwischen Beschreibung und Patentansprüchen sind, was die Lage der Klemmen an den entgegengesetzten Enden betrifft, allerdings zu verneinen. Die Beschreibungsstelle, auf die sich das Berufungsgericht gestützt hat (Abs. 27), lässt sich nicht ohne Weiteres mit Patentanspruch 1 in Verbindung bringen. Sie besagt nämlich lediglich, dass bei Verwendung eines flachen Gewebes entsprechend der Figur 1B des Klagepatents als Ausgangsmaterial dieses umgeklappt und geklammert werden kann, um eine "leere Tasche" (an empty pocket) zu bilden, bevor es zugeschnitten wird (before the fabric is cut). In dieser unklaren Passage wird nicht ausgeführt, ob und inwie- fern sich aus der Tasche eine praktisch brauchbare allgemein hantelförmige Konfiguration herstellen lässt, wie sie Gegenstand von Patentanspruch 1 ist (Merkmal 4); das Berufungsgericht hat auch ausdrücklich offen gelassen, ob dies möglich ist. Die Textpassage schließt zudem unmittelbar an Absatz 26 an, in dem nichtpatentgemäße Formen der Fixierung der Drahtenden erörtert wer- den. Damit betrifft sie ersichtlich schon kein Ausführungsbeispiel der erfindungsgemäßen Vorrichtung, sondern beschreibt nicht mehr als einen möglichen Arbeitsschritt beim Herstellungsvorgang und nicht das fertige patentgemäße Erzeugnis. Damit kann die Beschreibungsstelle, auf die sich das Berufungsgericht gestützt hat, aber nicht die Grundlage für eine den Wortsinn des Patentanspruchs korrigierende Auslegung des Patentanspruchs bilden. Es kann daher auch hier unerörtert bleiben, ob es der Grundsatz, dass nicht auf Vorgänge im Erteilungsverfahren zurückgegriffen werden darf, die im Patent keinen Niederschlag gefunden haben (BGH, Urteil vom 12. März 2002 - X ZR 43/01, BGHZ 150, 161 = GRUR 2002, 511 - Kunststoffrohrteil), auch verbietet, auf Patentveröffentlichungen wie die amtlich veröffentlichte Patentanmeldung oder frühere Fassungen der später etwa im Einspruchsverfahren oder im Beschränkungsverfahren geänderten Patentschrift zurückzugreifen, wenn sich der Gehalt der maßgeblichen Fassung der Patentschrift erst aus einem Vergleich mit diesen erschließt und damit zu einem Niederschlag auch in dieser geführt hat (vgl. hierzu schon BGH, Urteil vom 4. Februar 2010 - Xa ZR 36/08, GRUR 2010, 602 Rn. 33 - Gelenkanordnung).

(1) Ergibt die Begründung des angefochtenen Urteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Berufung zurückzuweisen.

(2) Insoweit die Berufung für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen wird.

(3) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Patentgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Nichtigkeitssenat erfolgen.

(4) Das Patentgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(5) Der Bundesgerichtshof kann in der Sache selbst entscheiden, wenn dies sachdienlich ist. Er hat selbst zu entscheiden, wenn die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(1) Hat der Anmelder zu einer internationalen Anmeldung, für die das Deutsche Patent- und Markenamt Bestimmungsamt ist, beantragt, daß eine internationale vorläufige Prüfung der Anmeldung nach Kapitel II des Patentzusammenarbeitsvertrags durchgeführt wird, und hat er die Bundesrepublik Deutschland als Vertragsstaat angegeben, in dem er die Ergebnisse der internationalen vorläufigen Prüfung verwenden will ("ausgewählter Staat"), so ist das Deutsche Patent- und Markenamt ausgewähltes Amt.

(2) Ist die Auswahl der Bundesrepublik Deutschland vor Ablauf des 19. Monats seit dem Prioritätsdatum erfolgt, so ist § 4 Absatz 2 und 3 mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle des Artikels 23 Absatz 2 des Patentzusammenarbeitsvertrages Artikel 40 Absatz 2 des Patentzusammenarbeitsvertrages tritt.

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aa) Den Inhalt der für die Frage einer unzulässigen Erweiterung maßgeblichen ursprünglichen Anmeldung bildet alles, was ihr der mit durchschnittlichen Kenntnissen und Fähigkeiten ausgestattete Fachmann des betreffenden Gebiets der Technik als zur angemeldeten Erfindung gehörend entnehmen kann. Eine Lehre zum technischen Handeln geht somit über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus, wenn die Gesamtheit der Anmeldungsunterlagen nicht erkennen lässt, dass sie als Gegenstand von dem mit der Anmeldung verfolgten Schutzbegehren umfasst sein soll (BGH, Urteil vom 21. September 1993 - X ZR 50/91, Mitt. 1996, 204 unter 3 a - Spielfahrbahn; Beschluss vom 5. Oktober 2000 - X ZR 184/98, GRUR 2001, 140 unter II B 2 a - Zeittelegramm ). Hierfür sind nur die Anmeldungsunterlagen zu berücksichtigen, die zuerst eingereicht wurden. Im Streitfall ist die spätere Hinzufügung vom 8. August 1994 gemäß Art. 19 des Vertrages über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens (PCT) zur ursprünglichen Anmeldung vom 22. Februar 1994 (NK 6), mit der die Patentansprüche durch eine neue Fassung ersetzt wurden, für diesen Vergleich nicht zu berücksichtigen, weil es sich hierbei bereits um eine Änderung der ursprünglichen Fassung handelt , die deren ursprüngliche Priorität in Anspruch nimmt.
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Der Gegenstand der Anmeldung kann daher im Erteilungsverfahren bei der Formulierung des Anspruchs anders gefasst werden. Eine solche Änderung darf aber nicht zu einer Erweiterung des Gegenstandes der Anmeldung führen (BGHZ 110, 123, 125 f. - Spleißkammer). Der Patentanspruch darf nicht auf einen Gegenstand gerichtet werden, den die ursprüngliche Offenbarung aus Sicht des Fachmanns nicht zur Erfindung gehörend erkennen ließ (Sen.Urt. v. 5.7.2005 - X ZR 30/02, GRUR 2005, 1023, 1024 - Einkaufswagen II; v.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 168/98 Verkündet am:
11. September 2001
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
Luftverteiler
EPÜ Art. 87, 88; PVÜ Art. 4
Ein Gegenstand einer europäischen Patentanmeldung betrifft nur dann im Sinne
des Art. 87 Abs. 1 EPÜ dieselbe Erfindung wie eine Voranmeldung, wenn
die mit der europäischen Patentanmeldung beanspruchte Merkmalskombinati-
on dem Fachmann in der Voranmeldung in ihrer Gesamtheit als zu der angemeldeten
Erfindung gehörig offenbart ist. Einzelmerkmale können nicht in ein
und demselben Patentanspruch mit unterschiedlicher Priorität miteinander
kombiniert werden (im Anschluß an die Stellungnahme G 2/98 der Großen Beschwerdekammer
des Europäischen Patentamts).
BGH, Urteil vom 11. September 2001 - X ZR 168/98 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. September 2001 durch den Vorsitzenden Richter Rogge und
die Richter Prof. Dr. Jestaedt, Dr. Melullis, Scharen und Dr. Meier-Beck

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des 1. Senats (Nichtigkeitssenats ) des Bundespatentgerichts vom 10. März 1998 abgeändert : Das europäische Patent 359 698 wird mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland im Umfang der Patentansprüche 1 bis 7 und 10 und weiterhin insoweit für nichtig erklärt, als die Patentansprüche 16 bis 19, 21 bis 26 und 30 unmittelbar und/oder mittelbar auf die Patentansprüche 1 bis 7 und 10 rückbezogen sind.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Beklagte ist eingetragener Inhaber des deutschen Teils des am 27. April 1989 unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Gebrauchsmusteranmeldung 88 07 929 vom 20. Juni 1988 angemeldeten europäischen Patents 359 698 (Streitpatents). Anspruch 1 des Streitpatents, das am 22. Dezember 1993 veröffentlicht worden ist, lautet:
"Gasverteiler, insbesondere Luftverteiler zum feinblasigen Belüften von Wasser, mit
- einem festen, platten Grundelement (1);
- einer über dem Grundelement (1) angeordneten Membrane (2) (= gummielastische, gelochte Gas- oder Luftverteiler-Folie oder -Platte);
- einer Verbindungsvorrichtung (4) zum lösbaren, gasdichten Verbinden von Randbereichen der Membrane (2) mit entsprechenden Randbereichen der Grundelemente (1), derart, daû die Membrane (2) bei fehlender oder geringer Gas-, insbesondere Luft- und/oder O -Zufuhr auf wenigstens einer Oberfläche des

2

Grundelements (1) satt aufliegt;
- über der Membrane (2), insbesondere auf deren Oberfläche, angeordneten , niederhaltenden im wesentlichen stegförmigen
Elementen, die ein Aufwölben der Membrane (2) bei Gas-, insbesondere Luft- und/oder O -Zufuhr verhindern;

2


- wobei die Verbindungsvorrichtung (4) wenigstens einen mindestens U-förmigen Umschlingungsbereich der Membrane (2) umfaût , in welchem die Membrane (2) entweder einen Randbereich des plattenartigen Grundelements (1) umgreift oder etwa U-förmig in einer nutartigen Ausnehmung (3; 13) des plattenartigen Grundelements (1) einliegt sowie ein KlemmsitzProfildichtungselement (9, 10; 14, 15; 19, 20; 19', 20') vorgesehen ist, welches spätestens im Betriebszustand mindestens zwei linienförmige Klemmungen der Membrane (2) in sich im wesentlichen gegenüberliegenden Klemmungsbereichen des Umschlingungsbereichs bewirkt."
Wegen des Wortlauts der weiteren, unmittelbar oder mittelbar auf diesen Anspruch rückbezogenen Patentansprüche wird auf die Streitpatentschrift verwiesen. Ein Ausführungsbeispiel der Erfindung zeigen die nachstehend wiedergegebenen Figuren 12 und 13 der Streitpatentschrift.
Fig. 12
Fig. 13
Mit der Nichtigkeitsklage hat die Klägerin geltend gemacht, das Streitpatent beruhe gegenüber dem Stand der Technik vor dem Prioritätstag sowie gegenüber dem Gebrauchsmuster 88 07 929, dessen Priorität es nicht in Anspruch nehmen könne, nicht auf erfinderischer Tätigkeit und sei durch eine offenkundige Vorbenutzung im Prioritätsintervall vorweggenommen. Sie hat beantragt ,
das Streitpatent dadurch teilweise für nichtig zu erklären, daû Patentanspruch 1 in seiner erteilten Fassung und in den Patentansprüchen 2, 6, 7, 25 und 30 die Rückbeziehung auf Patentanspruch 1 in seiner erteilten Fassung entfalle.
Das Bundespatentgericht hat die Klage abgewiesen; sein Urteil ist in Mitt. 1998, 430 veröffentlicht.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie sinngemäû beantragt,
das Streitpatent mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland im Umfang der Patentansprüche 1 bis 7 und 10 und weiterhin insoweit für nichtig zu erklären, als die Patentansprüche 16 bis 19, 21 bis 26 und 30 unmittelbar und/oder mittelbar auf die Patentansprüche 1 bis 7 und 10 rückbezogen sind.
Der Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.
Als gerichtlicher Sachverständiger hat Dipl.-Ing. B. B., K., ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Berufung ist begründet. Das Streitpatent erweist sich in dem mit der Nichtigkeitsklage angegriffenen Umfang als nicht patentfähig und ist daher insoweit für nichtig zu erklären (Art. 138 Abs. 1 lit. a EPÜ, Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG).
I. Das Streitpatent betrifft einen Gasverteiler, insbesondere einen Luftverteiler zum feinblasigen Belüften von Wasser. Wie sich aus dem Zusammenhang der Beschreibung ergibt, geht die Erfindung, die auf einen Gasverteiler "mit den Merkmalen des" (tatsächlich einteilig aufgebauten) "Oberbegriffs des Patentanspruchs 1" Bezug nimmt, von einem Gasverteiler aus, der ein festes , plattenartiges Grundelement aufweist, über dem eine gummielastische, gelochte Gas- oder Luftverteilerfolie oder –platte als Membrane angeordnet ist. Zur lösbaren, gasdichten Verbindung von Randbereichen der Membrane mit entsprechenden Randbereichen des Grundelements dient eine vom Streitpatent näher ausgestaltete Verbindungsvorrichtung. Die Membrane liegt bei fehlender Gaszufuhr auf wenigstens einer Oberfläche des Grundelements satt auf. Bei Gaszufuhr verhindern über der Membrane, insbesondere auf deren Oberfläche , angeordnete, im wesentlichen stegförmige niederhaltende Elemente ein Aufwölben der Membrane.
Einen solchen Gasverteiler beschreibt die in der Streitpatentschrift genannte europäische Patentanmeldung 171 452, wobei die Membrane an ihren Rändern mittels Randleisten derart mit dem Grundelement verbunden wird, daû die Randleisten mit der unter ihnen liegenden Membrane und dem Grun-
delement verschraubt oder vernietet werden. Alternativ erwähnt die Vorveröffentlichung eine Verbindung durch Klammern, die in Abständen den Rand des Grundelements mit der darüber angeordneten Randleiste und dem dazwischen liegenden Randbereich der Membrane umgreifen und gegebenenfalls zusätzlich mit dem Grundelement verschraubt oder vernietet sein können.
Als nachteilig sieht die Streitpatentschrift an, daû die Verbindung zwischen Grundelement, Membrane und als Dichtung dienender Randleiste verhältnismäûig material-, herstellungs- und montageaufwendig sei.
Daraus ergibt sich das technische Problem, einen Gasverteiler mit einer zuverlässig gasdichten Verbindungsvorrichtung zu schaffen, die kostengünstig herzustellen ist und eine einfache Montage sowie Demontage beim Austausch der Membran gestattet.
Die Lösung des Streitpatents besteht aus einem Gasverteiler mit folgenden Merkmalen:
1. Der Gasverteiler weist auf
1.1 ein festes, plattenartiges Grundelement (1),
1.2 eine über dem Grundelement (1) als Membrane angeordnete gummielastische, gelochte Gas- oder Luftverteilerfolie oder –platte.
2. Eine Verbindungsvorrichtung (4) dient zum lösbaren, gasdichten Verbinden von Randbereichen der Membrane (2) mit entsprechenden Randbereichen des Grundelementes (1), derart, daû die Membrane (2) bei fehlender oder geringer Gaszufuhr auf wenigstens einer Oberfläche des Grundelements (1) satt aufliegt.
3. Die Verbindungsvorrichtung (4)
3.1 umfaût wenigstens einen mindestens U-förmigen Umschlingungsbereich der Membrane (2), in welchem diese
3.1.1 entweder einen Randbereich des Grundelements (1) umgreift oder
3.1.2 etwa U-förmig in einer nutartigen Ausnehmung (3; 13) des Grundelements (1) einliegt,
3.2 weist ein Klemmsitz-Profildichtungselement (9, 10; 14, 15; 19, 20; 19©, 20©) auf, welches spätestens im Betriebszustand mindestens zwei linienförmige Klemmungen der Membrane (2) in sich im wesentlichen gegenüberliegenden Klemmungsbereichen des Umschlingungsbereichs bewirkt.
4. Über der Membrane (2), insbesondere auf deren Oberfläche, sind niederhaltende, im wesentlichen stegförmige Elemente
angeordnet, die ein Aufwölben der Membrane (2) bei Gaszufuhr verhindern.
II. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist nicht patentfähig, da er dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt worden ist (Art. 52 Abs. 1, 56 EPÜ). Es kann daher dahinstehen, ob ihm gegenüber einem nach der Behauptung der Klägerin offenkundig vorbenutzten Gasverteiler bereits die Neuheit fehlt.
Für den angesprochenen Fachmann, als der ein auf dem Gebiet der Belüftungseinrichtungen tätiger Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau, aber auch, wie der Sachverständige ausgeführt hat, ein erfahrener Techniker in Betracht kommt, der sich aufgrund seiner Kenntnis vorhandener Bauformen mit herstellungs- und montagetechnischen Problemen dieser Vorrichtungen beschäftigt , ergab sich die Erfindung in naheliegender Weise aus einer Kombination der in dem Gebrauchsmuster 88 07 929 und in der europäischen Patentanmeldung 171 452 beschriebenen Gasverteiler.
1. Das Gebrauchsmuster, das am 18. August 1988 eingetragen worden ist, ist als Stand der Technik zu berücksichtigen, da die Priorität der betreffenden Anmeldung vom Streitpatent nicht wirksam in Anspruch genommen worden ist.

a) Der in Anspruch 1 des Streitpatents mit den Merkmalsgruppen 1 bis 4 umschriebene Gegenstand ist, wie bereits das Bundespatentgericht zutreffend angenommen hat, in der Gebrauchsmusteranmeldung nicht als zur angemeldeten Erfindung gehörig offenbart. In diesem Sinne offenbart ist dort
vielmehr nur ein Gasverteiler mit den Merkmalen 1 bis 3, nicht hingegen ein solcher, bei dem auûerdem über der Membrane niederhaltende, im wesentlichen stegförmige Elemente angeordnet sind, die ein Aufwölben der Membrane bei Gaszufuhr verhindern.
Die Beschreibung des Gebrauchsmusters erläutert, ein Luftverteiler zum feinblasigen Belüften von Wasser sei bereits aus der europäischen Patentanmeldung 171 452 bekannt, wobei dieser Luftverteiler eine über einer festen Platte angeordnete, gelochte Luftverteilerfolie aufweise, die an ihren Rändern mittels Randleisten dicht mit der festen Platte verbunden sei, und wobei ferner über der Luftverteilerfolie Stegleisten angeordnet seien, welche direkt mit der festen Platte verbunden seien. Zum gasdichten Verbinden der Luftverteilerfolie an ihren Rändern mit der festen Platte seien die als Dichtungselemente fungierenden Randleisten erforderlich, wobei die Verbindung zwischen diesen Randleisten, der Luftverteilerfolie und gegebenenfalls auch der Stegleisten mit der festen Platte durch selbstschneidende Schrauben oder durch Nieten erfolge , unter Umständen aber auch dadurch, daû Klammern vorgesehen seien, welche in Abständen den Rand der festen Platte mit der zugehörigen Randleiste und dem dazwischenliegenden Randbereich der Luftverteilerfolie umgriffen (S. 2 Z. 7 - 19). Die in der europäischen Patentanmeldung vorgesehene Verbindung zwischen fester Platte, Luftverteilerfolie und Randleisten wird als verhältnismäûig material-, herstellungs- und montageaufwendig bezeichnet (S. 2 Z. 27 - S. 3 Z. 4) und hieraus die Aufgabe abgeleitet, eine Verbindungsvorrichtung mit den Merkmalen des Oberbegriffs des Schutzanspruchs 1 zu schaffen und diese so auszubilden, daû sie bei sehr guter gasabdichtender Funktion verhältnismäûig geringen Konstruktions- und Fertigungsaufwand erfordert und Montage
bzw. Demontage sowie Wartung rasch und einfach erfolgen können (S. 3 Z. 9 - 19). Das soll dadurch erreicht werden, daû die Verbindungsvorrichtung aus wenigstens einem Klemmsitz-Profildichtungselement pro Randbereich besteht, dessen Profilform in der Weise ausgebildet ist, daû sich eine sowohl festklemmende als auch abdichtende Verbindung zwischen dem jeweiligen Randbereich der Luftverteilerfolie und dem zugeordneten Randbereich der festen Platte ergibt.
Stegleisten, die wie bei dem Gasverteiler nach der europäischen Patentanmeldung über der Luftverteilerfolie angeordnet wären oder angeordnet werden könnten, werden in der weiteren Beschreibung der Erfindung nicht erwähnt und sind auch in den Zeichnungen nicht dargestellt. Eine ausdrückliche Offenbarung, daû der erfindungsgemäûe Luftverteiler mit solchen Leisten versehen werden könne, fehlt daher. Daran ändert auch ihre Erwähnung in der Einleitung der Beschreibung nichts, da sie sich allein auf den vorbekannten Luftverteiler bezieht. In den im übrigen nach der europäischen Patentanmeldung gebildeten Gattungsbegriff des Schutzanspruchs sind die Stegleisten gerade nicht aufgenommen worden; die Erörterung ihrer Verbindung mit der festen Platte erfolgt vielmehr im Zusammenhang mit der Erörterung der als nachteilig angesehenen und vom Gebrauchsmuster zu verbessernden Randverbindungsvorrichtung des Standes der Technik (S. 2 Z. 7 - 19).
Der Fachmann entnimmt den Gebrauchsmusterunterlagen auch nicht als selbstverständlich die Möglichkeit, den zum Gebrauchsmusterschutz angemeldeten Luftverteiler mit Stegleisten zu versehen. Nach der Rechtsprechung des Senats ist allerdings über das Beschriebene hinaus durch eine zum Stand der Technik gehörende Schrift i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 2 PatG und des Art. 54 Abs. 2
EPÜ alles als offenbart und damit als vorweggenommen anzusehen, was für den Fachmann als selbstverständlich oder nahezu unerläûlich zu ergänzen ist oder was er bei aufmerksamer Lektüre der Schrift ohne weiteres erkennt und in Gedanken gleich mitliest (BGHZ 128, 270, 276 f. - elektrische Steckverbindung ; Sen.Urt. v. 30.9.1999 - X ZR 168/96, GRUR 2000, 296, 297 - Schmierfettzusammensetzung ). Das gilt auch für die Ermittlung des Inhalts einer für die wirksame Inanspruchnahme eines Prioritätsrechts oder die Prüfung einer unzulässigen Erweiterung maûgeblichen ursprünglichen Anmeldung mit der Maûgabe, daû es darauf ankommt, ob der mit durchschnittlichen Kenntnissen und Fähigkeiten ausgestattete Fachmann des betreffenden Gebiets der Technik eine solche selbstverständliche Ergänzung der Anmeldung als zur angemeldeten Erfindung gehörend entnehmen kann. Denn eine Lehre zum technischen Handeln geht über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus, wenn die Gesamtheit der Anmeldungsunterlagen nicht erkennen läût, daû sie als Gegenstand von dem mit der Anmeldung verfolgten Schutzbegehren umfaût sein soll (Sen.Urt. v. 21.9.1993 - X ZR 50/91, Mitt. 1996, 204, 206 - Spielfahrbahn ; Sen.Beschl. v. 20.6.2000 - X ZB 5/99, GRUR 2000, 1015, 1016 - Verglasungsdichtung; v. 5.10.2000 - X ZR 184/98, GRUR 2001, 140, 141 - Zeittelegramm). Daû indessen Gasverteiler mit Stegleisten nach dem Vorbild der europäischen Patentanmeldung 171 452 von dem mit der Gebrauchsmusteranmeldung verfolgten Schutzbegehren umfaût sein sollten, ist den Unterlagen dieser Anmeldung nicht zu entnehmen.
Die Anmeldung befaût sich nämlich nur mit der Randverbindung zwischen Folie und fester Platte, auf die auch sämtliche Schutzansprüche gerichtet sind, und nimmt die Oberseite der Folie und dort etwa anzubringende Stegleisten nicht in den Blick. Erwähnt ist lediglich, daû sich im Falle zuneh-
mender Zugbeanspruchung der erfindungsgemäûen Klemmverbindung beispielsweise aufgrund der sich aufwölbenden elastischen Folie bei zunehmendem Gasdruck die Klemmwirkung sogar noch in vorteilhafter Weise verstärke (S. 4 Z. 19 - 25). Das ist jedenfalls kein die Anbringung von Stegleisten erfordernder Effekt. Denn wie der Sachverständige überzeugend dargelegt hat, ging der Fachmann im Prioritätszeitpunkt nicht etwa als selbstverständlich davon aus, bei Gasverteilern der gattungsgemäûen Art eine übermäûige Aufwölbung durch Stegleisten verhindern zu müssen. Vielmehr stand ihm die Möglichkeit zu Gebote, je nach Gröûe der in Richtung der Aufwölbung wirkenden Kraft die Klemmverbindung entsprechend stärker auszubilden. Die angemeldete Erfindung umfaûte somit die Ausstattung des Gasverteilers mit Stegleisten nicht.

b) Danach ist die wirksame Inanspruchnahme der Priorität des Gebrauchsmusters für das Streitpatent nach Art. 87 Abs. 1 EPÜ nicht möglich, da das Streitpatent nicht dieselbe Erfindung betrifft wie die Gebrauchsmusteranmeldung.
Der Senat schlieût sich der Stellungnahme vom 31. Mai 2001 (G 2/98) an, in der die Groûe Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts das Erfordernis derselben Erfindung i.S.d. Art. 87 Abs. 1 EPÜ dahin ausgelegt hat, daû die Priorität einer früheren Anmeldung für einen Anspruch in einer europäischen Patentanmeldung gemäû Art. 88 EPÜ nur dann anzuerkennen ist, wenn der Fachmann den Gegenstand des Anspruchs unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens unmittelbar und eindeutig der früheren Anmeldung als Ganzes entnehmen kann. Maûgeblich dafür sind folgende Erwägungen:
Nach Art. 4 F PVÜ, gegenüber deren Prioritätsgrundsätzen das EPÜ den Anmelder nicht schlechter stellen darf (Sen., BGHZ 82, 88, 97 - Roll- und Wippbrett), kann zwar die Anerkennung einer Priorität nicht deswegen verweigert werden, weil eine Patentanmeldung ein oder mehrere Merkmale (französische Fassung: éléments; englische Fassung: elements) enthält, die in der Anmeldung , deren Priorität beansprucht wird, nicht enthalten waren, sofern Erfindungseinheit im Sinne des Landesgesetzes vorliegt. Ein élément im Sinne des Art. 4 F PVÜ ist jedoch nicht im Sinne eines Anspruchsmerkmals zu verstehen, sondern meint einen Erfindungsgegenstand, der explizit oder implizit in den Ursprungsunterlagen offenbart ist, aber nach Art. 4 H PVÜ nicht notwendigerweise in einem Anspruch definiert sein muû. Das stimmt mit der Schranke der Einheitlichkeit überein, die Art. 4 F PVÜ der Zusammenfassung mehrerer éléments in einer Nachanmeldung setzt, und entspricht dem verfahrensrechtlichen Zweck der Vorschrift, dem Anmelder eine Mehrzahl von Nachanmeldungen im Ausland zu ersparen (vgl. Lins, Das Prioritätsrecht für inhaltlich geänderte Nachmeldungen, S. 27). Eine Auslegung des Begriffs derselben Erfindung in Art. 87 Abs. 1 EPÜ, die diesen mit dem Begriff desselben Gegenstandes in Art. 87 Abs. 4 EPÜ gleichsetzt, steht danach nicht in Widerspruch zur PVÜ.
Allerdings bestimmt Art. 88 Abs. 2 Satz 2 EPÜ, daû für einen Anspruch mehrere Prioritäten in Anspruch genommen werden können. Nach der Entstehungsgeschichte der Vorschrift war jedoch, wie in der Stellungnahme der Groûen Beschwerdekammer dargelegt, nicht beabsichtigt, für Teile ein und desselben Patentanspruchs unterschiedliche Prioritäten zuzulassen. Vielmehr sollte lediglich der Fall geregelt werden, daû alternative Ausführungsformen
einer Erfindung ("Oder-Ansprüche") jeweils in unterschiedlichen Voranmeldungen offenbart sind.
Der - auch für die Stellungnahme der Groûen Beschwerdekammer - entscheidende Gesichtspunkt liegt schlieûlich in der Wirkung des Prioritätsrechts nach Art. 89 EPÜ, die darin besteht, daû der Prioritätstag für die Anwendung des Art. 54 Abs. 2, 3 sowie des Art. 60 Abs. 2 als Tag der europäischen Patentanmeldung gilt. Es wäre eine sachlich nicht gerechtfertigte Begünstigung des Nachanmelders, wenn diese Wirkung auch bei einer Weiterentwicklung der Erfindung (durch Hinzufügung eines weiteren Merkmals bei der Nachanmeldung ) dem Gegenstand der Nachanmeldung in seiner Gesamtheit zugebilligt würde. Das widerspräche dem Grundsatz der Gleichbehandlung von Anmeldern und Dritten durch einen einheitlichen Offenbarungsbegriff ebenso wie dem Zweck des Art. 54 Abs. 3 EPÜ, im Falle zweier europäischer Anmeldungen , die auf denselben Gegenstand gerichtet sind, das Recht auf das Patent (nur) demjenigen Anmelder zu geben, der den beanspruchten Gegenstand in seiner Gesamtheit zuerst offenbart hat.
Eine solche sachlich ungerechtfertigte Begünstigung des Nachanmelders lieûe sich jedoch allenfalls dann vermeiden, wenn es möglich wäre, hinsichtlich bei der Nachanmeldung hinzugefügten Merkmalen danach zu unterscheiden , ob sie Funktion und Wirkung der Erfindung (im Sinne des technischen Sinngehalts der ursprünglich offenbarten Merkmalskombination) beeinflussen oder nicht. Dafür stehen jedoch praktisch brauchbare Kriterien nicht zur Verfügung. Die von den Technischen Beschwerdekammern zum Teil praktizierte Unterscheidung zwischen wesentlichen und nicht wesentlichen Zusatzmerkmalen hat die Groûe Beschwerdekammer zu Recht für aus Gründen der
Rechtssicherheit nicht angängig gehalten. Die vom Bundespatentgericht in der angefochtenen Entscheidung vertretene Konzeption, in der der Nachanmeldung - nur im Umfang der in der Erstanmeldung offenbarten Merkmalskombination - deren Priorität zugebilligt wird, wenn die Nachanmeldung den ursprünglichen Erfindungsgedanken im Sinne einer weiteren Ausgestaltung ergänze, wie dies in der Regel die Merkmale eines echten Unteranspruchs täten, zwänge dazu, dem ursprünglichen Erfindungsgedanken eine Ausgestaltung zuzurechnen, die als solche in der Erstanmeldung gerade nicht offenbart ist, und damit zur Aufgabe des einheitlichen Begriffs der zum Patentschutz angemeldeten Erfindung, der diese allein aus der Anmeldung selbst danach bestimmt, was in ihr als zu der angemeldeten Erfindung gehörig offenbart ist. Ferner könnte die Abgrenzung zwischen einer Merkmalskombination 1 bis 4, bei der das Merkmal 4 die Merkmale 1 bis 3 lediglich ergänzt, und einer Merkmalskombination 1 bis 4, bei der auch die Merkmale 1 bis 3 im Rahmen der Gesamtkombination eine andere technische Bedeutung gewinnen, im Einzelfall Probleme bereiten, deren Inkaufnahme der Rechtssicherheit bei der Beurteilung der wirksamen Prioritätsinanspruchnahme abträglich wäre. Schlieûlich ergäbe sich die für den Anmelder gefährliche Konsequenz, daû ihm bei der Nachanmeldung der Gesamtkombination 1 bis 4 die Zubilligung des Prioritätsrechts für die Merkmalskombination 1 bis 3 nicht hülfe, wenn im Prioritätsintervall die Gesamtkombination 1 bis 4 von einem Dritten angemeldet oder - wie im Streitfall von der Klägerin behauptet - offenkundig würde, weil die Gesamtkombination lediglich die Priorität des Anmeldetages genösse (vgl. Sen., BGHZ 63, 150, 154 - Allopurinol; Lins/Gramm, GRUR Int. 1983, 634/635; v. Hellfeld, Mitt. 1997, 294, 296/297; Tönnies, GRUR Int. 1998, 451, 453). Insbesondere auf sich schnell entwikkelnden Gebieten der Technik wäre ein so verstandenes Prioritätsrecht daher
letztlich unzureichend (Joos, GRUR Int. 1998, 456, 459 f.) und geeignet, dem Anmelder die trügerische Sicherheit zu vermitteln, die Nachanmeldung der Erfindung in weiterentwickelter Form sei prioritätsunschädlich.
Ein Gegenstand einer europäischen Patentanmeldung betrifft hiernach nur dann im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EPÜ dieselbe Erfindung wie eine Voranmeldung , wenn die mit der europäischen Patentanmeldung beanspruchte Merkmalskombination dem Fachmann in der Voranmeldung in ihrer Gesamtheit als zu der angemeldeten Erfindung gehörig offenbart ist. Einzelmerkmale können nicht in ein und demselben Patentanspruch mit unterschiedlicher Priorität miteinander kombiniert werden.
Für den Streitfall folgt hieraus, daû für das Streitpatent, zu dessen Gegenstand nach sämtlichen Patentansprüchen zwingend das Merkmal 4 gehört, die Priorität des Gebrauchsmusters 88 07 929 nicht in Anspruch genommen werden kann, das dieses Merkmal nicht als zur Erfindung gehörig offenbart.
2. Für den Fachmann, der sich Gedanken über die zweckmäûige Ausbildung eines Luftverteilers machte, wie er im Gebrauchsmuster 88 07 929 beschrieben ist, lag es ohne weiteres nahe, diesen mit Stegleisten zu versehen , wie sie die europäische Patentanmeldung 171 452 zeigt.
Sie dienen bei dem Luftverteiler nach der europäischen Patentanmeldung , wie dort auf S. 4 Z. 31 - 34 beschrieben, dazu, ein Aufwölben der gelochten Luftverteilerfolie bei Luftzufuhr zu verhindern. In dem Gebrauchsmuster ist zwar, wie erwähnt, die Aufwölbung als vorteilhaft beschrieben, weil sie die erwünschte Klemmwirkung der Randverbindungsvorrichtung in vorteilhafter
Weise verstärke (S. 4 Z. 19 - 25). Ein Aufwölben der Folie findet jedoch stets statt, sei es hinsichtlich der Folie insgesamt, sei es hinsichtlich ihrer von den Stegleisten eingefaûten Teile, so daû der Hinweis im Gebrauchsmuster auf den hierin zu sehenden Vorteil den Fachmann, wie der Sachverständige bestätigt hat, nicht von dem Einsatz von Stegleisten abhielt. Vielmehr erschien es dem Fachmann, wie der Sachverständige zur Überzeugung des Senats ausgeführt hat, am Anmeldetag gleichermaûen möglich, je nach Zweckmäûigkeit und Auslegung der Klemmkraft des Profildichtungselements den Luftverteiler so zu bauen, daû sich eine gröûere (ohne Stegleisten) oder kleinere Aufwölbung (mit Stegleisten) ergab. Mit der Wahl der zweiten Alternative gelangte er zum Gegenstand des Streitpatents.
III. Die weiterhin angegriffenen Unteransprüche des Streitpatents enthalten handwerkliche Ausgestaltungen der Lehre des Anspruchs 1 und können die Patentfähigkeit des Streitpatents gleichfalls nicht begründen. Der Beklagte hat hierfür auch nichts geltend gemacht.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 110 Abs. 3 Satz 2 PatG in der nach Art. 29 2. PatGÄndG weiter anwendbaren Fassung der Bekanntmachung vom 16. Dezember 1980 i.V.m. § 91 Abs. 1 ZPO. Rogge Jestaedt Melullis Scharen Meier-Beck
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2. Die Beurteilung, ob der Gegenstand eines Patents durch eine Vorveröffentlichung neuheitsschädlich getroffen ist, erfordert die Ermittlung des Gesamtinhalts der Vorveröffentlichung. Maßgeblich ist, welche technische Information dem Fachmann offenbart wird. Der Offenbarungsbegriff ist dabei kein anderer, als er auch sonst im Patentrecht zugrunde gelegt wird (Sen.Urt. v. 16.12.2003 - X ZR 206/98, GRUR 2004, 407, 411 - Fahrzeugleitsystem; Benkard /Melullis, EPÜ, Art. 54 Rdn. 54; PatG, 10. Aufl., § 3 Rdn. 20 f.). Zu ermitteln ist deshalb nicht, in welcher Form der Fachmann etwa mit Hilfe seines Fachwissens eine gegebene allgemeine Lehre ausführen kann oder wie er diese Lehre gegebenenfalls abwandeln kann, sondern ausschließlich, was der Fachmann der Vorveröffentlichung als den Inhalt der gegebenen (allgemeinen) Lehre entnimmt. In der Rechtsprechung des Senats und der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts wird dies auch dahin ausgedrückt, dass maßgeblich ist, was aus fachmännischer Sicht einer Schrift "unmittelbar und eindeutig" zu entnehmen ist (BGHZ 148, 383, 389 - Luftverteiler; Sen.Urt. v. 14.10.2003 - X ZR 4/00, GRUR 2004, 133, 135 - Elektronische Funktionseinheit; Sen.Urt. v. 30.1.2008 - X ZR 107/04, GRUR 2008, 597 Tz. 17 - Betonstraßenfertiger; EPA (GrBK) Amtsbl. 2001, 413 = GRUR Int. 2002, 80; EPA GRUR Int. 2008, 511 - Traction sheave elevator/KONE; s. dazu auch Benkard/Melullis, EPÜ aaO Rdn. 59; Rogge, GRUR 1996, 931, 934).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 18/00
vom
11. September 2001
in der Rechtsbeschwerdesache
betreffend das deutsche Patent 34 47 925
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Drehmomentenübertragungseinrichtung
Werden in den Patentanspruch nur einzelne Merkmale eines Ausführungsbeispiels
der Erfindung aufgenommen, geht die sich daraus ergebende Merkmalskombination
dann über den Inhalt der Anmeldung hinaus, wenn sie in ihrer Gesamtheit
eine technische Lehre umschreibt, die der Fachmann den ursprünglichen
Unterlagen nicht als mögliche Ausgestaltung der Erfindung entnehmen
kann.
BGH, Beschl. v. 11. September 2001 - X ZB 18/00 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. September 2001
durch den Vorsitzenden Richter Rogge und die Richter Prof. Dr. Jestaedt,
Dr. Melullis, Scharen und Dr. Meier-Beck

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den am 13. Juli 2000 verkündeten Beschluß des 6. Senats (Technischen Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts wird zurückgewiesen.
Der Wert des Gegenstands der Rechtsbeschwerde wird auf 100.000,-- DM festgesetzt.

Gründe:


I. Die Rechtsbeschwerdeführerin ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 34 47 925 (Streitpatent), das eine Drehmomentübertragungseinrichtung betrifft. Das Streitpatent beruht auf der Anmeldung 34 40 927.0 vom 9. November 1984, zu der die Patentinhaberin mit Eingabe vom 17. Januar 1985 zwei Teilungserklärungen abgegeben hat. Auf eine der beiden Trennanmeldungen ist das Streitpatent am 26. Januar 1995 mit folgenden Ansprüchen 1, 3 und 12 veröffentlicht worden:
"1. Drehmomentübertragungseinrichtung mit einer Vorkehrung zum Aufnehmen bzw. Ausgleichen von Drehstößen, insbesondere von Drehmomentschwankungen einer Brennkraftmaschine mit mindestens zwei, koaxial angeordneten, entgegen der Wirkung einer Dämpfungseinrichtung zueinander verdrehbaren Schwungmassen, von denen die eine, erste, mit der Brennkraftmaschine und die andere, zweite, über eine Reibungskupplung mit dem Eingangsteil eines Getriebes verbindbar ist, wobei die Reibungskupplung über ein Ausrücksystem betätigbar ist, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß die Schwungmassen (3, 4) durch einen Kraftspeicher axial zueinander federnd verspannt sind derart, daß die die Kupplung tragende Schwungmasse in einer Richtung belastet wird, die der beim Ausrücken der Kupplung wirksamen Kraftrichtung entgegengesetzt ist.
3. Drehmomentübertragungseinrichtung nach Anspruch 1 oder 2, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t daß die Schwungmassen in Abhängigkeit von der Betätigung der Reibungskupplung (7, 107) zueinander begrenzt axial verlagerbar sind.
12. Drehmomentübertragungseinrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 11, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t ,
daû die Schwungmassen (3, 4) über wenigstens zwei Reiboder Gleitflächen miteinander in Reib- oder Gleitverbindung stehen bzw. bringbar sind, wobei in Abhängigkeit der Betätigung der Reibungskupplung (7, 107) die Dämpfungswirkung dieser Verbindung veränderbar ist."
Gegen das Streitpatent ist Einspruch erhoben worden, der damit begründet worden ist, daû der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 nicht patentfähig sei. Nach Rücknahme des Einspruchs hat die Patentinhaberin mit Erklärung vom 29. Oktober 1996 eine Teilung des Streitpatents erklärt, die zur Trennanmeldung 34 48 593.7 geführt hat. Nach einem Zwischenbescheid der Patentabteilung hat die Patentinhaberin den Widerruf der Teilungserklärung vom 29. Oktober 1996 erklärt und zugleich eine erneute Teilungserklärung abgegeben. Das Streitpatent hat die Patentinhaberin mit 24 Ansprüchen verteidigt , von denen Anspruch 1 lautet (Änderungen gegenüber dem erteilten Patentanspruch 1 kursiv):
"Drehmomentübertragungseinrichtung mit einer Vorkehrung zum Aufnehmen bzw. Ausgleichen von Drehstöûen, insbesondere von Drehmomentschwankungen einer Brennkraftmaschine mit mindestens zwei über eine Lagerung koaxial angeordneten, entgegen der Wirkung einer Dämpfungseinrichtung relativ zueinander verdrehbaren Schwungmassen, von denen die eine, erste, mit der Brennkraftmaschine und die andere, zweite, über eine Reibungskupplung mit dem Eingangsteil eines Getriebes verbindbar ist, wobei die Reibungskupplung über ein Ausrücksystem betätigbar ist,
d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daû die Schwungmassen (3, 4) durch einen Kraftspeicher axial zueinander federnd verspannt sind derart, daû die die Kupplung tragende Schwungmasse in einer Richtung belastet wird, die der beim Ausrücken der Kupplung wirksamen Kraftrichtung entgegengesetzt ist."
Die Patentabteilung hat das Streitpatent widerrufen, weil die Einfügung der Worte "über eine Lagerung" eine unzulässige Erweiterung gegenüber dem Inhalt der Anmeldung darstelle.
Die Patentinhaberin hat gegen den Beschluû der Patentabteilung Beschwerde eingelegt und beantragt,
1. den angefochtenen Beschluû aufzuheben und das Streitpatent mit den verteidigten Patentansprüchen aufrechtzuerhalten.
2. die Rückzahlung der Gebühren für die abgetrennte Anmeldung 34 48 593.7 anzuordnen.
Mit Beschluû vom 13. Juli 2000 hat das Bundespatentgericht die Beschwerde und den Antrag zurückgewiesen, die Rückzahlung der Gebühren für die Anmeldung 34 48 593.7 anzuordnen.
Hiergegen richtet sich die - zugelassene - Rechtsbeschwerde der Patentinhaberin , mit der diese beantragt,
den Beschluû des Bundespatentgerichts aufzuheben und die Sache zu anderweiter Verhandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist kraft Zulassung statthaft; das Rechtsmittel bleibt jedoch ohne Erfolg.
1. Das Bundespatentgericht hat die Teilungserklärung, die zu der dem Streitpatent zugrundeliegenden Trennanmeldung geführt hat, als wirksam angesehen , da zumindest der Gegenstand, der sich aus den mit der Teilungserklärung eingereichten Ansprüchen 1 und 6 oder 7, 10, 11 und 20 ergebe und den Ausführungen nach den ursprünglichen Figuren 4 und 5 entspreche, zum Zeitpunkt der Teilung Inhalt der Stammanmeldung 34 40 927.0 gewesen sei und in der Stammanmeldung jedenfalls die Ausführung nach der ursprünglichen Figur 1 verblieben sei. Das läût keinen Rechtsfehler erkennen.
2. Das Bundespatentgericht hat sich für befugt gehalten, den Anspruch, mit dem die Patentinhaberin das Streitpatent verteidigt, umfassend daraufhin zu überprüfen, ob er gegenüber dem Inhalt der Patentanmeldung 34 40 927.0 unzulässig erweitert ist. Zwar sei das Bundespatentgericht nicht befugt, von Amts wegen erstmalig neue Widerrufsgründe in das Verfahren einzuführen, die nicht Gegenstand des Einspruchsverfahrens vor dem Deutschen Patent- und Markenamt gewesen seien. Dies hindere das Bundespatentgericht aber grundsätzlich nicht daran, unter Wahrung des rechtlichen Gehörs innerhalb ein und desselben Widerrufsgrundes neue Tatsachen heranzuziehen und neue rechtliche Überlegungen anzustellen. Ebenso wie es bei der Prüfung der Patentfähigkeit den gesamten ihm bekannten Stand der Technik berücksichtigen könne
und nicht auf das den Beschluû der Patentabteilung tragende Material beschränkt sei, könne es im Einspruchsbeschwerdeverfahren im Rahmen des von der Patentabteilung festgestellten Widerrufsgrundes nach § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG weitere nicht ausdrücklich gerügte unzulässig erweiterte Merkmale zum Gegenstand seiner Entscheidung machen.
Die Rechtsbeschwerde meint demgegenüber, das Bundespatentgericht habe übersehen, daû die Patentabteilung nicht den gesetzlichen Widerrufsgrund des § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG angewendet habe, auch wenn diese Vorschrift unzutreffend als Grundlage der Entscheidung genannt sei. Die Patentabteilung habe gerade nicht festgestellt, daû der Gegenstand des erteilten Patents über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe. Der Widerruf sei vielmehr darauf gestützt, daû das im Einspruchsverfahren neu eingefügte Merkmal "über eine Lagerung" in der ursprünglichen Anmeldung nicht offenbart sei. Damit habe das Patentamt von seiner Befugnis Gebrauch gemacht, bei einer Verteidigung des Patents in veränderter Fassung die Zulässigkeit der Änderungen zu überprüfen; der von ihm behandelte Widerrufsgrund habe sich daher auf eine Erweiterung des Schutzbereichs des erteilten Patents bezogen.
Diese Rüge hat keinen Erfolg.
Allerdings ist das Beschwerdegericht nach der Rechtsprechung des Senats (BGHZ 128, 280, 292 f. - Aluminium-Trihydroxid; Beschl. v. 3.2.1998 - X ZB 6/97, GRUR 1998, 901, 902 - Polymermasse) im Einspruchsbeschwerdeverfahren grundsätzlich nicht befugt, vom Einsprechenden innerhalb der Frist des § 59 Abs. 1 PatG nicht geltend gemachte und vom Patentamt nicht in
das Verfahren eingeführte Widerrufsgründe von Amts wegen aufzugreifen und den Widerruf des Patents hierauf zu stützen. Das stand der Entscheidung des Bundespatentgerichts jedoch nicht entgegen.
Die Beschränkung des Gegenstandes der gerichtlichen Prüfung auf die vor dem Deutschen Patent- und Markenamt geltend gemachten Widerrufsgründe ergibt sich aus der Funktion des Beschwerdegerichts im Rechtszug und seiner Bindung an den Streitgegenstand. Das Bundespatentgericht ist im Beschwerdeverfahren zur Nachprüfung und Änderung von Entscheidungen nur in dem Umfang befugt, in dem eine Nachprüfung beantragt wird (Sen.Beschl. v. 2.3.1993 - X ZB 14/92, GRUR 1993, 655, 656 - Rohrausformer). Im Streitfall hat die Patentabteilung das Patent widerrufen, da der "geltende Patentanspruch" , als den die Patentabteilung den von der Patentinhaberin verteidigten Anspruch angesehen hat, i.S.d. § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG auf einen über den Inhalt der Anmeldung hinausgehenden Gegenstand gerichtet sei. Die Patentabteilung hat dies damit begründet, daû die Einfügung der Worte "über eine Lagerung" in den erteilten Anspruch über den Offenbarungsgehalt der ursprünglichen Unterlagen hinausgehe, denen der Fachmann nicht allgemein ein Lager, sondern ausschlieûlich ein Wälzlager zwischen den Schwungmassen entnehme. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist die Entscheidung der Patentabteilung hiernach nicht auf eine Erweiterung des Schutzbereichs des erteilten Patents durch den verteidigten Anspruch gestützt. Es kann dahinstehen , ob die Patentabteilung zunächst die Zulässigkeit der Änderung des Anspruchs hätte prüfen und in Anbetracht der - nach ihrem Standpunkt - unzulässigen Änderung die erteilte Fassung zum Gegenstand ihrer weiteren Untersuchung hätte machen müssen (in diesem Sinne Busse, Patentgesetz, 5. Aufl., § 21 Rdn. 107, § 83 Rdn. 42, 45; BPatGE 20, 133, 138; 29, 223, 226 für das
Gebrauchsmusterlöschungsverfahren; a.A. Hövelmann, GRUR 1997, 109, 110 f., und - für das Nichtigkeitsverfahren - wohl auch Schulte, PatG, 5. Aufl., § 81 Rdn. 62b). Nachdem die Patentabteilung so nicht verfahren ist, sondern den verteidigten Anspruch daraufhin untersucht hat, ob dieser Anspruch auf einen über den Inhalt der Anmeldung hinausgehenden Gegenstand gerichtet ist (der als erteilter Anspruch nach § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG zum Widerruf des Streitpatents führen müûte und mit dem das Patent daher nicht aufrechterhalten werden kann), hatte das Beschwerdegericht diese Entscheidung nachzuprüfen. Im Rahmen dieser Prüfung war das Bundespatentgericht nicht auf dasjenige Merkmal beschränkt, das die Patentabteilung als unzulässige Erweiterung angesehen hat, denn die Erweiterung bezieht sich stets auf den Anspruch als Ganzen.
3. Das Beschwerdegericht hat angenommen, der Durchschnittsfachmann habe den ursprünglichen Unterlagen die Lehre nach dem geltenden Patentanspruch 1 nicht entnehmen können. Denn in den ursprünglichen Unterlagen sei zum einen das Merkmal im Oberbegriff des Anspruchs 1, wonach die Relativverdrehung der Schwungmassen entgegen der Wirkung einer beliebigen Dämpfungseinrichtung erfolgen solle, sachlich nicht offenbart, zum anderen erlaubten sie nicht das Weglassen von zwingend zum Gegenstand der ursprünglichen Stammanmeldung gehörigen lösungswesentlichen Merkmalen im geltenden und auch schon erteilten Patentanspruch 1. Aus der Anmeldung ergebe sich für den Fachmann eine Drehmomentübertragungseinrichtung mit einer bestimmten baulichen Konzeption und einer speziellen Steuerung zur Veränderung bzw. Verringerung der Dämpfung, wenn die Reibungskupplung gelöst werde. Für diese Steuerung sei in den ursprünglichen Unterlagen ein Mechanismus offenbart, der nicht nur die Merkmale des kennzeichnenden Teils
des geltenden Patentanspruchs 1, sondern zugleich auch die axiale Verschiebbarkeit der die Reibungskupplung tragenden Schwungmasse (erteilter Anspruch 3) und die Reib- und Gleitverbindung (etwa erteilter Anspruch 12) in untrennbarer Weise umfasse.
Das beanstandet die Rechtsbeschwerde im Ergebnis ohne Erfolg.

a) Das Bundespatentgericht hält das Merkmal, wonach die Schwungmassen entgegen der Wirkung einer Dämpfungseinrichtung relativ zueinander verdrehbar sind, für in den ursprünglichen Unterlagen in dieser allgemeinen Weise nicht offenbart. Aus der ursprünglichen Beschreibung in Verbindung mit den Figuren gehe wie auch aus dem ursprünglichen Anspruch 31 hervor, daû die Dämpfungseinrichtung aus in Umfangsrichtung wirksamen Kraftspeichern bestehe und damit das Nominaldrehmoment übertragen werde. Die im ursprünglichen Anspruch 31 enthaltene Alternative, die statt der in Umfangsrichtung wirksamen Kraftspeicher Reib- oder Gleitmittel vorsehe, bilde nach dem Verständnis des Fachmanns zumindest beim abgetrennten Gegenstand keinen Ersatz für in Umfangsrichtung wirkende Kraftspeicher. Andere Ausführungsmöglichkeiten hinsichtlich der Übertragung des Nominaldrehmoments seien vom Fachmann nicht erkennbar.
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Merkmal findet sich - abgesehen von der bereits von der Patentabteilung für unbedenklich angesehenen Einfügung des Wortes "relativ" - bereits in Anspruch 1 der zugrundeliegenden Anmeldung. Das Bundespatentgericht, das das nicht verkennt, meint, der ursprüngliche Patentanspruch 1 weise vorwiegend allgemeine dämpfungstechnische Wirkangaben auf und sei so weit gefaût, daû ein Bezug zu
der sich aus der Gesamtheit der ursprünglichen Unterlagen ergebenden konkreten Lehre nicht ersichtlich sei und Anspruch 1 deshalb nicht als prinzipielle Verkörperung des Anmeldungsgegenstands verstanden werde. Dies gelte schon deswegen, weil im ursprünglichen Anspruch 1 die Reibungskupplung und das zugehörige Ausrücksystem nicht erwähnt würden, die aber für den im Streitpatent weiterzubildenden Gegenstand die entscheidende Grundlage bildeten.
Diese Erwägungen begründen die vom Bundespatentgericht angenommene unzulässige Erweiterung nicht. Das Bundespatentgericht zieht nicht in Zweifel, daû in den ursprünglichen Unterlagen eine Dämpfungseinrichtung aus in Umfangsrichtung wirksamen Kraftspeichern offenbart ist. Es zieht auch nicht in Zweifel, daû der Fachmann, als den das Bundespatentgericht rechtsfehlerfrei einen Hochschulingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit speziellen Kenntnissen auf dem Gebiet der Dämpfungsvorrichtungen insbesondere in Verbindung mit Kraftfahrzeugkupplungen ansieht, hierin ein Mittel sieht, kraft dessen die Schwungmassen - in den Worten des verteidigten Anspruchs - entgegen der Wirkung einer Dämpfungseinrichtung relativ zueinander verdrehbar sind. Unter diesen - dem Rechtsbeschwerdeverfahren zugrundezulegenden - Voraussetzungen kann aber das sachlich unverändert aus Anspruch 1 der Anmeldung in Patentanspruch 1 übernommene Merkmal keine unzulässige Erweiterung darstellen, weil es nichts enthält, was nicht bereits Inhalt der Anmeldung gewesen wäre. Der Umstand, daû die Anmeldung nach den Feststellungen des Bundespatentgerichts nur eine Ausführungsform "einer ganz bestimmten Baukonzeption" mit in Umfangsrichtung wirksamen Kraftspeichern (ausführbar) offenbart, steht dem nicht entgegen. Denn offenbart ist alles das, was in der Gesamtheit der ursprünglichen Unterlagen schriftlich niedergelegt
ist und sich dem Fachmann ohne weiteres aus dem Gesamtinhalt der Unterlagen am Anmeldetag erschlieût (Sen., BGHZ 111, 21, 26 - Crackkatalysator I). Ein "breit" formulierter Anspruch ist unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Erweiterung deshalb jedenfalls dann unbedenklich, wenn sich ein in der Anmeldung beschriebenes Ausführungsbeispiel der Erfindung für den Fachmann als Ausgestaltung der im Anspruch umschriebenen allgemeineren technischen Lehre darstellt und diese Lehre in der beanspruchten Allgemeinheit für ihn bereits der Anmeldung - sei es in Gestalt eines in der Anmeldung formulierten Anspruchs, sei es nach dem Gesamtzusammenhang der Unterlagen - als zu der angemeldeten Erfindung gehörig entnehmbar war.

b) Das Bundespatentgericht hat weiter festgestellt, der Fachmann entnehme den ursprünglichen Unterlagen eine Steuerung zur Veränderung bzw. Verringerung der Dämpfung, die nicht nur die Merkmale des kennzeichnenden Teils des geltenden Patentanspruchs 1, sondern zugleich auch die axiale Verschiebbarkeit der die Reibungskupplung tragenden Schwungmasse in untrennbarer Weise umfasse.
aa) Im einzelnen hat das Bundespatentgericht hierzu ausgeführt: In der Anmeldung werde die ferdernde Verspannung der Schwungmassen im Zusammenhang mit der Tellerfeder 34, dem Reibring 22 und der axialen Verlagerbarkeit der Schwungmasse 4 gegenüber der Schwungmasse 3 beschrieben. Im weiteren werde dort zur Funktionsweise ausgeführt, daû das durch den Reibring 22 erzeugte Reibmoment abnehme, wenn mit zunehmender Ausrückkraft die Vorspannung der Tellerfeder 34 allmählich kompensiert werde, und daû bei Überwindung der Vorspannung der Tellerfeder 34 diese verschwenkt und die Schwungmasse 4 um den Betrag X in Richtung der Schwungmasse 3 mit der
Folge verlagert werde, daû der Reibring 22 abhebe und keine Reibungsdämpfung mehr erzeugt werde. Die axial federnde Verspannung der Schwungmassen mit der entgegen der Betätigungskraft der Reibungskupplung wirkenden Vorspannkraft und die axiale Verlagerbarkeit der Schwungmassen sowie die Reib- und Gleitverbindung stellten eine Funktions- und Steuereinheit dar, die das allgemeine Lösungsprinzip verkörpere. In den ursprünglichen Unterlagen werde es bei der als Stand der Technik erörterten Drehmomentübertragungseinrichtung nach der deutschen Offenlegungsschrift 28 26 274 als nachteilig angesehen, daû der radiale Flansch der Flanschhülse, die die drehbare Lagerung der Schwungmassen zueinander ermögliche, beim Betätigen der Reibungskupplung zwischen den Schwungmassen mit groûer Kraft verspannt werde, wodurch ein hohes Reibmoment zwischen den Schwungmassen auftrete und die Dämpfung beeinträchtige. Mit dem Patentgegenstand solle eine derart hohe Reib- und Dämpfungswirkung vermieden werden, wofür die axiale Verlagerbarkeit der Schwungmassen und die Reib- und Gleitverbindung unverzichtbare Bestandteile der offenbarten Steuerung seien.
bb) Das trägt die angefochtene Entscheidung.
Bis zum Beschluû über die Erteilung des Patents sind nach § 38 PatG Änderungen der in der Anmeldung enthaltenen Angaben zulässig, die den Gegenstand der Anmeldung nicht erweitern. Der Gegenstand der Anmeldung darf bei der Aufstellung des Patentanspruchs anders formuliert werden, und er darf beschränkt werden. Eine solche Änderung darf aber nicht zu einer Erweiterung des Gegenstands der Anmeldung führen, und sie darf nicht dazu führen, daû an die Stelle der angemeldeten Erfindung eine andere gesetzt wird (Sen., BGHZ 66, 17, 29 - Alkylendiamine I; BGHZ 110, 123, 125 - Spleiûkammer). Der
Patentanspruch darf mithin nicht auf einen Gegenstand gerichtet werden, von dem der Durchschnittsfachmann aufgrund der ursprünglichen Offenbarung nicht erkennen kann, daû er von vornherein von dem Schutzbegehren umfaût sein soll (Sen.Urt. v. 21.9.1993 - X ZR 50/91, Mitt. 1996, 204, 206 - Spielfahrbahn; Sen.Beschl. v. 20.6.2000 - X ZB 5/99, GRUR 2000, 1015, 1016 - Verglasungsdichtung; v. 5.10.2000 - X ZR 184/98, GRUR 2001, 140, 141 - Zeittelegramm).
Das Bundespatentgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, daû der Fachmann den in dem verteidigten - wie in dem erteilten - Patentanspruch bezeichneten Gegenstand den ursprünglichen Unterlagen nicht als zur Erfindung gehörig entnehmen kann.
cc) Die Rechtsbeschwerde verweist allerdings zu Recht darauf, daû der Anmelder oder der Patentinhaber, wenn er nur noch für eine bestimmte Ausführungsform der angemeldeten Erfindung Schutz begehrt, nicht genötigt ist, sämtliche Merkmale eines Ausführungsbeispiels in den Anspruch aufzunehmen. Die Aufnahme eines weiteren Merkmals aus der Beschreibung in den Patentanspruch ist zulässig, wenn dadurch die zunächst weiter gefaûte Lehre auf eine engere Lehre eingeschränkt wird und wenn das weitere Merkmal in der Beschreibung als zu der beanspruchten Erfindung gehörend zu erkennen war (Sen., BGHZ 111, 21, 25 - Crackkatalysator I; Beschl. v. 30.10.1990 - X ZB 18/88, GRUR 1991, 307, 308 - Bodenwalze; Urt. v. 7.12.1999 - X ZR 40/95, GRUR 2000, 591, 592 - Inkrustierungsinhibitoren). Dienen mehrere in der Beschreibung eines Ausführungsbeispiels genannte Merkmale der näheren Ausgestaltung der unter Schutz gestellten Erfindung, die je für sich, aber auch zusammen den durch die Erfindung erreichten Erfolg fördern, hat es
der Patentinhaber in der Hand, ob er sein Patent durch die Aufnahme einzelner oder sämtlicher dieser Merkmale beschränkt; in dieser Hinsicht können dem Patentinhaber keine Vorschriften gemacht werden (Sen., BGHZ 110, 123, 126 - Spleiûkammer).
Das bedeutet jedoch nicht, daû der Patentinhaber nach Belieben einzelne Elemente eines Ausführungsbeispiels im Patentanspruch kombinieren dürfte. Die Kombination muû vielmehr in ihrer Gesamtheit eine technische Lehre darstellen, die der Fachmann den ursprünglichen Unterlagen als mögliche Ausgestaltung der Erfindung entnehmen kann; andernfalls wird etwas beansprucht , von dem der Durchschnittsfachmann aufgrund der ursprünglichen Offenbarung nicht erkennen kann, daû es von vornherein von dem Schutzbegehren umfaût sein soll, und das daher gegenüber der angemeldeten Erfindung ein aliud darstellt (Sen.Beschl. v. 23.1.1990 - X ZB 9/89, GRUR 1990, 432, 434 - Spleiûkammer [insoweit nicht in BGHZ]).
dd) Nach den von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des Bundespatentgerichts umfaût die Angabe im verteidigten Patentanspruch , daû die Schwungmassen durch einen Kraftspeicher axial zueinander federnd verspannt sind, aus der Sicht des Fachmanns nicht notwendigerweise eine axiale Verlagerbarkeit der Schwungmassen als ungeschriebenen Bestandteil der technischen Lehre des Anspruchs. Vom Anspruch umfaût ist daher auch eine Ausführungsform, bei der die Schwungmassen axial federnd verspannt sind, ohne axial verlagerbar zu sein. Nach den weiteren Ausführungen des Beschwerdegerichts konnte der Fachmann der Anmeldung axial federnd verspannte Schwungmassen jedoch nur im Zusammenhang mit einer gleichzeitigen axialen Verschiebbarkeit dieser Schwungmassen entnehmen. Das
Bundespatentgericht hat insoweit auf die dem Fachmann in der Beschreibung erläuterte Funktion der axial federnde Verspannung der Schwungmassen für deren axiale Verlagerung und die Bedeutung dieser Verlagerung für die Lösung des der Anmeldung zugrundeliegenden Problems abgestellt. Diese Ausführungen , die das Bundespatentgericht noch zusätzlich darauf hätte stützen können, daû die axiale Verspannung der Schwungmassen auch im allgemeinen Teil der Beschreibung und in den in der Anmeldung formulierten Ansprüchen nur als Ausführungsform axial verlagerbarer Schwungmassen angesprochen ist, sind als tatrichterliche Feststellungen, gegen die durchgreifende Rechtsbeschwerdegründe nicht erhoben sind, für das Rechtsbeschwerdeverfahren bindend (§ 107 Abs. 2 PatG).
ee) Ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde, diesen Feststellungen lägen unzutreffende Maûstäbe zugrunde.
Zu Unrecht sieht sie solche in der Bemerkung des Bundespatentgerichts , für den Fachmann seien aus der Anmeldung auch keine anderen Ausführungsformen erkennbar, die die Offenbarung der im geltenden Anspruch 1 angegebenen Lösung rechtfertigen könnten. Damit hat das Bundespatentgericht nicht zum Ausdruck gebracht, nur bei einem solchen (weiteren) Ausführungsbeispiel könne die beanspruchte Lösung als offenbart gelten.
Unbegründet ist auch die Rüge, das Bundespatentgericht habe angenommen , Rechte aus dem Streitpatent könnten "(selbstverständlich) nur im Sinne des in der Beschreibung offenbarten Ausführungsbeispiels geltend gemacht werden". An der angegebenen Stelle hat das Bundespatentgericht vielmehr - zutreffend - ausgeführt, Mängel im geltenden Anspruch 1 hinsichtlich
der ursprünglichen Offenbarung könnten nicht, wie von der Patentinhaberin eingeworfen worden sei, dadurch kompensiert werden, daû das Streitpatent (selbstverständlich) nur im Sinne des in der Beschreibung offenbarten Ausführungsbeispiels gegenüber Dritten geltend gemacht werden könne; dafür biete das Patentrecht keine Handhabe.
Nicht unbedenklich sind hingegen zwar die Ausführungen des Beschwerdegerichts , die Abstraktion des konkreten Gegenstandes dürfe nicht zu einer unbestimmten und diffusen Aussage oder Anweisung führen, die eine klare Vorstellung vom Wesen des ursprünglich offenbarten Anmeldungsgegenstandes nicht mehr vermittele und über die ursprüngliche Offenbarung in unzulässiger Weise hinausgehe, was im Streitfall ersichtlich der Fall sei, da wesentliche Elemente der Steuerung nicht im Hauptanspruch angegeben würden und für das Lösungsprinzip die steuernden und zu steuernden Mittel oder Vorrichtungen unverzichtbar seien. Es ist jedoch weder von der Rechtsbeschwerde dargelegt noch sonst erkennbar, inwiefern die Feststellungen zum Verständnis des Fachmanns vom Inhalt der Anmeldung hierdurch beeinfluût sein könnten.
ff) Wenn das Bundespatentgericht aus den zu dd) genannten Feststellungen abgeleitet hat, ein Anspruch, der nur die axial federnde Verspannung der Schwungmassen und den der Ausrückkraft der Reibkupplung entgegenwirkenden Kraftspeicher zur Kennzeichnung der Lösung anführe, sei "aus Offenbarungsgründen nicht statthaft" und führe zu einer sich dem Fachmann aus den ursprünglichen Unterlagen nicht erschlieûenden und deshalb unzulässigen Teil- oder Unterkombination, hat es nach alledem entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht unzulässig Fragen zum Anspruch auf Erteilung des Patents mit solchen aus dem Recht der Patentverletzung vermengt. Es hat
vielmehr zutreffend darauf abgestellt, daû der verteidigte Anspruch auf eine Kombination von Merkmalen gerichtet sei, die dem Fachmann nach seinen Feststellungen in der dem Streitpatent zugrundeliegenden Anmeldung nicht als zur Erfindung gehörende Kombination offenbart wird.

c) Hiernach kommt es nicht mehr darauf an, ob das Bundespatentgericht auch rechtsfehlerfrei festgestellt hat, nach der Ursprungsoffenbarung gehöre ebenso die Reib- und Gleitverbindung, wie sie etwa im erteilten Anspruch 12 angegeben sei, zu dem erfindungsgemäûen Steuerungsmechanismus, wogegen sprechen könnte, daû eine solche Verbindung in der Beschreibung (S. 17) lediglich als vorteilhaft bezeichnet ist.
4. Das Bundespatentgericht hat den Antrag zurückgewiesen, die Rückzahlung der Gebühren für die abgetrennte Anmeldung 34 48 593.7 anzuordnen. Insoweit ist die Rechtsbeschwerde ohne Begründung geblieben und deswegen als unzulässig zu verwerfen (§§ 102, 104 PatG).
III. Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht für erforderlich gehalten (§ 107 Abs. 1 PatG).
Rogge Jestaedt Melullis
Scharen Meier-Beck
31
aa) Den Inhalt der für die Frage einer unzulässigen Erweiterung maßgeblichen ursprünglichen Anmeldung bildet alles, was ihr der mit durchschnittlichen Kenntnissen und Fähigkeiten ausgestattete Fachmann des betreffenden Gebiets der Technik als zur angemeldeten Erfindung gehörend entnehmen kann. Eine Lehre zum technischen Handeln geht somit über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus, wenn die Gesamtheit der Anmeldungsunterlagen nicht erkennen lässt, dass sie als Gegenstand von dem mit der Anmeldung verfolgten Schutzbegehren umfasst sein soll (BGH, Urteil vom 21. September 1993 - X ZR 50/91, Mitt. 1996, 204 unter 3 a - Spielfahrbahn; Beschluss vom 5. Oktober 2000 - X ZR 184/98, GRUR 2001, 140 unter II B 2 a - Zeittelegramm ). Hierfür sind nur die Anmeldungsunterlagen zu berücksichtigen, die zuerst eingereicht wurden. Im Streitfall ist die spätere Hinzufügung vom 8. August 1994 gemäß Art. 19 des Vertrages über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens (PCT) zur ursprünglichen Anmeldung vom 22. Februar 1994 (NK 6), mit der die Patentansprüche durch eine neue Fassung ersetzt wurden, für diesen Vergleich nicht zu berücksichtigen, weil es sich hierbei bereits um eine Änderung der ursprünglichen Fassung handelt , die deren ursprüngliche Priorität in Anspruch nimmt.

(1) Ergibt die Begründung des angefochtenen Urteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Berufung zurückzuweisen.

(2) Insoweit die Berufung für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen wird.

(3) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Patentgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Nichtigkeitssenat erfolgen.

(4) Das Patentgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(5) Der Bundesgerichtshof kann in der Sache selbst entscheiden, wenn dies sachdienlich ist. Er hat selbst zu entscheiden, wenn die Sache zur Endentscheidung reif ist.