Bundesgerichtshof Urteil, 10. Mai 2016 - X ZR 114/13

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:100516UXZR114.13.0
10.05.2016
vorgehend
Landgericht Mannheim, 2 O 112/07, 17.01.2012
Oberlandesgericht Karlsruhe, 6 U 12/12, 07.08.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 114/13 Verkündet am:
10. Mai 2016
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
______________________
Wärmetauscher
EPÜ Art. 69; PatG § 14; BGB § 242 Cd, D; TRIPS Art. 30; Richtlinie 2004/48/EG
Art. 3 Abs. 2

a) Die Ermittlung des Sinngehalts eines Unteranspruchs kann grundsätzlich zur richtigen
Auslegung des Hauptanspruchs eines Patents beitragen. Dabei ist jedoch
zu beachten, dass Unteransprüche regelmäßig den Gegenstand des Hauptanspruchs
nicht einengen, sondern nicht anders als Ausführungsbeispiele lediglich -
gegebenenfalls mit einem zusätzlichen Vorteil verbundene - Möglichkeiten seiner
Ausgestaltung aufzeigen.

b) Die Einräumung einer Aufbrauchfrist kommt im Patentverletzungsprozess nur
dann in Betracht, wenn die sofortige Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs
des Patentinhabers auch unter Berücksichtigung seiner Interessen aufgrund besonderer
Umstände des Einzelfalls gegenüber dem Verletzer eine unverhältnismäßige
, durch das Ausschließlichkeitsrecht und die regelmäßigen Folgen seiner
Durchsetzung nicht gerechtfertigte Härte darstellte und daher treuwidrig wäre.
BGH, Urteil vom 10. Mai 2016 - X ZR 114/13 - OLG Karlsruhe
LG Mannheim
ECLI:DE:BGH:2016:100516UXZR114.13.0

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. Mai 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Gröning und Dr. Grabinski sowie die Richterinnen Schuster und Dr. Kober-Dehm

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 7. August 2013 im Kostenpunkt und im Umfang der nachfolgenden Änderung des Urteils der 2. Zivilkammer des Landgerichts Mannheim vom 17. Januar 2012 aufgehoben und dieses Urteil abgeändert: Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, es zu unterlassen, ein Heizsystem für Fahrzeuge mit offener Personenzelle wie zum Beispiel Cabriolets, bei welchem zum Heizen Warmluft über Kanäle zugeführt wird, herzustellen, welches getrennt von dem FahrzeugHeizungs - und -Lüftungssystem als Zusatzheizung ausgeführt ist, welches als gesonderte Heizung mit PTC-Elementen und wärmetauschenden Metalllamellen und Gebläse vorgesehen ist, bei welchem im Bereich der Rückenlehne von Sitzen Luftdüsen zum Umströmen des Kopf-, Nacken- und Schulterbereichs der sitzenden Person mit Warmluft vorgesehen sind und bei welchem die hierdurch erzielte Warmluftströmung derart räumlich begrenzt ist, dass sie bis zu den beiden Schulteraußenseiten und zu den Oberarmen reicht. Die Beklagten zu 1 und 3 werden verurteilt, es zu unterlassen, das vorbezeichnete Heizsystem anzubieten, in den Verkehr zu bringen , zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung werden den Beklagten zu 1 und 3 ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 € - ersatzweise Ordnungshaft - oder eine Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, angedroht.
Die Beklagten zu 1 und 3 werden ferner verurteilt, der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die ihnen untersagten Handlungen seit dem 28. Februar 1998 begangen haben , und zwar unter Angabe - die Beklagte zu 1: der Herstellungsmengen und -zeiten, - die Beklagte zu 3: der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der bezahlten Preise, - der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen (und gegebenenfalls Typenbezeichnungen ), sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer einschließlich der Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren, - der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen , -zeiten und -preisen (und gegebenenfalls Typenbezeichnungen ), sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger , - der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet und - der nach einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns; Einkaufspreise und Verkaufsstellen sind dabei erst für die Zeit seit dem 1. September 2008 mitzuteilen. Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1 und zu 3 verpflichtet sind, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der dem vormaligen Patentinhaber L. S. durch die ihnen untersagten, vom 28. Februar 1998 bis zum 15. August 2011 begangenen Handlungen und der Klägerin selbst durch die ihnen untersagten, seit dem 16. August 2011 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehenden Rechtsmittel werden zurückgewiesen.
Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen diese selbst ein Drittel, die Beklagten zu 1 und 3 ein weiteres Drittel als Gesamtschuldner und die Beklagten zu 1 und 3 jeweils ein weiteres Sechstel. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 und 3 haben diese selbst, die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2 hat die Klägerin zu tragen. Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des am 24. Dezember 1996 angemeldeten deutschen Patents 196 54 370, dessen Patentansprüche 1 und 3 in einem Patentnichtigkeitsverfahren (BGH, Urteil vom 16. November 2010 - X ZR 97/08, juris) folgende Fassung erhalten haben: "1. Heizsystem für Fahrzeuge mit offener Personenzelle, wie z. B. bei Cabriolets, welchem zum Heizen Warmluft über Kanäle zugeführt wird, dadurch gekennzeichnet,
a) dass es getrennt von dem Fahrzeug-Heizungs- und -Lüftungssystem als Zusatzheizung ausgeführt ist,
b) dass es als gesonderte Heizung mit separatem Wärmetauscher (22, 42) und Gebläse (23, 43) vorgesehen ist,
c) dass im Bereich der Rückenlehne (3, 32) von Sitzen Luftdüsen (6, 33) zum Umströmen des Kopf-, Nacken- und Schulterbereichs der sitzenden Person mit Warmluft vorgesehen sind und
d) dass die hierdurch erzielte Warmluftströmung derart räumlich begrenzt ist, dass sie bis zu den beiden Schulteraußenseiten und zu den Oberarmen reicht. 3. Heizsystem nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass elektrische Heizdrähte wenigstens in einem Teil der Luftkanäle (20, 41) vorgesehen sind."
2
Die Beklagte zu 1 stellt in ihrem Werk in B. Heizsysteme für Cabriositze her. Die Beklagte zu 2 ist ihre Muttergesellschaft. Die Heizsysteme werden in die Rückenlehnen der Sitze eingefügt und bestehen im Wesentlichen aus einem schaufelradförmigen Gebläse, einem PTC-Heizelement (PTC = Positive Temperature Coefficient) sowie einer speziellen Luftführung. Dabei wird ein von dem Gebläse erzeugter Luftstrom durch das PTC-Element geführt und für den Austritt im Nackenbereich der Fahrzeuginsassen erwärmt. Die Systeme werden unter der Bezeichnung "X" als Sonderausstattung in bestimmte von der Beklagten zu 3 hergestellte Fahrzeuge eingebaut und dafür als Ersatzteil geliefert.
3
Bei solchen PTC-Elementen handelt es sich einer zu den Akten gereichten Prinzipskizze zufolge um eine Anordnung folgender Bauteile:
4
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wird bei dem PTCElement elektrischer Strom über die äußeren Leiterplatten und die Wellrippen (Lamellen) zu den PTC-Keramikwiderständen geleitet, so dass diese sich aufheizen. Die entstehende Wärme wird über die Trägerbleche an die Metalllamellen abgegeben und erwärmt die daran vorbeiströmende Luft. Die Durchleitung des elektrischen Stroms zu den Keramiken selbst trägt nicht oder nur in einem kaum messbaren Ausmaß zur Erwärmung der Lamellen bei.
5
Die Klägerin hat geltend gemacht, dieses System mache von allen Merkmalen von Patentanspruch 1 des Klagepatents wortsinngemäß, jedenfalls aber durch gleichwirkende Mittel Gebrauch; sie hat die Beklagten vor dem Berufungsgericht zuletzt auf Unterlassung, Rechnungslegung, Rückruf, Vernichtung und Urteilsveröffentlichung in Anspruch genommen und die Feststellung ihrer Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz begehrt. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin den Unterlassungs- und den Rechnungslegungsanspruch - bis auf den Nachweis von Liefer- und Herstellungsmengen durch Belegkopien - und ihr Feststellungsbegehren weiter; auf die weiteren Ansprüche hat sie verzichtet. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung der Revision und die Beklagten zu 1 und 3 überdies hilfsweise, ihnen eine Aufbrauchfrist bis zu dem Zeitpunkt einzuräumen, zu dem die mit X-Technologie ausgestatteten Fahrzeuge, die bis zur Verkündung des Revisionsurteils bestellt wurden, ausgeliefert sind, zuzüglich einer Frist von zwei Monaten, maximal jedoch für die Dauer von sieben Monaten, und die Beklagte zu 3 für berechtigt zu erklären, innerhalb dieses Zeitraums bereits hergestellte, aber noch nicht verkaufte Fahrzeuge an Endverbraucher zu liefern, aber auch, bis zu dem genannten Zeitpunkt bestellte Fahrzeuge mit X-Technologie herzustellen. Die Klägerin tritt diesem Begehren entgegen.

Entscheidungsgründe:


6
I. Das Klagepatent betrifft ein Heizsystem für Fahrzeuge mit offener Personenzelle. Seiner Beschreibung zufolge waren im Stand der Technik Heizsysteme für Fahrzeuge bekannt, bei denen die mittels Wärmetauschern erwärmte Luft der geschlossenen Fahrgastzelle über im Bereich der Innenverkleidung angebrachte und mit Austrittsöffnungen und Klappen versehene Lüftungskanäle zugeführt wird. Befriedigende Ergebnisse seien damit bei offen zu fahrenden Fahrzeugen wie Cabriolets aber nicht zu erzielen, weil infolge des von der Windschutzscheibe nach oben gelenkten, stark beschleunigten Fahrtwinds im Bereich der offenen Fahrgastzelle Unterdruck und infolgedessen ein umgekehrter, an den Sitzen von hinten nach vorn vorbeifließender Luftstrom entstehe. Diese Rückströmung sei zwar nicht unerwünscht, weil sie einen Teil des Cabrio-Fahrgefühls ausmache, doch könne der kühle Luftzug bei ungünstigen Wetterverhältnissen im Kopf-, Nacken- und Schulterbereich zu Unterkühlung und Gesundheitsschäden führen.
7
Vor diesem Hintergrund betrifft das Klagepatent das Problem, ein Heizsystem zu schaffen, bei dem der Kopf-, Nacken- und Schulterbereich der Fahrzeuginsassen bei der Fahrt in offenen Fahrzeugen besser vor Unterkühlung geschützt ist. Dazu schlägt das Klagepatent in Anspruch 1 ein Heizsystem vor, 1. für Fahrzeuge mit offener Personenzelle, wie z.B. Cabriolets, 2. (bei) welchem zum Heizen Wärme über Kanäle zugeführt wird, 3. das als gesonderte, vom Fahrzeug-Heizungs- und -Lüftungssystem getrennte Zusatzheizung mit separatem Wärmetauscher und Gebläse ausgeführt ist, 4. bei dem im Bereich der Rückenlehne von Sitzen Luftdüsen vorgesehen sind, 5. mit Eignung zum Umströmen des Kopf-, Nacken- und Schulterbereichs der sitzenden Person mit Warmluft, 6. wobei die hierdurch erzielte Warmluftströmung räumlich begrenzt ist und bis zu den beiden Schulteraußenseiten und zu den Oberarmen reicht.
8
II. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass das beanstandete Heizsystem den Merkmalen 1 sowie 5 und 6 entspreche, und hat zur Verwirklichung der zwischen den Parteien umstrittenen Merkmale 2 bis 4 durch die angegriffene Ausführungsform im Wesentlichen ausgeführt:
9
Auch die Merkmale 2 und 4 seien erfüllt. Bei dem angegriffenen Heizsystem werde zum Heizen Wärme über Kanäle zugeführt. Merkmal 2 sei nicht so zu verstehen, dass das Heizsystem mit dem Warmluftsystem des Fahrzeugs verbunden sein und ihm selbst schon Warmluft zugeführt werden müsse. Vielmehr reiche es aus, wenn Luft im Wärmetauscher erwärmt und anschließend über Kanäle zu den Luftdüsen (Merkmal 4) geleitet werde, um nach dem Austritt den Kopf-, Nacken- und Schulterbereich der Fahrzeuginsassen zu umströmen. In der Klagepatentschrift werde mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass es darum gehe, die Luftdüsen mit Warmluft zu versorgen, wobei auch das Ansaugen von Kaltluft zur Erwärmung im Wärmetauscher beschrieben werde. In dieser Weise sei die angegriffene Ausführungsform ausgebildet. Die Luft werde bei Durchleitung durch die Lamellen des PTC-Heizelements erhitzt und den Düsen über ein Kanalsystem zugeführt.
10
Dagegen setze die angegriffene Ausführungsform keinen Wärmetauscher im Sinne des Merkmals 3 ein. Ein solcher müsse zwar nicht notwendigerweise die im Fahrzeugbetrieb anfallende Wärme, also das aufgeheizte Kühlwasser oder die Abgase nutzen, sondern könne auch speziell für seinen Einsatz erzeugte Wärme austauschen. Vom Begriff des Wärmetauschers sei es aber nicht erfasst, wenn das betreffende Gerät Wärme lediglich wie ein Heizdraht oder eine Heizplatte selbst erzeuge und diese ableite. Das ergebe sich aus Patentanspruch 3 und aus der unterscheidenden Gegenüberstellung von Heizdrähten und Wärmetauschern in der Beschreibung. Das Klagepatent sehe Wärmetauscher und elektrische Heizdrähte als unterschiedliche Vorrichtungen an. Die Lamellen der PTC-Elemente stellten gleichsam zu Platten ausgestaltete Heizdrähte dar, und die von den Widerstandsheizern der PTC-Elemente erzeugte Wärme werde durch die Lamellen nicht getauscht, sondern diese vergrößerten lediglich die Oberfläche der Vorrichtung zur besseren Abgabe der erzeugten Wärme an die durchströmende Luft. Es handle sich demnach um Vorrichtungen, die selbst Wärme erzeugten und nicht dem allein erfindungsgemäßen Tausch von Wärme dienten.
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Mangels Einsatzes einer Einrichtung mit gleicher, einen Wärmeaustausch herbeiführender Wirkung könne die Lösung der angegriffenen Ausführungsform auch nicht als äquivalente Verwirklichung von Merkmal 3 bewertet werden, zumal der Fachmann durch den Gegenstand von Patentanspruch 3 davon weggeführt werde, die aktive Wärmeerzeugung im Luftstrom als vom Schutzbereich des Klagepatents umfasst anzusehen.
12
III. Gegen diese Beurteilung des Inhalts des Patentanspruchs und seines Schutzbereichs wendet die Revision sich mit Erfolg.
13
1. Das Berufungsgericht hat bei seiner Erarbeitung des patentgemäßen Verständnisses vom Begriff des Wärmetauschers an den in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannten Erfahrungssatz angeknüpft, dass Begriffen in Patentschriften ein vom allgemeinen (technischen) Sprachgebrauch abweichender Sinngehalt beizulegen sein kann, der für das zutreffende Verständnis der betreffenden technischen Lehre dann maßgeblich ist (BGH, Urteil vom 2. März 1999 - X ZR 85/96, GRUR 1999, 909 - Spannschraube; Urteil vom 12. März 2002 - X ZR 168/00, BGHZ 150, 149, 155 f. - Schneidmesser I). Die Frage, ob dem Klagepatent ein "eigenes Wörterbuch" zugrunde liegt, stellt sich allerdings im Streitfall insofern nicht, als das Berufungsgericht feststellt, dass der Sprachgebrauch am Anmeldetag in Bezug auf den Begriff des Wärmetauschers uneinheitlich war und der Vortrag beider Parteien unter anderem belegt, dass PTC-Heizungen oder deren Lamellen am Anmeldetag des Klagepatents (auch) als Wärmetauscher bezeichnet wurden. Ein solche Widerstandsheizelemente in den Begriff des patentgemäßen Wärmetauschers ein- oder aus diesem ausschließendes Verständnis stellt daher keine von einem feststehenden allgemeinen (technischen) Sprachverständnis abweichende Charakterisierung dar.
14
2. Für sein Verständnis vom klagepatentgemäßen Begriff des Wärmetauschers hat das Berufungsgericht nach dem Zusammenhang der Gründe des Berufungsurteils maßgeblich auf das Verhältnis von Patentanspruch 1 zu Patentanspruch 3 und den Umstand abgestellt, dass in letzterem Unteranspruch als zusätzliches Mittel zur Erwärmung der Luftströmung ein als Heizdraht bezeichnetes Element vorgesehen ist. Die vom Berufungsgericht daraus gezogene Schlussfolgerung, dass ein Aggregat dann nicht als Wärmetauscher i. S. von Merkmal 3 eingeordnet werden kann, wenn die Wärmeerzeugung dabei wie bei einem Heizdraht erfolgt, ist jedoch entscheidungserheblich rechtsfehlerhaft. Der in Patentanspruch 3 unter Schutz gestellten Ausführungsform und den diesbezüglichen Erläuterungen in der Klagepatentschrift (C1Patentschrift , Beschreibung Sp. 2 Z. 44 ff.) kommt für die Ermittlung des Sinngehalts von Patentanspruch 1 in Bezug auf den Begriff des Wärmetauschers in Merkmal 3 nicht die Bedeutung zu, die das Berufungsgericht ihm beigelegt hat.
15
a) Die Ermittlung des Sinngehalts eines Unteranspruchs kann grundsätzlich zur richtigen Auslegung des Hauptanspruchs beitragen (vgl. Schulte/ Rinken/Kühnen, PatG, 9. Aufl., § 14 Rn. 26). Denn Unteransprüche gestalten die im Hauptanspruch unter Schutz gestellte Lösung weiter aus und können daher - mittelbar - Erkenntnisse über deren technische Lehre zulassen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass sie regelmäßig den Gegenstand des Hauptanspruchs nicht einengen, sondern, nicht anders als Ausführungsbeispiele (BGH, Urteil vom 7. September 2004 - X ZR 255/01, BGHZ 160, 204, 210 - Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung), lediglich - gegebenenfalls mit einem zusätzlichen Vorteil verbundene - Möglichkeiten seiner Ausgestaltung aufzeigen. Inwieweit sich aus dem Gegenstand eines Unteranspruchs tragfähige Rückschlüsse für das Verständnis des Hauptanspruchs und der in ihm verwendeten Begriffe gewinnen lassen, hängt im Übrigen von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere auch davon, worin die mit dem Unteranspruch vorgeschlagene Ergänzung der technischen Lehre des Hauptanspruchs besteht und auf wel- che Weise sie den Gegenstand des Hauptanspruchs fortbildet. Wird dadurch etwa ein Merkmal im Interesse funktionaler Optimierung um einen dieses Merkmal weiter ausformenden Aspekt ergänzt, kann dies unter Umständen eher tragfähige Rückschlüsse auf das dem betreffenden Merkmal im Rahmen der Lehre des Klagepatents beizulegende Verständnis ermöglichen, als wenn den Merkmalen des Hauptanspruchs additiv ein weiteres Element hinzugefügt wird. Rückschlüsse von der Beschaffenheit des Zusatzmerkmals auf das "richtige" Verständnis des Hauptanspruchs werden sich in diesem Fall jedenfalls nicht ohne Weiteres ziehen lassen.
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b) Im Streitfall handelt es sich um eine der zuletzt geschilderten Ergänzungen des Hauptanspruchs. Haupt- und Unteranspruch hängen in der Weise miteinander zusammen, dass zur Unterstützung der Wirkung des mit jenem unter Schutz gestellten Heizsystems nach diesem ein weiteres autonomes Heizmittel (Heizdrähte) vorgesehen ist. Das Berufungsgericht hat aus der Art dieses zusätzlichen Mittels Rückschlüsse auf die Wirkungsweise des hauptsächlich vorgesehenen Heizmittels, des Wärmetauschers der Zusatzheizung, gezogen, die indes nicht tragfähig sind.
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aa) Nach Patentanspruch 3 können elektrische Heizdrähte wenigstens in einem Teil der Luftkanäle (20, 41) vorgesehen sein. In der Beschreibung wird dies als zweckmäßige Ausführungsform vorgeschlagen, um insbesondere bei unzureichender Heizleistung des Wärmetauschers - etwa bei kühlerer Witterung - eine zusätzliche Erwärmung der zu den Düsen strömenden Luft zu bewirken und die Aufwärmzeit unabhängig von der Motortemperatur zu verkürzen (Beschreibung Sp. 2 Z. 44 ff.). Zur Abhilfe schlägt das Klagepatent mit Patentanspruch 3 der Sache nach den Einsatz einer in der Weise arbeitenden zusätzlichen Heizquelle vor, dass dem mittels des Wärmetauschers nicht hinreichend erwärmten oder auf seinem Weg zu den Düsen hin schon wieder abgekühlten Luftstrom unterwegs durch Platz sparende Nutzung der vorhandenen Luftkanäle weitere Wärme zugeführt wird, damit der Kopf-, Nacken- und Schulterbereich der Insassen von hinreichend erwärmter Luft umströmt werden kann.
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bb) Patentanspruch 3 gibt mithin ein Mittel an, mit dem das Ziel der erfindungsgemäßen Zusatzheizung, im Nacken- und Schulterbereich eine ausreichende Warmluftströmung bereitzustellen, noch besser erreicht werden kann, weil der Heizdraht unmittelbar anspricht und dadurch etwa nach einem Kaltstart die Zeitspanne überbrückt werden kann, bis sich das Kühlwasser bereits hinreichend erwärmt hat, um dem Wärmetauscher ausreichende Wärmekapazität bereitzustellen. Das Berufungsgericht hat sich nicht mit der Frage befasst, was dieser Weiterbildung der erfindungsgemäßen Lehre für das Verständnis der Erfindung in der allgemeinen Form des Hauptanspruchs zu entnehmen ist, sondern hat den Begriff des Heizdrahts isoliert als Gegenbegriff zu dem in Patentanspruch 1 verwendeten Begriff des Wärmetauschers interpretiert, wie insbesondere seine Erwägung veranschaulicht, die Lamellen des PTC-Elements stellten einen gleichsam zu einer Platte verbreiterten Heizdraht dar. Der Umstand , dass der Wärmetauscher nach Merkmal 3 und der in Patentanspruch 3 vorgesehene Heizdraht gleichermaßen der Erwärmung der Luftströmung dienen , rechtfertigt aber noch kein - über die Selbstverständlichkeit, dass ein Heizdraht kein Wärmetauscher ist, hinausgehendes - einengendes Verständnis des Begriffs des Wärmetauschers im Sinne des Patentanspruchs 1 im Sinne einer an dem Gegenbegriff des Heizdrahts orientierten Definition. Dass die Beschreibung Anlass zu der Annahme böte, das Klagepatent spreche im Hauptanspruch deshalb von einem Wärmetauscher, um sich damit von anderen Heizelementen , namentlich Heizdrähten, abzugrenzen, zeigt das Berufungsurteil nicht auf.
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cc) Mit seinen diesbezüglichen Erwägungen begibt sich das Berufungsgericht im Übrigen auch in Widerspruch zu seinem eigenen Ausgangspunkt , dass der geschützte Wärmetauscher nach dem fachmännischen Verständnis nicht darauf reduziert sei, die beim Betrieb des Fahrzeugs anfallende Wärme (Kühlwasser, Abgase) zu nutzen, sondern dafür auf eine nur für ihn erzeugte Wärme zurückgreifen könne. Mit dieser Prämisse lässt sich die Ansicht des Berufungsgerichts, die Abgabe der von den PTC-Heizelementen erzeugten Wärme über die Lamellen könne nicht als Wärmetausch i. S. von Patentanspruch 1 angesehen werden, technisch nicht sinnvoll in Einklang bringen. Denn dies hätte zur Folge, dass im Rahmen der vom Klagepatent geschützten Zusatzheizung ein funktionell dem Kühlwasser oder Abgas entsprechendes anderes Fluid vorgesehen und erhitzt werden müsste, um seine Wärme an den (berührungslos ) daran vorbeigeleiteten Luftstrom abzugeben. In Anbetracht des damit verbundenen konstruktiven Aufwands verstünde der Fachmann den Begriff des Wärmetauschers im Rahmen der Lehre des Klagepatents nicht in dem ihm vom Berufungsgericht beigelegten Sinn. Dies gilt umso mehr, als der Sprachgebrauch in Bezug auf diesen Begriff am Anmeldetag des Klagepatents nach den Feststellungen des Berufungsgerichts uneinheitlich war und aus fachmännischer Sicht keine zwingende Notwendigkeit bestand, ihn auf die Umschreibung in der Richtlinie VDI 2076 (ROKH 14) zu reduzieren, wo Wärmetauscher zwar durchaus als Einrichtungen beschrieben werden, in denen wärmere Stoffe einen Teil ihrer Wärme abgeben und diese von kälteren Stoffen aufgenommen wird, wobei die am Wärmeaustausch beteiligten Massenströme sich nicht berühren, diese Definition aber bezogen ist auf den Leistungsnachweis für "Wärmetauscher mit zwei Massenströmen".
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IV. Das angefochtene Urteil kann deshalb mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung keinen Bestand haben. Soweit es die gegen die Beklagten zu 1 und 3 gerichtete Klage betrifft, stellt es sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar und ist in diesem Umfang aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Das Berufungsgericht hat entgegen der Ansicht der Revisionserwiderungen tragfähige Feststellungen zur Verwirklichung der Merkmale 2 und 4 getroffen.
21
1. Die Beklagte zu 3 rügt fehlende Feststellungen dazu, dass bei der angegriffenen Ausführungsform Warmluft über Kanäle zugeführt wird. Diese Rüge beruht auf einer redaktionell missverständlichen Fassung des Klagepatents und einem sich daran anschließenden Missverständnis des Sinngehalts von Merkmal 2.
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a) Bei der für die Beurteilung einer Patentverletzung erforderlichen Auslegung des Patentanspruchs ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Sinngehalt des Anspruchs in seiner Gesamtheit und der Beitrag jedes einzelnen Merkmals zu dem gesamten Leistungsergebnis der Erfindung zu ermitteln (BGH, Urteil vom 13. Februar 2007 - X ZR 74/05, BGHZ 171, 1120 - Kettenradanordnung I; Urteil vom 17. Juli 2012 - X ZR 117/11, BGHZ 194, 107 - Polymerschaum I). Die an diesen Vorgaben orientierte Auslegung von Patentanspruch 1 des Klagepatents offenbart keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass eine Ausführung technisch gewollt wäre, bei der (schon) dem Heizsystem Wärme über Kanäle zugeführt wird, und Merkmal 2 dies zum Ausdruck bringen sollte. Das Merkmal besagt, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, dass erwärmte Luft über Kanäle zu den Düsen im Bereich der Rückenlehnen geleitet wird. Dass kein Heizsystem beansprucht wird, dem seinerseits bereits erwärmte Luft zugeführt wird, ergibt sich schon daraus, dass Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung Heizsysteme einschloss, bei denen die zu den Düsen geführte Warmluft vom allgemeinen Warmluftsystem des Fahrzeugs erzeugt wurde, also gar keine Zusatzheizung verwendet wurde (Beschreibung Sp. 2 Z. 23 ff.), und es aus fachmännischer Sicht fern liegt, dass dem Warmluftsystem des Fahrzeugs zum Heizen seinerseits schon Warmluft über Kanäle zugeführt wird. Nichts anderes gilt für den beschränkten Gegenstand des Klagepatents, und auch in beiden Ausführungsbeispielen der Erfindung wird Frischluft angesaugt (Sp. 3 Z. 43 ff.; Z. 59 ff.). In Patentanspruch 1 fehlt lediglich die Konjunktion "bei" im Wortlaut des Merkmals 2. Es bezieht sich auf den einleitenden Satz der Beschreibung des Streitpatents, in dem die Erfin- dung als ein Heizsystem für Fahrzeuge, insbesondere solche mit offener oder offen zu fahrender Personenzelle, beschrieben wird, "welchem" zum Heizen Warmluft über Kanäle zugeführt werde. Diese Umschreibung hat Eingang in den erteilten Patentanspruch 1 gefunden (vgl. Tatbestand des Senatsurteils vom 15. November 2010 - X ZR 97/08) und ist deshalb auch in der beschränkten Fassung des Anspruchs verblieben.
23
b) Die Warmluft wird bei der angegriffenen Ausführungsform auch kanalisiert (kanalgeführt) zu den Düsen geleitet. Dabei muss diese Warmluft innerhalb des Zusatzheizsystems nicht zwingend vor den Kanälen erzeugt werden. Die von der Beklagten zu 3 für ihren gegenteiligen Standpunkt in Anspruch genommene Passage der Beschreibung (Sp. 3 Z. 5 ff.) bezieht sich auf eine bestimmte vorteilhafte Ausführungsform und die damit korrespondierende Darstellung in Figuren 2 und 4. Dies ist nach allgemeinen Grundsätzen nicht geeignet , Gegenstand und Schutzbereich des Patents einzuschränken (BGHZ 160, 204, 210 - Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung).
24
2. Merkmal 4 ist nach dem Zusammenhang der Gründe des Berufungsurteils wortsinngemäß erfüllt. Das Berufungsgericht versteht den Begriff "Düsen" im Kontext von Patentanspruch 1 ersichtlich als Synonym für "Luftaustrittsöffnungen". Das ist in Anbetracht der diesen Elementen nach der Gesamtheit der Merkmale des Anspruchs zugewiesenen Funktion, für die Umströmung des Kopf-, Schulter- und Nackenbereichs bis zu den Schulteraußenseiten mit Warmluft zu sorgen, sachgerecht; eine sich konisch verengende Mündung, die die Luftaustrittsöffnungen nach den Vorstellungen der Beklagten aufweisen soll, und die damit einhergehende Fokussierung der Luftstrahlen könnte der genannten Zweckerreichung möglicherweise sogar abträglich sein, weil dafür eher eine gewisse Streuung der Luftströme günstig ist.
25
Die Luftaustrittsöffnungen sind Merkmal 4 gemäß im Bereich der Rückenlehne vorgesehen. Dass das Klagepatent keine der angegriffenen Ausfüh- rungsform direkt entsprechende Ausgestaltung zeigt, schränkt seinen Gegenstand und Schutzbereich auch insoweit nicht ein (vorstehend Rn. 23).
26
V. Der Senat kann insgesamt in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 2 ZPO), weil der Rechtsstreit auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen zur Endentscheidung reif ist und weitere Feststellungen weder erforderlich noch zu erwarten sind.
27
1. Es kommt durchaus in Betracht, dass die von der angegriffenen Ausführungsform verwendeten PTC-Elemente aus fachmännischer Sicht Wärmetauscher i. S. von Merkmal 3 darstellen und dieses Merkmal deshalb wortsinngemäß verwirklicht ist.
28
Das Klagepatent legt in seiner erteilten Fassung in Patentanspruch 1 auch für die Hauptheizung des Fahrzeugs nicht fest, auf welche Weise die der Fahrgastzelle zugeführte Luftströmung erwärmt wird. Dies könnte für ein Verständnis des separaten Wärmetauschers im Sinne des Merkmals 3 sprechen, das den Akzent eher auf die separate Bereitstellung der für die Zusatzheizung benötigten Wärme als auf eine bestimmte Form der Bereitstellung durch Wärmeaustausch zwischen zwei Masseströmen legt.
29
Andererseits durchzieht die Beschreibung die als Selbstverständlichkeit angesehene Annahme, dass die Fahrzeug(haupt)heizung aus einem "klassischen" Wärmetauscher besteht, bei dem die für die Erwärmung des Heizluftstroms benötigte thermische Energie von einem anderen Fluidstrom, insbesondere dem Kühlwasserstrom, abgegeben wird. Dies könnte dafür sprechen, auch den "separaten Wärmetauscher" des Merkmals 3 in diesem (engeren) Sinne zu verstehen.
30
2. Jedoch bedarf dies keiner abschließenden Entscheidung. Die angegriffene Ausführungsform fällt auch dann in den Schutzbereich des Klagepa- tents, wenn Merkmal 3 ein engeres Verständnis von einem Wärmetauscher zugrunde gelegt wird. Die beanstandete Ausgestaltung, bei der die von den PTCWiderstandsheizelementen erzeugte Wärme von Lamellen aufgenommen und an die daran vorbeigeleitete Luft abgegeben wird, erfüllt jedenfalls die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die Schutzrechtsverletzung mit äquivalenten Mitteln aufgestellten Voraussetzungen (vgl. Urteil vom 13. Januar 2015 - X ZR 81/13, GRUR 2015, 361 Rn. 18 - Kochgefäß; Urteil vom 10. Mai 2011 - X ZR 16/09, BGHZ 189, 330 Rn. 28 f. - Okklusionsvorrichtung; Urteil vom 14. Dezember 2010, GRUR 2011, 313, Rn. 35 - Crimpwerkzeug IV; Urteil vom 12. März 2002 - X ZR 168/00, BGHZ 150, 149, 154 - Schneidmesser I). Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen.
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a) Die Wärmeübertragung über die Lamellen des PTC-Elements erzielt die Wirkung des erfindungsgemäßen Wärmetauschers.
32
Der Fachmann entnimmt der Beschreibung des Klagepatents, dass für die Erwärmung der Luft zur Umströmung des Kopf-, Nacken- und Schulterbereichs der Insassen auf die im Fahrzeugbetrieb ohnehin zur Verfügung stehenden Quellen zurückgegriffen werden kann, also auf das durch die Motorkühlung aufgeheizte Kühlwasser oder einen Kühlluftstrom oder gegebenenfalls auf den Abgasstrom. Dass das Klagepatent im Zusammenhang mit der Erzeugung von Warmluft für die Fahrzeugbeheizung generell den Begriff des Wärmetauschers verwendet, erklärt sich vor diesem Hintergrund aus fachmännischer Sicht dadurch, dass die Warmluft für die allgemeine Fahrzeugheizung, wie bereits erwähnt, üblicher- und sinnvollerweise über Wärmetauscher bereitgestellt wird, ohne dass das Klagepatent im erteilten Anspruch 1 insoweit eine Festlegung enthielte und damit zum Ausdruck brächte, dass es ihm nicht nur auf die Wärmeübertragung auf den zur Beheizung dienenden Luftstrom, sondern auch darauf ankäme, woher die auf diesen Luftstrom übertragene thermische Energie stammt.
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Dies gilt in besonderem Maße für die Wärmeübertragung im Rahmen des zusätzlichen Heizungssystems der geltenden beschränkten Fassung von Patentanspruch 1. Einerseits ist hier der Energiebedarf beschränkt, weil nicht die gesamte Fahrgastzelle erwärmt werden muss, andererseits sieht das Klagepatent , wie Patentanspruch 3 zum Ausdruck bringt, es als wünschenswert an, dem gegebenenfalls weiten Weg bis zu einem Fluidstrom, von dem die Wärme abgenommen werden kann, und der längeren Ansprechzeit durch einen Heizdraht als zusätzliches, schnell ansprechendes und in der Nähe des Wirkungsorts anbringbares Mittel zur Erwärmung des Luftstroms Rechnung zu tragen.
34
Aus fachmännischer Sicht kommt es danach für die Gleichwirkung im Zusammenhang mit Merkmal 3 nur darauf an, dass die Zusatzheizung in ähnlicher Weise wie die allgemeine Fahrzeugheizung während des Betriebs kontinuierlich für Warmluftströme sorgt, wobei diese nicht durch die dafür vorgesehenen Kanäle und Luftklappen diffus in die Fahrgastzelle strömen sollen, sondern der gezielten Umströmung des Hals-, Nacken- und Schulterbereichs der Insassen vorbehalten sind. Die PTC-Elemente erzielen diese Wirkung und zugleich diejenige der Heizdrähte nach Patentanspruch 3, indem sie schnell und gezielt auf den Warmluftbedarf für die Zusatzheizung ansprechen und über die Lamellen die hierfür benötigte thermische Energie auf den im Bereich der Rückenlehne angebrachten Luftdüsen zugeführten Luftstrom übertragen.
35
Ihr Wirkmechanismus ist demjenigen eines Wärmetauschers im Sinne etwa der Definition in der Richtlinie VDI 2076 zumindest stark angenähert. Die Lamellen (Wellrippen) werden nach dem festgestellten Sachverhalt durch die Keramik-Widerstandsheizer aufgeheizt, und von den Lamellen wird die aufgenommene Wärme auf den zu diesem Zweck an ihnen vorbeigeführten Luftstrom übertragen. Der Unterschied besteht mithin darin, dass der zu erwärmende Luftstrom nicht an einem anderen (heißeren) Fluid vorbeigeführt wird. Gleich- wohl kommt es zu einer Übertragung thermischer Energie von einem Medium auf das andere, die mit der Übertragung in einem berührungslosen Wärmetauscher nach VDI 2076 auch deshalb vergleichbar ist, weil die Wärme dort ebenfalls nicht durch direkte Berührung (Vermischung) der unterschiedlich warmen Ströme getauscht wird, sondern über eine Trennwand übertragen wird. Dieser Trennwand entsprechen die Wellrippen, durch die die in den Heizelementen erzeugte Wärme auf den Luftstrom übertragen wird und die zum Zweck der Wirkflächenvergrößerung das wellenförmige Oberflächenprofil aufweisen.
36
b) Der Fachmann konnte die abgewandelte Ausführung mit ihren abweichenden Mitteln aufgrund seiner Fachkenntnisse als gleichwirkend auffinden.
37
Das maßgebliche fachmännische Verständnis schließt nach dem vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Urteil des Bundesgerichtshofs im Nichtigkeitsverfahren die Kenntnisse eines mit Fragen der Klimatisierung von Fahrgastzellen befassten Diplom-Ingenieurs (FH) der Fachrichtung Maschinenbau mit mehrjähriger Berufserfahrung bei einem Fahrzeughersteller oder Zulieferer ein. Diesem waren nach den Feststellungen des Berufungsgerichts und den Ausführungen in dem von den Beklagten vorgelegten Parteigutachten PTCHeizelemente am Anmeldetag des Klagepatents bekannt, und er vermochte aufgrund seines Fachwissens zu erkennen, dass sie ihrer Art nach für den Betrieb einer Fahrzeug-Zusatzheizung geeignet waren, wenn dafür nicht auf ein Kühlfluid oder den Abgasstrom zugegriffen werden konnte oder ein solcher Zugriff aufwendig oder sonst unzweckmäßig erschien.
38
c) Solche PTC-Elemente vorzusehen, stellt sich schließlich auch als Ergebnis einer am Sinngehalt der Lehre von Patentanspruch 1 orientierten Erwägung des Fachmanns dar, was die Bewertung dieser Lösung als gleichwertig (äquivalent) rechtfertigt. Da das Klagepatent, wie ausgeführt, die Auswahl der Quelle der für die Zusatzheizung benötigten thermischen Energie dem Fach- mann überlässt und in diesem Zusammenhang insbesondere auf den Gesichtspunkt möglichst kurzer Wege sowie ein wünschenswertes schnelles Ansprechen der Zusatzheizung hinweist, ist die Erwägung des Fachmanns, er könne die für die Erwärmung des Heizluftstroms notwendige Wärmeübertragung auch mittels der Lamellen eines PTC-Widerstandheizers sicherstellen und damit gegebenenfalls sogar auf einen zusätzlichen Heizdraht verzichten, unmittelbar sowohl am Zweck des erfindungsgemäßen separaten Wärmetauschers als auch an der für die Erreichung dieses Zwecks maßgeblichen Funktionsweise der Wärmeübertragung auf den dem Nacken- und Schulterbereich zugeführten Luftstrom ausgerichtet.
39
d) Der von den Beklagten zu 1 und 2 erhobene "Formstein"-Einwand (BGH, Urteil vom 29. April 1986 - X ZR 28/85, BGHZ 98, 12 - Formstein) ist unbegründet. Die Beklagten zeigen nicht auf, dass und inwiefern die von der angegriffenen Fahrzeugzusatzheizung verwirklichte gleichwertige Ausführungsform der erfindungsgemäßen Lehre insgesamt durch den Stand der Technik nahegelegt wäre.
40
3. Die Beklagten zu 1 und 3 sind hiernach verpflichtet, die Benutzung der erfindungsgemäßen Lehre zu unterlassen (§ 139 Abs. 1 i.V.m. § 9 Satz 2 Nr. 1 PatG). Für die Gewährung der hilfsweise begehrten Aufbrauchfrist ist kein Raum.
41
a) Die Einräumung einer Aufbrauchfrist, die üblicherweise der Überbrückung des für Umstellungs- und Beseitigungsmaßnahmen benötigten Zeitraums dienen soll (Teplitzky/Feddersen, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 11. Auflage, 57. Kap., Rn. 17 mwN), kann im Einzelfall geboten sein, wenn die sofortige Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs des Patentinhabers auch unter Berücksichtigung seiner Interessen gegenüber dem Verletzer eine unverhältnismäßige, durch das Ausschließlichkeitsrecht nicht gerechtfertigte Härte darstellte und daher treuwidrig wäre.
42
aa) Eine Aufbrauchfrist kommt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof im Allgemeinen, beispielsweise in Wettbewerbsstreitigkeiten, unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) in Betracht, wenn der unterlassungspflichtigen Partei bei sofortiger Wirkung des Untersagungsgebots unverhältnismäßige Nachteile entstünden und die befristete Fortsetzung des angegriffenen Verhaltens für den Verletzten keine unzumutbaren Beeinträchtigungen mit sich bringt (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 1982 - I ZR 58/80, GRUR 1982, 425, 431 - Brillen-Selbstabgabestellen).
43
bb) Inwieweit eine Aufbrauchfrist auch im Falle einer Patentverletzung gewährt werden kann, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 1980 - X ZR 16/79, GRUR 1981, 259 - Heuwerbungsmaschine II, wo das Berufungsgericht eine solche Frist gewährt hatte, das Klagepatent aber vor Einlegung der Revision abgelaufen war; vgl. auch BGH, Urteil vom 3. Februar 1959 - I ZR 170/57, GRUR 1959, 528 - Autodachzelt).
44
cc) In der patentrechtlichen Fachliteratur wird vertreten, über die Gewährung einer Aufbrauchfrist einzelfallbezogen unter abwägender Berücksichtigung aller beteiligten Interessen und subjektiver Elemente (Gut- oder Bösgläubigkeit des Verletzers) zu entscheiden. Dabei wird insbesondere Raum für eine ausnahmsweise zu bewilligende Aufbrauchfrist gesehen, wenn der Verletzungsgegenstand nur einen kleinen, aber funktionswesentlichen Bestandteil eines technisch komplexen Geräts betrifft und nicht in zumutbarer Zeit durch ein patentfreies oder lizenzierbares Produkt ersetzt werden kann (Benkard/ Grabinski/Zülch, PatG, 11. Aufl., § 139 Rn. 136a mwN; für Anlegung eines strengen Maßstabs unter Berücksichtigung von Art und Umfang des Verschuldens des Verletzers, des Verhaltens des Berechtigten und der wirtschaftlichen Auswirkungen auch Busse/Keukenschrijver, PatG, 7. Aufl. § 139 Rn. 82).
45
dd) Die Gewährung einer Aufbrauchfrist kommt im Falle einer Patentverletzung aus in der Natur der Beeinträchtigung liegenden Gründen nur unter engen Voraussetzungen in Betracht. Es geht in diesem Fall nicht darum, dass etwa für sich genommen rechtmäßig hergestellte Waren mit markenverletzenden Zeichen versehen werden (vgl. Bornkamm in: Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Aufl. § 8 UWG Rn. 1.58) oder die Rechte und Interessen des Berechtigten nur mittelbar durch unrechtmäßige Werbemaßnahmen oder Ähnliches gefährdet sind (vgl. dazu etwa Ahrens/Bähr, Der Wettbewerbsprozess, 7. Auflage, Kap. 38 Rn. 1 mwN). Vielmehr wird bei der Patentverletzung entgegen der Wirkung des Patents (§ 9 PatG) unmittelbar ein geschütztes Erzeugnis hergestellt oder in den Verkehr gebracht oder ein geschütztes Verfahren benutzt. Es ist daher notwendige Folge des patentrechtlichen Unterlassungsanspruchs, dass der Verletzer die patentverletzende Produktion oder den patentverletzenden Vertrieb einstellen muss und das betroffene Produkt erst dann wieder auf den Markt bringen kann, wenn er sich entweder die dafür benötigten Rechte vom Patentinhaber verschafft oder das Produkt so abgewandelt hat, dass es das Schutzrecht nicht mehr verletzt, was gegebenenfalls erheblichen Zeit- und Kostenaufwand erfordern kann. Die damit zwangsläufig verbundenen Härten sind grundsätzlich hinzunehmen. Eine Einschränkung der Wirkung des Patents durch Gewährung einer Aufbrauchfrist ist deshalb nur dann zu rechtfertigen, wenn die wirtschaftlichen Folgen der sofortigen Befolgung des Unterlassungsgebots den Verletzer im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände über die mit seinem Ausspruch bestimmungsgemäß einhergehenden Beeinträchtigungen hinaus in einem Maße treffen und benachteiligen, das die unbedingte Untersagung als unzumutbar erscheinen lässt.
46
ee) Die internationalen Vereinbarungen und unionsrechtlichen Regelungen , die im Zusammenhang mit der begehrten Aufbrauchfrist angeführt werden , geben zu einer abweichenden Beurteilung der Voraussetzungen hierfür keinen Anlass.
47
(1) Das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS) enthält keine Aufbrauchfristen unmittelbar betreffenden Regelungen. Art. 30 TRIPS gestattet den Mitgliedern wohl, begrenzte Ausnahmen von den ausschließlichen Rechten aus einem Patent anzuordnen , sofern solche Ausnahmen nicht unangemessen in Widerspruch zur normalen Verwertung des Patents stehen und sie die berechtigten Interessen des Patentinhabers auch unter Berücksichtigung der Interessen Dritter nicht unangemessen beeinträchtigen.
48
Selbst wenn diese Regelung dahin verstanden wird, dass sie nicht nur zu einer generellen Einschränkung der ausschließlichen Rechte aus einem Patent durch gesetzgeberische Maßnahmen ermächtigt, - auf die die Beklagten sich für ihr Begehren nicht stützen können - sondern das Verletzungsgericht auch im Einzelfall zu entsprechenden Ausnahmen legitimiert, so wären dafür doch die Belange des Patentinhabers und des Verletzers gleichermaßen abwägend in den Blick zu nehmen, um einschätzen zu können, ob die jeweils begehrte Ausnahme nicht unangemessen in Widerspruch zur normalen Verwertung des Patents steht. Anhaltspunkte dafür, dass dies zu einer abweichenden Bewertung einzelner Aspekte im Lichte von Art. 30 TRIPS bei der Abwägung (nachstehend V 3 b) veranlassen könnte, sind der Regelung nicht zu entnehmen.
49
(2) Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. Nr. L 195 vom 2. Juni 2004 S. 16, Durchsetzungsrichtlinie ) sehen die Mitgliedstaaten zur Durchsetzung dieser Rechte faire und gerechte Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe vor, die keine unangemessenen Fristen oder ungerechtfertigte Verzögerungen mit sich bringen, und die nach Art. 3 Abs. 2 derselben Regelung wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sind und so angewendet werden, dass der rechtmäßige Handel nicht eingeschränkt wird und Gewähr gegen ihren Missbrauch gegeben ist.
50
Die Einräumung einer Aufbrauchfrist mag nach diesen Richtlinienregelungen , obwohl nicht explizit genannt, unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit grundsätzlich in Betracht kommen, soweit dies noch mit der in Art. 3 Abs. 2 Durchsetzungsrichtlinie zum Schutze des geistigen Eigentums geforderten Wirksamkeit und dem Abschreckungscharakter der vorgesehenen Maßnahmen zu vereinbaren ist. Auch daraus ergeben sich jedoch jedenfalls grundsätzlich keine anderen oder weiteren Abwägungsgesichtspunkte, als im Kontext des nationalen Rechts. Dies wird durch den Umstand bestätigt, dass die von Art. 3 Abs. 2 Durchsetzungsrichtlinie eröffneten Möglichkeiten einer Durchbrechung unbedingter Unterlassungsgebote auch von den englischen Gerichten nicht weiter gezogen werden, als es dem vorstehend Ausgeführten (Rn. 45) entspricht. Nach einer Entscheidung des High Court für England und Wales (Pumfrey J) in einer Urheberrechtsstreitigkeit ([2005] EWHC 282 (Ch) - Navitaire Inc v EasyJet Airline Co Ltd.) sind Unterlassungsgebote so lange unbedingt auszusprechen, wie sie nicht schikanös ("opressive") sind, was erst dann anzunehmen sei, wenn die Wirkung des Unterlassungsgebots in einem groben Missverhältnis ("grossly disproportionate") zum Nutzen für das geschützte Recht stehe. Auch der Court of Appeal (Jacobs LJ in Virgin Atlantic Airways Ltd v Premium Aircraft Interiours Group, [2009] EWCA Civ 1513) sieht diese Bewertung in Einklang mit Art. 3 der Durchsetzungsrichtlinie (ähnlich der High Court für England und Wales [Arnold J] in einer Patentstreitsache ([2013] EWHC 3778 - HTC Corp. v Nokia Corp. Rn. 32).
51
b) Die von den Beklagten geltend gemachten Gesichtspunkte rechtfertigen hiernach die Einräumung einer Aufbrauchfrist im Streitfall nicht.
52
aa) Der Verletzungsgegenstand betrifft zwar nur ein einzelnes Element eines in einen komplexen Liefergegenstand (Fahrzeug) eingefügten Bauteils (Fahrzeugsitz). Es stellt aber schon kein funktionswesentliches Bauteil dar, sondern bei dem X-Heizsystem handelt es sich um ein Sonderausstat- tungsmerkmal, das die generelle Einsatzfähigkeit und Nutzbarkeit des Fahrzeugs und des Fahrzeugsitzes unberührt lässt. Dass keine oder keine angemessene Lizenzierungsmöglichkeit bestanden hätte, ist nicht aufgezeigt. Selbst wenn das Unterlassungsgebot auf ein - durch den bevorstehenden Ablauf der Schutzdauer des Klagepatents von vornherein zeitlich eher eng befristetes - Auslieferungshindernis für betroffene Fahrzeuge hinausliefe, sind keine Anhaltspunkte für gravierende und unverhältnismäßige wirtschaftliche Auswirkungen auf den gesamten Geschäftsbetrieb der Beklagten zu 1 oder 3 oder auch nur in Bezug auf ein bestimmtes Segment ihrer Angebotspalette ersichtlich. Das unbedingte Unterlassungsgebot trifft die Beklagten vor diesem Hintergrund nicht unverhältnismäßig.
53
bb) Verschuldensgesichtspunkte rechtfertigen eine den Beklagten günstigere Beurteilung nicht. Von der Möglichkeit, den Gegenstand des Streitpatents in Lizenz zu nehmen, haben die Beklagten keinen Gebrauch gemacht. Dass die Vorinstanzen die angegriffene Ausführungsform nicht für patentverletzend erachtet haben, gibt zu einer den Beklagten günstigeren Beurteilung keinen Anlass, auch nicht unter dem von ihnen angeführten Gesichtspunkt eines vermeintlich schutzwürdigen Vertrauens in den Bestand der land- und oberlandesgerichtlichen Entscheidung. Der Umstand, dass Instanzgerichte eine Patentverletzung verneint haben, rechtfertigt jedenfalls für sich genommen nicht, die Wirkung ihrer Entscheidungen für die Zeit nach Verkündung des anderslautenden Revisionsurteils durch Gewährung einer Aufbrauchfrist zu perpetuieren. Die unbedingte Wirkung des Unterlassungsgebots trifft die Beklagten bei der gegebenen Sachlage auch unter diesem Gesichtspunkt nicht unbillig.
54
c) Der Senat hat den Unterlassungsausspruch entsprechend dem als Hilfsantrag bezeichneten Klagebegehren formuliert. Dieses entspricht - unabhängig von der Frage einer wortsinngemäßen oder äquivalenten Verletzung und ohne der Sache nach einen anderen Streitgegenstand als der Hauptantrag zu definieren - der Forderung, im Klageantrag und in einem diesem entsprechenden Urteilsausspruch zum Ausdruck zu bringen, durch welche Ausgestaltung des angegriffenen Erzeugnisses die erfindungsgemäße Lehre verwirklicht wird, und damit nicht den Gegenstand des Klagepatents, sondern den Streitgegenstand zu bezeichnen (BGH, Urteil vom 30. Mai 2005 - X ZR 126/01, BGHZ 162, 365 - Blasfolienherstellung; BGH, Urteil vom 21. Februar 2012 - X ZR 111/09, GRUR 2012, 485 - Rohrreinigungsdüse II).
55
4. Die Beklagten zu 1 und 3 sind der Klägerin nach § 139 Abs. 2 PatG ferner zum Ersatz des dieser und dem früheren Patentinhaber - der der Klägerin mit Vereinbarung vom 16. August 2011 die in seiner Person entstandenen Schadensersatzansprüche abgetreten hat - entstandenen Schadens verpflichtet, da sie bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt die Verletzung des Klagepatents durch Herstellung und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform hätten erkennen können.
56
5. Schließlich ergeben sich die Verpflichtungen der Beklagten zu 1 und 3 zur Rechnungslegung aus § 242 BGB und der Anspruch auf Auskunft über den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform aus § 140b Abs. 1, 3 PatG.
57
6. Die weiteren ursprünglich geltend gemachten Ansprüche auf Vernichtung , Rückruf sowie Urteilsbekanntmachung bleiben abgewiesen, nachdem die Klägerin hierauf in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat verzichtet hat (§ 306 ZPO).
58
7. Die gegen die Beklagte zu 2 gerichtete Klage ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat lediglich festgestellt, dass sie die Muttergesellschaft der Beklagten zu 1 ist und dass die der Beklagten zu 3 gelieferten Teile mit der Bezeichnung "Lear Corporation" gekennzeichnet sind. Letzteres kann ebenso gut auf die Beklagte zu 1 allein hindeuten und rechtfertigt deshalb nicht - auch nicht in Verbindung mit der gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit beider Unternehmen , der Muttergesellschaft die Patentverletzung der Tochtergesellschaft zuzurechnen. Nichts anderes gilt bei Berücksichtigung des von der Klägerin ergänzend angeführten Umstands, dass die Beklagte zu 2 auf die geltend gemachte Patentverletzung hin gebeten hat, die weitere Korrespondenz mit ihr zu führen.
59
8. In dem am Schluss der Sitzung vom 10. Mai 2016 verkündeten Tenor dieses Urteils ist der landgerichtlichen Entscheidung der 17. Dezember 2012 zugeordnet und nicht der 17. Januar 2012, an dem das Urteil des Landgerichts verkündet worden ist. Der Senat hat dieses offenbare Versehen entsprechend § 319 Abs. 1 ZPO berichtigt.
60
VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 92 Abs. 2, § 97 Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck Gröning Grabinski Schuster Kober-Dehm
Vorinstanzen:
LG Mannheim, Entscheidung vom 17.01.2012 - 2 O 112/07 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 07.08.2013 - 6 U 12/12 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen


(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger

Zivilprozessordnung - ZPO | § 563 Zurückverweisung; eigene Sachentscheidung


(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

Zivilprozessordnung - ZPO | § 562 Aufhebung des angefochtenen Urteils


(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen

Zivilprozessordnung - ZPO | § 319 Berichtigung des Urteils


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Patentgesetz - PatG | § 139


(1) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht. Der Anspruch

Patentgesetz - PatG | § 9


Das Patent hat die Wirkung, dass allein der Patentinhaber befugt ist, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu benutzen. Jedem Dritten ist es verboten, ohne seine Zustimmung 1. ein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, herzust

Patentgesetz - PatG | § 140b


(1) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten auf unverzügliche Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der benutzten Erzeugnisse in Anspruch genommen werden. (2) In Fällen offensichtlicher R

Patentgesetz - PatG | § 14


Der Schutzbereich des Patents und der Patentanmeldung wird durch die Patentansprüche bestimmt. Die Beschreibung und die Zeichnungen sind jedoch zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 306 Verzicht


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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 97/08 Verkündet am:
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als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. November 2010
durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck und die Richter Gröning,
Dr. Berger, Dr. Grabinski und Hoffmann

für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 2. April 2008 verkündete Urteil des 1. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts abgeändert. Das deutsche Patent 196 54 370 wird für nichtig erklärt, soweit es über folgende Fassung seiner Patentansprüche hinausgeht: 1. Heizsystem für Fahrzeuge mit offener Personenzelle, wie z.B. bei Cabriolets, welchem zum Heizen Warmluft über Kanäle zugeführt wird, dadurch gekennzeichnet,
a) dass es getrennt von dem Fahrzeug-Heizungs- und -Lüftungssystem als Zusatzheizung ausgeführt ist,
b) dass es als gesonderte Heizung mit separatem Wärmetauscher (22, 42) und Gebläse (23, 43) vorgesehen ist,
c) dass im Bereich der Rückenlehne (3, 32) von Sitzen Luftdüsen (6, 33) zum Umströmen des Kopf-, Nacken - und Schulterbereichs der sitzenden Person mit Warmluft vorgesehen sind und
d) dass die hierdurch erzielte Warmluftströmung derart räumlich begrenzt ist, dass sie bis zu den beiden Schulteraußenseiten und zu den Oberarmen reicht. 2. Heizsystem nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass ein oder mehrere zum oberen Randbereich der Sitze führende Luftkanäle (20, 41) innerhalb oder im rückwärtigen Bereich der Rückenlehne (3, 32) angeordnet sind, um die Luftdüsen (6, 33) mit Warmluft zu versorgen. 3. Heizsystem nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass elektrische Heizdrähte wenigstens in einem Teil der Luftkanäle (20, 41) vorgesehen sind. 4. Heizsystem nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Luftdüsen (33) in die Rückenlehne (32) integriert sind. 5. Heizsystem nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Luftdüsen (6) an einem Düsenhalter (5) zwischen Rückenlehne (3) und Kopfstütze (4) angeordnet sind. 6. Heizsystem nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet , dass zwischen Luftdüsen und Luftkanälen vor und/oder zwischen Luftkanälen (20) und dem vorgeschalteten Heizsystem Bälge (21, 40) vorgesehen sind. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits werden zu 2/3 den Klägerinnen und ihrer Streithelferin und zu 1/3 dem Beklagten auferlegt. Die Kosten der Berufung fallen den Klägerinnen und der Streithelferin zur Last.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Beklagte ist eingetragener Inhaber des am 24. Dezember 1996 angemeldeten deutschen Patents 196 54 370 (Streitpatents), dessen Patentan- spruch 1, auf den in der erteilten Fassung sieben Unteransprüche unmittelbar oder mittelbar rückbezogen sind, folgenden Wortlaut hat: "Heizsystem für Fahrzeuge, insbesondere solche mit offener oder offen zu fahrender Personenzelle, welchem zum Heizen Warmluft über Kanäle zugeführt wird, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass im Bereich der Rückenlehne (3, 32) von Sitzen Luftdüsen (6, 33) zum Umströmen des Kopf-, Nacken- und Schulterbereichs der sitzenden Person mit Warmluft vorgesehen sind."
2
Die Klägerinnen haben geltend gemacht, der Gegenstand der Patentansprüche sei nicht patentfähig; er sei vor dem Anmeldetag schriftlich, namentlich durch die veröffentlichte europäische Patentanmeldung 543 289 (Anlage K 7), beschrieben, beruhe jedenfalls aber nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Die Streithelferin hat den Gegenstand des Streitpatents ebenfalls für nicht patentfähig erachtet.
3
Die Klägerinnen und die Streithelferin haben beantragt, das Streitpatent für nichtig zu erklären.
4
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen; hilfsweise hat er das Streitpatent mit mehreren Hilfsanträgen verteidigt, wobei Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags IV wie folgt lauten sollte: "Heizsystem für Fahrzeuge, insbesondere solche mit offener oder offen zu fahrender Personenzelle, welchem zum Heizen Warmluft über Kanäle zugeführt wird, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass es als gesonderte Heizung mit separatem Wärmetauscher (22, 42) und Gebläse (23, 43) vorgesehen ist und im Bereich der Rückenlehne (3, 32) von Sitzen Luftdüsen (6, 33) zum Umströmen des Kopf-, Nacken- und Schulterbereichs der sitzenden Person mit Warmluft vorgesehen sind, wodurch eine räumlich begrenzte Warmluftströmung erzielt wird, welche bis zu den Schulteraußenseiten bzw. Oberarmen reicht."
5
Das Patentgericht hat das Streitpatent antragsgemäß für nichtig erklärt.
6
Mit seiner dagegen gerichteten Berufung verteidigt der Beklagte das Streitpatent nur noch beschränkt im Umfang der aus dem Tenor ersichtlichen Patentansprüche und diesen Anspruchssatz hilfsweise in einer Fassung, in der in Patentanspruch 1 unter lit. c vor dem Substantiv "Umströmen" das Adjektiv "gezielten" eingefügt wird und weiter hilfsweise in Gestalt von Verwendungsansprüchen nach Maßgabe des als Anlage A5 zum Schriftsatz vom 29. Oktober 2010 zu den Akten gereichten Hilfsantrags I.
7
Im Übrigen beantragt der Beklagte, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
8
Die Klägerinnen und die Streithelferin beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
9
Im Auftrag des Senats hat Prof. Dr. M. ein schriftliches Sachverständigengutachten erstellt, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:



10
Soweit das Streitpatent nicht mehr verteidigt wird, verbleibt es ohne weitere Sachprüfung bei der Nichtigerklärung durch das Patentgericht (st. Rspr., vgl. etwa BGHZ 170, 215 - Carvedilol II). Im Umfang der im Berufungsrechtszug verteidigten Fassung erweist sich der Gegenstand des Streitpatents dagegen als patentfähig, so dass das angefochtene Urteil insoweit auf die Berufung abzuändern und die Klage im Übrigen abzuweisen war.
11
I. 1. Das Streitpatent betrifft in der noch verteidigten Fassung ein Heizsystem für Fahrzeuge mit offener Personenzelle, beispielsweise Cabriolets, welchem zum Heizen Warmluft über Kanäle zugeführt wird. Derartige Heizungssysteme funktionieren, den Ausführungen in der Beschreibung zufolge, bei Fahrzeugen mit geschlossenem Cockpit durchaus befriedigend, da hier die Strömungsverhältnisse frei von äußeren Einflüssen sind. Dagegen entstünden bei offenen Fahrzeugen Luftverwirbelungen, die zu einem Unterdruck im Bereich der Personenzelle führten, wodurch im hinteren Fahrzeugbereich teilweise die Umkehr der Luftströmung bewirkt werde, die dann im Bereich der Sitze und dazwischen nach vorne verlaufe. Diese Rückströmung sei an sich zwar nicht unerwünscht, weil sie einen Teil des Cabrio-Fahrgefühls ausmache (sogenannte Cabrio-Brise); sie führe aber zu einem kühlen Luftzug im Kopf-NackenSchulterbereich , der nicht nur bei niedrigen Außentemperaturen zur Unterkühlung und Gesundheitsschäden führen könne. In der deutschen Offenlegungsschrift 39 25 809 werde, um dem entgegenzuwirken, ein Zusatzlüftungssystem für Cabriolets vorgeschlagen, bei dem durch Zuführung zusätzlicher Luftmengen in den Cockpit-Bereich dem beschriebenen Luftzug entgegengewirkt werden soll. Des Weiteren würden hinter den Rücklehnen der Vordersitze quer ver- laufende Windschutzschirme (Windschotts) eingesetzt. Eine gezielte Erwärmung des gefährdeten Kopf-, Nacken- und Schulterbereichs finde nicht statt. Entsprechendes gelte für die in der deutschen Offenlegungsschrift 34 23 657 gezeigten Klimaanlage für einen Fahrzeugsitz.
12
2. Die Streitpatentschrift bezeichnet es vor diesem Hintergrund als Aufgabe der vorliegenden Erfindung, ein Heizsystem zu schaffen, das eine Unterkühlung des Kopf-, Nacken- und Schulterbereichs während der Fahrt in offenen Fahrzeugen bei Vermeidung lästiger Zugluft wirkungsvoll verhindere, ohne die durchaus erwünschte Cabrio-Brise zu unterbinden. Dazu schlägt Patentanspruch 1 in der zuletzt verteidigten Fassung (im Folgenden nur: Patentanspruch 1; in Klammern die Gliederungspunkte der von den Klägerinnen verwendeten Merkmalsgliederung) ein Heizsystem vor, 1. für Fahrzeuge mit offener Personenzelle, wie z.B. bei Cabriolets (M 1, M 2) 2. welchem zum Heizen Wärme über Kanäle zugeführt wird (M 3), 3. das als gesonderte, vom Fahrzeug-Heizungs- und -Lüftungssystem getrennte Zusatzheizung mit separatem Wärmetauscher und Gebläse ausgeführt ist (M 4, M 5), 4. bei dem im Bereich der Rückenlehne von Sitzen Luftdüsen vorgesehen sind (M 6), 5. mit Eignung zum Umströmen des Kopf-, Nacken- und Schulterbereichs der sitzenden Person mit Warmluft (M 7), 6. wobei die hierdurch erzielte Warmluftströmung räumlich begrenzt ist (M 8) und bis zu den beiden Schulteraußenseiten und zu den Oberarmen reicht (M 9).
13
3. Die vom Streitpatent verfolgte Problemlösung besteht darin, die Fahrzeuginsassen vor den negativen Begleiterscheinungen der "Cabrio-Brise" durch Einsatz eines zusätzlichen Heizsystems zu bewahren, bei dem der der kalten Zugluft ausgesetzte Kopf-, Hals- und Nackenbereich unabhängig vom stets vorhandenen allgemeinen Fahrzeugheiz- bzw. -klimatisierungssystem direkt mit Warmluft angestrahlt wird. Das streitpatentgemäß ausgebildete Heizsystem soll diesen spezifischen Zweck generell in Fahrzeugen mit offener Personenzelle erfüllen, also sowohl in Automobilen (viersitzige Cabriolets oder zweisitzige Roadster bzw. Spider), wie auch in Booten oder (Leicht-)Flugzeugen, die in der Beschreibung ebenfalls erwähnt sind.
14
Die nachstehend abgebildete Figur 3 des Streitpatents zeigt als Ausführungsform einen Sitz mit integrierter Kopfstütze in Draufsicht, bei dem die Luftdüsen (33) in einer Reihe angeordnet sind.


15
Als den zur Anmeldezeit mit der Verbesserung der Klimatisierung von Fahrzeugen mit offener Personenzelle befassten Fachmann, auf dessen Ver- ständnis bei der Auslegung des Patentanspruchs abzustellen ist, hat das Patentgericht einen Diplom-Ingenieur (FH) der Fachrichtung Maschinenbau mit mehrjähriger Berufserfahrung bei einem Fahrzeughersteller oder einem seiner Zulieferer, der sich mit Fragen der Klimatisierung der Fahrgastzelle befasst, angesehen. Nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen gehen die Impulse für eine Fortentwicklung auf dem Gebiet des verbesserten Fahrkomforts im Bereich der Klimatisierung von den Automobilherstellern aus, während die Umsetzung durch spartenübergreifend zusammengesetzte Teams von Ingenieuren verschiedener Fachrichtungen geschieht. Soweit die Streithelferin den Fachmann im Anschluss an den von ihr beauftragten Gutachter bei den Sitzeherstellern angesiedelt sieht, überzeugt dies in Anbetracht der im Stand der Technik vorzufindenden Lösungsvorschläge nicht, sondern erscheint von einer vom Streitpatent aus rückschauenden Sichtweise geprägt.
16
Eine Patentanspruch 1 nachgearbeitete Zusatzheizung verfügt über separate Wärmetauscher und Gebläse. Nach den Vorgaben der Beschreibung ist es demgegenüber für die Einordnung als Zusatzheizung unschädlich, wenn sich das System zum Erwärmen der Luft des vom Motor aufgeheizten Kühlwassers bedient, auch wenn dieses zugleich vom hauptsächlichen Heizsystem benutzt wird (vgl. Beschreibung Sp. 3 Z. 44 ff.). Es liegen dann zwei Heizsysteme vor, die beide erwärmtes Kühlwasser als Medium für den Wärmetausch aus einer Quelle beziehen.
17
Die Anordnung der Luftdüsen "im Bereich" der Rückenlehne von Sitzen (Merkmal 4, M 6 in der Gliederung der Klägerinnen) versteht sich aus fachmännischer Sicht dahin, dass diese Düsen in oder an der Rückenlehne selbst, aber auch in einer an die Sitzelemente angrenzenden Zone vorgesehen sein kön- nen, deren Ausdehnung zwangsläufig durch die den Düsen gemäß Merkmal 5 i. V. mit Merkmalsgruppe 6 (M 7 bis M 9) zugewiesene Funktion begrenzt ist.
18
Was i. S. des Streitpatents unter "Umströmen" zu verstehen ist, ergibt sich aus der Beschreibung. Dort wird an den im Stand der Technik vorzufindenden Lösungen bemängelt, dass sie dem Kopf-, Nacken- und Schulterbereich nicht gezielt Warmluft zuführen. Um eine solche gezielte Zufuhr von Warmluft aus Düsen, die im Bereich der Rückenlehnen angeordnet sind, geht es dem Streitpatent (Beschreibung Sp. 1 Z. 54 ff.). Warmluftströme sollen unmittelbar auf den Kopf-, Nacken- und Schulterbereich der Fahrzeuginsassen gerichtet werden, um, wenn sie aus nächster Nähe auf die angeströmten Körperteile auftreffen , dort umgelenkt zu werden und auf diese Weise die genannten Körperzonen zu umströmen.
19
Die Angabe in Merkmal 6, dass die erzielte Warmluftströmung räumlich auf den Bereich bis zu den beiden Schulteraußenseiten und zu den Oberarmen begrenzt ist, versteht sich aus fachmännischer Sicht als eine die Anweisungen in Merkmal 5 ergänzende Bereichsangabe. Dadurch wird verdeutlicht, dass es patentgemäß um den Schutz der Körperzonen geht, die bei offener Fahrweise exponiert den schädlichen Einflüssen kalter Zugluft ausgesetzt sind. Auf eine horizontal trennscharfe Demarkation kommt es dem Streitpatent ersichtlich nicht an, sondern es hält vielmehr lediglich eine Erwärmung der darunter liegenden Körperzonen durch die Zusatzheizung für das Wohlbefinden der Fahrzeuginsassen nicht für erforderlich (Sp. 1 Z. 67 ff.). Eine genaue Trennungslinie könnte auch schwerlich gezogen werden, weil aufeinander auftreffende Luftmengen unterschiedlicher Temperatur sich im Grenzbereich ohnehin stets mischen werden.
20
Die Ausgestaltung der vorzusehenden Luftdüsen, zu der sich das Streitpatent ausschweigt, ergibt sich aus dem angestrebten Erfolg. Sie müssen so beschaffen sein, dass sie Warmluftströme kanalisieren und so bündeln können, dass die angesprochenen Körperzonen, wie vorstehend beschrieben, angeströmt und umströmt werden können. Die fachmännische Befähigung, die Düsen so einzurichten, dass sie den vorgesehenen Zweck erfüllen können, setzt das Streitpatent ersichtlich voraus. Ausführbarkeitsprobleme, wie sie im Vorbringen der Nebenintervenientin anklingen, stellen sich dem Fachmann im Zusammenhang mit den Merkmalen 5 und 6 nicht.
21
II. Das Patentgericht hat diesen Gegenstand für nicht patentfähig gehalten und dies im Wesentlichen wie folgt begründet: Die europäische Patentschrift 543 289 nehme sämtliche Merkmale des Patentanspruchs 1, auch in der Fassung des Hilfsantrags IV vorweg. Dies gelte insbesondere auch für die Merkmale 1, 3, 5 und 6 (M 1/2, 4, 5 und 7 bis 9). Bei der überwiegenden Anzahl der im Verkehr befindlichen Fahrzeuge sei es möglich, mit offener Fahrgastzelle zu fahren, etwa durch das Öffnen eines Seitenfensters oder eines Schiebedachs. Merkmal 1 werde vom Fachmann daher bei den in dieser Entgegenhaltung behandelten Fahrzeugen mitgelesen. Eine getrennte Ausführung des Heizsystems könne nach den Ausführungsbeispielen des Streitpatents auch eine Trennung von Teilbereichen eines Heizsystems betreffen und erfordere nicht zwingend einen vollständig unabhängigen Betrieb, zumal das Kühlwasser üblicherweise als Wärmequelle für das reguläre Heizungs- und Lüftungssystem angezapft werde. Solche Lösungen offenbare auch die europäische Patentanmeldung 543 289, indem für einen Fahrzeugsitz ausgebildete Heizsysteme getrennt über die jeweilige Temperatureinstelleinrichtung betrieben würden, indem die jeweiligen Gebläse und Luftmischklappen eingestellt würden, um eine gewünschte Temperatur für den jeweiligen Sitz zu erreichen; somit werde durch getrennte Umströmung gezielt die jeweils gewünschte Temperatur erreicht. Die bewirkte Warmluftströmung reiche vom Kopf bis zum Beinbereich und somit jedenfalls auch bis zu den Oberarmen.
22
III. Dies hält der Nachprüfung im Berufungsverfahren nicht stand. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 ist patentfähig.
23
1. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 ist weder von der europäischen Patentanmeldung 543 289 noch von der japanischen Patentanmeldung Hei 7-266841 (HSS 1), die allein näherer Erörterung bedürfen, neuheitsschädlich getroffen.
24
a) Die europäische Patentanmeldung 543 289 betrifft eine Klimaanlage für ein Fahrzeug (air conditioning apparatus for a vehicle).
25
aa) Klimatisieren soll dabei das Regeln der Temperatur der Luft im Fahrgastraum eines Fahrzeugs durch Kühlen und Heizen der Luft bedeuten (Sp. 1 Z. 12 bis 15 = Übersetzung der Patentschrift [T2] S. 1 Z. 18 bis 20). Es wird erläutert , dass im Stand der Technik u.a. ein Klimatisierungssystem mit Luftabgabeauslässen an Sitzen bekannt sei. Die Luft werde aus der Vielzahl von Luftabgabeauslässen zu dem Bereich rund um die Sitze zum Klimatisieren gerichtet, wonach die Luft durch den gesamten Bereich des Fahrgastraums ströme. Der Luftstrom im Fahrgastraum werde einem Wärmeaustausch mit Bereichen des Fahrgastraums, wie dessen Wänden, unterzogen. Als Folge dieses Wärmeaustauschs steige die Temperatur der Luft an, die wieder in das Klimatisierungssystem eingeführt oder nach außen abgegeben werde (Sp. 1 Z. 31 bis 52 = T2 S. 1 Z. 37 bis S. 2 Z. 18).
26
Die bekannten Klimatisierungssysteme werden als nachteilig bezeichnet, weil mehr Energie verbraucht werde, als für angenehme Klimaverhältnisse erforderlich sei (Sp. 1 Z. 53 bis Sp. 2 Z. 2 = T2 S. 2 Z. 20 bis 26).
27
Nach der Entgegenhaltung soll deshalb nur der Bereich rund um die auf dem jeweiligen Sitz sitzende Person einer Klimatisierung unterzogen werden, was zu einem erhöhten Wirkungsgrad führe, weil eine schnelle Regelung der Solltemperatur erreicht und das Kühlvolumen verringert werden könne, wodurch der Energiewirkungsgrad erhöht werde (Sp. 2 Z. 31-37 = T2 S. 2 Z. 35 bis S. 3 Z. 2). Dies soll durch eine Ausgestaltung des Klimatisierungssystems erreicht werden, wie sie etwa in Patentanspruch 1 der Schrift und in der nachfolgenden Figur 1 dargestellt ist.


28
Dabei ist ein erster Kanal mit einer ersten Öffnung (60) vorgesehen, die zum Fahrgastraum hin in der Nähe des Sitzbereichs geöffnet ist, und ein zwei- ter Kanal (66, 70) mit einer zweiten, der ersten gegenüberliegenden Öffnung (72), die in höherer Position zum Fahrgastraum geöffnet ist. Es sind Mittel zum Schaffen von Luftströmen zwischen den Öffnungen zum Klimatisieren eines Bereichs ausschließlich rund um den Sitz herum, bei denen der Luftstrom von einer Öffnung abgegeben und von der anderen aufgenommen wird, und Wärmeaustauschmittel vorgesehen.
29
bb) Die in der europäischen Patentanmeldung 543 289 offenbarte Lehre bezieht sich aus fachmännischer Sicht, wie im schriftlichen Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen überzeugend dargelegt ist und sich in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, nicht auf Fahrzeuge mit offener Personenzelle, sondern auf Limousinen oder Kleinbusse, die in den zahlreichen den Innenraum abbildenden Figuren ausschließlich gezeigt werden. In den meisten dieser Figuren ist die Decke der Personenzelle deutlich (vgl. z.B. Figur 40, 108, 128), zumindest schematisch eingezeichnet und mit dem Bezugszeichen 106 versehen; wenn vereinzelten Figuren das Bezugszeichen fehlt, ist die Decke gleichwohl schematisch zu erkennen. Soweit Figuren in dieser Schrift auch ohne Fahrzeugdach abgebildet sind, beziehen sich die insoweit von den Klägerinnen angeführten Beispiele auf die Abbildung von Sitzen, bei denen das Einzeichnen einer Decke für das Verständnis des Illustrierten nicht erforderlich ist oder gar hinderlich wäre, wie bei den Figuren 118 und 120 (vgl. zu dieser auch Sp. 63 Z. 2 bis 17 = T2 S. 93 Z. 3 bis 18), die eine Sicht auf das Fahrzeuginnere von vorn und schräg von oben zeigen.
30
cc) Wie der gerichtliche Sachverständige des Weiteren überzeugend ausgeführt hat, befasst sich die europäische Patentanmeldung 543 289 aus fachmännischer Sicht im Wesentlichen und vorrangig mit der Klimatisierung durch Kühlung. Ihre Zielsetzung besteht in einer verbesserten Energiebilanz und dieses Problem tangiert grundsätzlich nur die Kühlfunktion, weil nur dafür zusätzliche Energie aufgebracht werden muss, während sich für die Beheizung des Fahrzeugs die Abwärme des Motors kostenneutral anbietet. Eine effektivere Energieausnutzung soll erfindungsgemäß dadurch herbeigeführt werden, dass nur der Bereich rund um die auf dem jeweiligen Sitz Platz nehmende Person einer Klimatisierung unterzogen wird. Dazu wird in vielfältigen Ausführungsformen eine Klimatisierung dieser Zonen vornehmlich durch über dem Kopf (Figur
1) und im Bereich der Schultern und der Kopfstützen angebrachte Luftauslässe vorgeschlagen (vgl. Figuren 6, 9 (A), 18).
31
dd) Allerdings befasst die europäische Patentanmeldung 543 289 sich durchaus auch mit der Klimatisierung des Bereichs der Sitzumgebung durch Beheizung. Mit dieser Funktion bringt der Fachmann aber nicht die über dem Kopf oder im Schulterbereich angeordneten Auslässe in Verbindung, weil ihm aufgrund seines allgemeinen Fachwissens klar ist, dass eine Beheizung geschlossener Personenzellen in Fahrzeugen von oben nach unten grundsätzlich nicht sachgerecht ist. Aus dem in der mündlichen Verhandlung einvernehmlich herausgearbeiteten Umstand, dass das unter dem Sitz angebrachte Gebläse (74) nur in eine Richtung arbeitet und Luft stets von oben ansaugt, aber nicht so funktioniert, dass Luft durch die oberen Auslässe (72) angesaugt und durch die Ansaugeinlässe (60) abgegeben wird, lässt sich deshalb nicht ableiten, die Schrift lehre den Fachmann ein - vom Fahrzeugheizungs- und -lüftungssystem getrenntes - Heizsystem mit Luftdüsen zum Umströmen des Kopf-, Nackenund Schulterbereichs der sitzenden Person mit Warmluft. Der Fachmann muss vielmehr, wie der gerichtliche Sachverständige einleuchtend erläutert hat, bestrebt sein, bei der Nutzung der Heizfunktion der Klimaanlage die Wärme in erster Linie dem unteren Bereich der Fahrgastzelle zuzuleiten. So erläutert es die Entgegenhaltung auch etwa bei der Darstellung des Ausführungsbeispiels nach den Figuren 44 bis 46 (Sp. 24 Z. 21 bis 30 = T2 S. 40 Z. 6 bis 14). Aus fachmännischer Sicht ist daher bei der Heizfunktion die Nutzung von Ausführungsformen geboten, wie sie in den Figuren 87 und 88 gezeigt und in der Beschreibung (Sp. 40 Z. 17 ff. = T2 S. 66 Z. 20 ff.) erläutert werden. Dabei wird die vom Gebläse (74) angesaugte Luft durch zusätzlich vorgesehene Klappen in den Kanälen so geleitet, dass sie, wie für das Wohlbefinden der Fahrzeuginsassen erforderlich, im unteren Bereich, nämlich über die unteren Ansaugöffnungen (60) in das Fahrzeuginnere strömt.
32
ee) Soweit die europäische Patentanmeldung 543 289, wie die eingehende Erörterung der Figur 102 in der mündlichen Verhandlung ergeben hat, auch Beheizungsvorrichtungen vorschlägt, bei denen zum einen mittels einer Heizeinrichtung (80) erwärmte Außenluft über einen Kanal (557) dem Fahrgastraum zugeleitet werden kann, zum anderen in dem den Lufteinlass (60) und den Luftauslass (72) verbindenden Kanal ein Peltierelement angeordnet ist, gilt auch insoweit, dass die Nutzung des Peltierelements, der Zielrichtung der Schrift entsprechend, zunächst für die Kühlung der Fahrgastzelle beschrieben ist. Hierdurch wird die schematisch dargestellte räumliche Anordnung von Einund Auslass bestimmt. Der Fachmann hat vernünftigerweise keinen Anlass, sie für ein Heizsystem zum Umströmen des Kopf-, Nacken- und Schulterbereichs der Fahrzeuginsassen in Erwägung zu ziehen. Es kommt hinzu, dass es aus fachmännischer Sicht fern liegt, den Kanal mit dem Peltierelement als von vom Fahrzeugheiz- und -lüftungssystem getrenntes Heizsystem auszulegen. Denn wenn es einer Beheizung des Fahrgastraums bedarf, wird der Fachmann hierzu in erster Linie auf die Heizeinrichtung (80) zur Erwärmung der Außenluft zurückgreifen. Das Peltierelement erfüllt dann, wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend erläutert hat, nur die Funktion, ein Element zur ergänzenden Regelung der Temperatur der über den Einlass (60) zuströmenden bereits er- wärmten Innenluft zur Verfügung zu stellen. Allenfalls in diesem Zusammenhang mag aus fachmännischer Sicht (auch) die Nutzung eines im Kopfbereich angeordneten Luftauslasses in Betracht kommen.
33
ff) Soweit die Streithelferin unter Bezugnahme auf das von dem von ihr beauftragten Sachverständigen erstellte Parteigutachten und die von ihm geleiteten Versuchsreihen aufzeigen möchte, dass Luftauslässe wie die in der europäischen Patentanmeldung 543 289 mit dem Bezugszeichen 72 gezeigten auch zur Warmluftzufuhr in Cabriolets benutzt werden könnten, ist dies, wie ausgeführt , in der Schrift nicht dargestellt. Es ist aber auch nicht nach den dafür geltenden Grundsätzen unausgesprochen offenbart. Nur dasjenige ist ohne im Patentanspruch und in der Beschreibung erwähnt zu sein doch offenbart, was aus der Sicht des Fachmanns für die Ausführung der unter Schutz gestellten Lehre selbstverständlich ist und deshalb keiner expliziten Offenbarung bedarf, weil es "mitgelesen" wird (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 2008 - X ZR 89/07, BGHZ 179, 168 - Olanzapin; Urteil vom 22. Dezember 2009 - X ZR 27/06, GRUR 2010, 509 - Hubgliedertor I). Von einem "Mitlesen" in Bezug auf die Möglichkeit des Einsatzes der in der europäischen Patentanmeldung 543 289 gezeigten Klimaanlagen in Fahrzeugen mit offener Personenzelle kann nicht die Rede sein. Es bedarf keiner fachlichen Vorbildung um zu wissen, dass der Effekt von Klimaanlagen empfindlich gestört wird, wenn die zu klimatisierende Raumeinheit nicht gegenüber einem nicht klimatisierten Raum abgeschlossen ist. Deshalb werden in Fahrzeugen etwa geöffnete Seitenfenster tunlichst geschlossen, wenn die Klimaanlage eingeschaltet wird. Umso mehr wird der Offenbarungsgehalt der europäischen Patentanmeldung 543 289 aus fachmännischer Sicht auf Fahrzeuge mit geschlossener Personenzelle bezogen.
34
Unbeschadet dessen ist das in der Entgegenhaltung dargestellte Klimatisierungssystem freilich auch bei Fahrzeugen einsetzbar, die sowohl mit geschlossener als auch mit offener Fahrgastzelle gefahren werden können, und könnte - zweckwidrig - auch bei geöffnetem Dach oder geöffneten Fenstern betrieben werden. Die Schrift offenbart dem Fachmann jedoch nicht die technische Lehre, die Klimaanlage so auszulegen, dass auch in diesem Fall mittels eines gesonderten, vom Fahrzeugheizungs- und -lüftungssystem getrennten Heizsystems über Luftdüsen im Bereich der Rückenlehne von Sitzen eine - räumlich begrenzte - Warmluftströmung erzeugt werden kann, die den Kopf-, Nacken- und Schulterbereich der sitzenden Person umläuft. Aus fachmännischer Sicht ist vielmehr zu erwarten, dass sich die in der Entgegenhaltung beschriebenen Klima- und Strömungsverhältnisse nicht einstellen, wenn die Klimaanlage bei offener Fahrgastzelle betrieben wird.
35
b) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 ist auch nicht von der japanischen Patentanmeldung Hei 7-266841 vorweggenommen. Die in dieser Schrift gezeigten Vorschläge zielen darauf ab, bei der Fahrt mit abgeklapptem Verdeck eine Fahrzeugklimatisierung zu erreichen, die gegenüber derjenigen bei geschlossenem Verdeck zumindest nicht signifikant abfällt. Zu diesem Zweck schlägt die Schrift eine Klimatisierungsanlage für Cabriolets vor, in deren zahlreichen Ausführungsformen erwärmte Luft durch Kanäle zu Luftaustrittsschlitzen geleitet wird, die an verschiedensten Stellen in der Personenzelle angeordnet sind, um sich nach Austritt mit dem Fahrtwind zu mischen. Dies sind insbesondere die Bereiche des Dachrahmens (Front-Header, vgl. Figur 10 Bezugszeichen 10; Figur 7 Bezugszeichen 54 L und 54 R), des Armaturenbretts (Figur 13 Bezugszeichen 97), der Oberseiten der Türverkleidungen (Figur 15), der Hutablage (Figur 26) und daneben auch die Sitze (insbesondere Figuren 19 bis 21). An den Rückseiten der Sitzlehnen sind Kanäle für Klimatisierungsluft (134) mit entsprechenden Belüftungsöffnungen (133) vorgesehen, aus denen, wie aus der nachfolgend abgebildeten Figur (20) ersichtlich, im Wesentlichen auf voller Breite der Rückenlehnen, hinter den Kopfstützen, Warmluft in Richtung nach oben austreten kann (vgl. auch die weiter unten bei III 2 b abgebildete Figur 19 mit Pfeil g).


36
Neuheitsschädlich ist diese Ausführungsform schon deshalb nicht, weil die aus den Sitzen austretende Warmluft nicht mittels einer Zusatzheizung (Merkmal 3) zugeführt wird.
37
Die japanische Schrift offenbart allerdings auch Heizelemente, die als zusätzliche Heizung bezeichnet werden können, und zwar insbesondere in der in den Figuren 25 und 26 gezeigten Ausführungsform, die ersichtlich für Fahrzeuge mit Heckmotor konzipiert ist. Im Bereich des Verdeckstauraums ist ein Lüfter vorgesehen, der sich bei abgeklapptem Verdeck einschaltet, um vom Motor erwärmte Luft durch Kanäle nach oben in die offene Personenzelle zu fördern.
38
Diese Ausführungsform mag eine zusätzliche Heizung mit Gebläse zeigen , die aber entgegen Merkmal 3 schon nicht mit einem eigenen Wärmetauscher ausgestattet ist. Außerdem erfüllt diese Ausführungsform nicht die Merkmale 4 bis 6. Entsprechend der generellen Zielsetzung der Schrift soll die aus dem Verdeckstauraum austretende Warmluft sich vielmehr diffus mit dem Fahrtwind mischen, so dass die Temperatur des von hinten in den Innenraum dringenden Fahrtwinds erhöht wird (Übersetzung Tz. 102).
39
c) Die weiteren in das Verfahren eingeführten Entgegenhaltungen stellen die Neuheit des Gegenstands von Patentanspruch 1 ebenfalls nicht in Frage.
40
2. Der gesamte Inhalt der Verhandlungen einschließlich der durchgeführten Beweisaufnahme gestattet nicht die Wertung, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt war.
41
a) Zwar ist es im Stand der Technik seit langem bekannt, die Fahrzeugsitze selbst in die Klimatisierung einzubeziehen. Die europäische Patentanmeldung 543 289 wäre allerdings als Ausgangspunkt für den Fachmann gänzlich ungeeignet. Wie ausgeführt, sind die Bemühungen dieser Schrift hauptsächlich von dem Bestreben getragen, einen energieeffizienteren Weg zur Kühlung der Personenzelle in geschlossenen Fahrzeugen bereitzustellen, indem nur der Bereich um den Sitz mit der darauf befindlichen Person von Kühlluft umströmt wird. Der Fachmann, der vor dem Problem stand, wie die Gefahr der Unterkühlung des Kopf-, Nacken- und Schulterbereichs von Cabrio-Fahrern abgewendet werden kann, hatte keinen Grund, hierfür in dieser Schrift Lösungsansätze zu erwarten.
42
b) Soweit die Sitze in der japanischen Patentanmeldung Hei 7-266841 zur Klimatisierung benutzt werden, werden sie nur als ein Objekt unter vielen in der Personenzelle als Träger von Austrittschlitzen für Warmluft (oben III 1 b) vorgeschlagen. Es liefe auf eine rückschauende Betrachtung hinaus, darin den Weg zu einer Anordnung von Luftdüsen zum fokussierten Umströmen des Kopf-, Nacken- und Schulterbereichs mit Warmluft gemäß den Merkmalen 5 und 6 von Patentanspruch 1 angelegt zu sehen. Die japanische Schrift propagiert die diffuse Erwärmung der in der offenen Personenzelle strömenden Kaltluftmengen (oben III 1 b). Soweit in dieses Konzept die Rückenlehnen eingebunden sind, sind dementsprechend und wie aus der nachfolgend abgebildeten Figur 19 der Schrift (mit Luftpfeil g) ersichtlich, Belüftungsöffnungen für einen Austritt der Warmluft vertikal nach oben vorgesehen.


43
Diese Warmluft soll sich mit dem Fahrtwind mischen; eine direkte Hinlenkung auf die genannten Körperzonen der Fahrzeuginsassen wie beim Streitpatent ist weder vorgesehen noch angelegt, mögen die vom Parteigutachter durchgeführten Versuche auch belegen können, dass ein Umströmen des Kopf-, Nacken- und Schulterbereichs erreichbar ist.
44
Der zur Anmeldezeit tätige Fachmann wird dem von der Schrift angebotenen Gesamtkonzept allerdings von vornherein skeptisch gegenübergestanden haben, weil ihm eine Verwirklichung des gesetzten Ziels, die offene Personenzelle genauso oder zumindest annähernd so zu klimatisieren, wie die geschlossene , aus naheliegenden Gründen (vgl. oben III 1 a ff) wenig realistisch erscheinen musste. Es ist deshalb auch nachvollziehbar, dass, wie der Sachverständige unwidersprochen erklärt hat, der Eingang dieser Vorschläge in die Serienfertigung nicht bekannt geworden ist.
45
Unabhängig davon gab die japanische Schrift dem zur Anmeldezeit tätigen Fachmann weder Anlass noch Anregung, den diametral entgegengesetzten Weg einer Fokussierung der Warmluftströme auf die neuralgischen Körperregionen einzuschlagen und die Warmluftzufuhr über Luftdüsen (Merkmal 4) zum direkten Anstrahlen des Kopf-, Nacken- und Schulterbereichs mit Warmluft vorzusehen und dabei zudem einem von der Klimaanlage getrennten Zusatzheizsystem zuzuweisen, mögen solche Zusatzheizungen als solche auch seit langem im Stand der Technik bekannt sein, wie die Streithelferin unter Hinweis namentlich auf die deutsche Patentschrift 1 123 220 (HSS 8) dargetan hat. Anregungen zu einer patentgemäßen Lösung für Fahrzeuge mit offener Personenzelle leiten sich daraus nicht her.
46
c) Die von Patentanspruch 1 vorgeschlagene Lösung kann auch nicht als durch eine Zusammenschau der Lehren der europäischen Patentanmeldung 543 289 und der japanischen Patentanmeldung Hei 7-266841 nahegelegt bewertet werden. Die in beiden Schriften offenbarten Vorschläge weisen in diametral entgegengesetzte Richtungen, indem die Letztere eine Erwärmung der Luft in der offenen Fahrgastzelle gleichsam "nach dem Gießkannenprinzip" vorschlägt , während die Erstere aus Energiespargründen möglichst nur den Bereich um die einzelnen Sitze klimatisieren will. Hinzu kommt, dass, wie ausgeführt , die europäische Patentanmeldung 543 289 dem nach Anregungen für ein Wärmekonzept für Fahrzeuge mit offener Personenzelle suchenden Fachmann schon deshalb nicht vielversprechend erscheint, weil dort die Klimatisierung durch Kühlung schwerpunktmäßig im Vordergrund steht. Dass der Fachmann vor diesem Hintergrund eine Anregung erhielte, den mit einem Kanal für Klimatisierungsluft versehenen Sitz der japanischen Schrift aus dem von ihr verfolgten Gesamtkonzept herauszulösen und mit Luftaustritten etwa nach Art der Figuren 6, 9 und 18 der europäischen Patentanmeldung 543 289 zu versehen, ist nicht anzunehmen.
47
d) Das Streitpatent schlägt somit eine Lösung vor, die einen gänzlich anderen Weg geht, als der in der Praxis dominierende Einsatz von Windschotts oder der Vorschlag der deutschen Patentschrift 39 25 809 (K 3), und die auch weder in der europäischen Patentanmeldung 543 289 und der japanischen Patentanmeldung Hei 7-266841 noch in der Zusammenschau dieser Schriften angelegt ist und von dem die übrigen Entgegenhaltungen noch weiter ab liegen.
48
3. Die übrigen Patentansprüche werden von der Patentfähigkeit des Gegenstands von Patentanspruch 1 getragen.

49
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG in Verbindung mit § 101 Abs. 2, § 100 Abs. 1, § 92 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Meier-Beck Gröning Berger
Hoffmann Grabinski
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 02.04.2008 - 1 Ni 24/07 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 168/00 Verkündet am:
12. März 2002
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
Schneidmesser I
PatG 1981 § 14; EPÜ Art. 69

a) Durch in den Patentanspruch aufgenommene Zahlen- und Maßangaben
wird der Schutzgegenstand des Patents mitbestimmt und damit auch begrenzt.
Wie jeder Bestandteil eines Patentanspruchs sind Zahlen- und
Maßangaben jedoch grundsätzlich der Auslegung fähig.

b) Erschließt sich dem Fachmann kein abweichender Zahlenwert als im Sinne
des anspruchsgemäßen Wertes gleichwirkend, erstreckt sich der Schutzbereich
insoweit nicht über den Sinngehalt des Anspruchs hinaus.
BGH, Urt. v. 12. März 2002 - X ZR 168/00 - OLG Karlsruhe
LG Mannheim
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 29. Januar 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis,
den Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Dr. MeierBeck
und Asendorf

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das am 23. August 2000 verkündete Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin ist Inhaberin einer ausschlieûlichen Lizenz an dem am 12. Juni 1987 angemeldeten deutschen Patent 37 19 721 (Klagepatent), wegen dessen Verletzung sie die Beklagte in Anspruch nimmt.
Das Klagepatent ist im Einspruchsverfahren vom Bundespatentgericht beschränkt aufrechterhalten worden. Patentanspruch 1 lautet danach:
"Mit einem Gegenmesser zusammenwirkendes Schneidmesser (1) für Rotationsschneidanlagen für Papier, insbesondere mehrlagige vereinzelte Papierprodukte in Schuppenformation, mit einem runden, im wesentlichen kegelstumpfförmigen Grundkörper (4), dessen zur senkrecht zur Drehachse verlaufenden Schneidebene (6) konische Tragfläche Klingen (8) o. dgl. trägt, dadurch gekennzeichnet , daû die Klingen (8)

a) auf der kegelstumpfförmigen Rückfläche (3) des Grundkörpers (4) angeordnet sind und mit der Schneidebene (6) einen Winkel (5) von 10°- 22°, vorzugsweise 16° einschlieûen,

b) in unterschiedlichen Schneidstellungen in Richtung auf die Schneidebene (6) in länglichen Aussparungen (18) des Grundkörpers (4) verschiebbar gelagert und in diesem arretierbar sind,

c) mit ihren Längsachsen einen spitzen Winkel zum jeweiligen Radius des Grundkörpers (4), der 9° - 12° beträgt, einschlieûen ,
- in Draufsicht rechteckig ausgebildet sind, und
- in Zahnform die Schneidfläche (13) bilden."
Die Beklagte ist als übernehmende Gesellschaft Rechtsnachfolgerin der mit ihr verschmolzenen E. GmbH (im folgenden: E.). E. belieferte ein französi-
sches Unternehmen, das eine Rotationsschneidemaschine von der Klägerin bezogen hatte, mit passenden Schneidmessern, in denen die Klägerin eine Verletzung des Klagepatents sieht.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäû zur Unterlassung und zur Rechnungslegung verurteilt und ihre Verpflichtung zum Schadensersatz und zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung festgestellt. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.
Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie weiterhin die Abweisung der Klage erstrebt. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Revision hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht ist ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, daû die angegriffenen Schneidmesser in den Schutzbereich des Klagepatents fallen und die Beklagte wegen deren Herstellung und Vertriebs zur Unterlassung, zum Schadensersatz und zur Entschädigung sowie zur Rechnungslegung verpflichtet ist (§§ 14, 139 Abs. 1 und 2, 33 Abs. 1 PatG, 242 BGB).
I. Das Klagepatent betrifft ein Schneidmesser für Rotationsschneidanlagen für Papier. Derartige Schneidmesser dienen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts dazu, im Zusammenwirken mit einem Gegenmesser eine Schuppe aus vereinzelten, überlappend aufeinanderliegenden Druckerzeug-
nissen zu beschneiden. Sie bestehen aus einem runden Grundkörper, dessen zur - senkrecht zur Drehachse verlaufenden - Schneidebene konische Tragfläche mit einer Vielzahl von Klingen bestückt ist.
Bei einem aus der deutschen Offenlegungsschrift 35 36 989 bekannten Schneidmesser dieser Art ist die konische Tragfläche als Vorderfläche des Grundkörpers der Schneidebene zugekehrt. Sind die Schneidflächen der (unverschiebbar ) in Ausnehmungen der Tragfläche untergebrachten Klingen abgenutzt , können sie zwar nachgeschliffen werden, jedoch verringert sich der Durchmesser des Schneidmessers entsprechend.
Das Berufungsgericht hat das technische Problem in Übereinstimmung mit den Angaben in der Klagepatentschrift dahin formuliert, die Lebensdauer derartiger Schneidmesser zu erhöhen und gleichzeitig zu gewährleisten, daû der jeweils wirksame Radius der Schneidflächen auch nach einem etwaigen Nachschleifen unverändert bleiben kann, und die erfindungsgemäûe Lösung nach dem aufrechterhaltenen Patentanspruch 1 wie folgt in Merkmale gegliedert :
1. Es handelt sich um ein mit einem Gegenmesser zusammenwirkendes Schneidmesser für Rotationsschneidanlagen für Papier, insbesondere mehrlagige vereinzelte Papierprodukte in Schuppenformation.
2. Das Schneidmesser besitzt einen runden, im wesentlichen kegelstumpfförmigen Grundkörper.
3. Der Grundkörper weist eine Tragfläche auf, die zur - senkrecht zur Drehachse verlaufenden - Schneidebene konisch ist und Klingen oder dergleichen trägt.
4. Die Klingen

a) sind auf der kegelstumpfförmigen Rückfläche des Grundkörpers angeordnet und schlieûen mit der Schneidebene einen Winkel von 10° bis 22°, vorzugsweise von 16°, ein,

b) sind in unterschiedlichen Schneidstellungen in Richtung auf die Schneidebene in länglichen Aussparungen des Grundkörpers verschiebbar gelagert und in diesen arretierbar,

c) schlieûen mit ihren Längsachsen einen spitzen Winkel zum jeweiligen Radius des Grundkörpers ein, wobei der Winkel 9° bis 12° beträgt ,

d) sind in Draufsicht rechteckig ausgebildet und

e) bilden in Zahnform die Schneidfläche.
Nach den weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts, bei denen es sich auf den Beschluû des Bundespatentgerichts im Einspruchsverfahren bezogen hat, unterscheidet sich das so umschriebene Schneidmesser von dem im Einspruchsverfahren gewürdigten Stand der Technik insbesondere dadurch, daû die Klingenlängsachsen nur einen kleinen Winkel von 9° bis 12° zum
Radius des Grundkörpers aufweisen und die Schneidkanten entsprechend flach in das Schneidgut eintauchen, wodurch sich eine besonders vorteilhafte Schnittführung ergibt. Das wird weder von der Revisionsklägerin noch von der Revisionsbeklagten angegriffen und läût keinen Rechtsfehler erkennen.
II. Auch insoweit unbeanstandet und rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht weiterhin festgestellt, daû das von E. hergestellte und vertriebene Schneidmesser bis auf Merkmal 4 c) wortsinngemäû Patentanspruch 1 des Klagepatents entspreche. Hinsichtlich des streitigen Merkmals 4 c) hat das Landgericht gemeint, daû auch dieses verwirklicht sei, weil der Winkel bei der angegriffenen Ausführungsform selbst mit dem von der Beklagten behaupteten Maû von 8° 40' noch im Wortsinn des Anspruchs liege, zu dem der Fachmann den in der DIN ISO 2768 T2 für die Toleranzklassen "fein" und "mittel" vorgesehenen Toleranzbereich von ± 20' rechne. Das Berufungsgericht hat offengelassen , ob dem zu folgen sei, und angenommen, daû ein Winkel von 8° 40' jedenfalls eine Verletzung des Klagepatents mit äquivalenten Mitteln begründe.
1. Die Auffassung der Beklagten, der Schutzbereich eines Patents, in dessen Anspruch Maûangaben als Höchst- und Mindestwerte angegeben seien , beschränke sich unter Ausschluû von Äquivalenten auf den im Anspruch genannten Bereich, hat das Berufungsgericht für unzutreffend erachtet. Zwar möge die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Rechtslage vor 1978 (Sen.Urt. v. 31.1.1984 - X ZR 7/82, GRUR 1984, 425 - Bierklärmittel) im Hinblick auf die durch § 14 PatG betonte Bedeutung der Patentansprüche für die Bemessung des Schutzbereichs sowie unter Berücksichtigung des Gesichtspunkts der Rechtssicherheit einer Einschränkung bedürfen. Sie könne jedoch nicht so weit gehen, daû jeder über den Anspruchswortlaut hinausgehende
Schutzbereich ausgeschlossen sei. Vielmehr erfasse, soweit nicht der Stand der Technik oder sonstige Umstände wie etwa Beschränkungen oder Verzichtserklärungen im Erteilungsverfahren eine einschränkende Auslegung geböten , der Schutzbereich eines Patents, dessen Anspruch Zahl- und Maûangaben enthalte, jedenfalls solche Ausführungsformen, bei denen von dem im Patent beanspruchten Bereich nur in derart geringfügigem Maû abgewichen werden, daû sich dem Fachmann die Gleichwirkung geradezu aufdränge.
2. Die Revision ist demgegenüber der Meinung, das entscheidende Gewicht , das der Rechtssicherheit für auûenstehende Dritte nach dem Auslegungsprotokoll zu Art. 69 EPÜ zukomme, hindere, den Schutzbereich von Patentansprüchen , die Zahlenangaben als Höchst- und Mindestwerte enthalten, durch Äquivalenzbetrachtungen über die im Patentanspruch genannten Grenzen hinaus zu erweitern. Solche Höchst- und Mindestwerte müûten vielmehr wörtlich genommen und als absolute Grenzen des Schutzbereichs behandelt werden. Die Rechtsprechung des Senats zur Erstreckung des Schutzbereichs auf äquivalente Ausführungsformen sei nicht auf Anspruchsmerkmale übertragbar , die mit der Formulierung "von ... bis" mit Zahlen- und Maûangaben Höchst- und Mindestwerte festlegten. Die Lehre von der Äquivalenz sei für normale Anspruchsmerkmale entwickelt worden, die den unter Schutz gestellten Gegenstand mit Worten und Begriffen definierten. Zahlen- und Maûangaben seien schon begrifflich durch die Angabe der Maûeinheit und des Zahlenwertes um ein Vielfaches schärfer und exakter definiert als ein normales, in Worten und Begriffen formuliertes Anspruchsmerkmal; sie würden daher vom angesprochenen Verkehr von vornherein als exakte scharf definierte Grenze des Schutzbereichs verstanden. Zudem habe es der Anmelder in der Hand, die
im Patentanspruch angegebenen Höchst- und Mindestwerte zu variieren und exakt an den Anwendungsbereich der Erfindung anzupassen.
3. Dem kann nur zum Teil gefolgt werden.

a) Nach § 14 PatG und der wortgleichen Vorschrift des Art. 69 Abs. 1 EPÜ wird der Schutzbereich des Patents durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt, zu deren Auslegung die Beschreibung und die Zeichnungen heranzuziehen sind. Nach den Grundsätzen, die der erkennende Senat hierzu entwickelt hat, dient die Auslegung der Patentansprüche nicht nur der Behebung etwaiger Unklarheiten, sondern auch zur Erläuterung der darin verwendeten technischen Begriffe sowie zur Klärung der Bedeutung und der Tragweite der dort beschriebenen Erfindung (BGHZ 98, 12, 18 f. - Formstein; 105, 1, 10 - Ionenanalyse; 125, 303, 309 f. - Zerlegvorrichtung für Baumstämme; Sen.Urt. v. 5.5.1992 - X ZR 9/91, GRUR 1992, 594, 596 - mechanische Betätigungsvorrichtung ). Abzustellen ist dabei auf die Sicht des Fachmanns, von dessen Verständnis bereits die Bestimmung des Inhalts der Patentansprüche einschlieûlich der dort verwendeten Begriffe abhängt und das auch bei der Feststellung des über den Wortlaut hinausgehenden Umfangs des von den Patentansprüchen ausgehenden Schutzes maûgebend ist. Bei der Prüfung der Frage, ob die im Patent unter Schutz gestellte Erfindung benutzt wird, ist daher zunächst unter Zugrundelegung dieses Verständnisses der Inhalt der Patentansprüche festzustellen, d.h. der dem Anspruchswortlaut vom Fachmann beigelegte Sinn zu ermitteln. Macht die angegriffene Ausführungsform von dem so ermittelten Sinngehalt eines Patentanspruchs Gebrauch, dann wird die unter Schutz stehende Erfindung benutzt. Bei einer vom Sinngehalt der Patentansprüche abweichenden Ausführung kann eine Benutzung dann vorliegen, wenn der Fach-
mann auf Grund von Überlegungen, die an den Sinngehalt der in den Ansprüchen unter Schutz gestellten Erfindung anknüpfen, die bei der angegriffenen Ausführungsform eingesetzten abgewandelten Mittel mit Hilfe seiner Fachkenntnisse als für die Lösung des der Erfindung zugrundeliegenden Problems gleichwirkend auffinden konnte (BGHZ 105, 1, 10 f. - Ionenanalyse; Sen.Urt. v. 3.10.1989 - X ZR 33/88, GRUR 1989, 903, 904 - Batteriekastenschnur; v. 28.6.2000 - X ZR 128/98, GRUR 2000, 1005, 1006 - Bratgeschirr). Dabei fordert es das gleichgewichtig neben dem Gesichtspunkt eines angemessenen Schutzes der erfinderischen Leistung stehende Gebot der Rechtssicherheit, daû der durch Auslegung zu ermittelnde Sinngehalt der Patentansprüche nicht nur den Ausgangspunkt, sondern die maûgebliche Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereichs bildet; diese hat sich an den Patentansprüchen auszurichten (BGHZ 106, 84, 90 f. - Schwermetalloxidationskatalysator; Sen.Urt. v. 3.10.1989 - X ZR 33/88, GRUR 1989, 903, 904 - Batteriekastenschnur; v. 20.4.1993 - X ZR 6/91, GRUR 1993, 886, 889 - Weichvorrichtung I). Für die Zugehörigkeit einer vom Wortsinn des Patentanspruchs abweichenden Ausführung zum Schutzbereich genügt es hiernach nicht, daû sie (1.) das der Erfindung zu Grunde liegende Problem mit zwar abgewandelten, aber objektiv gleichwirkenden Mitteln löst und (2.) seine Fachkenntnisse den Fachmann befähigen , die abgewandelten Mittel als gleichwirkend aufzufinden. Ebenso wie die Gleichwirkung nicht ohne Orientierung am Patentanspruch festgestellt werden kann (Einzelheiten hierzu Sen.Urt. v. 28.6.2000 - X ZR 128/98, GRUR 2000, 1005, 1006 - Bratgeschirr), müssen (3.) darüber hinaus die Überlegungen , die der Fachmann anstellen muû, derart am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre orientiert sein, daû der Fachmann die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als der gegenständlichen gleichwertige Lösung in Betracht zieht.

Von diesen Grundsätzen abzuweichen, besteht kein Anlaû. Sie stehen in Einklang mit dem Protokoll über die Auslegung von Art. 69 Abs. 1 EPÜ (BGBl. 1976 II 1000), das nach ständiger Rechtsprechung des Senats (BGHZ 106, 84, 93 f. - Schwermetalloxidationskatalysator; Sen.Urt. v. 5.5.1992 - X ZR 9/91, GRUR 1992, 594, 596 - mechanische Betätigungsvorrichtung) auch zur Auslegung von § 14 PatG heranzuziehen ist. Nach Art. 2 Nr. 1 der Münchener Revisionsakte zum Europäischen Patentübereinkommen vom 29.11.2000 soll zukünftig das revidierte Auslegungsprotokoll in Art. 2 ausdrücklich vorsehen, daû bei der Bestimmung des Schutzbereichs des europäischen Patents solchen Elementen gebührend Rechnung zu tragen ist, die Äquivalente der in den Patentansprüchen genannten Elemente sind.

b) Die Grundsätze der Schutzbereichsbestimmung sind auch dann anzuwenden , wenn der Patentanspruch Zahlen- oder Maûangaben enthält. Solche Angaben nehmen an der Verbindlichkeit des Patentanspruchs als maûgeblicher Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereichs teil. Die Aufnahme von Zahlen- oder Maûangaben in den Anspruch verdeutlicht, daû sie den Schutzgegenstand des Patents mitbestimmen und damit auch begrenzen sollen (Sen., BGHZ 118, 210, 218 f. - Chrom-Nickel-Legierung). Es verbietet sich daher, solche Angaben als minder verbindliche, lediglich beispielhafte Festlegungen der geschützten technischen Lehre anzusehen, wie dies in der Rechtsprechung zur Rechtslage im Inland vor Inkrafttreten des Art. 69 EPÜ und der entsprechenden Neuregelung des nationalen Rechts für möglich erachtet worden ist (vgl. RGZ 86, 412, 416 f. - pyrophore Metallegierungen; RG, Urt. v. 10.3.1928 - I 238/27, GRUR 1928, 481 - Preûhefe I; OGH BrZ 3, 63, 71 f. - künstliche Wursthüllen).


c) Wie jeder Bestandteil eines Patentanspruchs sind Zahlen- und Maûangaben grundsätzlich der Auslegung fähig. Wie auch sonst kommt es darauf an, wie der Fachmann solche Angaben im Gesamtzusammenhang des Patentanspruchs versteht, wobei auch hier zur Erläuterung dieses Zusammenhangs Beschreibung und Zeichnungen heranzuziehen sind. Dabei ist zu berücksichtigen , daû Zahlen- und Maûangaben schon nach ihrem objektiven Gehalt, der auch das Verständnis des Fachmanns prägen wird, nicht einheitlich sind, sondern in unterschiedlichen Formen Sachverhalte mit durchaus verschiedenen Inhalten bezeichnen können.

d) Schon diese Umstände schlieûen es aus, daû der Fachmann Zahlen-, Maû- oder Bereichsangaben eine immer gleiche feste Bedeutung zuweisen wird. Jedoch wird er solchen Angaben in aller Regel einen höheren Grad an Eindeutigkeit und Klarheit zubilligen, als dies bei verbal umschriebenen Elementen der erfindungsgemäûen Lehre der Fall wäre (v. Rospatt, GRUR 2001, 991, 993). Denn Zahlen sind als solche eindeutig, während sprachlich formulierte allgemeine Begriffe eine gewisse Abstraktion von dem durch sie bezeichneten Gegenstand bedeuten. Zudem müssen solche Begriffe, wenn sie in einer Patentschrift verwendet werden, nicht notwendig in dem Sinn gebraucht werden , den der allgemeine technische Sprachgebrauch ihnen beimiût; die Patentschrift kann insoweit ihr "eigenes Wörterbuch" bilden (vgl. Sen.Urt. v. 2.3.1999 - X ZR 85/96, GRUR 1999, 909, 912 - Spannschraube; v. 13.4.1999 - X ZR 23/97, Mitt. 2000, 105, 106 - Extrusionskopf). Aus der Sicht des fachmännischen Lesers kann durch Zahlen- und Maûangaben konkretisierten Merkmalen deshalb die Bedeutung zukommen, daû der objektive, erfindungsgemäû zu erreichende Erfolg genauer und gegebenenfalls enger eingegrenzt
wird, als dies bei bloû verbaler Umschreibung der Fall wäre. Da es Sache des Anmelders ist, dafür zu sorgen, daû in den Patentansprüchen alles niedergelegt ist, wofür er Schutz begehrt (Sen.Urt. v. 3.10.1989 - X ZR 33/88, GRUR 1989, 903, 905 - Batteriekastenschnur; v. 5.5.1992 - X ZR 9/91, GRUR 1992, 594, 596 - Mechanische Betätigungsvorrichtung), darf der Leser der Patentschrift annehmen, daû diesem Erfordernis auch bei der Aufnahme von Zahlenangaben in die Formulierung der Patentansprüche genügt worden ist. Dies gilt um so mehr, als der Anmelder bei Zahlenangaben besonderen Anlaû hat, sich über die Konsequenzen der Anspruchsformulierung für die Grenzen des nachgesuchten Patentschutzes klar zu werden.
Daher ist eine deutlich strengere Beurteilung angebracht, als es der Praxis zur Rechtslage in Deutschland vor 1978 entsprach (Bruchhausen, GRUR 1982, 1, 4). Eine eindeutige Zahlenangabe bestimmt und begrenzt den geschützten Gegenstand grundsätzlich insoweit abschlieûend; ihre Über- oder Unterschreitung ist daher in aller Regel nicht mehr zum Gegenstand des Patentanspruchs zu rechnen (v. Falck, Festschrift zum 100jährigen Bestehen der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, S. 543, 577).
Andererseits schlieût dies nicht aus, daû der Fachmann eine gewisse, beispielsweise übliche Toleranzen umfassende, Unschärfe als mit dem technischen Sinngehalt einer Zahlenangabe vereinbar ansieht. So hat das House of Lords in der Catnic-Entscheidung (R.P.C. 1982, 163; deutsch GRUR Int. 1982, 136), die allerdings die Rechtslage im Vereinigten Königreich vor der europäischen Harmonisierung betraf, bei einem auf einen rechten Winkel gerichteten Anspruchsmerkmal Abweichungen von 6° bzw. 8° vom rechten Winkel als mit
der Annahme einer Benutzung der geschützten Lehre vereinbar angesehen. In einem solchen Fall kann es grundsätzlich nicht darauf ankommen, ob im Anspruch von einem rechten Winkel oder von 90° die Rede ist. Maûgeblich ist vielmehr der unter Heranziehung von Beschreibung und Zeichnungen zu ermittelnde Sinngehalt des Patentanspruchs. In einem anderem Zusammenhang kann der gleiche Winkel sich daher dem Fachmann auch als exakt einzuhaltende Gröûe darstellen. Dies gilt grundsätzlich auch für Zahlenbereiche mit Grenzwerten (vgl. Sen., BGHZ 118, 210, 218 f. - Chrom-Nickel-Legierung; vgl. auch White, The C.I.P.A. Guide to the Patents Act, 5. Aufl., Part III, Section 125 Rdn. 22 mit Hinweis auf die soweit ersichtlich - insoweit - unveröffentlichten Entscheidungen Lubrizol v. Esso und Goldschmidt v. EOC Belgium). Ein Verständnis , daû ein Wert genau einzuhalten ist, wird vor allem dann der Vorstellung des Fachmanns entsprechen, wenn er erkennt, daû es sich um einen "kritischen" Wert handelt. Wie eine bestimmte Zahlen- oder Maûangabe im Patentanspruch demnach zu verstehen ist, ist eine Frage des der tatrichterlichen Beurteilung unterliegenden fachmännischen Verständnisses im Einzelfall.

d) Wie für die Erfassung des technischen Sinngehalts des Patentanspruchs gilt auch für die Bestimmung eines über diesen hinausreichenden Schutzbereichs, daû im Anspruch enthaltene Zahlen- oder Maûangaben mit den angegebenen Werten den geschützten Gegenstand begrenzen. Im Rahmen der Schutzbereichsbestimmung darf vom Sinngehalt der Zahlen- und Maûangaben nicht abstrahiert werden. Bei der Prüfung der Frage, ob der Fachmann eine Ausführungsform mit einem vom Anspruch abweichenden Zahlenwert aufgrund von Überlegungen, die sich am Sinngehalt der im Anspruch umschriebenen Erfindung orientieren, als gleichwirkende Lösung auffinden kann, muû vielmehr die sich aus der Zahlenangabe ergebende Eingren-
zung des objektiven, erfindungsgemäû zu erreichenden Erfolgs berücksichtigt werden. Als im Sinne des Patentanspruchs gleichwirkend kann nur eine Ausführungsform angesehen werden, die der Fachmann als eine solche auffinden kann, die nicht nur überhaupt die Wirkung eines - im Anspruch zahlenmäûig eingegrenzten - Merkmals der Erfindung erzielt, sondern auch gerade diejenige , die nach seinem Verständnis anspruchsgemäû der zahlenmäûigen Eingrenzung dieses Merkmals zukommen soll. Fehlt es daran, ist auch eine objektiv und für den Fachmann erkennbar technisch ansonsten gleichwirkende Ausführungsform vom Schutzbereich des Patents grundsätzlich nicht umfaût.
Damit im Kern übereinstimmend hat auch die Rechtsprechung im Vereinigten Königreich zur Feststellung einer Verletzung geprüft, ob die fachkundige Öffentlichkeit erwarten und sich darauf einstellen darf, daû es nach dem Patent auf die genaue Einhaltung des Wortlauts des Patentanspruchs ankommen soll (vgl. die sog. dritte Catnic-Frage; für das harmonisierte Recht u.a. Patents Court, F.S.R. 1989, 181 = GRUR Int. 1993, 245 - Improver Corporation v. Remington Consumer Products Ltd. ("Epilady"-Fall); Court of Appeal R.P.C. 1995, 585 = GRUR Int. 1997, 374 - Kastner v. Rizla Ltd.). Bezogen auf ein einzelnes Merkmal des Patentanspruchs geht es darum, ob das betreffende Merkmal dem Fachmann als ein solches erscheint, das ausschlieûlich wortsinngemäû benutzt werden kann, wenn die beanspruchte Lehre zum technischen Handeln eingehalten werden soll (vgl. Court of Appeal R.P.C. 1995, 585 = GRUR Int. 1997, 374 - Kastner v. Rizla Ltd.). Ein solches Verständnis kann insbesondere bei Zahlen- und Maûangaben in Betracht zu ziehen sein (vgl. Patents Court, R.P.C. 1997, 649 - Auchincloss v. Agricultural & Veterinary Supplies Ltd.).
Wie bei anderen Elementen des Patentanspruchs auch darf deshalb die anspruchsgemäûe Wirkung nicht unter Auûerachtlassung von im Anspruch enthaltenen Zahlen- und Maûangaben bestimmt werden. Es reicht daher für die Einbeziehung abweichender Ausführungsformen in den Schutzbereich grundsätzlich nicht aus, daû nach der Erkenntnis des Fachmanns die erfindungsgemäûe Wirkung im übrigen unabhängig von der Einhaltung des Zahlenwertes eintritt. Erschlieût sich dem Fachmann kein abweichender Zahlenwert als im Sinne des anspruchsgemäûen Wertes gleichwirkend, erstreckt sich der Schutzbereich insoweit nicht über den Sinngehalt des Patentanspruchs hinaus. Die anspruchsgemäûe Wirkung des zahlenmäûig bestimmten Merkmals wird in diesem Fall nach dem Verständnis des Fachmanns durch die (genaue ) Einhaltung eines Zahlenwertes bestimmt und kann daher notwendigerweise durch einen abweichenden Zahlenwert nicht erzielt werden. In einem solchen Fall genügt es nicht, daû der Fachmann auch eine von der Zahlenangabe abstrahierende Lehre als technisch sinnvoll erkennt.
Der Anmelder wird nicht immer den vollen technischen Gehalt der Erfindung erkennen und ausschöpfen; er ist auch - unbeschadet der Frage, ob ihm das rechtlich möglich ist - von Rechts wegen nicht gehalten, dies zu tun. Beschränkt sich das Patent bei objektiver Betrachtung auf eine engere Anspruchsfassung , als dies vom technischen Gehalt der Erfindung und gegenüber dem Stand der Technik geboten wäre, darf die Fachwelt darauf vertrauen, daû der Schutz entsprechend beschränkt ist. Dem Patentinhaber ist es dann verwehrt, nachträglich Schutz für etwas zu beanspruchen, was er nicht unter Schutz hat stellen lassen. Das gilt selbst dann, wenn der Fachmann erkennt, daû die erfindungsgemäûe Wirkung als solche (in dem vorstehend ausgeführ-
ten engeren Sinn) über den im Patentanspruch unter Schutz gestellten Bereich hinaus erreicht werden könnte.
4. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze läût die Bestimmung des Schutzbereichs des Klagepatents durch das Berufungsgericht keinen Rechtsfehler erkennen.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die angegriffenen Schneidmesser erzielten mindestens im wesentlichen die gleiche Wirkung wie Vorrichtungen, bei denen der Winkel zwischen den Längsachsen der Klingen und dem jeweiligen Radius des Grundkörpers zwischen 9° und 12° liege. Die im Klagepatent unter Schutz gestellte geringfügige Abwinklung der Klingen zum jeweiligen Radius führe im Vergleich mit dem Stand der Technik zu einer anderen Schneidgeometrie. Sie bewirke, wie das Bundespatentgericht in seinem Beschluû vom 15. Februar 1996 überzeugend ausgeführt habe, im Zusammenwirken mit der Grundform der Klingen, daû bei einem entsprechend dem Klagepatent ausgestalteten Schneidmesser stets das radial innere Ende der Schneidkante zuerst in das Papier eintauche. Das flache Eintauchen der Schneidkanten in das Schneidgut gewährleiste einen "sanften Einschnitt", wobei gleichzeitig die gegenüber einem Rundmesser bessere Schneidwirkung einer zahnförmigen Schneidfläche erhalten bleibe. Diese Wirkungen träten, wie auch die Beklagte nicht in Abrede stelle, bei der Wahl eines geringfügig spitzeren Winkels (8° 40© statt 9°) in gleicher Weise ein.
Der Fachmann, dem die Wirkungsweise eines gemäû dem Hauptanspruch des Patents ausgestalteten Schneidmesser auch ohne nähere Darstellung in der Beschreibung aufgrund seines Fachwissens klar sei, könne auf-
grund von Überlegungen, die sich an der im Anspruch 1 umschriebenen Erfindung orientierten, ohne weiteres erkennen, daû die Wahl eines geringfügig spitzeren Winkels die erzielten Ergebnisse nicht wesentlich ändere. Allerdings werde der Fachmann dann, wenn in einem Patentanspruch ein bestimmter Bereich vorgegeben sei und sich der Patentschrift kein Anhaltspunkt dafür entnehmen lasse, daû die beanspruchten Werte nur beispielhaft gemeint sein könnten, in der Regel keinen Anlaû haben, sich darüber Gedanken zu machen, ob die Erfindung auch bei der Wahl anderer Werte ausführbar sein könnte. Etwas anderes müsse aber für solche Werte gelten, die nur in so geringem Maû auûerhalb des im Patent genannten Bereichs lägen, daû eine ins Gewicht fallende Änderung der Wirkung von vornherein ausgeschlossen erscheine. So liege es im Streitfall, da der Winkel von 8° 40© um weniger als 4 % von dem im Patent genannten unteren Wert abweiche. Dem angesprochenen Fachmann - einem mit einschlägigen Schneidanordnungen vertrauten Maschinenbauingenieur - sei zudem bekannt, daû eine Abweichung von ± 20© sich im Rahmen der von der einschlägigen DIN-Norm vorgegebenen Allgemeintoleranz für Winkelmaûe halte.
Dem Inhalt der Patentschrift und dem dort mitgeteilten Stand der Technik könne nicht entnommen werden, daû die Vermeidung einer noch so geringfügigen Überschreitung des im Merkmal 4 c) der Merkmalsgliederung genannten Bereichs für die unter Schutz gestellte Lehre wesentlich und bestimmend sei. Bei der in der Patentschrift gewürdigten DE-OS 35 36 989 seien die Längsachsen der Klingen parallel zum jeweiligen Radius angeordnet, ihre Schneidkanten seien schräg zu den Längsachsen in der Weise orientiert, daû stets das radial äuûere Ende zuerst in das Papier eintauche. Aber auch der übrige, im Einspruchsverfahren herangezogene und auf dem Deckblatt der
Klagepatentschrift genannte Stand der Technik gebe keine Veranlassung zu einer einschränkenden und eine äquivalente Verletzung ausschlieûenden Auslegung des Patents.
Damit hat das Berufungsgericht alle maûgeblichen Gesichtspunkte berücksichtigt und in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt , daû der Fachmann den unteren Wert des Winkelbereichs von 9° bis 12° im Prioritätszeitpunkt nicht als starren Grenzwert ansah und eine Ausführungsform , bei der das Winkelmaû von 9° geringfügig unterschritten wird, als gleichwirkend auffinden konnte. Aus den Ausführungen des Berufungsgerichts zur Wirkung der im Klagepatent unter Schutz gestellten geringfügigen Abwinklung der Klingen zum jeweiligen Radius, die im Vergleich mit dem Stand der Technik zu einer anderen Schneidgeometrie führe, ergibt sich, daû der für den Fachmann erkennbare technische Sinngehalt des durch die Bereichsangabe 9 bis 12° näher definierten spitzen Winkels zum jeweiligen Radius des Grundkörpers in dieser durch den Winkel bestimmten und im Anspruch durch die Winkelangabe ausgedrückten Schneidgeometrie zu finden ist. Dann konnte das Berufungsgericht aber auch ohne Rechtsfehler zu der Feststellung gelangen , daû der Fachmann den objektiv unstreitig gleichwirkenden geringfügig kleineren Winkel der angegriffenen Ausführungsform aufgrund von Überlegungen als gleichwirkend auffinden konnte, die sich derart am Sinngehalt des Patentanspruchs einschlieûlich der in Merkmal 4 c) enthaltenen Winkelangabe orientierten, daû er die angegriffene Ausführungsform als der gegenständlichen gleichwertige Lösung des dem Klagepatent zugrundeliegenden Problems in Betracht zog.
5. Die Rüge der Revision, mit der Berufung auf die Allgemeintoleranz setze sich das Berufungsgericht in Widerspruch zu seiner Unterstellung, nach dem Verständnis des Fachmanns seien bei der Angabe des Bereichs 9° bis 12° Herstellungstoleranzen bereits berücksichtigt, ist nicht begründet. Das Berufungsgericht hat mit dieser Unterstellung ersichtlich nur sagen wollen, der technische Sinngehalt (Wortsinn) des Winkelbereichs 9° bis 12° dürfe nach dem Verständnis des Fachmanns nicht noch um einen Toleranzbereich auf 8° 40© bis 12° 20© erweitert werden. Das schloû es nicht aus, bei der Prüfung der Frage, ob die angegriffene Ausführungsform vom Fachmann als gleichwirkend aufgefunden werden konnte, das geringe, sich im Rahmen der üblichen Toleranz haltende Maû der Abweichung vom Wortlaut des Anspruchs zu berücksichtigen.
6. Keinen Erfolg hat auch die weitere Rüge, das Klagepatent sei im Einspruchsbeschwerdeverfahren durch Aufnahme des Winkelbereichs 9° bis 12° eingeschränkt worden, was es ausschlieûe, den Schutzbereich über diese Grenzen hinaus wieder auszudehnen.
Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt, die Beschränkung nehme dem Klagepatent nicht den Schutzbereich, den es gehabt hätte, wenn es schon in der nunmehr geltenden Fassung angemeldet (und erteilt) worden wäre. Das ist richtig, und dabei hat das Berufungsgericht auch nicht, wie die Revision meint, übersehen, daû das Klagepatent "doppelt" beschränkt worden ist, nämlich zunächst durch die Aufnahme des Merkmals des spitzen Winkels aus dem erteilten Anspruch 6 und sodann durch den konkreten Winkelbereich aus dem erteilten Anspruch 7. Denn das schlieût es zwar aus, jeden spitzen Winkel als äquivalent anzusehen, verbietet jedoch nicht die Annahme, der Fachmann er-
kenne eine geringfügige Unterschreitung des 9°-Winkels als für die erfindungsgemäûe Wirkung unschädlich.
III. Ebenfalls keinen Rechtsfehler erkennen lassen die Ausführungen des Berufungsgerichts zu den Rechtsfolgen, die es aus der festgestellten Patentverletzung abgeleitet hat; die Revision erhebt insoweit auch keine Rügen. Sie ist daher insgesamt mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Asendorf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 255/01 Verkündet am:
7. September 2004
Weschenfelder
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
BGHZ: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung
PatG 1981 § 14; EPÜ Art. 69
Ein Ausführungsbeispiel erlaubt regelmäßig keine einschränkende Auslegung
eines die Erfindung allgemein kennzeichnenden Patentanspruchs.
Bei der Auslegung eines Patentanspruchs kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen
werden, in ihm enthaltenen Angaben sei eine über Selbstverständlichkeiten
hinausgehende Bedeutung beizumessen.
Im Patentverletzungsprozeß kommt im Hinblick auf die Auslegung eines Patentanspruchs
durch den Tatrichter eine Bindung des Revisionsgerichts nur insoweit
in Betracht, als der Tatrichter sich mit konkreten tatsächlichen Umständen
befaßt hat, die für die Auslegung von Bedeutung sein können.
BGH, Urt. v. 07.09.2004 - X ZR 255/01 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. September 2004 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die Richter Scharen, Keukenschrijver, die
Richterin Mühlens und den Richter Asendorf

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das am 6. Dezember 2001 verkündete Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf aufgehoben.
Die Sache wird zu anderweiter Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des unter anderem mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 637 395 (Klagepatents), das auf einer am 8. Februar 1995 veröffentlichten Anmeldung vom 28. Januar 1994 beruht. Das am 21. Mai 1997 veröffentlichte Klagepatent hat in einem rechtskräftig abgeschlossenen Nichtigkeitsverfahren eine Ände-
rung erfahren. Patentanspruch 1 des in deutscher Verfahrenssprache erteilten Klagepatents lautet danach:
"Ein- und Ausgabevorrichtung für runde, ein Identifikations- und/ oder Kommunikationselement aufweisende Parkkarten (2) zur gebührenpflichtigen Betätigung einer Parkschranke (39), mit einem Vorratsbehälter (1), der bodenseitig eine Vereinzelungseinrichtung (3) für die Parkkarten (2) aufweist, einem anschließenden Fallschacht (4) mit mindestens einem zentralen Leitschacht (11) und davon abzweigenden, eine jeweilige Neigung aufweisenden Seitenschächten (12, 13) für eine rollende Aus- und Eingabe von Parkkarten (2) unter Schwerkraft und einer Meßstelle (24) im zentralen Leitschacht (11) für ein Lesen der auszugebenden und/oder zurückgegebenen Parkkarten (2), die mit einer Steuerung zur Betätigung der Parkschranke (39) verbunden ist."
Die unter der Geschäftsführung unter anderem des Beklagten zu 2 stehende Beklagte zu 1 stellt her und vertreibt unter der Bezeichnung "S. Parksysteme " für wiederverwendbare Parkkarten aus Kunststoff in Form runder Münzen sowie Einfahrtkontrollgeräte mit der Bezeichnung "E. ". Die hierbei verwendeten Ein- und Ausgabevorrichtungen weisen u.a. einen Vorratsbehälter für die Münzen auf. In diesem läuft ein Förderband um, dessen Glieder jeweils eine den Münzen entsprechende Ausnehmung hat. Am Boden des Vorratsbehälters gelangt jede Münze in eine Ausnehmung und wird zu einer im Vorratsbehälter weiter oben liegenden Ausgabe befördert. Über einen sich anschließenden Schacht fällt die Münze in eine Ausnehmung eines andreaskreuzartigen Vorrichtungsteils. Durch Drehbewegung desselben wird sie schließlich entweder an einen weiteren
Schacht übergeben, der zu der für den Kunden zugänglichen Ausgabestelle führt, oder an einen anderen Kanal, der in einem Auffangbehälter endet.
Die Klägerin ist der Auffassung, die angegriffene Vorrichtung verwirkliche Patentanspruch 1 des Klagepatents mit wortsinngemäßen Mitteln. Die Beklagten stellen das in Abrede, weil die angegriffene Ausführungsform sich hinsichtlich der bodenseitigen Vereinzelungsvorrichtung im Vorratsbehälter, des Fallschachts und der Meßstelle von der patentgemäßen Lehre unterscheide.
Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß zu Unterlassung und Rechnungslegung verurteilt sowie festgestellt, daß die Beklagten zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung bzw. Schadensersatz verpflichtet sind. Auf die hiergegen von den Beklagten eingelegte Berufung hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision und dem Antrag,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Beklagten nach Maßgabe ihrer im Berufungsrechtszug konkretisierten Anträge zu verurteilen.
Die Beklagten treten diesem Begehren entgegen.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Revision hat in der Sache Erfolg; sie führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
1. Das Klagepatent betrifft Vorrichtungen, die bestimmte Karten zur Betätigung einer Parkschranke entgegennehmen und ausgeben können. Es handelt sich um runde, vorzugsweise scheibenförmige Karten, die wiederverwendbar sind und eine als Identifikations- und/oder Kommunikationselement bezeichnete Ausstattung haben. Diese dient entweder der individuellen Kennung der Karte oder der Abspeicherung von Daten, wie etwa Datum und Einfahrtzeit, die für eine Parkgebührenrechnung erforderlich sind. Damit die Karten wiederholt einund ausgegeben werden können, müssen sie - wie es in Sp. 1 Z. 30 ff. der Beschreibung des Klagepatents angeben ist - in der Vorrichtung gelagert, einer Lese-Schreibstation zugeführt und in Ausgabeöffnungen befördert werden, die dem Parkkunden zugänglich sind. Deshalb - so die weitere Darstellung in Sp. 1 Z. 35 ff. der Beschreibung des Klagepatents - müssen die Parkkarten mehrere Transportwege zurücklegen, wofür im allgemeinen Transportbänder oder Transportrollen vorgesehen sind, was konstruktiv aufwendig und störanfällig ist. Hieraus ergibt sich als Problem, das es erfindungsgemäß zu lösen gilt, eine Ein- und Ausgabevorrichtung für runde, ein Identifikations- und/oder Kommunikationselement aufweisende Parkkarten zur gebührenpflichtigen Betätigung einer Parkschranke zu schaffen, die sicher und zuverlässig arbeitet und dabei einfach aufgebaut ist (Sp. 1 Z. 44-49 der Beschreibung des Klagepatents).
2. Das Berufungsgericht hat den Lösungsvorschlag nach Patentanspruch 1 in der geltenden Fassung des Klagepatents wie folgt gegliedert:
1. Ein- und Ausgabevorrichtung für runde, ein Identifikationsund /oder Kommunikationselement aufweisende Parkkarten zur gebührenpflichtigen Betätigung einer Parkschranke mit
1.1 einem Vorratsbehälter,
1.2 einem Fallschacht
1.3 und einer Meßstelle;
2. der Vorratsbehälter weist bodenseitig eine Vereinzelungseinrichtung für die Parkkarten auf;
3. der sich an den Vorratsbehälter anschließende Fallschacht umfaßt
3.1 mindestens einen zentralen Leitschacht und
3.2 davon abzweigende, eine jeweilige Neigung aufweisende Seitenschächte für eine rollende Aus- und Eingabe von Parkkarten unter Schwerkraft;
4. die Meßstelle ist
4.1 im zentralen Leitschacht für ein Lesen der auszugebenden und zurückgegebenen Parkkarten angeordnet
4.2 und mit einer Steuerung zur Betätigung der Parkschranke verbunden.
Gegen diese Gliederung bestehen ebensowenig Bedenken wie gegen die auf den Erläuterungen in Sp. 1 Z. 51-58 der Beschreibung des Klagepatents basierenden Feststellungen des Berufungsgerichts, daß durch die in Patentanspruch 1 des Klagepatents vorgeschlagene Lösung die formbedingten Vorteile runder, scheibenförmiger Parkkarten, insbesondere ihr Rollvermögen, für den
Ein- und Ausgabevorgang benutzt würden, weitgehend ohne angetriebene Beförderungssysteme gearbeitet werden könne und dabei die für eine Ausgabe und Rücknahme der Parkkarten erforderlichen Transportwege miteinander kombiniert und dadurch auch minimiert seien. Hiergegen sind Rügen auch nicht erhoben.
3. Das Berufungsgericht hat nach § 9 Satz 2 PatG verbotene Verletzungshandlungen der Beklagten verneint, weil die angegriffene Ausführungsform jedenfalls das Merkmal 2 des Patentanspruchs 1 des Klagepatents nicht verwirkliche. Ausgehend von dem allgemeinen Sprachgebrauch für den Begriff "Vereinzelungsvorrichtung" müsse erfindungsgemäß insoweit ein Vorrichtungsteil vorhanden sein, das die Parkkarten nicht nur von einem Vorrat abtrenne, sondern auch dafür sorge, daß sie abgetrennt blieben und auf diese Weise vereinzelt dem gemäß Merkmal 3 an den Vorratsbehälter anschließenden Fallschacht zugeführt würden. Die Vereinzelung der im Vorratsbehälter befindlichen Parkkarten selbst müsse im Bereich von dessen Boden beginnen. Da die Karten der Schwerkraft unterworfen seien, lasse sich nämlich nur so auch die letzte eines Vorrats zur Ausgabe an die Parkkunden nutzen. Die bodenseitige Vereinzelung sei eine Selbstverständlichkeit, auf die einem Fachmann gegenüber nicht hingewiesen werden müsse. Deshalb besage die Kennzeichnung "bodenseitig" mehr als das. Der Fachmann erfahre hierdurch, daß die Einrichtung, welche die Parkkarten vereinzelne und anschließend einzeln dem Fallschacht zuführe , sich als solche ausschließlich im Bereich des Bodens des Vorratsbehälters befinden müsse. Denn das gewährleiste auch, daß die Parkkarten, die sich nach den Ausführungen in Sp. 2 Z. 1-4 der Beschreibung des Klagepatents vor allem unter dem Einfluß ihres Eigengewichts, also nach unten, bewegen sollten, nicht entgegen der Schwerkraft nach oben transportiert werden müßten, wozu ein - nach Sp. 1 Z. 54-56 der Beschreibung des Klagepatents möglichst zu vermeidendes - angetriebenes Beförderungssystem erforderlich sei.

Das Berufungsgericht hat also Patentanspruch 1 des Klagepatents (Merkmal 2) eine Aussage auch darüber entnommen, wo die Parkkarten vereinzelt aus dem Vorratsbehälter in den Fallschacht gelangen müssen, nämlich im Bereich des Bodens des Vorratsbehälters.
4. Diese Auslegung bekämpft die Revision zu Recht. Sie bedeutet eine Einschränkung des Gegenstands des Patentanspruchs 1 des Klagepatents unter dessen Wortlaut, die sich aus diesem Anspruch nicht entnehmen läßt.

a) Maßgebliche Grundlage dafür, was durch ein europäische Patent unter Schutz gestellt ist, ist gemäß Art. 69 Abs. 1 Satz 1 EPÜ der Inhalt der Patentansprüche (vgl. z.B. auch BGHZ 98, 12 - Formstein). Die Frage, ob eine bestimmte Anweisung zum Gegenstand eines Anspruchs des Patents gehört, entscheidet sich deshalb danach, ob sie in dem betreffenden Patentanspruch Ausdruck gefunden hat (BGHZ 106, 84, 94 - Schwermetalloxidationskatalysator ). Das Protokoll zur Auslegung von Art. 69 EPÜ drückt dies durch seinen Hinweis aus, daß die Patentansprüche nicht lediglich als Richtlinie dienen dürften. Das verleiht dem in dem betreffenden Patentanspruch gewählten Wortlaut entscheidende Bedeutung. Was - bei sinnvollem Verständnis - mit ihm nicht so deutlich einbezogen ist, daß es vom Fachmann als zur Erfindung gehörend erkannt wird, kann den Gegenstand dieses Patentanspruchs nicht kennzeichnen. Auch die zur Erfassung des Sinngehalts eines Patentanspruchs vorgesehene Heranziehung von Beschreibung und Zeichnungen des betreffenden Patents darf weder zu einer inhaltlichen Erweiterung noch zu einer sachlichen Einengung des durch den Wortlaut des Patentanspruchs festgelegten Gegenstands führen.

b) Der Wortlaut von Patentanspruch 1 des Klagepatents läßt jedoch nicht erkennen, daß mit ihm festgelegt sein soll, aus welchem Bereich des Vorratsbehälters die Parkkarten als vereinzelte Stücke in den anschließenden Fallschacht gelangen sollen. Die Frage, wo die Übermittlung der vereinzelten Parkkarten erfolgt, betrifft die Anordnung von Vorratsbehälter und Fallschacht zueinander. Insoweit heißt es im Patentanspruch aber nur, daß letzterer sich an ersteren anschließt. Auch eine Beziehung dieses Anschlusses zur Vereinzelungsvorrichtung ist im Patentanspruch 1 des Klagepatents nicht hergestellt. Die Vereinzelungsvorrichtung ist vielmehr nur als Teil (Einrichtung) beschrieben, das der Vorratsbehälter bodenseitig aufweist. Die - wovon an sich auch das Berufungsgericht ausgegangen ist - nächstliegende Deutung dieser Kennzeichnung ist deshalb, daß nach Merkmal 2 die vorrichtungsmäßige Gestaltung innerhalb des Vorratsbehälters lediglich derart sein muß, daß eine Vereinzelung der im Vorratsbehälter lagernden Parkkarten im Bereich des Behälterbodens stattfindet.

c) Eine weitergehende, den Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Klagepatents nach Maßgabe der Auslegung durch das Berufungsgericht einengende Bedeutung des Merkmals 2 ergibt sich auch nicht bei Heranziehung der Beschreibung des Klagepatents. Hinsichtlich der Übermittlung der Parkkarten vom Vorratsbehälter zum Fallschacht heißt es in Sp. 2 Z. 1-2 der Beschreibung des Klagepatents lediglich, die Parkkarten gelangten jeweils einzeln von einem Stapel Parkkarten abgetrennt in einen Fallschacht. Das beschreibt nur, daß die Parkkarten jeweils als vereinzelte in den Fallschacht gelangen müssen, nicht aber, von welchem Bereich des Vorratsbehälters aus dies zu geschehen hat.
Auch aus den die Vereinzelungsvorrichtung selbst betreffenden Angaben der Beschreibung des Klagepatents ergibt sich nichts anderes. Mit der Vereinzelungsvorrichtung befaßt sich die Beschreibung erstmals in Sp. 3 Z. 8 ff.. Dort
erfährt der Leser zwar, die Vereinzelungsvorrichtung durch einen schachtförmigen Verengungsteil am bodenseitigen Ende des Vorratsbehälters zu bilden, in dem sich die Parkkarten übereinander aufstapeln können, und einen Abstreifer vorzusehen, der die jeweils zuunterst liegende Parkkarte und vorzugsweise jeweils allein diese in den Fallschacht überführt. Die Wortwahl in Sp. 3 Z. 8 der Beschreibung des Klagepatents, die Vereinzelungseinrichtung könne in dieser Weise gestaltet sein, weist diese Textstelle aber als Beschreibung eines Ausführungsbeispiels aus. Ein Ausführungsbeispiel erlaubt regelmäßig jedoch keine einschränkende Auslegung des die Erfindung allgemein kennzeichnenden Patentanspruchs (vgl. Sen.Urt. v. 09.05.1985 - X ZR 44/84, GRUR 1985, 967, 968 - Zuckerzentrifuge, m.w.N.). Dieser zum früheren deutschen Patentrecht entwickelte Grundsatz ist auch und gerade unter der Geltung des Art. 69 EPÜ zu beachten. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung findet deshalb auch durch den Umstand keine Rechtfertigung, daß Beschreibung und Zeichnungen des Klagepatents auch ansonsten nur Beispiele behandeln, bei denen die Übermittlung der Karten von der Vereinzelungsvorrichtung zum Fallschacht örtlich am Boden des Vorratsbehälters erfolgt.
Eine entsprechender Wortsinn des Gegenstands des Anspruchs 1 des Klagepatents folgt schließlich auch nicht daraus, daß nach der Beschreibung des Klagepatents die Erfindung erlaubt, weitgehend ohne angetriebene Beförderungssysteme zu arbeiten. Abgesehen davon, daß auch hier nicht die Rede davon ist, daß patentgemäß jegliche Beförderungsmittel zu vermeiden sind bzw. vermieden werden, ist der diesbezügliche Hinweis in Sp. 1 Z. 54 f. im Hinblick auf die in Sp. 1 Z. 30-43 wiedergegebene Gestaltung im Stand der Technik erfolgt. Da in Sp. 1 Z. 32-34 nur das Lagern, Zuführen zu einer LeseSchreibstation und das Befördern in Ausgabeöffnungen genannt sind und hiervon zunächst einmal nur die beiden letzten Vorgänge als solche zu erkennen sind, welche die in Sp. 1 Z. 36 f. genannten Transportwege erfordern, betrifft die
Beanstandung nachteiliger Transportbänder oder -rollen im Stand der Technik, wenn nicht sogar überhaupt, so doch vorrangig den dem Vorratsbehälter nachgeschalteten Transport der Karten, wie er bisher im allgemeinen erfolgte. Bei zwangloser Befassung mit der die Erfindung als solche (und nicht schon bestimmte Ausführungsbeispiele) betreffenden Beschreibung des Klagepatents führt mithin auch dies zu der Deutung, daß das Klagepatent erlauben soll, während der dann auch in Sp. 2 Z. 2 - Sp. 3 Z. 7 allein näher beschriebenen Transportwege , welche die Parkkarte nach Verlassen des Vorratsbehälters durchlaufen muß, ohne angetriebene Beförderungssysteme auszukommen, eine etwaige Förderung am Boden des Vorratsbehälters vereinzelter Karten innerhalb des Vorratsbehälters mittels eines angetriebenen Beförderungssystems aber nicht ausgeschlossen sein soll.

d) Unter diesen Umständen wird die Auslegung des Berufungsgerichts auch nicht durch das Argument des Berufungsgerichts gestützt, die bodenseitige Vereinzelung im Vorratsbehälter sei bei derartigen Einrichtungen eine Selbstverständlichkeit, die als solche keiner Erwähnung in einem Patentanspruch bedürfe. Der Erfinder hat es in der Hand, wie er seine Erfindung mittels eines Patentanspruchs umschreibt. Dies schließt ein, zur zutreffenden Kennzeichnung der Neuerung im Patentanspruch auch Selbstverständliches zu benennen. Deshalb kann bei der Auslegung eines Patentanspruchs nicht einfach davon ausgegangen werden, daß darin enthaltene Kennzeichnungen eine über Selbstverständlichkeiten hinausgehende Bedeutung beizumessen sei. Nach dem zuvor Ausgeführten enthalten Patentanspruch 1 des Klagepatents und die ihn als solchen erläuternden Teile der Beschreibung des Klagepatents auch nichts, wonach im konkreten Fall die Annahme einer solchen Bedeutung geboten wäre. Im Hinblick auf Merkmal 2 besagt Patentanspruch 1 des Klagepatents - sinnvoll verstanden - vielmehr nicht mehr, als daß in dem Vorratsbehälter
durch eine bodenseitig wirkende Einrichtung dafür gesorgt werden muß, daß die Karten am Boden vereinzelt werden.
5. An dieser Auslegung ist der Senat nicht auf Grund prozeßordnungsgemäß getroffener tatrichterlicher Feststellungen gehindert. Nach ständiger Rechtsprechung ist es eine Rechtsfrage, wie ein Patent auszulegen ist und ob ein Patentanspruch im Instanzenzug richtig erkannt und in seinem Inhalt verstanden worden ist (z.B. Sen.Urt v. 26.09.1996 - X ZR 72/94, GRUR 1997, 116 - Prospekthalter; v. 27.10.1998 - X ZR 56/96, Mitt. 1999, 365 - Sammelförderer; BGHZ 142, 7, 15 - Räumschild). Lediglich im Bereich der Tatsachenfeststellung liegende Grundlagen tatrichterlicher Auslegung eines Patentanspruchs sind im Revisionsverfahren hinzunehmen, falls in Bezug auf das Verfahren kein zulässiger und begründeter Revisionsangriff erhoben wurde (BGHZ 142, 7, 15 - Räumschild, m.w.N.). Daß solche Grundlagen die tatrichterliche Auslegung eines Patentanspruchs mitbestimmt haben, kann jedoch nur angenommen werden , wenn und soweit der Tatrichter entscheidungserheblichen Sachverhalt ermittelt und festgestellt hat (vgl. auch hierzu Sen.Urt. v. 18.05.1999 - X ZR 156/97, GRUR 1999, 977, 979 - Räumschild, insoweit nicht abgedr. in BGHZ 142, 7 ff.). Das ist noch nicht der Fall, wenn der Tatrichter - wie auch hier das Berufungsgericht - im Rahmen seiner Ausführungen mit Rücksicht darauf, daß bei der Bestimmung des Inhalts der Patentansprüche einschließlich der dort verwendeten Begriffe auf das Verständnis des Fachmanns auf dem betreffenden Gebiet abzustellen ist (st. Rspr. z.B. BGHZ 150, 149, 153 - Schneidmesser I, m.w.N.), gelegentlich hiervon spricht.
Der hiermit angesprochene Fachmann ist nicht mit einer tatsächlich existierenden Person gleichzusetzen, weil Patentschriften sich an alle Fachleute richten (vgl. Sen.Urt. v. 24.03.1998 - X ZR 39/95, GRUR 1998, 1003, 1004 - Leuchtstoff). Eine dem Gebot der Rechtssicherheit genügende einheitliche
inhaltliche Erfassung einer patentierten Erfindung wäre auf der Grundlage individueller Kenntnisse und Fähigkeiten auch gar nicht möglich. Fachmännisches Denken, Erkennen und Vorstellen wird deshalb bemüht, um mit dem auf dem betreffenden Gebiet der Technik üblichen - allgemeinen - Fachwissen sowie den durchschnittlichen Kenntnissen, Erfahrungen und Fähigkeiten der dort tätigen Fachwelt und dem hierdurch geprägten sinnvollen Verständnis vom Inhalt einer Lehre zum technischen Handeln eine verläßliche Entscheidungsgrundlage zu haben. Das führt freilich dazu, daß die maßgebliche Sicht selbst unmittelbarer Feststellung entzogen ist. Auf sie kann nur mittels wertender Würdigung der tatsächlichen Umstände geschlossen werden, die ihrerseits - unmittelbar oder auch nur mittelbar - geeignet sind, etwas über die hiernach entscheidenden Verhältnisse auszusagen. Das bedeutet zugleich, daß im Patentverletzungsprozeß eine Bindung des Revisionsgerichts nur insoweit in Betracht kommt, als das angefochtene Urteil erkennen läßt, daß der Tatrichter sich mit konkreten tatsächlichen Umständen befaßt hat, die für die Auslegung des betreffenden Patentanspruchs von Bedeutung sein können. Hierbei handelt es sich vor allem um Umstände, die eine Erfassung der maßgeblichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen innerhalb der Fachwelt ermöglichen, aber auch um andere Umstände, die sonstwie Rückschlüsse auf die fachliche Sicht des durch Beschreibung und Zeichnungen erläuterten Patentanspruchs erlauben.
Hieran fehlt es im Streitfall. Die Hinweise des Berufungsgerichts auf das Verständnis des Fachmanns sind bloße Annahmen. Hierauf beruht gerade auch die Folgerung, die den tragenden Gesichtspunkt des Berufungsgerichts bildet und aus dem Umstand hergeleitet ist, daß bei der vom Senat vorgenommenen Auslegung mit der durch Merkmal 2 gekennzeichneten Anweisung lediglich eine Selbstverständlichkeit zum Ausdruck gebracht wird. Mangels gegenteiliger tatrichterlicher Feststellungen ist deshalb der revisionsrechtlichen Überprüfung zu
Grunde zu legen, daß im vorliegenden Fall keine Umstände existieren, die der vom Senat vorgenommenen Auslegung entgegenstehen.
5. Diese Auslegung erlaubt nicht, das Vorhandensein des Merkmals 2 bei der angegriffenen Ausführungsform zu verneinen. Denn auch bei ihr gibt es eine Vorrichtung in dem Vorratsbehälter, die dort lagernde Parkkarten am Boden des Behälters vereinzelt. Das angefochtene Urteil kann deshalb keinen Bestand haben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die notwendigen, bisher aber unterbliebenen Feststellungen zur ebenfalls streitigen Verwirklichung der Merkmale 3 und 4 bei der angegriffenen Ausführungsform getroffen werden können.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Mühlens Asendorf

(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 74/05 Verkündet am
13. Februar 2007
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Kettenradanordnung
EPÜ Art. 69; PatG § 14

a) Zur Beurteilung der Frage, ob eine Patentverletzung vorliegt, bedarf es zunächst
der Befassung mit der technischen Lehre, die sich aus der Sicht des
vom Klagepatent angesprochenen Fachmanns aus dem Patentanspruch
ergibt. Dazu ist der Sinngehalt des Patentanspruchs in seiner Gesamtheit
und der Beitrag, den die einzelnen Merkmale zum Leistungsergebnis der
Erfindung liefern, unter Heranziehung der den Patentanspruch erläuternden
Beschreibung und Zeichnungen durch Auslegung zu ermitteln.

b) Die Einschätzung des gerichtlichen Sachverständigen, ein im Patentanspruch
verwendeter Begriff werde auf einem bestimmten Fachgebiet in einem
eindeutig festgelegten Sinne verwendet, entbindet nicht von der richterlichen
Aufgabe, unter Heranziehung der Beschreibung die Bedeutung
dieses Begriffs im Zusammenhang des Patentanspruchs zu klären.
BGH, Urteil vom 13. Februar 2007 - X ZR 74/05 - OLG München
LG München I
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. Februar 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die Richterin
Mühlens und die Richter Prof. Dr. Meier-Beck, Asendorf und Gröning

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das am 12. Mai 2005 verkündete Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 313 345 (Klagepatents). Anspruch 1 des Klagepatents, das am 20. Oktober 1988 unter Inanspruchnahme japanischer Prioritäten vom 21. Oktober 1987 und 4. Juni 1988 angemeldet wurde, lautet: "A multistage sprocket assembly for a bicycle comprising at least one larger diameter sprocket (1), at least one smaller diameter sprocket (2) and a drive chain (3), and the or each larger diameter sprocket (1) having at its outer periphery a given number of teeth which are spaced at intervals corresponding to the pitch of the chain (3) and the or each smaller diameter sprocket (2) having at its outer periphery teeth which are smaller in number than the teeth of said larger diameter sprocket (1) and are spaced at intervals corresponding to the pitch of the chain (3), said sprockets (1) and (2) being assembled so that the centre (O2) between a pair of adjacent teeth of said larger diameter sprocket (1) is positioned on a tangent extending form the centre (O1) between a pair of adjacent teeth of said smaller diameter sprocket, said tangent extending along the path of travel of the driving chain (3) in engagement with said smaller diameter sprocket (2) when said chain (3) shifted therefrom into engagement with said larger diameter sprocket (1), the distance between said centres (O1, O2) being at least substantially an integer multiple of the chain pitch, characterised in that said larger diameter sprocket (1) is provided with a chain guide surface (4) on the inside surface of the sprocket (1) facing the smaller diameter sprocket (2) and at a position on said larger diameter sprocket (1) which corresponds to the path of travel between said centres (O1, O2) between adjacent teeth of the sprocket where the chain makes contact with the larger diameter sprocket (1), said chain guide surface (4) having such a shape and size as to receive an entire link plate of a link of said chain and to cause the link to be biased towards the larger diameter sprocket (1) as the chain leaves the smaller diameter sprocket and starts to engage with a tooth of the larger diameter sprocket (1), said tooth being the tooth behind said centre (O2) between adjacent teeth of the larger diameter sprocket in the direction of drive rotation."
2
In der Klagepatentschrift ist dieser Anspruch wie folgt in die deutsche Sprache übersetzt: "Mehrstufige Kettenradanordnung für ein Fahrrad, enthaltend mindestens ein Kettenrad (1) mit einem größeren Durchmesser, mindestens ein Kettenrad (2) mit einem kleineren Durchmesser und eine Antriebskette (3), wobei das Kettenrad (1) oder jedes der Kettenräder (1) mit einem größeren Durchmesser an seinem Außenumfang eine gegebene Anzahl an Zähnen aufweist, die in Abständen voneinander angeordnet sind, die dem Lochabstand der Kette (3) entsprechen, sowie das Kettenrad (2) oder jedes der Kettenräder (2) mit einem kleineren Durchmesser an seinem Außenumfang Zähne aufweist, deren Anzahl kleiner als die Anzahl der Zähne des Kettenrads (1) mit einem größeren Durchmesser ist und die in Abständen voneinander angeordnet sind, die dem Lochabstand der Kette (3) entsprechen, und wobei die Kettenränder (1) und (2) derart angeordnet sind, dass die Mitte (O2) zwischen einem Paar benachbarter Zähne des Kettenrads (1) mit einem größeren Durchmesser sich auf einer Tangente befindet, die sich von der Mitte (O1) zwischen einem Paar benachbarter Zähne des Kettenrads mit einem kleineren Durchmesser aus entlang des Laufwegs der Antriebskette (3) im Eingriff mit dem Kettenrad (2) mit einem kleineren Durchmesser erstreckt, wenn die Kette (3) von dort in Eingriff mit dem Kettenrad (1) mit einem größeren Durchmesser versetzt wird, wobei die Entfernung zwischen den genannten Mitten (O1, O2) mindestens im Wesentlichen ein ganzzahliges Vielfaches des Lochabstandes der Kette ist, dadurch gekennzeichnet, dass das genannte Kettenrad (1) mit einem größeren Durchmesser an seiner Innenoberfläche mit einer Kettenführungsoberfläche (4) versehen ist, die dem Kettenrad (2) mit einem kleineren Durchmesser zugewandt ist, und auf dem Kettenrad (1) mit einem größeren Durchmesser an einer Position, die im Laufweg zwischen den genannten Mitten (O1, O2) zwischen benachbarten Zähnen der Kettenräder, wo die Kette mit dem Kettenrad (1) mit einem größeren Durchmesser in Kontakt kommt, wobei die Kettenführungsoberfläche (4) eine derartige Gestalt und Größe aufweist, dass sie eine ganze Gliedplatte eines Gliedes der Kette aufnimmt und bewirkt, dass das Glied in Richtung auf das Kettenrad (1) mit einem größeren Durchmesser vorgespannt wird, wenn die Kette das Kettenrad mit einem kleineren Durchmesser verlässt und beginnt, mit einem Zahn des Kettenrads (1) mit einem größeren Durchmesser in Eingriff zu kommen, wobei dieser Zahn der Zahn hinter der Mitte (O2) zwischen benachbarten Zähnen des Kettenrads mit einem größeren Durchmesser in der Antriebsdrehrichtung ist."
3
Die nachfolgenden Figuren 1 bis 3 der Klagepatentschrift zeigen ein Ausführungsbeispiel.


4
Die Beklagte zu 1, deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2 war, und die Beklagte zu 3 vertreiben in der Bundesrepublik Deutschland unter den Bezeichnungen "S. 5.0" und "S. 7.0" Kettenradanordnungen für Fahrräder, deren Ausgestaltung in dem für den Rechtsstreit interessierenden Bereich aus den nachstehend wiedergegebenen, von der Klägerin als Anlagen K 38-3, K 38-12 und K 38-13 vorgelegten Photographien ersichtlich ist.
5
Die Klägerin sieht hierin eine Verletzung des Klagepatents und nimmt die Beklagten deswegen auf Unterlassung und Auskunft sowie auf Feststellung ihrer Verpflichtung zum Schadensersatz in Anspruch.
6
Das Landgericht hat, sachverständig beraten, im Wesentlichen antragsgemäß erkannt. Nach Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


7
Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
8
I. Das Klagepatent betrifft eine mehrstufige Kettenradanordnung für ein Fahrrad mit Kettenrädern (Ritzeln) unterschiedlichen Durchmessers, zwischen denen zum Gangwechsel die Antriebskette versetzt wird.
9
Die Klagepatentschrift erläutert, dass herkömmlicherweise bei einer solchen mehrstufigen Kettenradanordnung - wie im japanischen Gebrauchsmuster Sho 55-28617 und entsprechend in der US-Patentschrift 4 268 259 beschrieben - ein Kettenrad mit kleinerem und ein Kettenrad mit (nächst)größerem Durchmesser so angeordnet sind, dass sich die Mitte zwischen einem Paar benachbarter Zähne des größeren Kettenrads auf der Tangente befindet, die sich von der Mitte zwischen einem Paar benachbarter Zähne des kleineren Kettenrads erstreckt, und dass die Entfernung zwischen diesen Mittelpunkten ein ganzzahliges Vielfaches des Lochabstands (der Teilung) der Kette ist. Hierdurch kann bei der Versetzung der Kette auf das nächstgrößere Kettenrad ein in Antriebsdrehrichtung hinter der genannten Mitte angeordneter erster Zahn des größeren Kettenrads leicht in Eingriff mit der Antriebskette gebracht werden, wozu die Kette durch eine Schaltung in Richtung zum größeren Kettenrad schräggestellt ("biased") wird. Die Kette passt dabei besonders gut auf den "ersten Zahn", wenn das betreffende Glied der Kette, die abwechselnd aus Paaren innerer und äußerer Gliedplatten besteht, ein Kettenglied mit äußeren Gliedplatten ist.
10
Selbst wenn jedoch ein solches Kettenglied mit dem "ersten Zahn" korrespondiert , greifen die Endfläche des Kettenstifts und die äußere Oberfläche der äußeren Gliedplatte nach den Darlegungen der Klagepatentschrift störend an der inneren Oberfläche des größeren Kettenrads an, so dass die Kette nicht weiter in Richtung auf das größere Kettenrad transportiert werden kann und infolgedessen den ersten Zahn nicht zuverlässig ergreift. Als ähnlich problematisch wird der Schaltvorgang für den Fall geschildert, dass ein Kettenglied mit inneren Gliedplatten mit dem "ersten Zahn" korrespondiert.
11
Dem Klagepatent liegt das technische Problem zugrunde, die Zuverlässigkeit des Schaltvorgangs unter Berücksichtigung dieser geschilderten Schwierigkeiten weiter zu verbessern.
12
Erfindungsgemäß soll dies durch eine mehrstufige Kettenradanordnung erreicht werden, die nach Maßgabe der nachfolgenden Merkmalsgliederung
a) zumindest ein Kettenrad mit größerem Durchmesser,
b) zumindest ein Kettenrad mit kleinerem Durchmesser und
c) eine Antriebskette umfasst;
d) jedes Kettenrad weist an seinem Umfang eine gegebene Anzahl von Zähnen auf, deren Abstand voneinander der Teilung der Antriebskette entspricht;
e) die Anzahl der Zähne des Kettenrads mit kleinerem Durchmesser ist geringer als die Anzahl der Zähne des Kettenrads mit größerem Durchmesser;
f) die Kettenräder sind so angeordnet, dass die Mitte (O2) zwischen einem Paar benachbarter Zähne des größeren Kettenrads sich auf einer Tangente befindet, f1) die sich von der Mitte O1 zwischen einem Paar benachbarter Zähne des kleineren Kettenrads erstreckt ("extending from the centre …"); f2) die sich entlang des Laufwegs der Antriebskette im Eingriff mit dem kleineren Kettenrad erstreckt, wenn die Kette von dort zum Eingriff in das größere Kettenrad umgeschaltet wird, f3) wobei der Abstand zwischen den Mittelpunkten (O1, O2) jedenfalls im Wesentlichen ("at least substantially" ) ein ganzzahliges Vielfaches der Kettenteilung ist;
g) das größere Kettenrad ist mit einer Kettenführungsfläche versehen, die g1) an der inneren Oberfläche dieses Kettenrads dem kleineren Kettenrad zugewandt ist und g2) sich dort befindet, wo die Kette auf dem Laufweg zwischen den Mittelpunkten (O1, O2) mit dem größeren Kettenrad in Berührung kommt;
h) die Kettenführungsfläche weist eine derartige Gestalt und Größe auf, dass sie h1) eine ganze Gliedplatte eines Kettengliedes aufnimmt ("to receive an entire link plate of a link …") und h2) bewirkt, dass das Kettenglied in Richtung auf das größere Kettenrad schräggestellt wird ("to cause the link to be biased towards the larger diameter sprocket"), wenn die Kette das kleinere Kettenrad verlässt und der Eingriff mit einem Zahn des größeren Kettenrads beginnt, h3) wobei der betreffende Zahn in Antriebsdrehrichtung hinter der Mitte (O2) liegt.
13
Die Klagepatentschrift erläutert das Merkmal h dahin, dass der Kettenführungsabschnitt groß genug ausgeführt ist, um die ihm zugewandten Gliedplatten der Kette aufzunehmen, so dass die Kette um einen vorbestimmten Betrag in Richtung auf die äußere Oberfläche des größeren Kettenrads abgelenkt werden kann ("can deviate at a predetermined amount towards …") und so zuverlässig den ersten Zahn ergreift (Sp. 6 Z. 2-8, Sp. 11 Z. 1-12 [Übersetzung S. 8 letzter Abs., S. 16 erster Abs.]).
14
II. Das Berufungsgericht verneint eine Verletzung des Klagepatents, weil die angegriffenen Ausführungsformen die Merkmale f bis f2 sowie h1 nicht verwirklichten. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt:
15
Der im Berufungsrechtszug bestellte Sachverständige habe dargelegt, dass der Begriff "Tangente an eine Kurve in einem bestimmten Punkt P" mathematisch eindeutig definiert sei und der Fachmann ihn in technischen Beschreibungen wie dem Klagepatent auch in diesem Sinne verstehen werde, ohne davon abweichende Bedeutungen in Betracht zu ziehen. Der Sachverständige habe festgestellt, dass eine Kette die Verzahnung eines Kettenrades auf einer Tangente im exakten mathematischen Sinn verlassen könne, wenn die Symmetrielinie der Kette im Punkt P senkrecht zur Winkelhalbierenden bzw. zum Radiusvektor des Teilkreises stehe. Bei den angegriffenen Ausführungsformen verlasse die Kette das kleinere Kettenrad in dem maßgeblichen Punkt O1 nicht auf einer solchen Tangente. Zutreffend weise der Sachverständige darauf hin, dass das Klagepatent lediglich einen einzigen Hinweis für die Kurve enthalte, an der O1 liegen solle, nämlich die Zeichnung nach Figur 1. Von diesem Punkt müsse sich die Tangente erstrecken. Das hierzu in Widerspruch stehende Vorbringen der Klägerin führe zu keiner anderen tatsächlichen oder rechtlichen Betrachtungsweise. Die Klägerin setze im Ergebnis ihr Verständnis des Klagepatents an die Stelle des Verständnisses des Sachverständigen.
16
Zum Merkmal h1 komme der Sachverständige zum Ergebnis, dass der Begriff "ganze Gliedplatte" sich eindeutig auf Umriss und Tiefe der Kettenführungsfläche beziehe, die so dimensioniert werden solle, dass eine ganze Gliedplatte aufgenommen werden könne. Merkmal h1 löse "nach den Feststellungen des Sachverständigen" die Aufgabe, die Behinderung der Querbewegung der Kette senkrecht zur Kettenradebene zu beseitigen und eine definierte Führung der Kette in der Kettenradebene durch Formschluss mit der Führungsebene zu ermöglichen. Nach den Messungen des gerichtlichen Sachverständigen liege bei den angegriffenen Ausführungsformen die Tiefe mit 0,6 mm um 40 % unter der Dicke einer ganzen Gliedplatte; im Umriss sei gleichfalls eine deutliche Abweichung von ca. 2,5 mm festzustellen. Auch äquivalent werde Merkmal h1 nicht verwirklicht. Beim Gangwechsel könne die Gliedplatte in den hinteren Teil der Führungsfläche nicht eintauchen und stoße seitlich am Kettenrad an. Das vom Klagepatent angestrebte Ziel, die Behinderung der Bewegung der Kette senkrecht zur Kettenradebene zu beseitigen, werde damit nicht erreicht; es werde lediglich eine Verringerung erzielt. Die Funktion der Führung der Kette durch Formschluss in der Kettenradebene auf das benachbarte größere Ketten- rad werde nicht oder nur noch in praktisch bedeutungslosem Umfang erreicht. Nach den Feststellungen des Sachverständigen sei von der Beklagten offenbar eine Lösung entwickelt worden, die sich aus dem Klagepatent nicht eher ableiten lasse als aus bereits bekannten Patenten. Auch in Bezug auf Merkmal h1 gelte, dass die Klägerin im Ergebnis ihr Verständnis an die Stelle des Verständnisses des Sachverständigen setze.
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III. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Verneinung der Verletzungsfrage beruht auf einer rechtsfehlerhaften Auslegung des Patentanspruchs.
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1. Zur Beurteilung der Frage, ob eine Patentverletzung vorliegt, bedarf es zunächst der Befassung mit der technischen Lehre, die sich aus der Sicht des vom Klagepatent angesprochenen Fachmanns aus den Merkmalen des Patentanspruchs im Einzelnen und in ihrer Gesamtheit ergibt (vgl. BGHZ 159, 221, 226 - Drehzahlermittlung, m.w.N.). Der Sinngehalt des Patentanspruchs in seiner Gesamtheit und der Beitrag, den die einzelnen Merkmale zum Leistungsergebnis der Erfindung liefern, ist unter Heranziehung der den Patentanspruch erläuternden Beschreibung und Zeichnungen (Art. 69 Abs. 1 Satz 2 EPÜ; § 14 Satz 2 PatG) durch Auslegung zu ermitteln. Was sich hieraus als geschützter Gegenstand ergibt, ist eine Rechtsfrage, weshalb die Auslegung des Patentanspruchs vom Revisionsgericht in vollem Umfang nachgeprüft werden kann (st. Rspr.; s. nur BGHZ 142, 7, 15 - Räumschild; BGHZ 160, 204, 213 - Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung). Die Aufgabe der Auslegung des Patentanspruchs darf somit nicht dem gerichtlichen Sachverständigen überlassen werden, sondern obliegt dem Gericht. Zwar bildet das Verständnis des Fachmanns von den im Patentanspruch verwendeten Begriffen und vom Gesamtzusammenhang des Patentanspruchs die Grundlage der Auslegung, weil sich der Patentanspruch an die Fachleute eines bestimmten Gebiets der Technik richtet. Das bedeutet jedoch nur, dass sich der Tatrichter Das bedeutet jedoch nur, dass sich der Tatrichter gegebenenfalls sachverständiger Hilfe bedienen muss, wenn es um die Frage geht, welche objektiven technischen Gegebenheiten, welches Vorverständnis der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Sachkundigen, welche Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen und welche methodische Herangehensweise dieser Fachleute das Verständnis des Patentanspruchs und der in ihm verwendeten Begriffe bestimmen oder jedenfalls beeinflussen können (BGHZ 164, 261, 268 - Seitenspiegel). Das auf dieser Grundlage zu klärende richtige Verständnis des Patentanspruchs selbst ist hingegen unmittelbarer Feststellung regelmäßig entzogen (BGHZ 160, 204, 213 - Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung). Das Gericht ist deswegen gehindert , die Ergebnisse eines Sachverständigengutachtens einfach zu übernehmen ; sachverständige Äußerungen sind vom Tatrichter vielmehr eigenverantwortlich daraufhin zu untersuchen, ob und inwieweit sie Angaben enthalten, die Aufklärung im Hinblick auf entscheidungserhebliche und allein von dem erkennenden Gericht zu beantwortende Fragen zu bieten vermögen (Sen.Urt. v. 7.3.2001 - X ZR 176/99, GRUR 2001, 770 - Kabeldurchführung II). Das Verständnis des Sachverständigen vom Patentanspruch genießt als solches bei der richterlichen Auslegung grundsätzlich ebenso wenig Vorrang wie das Verständnis einer Partei.
19
Das angefochtene Urteil genügt diesen Anforderungen nicht. Das Berufungsgericht hat nicht den Sinngehalt des Patentanspruchs unter Heranziehung der Patentbeschreibung und der Zeichnungen ermittelt, sondern sich letztlich darauf beschränkt, die Ausführungen des Sachverständigen wiederzugeben und auf sie zu verweisen, ohne sie daraufhin zu überprüfen, inwieweit sie mit dem im Lichte der Beschreibung interpretierten Patentanspruch in Einklang stehen. Vielmehr hat es die von ihm zitierten Ausführungen des Sachverständigen - ersichtlich nicht nur im Sinne eines Vergreifens im Ausdruck - als "Feststellungen" zum Inhalt des Patentanspruchs behandelt. Unter Missachtung der vorste- henden Grundsätze ist das Berufungsgericht vom Verständnis des gerichtlichen Sachverständigen ausgegangen, das es als aufgrund seiner fachlichen Autorität maßgeblich bewertet, anstatt eigenverantwortlich den technischen Sinngehalt des Patentanspruchs zu ergründen. Deutlich wird dies insbesondere bei der Auslegung des in Merkmal f verwendeten Begriffs der Tangente, bei der sich das Berufungsgericht die Auffassung des Sachverständigen zu eigen gemacht hat, der Fachmann werde den mathematisch eindeutig definierten Begriff in technischen Beschreibungen wie dem Klagepatent auch in diesem Sinne verstehen , ohne davon abweichende Bedeutungen in Betracht zu ziehen, und bei den Ausführungen des Berufungsgerichts zur Lage des Punktes O1 auf einer Kurve, zu der das Klagepatent in der Figur 1 lediglich "einen einzigen Hinweis" enthalte. In beiden Fällen wird der Grundsatz missachtet, dass die Merkmale eines Patentanspruchs nicht für sich stehen, sondern im Zusammenhang des gesamten Anspruchs zu verstehen sind und die Beschreibung zur Ermittlung dieses Sinnzusammenhangs heranzuziehen ist (BGHZ 150, 149, 155 f. - Schneidmesser I; BGHZ 159, 221, 226 - Drehzahlermittlung; Sen.Urt. v. 2.3.1999 - X ZR 85/96, GRUR 1999, 909, 912 - Spannschraube). Ist die technische Lehre des Patentanspruchs aber nicht ermittelt, fehlt es bereits an der erforderlichen Grundlage, um sachgerecht prüfen können, ob eine angegriffene Ausführungsform in den Schutzbereich eines Klagepatents fällt.
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2. Im Hinblick auf die vom Berufungsgericht bei den angegriffenen Ausführungsformen verneinten Merkmale f bis f2 und h1 führt die Auslegung des Patentanspruchs 1 zu folgendem Ergebnis:
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a) Die Merkmalsgruppe f hat die Anordnung der Kettenräder zueinander zum Gegenstand. Wie bereits ausgeführt, ist Ziel dieser schon aus den in der Klagepatentschrift angeführten Druckschriften (japanisches Gebrauchsmuster Sho 55-28617 und US-Patentschrift 4 268 259) vorbekannten Zuordnung, eine Verbesserung des Schaltvermögens der Gangschaltung dadurch zu erreichen , dass beim Gangwechsel zum Kettenrad mit dem größeren Durchmesser ein als erster Zahn (11) bezeichneter Schaltzahn des größeren Kettenrades leicht in Eingriff mit der Antriebskette gebracht werden kann (vgl. Sp. 1 Z. 11-30 [Übersetzung S. 1 zweiter Abs.]).
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Die Zuordnung der Kettenräder wird durch die Erstreckung einer als Tangente bezeichneten Geraden und den Abstand zwischen der Mitte O1 zwischen einem Paar benachbarter Zähne des kleineren Kettenrads und der Mitte O2 zwischen einem Paar benachbarter Zähne des größeren Kettenrads bestimmt. Der Abstand beträgt gemäß Merkmal f3 - jedenfalls im Wesentlichen - ein ganzzahliges Vielfaches der Kettenteilung. Damit wird erreicht, dass beim Gangwechsel der in Antriebsrichtung vor der Mitte O2 liegende (erste) Schaltzahn des größeren Kettenrads aufgrund des vorbestimmten Verhältnisses problemlos in den zwischen einem Paar äußerer Gliedplatten gebildeten Zahnaufnahmeraum eingreifen kann (vgl. Sp. 1 Z. 42-52, Sp. 3 Z. 49-54 [Übersetzung S. 2 zweiter Abs., S. 5 dritter Abs.]). Da es um die Festlegung der für den Zahneingriff vorbestimmten Kettenteilung geht, muss sich die maßgebliche Tangente mit den Punkten O1 und O2 gemäß Merkmal f2 entlang des Laufwegs der Antriebskette erstrecken.
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Eine derart definierte Tangente hat ihren für die relevante Länge maßgeblichen Ausgangspunkt dort (und erstreckt sich dementsprechend von dort), wo die Kette vom kleineren Kettenrad abläuft, um den Gangwechsel zum größeren Kettenrad zu ermöglichen. Merkmal f1 konkretisiert insoweit mit der Mitte O1 zwischen einem Paar benachbarter Zähne des kleineren Kettenrads den Punkt, von dem sich die Tangente erstreckt und von dem ausgehend bestimmt wird, ob der Abstand zur Mitte O2, welche sich in Antriebsrichtung hinter dem (ersten) Schaltzahn des größeren Kettenrads befindet, im Wesentlichen ein ganzzahliges Vielfaches der Kettenteilung im Sinne von Merkmal f3 beträgt. Die den tangentialen Kettenablauf im Punkt O1 schneidende Mittellinie zwischen einem Paar benachbarter Zähne des kleineren Kettenrads erlaubt dabei eine eindeutige Festlegung des (längenbestimmenden) Ausgangspunktes der erfindungsgemäßen Tangente. Vor diesem Hintergrund bedarf es aus technischer Sicht und in Übereinstimmung mit dem Anspruchswortlaut keiner weiteren Konkretisierung der Lage der Punkte O1 und O2. Da sich die erfindungsgemäße Tangente entlang des (geradlinigen) Laufwegs der Antriebskette erstreckt, ergeben sich diese von selbst aus den Schnittpunkten der Mittellinie zwischen den benachbarten Zähnen mit einer in Übereinstimmung mit dem Kettenverlauf angelegten Geraden. Eine entlang des Laufwegs der Antriebskette angelegte Gerade stellt auch eine Tangente dar, da die Antriebskette beim Gangwechsel stets tangential vom kleineren Kettenrad, über welches sie sich auf dem Wälzkreis bewegt, abläuft.
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Dass eine erfindungsgemäße Tangente darüber hinaus nur vorliegt, wenn sie - entsprechend den Ausführungen des vom Berufungsgericht hinzugezogenen Sachverständigen - im Punkt O1 dieselbe Steigung aufweist wie ein die Mitte O1 schneidender Teilkreis des Kettenrads, so dass die Tangente dort ihren Berührpunkt mit dem Teilkreis hat und senkrecht zur Winkelhalbierenden steht, lässt sich der technischen Lehre des Klagepatents nicht entnehmen. Wie der vorstehend ermittelte Sinngehalt der Merkmale zeigt, führen weder die Verwendung des Begriffs Tangente noch die Anweisung in Merkmal f1, die Tangente müsse sich von der Mitte O1 erstrecken, zu einem solchen Verständnis. Bei seiner abweichenden Beurteilung hat sich das Berufungsgericht wie der gerichtliche Sachverständige allein von der mathematischen Definition einer Tangente leiten lassen und den technischen Zusammenhang aus dem Auge verloren, in dem der Begriff im Klagepatent verwendet wird. Auch der Einwand der Revisionserwiderung, der Berührpunkt der Tangente mit dem Wälzkreis verändere sich im Falle einer Änderung des Kettenabzugswinkels, wäre nur dann maßgeblich, wenn der Berührpunkt und seine Lage fest vorgegeben wären. Patentanspruch 1 und die zu seiner Auslegung heranzuziehende Patentbeschreibung befassen sich jedoch nicht mit dem Berührpunkt. Dies ist auch ohne weiteres einleuchtend, da sich dieser Punkt beim tangentialen Ablauf der Antriebskette vom Kettenrad von selbst einstellt. Anhaltspunkte dafür, dass mit der in Merkmal f1 angesprochenen Erstreckung der Tangente von der Mitte O1 nicht nur ausgesagt ist, dass die Tangente im oben genannten Sinne ihren für die Abstandsbestimmung zur Mitte O1 maßgeblichen Anfangspunkt hat, sondern gefordert wird, dass sie außerdem gerade dort ihren Berührpunkt an einem Teilkreis haben muss, sind der Patentschrift nicht zu entnehmen. Der vom Berufungsgericht in Bezug genommene Sachverständige sieht eine technische Funktion einer solchen Anordnung zwar darin, dass bei kleinen Zähnezahldifferenzen ein den Kettenradwechsel störender Kontakt zwischen der Antriebskette und dem entgegen der Antriebsrichtung übernächsten auf den Punkt O1 folgenden Zahn des kleineren Kettenrads vermieden werden kann. Diese Funktion weist die Klagepatentschrift der Tangente und der Lage ihres Berührpunktes jedoch nicht zu. Vielmehr würde das von dem gerichtlichen Sachverständigen für richtig gehaltene Verständnis eine völlig unübliche Durchmesserdifferenz zwischen aufeinanderfolgenden Kettenrädern bedingen, die weder in der Beschreibung noch in den Zeichnungen des Klagepatents irgendeine Stütze findet. In keiner Figur ist die Lage der erfindungsgemäßen Tangente eingezeichnet. Lediglich die Darstellung des Ausführungsbeispiels gemäß Figur 1 erlaubt es überhaupt, entsprechend den Vorgaben der Merkmalsgruppe f eine Tangente nachträglich anzulegen. Die vom Berufungsgericht geforderte Tangente ergibt sich hieraus jedoch nicht, da eine Tangente, die im Ausführungsbeispiel am Punkt O1 ihren Berührpunkt mit einem (fiktiven) Teilkreis hat, sich nicht - auch nur annähernd - entlang des Laufwegs der Antriebskette erstreckt.
25
Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung rechtfertigt schließlich auch der in der Klagepatentschrift (Sp. 1 Z. 12-15 [Übersetzung S. 1 zweiter Abs.]) gegebene Hinweis auf das US-Patent 4 268 259 (Anlage K 6) kein anderes Auslegungsergebnis. Zur Patentbeschreibung, die nach Art. 69 Abs. 1 Satz 2 EPÜ zur Auslegung der Patentansprüche und zur Klärung der in der Patentschrift verwendeten Begriffe heranzuziehen ist, gehören zwar auch die in der Beschreibung genannten Druckschriften des Standes der Technik, soweit auf sie zur Ergänzung der Patentbeschreibung Bezug genommen wird (vgl. Sen.Urt. v. 27.10.1998 - X ZR 56/96, Mitt. 1999, 365, 367 - Sammelförderer). Die US-Patentschrift gibt für ein im oben genannten Sinne eingeschränktes Verständnis des Begriffs Tangente jedoch nichts her. Die von der Revisionserwiderung angeführte Beschreibungsstelle der US-Patentschrift (Sp. 2 Z. 37-50) umschreibt die Tangente als Tangentenlinie X-X oder eine von der Mitte O2 - in der Klagepatentschrift mit O1 bezeichnet - auf einer Tangentialebene in Bezug auf das kleinere Zahnrad und entlang des Laufwegs der Kette gezeichnete Linie ("… tangent line X-X or a line drawn from the center O2 on the tangent plane with respect to the smaller diameter sprocket 2 and along the travel of the chain 4 …”). Da die Antriebskette beim Gangwechsel tangential vom kleineren Kettenrad abläuft, befindet sich eine sich entlang des Laufs der Antriebskette erstreckende Gerade stets in einer tangentialen Ebene in Bezug auf das kleinere Kettenrad. Die Mitte zwischen zwei benachbarten Zähnen des kleineren Kettenrads muss dazu nicht den Berührpunkt einer Tangente darstellen, die als solche auch unabhängig von der tangentialen Erstreckung der Antriebskette verlaufen kann. Die Tangentenlinie X-X bezieht sich lediglich auf die zeichnerische Darstellung der sich entlang des Kettenverlaufs erstreckenden Gerade in Figur 1 der US-Patentschrift und definiert keine weitere geometrische Anforderung. Die gegenteilige Ansicht der Revisionserwiderung, Kettenverlauf und die Tangentenlinie X-X könnten voneinander abweichen, findet keinen Anhalt in der US-Patentschrift.
26
Nach allem durfte das Berufungsgericht das Vorliegen einer erfindungsgemäßen Tangente im Sinne der Merkmale f bis f2 nicht allein deshalb verneinen , weil die Antriebskette das kleinere Kettenrad nicht auf einer Tangente verlässt , die an einem Teilkreis des Kettenrades im Punkt O1 anliegt, also dort senkrecht zur Winkelhalbierenden steht. Ob die angegriffenen Ausführungsformen in tatsächlicher Hinsicht so ausgestaltet sind, dass sie von den Merkmalen f bis f2 Gebrauch machen, wird das Berufungsgericht im wiedereröffneten Berufungsrechtszug unter Beachtung des vorstehend ermittelten Sinngehalts des Patentanspruchs 1 festzustellen haben.
27
b) Während Merkmalsgruppe g die Lage der erfindungsgemäßen Kettenführungsfläche auf dem größeren Kettenrad vorgibt, befasst sich Merkmalsgruppe h mit Größe und Gestalt der Kettenführungsfläche. Sie werden in funktionaler Hinsicht durch Merkmal h2 bestimmt, wonach Gestalt und Größe der Kettenführungsfläche bewirken, dass das Kettenglied in Richtung auf das größere Kettenrad schräggestellt werden kann. Diese Wirkungsangabe versteht sich vor der vom Klagepatent am Stand der Technik geübten Kritik, dass die dem kleineren Kettenrad zugewandte (innere) Oberfläche des größeren Kettenrads einer ausreichenden Schrägstellung der Antriebskette für den Gangwechsel entgegenwirken kann, weil die äußere Gliedplatte und gegebenenfalls die Endfläche eines Kettenzapfens an die innere Oberfläche des größeren Kettenrades stoßen mit der Folge, dass die Kette möglicherweise nicht hinreichend zum größeren Kettenrad hin abgelenkt werden kann, um ein zuverlässiges Eingreifen mit einem (ersten) Schaltzahn zu gewährleisten (vgl. Sp. 1 Z. 42 bis Sp. 2 Z. 42 [Übersetzung S. 2 zweiter Abs. bis S. 3 zweiter Abs.]). Die erfindungsgemäße Ausgestaltung der Kettenführungsfläche soll es demgegenüber ermöglichen , die Kette beim Versetzen vom kleineren zum größeren Kettenrad zuverlässig - d.h. insbesondere ohne das vorgenannte schädliche Anstoßen - um einen vorbestimmten Betrag in Richtung zur Oberfläche des größeren Ketten- rads schrägstellen zu können (vgl. Sp. 3 Z. 42-48 [Übersetzung S. 5 dritter Abs.]).
28
Mit welcher räumlich-körperlichen Ausgestaltung diese Wirkung erzielt werden soll, gibt Merkmal h1 an. Gestalt und Größe der Kettenführungsfläche werden hierzu in Beziehung zur Gliedplatte gesetzt und dadurch charakterisiert, dass sie diese ganz aufnehmen. Mit der Aufnahme ist ein Raum vorhanden, der groß genug ausgeführt ist, um die Kette zuverlässig um einen vorbestimmten Betrag in Richtung zur Oberfläche des größeren Kettenrads bewegen zu können (vgl. Sp. 6 Z. 2-8, Sp. 11 Z. 1-12 [Übersetzung S. 8 letzter Abs., S. 16 erster Abs.]). Merkmal h1 lehrt insoweit, dass der Aufnahmeraum dann hinreichend groß dimensioniert ist, wenn die Gliedplatte nicht nur teilweise, sondern ganz aufgenommen wird. Vollständige Aufnahme bedeutet, dass die Begrenzung des Aufnahmeraums in ihrem radialen Umriss nicht kleiner gestaltet sein soll als der Längsumriss der Gliedplatte. Anderenfalls käme die Gliedplatte zwangsläufig nicht nur mit dem Aufnahmeraum, sondern auch mit der ihn begrenzenden, nicht vertieften inneren Oberfläche des größeren Kettenrads in Kontakt. Ein solcher Kontakt kann zu der unerwünschten Ablenkung der Kette weg vom größeren Kettenrad führen und damit verhindern, dass die Kette in erfindungsgemäßer Weise zuverlässig um den vorbestimmten Betrag zum größeren Kettenrad schräggestellt wird. Der vom Klagepatent vorausgesetzte Raum zur Aufnahme einer ganzen Gliedpatte kann, wie dem Ausführungsbeispiel gemäß Figur 1 der Klagepatentschrift zu entnehmen ist, auch dann noch vorhanden sein, wenn die Gliedplatte über den Boden der Führungsfläche hinausragt. Entscheidend ist, dass es nicht zu dem vorerwähnten schädlichen Kontakt mit der unvertieften Kettenradoberfläche kommt und die Fläche ihre Führungsfunktion erfüllt, die Kette zuverlässig um einen vorbestimmten Betrag in Richtung zur Oberfläche des größeren Kettenrads zu bewegen.
29
Die nicht unmittelbar durch den Anspruchswortlaut geklärte Frage, ob sich das Kriterium der Aufnahme einer ganzen Gliedplatte daneben auch auf die Tiefe der Kettenführungsfläche in der Weise bezieht, dass die axiale Tiefe des Aufnahmeraums zumindest der Dicke einer Gliedplatte entsprechen muss, so dass eine Gliedplatte axial betrachtet vollständig in den Aufnahmeraum eintauchen kann, ist zu verneinen. Die Tiefe des von der Kettenführungsfläche gebildeten Aufnahmeraums bestimmt, um welchen Betrag die Kette zum größeren Kettenrad schräggestellt werden kann. Dieser vorbestimmte Betrag gewährleistet , dass die Kette zuverlässig in Eingriff mit einem Zahn des größeren Kettenrads gebracht und der Gangwechsel vom kleineren zum größeren Kettenrad problemlos vollzogen werden kann. Entspricht ein Paar der äußeren Gliedplatten dem ersten Schaltzahn (11), gelangt der Zahn zwischen diesen in Eingriff. Entspricht ein Paar der inneren Gliedplatten dem ersten Schaltzahn, kommt nicht der - weniger große - Zwischenraum zwischen diesem Paar mit dem ersten Schaltzahn, sondern erst der Zwischenraum der dem Paar nachfolgenden Paar äußerer Gliedplatten mit dem zweiten Schaltzahn (12) in Eingriff (vgl. Sp. 3 Z. 49 bis Sp. 4 Z. 2, Sp. 10 Z. 33-40 [Übersetzung S. 5 dritter Abs., S. 15 zweiter Abs.]). Dabei gilt es zu verhindern, dass die dem größeren Kettenrad zugewandte innere Gliedplatte auf dem ersten Schaltzahn aufreitet ("riding on the first tooth") (Sp. 5 Z. 43-50, Sp. 6 Z. 8-16 [Übersetzung S. 8 dritter Abs., S. 9 erster Abs.]). Die Kettenführungsfläche muss dementsprechend einerseits tief genug für den Eingriff des ersten Schaltzahns zwischen einem Paar der äußeren Gliedplatten sein, darf aber andererseits nicht so tief sein, dass es zu einem Aufreiten einer inneren Gliedplatte auf dem Zahn kommt. Dieses Anforderungsprofil schließt solche Ausführungsformen ein, bei denen die Kettenführungsfläche eine geringere Tiefe als die Dicke einer Gliedplatte aufweist. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn eine solche Tiefe Voraussetzung dafür wäre, überhaupt zu den vorgenannten Steuerungsverhältnissen zu gelangen. Derartiges ist der Patentbeschreibung jedoch nicht zu ent- nehmen und erscheint auch in technischer Hinsicht nicht plausibel, da die Dicke der Kettenglieder allenfalls einer von mehreren Faktoren - etwa neben der Materialdicke der Kettenräder und der Gestaltung der Schaltzähne - sein kann, die Einfluss darauf haben, welche Tiefe die Kettenführungsfläche im Einzelfall zum Erzielen der erwünschten Steuerungsverhältnisse aufweisen muss.
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Kettenführungsflächen mit geringerer Tiefe als die Dicke einer Gliedplatte vom Schutzbereich des Klagepatents auszunehmen - wie es das Berufungsgericht unter Verweis auf den Sachverständigen unternommen hat -, lässt sich auch nicht mit der Erwägung begründen, mit der in Merkmal h1 vorgesehenen Aufnahme einer ganzen Gliedplatte solle eine definierte (Radial-) Führung in der Kettenradebene durch Formschluss mit der Führungsebene ermöglicht werden. Weder das der Erfindung zugrunde liegende Problem noch die sonstige Patentbeschreibung rechtfertigen eine solche einschränkende Betrachtung. Dem Klagepatent geht es in erster Linie um die Beseitigung der Nachteile, die sich im Stand der Technik daraus ergeben, dass die Kette bei der für den Gangwechsel zum größeren Kettenrad erforderlichen Querbewegung senkrecht zur Kettenradebene - also axial und nicht radial - durch dessen innere Oberfläche störend abgelenkt wird. Lediglich im Rahmen der Beschreibung der Ausführungsalternative , die Kettenführungsfläche durch einen Ausschnitt ("cutout") zu bilden, wird dargelegt, die Bewegung der Kette könne geführt sein und ein abgestufter Bereich 4a ("stepped portion 4a") die Gliedplatte beim Versetzen aufnehmen (Sp. 6 Z. 19-23 [Übersetzung S. 9 zweiter Abs.]). Der Abstufung mag hierbei der technische Sinn zukommen, in radialer Hinsicht eine gewisse Abstützung der Gliedplatte herbeizuführen und so einem Herausrutschen der Gliedplatte aus der Kettenführungsfläche entgegenzuwirken. Zum einen handelt es sich bei der Abstufung und den mit ihr eröffneten radialen Führungsmöglichkeiten der Kette jedoch nicht um einen notwendigen Bestandteil des patentgemäßen Gegenstandes. Zum anderen hat sich die Tiefe der Abstufung an der oben beschriebenen - allein im Mittelpunkt der patentgemäßen Lehre stehenden - Führung der Kette senkrecht zur Kettenradebene zu orientieren, was bedeutet , dass als Folge der Abstufung keine Tiefe der Kettenführungsfläche erreicht werden darf, die zu einem Aufreiten einer inneren Gliedplatte auf dem ersten Schaltzahn führen kann. Dies kann je nach den gegebenen Verhältnissen erfordern, die Abstufung geringer ausfallen zu lassen als die Dicke einer Gliedplatte. Dafür, dass umgekehrt wegen der Abstufung und der mit ihr verbundenen Wirkungen die Möglichkeiten der axialen Führung der Kette auf Kettenführungsflächen mit einer bestimmten Mindesttiefe - etwa entsprechend der Dicke einer Gliedplatte - beschränkt sein sollen, fehlt es hingegen an jedem Anhaltspunkt.
31
Merkmal h1 ist schließlich auch nicht in der Weise zu verstehen, dass mit der Aufnahme einer ganzen Gliedplatte eine radiale Abstützung entlang der ganzen Führungsfläche erreicht werden soll. Die Antriebskette wird beim Gangwechsel schräg zum größeren Kettenrad gestellt. Die Gliedplatten bewegen sich demgemäß nicht mehr parallel zum größeren Kettenrad, sondern in einem bestimmten Winkel (axial) auf das Kettenrad zu. Patentgemäß ist deshalb vorgesehen, die Tiefe der Kettenführungsfläche stufenweise zu verändern oder sie über ihre gesamte Länge hinweg schräg verlaufen zu lassen (Sp. 7 Z. 11-16 [Übersetzung S. 10 vierter Abs.]), was einschließt, die Schräge auf der Höhe der nicht vertieften inneren Kettenradoberfläche beginnen zu lassen. Danach unterfallen aber auch solche Ausführungsformen der technischen Lehre des Klagepatents, bei denen eine radiale Abstützung nur partiell stattfindet, sei es, weil die Gliedplatte aufgrund ihrer vorgegebenen Schräglage nur in ihrem vorderen Bereich hinreichend tief in die Kettenführungsfläche eintauchen kann, sei es, weil die sich gestuft oder durchgehend schräg vertiefende Führungsfläche nur bereichsweise eine Tiefe erreicht, die eine technisch nennenswerte radiale Abstützung erlaubt.
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Zieht man diese Auslegung für die Verletzungsprüfung heran, hat das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht eine identische (wortsinngemäße) Benutzung des Merkmals h1 verneint. Seine Feststellung, bei den angegriffenen Ausführungsformen sei die Kettenführungsfläche in ihrem radialen Umriss kleiner (ca. 2,5 mm) gestaltet als der Umriss einer Gliedplatte, bezieht sich ersichtlich (auch) auf die durch eine Stufe gebildete Begrenzung der Führungsfläche an ihrem vom ersten Schaltzahn radial entfernten Ende. Damit bietet die Führungsfläche nicht im Sinne von Merkmal h1 den für die Aufnahme einer ganzen Gliedplatte erforderlichen Raum.
33
3. Rechtsfehlerhaft sind jedoch die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht eine Verwirklichung des Merkmals h1 mit abgewandelten (äquivalenten ) Mitteln verneint hat.
34
a) Die Zugehörigkeit einer vom Wortsinn des Patentanspruchs abweichenden Ausführung zum Schutzbereich erfordert zunächst, dass sie das der Erfindung zugrunde liegende Problem mit zwar abgewandelten, aber objektiv gleichwirkenden Mitteln löst (BGHZ 150, 149, 154 - Schneidmesser I).
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Wie die Auslegung von Patentanspruch 1 ergeben hat, wird mit der Aufnahme einer ganzen Gliedplatte in der Führungsfläche erreicht, dass die Kette zuverlässig um einen vorbestimmten (axialen) Betrag in Richtung zur Oberfläche des größeren Kettenrads bewegt werden kann. Die Kette wird nicht durch ein Anstoßen an der nicht vertieften inneren Oberfläche des größeren Kettenrads störend abgelenkt. Bei den angegriffenen Ausführungsformen hat die kleiner als der Gliedplattenumriss gestaltete Begrenzung der Kettenführungsfläche an ihrem vom ersten Schaltzahn radial entfernten Ende zur Folge, dass die Gliedplatte dort zumindest an der oberen Kante der Stufe zur Kettenführungsfläche mit der nicht vertieften Oberfläche des größeren Kettenrads in Kontakt kommen kann. Der Kontakt schlösse eine Gleichwirkung aus, wenn er die Gliedplatte daran hinderte, sich schräg in die Führungsfläche zu stellen und auf diese Weise die Kette um einen durch die Tiefe der Führungsfläche vorbestimmten Betrag in Richtung zum größeren Kettenrad zu führen. Dass derartige Verhältnisse bei den angegriffenen Ausführungsformen vorliegen, lässt sich den Feststellungen des Berufungsgerichts jedoch nicht entnehmen. Soweit das Berufungsgericht unter Verweis auf die Ausführungen des Sachverständigen meint, eine Behinderung der axialen Querbewegung der Kette werde bei den angegriffenen Ausführungsformen nicht vollständig, sondern lediglich in einem verringerten Umfang vermieden, rechtfertigt dies die Verneinung einer Patentverletzung mit abgewandelten Mitteln schon deshalb nicht, weil nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine patentrechtliche Gleichwirkung schon bei im Wesentlichen die patentgemäßen Wirkungen erzielenden Gestaltungen gegeben ist (vgl. Sen.Urt. v. 2.3.1999 - X ZR 85/96, GRUR 1999, 909, 914 - Spannschraube; Urt. v. 28.6.2000 - X ZR 128/98, GRUR 2000, 1005, 1006 - Bratgeschirr - m.w.N.). Eine solche Wirkung kommt bei einer Verkürzung der Kettenführungsfläche an ihrem vom Schaltzahn radial entfernten Ende jedenfalls dann in Betracht, wenn die Verkürzung so geringfügig ist, dass die Gliedplatte noch im Wesentlichen ungehindert schräg in die Fläche einlaufen oder über die Stufenkante schräg in sie abkippen kann. Eine Führung der Kette um einen vorbestimmten Betrag in Richtung zum größeren Kettenrad erscheint auch hier noch im Wesentlichen möglich. Ob derartige Verhältnisse bei den angegriffenen Ausführungsformen verwirklicht sind, bedarf allerdings tatrichterlicher Feststellungen, die im Revisionsverfahren nicht nachgeholt werden können. Hierzu hat das Berufungsgericht im wiedereröffneten Berufungsrechtszug Gelegenheit.
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b) Gelangt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, dass die angegriffenen Ausführungsformen die erfindungsgemäßen Wirkungen erzielen, wird es weiter zu prüfen haben, ob seine Fachkenntnisse den Fachmann befähigten, die abgewandelten Mittel als gleichwirkend aufzufinden (BGHZ 150, 149, 153 - Schneidmesser I). War - was nach dem Vorstehenden naheliegt - auch dies der Fall, wird das Berufungsgericht der Frage nachzugehen haben, ob die Überlegungen , die der Fachmann hierzu anstellen musste, derart am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre orientiert sind, dass der Fachmann die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als der gegenständlichen gleichwertige Lösung in Betracht zog (BGHZ 150, 149, 154 - Schneidmesser I). Hierbei handelt es sich um eine Rechtsfrage (Sen.Urt. v. 22.11.2005 - X ZR 81/01, GRUR 2006, 313, 316 - Stapeltrockner). Bei ihrer Beantwortung ist der in der gelehrten vollständigen Aufnahme zum Ausdruck kommende Lösungsgedanke zu beachten, die Kettenführungsfläche groß genug zu gestalten, um die Kette zuverlässig um einen vorbestimmten Betrag in Richtung zur Oberfläche des größeren Kettenrads bewegen zu können (vgl. Sp. 6 Z. 2-8 [Übersetzung S. 8 letzter Abs.]). Abweichungen, die aufgrund ihrer Geringfügigkeit und räumlichen Lage (noch) nicht zu einem Kontakt der Gliedplatte mit der unvertieften Oberfläche des Kettenrads führen, der die Kette in technisch bedeutsamer Weise an der Bewegung um den vorbestimmten Betrag hindern kann, stehen mit diesem Gedanken grundsätzlich in Einklang. Aus dem Wortlaut des Patentanspruchs 1 ergibt sich nichts anderes. Die Anweisung, eine ganze Gliedplatte aufzunehmen, stellt eine verbale Umschreibung des geschützten Gegenstandes dar, die insgesamt auslegungsbedürftig ist und der von vornherein nicht das Maß an Eindeutigkeit und Exaktheit zukommt , welches der Fachmann mit technisch eindeutig definierten Zahlen- oder Maßangaben (z.B. Winkel-, Mengen- oder Gewichtsangaben) verbindet. Ohne Stütze in der Patentbeschreibung kann Merkmal h1 daher nicht der Sinngehalt beigemessen werden, einen Grenzwert anzugeben, den es im Zweifel exakt einzuhalten gilt und der Abweichungen generell nicht mehr als gleichwertig gegenüber dem geschützten Gegenstand erscheinen lässt.
37
IV. Gelangt das Berufungsgericht bei seiner erneuten Prüfung zu dem Ergebnis, dass die Merkmale f bis f2 und h1 wortsinngemäß bzw. mit äquivalenten Mitteln verwirklicht sind, wird es die Prüfung nachzuholen haben, ob die angegriffenen Ausführungsformen auch das zwischen den Parteien ebenfalls umstrittene Merkmal f3 aufweisen.
38
Schließlich wird das Berufungsgericht gegebenenfalls der von ihm offengelassenen Frage nachzugehen haben, ob der Einwand der Beklagten durchgreift , eine von den angegriffenen Ausführungsformen verwirklichte äquivalente Lösung stelle mit Rücksicht auf den Stand der Technik keine patentfähige Erfindung dar (vgl. BGHZ 98, 12 - Formstein).
Melullis Mühlens Meier-Beck
Asendorf Gröning
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 11.06.2003 - 21 O 21210/00 -
OLG München, Entscheidung vom 12.05.2005 - 6 U 4058/03 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 117/11 Verkündet am:
17. Juli 2012
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Polymerschaum
PatG §§ 81 ff., § 14; EPÜ Art. 69 Abs. 1
Die Prüfung der Patentfähigkeit erfordert regelmäßig eine Auslegung des Patentanspruchs, bei
der dessen Sinngehalt in seiner Gesamtheit und der Beitrag, den die einzelnen Merkmale zum
Leistungsergebnis der Erfindung liefern, zu bestimmen sind. Dem Patentanspruch darf dabei
nicht deshalb ein bestimmter Sinngehalt beigelegt werden, weil sein Gegenstand andernfalls
gegenüber den Ursprungsunterlagen unzulässig erweitert wäre.
Ergibt die mündliche Verhandlung des Patentnichtigkeitsberufungsverfahrens, dass die Sache
nicht zur Endentscheidung reif ist, kommt es für die Entscheidung, ob es sachdienlich ist, die
gebotene weitere Sachaufklärung dem Patentgericht zu übertragen oder zu diesem Zweck das
Berufungsverfahren vor dem Bundesgerichtshof fortzusetzen, in erster Linie darauf an, auf welchem
Weg die noch offenen Sachfragen möglichst effizient und zügig geklärt werden können.
BGH, Urteil vom 17. Juli 2012 - X ZR 117/11 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 17. Juli 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, den
Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Dr. Grabinski
und Dr. Bacher

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 14. April 2011 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Berufung, an das Patentgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 102 809 (Streitpatents), das am 30. Juli 1999 unter Inanspruchnahme einer US-amerikanischen Priorität vom 31. Juli 1998 international angemeldet worden ist und Polymerschaum enthaltende Artikel sowie ein Verfahren zu deren Herstellung betrifft. Das Streitpatent umfasst 38 Ansprüche, von denen die einander nebengeordneten Ansprüche 1, 15 und 36 in der Verfahrenssprache Englisch wie folgt lauten: "1. A method for preparing a polymer foam, said method comprising: (a) providing a plurality of expandable polymeric microspheres and a molten polymer composition containing less than 20 wt.% solvent , each expandable polymeric microsphere including a polymer shell and a core material in the form of a gas, liquid, or combination thereof, that expands upon heating, with the expansion of the core material, in turn, causing the shell to expand; (b) melt mixing the molten polymer composition and the plurality of expandable polymeric microspheres, under process conditions, including temperature and shear rate, selected to form an expandable extrudable composition; (c) extruding the expandable extrudable composition through a die to form the polymer foam; and (d) at least partially expanding a plurality of the expandable polymeric microspheres before the expandable extrudable composition exits the die. 15. An article comprising the polymer foam obtainable according to the method of claim 1. 36. An article comprising: a recess; a foam-in-place article comprising a polymer foam obtainable by a method of claim 1 comprising a polymeric matrix and a plurality of at least partially expanded polymeric microspheres, and optionally an activated blowing agent, said foam-in-place article being positioned in said recess and partially or completely filling said recess."
2
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig und die Erfindung sei nicht so deutlich offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Ferner hat die Klägerin im Wege der Klageerweiterung geltend gemacht, dass das Streitpatent über den Inhalt der ursprüng- lich eingereichten Anmeldung hinausgehe. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat das Streitpatent hilfsweise in der Fassung mehrerer Hilfsanträge verteidigt.
3
Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt.
4
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung, mit der sie weiterhin die Abweisung der Klage anstrebt, soweit sie das Streitpatent verteidigt. Nach ihrem Hauptantrag, neben dem sie - in geänderter Reihenfolge - ihre erstinstanzlichen Hilfsanträge weiterverfolgt, sollen Patentanspruch 1 und die diesem untergeordneten Patentansprüche in der erteilten Fassung beibehalten werden. Patentanspruch 15 und die diesem untergeordneten Patentansprüche sollen die Fassung des bisherigen Hilfsantrags 5 erhalten. Danach soll Patentanspruch 15 wie folgt lauten: "15. An article comprising the polymer foam obtainable according to the method of claim 1, wherein said polymer foam is an adhesive, and wherein the polymer composition comprises an acrylate or methacrylate adhesive polymer or copolymer."
5
Unteranspruch 24 soll entfallen und die Nummerierung der nachfolgenden Unteransprüche 25 bis 35 entsprechend angepasst werden. Die Patentansprüche 36 bis 38 der erteilten Fassung sollen entfallen.
6
Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.
7
Die Parteien haben eine Mehrzahl von Gutachten vorgelegt, die Prof. Dr.-Ing. F. O. , Hochschule für Angewandte Wissenschaften H. , Department Maschinenbau & Produktion, für die Klägerin und Prof. Dr.-Ing. M. S. , Inhaber des Lehrstuhls für Polymerwerkstoffe der Universität S. , für die Beklagte erstattet haben.

Entscheidungsgründe:


8
Die zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Patentgericht.
9
I. Das Patentgericht hat die Erweiterung der Klage um den Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung als sachdienlich und die Klage daher insgesamt als zulässig angesehen.
10
Den Nichtigkeitsgrund mangelnder Ausführbarkeit hat das Patentgericht als unbegründet angesehen. Zur Begründetheit der Klage hat es im Übrigen ausgeführt, es teile die Bedenken der Klägerin gegen die Ursprungsoffenbarung der Merkmale "providing … a molten polymer composition …" und "melt mixing the molten polymer composition and the plurality of expandable polymeric microspheres …", sofern damit die zeitliche Reihenfolge der Arbeitsweisen der Absätze (a) und (b) derart festgelegt sei, dass die Mikrokugeln erst der bereits geschmolzenen Polymerzusammensetzung zugegeben würden. Denn eine entsprechende Textstelle fehle in den Ursprungsunterlagen. Der Einwand der Beklagten , die Reihenfolge ergebe sich aus sämtlichen Ausführungsbeispielen, die Hot-Melt-Polymer-Zusammensetzungen beträfen, sowie einer voran gestellten allgemeinen Anweisung der Zugabe der expandierbaren Mikrokugeln zum geschmolzenen Polymer, könne die Bedenken nicht ausräumen, weil eine stoffliche Einschränkung hinsichtlich der Polymerzusammensetzung und eine Einschränkung der Verfahrensführung nicht offenbart seien.
11
Über den Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung müsse jedoch nicht abschließend entschieden werden, da die Gegenstände des Patentanspruchs 1 und des Patentanspruchs 15, der auf ein Erzeugnis in Form eines Product-by-Process-Anspruchs gerichtet sei und auf die Merkmale des Verfahrens gemäß Patentanspruch 1 Bezug nehme, nicht patentfähig seien.
12
Dies hat das Patentgericht im Wesentlichen damit begründet, dass die Erfindung gegenüber dem in den Entgegenhaltungen E01, E02, E04 und E05 offenbarten Stand der Technik nicht neu sei.
13
Die deutsche Offenlegungsschrift 195 31 631 (E01) betreffe ein Verfahren zur Herstellung thermoplastischer Kunststoffschäume mit syntaktischer Schaumstruktur. Danach werde ein Gemisch aus thermoplastischem Polymer bzw. einer thermoplastischen Zusammensetzung und expandierbaren polymeren Mikrokugeln ohne Zusatz von Lösemitteln in geschmolzenem Zustand im Extruder durch eine Düse extrudiert. Die von der Lehre der E01 umfassten Ausführungsformen des Extrusionsverfahrens wiesen sämtliche Merkmale des streitpatentgemäßen Verfahrens auf. Da aus dem Wortlaut des Patentanspruchs 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung nicht hervorgehe, wann genau im Verfahrensablauf die im Verfahrensschritt (d) vorgesehene mindestens teilweise Expansion der Mikrokugeln erfolge, erfasse das streitpatentgemäße Verfahren sowohl Ausführungsformen, bei denen nahezu die gesamte Expansion bereits vor dem Austritt der Polymermasse aus der Extruderdüse stattfinde, als auch Ausführungsformen, bei denen nur eine geringfügige Expansion vor dem Austritt aus der Düse und die vollständige Expansion erst nach dem Austritt aus der Düse erfolge. Schließlich sei das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 des Streitpatents nach seinem Wortlaut nicht in der Weise beschränkt, dass die Polymerzusammensetzung zunächst vollständig geschmolzen sein müsse, bevor die expandierbaren polymeren Mikrokugeln zugesetzt würden. Das streitpatentgemäße Verfahren umfasse daher auch eine Ausführungsform, bei der die Polymerzusammensetzung erst nach der Zugabe der expandierbaren polymeren Mikrokugeln im Verlauf der Passage durch den Extruder hin zur Extruderdüse vollständig schmelze, und sei daher nicht abgegrenzt von der Verfahrensweise der E01, bei der die Temperaturen im Extrusi- onszylinder bei 395 bis 405 K und damit oberhalb der Schmelztemperatur der jeweils eingesetzten Polyolefine lägen.
14
Das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 und damit auch die Erzeugnisse nach Patentanspruch 15 des Streitpatents in der erteilten Fassung seien auch gegenüber der Abhandlung von Elfving, Foaming Plastics With Expancel Microspheres, Seminarbeitrag 19. Februar 1998, RAPRA Technology Ltd. (E02), nicht neu. Diese Abhandlung befasse sich mit dem Aufschäumen von Polymermassen mittels "Expancel"-Mikrokugeln und beschreibe einen Großteil der Merkmale des Streitpatents. Die aufgabenhaft gehaltenen Merkmale, wonach das Schmelzmischen der geschmolzenen Polymerzusammensetzung und der expandierbaren polymeren Mikrokugeln hinsichtlich Temperatur und Schergeschwindigkeit unter solchen Prozessbedingungen durchzuführen sei, dass eine expandierbare, extrudierbare Masse entstehe, stellten Selbstverständlichkeiten bei der Extrusion von Thermoplasten dar, so dass insoweit fehlende Ausführungen in der E02 der Annahme der fehlenden Neuheit nicht entgegenstünden.
15
Ebenso lehre die veröffentlichte europäische Patentanmeldung 802 946 (E04) die Verarbeitung einer Mischung aus thermoplastischem und damit schmelzbaren polymeren Mikrokugeln zur Schäumung und damit Dichtereduktion im Extruder bei vorgegebener Temperatur und Verweilzeit. Sie erfülle damit ebenfalls alle Merkmale des streitgemäßen Verfahrens nach Anspruch 1. Dementsprechend seien auch die Erzeugnisse nach Anspruch 15 gegenüber der E04 nicht neu.
16
Schließlich seien streitpatentgemäße Erzeugnisse auch nach der Lehre der japanischen Offenlegungsschrift Hei 10-152575 (E05) erhältlich. Danach würden geschäumte Polymerformmassen aus dem Gemisch eines geschmolzenen thermoplastischen Materials als Matrix und expandierbarer polymerer Mikrokugeln des Typs "Expancel" unter Schmelzmischen bei geeigneten Be- dingungen im Extruder ohne den Zusatz von Lösemitteln hergestellt. Die Maßgaben des Verfahrensschritts (d) in Anspruch 1 des Streitpatents seien insofern erfüllt, als gemäß der Lehre der E05 verschiedene Expansionsgrade einschließlich der vollständigen Expansion vor dem Austritt aus der Düse des Extruders einstellbar seien.
17
Im Übrigen sei dem Fachmann, einem Diplom-Chemiker der Fachrichtung Makromolekulare Chemie bzw. Polymerchemie oder einem Diplom-Ingenieur der Verfahrenstechnik mit Kenntnissen und langjährigen Erfahrungen auf dem Gebiet der Kunststofftechnik, insbesondere der Herstellung geschäumter extrudierter Polymermassen und -formteile, ein Verfahren gemäß Patentanspruch 1 und damit ein nach dessen Arbeitsweise erhältliches Erzeugnis gemäß Patentanspruch 15 jedenfalls ausgehend von der Lehre der E02 nahegelegt worden , so dass das Streitpatent auch mangels erfinderischer Tätigkeit keinen Bestand haben könne. Die E02 gebe nicht nur die Anregung, Extrudate aus geeigneten thermoplastischen Polymerzusammensetzungen als Polymermatrix und expandierbaren extrudierbaren polymeren Mikrokugeln der Marke "Expancel" herzustellen, sondern vermittle darüber hinaus auch eine technische Lehre, die es einem Fachmann ermögliche, aufgrund seines Wissens und Könnens ohne weiteres zu einem für den jeweiligen Anwendungszweck maßgeschneiderten Verfahren bzw. zu Produkten mit sämtlichen Merkmalen der Patentansprüche 1 und 15 in der erteilten Fassung zu gelangen.
18
Schließlich könne das Streitpatent auch in den hilfsweise verteidigten Fassungen keinen Bestand haben. Unabhängig von der Frage der Zulässigkeit der Hilfsanträge beruhten die hilfsweise verteidigten Gegenstände des Streitpatents jedenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
19
II. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren nicht stand.
20
1. Das Streitpatent betrifft Polymerschaum enthaltende Erzeugnisse und Verfahren zu deren Herstellung.
21
Polymerschaum enthaltende Gegenstände waren im Prioritätszeitpunkt des Streitpatents bereits bekannt und finden in unterschiedlichen Bereichen, wie beispielsweise in der Luftfahrt, im Fahrzeugbau und auf medizinischem Gebiet , Verwendung.
22
Polymerschaum zeichnet sich dadurch aus, dass er eine geringere Dichte aufweist als die in ihm enthaltende Polymermatrix. Die Reduzierung der Dichte wird mit unterschiedlichen Verfahrensweisen erreicht, so durch die Erzeugung von gasgefüllten Hohlräumen in der Matrix (z.B. mit Hilfe eines Treibmittels) oder durch das Zusetzen polymerer Mikrokugeln (z.B. expandierbarer Mikrokugeln ) oder nichtpolymerer Mikrokugeln (z.B. gläserner Mikrokugeln). Die Streitpatentschrift verweist in diesem Zusammenhang auf die deutsche Offenlegungsschrift 195 31 631 (E01), die ein Verfahren zur Herstellung eines thermoplastischen Polymerschaums mittels Extrusions- oder Spritzgussmaschinen betrifft (Beschr. Abs. 2, 3).
23
In der Streitpatentschrift wird nicht ausdrücklich angegeben, welches technische Problem das Streitpatent betrifft. Die Aufgabenbeschreibung des Patentgerichts nimmt mit dem Hinweis auf die Art und den Zeitpunkt der Expansion der Mikrokugeln im Extruder die erfindungsgemäße Lösung teilweise vorweg. Das dem Streitpatent zugrunde liegende Problem ist allgemeiner darin zu sehen, ein Verfahren zur Verfügung zu stellen, bei dem das Aufschäumen mittels expandierbarer Mikrokugeln unter Einhaltung definierter Bedingungen möglich ist und Erzeugnisse zuverlässig innerhalb enger Fertigungstoleranzen hergestellt werden können.
24
Zur Lösung des Problems schlägt das Streitpatent ein Verfahren mit folgenden Merkmalen vor (die abweichende Merkmalsgliederung des Patentgerichts ist in eckigen Klammern wiedergegeben): 1. Verfahren zur Herstellung eines Polymerschaums durch Bereitstellen 1.1. von mehreren expandierbaren polymeren Mikrokugeln und 1.2. einer geschmolzenen Polymerzusammensetzung (molten polymer composition) [1; 2; 2.1]. 2. Die geschmolzene Polymerzusammensetzung enthält weniger als 20 Gewichtsprozent Lösungsmittel [2.1.1]. 3. Jede expandierbare polymere Mikrokugel umfasst eine Polymerhülle und ein Kernmaterial [2.1.2; 2.1.2.1], das 3.1. aus einem Gas, einer Flüssigkeit oder einer Kombination davon besteht [2.1.2.2] und 3.2. beim Erwärmen expandiert, was zur Expansion der Polymerhülle führt [2.1.2.3]. 4. Die geschmolzene Polymerzusammensetzung und die expandierbaren Mikrokugeln werden schmelzgemischt (melt mixing the molten polymer composition and the plurality of expandable polymeric microspheres) [2.2], wobei die Prozessbedingungen einschließlich Temperatur und Schergeschwindigkeit so gewählt werden, dass eine Zusammensetzung gebildet wird, die 4.1. extrudierbar und 4.2. expandierbar ist [2.2.1; 2.2.2]. 5. Die expandierbare extrudierbare Zusammensetzung wird durch eine Düse extrudiert, um den Polymerschaum zu bilden [2.3].
6. Mehrere der expandierbaren polymeren Mikrokugeln expandieren zumindest teilweise, bevor die expandierbare, extrudierbare Zusammensetzung aus der Düse tritt [2.4].
25
Der mit dem Hauptantrag allein noch verteidigte nebengeordnete Erzeugnisanspruch 15 ist auch in seiner verteidigten Fassung als Product-by-ProcessAnspruch ausgestaltet und dadurch definiert, dass die Erzeugnisse durch das Verfahren nach Patentanspruch 1 erhältlich sind, wobei der Polymerschaum ein Klebstoff ist und die Polymerzusammensetzung ein adhäsives Acryl- oder Methacrylpolymer oder -copolymer enthält.
26
2. Die Auslegung des Patentanspruchs 1, die das Patentgericht seiner Beurteilung der Patentfähigkeit des Gegenstands des Streitpatents zugrunde gelegt hat, ist nicht frei von Rechtsfehlern.
27
a) Das Patentgericht hat eine zusammenhängende Ermittlung der mit Patentanspruch 1 gegebenen technischen Lehre unterlassen und lediglich bei der Prüfung der Neuheit jeweils Ausführungen zum Sinngehalt einzelner Merkmale gemacht. Im Rahmen der Auslegung sind jedoch der Sinngehalt des Patentanspruchs in seiner Gesamtheit und der Beitrag, den die einzelnen Merkmale zum Leistungsergebnis der Erfindung liefern, zu bestimmen (BGH, Urteil vom 3. Juni 2004 - X ZR 82/03, BGHZ 159, 221, 226 - Drehzahlermittlung; Urteil vom 13. Februar 2007 - X ZR 74/05, BGHZ 171, 120 Rn. 18 f. - Kettenradanordnung I; Beschluss vom 17. April 2007 - X ZB 9/06, BGHZ 172, 108 Rn. 13 f. - Informationsübermittlungsverfahren I; Urteil vom 31. Mai 2007 - X ZR 172/04, BGHZ 172, 298 Rn. 38 - Zerfallszeitmessgerät; Urteil vom 29. Juni 2010 - X ZR 193/03, BGHZ 186, 90 Rn. 13 - Crimpwerkzeug III). Die Bestimmung des Sinngehalts eines einzelnen Merkmals muss stets in diesem Kontext erfolgen, aus dem sich ergeben kann, dass dem Merkmal eine andere Bedeutung zukommt als einem entsprechenden Merkmal in einer zum Stand der Technik gehörenden Entgegenhaltung. Denn für das Verständnis entschei- dend ist zumindest im Zweifel die Funktion, die das einzelne technische Merkmal für sich und im Zusammenwirken mit den übrigen Merkmalen des Patentanspruchs bei der Herbeiführung des erfindungsgemäßen Erfolgs hat. Dabei sind Beschreibung und Zeichnungen heranzuziehen, die die technische Lehre des Patentanspruchs erläutern und veranschaulichen und daher nach ständiger Rechtsprechung nicht nur für die Bestimmung des Schutzbereichs (Art. 69 Abs. 1 EPÜ, § 14 PatG), sondern ebenso für die Auslegung des Patentanspruchs heranzuziehen sind, unabhängig davon, ob diese Auslegung die Grundlage der Verletzungsprüfung oder der Prüfung des Gegenstands des Patentanspruchs auf seine Patentfähigkeit ist (BGHZ 186, 90 Rn. 13 - Crimpwerkzeug

III).


28
Entgegen der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung ist es dabei unerheblich, ob die Auslegung zu einem Ergebnis führt, bei dem der Patentanspruch eine unzulässige Erweiterung gegenüber den Ursprungsunterlagen enthält. Ebenso wenig wie der Patentanspruch nach Maßgabe dessen ausgelegt werden darf, was sich nach Prüfung des Standes der Technik als patentfähig erweist (BGH, Urteil vom 24. September 2003 - X ZR 7/00, BGHZ 156, 179, 186 - blasenfreie Gummibahn I), darf er nach Maßgabe des Sinngehalts der Ursprungsunterlagen ausgelegt werden. Grundlage der Auslegung ist vielmehr allein die Patentschrift. Ein Vergleich mit der Veröffentlichung der Patentanmeldung kommt allenfalls dann in Betracht, wenn dies bei Widersprüchen zwischen Beschreibung und Patentanspruch zur Klärung des Umfangs einer bei der Erteilung des Patents oder im Einspruchsverfahren vorgenommenen Beschränkung des geschützten Gegenstands beitragen kann (BGH, Urteil vom 10. Mai 2011 - X ZR 16/09, BGHZ 189, 330 Rn. 25 - Okklusionsvorrichtung; Urteil vom 4. Februar 2010 - Xa ZR 36/08, GRUR 2010, 602 Rn. 20 - Gelenkanordnung).
29
b) Die an diesen Grundsätzen orientierte Auslegung führt zu folgendem Ergebnis:
30
Der Begriff "molten polymer composition" wird im Patentanspruch sowohl in Merkmal 1.2 als auch in Merkmal 4 verwendet. Die wesentlich von dem Verständnis dieser Merkmale abhängige und zwischen den Parteien streitige Frage , ob der Patentanspruch eine Reihenfolge der Verfahrensschritte zum Ausdruck bringt, nach der die expandierten Mikrokugeln einer bereits vor der Beimischung geschmolzenen Polymerzusammensetzung zugesetzt werden, ist entgegen der Auffassung des Patentgerichts und der Klägerin zu bejahen.
31
Schon der Wortlaut des Patentanspruchs macht deutlich, dass die Komponenten des Verfahrens die Mikrokugeln (Merkmal 1.1) und die geschmolzene Polymerzusammensetzung (Merkmal 1.2) sind. Diese Komponenten sollen bereitgestellt werden ("providing"). Die Kennzeichnung der Verfahrensschritte mit den Buchstaben a bis d und ihre sachliche Aufeinanderfolge Bereitstellung - Schmelzmischen - Extrudieren/Expandieren sprechen gegen die Annahme, hiermit sei über die Aufeinanderfolge der Maßnahmen nichts ausgesagt. Bei der Schmelzmischung beider Komponenten (Merkmal 4) soll folgerichtig die Expandierbarkeit erhalten bleiben (Merkmal 4.2); entsprechend müssen die Prozessbedingungen gewählt werden. Erst in der Düse beginnt, bedingt durch den Druckabfall (Beschr. Abs. 64; Abs. 83 der Übers.), die Expansion der Mikrokugeln (Merkmal 6).
32
Die Beschreibung erläutert dies, indem sie ausführt, dass Harzteilchen und Additive (aber nicht die Mikrokugeln) gemischt werden, wobei das Mischen vorzugsweise bei einer Temperatur ausgeführt werde, die für eine Mikrokugelexpansion nicht ausreiche. Es könne jedoch auch eine höhere Temperatur verwendet werden, wobei die Temperatur in diesem Fall im Anschluss an das Mischen und vor dem Eintragen der Mikrokugeln erniedrigt werde (Beschr. Abs. 61; Abs. 80 der Übers.). Erst danach werden Polymerzusammensetzung und Mikrokugeln "schmelzgemischt", wobei Temperatur, Druck und Scherkräfte so eingestellt werden, dass kein Expandieren oder Reißen der Mikrokugeln verursacht wird (Beschr. Abs. 63; Abs. 82 der Übers.). Da die Temperatur hier- nach erforderlichenfalls im Verlaufe des Mischungsprozesses abgesenkt werden soll, um eine vorzeitige Expansion der Mikrokugeln zu vermeiden, andererseits am Ende eine extrudierbare Schmelze stehen soll, wird deutlich, dass - entgegen der Annahme des Patentgerichts - die in dieser Konstellation die Temperatur schon vor Zufügung der Mikrokugeln über dem Schmelzpunkt der Polymerzusammensetzung liegen muss.
33
3. Vor diesem Hintergrund kann die Beurteilung der Neuheit der erfindungsgemäßen Lehre durch das Patentgericht keinen Bestand haben. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist neu (Art. 54 Abs. 1 und 2 EPÜ). Keine der Entgegenhaltungen sieht vor, dass die Mikrokugeln in die geschmolzene Polymermischung gegeben werden.
34
a) Das in der deutschen Offenlegungsschrift 195 31 631 (E01) beschriebene Verfahren sieht vor, dass den zu verarbeitenden Matrixkunststoffen, deren Erweichungs- oder Schmelztemperaturen zwischen 375 K und 450 K liegen können, Komponenten zugemischt werden, die bereits vor dem Erreichen der Temperaturen, bei denen die Expansion der Mikrokugeln unter Normalbedingungen beginnen würde, Schmelzanteile bilden. Durch diese früh gebildeten Schmelzanteile soll der Aufbau von Druck noch vor dem Schmelzen des Matrixkunststoffes ermöglicht und die Expansion der Mikrokugeln im Extruder während der Existenz fester, höherschmelzender Matrixkunststoffanteile wirksam verhindert werden. Daraus ergibt sich, dass die Mikrokugeln dem Matrixkunststoff zu einem Zeitpunkt beigemischt werden, in dem dieser anders als beim Streitpatent noch nicht (vollständig) geschmolzen ist.
35
b) Der RAPRA-Seminarvortrag "Foaming Plastics With Expancel Microspheres" des Produktmanagers des Herstellers Expancel, Klaus Elfving, (E02) befasst sich in erster Linie mit der Frage, welche Art und Menge von Mikrokugeln vorzugsweise zu verwenden sind, um die erwünschten Schaumstrukturen zu erzielen. Zu den Einzelheiten des Herstellungsverfahrens enthält die E02 keine Angaben. Insbesondere sieht die E02 nicht vor, dass die Mikrokugeln einer bereits geschmolzenen Polymerzusammensetzung beizugeben sind.
36
c) Die Veröffentlichung der internationalen Anmeldung WO 96/11226 (E04) betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines thermoplastischen Kunststoffes zur Ruhigstellung und/oder zum Schutz eines Körperteils, bei dem einem thermoplastischen Grundmaterial Mikrokugeln, die ein Schäummittel bilden, als Füllstoff hinzugefügt werden. Die Ansprüche und die Beschreibung der E04 enthalten zwar Angaben sowohl zu den Eigenschaften des thermoplastischen Grundmaterials und der Mikrokugeln bzw. des Schäummittels sowie zum Anteil des Mischverhältnisses als auch zum Ablauf des Extrudiervorgangs und den dabei einzusetzenden Temperaturen. Die E04 sieht jedoch an keiner Stelle vor, dass die Mikrokugeln in eine bereits geschmolzene Polymermischung gegeben werden.
37
d) Ebenso wenig lässt sich ein solcher Verfahrensschritt der japanischen Offenlegungsschrift Hei 10-152575 (E05) entnehmen, die ein Verfahren zum Schäumen und Formen eines thermoplastischen Harzes betrifft. Bereits in der Aufgabenbeschreibung dieser Entgegenhaltung ist davon die Rede, dass ein Verfahren zur Verfügung gestellt werden soll, das das Mischen eines Ausgangsmaterials aus thermoplastischem Harz mit thermisch expandierbaren Mikrokapseln sowie das thermische Kneten und Schmelzen des Gemisches um- fasst (Beschr. Abs. 7). An anderer Stelle wird ausgeführt, dass die Außenhüllen der thermisch expandierbaren Mikrokapseln aus synthetischem Harz weich würden und das Gas oder die Flüssigkeit in den Mikrokapseln expandierten, sobald das thermoplastische Harz des Ausgangsmaterials im Extrusions- oder Spritzgussverfahren thermisch geschmolzen sei (Beschr. Abs. 14). Dies bedeutet , dass die Mikrokapseln bereits vor dem Schmelzen des Harzes beigegeben worden sein müssen.
38
e) Schließlich sieht auch das in dem US-Patent 5 100 728 (E18) beschriebene Verfahren zur Herstellung von Haftklebebändern an keiner Stelle vor, dass die Mikrokugeln einer geschmolzenen Polymermischung zugesetzt werden sollen. In der Beschreibung wird im Zusammenhang mit der Verwendung von Mikrokugeln als Füllstoff lediglich ausgeführt, es sei vorzugswürdig, den Füllstoff, d.h. in diesem Fall die Mikrokugeln, erst am Ende des Extruders zuzugeben (Beschr. Sp. 10 Z. 62-65). Über den Aggregatzustand der Polymermatrix werden dagegen keine Angaben gemacht.
39
4. Entgegen der Annahme des Patentgerichts ist unter Zugrundelegung der oben dargestellten Auslegung der Gegenstand von Patentanspruch 1 durch den ermittelten Stand der Technik nicht nahegelegt (Art. 56 EPÜ). Der Fachmann , gegen dessen Definition durch das Patentgericht keine Bedenken bestehen und die auch von den Parteien hingenommen wird, hatte keine Veranlassung , die aus dem Stand der Technik bekannten Verfahren dahingehend weiterzuentwickeln , dass die Mikrokugeln in eine bereits vollständig geschmolzene Polymermischung zu geben sind.
40
a) Die E02 mag zwar - wie das Patentgericht ausführt - die Anregung geben, Extrudate aus thermoplastischen Polymerzusammensetzungen als Polymermatrix und expandierbaren Mikrokugeln herzustellen. Aus der E02 ergab sich für den Fachmann jedoch keine ausreichende Anregung, zur Lehre des Streitpatents zu gelangen. Als Präsentation des Herstellers der Mikrokugeln befasst sich dieses Dokument vorrangig mit den Eigenschaften und der Funktion der Mikrokugeln. In Bezug auf die Komponente Polymere beschränkt sich die E02 auf die Frage, für welche Arten von Polymeren die ExpancelMikrokugeln als Treib- und Schäummittel gut geeignet sind. Vorgaben zum Aggregatzustand der in Betracht kommenden Polymere werden dagegen nicht gemacht. Ebenso wenig enthält die E02 Ausführungen zu den Einzelheiten des Herstellungsverfahrens. Auch insoweit hat die E02 nur die Mikrokugeln im Blick und führt aus, dass es sich bei der Reaktion der Mikrokugeln im Extrusions- und Spritzgussverfahren um Neuland handle (S. 3, li. Sp.: "… rather untouched ground: EXPANCEL in extrusion and injection molding") und dass die Expansionseigenschaften der Mikrokugeln durch Ausprobieren zu ermitteln seien (S. 4, li. Sp.: "trial and error"). Der Fachmann konnte der E02 mithin nichts entnehmen , das ihm Veranlassung hätte geben können, die Mikrokugeln einer bereits geschmolzenen Polymerzusammensetzung beizugeben.
41
b) Auch aus der Entgegenhaltung E01 ergibt sich für den Fachmann keine ausreichende Anregung, zur Lehre des Patentanspruchs 1 zu gelangen.
42
Diese Schrift, die ein Verfahren zur Herstellung von thermoplastischen Kunststoffschäumen mit syntaktischer Schaumstruktur betrifft, erörtert einleitend die verschiedenen im Stand der Technik auf diesem Gebiet bekannten Verfahren. Sie führt hierzu aus, dass im Stand der Technik davon ausgegangen werde, dass die - unerwünschte - vorzeitige Expansion von Mikrokugeln, die an sich durch die zum Aufschmelzen der Kunststoffe erforderlichen Temperaturen oberhalb der Expansionstemperaturen der Mikrokugeln begünstigt werde, durch den hohen Druck in den Kunststoffverarbeitungsmaschinen unterdrückt werde. Entgegen dieser Annahme sei jedoch der Druckaufbau während der Verarbeitung in der Spritzgussmaschine oder im Extruder nicht in allen Phasen gewährleistet , in denen es zur Expansion der Mikrokugeln kommen könne (Sp. 2 Z. 46-59). Ein für den erforderlichen Druckaufbau hermetischer Abschluss des Extruder- oder Spritzgussmaschinenzylinders könne jedoch nicht erfolgen, solange das Volumen zwischen Schneckenkern und Zylinderwandung noch überwiegend mit festen, unaufgeschmolzenen und gegeneinander bewegten Kunststoffpartikeln gefüllt sei. Vielmehr gewähre erst ein relativ hoher Schmelzanteil zwischen den Feststoffpartikeln den druckfesten Verschluss. Um auch Massenkunststoffe verwenden zu können, deren Schmelz- oder Erweichungstemperaturen im Bereich oder über der Expansionstemperatur der Mikroballons liegen, sieht die Schrift vor, den zu verarbeitenden Matrixkunststoffen, deren Erweichungs - oder Schmelztemperaturen zwischen 375 K und 450 K liegen können, Komponenten zuzumischen, die bereits vor dem Erreichen der Temperaturen, bei denen die Expansion der Mikroballons unter Normalbedingungen beginnen würde, Schmelzanteile bilden. Durch die früh gebildeten Schmelzanteile soll der Aufbau von Druck noch vor dem Schmelzen des - dem druckfesten Verschluss wegen seiner Partikularität entgegenstehenden (Sp. 3 Z. 3-13) - Matrixkunststoffes ermöglicht und die Expansion der Mikroballons im Extruder oder der Spritzgussmaschine während der Existenz fester, höherschmelzender Matrixkunststoffanteile wirksam verhindert und ferner die Einwirkung von Scherkräften auf die Mikrokugeln weitgehend vermieden werden (Sp. 4 Z. 22-39). Nach einer als vorteilhaft dargestellten Ausführungsform sollen gemahlene Matrixkunststoffe verwendet werden, mit denen die nicht expandierten Mikrokugeln und die Zusatzkomponenten vor dem Extrudieren gemischt werden, um so einen hohen Verteilungsgrad der Mikrokugeln im Kunststoff bereits vor der Verarbeitung über die Schmelze zu erreichen (Sp. 4 Z. 48-54). Der Grundgedanke der E01 besteht mithin darin, einer vorzeitigen Expansion der Mikrokugeln aufgrund der zum Aufschmelzen des Polymers erforderlichen Temperatur durch Druckaufbau entgegenzuwirken. Vor diesem Hintergrund bot die E01 dem Fachmann keine Veranlassung, die Mikrokugeln in die bereits geschmolzene Polymermischung zu geben.
43
c) Ebenso wenig ergibt sich aus den Entgegenhaltungen E04, E05 und E18 für den Fachmann eine Anregung zu dem erfindungsgemäßen Verfahren. In keinem dieser Patentdokumente ist von der Zufügung der Mikrokugeln in eine bereits geschmolzene Polymermasse die Rede. Dies gilt insbesondere auch für die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung hervorgehobene Passage in der Beschreibung der E18, wonach es vorzugswürdig sei, die Mikrokugeln erst am Abflussende des Extruders hinzuzufügen (Sp. 10 Z. 62-67). Mit dem Hinzufügen am Abflussende wird bei dem Verfahren nach der E18 nicht das Expansionsverhalten gesteuert, da es sich nicht um expandierende Kugeln handelt. Es ergibt sich mithin lediglich, an welcher Stelle die Mikrokugeln hinzu- zufügen sind. Dass die Polymerzusammensetzung zu diesem Zeitpunkt bereits vollständig geschmolzen sei, lässt sich dieser Aussage dagegen nicht entnehmen und wäre in diesem Kontext auch ohne Belang.
44
III. Das angefochtene Urteil des Patentgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 119 Abs. 1 PatG). Der vom Patentgericht festgestellte Sachverhalt erlaubt nicht die Schlussfolgerung, dass das Streitpatent gegenüber dem Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung unzulässig erweitert worden ist.
45
1. Gemäß Art. II § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IntPatÜbkG ist ein europäisches Patent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären, wenn sein Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht. Der danach maßgebliche Inhalt ist anhand der Gesamtheit der ursprünglich eingereichten Unterlagen zu ermitteln. Er ist nicht auf den Gegenstand der in der Anmeldung formulierten Patentansprüche beschränkt. Entscheidend ist vielmehr, was der mit durchschnittlichen Kenntnissen und Fähigkeiten ausgestattete Fachmann des betreffenden Gebiets der Technik der Gesamtheit der ursprünglichen Unterlagen als zur Erfindung gehörend entnehmen kann (BGH, Urteil vom 24. Januar 2012 - X ZR 88/09, GRUR 2012, 475 Rn. 31 - Elektronenstrahltherapiesystem ; Urteil vom 8. Juli 2010 - Xa ZR 124/07, GRUR 2010, 910 Rn. 46 - Fälschungssicheres Dokument; Urteil vom 22. Dezember 2009 - X ZR 28/06, GRUR 2010, 513 Rn. 29 - Hubgliedertor II).
46
2. Aus den Feststellungen des Patentgerichts ergibt sich nicht, dass der Gesamtheit der ursprünglich eingereichten Unterlagen, deren Inhalt der Veröffentlichung WO 00/06637 entspricht, ein Verfahren, bei dem die Polymerzusammensetzung vor dem Schmelzmischen mit den expandierbaren polymeren Mikrokugeln in bereits geschmolzenem Zustand bereit gestellt wird ("melt mi- xing the molten polymer composition and the plurality of expandable polymeric microspheres" - Merkmal 4), nicht als zur Erfindung gehörend zu entnehmen ist.
47
a) Allerdings hat das Patentgericht zu Recht angenommen, dass dem Text der Anmeldung Merkmal 4 nicht ausdrücklich zu entnehmen ist.
48
aa) Nach Patentanspruch 23 in der Fassung der Anmeldung ist der erste Verfahrensschritt das Schmelzmischen einer Polymerzusammensetzung und mehrerer Mikrokugeln. Eine eindeutige Festlegung dahingehend, dass die Polymerzusammensetzung bei der Zugabe der Mikrokugeln in geschmolzenen Zustand vorliegen müsse, enthält der Wortlaut des Patentanspruchs damit nicht.
49
bb) Ebenso wenig lassen diejenigen Passagen in der Beschreibung der Anmeldung, die den Ablauf des Verfahrens im Einzelnen schildern, für sich genommen eindeutige Rückschlüsse auf die Offenbarung des Merkmals 4 des Verfahrens gemäß Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung zu.
50
b) Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass sich dem Fachmann Merkmal 4 gleichwohl unmittelbar und eindeutig aus dem Zusammenhang der Beschreibung ergibt.
51
aa) Das Patentgericht hat das Vorbringen der Beklagten, aus sämtlichen Ausführungsbeispielen, die Hot-Melt-Polymerzusammensetzungen betreffen, ergebe sich die im erteilten Patent geschützte Verfahrensführung, für unerheblich erachtet, weil weder dem Streitpatent noch den ursprünglichen Unterlagen eine entsprechende stoffliche Einschränkung hinsichtlich der eingesetzten Polymerzusammensetzung etwa auf Hot-Melt-Polymere und eine Einschränkung der Verfahrensführung, insbesondere der Temperatur bei den einzelnen Verfahrensschritten , zu entnehmen sei. Mit dieser Begründung kann jedoch die Offen- barung einer Merkmal 4 umfassenden technischen Lehre nicht ausgeschlossen werden.
52
bb) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist für die Ursprungsoffenbarung des Gegenstands eines Patentanspruchs erforderlich, dass der Fachmann die im Anspruch bezeichnete technische Lehre den Ursprungsunterlagen - "unmittelbar und eindeutig" (BGH, Urteil vom 11. September 2001 - X ZR 168/98, BGHZ 148, 383, 389 - Luftverteiler; Urteil vom 16. Dezember 2008 - X ZR 89/07, BGHZ 179, 168 Rn. 25 - Olanzapin; Urteil vom 8. Juli 2010 - Xa ZR 124/07, GRUR 2010, 910, Rn. 62 - Fälschungssicheres Dokument) - als mögliche Ausführungsform der Erfindung entnehmen kann (Urteil vom 21. September 1993 - X ZR 50/91, Mitt. 1996, 204, 206 - Spielfahrbahn 03; Beschluss vom 11. September 2001 - X ZB 18/00, GRUR 2002, 49, 51 - Drehmomentübertragungseinrichtung ; Urteil vom 18. Februar 2010 - Xa ZR 52/08, GRUR 2010, 599 = BlPMZ 2010, 269, Rn. 22, 24 - Formteil). Dabei hat der Senat zur Vermeidung einer unbilligen Beschränkung des Anmelders bei der Ausschöpfung des Offenbarungsgehalts auch Verallgemeinerungen ursprungsoffenbarter Ausführungsbeispiele zugelassen. Er hat einen "breit" formulierten Anspruch unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Erweiterung jedenfalls dann für unbedenklich erachtet, wenn sich ein in der Anmeldung beschriebenes Ausführungsbeispiel der Erfindung für den Fachmann als Ausgestaltung der im Anspruch umschriebenen allgemeineren technischen Lehre darstellt und diese Lehre in der beanspruchten Allgemeinheit für ihn bereits der Anmeldung - sei es in Gestalt eines in der Anmeldung formulierten Anspruchs, sei es nach dem Gesamtzusammenhang der Unterlagen - als zu der angemeldeten Erfindung gehörend entnehmbar ist (BGH, GRUR 2002, 49, 51 - Drehmomentübertragungseinrichtung ). Solche Verallgemeinerungen sind vornehmlich dann zugelassen worden, wenn von mehreren Merkmalen eines Ausführungsbeispiels, die zusammengenommen, aber auch für sich betrachtet dem erfindungsgemäßen Erfolg förderlich sind, nur eines oder nur einzelne in den Anspruch aufgenom- men worden sind (ständige Rechtsprechung seit BGH, Beschluss vom 23. Januar 1990 - X ZB 9/89, BGHZ 110, 123, 126 - Spleißkammer; zuletzt Urteil vom 24. Januar 2012 - X ZR 88/09, GRUR 2012, 475 Rn. 34 - Elektronenstrahltherapiesystem ). Als zulässig ist jedoch auch die Verallgemeinerung einer chemischen Verbindung angesehen worden (BGH, Urteil vom 18. Dezember 1975 - X ZR 51/72, BGHZ 66, 17, 30 - Alkylendiamine I).
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cc) Es würde daher für die Offenbarung einer Merkmal 4 umfassenden technischen Lehre genügen, wenn der fachmännische Leser den Hot-MeltPolymerzusammensetzungen betreffenden Ausführungsbeispielen der Ursprungsunterlagen entnähme, dass bei diesen Ausführungsbeispielen die Mikrokugeln einer Polymerschmelze zugegeben werden. Denn in diesem Fall entnähme er den Ursprungsunterlagen damit, dass die Erfindung jedenfalls so ausgeführt werden kann, wie nunmehr in Patentanspruch 1 unter Schutz gestellt. Das angefochtene Urteil schließt ein solches fachmännisches Verständnis nicht aus, sondern legt es vielmehr zugrunde.
54
IV. Das angefochtene Urteil ist somit aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Patentgericht zurückzuverweisen (§ 119 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 PatG). Eine abschließende Sachentscheidung durch den Senat ist nicht angezeigt (§ 119 Abs. 5 PatG).
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1. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 119 Abs. 5 Satz 2 PatG).
56
a) Der Senat kann aufgrund der Feststellungen des Patentgerichts und des Sach- und Streitstandes am Schluss der mündlichen Verhandlung nicht abschließend beurteilen, ob das Streitpatent wegen unzulässiger Erweiterung für nichtig zu erklären ist. Hierzu bedarf es vielmehr zusätzlicher Feststellungen zu den Kenntnissen des Fachmanns über Beschaffenheit und Eigenschaften der in den Ursprungsunterlagen beschriebenen Hot-Melt-Zusammensetzungen, die der Senat nicht ohne Einholung des Gutachtens eines gerichtlichen Sachverständigen zu treffen vermag.
57
b) Auch über die Patentfähigkeit des Gegenstands des Streitpatents kann nicht abschließend entschieden werden. Zwar erweist sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1, wie ausgeführt, als patentfähig. Ob auch der Gegenstand des Patentanspruchs 15 patentfähig ist, kann aber ohne ergänzende Feststellungen gleichfalls nicht beurteilt werden.
58
Das Patentgericht hat dies - nach seinem Ausgangspunkt folgerichtig - nicht geprüft. Patentanspruch 15 in der im Berufungsverfahren zuletzt verteidigten Fassung beschreibt die geschützte Sache lediglich als adhäsives Acrylatoder Methacrylatpolymer oder -copolymer, das durch das Verfahren nach Patentanspruch 1 erhältlich ist. Die Patentfähigkeit dieses Gegenstands hängt mithin davon ab, ob sich das Ergebnis des Verfahrens durch mindestens ein nicht durch ein nahegelegtes Verfahren erhältliches Sachmerkmal von den Ergebnissen sämtlicher im Stand der Technik bekannter Verfahren unterscheidet. Die Klägerin hat erstinstanzlich unter Bezugnahme auf das Gutachten O. vom 18. März 2011 (G2a) geltend gemacht, dass sich die nach dem Verfahren nach der E01 erhältlichen Erzeugnisse nicht von den erfindungsgemäßen Erzeugnissen unterscheiden. Demgegenüber hat die Beklagte unter Bezugnahme auf das Gutachten S. vom 7. April 2011 (G3) die Aussagekraft des Gutachtens O. beanstandet. Es kann dahinstehen, ob der Senat die Begründetheit dieser Beanstandungen abschließend beurteilen könnte. Jedenfalls stünde damit noch nicht fest, dass die Behauptung der Klägerin nicht gleichwohl zutreffend ist. Auch dies könnte nicht ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens geklärt werden.
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2. Eine Entscheidung durch den Senat ist auch nicht nach § 119 Abs. 5 Satz 1 PatG angebracht.
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a) Nach dieser Bestimmung kann der Bundesgerichtshof in der Sache selbst entscheiden, wenn dies sachdienlich ist. In der Begründung des Gesetzentwurfs zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts (BT-Drucks. 16/11339, S. 25) zu dieser Vorschrift wird erläutert, dass der Bundesgerichtshof in einer noch nicht zur Endentscheidung reifen Sache selbst die notwendigen Feststellungen treffen und abschließend in der Sache entscheiden könne, wenn dies im Sinne der Verfahrensökonomie geboten sei. Eine Zurückweisung an das Patentgericht soll vermieden werden, wenn das Verfahren einfacher und schneller in der Berufungsinstanz abschließend erledigt werden kann. Für die Entscheidung der Frage, ob eine wegen fehlender Entscheidungsreife gebotene weitere Sachaufklärung dem Patentgericht übertragen wird oder in dem zu diesem Zweck fortgesetzten Berufungsverfahren vor dem Bundesgerichtshof erfolgt , kommt es mithin in erster Linie darauf an, auf welchem Weg die noch offenen Sachfragen möglichst effizient und zügig geklärt werden können.
61
b) Danach hält der Senat eine Fortsetzung des Berufungsverfahrens nicht für sachdienlich.
62
Die erforderliche Sachaufklärung könnte, wie ausgeführt, im Berufungsverfahren nur mithilfe eines vom Senat zu bestellenden Sachverständigen erfolgen. Hingegen kann der Senat nicht ausschließen, dass das Patentgericht die noch offenen Fragen aufgrund eigener Sachkunde entscheiden kann. Denn die Sachkunde seiner technischen Richter kann dem Patentgericht möglicherweise eine fundierte Auseinandersetzung mit den von den Parteien vorgelegten Gutachten erlauben, die es gestattet, sowohl die Frage der Ursprungsoffenbarung als auch gegebenenfalls die Frage der Patentfähigkeit des Gegenstands des Patentanspruchs 15 ohne Beratung durch einen gerichtlichen Sachverständigen abschließend zu klären. Sollte insbesondere die Beantwortung der Frage, ob und inwieweit sich die Erzeugnisse nach dem Verfahren der E01 von den erfindungsgemäßen unterscheiden, die Einholung des Gutachtens eines gerichtlichen Sachverständigen erfordern, wird es entscheidend darauf ankom- men, welche Randbedingungen bei gegebenenfalls erforderlichen Versuchen zu beachten sind; auch insoweit ist das Patentgericht aufgrund seiner Besetzung mit rechtskundigen und technischen Mitgliedern am besten in der Lage, die Beweiserhebung sachgerecht zu steuern.
63
V. Für die erneute Verhandlung vor dem Patentgericht weist der Senat auf Folgendes hin:
64
1. Bei der Ermittlung des Offenbarungsgehalts der ursprünglichen Unterlagen wird zu prüfen sein, ob aus der Sicht des Fachmanns das Mischen der Harzpartikel und der Additive unter Wärmezufuhr zumindest bei einzelnen Ausführungsbeispielen zwangsläufig zum Schmelzen der Mischung führt, bevor die Mikrokugeln zugegeben werden (S. 16 Z. 12-17). Nach der Darstellung des Ablaufs des Extrusionsverfahrens in der Beschreibung der Anmeldung wird zunächst das Polymerharz, das in jeder beliebigen geeigneten Form, wie beispielsweise als Granulat, Fäden oder Stränge verwendet werden kann, in den Extruder gegeben, um es zu erweichen und in kleine, zur Extrusion geeignete Teile zu zermahlen (S. 16 Z. 4-8). Beim folgenden Verfahrensschritt werden in den Fällen, in denen den Harzpartikeln noch weitere Additive zugefügt werden, die Komponenten mit Ausnahme der Mikrokugeln in einen zweiten Extruder gegeben, um sie in der Knetzone des Extruders zu vermischen. Hierbei wird für den Mischvorgang angegeben, bei welcher Temperatur er vorzugsweise durchgeführt werden soll. Als Parameter für die Temperatur wird lediglich die Expansion der Mikrokugeln genannt: die vorzuziehende Temperatur soll unter derjenigen liegen, die zur Expansion der Mikrokugeln führt. Wird die Temperatur höher gewählt, was nach der Beschreibung möglich ist, muss sie nach dem Mischen und vor dem Beifügen der Mikrokugeln wieder heruntergesetzt werden. Zu der Frage, wie sich die Temperatur auf die Polymermischung auswirkt bzw. auswirken soll, nämlich, dass diese schmelzen soll, enthält die Beschreibung der Anmeldung an dieser Stelle keine Aussage. Es fehlt insbesondere die Angabe, dass die Erwärmung auch ein Aufschmelzen der Polymerzusammensetzung bewirkt haben muss, bevor die Mikrokugeln zugegeben werden. Möglicherweise führt aber aus der Sicht des Fachmanns dieser Verfahrensschritt zwangsläufig zum Schmelzen der Mischung, bevor die Mikrokugeln zugegeben werden.
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2. Auf Seite 5 (Z. 8 und Z. 23) der Beschreibung wird wie in Patentanspruch 23 in der Fassung der Anmeldung ausgeführt, dass eine Polymerzusammensetzung mit den Mikrokugeln schmelzgemischt wird, so dass auch der Verfahrensschritt des Schmelzmischens Aufschluss darüber geben könnte, ob die Merkmale 1.2 und 4 des Patentanspruchs 1 bereits in den Anmeldeunterlagen offenbart sind. Bei der Darstellung des Verfahrensablaufs ist nämlich erstmals bei diesem Verfahrensschritt von einem geschmolzenen Polymerharz die Rede (S. 16 Z. 27 der Beschreibung der Anmeldung). Sind die Harzpartikel und Additive gut gemischt, werden die expandierbaren Mikrokugeln dieser Mischung zugefügt, wobei die Beschreibung zur Bezeichnung dieser Mischung allerdings lediglich den Begriff "resulting mixture" verwendet und an dieser Stelle gerade nicht von einer "molten mixture" spricht. Jedoch wird der Begriff "molten polymer resin" im Zusammenhang mit der Beschreibung des Zwecks des Schmelzmischens verwendet, der darin bestehen soll, eine expandierbare und extrudierbare Zusammensetzung herzustellen, in der die expandierbaren polymeren Mikrokugeln und andere Additive gleichmäßig in dem geschmolzenen Polymerharz verteilt sind (S. 26 Z. 22-27 der Beschreibung der Anmeldung). Zu prüfen wird daher sein, ob dieser Stelle vor dem Hintergrund des allgemeinen Fachwissens entnommen werden kann, dass die Polymermasse bereits geschmolzen vorliegt, wenn die Mikrokugeln beigegeben werden.
66
3. Hingegen würde es für eine Ursprungsoffenbarung des Merkmals 4 nicht genügen, wenn sich bei der Nacharbeitung von Ausführungsbeispielen der Ursprungsunterlagen zwar objektiv ergäbe, dass die Polymerzusammensetzung bereits in einem geschmolzenen Zustand vorliegt, wenn die Mikrokugeln beige- geben werden, dies aber für den Fachmann anhand der Ursprungsunterlagen nicht ohne weiteres erkennbar wäre.
67
Denn zwar bestehen, wie ausgeführt, gegen eine allgemeinere, von für ein Ausführungsbeispiel dargestellten Einzelheiten abstrahierende Formulierung eines Patentanspruchs keine grundsätzlichen Bedenken. Eine solche Abstraktion ist jedoch dann nicht mehr durch die Ursprungsoffenbarung gedeckt, wenn mit der allgemeinen Formulierung auf eine als solche nicht genannte oder für den Fachmann ohne Weiteres erkennbare Eigenschaft des Gegenstands der Erfindung abgehoben wird. Wäre für den Fachmann nicht erkennbar, dass jedenfalls bei Ausführungsbeispielen die Mikrokugeln der Polymerschmelze zugegeben werden, enthielte Merkmal 4 ein Unterscheidungskriterium für die Wahl einer zur Erzielung des erfindungsgemäßen Erfolgs geeigneten Verfahrensführung , das in den Prioritätsunterlagen weder offenbart noch diesen als zur Erfindung gehörend zu entnehmen wäre.
Meier-Beck Keukenschrijver Mühlens
Grabinski Bacher Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 14.04.2011 - 3 Ni 28/09 (EU) -

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

18
dessen Schutzbereich fällt, muss regelmäßig dreierlei erfüllt sein. Die Ausführung muss erstens das der Erfindung zugrunde liegende Problem mit zwar abgewandelten , aber objektiv gleichwirkenden Mitteln lösen. Zweitens müssen seine Fachkenntnisse den Fachmann befähigen, die abgewandelte Ausführung mit ihren abweichenden Mitteln als gleichwirkend aufzufinden. Die Überlegungen, die der Fachmann hierzu anstellen muss, müssen schließlich drittens am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten Lehre orientiert sein. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln aus fachmännischer Sicht als der wortsinngemäßen Lösung gleichwertige (äquivalente) Lösung in Betracht zu ziehen und damit nach dem Gebot des Artikels 2 des Protokolls über die Auslegung des Art. 69 EPÜ bei der Bestimmung des Schutzbereichs des Patents zu berücksichtigen (vgl. u.a. Senat, Urteil vom 12. März 2002 - X ZR 168/00, BGHZ 150, 149, 154 - Schneidmesser I; Urteil vom 17. April 2007 - X ZR 1/05, GRUR 2007, 959, 961 - Pumpeinrichtung). Der Schutzbereich des Patents wird auf diese Weise nach Maßgabe dessen bestimmt, was der Fachmann auf der Grundlage der erfindungsgemäßen Lehre als äquivalent zu erkennen vermag, und damit an dem Gebot des Art. 1 des Auslegungsprotokolls ausgerichtet, bei der Bestimmung des Schutzbereichs einen angemessenen Schutz für den Patentinhaber mit ausreichender Rechtssicherheit für Dritte zu verbinden (BGH, Urteil vom 14. Dezember 2010, GRUR 2011, 313 Rn. 35 - Crimpwerkzeug IV).
b) Für die Frage der Gleichwirkung ist entscheidend, welche einzelnen Wir19 kungen die patentgemäßen Merkmale - für sich und insgesamt - zur Lösung der dem Patentanspruch zugrundeliegenden Aufgabe bereitstellen und ob diese Wirkungen bei der angegriffenen Ausführungsform durch andere Mittel erzielt werden. Danach ist es erforderlich, den Patentanspruch darauf zu untersuchen, welche der Wirkungen , die mit seinen Merkmalen erzielt werden können, zur Lösung der zugrundeliegenden Aufgabe patentgemäß zusammenkommen müssen. Diese Gesamtheit repräsentiert die patentierte Lösung und stellt deshalb die für den anzustellenden Vergleich maßgebliche Wirkung dar (BGH, Urteil vom 28. Juni 2000 - X ZR 128/98, GRUR 2000, 1005, 1006 - Bratgeschirr; Urteil vom 17. Juli 2012 - X ZR 113/11, GRUR 2012, 1122 Rn. 19 - Palettenbehälter III). Nur so ist gewährleistet, dass trotz Abwandlung bei einem oder mehreren Merkmalen lediglich solche Ausgestaltungen vom Schutzbereich des Patentanspruchs umfasst werden, bei denen der mit der geschützten Erfindung verfolgte Sinn beibehalten ist. Als gleichwirkend kann eine Ausführungsform nur dann angesehen werden, wenn sie nicht nur im Wesentlichen die Gesamtwirkung der Erfindung erreicht, sondern gerade auch diejenige Wirkung erzielt , die das nicht wortsinngemäß verwirklichte Merkmal erzielen soll (BGH, GRUR 2012, 1122 Rn. 26 - Palettenbehälter III).
28
1. Für die Prüfung der geltend gemachten, vom Berufungsgericht folgerichtig nicht erörterten Patentverletzung mit äquivalenten Mittel kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass die Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsformen , bei denen nur eine einzige Klemme vorhanden ist, die sämtliche Drähte an einem (dem proximalen) Ende der Vorrichtung zusammenhält, während das andere Ende der Vorrichtung auf Grund der dort umgeschlagenen Drähte verschlossen ist, mit zwar abgewandelten, aber objektiv gleichwirkenden Mitteln dasselbe Problem löst wie der in Patentanspruch 1 unter Schutz gestellte Gegenstand, bei dem die Klemmen an den entgegengesetzten Enden der Vorrichtung ausgeführt sind, und dass der Fachmann, wie die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 15. April 2011 noch einmal eingehend dargelegt hat, durch seine Fachkenntnisse dazu befähigt ist, die abgewandelten Mittel als gleichwirkend aufzufinden (Senat, Urteil vom 12. März 2002 - X ZR 168/00, BGHZ 150, 149, 154 = GRUR 2002, 515 - Schneidmesser I).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 168/00 Verkündet am:
12. März 2002
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
Schneidmesser I
PatG 1981 § 14; EPÜ Art. 69

a) Durch in den Patentanspruch aufgenommene Zahlen- und Maßangaben
wird der Schutzgegenstand des Patents mitbestimmt und damit auch begrenzt.
Wie jeder Bestandteil eines Patentanspruchs sind Zahlen- und
Maßangaben jedoch grundsätzlich der Auslegung fähig.

b) Erschließt sich dem Fachmann kein abweichender Zahlenwert als im Sinne
des anspruchsgemäßen Wertes gleichwirkend, erstreckt sich der Schutzbereich
insoweit nicht über den Sinngehalt des Anspruchs hinaus.
BGH, Urt. v. 12. März 2002 - X ZR 168/00 - OLG Karlsruhe
LG Mannheim
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 29. Januar 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis,
den Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Dr. MeierBeck
und Asendorf

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das am 23. August 2000 verkündete Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin ist Inhaberin einer ausschlieûlichen Lizenz an dem am 12. Juni 1987 angemeldeten deutschen Patent 37 19 721 (Klagepatent), wegen dessen Verletzung sie die Beklagte in Anspruch nimmt.
Das Klagepatent ist im Einspruchsverfahren vom Bundespatentgericht beschränkt aufrechterhalten worden. Patentanspruch 1 lautet danach:
"Mit einem Gegenmesser zusammenwirkendes Schneidmesser (1) für Rotationsschneidanlagen für Papier, insbesondere mehrlagige vereinzelte Papierprodukte in Schuppenformation, mit einem runden, im wesentlichen kegelstumpfförmigen Grundkörper (4), dessen zur senkrecht zur Drehachse verlaufenden Schneidebene (6) konische Tragfläche Klingen (8) o. dgl. trägt, dadurch gekennzeichnet , daû die Klingen (8)

a) auf der kegelstumpfförmigen Rückfläche (3) des Grundkörpers (4) angeordnet sind und mit der Schneidebene (6) einen Winkel (5) von 10°- 22°, vorzugsweise 16° einschlieûen,

b) in unterschiedlichen Schneidstellungen in Richtung auf die Schneidebene (6) in länglichen Aussparungen (18) des Grundkörpers (4) verschiebbar gelagert und in diesem arretierbar sind,

c) mit ihren Längsachsen einen spitzen Winkel zum jeweiligen Radius des Grundkörpers (4), der 9° - 12° beträgt, einschlieûen ,
- in Draufsicht rechteckig ausgebildet sind, und
- in Zahnform die Schneidfläche (13) bilden."
Die Beklagte ist als übernehmende Gesellschaft Rechtsnachfolgerin der mit ihr verschmolzenen E. GmbH (im folgenden: E.). E. belieferte ein französi-
sches Unternehmen, das eine Rotationsschneidemaschine von der Klägerin bezogen hatte, mit passenden Schneidmessern, in denen die Klägerin eine Verletzung des Klagepatents sieht.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäû zur Unterlassung und zur Rechnungslegung verurteilt und ihre Verpflichtung zum Schadensersatz und zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung festgestellt. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.
Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie weiterhin die Abweisung der Klage erstrebt. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Revision hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht ist ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, daû die angegriffenen Schneidmesser in den Schutzbereich des Klagepatents fallen und die Beklagte wegen deren Herstellung und Vertriebs zur Unterlassung, zum Schadensersatz und zur Entschädigung sowie zur Rechnungslegung verpflichtet ist (§§ 14, 139 Abs. 1 und 2, 33 Abs. 1 PatG, 242 BGB).
I. Das Klagepatent betrifft ein Schneidmesser für Rotationsschneidanlagen für Papier. Derartige Schneidmesser dienen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts dazu, im Zusammenwirken mit einem Gegenmesser eine Schuppe aus vereinzelten, überlappend aufeinanderliegenden Druckerzeug-
nissen zu beschneiden. Sie bestehen aus einem runden Grundkörper, dessen zur - senkrecht zur Drehachse verlaufenden - Schneidebene konische Tragfläche mit einer Vielzahl von Klingen bestückt ist.
Bei einem aus der deutschen Offenlegungsschrift 35 36 989 bekannten Schneidmesser dieser Art ist die konische Tragfläche als Vorderfläche des Grundkörpers der Schneidebene zugekehrt. Sind die Schneidflächen der (unverschiebbar ) in Ausnehmungen der Tragfläche untergebrachten Klingen abgenutzt , können sie zwar nachgeschliffen werden, jedoch verringert sich der Durchmesser des Schneidmessers entsprechend.
Das Berufungsgericht hat das technische Problem in Übereinstimmung mit den Angaben in der Klagepatentschrift dahin formuliert, die Lebensdauer derartiger Schneidmesser zu erhöhen und gleichzeitig zu gewährleisten, daû der jeweils wirksame Radius der Schneidflächen auch nach einem etwaigen Nachschleifen unverändert bleiben kann, und die erfindungsgemäûe Lösung nach dem aufrechterhaltenen Patentanspruch 1 wie folgt in Merkmale gegliedert :
1. Es handelt sich um ein mit einem Gegenmesser zusammenwirkendes Schneidmesser für Rotationsschneidanlagen für Papier, insbesondere mehrlagige vereinzelte Papierprodukte in Schuppenformation.
2. Das Schneidmesser besitzt einen runden, im wesentlichen kegelstumpfförmigen Grundkörper.
3. Der Grundkörper weist eine Tragfläche auf, die zur - senkrecht zur Drehachse verlaufenden - Schneidebene konisch ist und Klingen oder dergleichen trägt.
4. Die Klingen

a) sind auf der kegelstumpfförmigen Rückfläche des Grundkörpers angeordnet und schlieûen mit der Schneidebene einen Winkel von 10° bis 22°, vorzugsweise von 16°, ein,

b) sind in unterschiedlichen Schneidstellungen in Richtung auf die Schneidebene in länglichen Aussparungen des Grundkörpers verschiebbar gelagert und in diesen arretierbar,

c) schlieûen mit ihren Längsachsen einen spitzen Winkel zum jeweiligen Radius des Grundkörpers ein, wobei der Winkel 9° bis 12° beträgt ,

d) sind in Draufsicht rechteckig ausgebildet und

e) bilden in Zahnform die Schneidfläche.
Nach den weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts, bei denen es sich auf den Beschluû des Bundespatentgerichts im Einspruchsverfahren bezogen hat, unterscheidet sich das so umschriebene Schneidmesser von dem im Einspruchsverfahren gewürdigten Stand der Technik insbesondere dadurch, daû die Klingenlängsachsen nur einen kleinen Winkel von 9° bis 12° zum
Radius des Grundkörpers aufweisen und die Schneidkanten entsprechend flach in das Schneidgut eintauchen, wodurch sich eine besonders vorteilhafte Schnittführung ergibt. Das wird weder von der Revisionsklägerin noch von der Revisionsbeklagten angegriffen und läût keinen Rechtsfehler erkennen.
II. Auch insoweit unbeanstandet und rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht weiterhin festgestellt, daû das von E. hergestellte und vertriebene Schneidmesser bis auf Merkmal 4 c) wortsinngemäû Patentanspruch 1 des Klagepatents entspreche. Hinsichtlich des streitigen Merkmals 4 c) hat das Landgericht gemeint, daû auch dieses verwirklicht sei, weil der Winkel bei der angegriffenen Ausführungsform selbst mit dem von der Beklagten behaupteten Maû von 8° 40' noch im Wortsinn des Anspruchs liege, zu dem der Fachmann den in der DIN ISO 2768 T2 für die Toleranzklassen "fein" und "mittel" vorgesehenen Toleranzbereich von ± 20' rechne. Das Berufungsgericht hat offengelassen , ob dem zu folgen sei, und angenommen, daû ein Winkel von 8° 40' jedenfalls eine Verletzung des Klagepatents mit äquivalenten Mitteln begründe.
1. Die Auffassung der Beklagten, der Schutzbereich eines Patents, in dessen Anspruch Maûangaben als Höchst- und Mindestwerte angegeben seien , beschränke sich unter Ausschluû von Äquivalenten auf den im Anspruch genannten Bereich, hat das Berufungsgericht für unzutreffend erachtet. Zwar möge die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Rechtslage vor 1978 (Sen.Urt. v. 31.1.1984 - X ZR 7/82, GRUR 1984, 425 - Bierklärmittel) im Hinblick auf die durch § 14 PatG betonte Bedeutung der Patentansprüche für die Bemessung des Schutzbereichs sowie unter Berücksichtigung des Gesichtspunkts der Rechtssicherheit einer Einschränkung bedürfen. Sie könne jedoch nicht so weit gehen, daû jeder über den Anspruchswortlaut hinausgehende
Schutzbereich ausgeschlossen sei. Vielmehr erfasse, soweit nicht der Stand der Technik oder sonstige Umstände wie etwa Beschränkungen oder Verzichtserklärungen im Erteilungsverfahren eine einschränkende Auslegung geböten , der Schutzbereich eines Patents, dessen Anspruch Zahl- und Maûangaben enthalte, jedenfalls solche Ausführungsformen, bei denen von dem im Patent beanspruchten Bereich nur in derart geringfügigem Maû abgewichen werden, daû sich dem Fachmann die Gleichwirkung geradezu aufdränge.
2. Die Revision ist demgegenüber der Meinung, das entscheidende Gewicht , das der Rechtssicherheit für auûenstehende Dritte nach dem Auslegungsprotokoll zu Art. 69 EPÜ zukomme, hindere, den Schutzbereich von Patentansprüchen , die Zahlenangaben als Höchst- und Mindestwerte enthalten, durch Äquivalenzbetrachtungen über die im Patentanspruch genannten Grenzen hinaus zu erweitern. Solche Höchst- und Mindestwerte müûten vielmehr wörtlich genommen und als absolute Grenzen des Schutzbereichs behandelt werden. Die Rechtsprechung des Senats zur Erstreckung des Schutzbereichs auf äquivalente Ausführungsformen sei nicht auf Anspruchsmerkmale übertragbar , die mit der Formulierung "von ... bis" mit Zahlen- und Maûangaben Höchst- und Mindestwerte festlegten. Die Lehre von der Äquivalenz sei für normale Anspruchsmerkmale entwickelt worden, die den unter Schutz gestellten Gegenstand mit Worten und Begriffen definierten. Zahlen- und Maûangaben seien schon begrifflich durch die Angabe der Maûeinheit und des Zahlenwertes um ein Vielfaches schärfer und exakter definiert als ein normales, in Worten und Begriffen formuliertes Anspruchsmerkmal; sie würden daher vom angesprochenen Verkehr von vornherein als exakte scharf definierte Grenze des Schutzbereichs verstanden. Zudem habe es der Anmelder in der Hand, die
im Patentanspruch angegebenen Höchst- und Mindestwerte zu variieren und exakt an den Anwendungsbereich der Erfindung anzupassen.
3. Dem kann nur zum Teil gefolgt werden.

a) Nach § 14 PatG und der wortgleichen Vorschrift des Art. 69 Abs. 1 EPÜ wird der Schutzbereich des Patents durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt, zu deren Auslegung die Beschreibung und die Zeichnungen heranzuziehen sind. Nach den Grundsätzen, die der erkennende Senat hierzu entwickelt hat, dient die Auslegung der Patentansprüche nicht nur der Behebung etwaiger Unklarheiten, sondern auch zur Erläuterung der darin verwendeten technischen Begriffe sowie zur Klärung der Bedeutung und der Tragweite der dort beschriebenen Erfindung (BGHZ 98, 12, 18 f. - Formstein; 105, 1, 10 - Ionenanalyse; 125, 303, 309 f. - Zerlegvorrichtung für Baumstämme; Sen.Urt. v. 5.5.1992 - X ZR 9/91, GRUR 1992, 594, 596 - mechanische Betätigungsvorrichtung ). Abzustellen ist dabei auf die Sicht des Fachmanns, von dessen Verständnis bereits die Bestimmung des Inhalts der Patentansprüche einschlieûlich der dort verwendeten Begriffe abhängt und das auch bei der Feststellung des über den Wortlaut hinausgehenden Umfangs des von den Patentansprüchen ausgehenden Schutzes maûgebend ist. Bei der Prüfung der Frage, ob die im Patent unter Schutz gestellte Erfindung benutzt wird, ist daher zunächst unter Zugrundelegung dieses Verständnisses der Inhalt der Patentansprüche festzustellen, d.h. der dem Anspruchswortlaut vom Fachmann beigelegte Sinn zu ermitteln. Macht die angegriffene Ausführungsform von dem so ermittelten Sinngehalt eines Patentanspruchs Gebrauch, dann wird die unter Schutz stehende Erfindung benutzt. Bei einer vom Sinngehalt der Patentansprüche abweichenden Ausführung kann eine Benutzung dann vorliegen, wenn der Fach-
mann auf Grund von Überlegungen, die an den Sinngehalt der in den Ansprüchen unter Schutz gestellten Erfindung anknüpfen, die bei der angegriffenen Ausführungsform eingesetzten abgewandelten Mittel mit Hilfe seiner Fachkenntnisse als für die Lösung des der Erfindung zugrundeliegenden Problems gleichwirkend auffinden konnte (BGHZ 105, 1, 10 f. - Ionenanalyse; Sen.Urt. v. 3.10.1989 - X ZR 33/88, GRUR 1989, 903, 904 - Batteriekastenschnur; v. 28.6.2000 - X ZR 128/98, GRUR 2000, 1005, 1006 - Bratgeschirr). Dabei fordert es das gleichgewichtig neben dem Gesichtspunkt eines angemessenen Schutzes der erfinderischen Leistung stehende Gebot der Rechtssicherheit, daû der durch Auslegung zu ermittelnde Sinngehalt der Patentansprüche nicht nur den Ausgangspunkt, sondern die maûgebliche Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereichs bildet; diese hat sich an den Patentansprüchen auszurichten (BGHZ 106, 84, 90 f. - Schwermetalloxidationskatalysator; Sen.Urt. v. 3.10.1989 - X ZR 33/88, GRUR 1989, 903, 904 - Batteriekastenschnur; v. 20.4.1993 - X ZR 6/91, GRUR 1993, 886, 889 - Weichvorrichtung I). Für die Zugehörigkeit einer vom Wortsinn des Patentanspruchs abweichenden Ausführung zum Schutzbereich genügt es hiernach nicht, daû sie (1.) das der Erfindung zu Grunde liegende Problem mit zwar abgewandelten, aber objektiv gleichwirkenden Mitteln löst und (2.) seine Fachkenntnisse den Fachmann befähigen , die abgewandelten Mittel als gleichwirkend aufzufinden. Ebenso wie die Gleichwirkung nicht ohne Orientierung am Patentanspruch festgestellt werden kann (Einzelheiten hierzu Sen.Urt. v. 28.6.2000 - X ZR 128/98, GRUR 2000, 1005, 1006 - Bratgeschirr), müssen (3.) darüber hinaus die Überlegungen , die der Fachmann anstellen muû, derart am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre orientiert sein, daû der Fachmann die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als der gegenständlichen gleichwertige Lösung in Betracht zieht.

Von diesen Grundsätzen abzuweichen, besteht kein Anlaû. Sie stehen in Einklang mit dem Protokoll über die Auslegung von Art. 69 Abs. 1 EPÜ (BGBl. 1976 II 1000), das nach ständiger Rechtsprechung des Senats (BGHZ 106, 84, 93 f. - Schwermetalloxidationskatalysator; Sen.Urt. v. 5.5.1992 - X ZR 9/91, GRUR 1992, 594, 596 - mechanische Betätigungsvorrichtung) auch zur Auslegung von § 14 PatG heranzuziehen ist. Nach Art. 2 Nr. 1 der Münchener Revisionsakte zum Europäischen Patentübereinkommen vom 29.11.2000 soll zukünftig das revidierte Auslegungsprotokoll in Art. 2 ausdrücklich vorsehen, daû bei der Bestimmung des Schutzbereichs des europäischen Patents solchen Elementen gebührend Rechnung zu tragen ist, die Äquivalente der in den Patentansprüchen genannten Elemente sind.

b) Die Grundsätze der Schutzbereichsbestimmung sind auch dann anzuwenden , wenn der Patentanspruch Zahlen- oder Maûangaben enthält. Solche Angaben nehmen an der Verbindlichkeit des Patentanspruchs als maûgeblicher Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereichs teil. Die Aufnahme von Zahlen- oder Maûangaben in den Anspruch verdeutlicht, daû sie den Schutzgegenstand des Patents mitbestimmen und damit auch begrenzen sollen (Sen., BGHZ 118, 210, 218 f. - Chrom-Nickel-Legierung). Es verbietet sich daher, solche Angaben als minder verbindliche, lediglich beispielhafte Festlegungen der geschützten technischen Lehre anzusehen, wie dies in der Rechtsprechung zur Rechtslage im Inland vor Inkrafttreten des Art. 69 EPÜ und der entsprechenden Neuregelung des nationalen Rechts für möglich erachtet worden ist (vgl. RGZ 86, 412, 416 f. - pyrophore Metallegierungen; RG, Urt. v. 10.3.1928 - I 238/27, GRUR 1928, 481 - Preûhefe I; OGH BrZ 3, 63, 71 f. - künstliche Wursthüllen).


c) Wie jeder Bestandteil eines Patentanspruchs sind Zahlen- und Maûangaben grundsätzlich der Auslegung fähig. Wie auch sonst kommt es darauf an, wie der Fachmann solche Angaben im Gesamtzusammenhang des Patentanspruchs versteht, wobei auch hier zur Erläuterung dieses Zusammenhangs Beschreibung und Zeichnungen heranzuziehen sind. Dabei ist zu berücksichtigen , daû Zahlen- und Maûangaben schon nach ihrem objektiven Gehalt, der auch das Verständnis des Fachmanns prägen wird, nicht einheitlich sind, sondern in unterschiedlichen Formen Sachverhalte mit durchaus verschiedenen Inhalten bezeichnen können.

d) Schon diese Umstände schlieûen es aus, daû der Fachmann Zahlen-, Maû- oder Bereichsangaben eine immer gleiche feste Bedeutung zuweisen wird. Jedoch wird er solchen Angaben in aller Regel einen höheren Grad an Eindeutigkeit und Klarheit zubilligen, als dies bei verbal umschriebenen Elementen der erfindungsgemäûen Lehre der Fall wäre (v. Rospatt, GRUR 2001, 991, 993). Denn Zahlen sind als solche eindeutig, während sprachlich formulierte allgemeine Begriffe eine gewisse Abstraktion von dem durch sie bezeichneten Gegenstand bedeuten. Zudem müssen solche Begriffe, wenn sie in einer Patentschrift verwendet werden, nicht notwendig in dem Sinn gebraucht werden , den der allgemeine technische Sprachgebrauch ihnen beimiût; die Patentschrift kann insoweit ihr "eigenes Wörterbuch" bilden (vgl. Sen.Urt. v. 2.3.1999 - X ZR 85/96, GRUR 1999, 909, 912 - Spannschraube; v. 13.4.1999 - X ZR 23/97, Mitt. 2000, 105, 106 - Extrusionskopf). Aus der Sicht des fachmännischen Lesers kann durch Zahlen- und Maûangaben konkretisierten Merkmalen deshalb die Bedeutung zukommen, daû der objektive, erfindungsgemäû zu erreichende Erfolg genauer und gegebenenfalls enger eingegrenzt
wird, als dies bei bloû verbaler Umschreibung der Fall wäre. Da es Sache des Anmelders ist, dafür zu sorgen, daû in den Patentansprüchen alles niedergelegt ist, wofür er Schutz begehrt (Sen.Urt. v. 3.10.1989 - X ZR 33/88, GRUR 1989, 903, 905 - Batteriekastenschnur; v. 5.5.1992 - X ZR 9/91, GRUR 1992, 594, 596 - Mechanische Betätigungsvorrichtung), darf der Leser der Patentschrift annehmen, daû diesem Erfordernis auch bei der Aufnahme von Zahlenangaben in die Formulierung der Patentansprüche genügt worden ist. Dies gilt um so mehr, als der Anmelder bei Zahlenangaben besonderen Anlaû hat, sich über die Konsequenzen der Anspruchsformulierung für die Grenzen des nachgesuchten Patentschutzes klar zu werden.
Daher ist eine deutlich strengere Beurteilung angebracht, als es der Praxis zur Rechtslage in Deutschland vor 1978 entsprach (Bruchhausen, GRUR 1982, 1, 4). Eine eindeutige Zahlenangabe bestimmt und begrenzt den geschützten Gegenstand grundsätzlich insoweit abschlieûend; ihre Über- oder Unterschreitung ist daher in aller Regel nicht mehr zum Gegenstand des Patentanspruchs zu rechnen (v. Falck, Festschrift zum 100jährigen Bestehen der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, S. 543, 577).
Andererseits schlieût dies nicht aus, daû der Fachmann eine gewisse, beispielsweise übliche Toleranzen umfassende, Unschärfe als mit dem technischen Sinngehalt einer Zahlenangabe vereinbar ansieht. So hat das House of Lords in der Catnic-Entscheidung (R.P.C. 1982, 163; deutsch GRUR Int. 1982, 136), die allerdings die Rechtslage im Vereinigten Königreich vor der europäischen Harmonisierung betraf, bei einem auf einen rechten Winkel gerichteten Anspruchsmerkmal Abweichungen von 6° bzw. 8° vom rechten Winkel als mit
der Annahme einer Benutzung der geschützten Lehre vereinbar angesehen. In einem solchen Fall kann es grundsätzlich nicht darauf ankommen, ob im Anspruch von einem rechten Winkel oder von 90° die Rede ist. Maûgeblich ist vielmehr der unter Heranziehung von Beschreibung und Zeichnungen zu ermittelnde Sinngehalt des Patentanspruchs. In einem anderem Zusammenhang kann der gleiche Winkel sich daher dem Fachmann auch als exakt einzuhaltende Gröûe darstellen. Dies gilt grundsätzlich auch für Zahlenbereiche mit Grenzwerten (vgl. Sen., BGHZ 118, 210, 218 f. - Chrom-Nickel-Legierung; vgl. auch White, The C.I.P.A. Guide to the Patents Act, 5. Aufl., Part III, Section 125 Rdn. 22 mit Hinweis auf die soweit ersichtlich - insoweit - unveröffentlichten Entscheidungen Lubrizol v. Esso und Goldschmidt v. EOC Belgium). Ein Verständnis , daû ein Wert genau einzuhalten ist, wird vor allem dann der Vorstellung des Fachmanns entsprechen, wenn er erkennt, daû es sich um einen "kritischen" Wert handelt. Wie eine bestimmte Zahlen- oder Maûangabe im Patentanspruch demnach zu verstehen ist, ist eine Frage des der tatrichterlichen Beurteilung unterliegenden fachmännischen Verständnisses im Einzelfall.

d) Wie für die Erfassung des technischen Sinngehalts des Patentanspruchs gilt auch für die Bestimmung eines über diesen hinausreichenden Schutzbereichs, daû im Anspruch enthaltene Zahlen- oder Maûangaben mit den angegebenen Werten den geschützten Gegenstand begrenzen. Im Rahmen der Schutzbereichsbestimmung darf vom Sinngehalt der Zahlen- und Maûangaben nicht abstrahiert werden. Bei der Prüfung der Frage, ob der Fachmann eine Ausführungsform mit einem vom Anspruch abweichenden Zahlenwert aufgrund von Überlegungen, die sich am Sinngehalt der im Anspruch umschriebenen Erfindung orientieren, als gleichwirkende Lösung auffinden kann, muû vielmehr die sich aus der Zahlenangabe ergebende Eingren-
zung des objektiven, erfindungsgemäû zu erreichenden Erfolgs berücksichtigt werden. Als im Sinne des Patentanspruchs gleichwirkend kann nur eine Ausführungsform angesehen werden, die der Fachmann als eine solche auffinden kann, die nicht nur überhaupt die Wirkung eines - im Anspruch zahlenmäûig eingegrenzten - Merkmals der Erfindung erzielt, sondern auch gerade diejenige , die nach seinem Verständnis anspruchsgemäû der zahlenmäûigen Eingrenzung dieses Merkmals zukommen soll. Fehlt es daran, ist auch eine objektiv und für den Fachmann erkennbar technisch ansonsten gleichwirkende Ausführungsform vom Schutzbereich des Patents grundsätzlich nicht umfaût.
Damit im Kern übereinstimmend hat auch die Rechtsprechung im Vereinigten Königreich zur Feststellung einer Verletzung geprüft, ob die fachkundige Öffentlichkeit erwarten und sich darauf einstellen darf, daû es nach dem Patent auf die genaue Einhaltung des Wortlauts des Patentanspruchs ankommen soll (vgl. die sog. dritte Catnic-Frage; für das harmonisierte Recht u.a. Patents Court, F.S.R. 1989, 181 = GRUR Int. 1993, 245 - Improver Corporation v. Remington Consumer Products Ltd. ("Epilady"-Fall); Court of Appeal R.P.C. 1995, 585 = GRUR Int. 1997, 374 - Kastner v. Rizla Ltd.). Bezogen auf ein einzelnes Merkmal des Patentanspruchs geht es darum, ob das betreffende Merkmal dem Fachmann als ein solches erscheint, das ausschlieûlich wortsinngemäû benutzt werden kann, wenn die beanspruchte Lehre zum technischen Handeln eingehalten werden soll (vgl. Court of Appeal R.P.C. 1995, 585 = GRUR Int. 1997, 374 - Kastner v. Rizla Ltd.). Ein solches Verständnis kann insbesondere bei Zahlen- und Maûangaben in Betracht zu ziehen sein (vgl. Patents Court, R.P.C. 1997, 649 - Auchincloss v. Agricultural & Veterinary Supplies Ltd.).
Wie bei anderen Elementen des Patentanspruchs auch darf deshalb die anspruchsgemäûe Wirkung nicht unter Auûerachtlassung von im Anspruch enthaltenen Zahlen- und Maûangaben bestimmt werden. Es reicht daher für die Einbeziehung abweichender Ausführungsformen in den Schutzbereich grundsätzlich nicht aus, daû nach der Erkenntnis des Fachmanns die erfindungsgemäûe Wirkung im übrigen unabhängig von der Einhaltung des Zahlenwertes eintritt. Erschlieût sich dem Fachmann kein abweichender Zahlenwert als im Sinne des anspruchsgemäûen Wertes gleichwirkend, erstreckt sich der Schutzbereich insoweit nicht über den Sinngehalt des Patentanspruchs hinaus. Die anspruchsgemäûe Wirkung des zahlenmäûig bestimmten Merkmals wird in diesem Fall nach dem Verständnis des Fachmanns durch die (genaue ) Einhaltung eines Zahlenwertes bestimmt und kann daher notwendigerweise durch einen abweichenden Zahlenwert nicht erzielt werden. In einem solchen Fall genügt es nicht, daû der Fachmann auch eine von der Zahlenangabe abstrahierende Lehre als technisch sinnvoll erkennt.
Der Anmelder wird nicht immer den vollen technischen Gehalt der Erfindung erkennen und ausschöpfen; er ist auch - unbeschadet der Frage, ob ihm das rechtlich möglich ist - von Rechts wegen nicht gehalten, dies zu tun. Beschränkt sich das Patent bei objektiver Betrachtung auf eine engere Anspruchsfassung , als dies vom technischen Gehalt der Erfindung und gegenüber dem Stand der Technik geboten wäre, darf die Fachwelt darauf vertrauen, daû der Schutz entsprechend beschränkt ist. Dem Patentinhaber ist es dann verwehrt, nachträglich Schutz für etwas zu beanspruchen, was er nicht unter Schutz hat stellen lassen. Das gilt selbst dann, wenn der Fachmann erkennt, daû die erfindungsgemäûe Wirkung als solche (in dem vorstehend ausgeführ-
ten engeren Sinn) über den im Patentanspruch unter Schutz gestellten Bereich hinaus erreicht werden könnte.
4. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze läût die Bestimmung des Schutzbereichs des Klagepatents durch das Berufungsgericht keinen Rechtsfehler erkennen.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die angegriffenen Schneidmesser erzielten mindestens im wesentlichen die gleiche Wirkung wie Vorrichtungen, bei denen der Winkel zwischen den Längsachsen der Klingen und dem jeweiligen Radius des Grundkörpers zwischen 9° und 12° liege. Die im Klagepatent unter Schutz gestellte geringfügige Abwinklung der Klingen zum jeweiligen Radius führe im Vergleich mit dem Stand der Technik zu einer anderen Schneidgeometrie. Sie bewirke, wie das Bundespatentgericht in seinem Beschluû vom 15. Februar 1996 überzeugend ausgeführt habe, im Zusammenwirken mit der Grundform der Klingen, daû bei einem entsprechend dem Klagepatent ausgestalteten Schneidmesser stets das radial innere Ende der Schneidkante zuerst in das Papier eintauche. Das flache Eintauchen der Schneidkanten in das Schneidgut gewährleiste einen "sanften Einschnitt", wobei gleichzeitig die gegenüber einem Rundmesser bessere Schneidwirkung einer zahnförmigen Schneidfläche erhalten bleibe. Diese Wirkungen träten, wie auch die Beklagte nicht in Abrede stelle, bei der Wahl eines geringfügig spitzeren Winkels (8° 40© statt 9°) in gleicher Weise ein.
Der Fachmann, dem die Wirkungsweise eines gemäû dem Hauptanspruch des Patents ausgestalteten Schneidmesser auch ohne nähere Darstellung in der Beschreibung aufgrund seines Fachwissens klar sei, könne auf-
grund von Überlegungen, die sich an der im Anspruch 1 umschriebenen Erfindung orientierten, ohne weiteres erkennen, daû die Wahl eines geringfügig spitzeren Winkels die erzielten Ergebnisse nicht wesentlich ändere. Allerdings werde der Fachmann dann, wenn in einem Patentanspruch ein bestimmter Bereich vorgegeben sei und sich der Patentschrift kein Anhaltspunkt dafür entnehmen lasse, daû die beanspruchten Werte nur beispielhaft gemeint sein könnten, in der Regel keinen Anlaû haben, sich darüber Gedanken zu machen, ob die Erfindung auch bei der Wahl anderer Werte ausführbar sein könnte. Etwas anderes müsse aber für solche Werte gelten, die nur in so geringem Maû auûerhalb des im Patent genannten Bereichs lägen, daû eine ins Gewicht fallende Änderung der Wirkung von vornherein ausgeschlossen erscheine. So liege es im Streitfall, da der Winkel von 8° 40© um weniger als 4 % von dem im Patent genannten unteren Wert abweiche. Dem angesprochenen Fachmann - einem mit einschlägigen Schneidanordnungen vertrauten Maschinenbauingenieur - sei zudem bekannt, daû eine Abweichung von ± 20© sich im Rahmen der von der einschlägigen DIN-Norm vorgegebenen Allgemeintoleranz für Winkelmaûe halte.
Dem Inhalt der Patentschrift und dem dort mitgeteilten Stand der Technik könne nicht entnommen werden, daû die Vermeidung einer noch so geringfügigen Überschreitung des im Merkmal 4 c) der Merkmalsgliederung genannten Bereichs für die unter Schutz gestellte Lehre wesentlich und bestimmend sei. Bei der in der Patentschrift gewürdigten DE-OS 35 36 989 seien die Längsachsen der Klingen parallel zum jeweiligen Radius angeordnet, ihre Schneidkanten seien schräg zu den Längsachsen in der Weise orientiert, daû stets das radial äuûere Ende zuerst in das Papier eintauche. Aber auch der übrige, im Einspruchsverfahren herangezogene und auf dem Deckblatt der
Klagepatentschrift genannte Stand der Technik gebe keine Veranlassung zu einer einschränkenden und eine äquivalente Verletzung ausschlieûenden Auslegung des Patents.
Damit hat das Berufungsgericht alle maûgeblichen Gesichtspunkte berücksichtigt und in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt , daû der Fachmann den unteren Wert des Winkelbereichs von 9° bis 12° im Prioritätszeitpunkt nicht als starren Grenzwert ansah und eine Ausführungsform , bei der das Winkelmaû von 9° geringfügig unterschritten wird, als gleichwirkend auffinden konnte. Aus den Ausführungen des Berufungsgerichts zur Wirkung der im Klagepatent unter Schutz gestellten geringfügigen Abwinklung der Klingen zum jeweiligen Radius, die im Vergleich mit dem Stand der Technik zu einer anderen Schneidgeometrie führe, ergibt sich, daû der für den Fachmann erkennbare technische Sinngehalt des durch die Bereichsangabe 9 bis 12° näher definierten spitzen Winkels zum jeweiligen Radius des Grundkörpers in dieser durch den Winkel bestimmten und im Anspruch durch die Winkelangabe ausgedrückten Schneidgeometrie zu finden ist. Dann konnte das Berufungsgericht aber auch ohne Rechtsfehler zu der Feststellung gelangen , daû der Fachmann den objektiv unstreitig gleichwirkenden geringfügig kleineren Winkel der angegriffenen Ausführungsform aufgrund von Überlegungen als gleichwirkend auffinden konnte, die sich derart am Sinngehalt des Patentanspruchs einschlieûlich der in Merkmal 4 c) enthaltenen Winkelangabe orientierten, daû er die angegriffene Ausführungsform als der gegenständlichen gleichwertige Lösung des dem Klagepatent zugrundeliegenden Problems in Betracht zog.
5. Die Rüge der Revision, mit der Berufung auf die Allgemeintoleranz setze sich das Berufungsgericht in Widerspruch zu seiner Unterstellung, nach dem Verständnis des Fachmanns seien bei der Angabe des Bereichs 9° bis 12° Herstellungstoleranzen bereits berücksichtigt, ist nicht begründet. Das Berufungsgericht hat mit dieser Unterstellung ersichtlich nur sagen wollen, der technische Sinngehalt (Wortsinn) des Winkelbereichs 9° bis 12° dürfe nach dem Verständnis des Fachmanns nicht noch um einen Toleranzbereich auf 8° 40© bis 12° 20© erweitert werden. Das schloû es nicht aus, bei der Prüfung der Frage, ob die angegriffene Ausführungsform vom Fachmann als gleichwirkend aufgefunden werden konnte, das geringe, sich im Rahmen der üblichen Toleranz haltende Maû der Abweichung vom Wortlaut des Anspruchs zu berücksichtigen.
6. Keinen Erfolg hat auch die weitere Rüge, das Klagepatent sei im Einspruchsbeschwerdeverfahren durch Aufnahme des Winkelbereichs 9° bis 12° eingeschränkt worden, was es ausschlieûe, den Schutzbereich über diese Grenzen hinaus wieder auszudehnen.
Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt, die Beschränkung nehme dem Klagepatent nicht den Schutzbereich, den es gehabt hätte, wenn es schon in der nunmehr geltenden Fassung angemeldet (und erteilt) worden wäre. Das ist richtig, und dabei hat das Berufungsgericht auch nicht, wie die Revision meint, übersehen, daû das Klagepatent "doppelt" beschränkt worden ist, nämlich zunächst durch die Aufnahme des Merkmals des spitzen Winkels aus dem erteilten Anspruch 6 und sodann durch den konkreten Winkelbereich aus dem erteilten Anspruch 7. Denn das schlieût es zwar aus, jeden spitzen Winkel als äquivalent anzusehen, verbietet jedoch nicht die Annahme, der Fachmann er-
kenne eine geringfügige Unterschreitung des 9°-Winkels als für die erfindungsgemäûe Wirkung unschädlich.
III. Ebenfalls keinen Rechtsfehler erkennen lassen die Ausführungen des Berufungsgerichts zu den Rechtsfolgen, die es aus der festgestellten Patentverletzung abgeleitet hat; die Revision erhebt insoweit auch keine Rügen. Sie ist daher insgesamt mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Asendorf

Das Patent hat die Wirkung, dass allein der Patentinhaber befugt ist, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu benutzen. Jedem Dritten ist es verboten, ohne seine Zustimmung

1.
ein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen;
2.
ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, anzuwenden oder, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, daß die Anwendung des Verfahrens ohne Zustimmung des Patentinhabers verboten ist, zur Anwendung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten;
3.
das durch ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, unmittelbar hergestellte Erzeugnis anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Das Patent hat die Wirkung, dass allein der Patentinhaber befugt ist, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu benutzen. Jedem Dritten ist es verboten, ohne seine Zustimmung

1.
ein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen;
2.
ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, anzuwenden oder, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, daß die Anwendung des Verfahrens ohne Zustimmung des Patentinhabers verboten ist, zur Anwendung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten;
3.
das durch ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, unmittelbar hergestellte Erzeugnis anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 126/01 Verkündet am:
30. März 2005
Groß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Blasfolienherstellung
Streiten die Parteien darüber, ob und mit welchen Mitteln oder mit welcher räumlichkörperlichen
Ausgestaltung die im Patentverletzungsprozeß angegriffene Ausführungsform
Merkmale des Patentanspruchs verwirklicht, so hat das Gericht darauf
hinzuwirken, daß die Mittel, aus denen sich nach dem Klagevorbringen die Benutzung
des Patentanspruchs ergeben soll, im Klageantrag so konkret bezeichnet werden
, daß eine dem Klageantrag entsprechende Urteilsformel die Grundlage für die
Zwangsvollstreckung bilden kann. Die Wiedergabe des Wortlauts des Patentanspruchs
reicht insoweit auch dann nicht aus, wenn der Kläger eine wortsinngemäße
Verletzung geltend macht.
BGH, Urt. v. 30. März 2005 - X ZR 126/01 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 30. März 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den
Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Prof. Dr. MeierBeck
und Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:
Auf die Revision und die Anschlußrevision wird das am 10. Mai 2001 verkündete Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision und der Anschlußrevision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Verletzung der Rechte aus dem deutschen Anteil des europäischen Patents 0 478 641 (Klagepatents I)
und aus dem parallelen deutschen Patent 40 01 287 (Klagepatent II) auf Auskunft , Rechnungslegung sowie Feststellung der Entschädigungs- und Schadensersatzpflicht in Anspruch. Die Klägerin ist Inhaberin ausschließlicher Lizenzen an beiden Klagepatenten. Der Patentinhaber hat der Klägerin alle Ansprüche wegen Verletzung seines deutschen Anteils an dem Klagepatent I und wegen Verletzung des Klagepatents II abgetreten.
Das Klagepatent I ist am 19. Juni 1990 angemeldet worden unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Patentanmeldung 39 20 194 vom 21. Juni 1989 und der Anmeldung des Klagepatents II vom 18. Januar 1990. Am 25. August 1993 wurde die Erteilung des Klagepatents I und am 21. Mai 1992 wurde die Erteilung des Klagepatents II veröffentlicht.
Patentansprüche 8, 9 und 12 des Klagepatents I lauten in der Verfahrenssprache Deutsch:
8. Verfahren zur Herstellung von Blasfolien in einer Folienblasanlage mit einem die Folienblase (110) umgebenden, einen ringförmigen Austrittsspalt (118) für Kühlluft aufweisenden Kühlring (116), bei dem zur Korrektur des Dickenprofils der Folienblase der Kühlluft-Durchsatz in den einzelnen Umfangsbereichen des Kühlrings (116) gesteuert wird, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß ma n zur gesteuerten Verringerung der Kühlluftströmung an der Folienblase (110) an in Umfangsrichtung des Kühlrings verteilten Positionen jeweils einen Teil (B) der Kühlluft abzweigt, indem man die Luft mittels einstellbarer Leitkörper oder Leitschaufeln
(128; 144; 156; 228) umlenkt, und daß man den GesamtStrömungswiderstand für die abgezweigte Kühlluft in dem betreffenden Umfangssegment unabhängig von der Position der Leitschaufeln konstant hält.
9. Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 8, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß de r Kühlring (116) radial außerhalb des Austrittsspaltes (118) einen Kranz von Austrittsöffnungen (126) aufweist und daß einstellbare Leitkörper oder Leitschaufeln (128; 144; 228) derart in der Kühlluftströmung (A) im Inneren des Kühlrings (116) angeordnet sind, daß sie einen Teil (B) des Kühlluftstromes an die Austrittsöffnungen (126) umlenken und bei ihrer Verstellung die Durchschnittsquerschnitte zu den Austrittsöffnungen und zum Austrittsspalt so verändern, daß der GesamtStrömungswiderstand im wesentlichen gleich bleibt.
12. Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 8, g e k e n n z e i c h n e t d u r c h in der Kühlluf tströmung oder stromabwärts des Austrittsspaltes (118) angeordnete Leitschaufeln (156), deren Radialposition und/oder Anstellwinkel steuerbar ist.
Figur 5 zeigt einen radialen Teilschnitt durch einen Kühlring einer Folienblasanlage nach dem Klagepatent I.

Bei diesem Ausführungsbeispiel kann die Öffnung (126) über den Leitkörper (die Leitschaufel) (128) verkleinert bzw. verschlossen werden. Damit wird der zur Kühlung über die Öffnung (118) zur Verfügung stehende Luftstrom beeinflußt.
Patentanspruch 10 des Klagepatents II lautet:
10. Vorrichtung zur Korrektur des Dickenprofils bei der Herstellung von Blasfolien in einer Folienblasanlage mit einem die Folienblase (10) umgebenden, einen ringförmigen Austrittsspalt für Kühlluft aufweisenden Kühlring (16) und mit am Umfang der Folienblase stromabwärts des Austrittsspaltes des Kühlrings angeordneten, einzeln steuerbaren Stellorganen (56) zur Beeinflussung der Kühlluftströmung, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß di e Stellorgane als Leitschaufeln (56) ausgebildet sind, die so in der Kühlluftströmung angeordnet sind, daß sie abhängig von ihrer Radialposition und/oder ihres Anstellwinkels einen mehr oder weniger großen Teil der Kühlluftströmung zu der von der Folienblase (10) abgewandten Seite ablenken, und deren Radialposition und/oder Anstellwinkel steuerbar ist.
Die Beklagte zu 1, deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2 ist, bietet an und vertreibt unter der Bezeichnung "S. L. " bzw. "S. L. M" Vorrichtungen zur Korrektur des Dickenprofils bei der Herstellung von Blasfolien in einer Blasfolienanlage. Diese sind wie folgt ausgestaltet:

Bei diesen Vorrichtungen strömt die Kühlluft, wie aus der vorstehenden Abbildung ersichtlich, durch die Kammer (120) in den Bereich des Austrittsspalts (118). Dort ist eine Lippe (128/156) angeordnet, die verschwenkt werden kann. Bei einer Stellung dieser Lippe wird Kühlluft in der Weise abgezweigt, daß sie zur Austrittsöffnung (126) gelangt und dann nicht oder in geringerem Maße als bei vollständigem Schließen des Schlauchs zur Öffnung (126) als Kühlluft auf die Folie auftrifft.
In erster Instanz hat die Klägerin ihre auf Unterlassung, Rechnungslegung und Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz und Entschädigung gerichtete Klage darauf gestützt, daß die Beklagten den Verfahrensanspruch 8 des Klagepatents I durch Anbieten des geschützten Verfahrens verwirklichten und den Vorrichtungsanspruch 12 des Klagepatents I durch die von ihnen angebotenen und in den Verkehr gebrachten Vorrichtungen.
Das Landgericht hat die Beklagten wegen Verletzung des Patentanspruchs 12 des Klagepatents I verurteilt; die auf Verletzung des Patentanspruchs 8 gestützte Klage hat das Landgericht abgewiesen.
Die Beklagten haben gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. Im Wege der Anschlußberufung hat die Klägerin die Beklagten weiterhin wegen Verletzung des Patentanspruchs 12 des Klagepatents I und zusätzlich wegen mittelbarer Patentverletzung des Verfahrensanspruchs 8 des Klagepatents I, wegen Verletzung des Patentanspruchs 9 des Klagepatents I sowie wegen Verletzung des Patentanspruchs 1 und des Patentanspruchs 10 des Klagepatents II in Anspruch genommen, wobei die Parteien die auf das Klagepatent II gestützten Unterlassungsansprüche in der Berufungsinstanz für erledigt erklärt haben.
Das Berufungsgericht hat unter Zurückweisung der weitergehenden Anschlußberufung der Klägerin die Beklagten wegen mittelbarer Patentverletzung des Verfahrensanspruchs 8 des Klagepatents I sowie wegen Verletzung des Patentanspruchs 9 des Klagepatents I und des Patentanspruchs 1 des Klagepatents II verurteilt. Soweit die Klage auch auf die Verletzung von Patentanspruch 12 des Klagepatents I gestützt worden war, hat das Berufungsgericht sie abgewiesen.
Mit der Revision wollen die Beklagten die Aufhebung des Berufungsurteils erreichen, soweit sie wegen Verletzung des Klagepatents I zu Unterlassung und Rechnungslegung verurteilt worden sind und ihre Verpflichtung zur Zahlung von Schadensersatz und Entschädigung festgestellt worden ist. Sie streben insoweit die Abweisung der Klage an.
Die Klägerin tritt der Revision entgegen. Mit ihrer Anschlußrevision verfolgt sie gestützt auf Patentanspruch 12 des Klagepatents I ihre Ansprüche auf Unterlassung und Rechnungslegung weiter und strebt die Feststellung an, daß die Beklagten auch insoweit zu Schadensersatz und Entschädigung verpflichtet sind. Weiterhin macht sie gestützt auf Patentanspruch 10 des Klagepatents II ebenfalls Ansprüche auf Rechnungslegung, Schadensersatz und Entschädigung geltend.
Die Beklagten treten der Anschlußrevision entgegen.

Entscheidungsgründe:


Revision und Anschlußrevision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision und der Anschlußrevision. Das Berufungsgericht hat nicht rechtsfehlerfrei festgestellt, daß die Beklagten das Klagepatent I verletzen. Dies führt dazu, daß auch die mit der Anschlußrevision angegriffenen Feststellungen im Ergebnis keinen Bestand haben.
1. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagten verletzten mit den angegriffenen Vorrichtungen mittelbar den Verfahrensanspruch 8 des Klagepatents I. Die konkreten Mittel der angegriffenen Ausführungsform hat das Berufungsgericht im Tenor seines Urteils nicht bezeichnet. Damit umfaßt der Tenor zur mittelbaren Patentverletzung Vorrichtungen zur Ausführung des Ver-
fahrens nach Anspruch 8, für den das Klagepatent I mit den Unteransprüchen 9 und 12 zwei verschiedene, auf Anspruch 8 rückbezogene Vorrichtungen schützt. Das Berufungsgericht hält jedoch Anspruch 9 für wortsinngemäß verwirklicht , nicht aber Anspruch 12. Das Berufungsgericht hat weiter angenommen , die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichten die technischen Lehren des Patentanspruchs 9 des Klagepatents I und des Patentanspruchs 1 des Klagepatents II.
Die Revision rügt, es fehle, soweit eine Verurteilung erfolgt sei, dem Klageantrag und dem diesem entsprechenden Urteilstenor an der erforderlichen Bestimmtheit, weil der Verletzungsgegenstand lediglich mit den Verfahrensmerkmalen von Patentanspruch 8 umschrieben werde. Klageantrag und Urteilstenor seien nicht der angegriffenen konkreten Ausführungsform angepaßt, so daß die Frage der Patentverletzung in das Vollstreckungsverfahren verschoben werde. Der Urteilstenor umfasse in seiner Allgemeinheit auch Ausführungsformen nach Anspruch 12, die nach der Entscheidung des Berufungsgerichts die Klagepatente nicht verletzten, und weitere Ausführungsformen, die nicht in den Schutzbereich der Klagepatente fielen.
Entgegen der Auffassung der Revision ist die Klage nicht unzulässig. Dem Klageantrag, der die Patentansprüche des Klagepatents wiedergibt und darauf gerichtet ist, Verletzungen des so angegebenen Gegenstands des Klagepatents zu unterlassen und, soweit sie eingetreten sind, Schadensersatz oder Entschädigung zu leisten, mangelt es nicht an Bestimmtheit. Das Klagebegehren ergibt sich daraus hinreichend deutlich. Gegenstand des Verletzungsprozesses ist jedoch die Frage, ob die angegriffene Ausführungsform in ihrer konkreten Ausgestaltung von der technischen Lehre des Klagepatents
Gebrauch macht. Ein Klageantrag, der der konkreten Ausführungsform nicht Rechnung trägt, geht daher allenfalls inhaltlich insofern zu weit, als er nicht nur die konkrete Verletzungsform erfaßt. Die Klage bleibt indes auch mit einem solchen zu weitgehenden Antrag zulässig. Das Gericht hat jedoch nach § 139 Abs. 1 ZPO auf eine sachgerechte Fassung des Klageantrags, die die konkrete Verletzungsform umschreibt, hinzuwirken (Sen. BGHZ 98, 12, 23 - Formstein).
2. Die Lehre des Klagepatents I betrifft mit den Patentansprüchen 8, 9 und 12, über deren Verletzung die Parteien streiten, Verfahren und Vorrichtungen zur Blasfolienherstellung. Bei der Blasfolienherstellung wird eine schlauchförmige Folienblase aus einem Extrusionswerkzeug mit einem ringförmigen Austrittsspalt extrudiert. In der sich anschließenden Kühlzone wird die Folienblase verstreckt und durch Anblasen mit Kühlluft von innen und/oder außen gekühlt, bis das Folienmaterial erstarrt. Die Klagepatentschrift I schildert eingangs herkömmliche Verfahren zur Blasfolienherstellung und beanstandet daran , daß es zu relativ großen Dickeabweichungen der Folien komme, die bis zu 20 % betragen könnten. Die bekannten Vorrichtungen und Werkzeuge, mit denen die Foliendicke dadurch gesteuert werde, daß die Flußgeschwindigkeit der Schmelze innerhalb des Werkzeugs durch gezielte Heizung oder Kühlung des Werkzeugs in bestimmten Umfangsbereichen verändert werde, seien sehr aufwendig. Außerdem sei das Regelsystem zur Korrektur der Foliendicke relativ träge, da bei der Heizung und Kühlung der Werkzeugbereiche große Verzögerungszeiten aufträten.
Ziel der Erfindung nach dem Klagepatent I ist es, Verfahren und Vorrichtung zur Verfügung zu stellen, die es ermöglichen, die Kühlluftströmung derart zu steuern, daß eine unabhängige feinfühlige und schnelle Änderung der Kühl-
wirkung in den einzelnen Umfangsbereichen der Folienblase ermöglicht wird und extreme örtliche Schwankungen der Kühlwirkung vermieden werden (Klagepatentschrift I S. 2 Z. 56-58).
Das Berufungsgericht hat die folgenden Merkmalsgliederungen der Patentansprüche 8, 9 und 12 zugrunde gelegt:
Patentanspruch 8:
Verfahren zur Herstellung von Blasfolien in einer Folienblasanlage
1. mit einem die Folienblase (110) umgebenden, einen ringförmigen Austrittsspalt (118) für Kühlluft aufweisenden Kühlring (116),
2. bei dem zur Korrektur des Dickenprofils der Folienblase der Kühlluft-Durchsatz in den einzelnen Umfangsbereichen des Kühlrings (116) gesteuert wird,
3. bei dem man zur gesteuerten Verringerung der Kühlluftströmung an der Folienblase (110) an in Umfangsrichtung des Kühlrings verteilten Positionen jeweils einen Teil (B) der Kühlluft abzweigt, indem man die Luft mittels einstellbarer Leitkörper oder Leitschaufeln (128; 144; 156; 228) umlenkt und
4. bei dem man den Gesamt-Strömungswiderstand für die abgezweigte und die nicht abgezweigte Kühlluft in dem betreffenden
Umfangssegment unabhängig von der Position der Leitschaufeln konstant hält.
Patentanspruch 9:
1. Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 8,
2. bei der der Kühlring (116) radial außerhalb des Austrittsspaltes (118) einen Kranz von Austrittsöffnungen (126) aufweist und
3. bei der einstellbare Leitkörper oder Leitschaufeln (128; 144; 228) derart in der Kühlluftströmung (A) im Inneren des Kühlrings (116) angeordnet sind,
4. daß sie einen Teil (B) des Kühlluftstromes an die Austrittsöffnungen (126) umlenken und
5. bei ihrer Verstellung die Durchschnittsquerschnitte zu den Austrittsöffnungen und zum Austrittsspalt so verändern, daß der Gesamt-Strömungswiderstand im wesentlichen gleich bleibt.
Patentanspruch 12:
1. Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 8,
2. bei der Leitschaufeln (156) in der Kühlluftströmung an oder stromabwärts des Austrittsspaltes (118) angeordnet sind und
3. bei der die Radialposition und/oder der Anstellwinkel der Leitschaufeln (156) steuerbar ist.
Das Berufungsgericht hat der Klagepatentschrift I Seite 3 Zeilen 2/3 entnommen , daß es Grundgedanke der Erfindung ist, wenigstens einen in einzelne Umfangssegmente unterteilten Kühlring vorzusehen. Nach dem Verständnis des Durchschnittsfachmanns sei mit diesem Grundgedanken der Erfindung die Funktion angesprochen, die Kühlströmungen in den einzelnen Umfangsbereichen oder -segmenten unabhängig voneinander zu steuern oder zu regeln. Die Kühlluftdurchsätze in den einzelnen Segmenten sollten sich danach nicht gegenseitig beeinflussen, und über den Umfang des Kühlrings sollten keine sprunghafte Änderungen der Kühlwirkung auftreten. Zu Merkmal 4 des Patentanspruchs 8 und Merkmal 5 des Patentanspruchs 9 hat das Berufungsgericht ausgeführt, es solle danach der Gesamtströmungswiderstand für die abgezweigte und die nicht abgezweigte Kühlluft "konstant gehalten" werden bzw. im wesentlichen gleich bleiben; dies bedeute, daß bei bestimmungsgemäßem Gebrauch der Gesamtströmungswiderstand für die abgezweigte und die nicht abgezweigte Kühlluft unabhängig von der Position der Leitschaufeln konstant gehalten werden solle. Dem Durchschnittsfachmann sei dabei klar, daß jegliche Bewegung der Leitkörper oder Leitschaufeln in dem Kühlluftstrom zwangsläufig zu einer gewissen Veränderung des Strömungswiderstandes führen müsse.
Da bei der angegriffenen Ausführungsform die Lippe 128/156 im Sinne von Patentanspruch 9 des Klagepatents I im Inneren des Kühlrings angeordnet sei, den Luftstrom aber lediglich teile und nicht den Gesamtquerschnitt des
Luftzuführkanals verändere, bleibe der Gesamtströmungswiderstand im wesentlichen konstant.
Die Revision nimmt die Auslegung der Merkmale 4 des Patentanspruchs 8 und 5 des Patentanspruchs 9 durch das Berufungsgericht hin, meint aber, fehlerhaft sei die Annahme des Berufungsgerichts, auch bei den Kühlringen der Beklagten werde der Gesamtströmungswiderstand bei Verstellen der Leitkörper noch im wesentlichen konstant gehalten. Das Berufungsgericht habe zunächst nicht geklärt, bis zu welchen Abweichungen und Schwankungen der Druckverhältnisse bei Verstellung der Leitschaufeln der Gesamtströmungswiderstand noch als im wesentlichen konstant oder gleichbleibend anzusehen sei. Die Beklagten hätten unter Beweis gestellt, daß die Länge des Abluftkanals in Verbindung mit dem relativ geringen Durchmesser bei der angegriffenen Ausführungsform gerade zu einer Erhöhung des Gesamtströmungswiderstands führe. Dies hätten auch die von den Beklagten durchgeführten Messungen bestätigt. Sie hätten ergeben, daß der Gesamtströmungswiderstand nicht im wesentlichen konstant geblieben sei; je mehr Luft über den Abluftkanal abgeführt werde, um so höher sei der Gesamtströmungswiderstand in dem betrachteten Segment.
Die Angriffe der Revision sind begründet. Angesichts des rechtsfehlerfreien Verständnisses des Merkmals 4 bedurfte es zwar nicht, wie die Revision meint, zusätzlich einer ausdrücklichen Klärung, bis zu welchen Abweichungen und Schwankungen der Druckverhältnisse bei Verstellen der Leitschaufeln der Gesamtströmungswiderstand noch als im wesentlichen konstant anzusehen ist. Erforderlich war aber die Feststellung, daß auch bei den angegriffenen Ausführungsformen der Gesamtströmungswiderstand im vorbezeichneten Sinne im
wesentlichen gleich gehalten wird, so daß die aufgezeigten Nachteile vermieden werden. Dem genügen die Feststellungen des Berufungsgerichts nicht. Das Berufungsgericht ist im Ansatz davon ausgegangen, daß die Lehre des Patentanspruchs 9 des Klagepatents I eine Vorrichtung zuläßt, bei der die Leitkörper oder Leitschaufeln im Inneren des Kühlrings angeordnet sind. Soweit sich allein dadurch der Gesamtströmungswiderstand erhöhe, genüge dies dem, was das Klagepatent unter dem im wesentlichen Konstanthalten verstehe. Das Berufungsgericht geht sodann aber davon aus, daß jegliche Bewegung der Leitkörper oder Leitschaufeln in dem Kühlluftstrom zwangsläufig zu einer gewissen Erhöhung des Strömungswiderstands führt. Es fährt fort, angesichts des Umstands, daß das Verhältnis des Durchmessers des Abluftkanals zu seiner Länge etwa 1:10 betrage, komme es entgegen dem Vorbringen der Beklagten auch dann nicht zu einer nennenswerten Erhöhung des Strömungswiderstands und zu nennenswerten Druckerhöhungen in den benachbarten Umfangssegmenten , wenn sich die Lippe 128/156 in einer Stellung befinde, bei welcher ein überwiegender Anteil der Strömung abgeführt und nur ein geringerer Anteil durch den Austrittsspalt geführt werde. Wie es zu dieser Folgerung gelangt ist, hat das Berufungsgericht nicht näher dargelegt. Seine Ausführungen lassen nicht erkennen, daß es insofern selbst über besondere Sachkunde verfügt. Das wäre indessen erforderlich gewesen. Nach der Rechtsprechung des Senats kann zwar ein in Patentsachen erfahrenes Gericht technische Fragen gegebenenfalls auch ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen beurteilen, soweit es den erforderlichen Sachverstand besitzt; dieser muß jedoch, soweit er sich - wie hier - nicht schon aus der Sache selbst ergibt, dargelegt werden. Der Revision ist deshalb darin zuzustimmen, daß das Berufungsgericht insbesondere angesichts der von den Beklagten durchgeführten Messungen, die anderes ergeben hatten, nicht ohne Darlegung eigener Sachkunde diesen unter Beweis
gestellten Vortrag abtun konnte. Daß es diese besitzt, hat das Berufungsgericht auch nicht durch seine Begründung erkennen lassen.
3. Auch die Anschlußrevision ist begründet. Mit ihr macht die Klägerin geltend, das Berufungsgericht habe zu Unrecht festgestellt, daß sich die Leitschaufeln der angegriffenen Ausführungsform, die Lippen 128/156, im Inneren des Kühlrings befänden und daher Merkmal 2 des Patentanspruchs 12 nicht benutzt werde. Entsprechendes gelte für Patentanspruch 10 des Klagepatents II. Das Berufungsgericht hat dazu festgestellt, da bei der angegriffenen Ausführungsform die Lippe 128/156, die nicht im Sinne des Patentanspruchs 12 des Klagepatents I "an oder stromabwärts des Austrittsspalts", sondern im Sinne des Patentanspruchs 9 des Klagepatents I im Inneren des Kühlrings angeordnet sei, den Luftstrom lediglich teile, den Gesamtquerschnitt des Luftzuführkanals aber nicht verändere, bleibe auch der Gesamtströmungswiderstand im wesentlichen konstant.
Da diese Feststellung des Berufungsgerichts keinen Bestand hat, das Berufungsgericht hierzu vielmehr erneut Feststellungen zu treffen haben wird, wird es sich bei der Beantwortung dieser Frage auch erneut damit befassen müssen, was die zu treffenden Feststellungen für die Anordnung der Leitschaufeln und deren Wirkung zur Folge haben. Eine isolierte Betrachtung nur der Aussage der Klagepatente über die Anordnung der Leitschaufeln ist so lange nicht möglich, wie die Strömungsverhältnisse der abgezweigten und nicht abgezweigten Kühlluft nicht geklärt sind.
4. Das Berufungsgericht wird daher zunächst auf Anträge hinzuwirken haben, die die Verletzungsform bezeichnen. Die bloße Wiedergabe der Pa-
tentansprüche genügt dazu nicht, sie gibt für die Verletzungsform, über die die Parteien streiten, nichts her. Die Parteien streiten, wovon das Berufungsgericht zu Recht ausgegangen ist, über die Frage, welche Bedeutung der Vorgabe zukommt, den Gesamtströmungswiderstand für die abgezweigte und die nicht abgezweigte Kühlluft in dem betreffenden Umfangssegment unabhängig von der Position der Leitschaufeln konstant zu halten, und ob und mit welchen Mitteln dies bei der angegriffenen Ausführung erreicht wird. Die Angabe dieses Merkmals und der Mittel, mit denen dieses bei der Verletzungsform verwirklicht wird, ist daher in den Klageanträgen und im Tenor so konkret zu fassen, daß sie die Grundlage für die Zwangsvollstreckung bilden können (vgl. Sen. BGHZ aaO - Formstein; Sen.Urt. v. 24.09.1991 - X ZR 37/90, GRUR 1992, 40, 41 - Beheizbarer Atemluftschlauch; Busse, PatG, 6. Aufl., § 143 Rdn. 159; MeierBeck , GRUR 1998, 276).
Das Berufungsgericht wird sodann Feststellungen dazu zu treffen haben , ob bei der angegriffenen Ausführungsform der Gesamtströmungswiderstand für die abgezweigte und die nicht abgezweigte Kühlluft in dem betreffenden Umfangssegment unabhängig von der Position der Leitschaufeln konstant gehalten wird. Gegebenenfalls wird es weiter die von der Anschlußrevision aufgeworfenen Fragen zu beantworten haben.
Schließlich wird es im Falle einer danach auszusprechenden Verurteilung die Entscheidung des Senats vom 3. Juni 2004 (X ZR 82/03, GRUR 2004, 845 – Drehzahlermittlung) zu berücksichtigen haben.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Kirchhoff

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 111/09 Verkündet am:
21. Februar 2012
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Rohrreinigungsdüse II
Der Kläger ist durch das Prozessrecht nicht gehindert, Ansprüche wegen Patentverletzung
nicht nur wegen einer bestimmten angegriffenen Ausführungsform geltend zu
machen, sondern auf das Klagepatent umfassende (prozessuale) Ansprüche zu stützen
, die auf weitere Ausführungsformen, die sich unter den Patentanspruch subsumieren
lassen, bezogene Handlungen des Beklagten erfassen sollen. Dass ein solches
umfassendes Klagebegehren zur gerichtlichen Entscheidung gestellt werden
soll, kann regelmäßig nicht schon daraus abgeleitet werden, dass es der Kläger unterlässt
, einen - wie geboten (BGH, Urteil vom 30. März 2005 - X ZR 126/01, BGHZ
162, 365 - Blasfolienherstellung) - auf die von ihm vorgetragene angegriffene Ausführungsform
zugeschnittenen Klageantrag zu formulieren.
BGH, Urteil vom 21. Februar 2012 - X ZR 111/09 - OLG Nürnberg
LG Nürnberg-Fürth
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 21. Februar 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. MeierBeck
, den Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens, den Richter
Dr. Grabinski und die Richterin Schuster

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das am 21. August 2009 verkündete Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin ist Inhaberin einer ausschließlichen Lizenz an dem am
1
11. Mai 1995 angemeldeten deutschen Patent 195 16 780, das eine hydrodynamische Düse für die Reinigung von Rohren und Kanälen betrifft. Patentanspruch 1 lautet: "Hydrodynamische Düse für die Reinigung von Rohren und Kanälen, aus einem Düsengrundkörper mit einem Anschluss für einen Wasserschlauch als Druckwassereintrittsöffnung und auf der Seite der Druckwassereintrittsöffnung auf gleichen oder unterschiedlichen Teilkreisen angeordneten Druckwasseraustrittsöffnungen , die über Kanäle mit der Druckwassereintrittsöffnung verbunden sind, wobei die Druckwasseraustrittsöffnungen und die Kanäle in definiertem Winkel zur Achse des Düsenkörpers geneigt sind, dadurch gekennzeichnet, dass sich an die Druckwassereintrittsöffnung (4) eine Verteilungskammer (7) anschließt, in welche die mit den Druckwasseraustrittsöffnungen (5a, 5b) verbundenen Kanäle (6a und 6b) münden, wobei an dem der Druckwassereintrittsöffnung (4) gegenüberliegenden Grund der Verteilungskammer (7), zentrisch zur Achse des Düsenkörpers (1) ein kegelförmiger Wasserteiler (8) mit einem definierten Kegelwinkel (γ) angeordnet ist, dessen Kegelspitze (8) in Richtung zur Druckwassereintrittsöffnung (4) gerichtet ist, dass sich an den Kegelgrund des Wasserteilers (8) ein definierter, im wesentlichen halbkreisförmiger erster Radius (r1) anschließt, dessen Krümmung der Druckwassereintrittsöffnung (4) entgegengesetzt ist und der den Grund der Verteilungskammer (7) bildet, und dass jeder im Winkel (α1, α2) geneigte Kanal (6a, 6b) so in die Verteilungs- kammer (7) mündet, dass die äußerste Linie des Außendurchmessers des Kanals (6a, 6b) tangential am ersten Radius (r1) anliegt, bzw. in den ersten Radius (r1) übergeht." Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen Patentverletzung durch Her2 stellung und Vertrieb von Kanalreinigungsdüsen auf Unterlassung, Vernichtung sowie Auskunft, Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch. Die Klage hatte in erster Instanz Erfolg.
3
In der Berufungsinstanz hat sich der Beklagte auf ein rechtskräftiges kla4 geabweisendes Versäumnisurteil des Landgerichts Leipzig vom 22. Juni 2004 (5 O 6985/03) berufen. Das seinerzeit zwischen einem anderen Unternehmen als ausschließlich Berechtigtem am Klagepatent und dem Beklagten geführte Verfahren betraf gleichfalls Ansprüche, die auf die Verletzung des Klagepatents sowie auf die Verletzung dreier weiterer Patente durch eine vom Beklagten in Verkehr gebrachte Kanalreinigungsdüse gestützt waren.
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Das Berufungsgericht hat die Klage unter Abänderung des Ersturteils als unzulässig abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Klägerin,
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mit der diese die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils anstrebt.

Entscheidungsgründe:


Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurück7 verweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht. I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Rechtskraft des Ver8 säumnisurteils des Landgerichts Leipzig stehe der Zulässigkeit der Klage entgegen. Die Klägerin sei Einzelrechtsnachfolgerin der Klägerin des Vorprozesses. In objektiver Hinsicht seien die Streitgegenstände beider Verfahren identisch. Zu vergleichen seien die gestellten Klageanträge sowie die Lebenssachverhalte , aus denen die Klägerin die begehrten Rechtsfolgen herleite. Die Klageanträge in beiden Verfahren, die im Wesentlichen den Wortlaut der Patentansprüche wiederholten, seien der Sache nach identisch. Soweit im vorliegenden Rechtsstreit weitere Merkmale der Unteransprüche in den Antrag aufgenommen seien, handele es sich um ein Minus im Vergleich zu dem weiter formulierten Antrag im Vorprozess. Beiden Verfahren liege zumindest hinsichtlich des Kerns der behaupteten Verletzungsform auch derselbe Lebenssachverhalt zugrunde. Die jeweilige Klagepartei habe eine identische Verwirklichung des Patentanspruchs 1, insbesondere ein tangentiales Anliegen der äußeren Linie des Außendurchmessers des Kanals am ersten Radius des Grunds der Verteilungskammer durch übereinstimmende wörtliche und zeichnerische Be-
schreibungen geltend gemacht. Unmaßgeblich sei die nunmehr aufgestellte Behauptung der Klägerin, dass die im Vorprozess angegriffene Ausführungsform im Gegensatz zu den nunmehr angegriffenen Ausführungsformen im Bereich des Übergangs zu den Druckwasseraustrittsöffnungen einen Vorsprung aufweise; denn maßgeblich für die Bestimmung der Reichweite der Rechtskraft des klageabweisenden Versäumnisurteils sei allein der Klageantrag in Verbindung mit dem damaligen Klagevorbringen, bei dem maßgebliches Argument für die Patentverletzung die Behauptung gewesen sei, die Radien schlössen sich tangential an. Soweit die Klägerin eine Patentverletzung durch eine weitere in das Berufungsverfahren eingeführte Düse (Düsenmodell 3D) geltend mache, könne offen bleiben, ob dieses möglicherweise eine Klageänderung darstellende Vorbringen gemäß §§ 533, 529 ZPO zulässig sei, da der Klage auch insoweit die Rechtskraft des früheren Urteils entgegenstehe, denn die Klägerin trage als maßgebliches Verletzungskriterium auch in dieser Hinsicht allein ein tangentiales Anliegen am Radius vor. II. Dies hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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1. Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass
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die entgegenstehende Rechtskraft einer früheren Entscheidung als negative Prozessvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu berücksichtigen ist (BGH, Urteil vom 16. Januar 2008 - XII ZR 216/05, NJW 2008, 1227 f. Rn. 9 f. mwN). 2. Das Berufungsgericht ist auch von zutreffenden Grundsätzen zur
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Bestimmung der Wirkung der (materiellen) Rechtskraft eines Urteils ausgegangen : Urteile sind der Rechtskraft insoweit fähig, als über den durch die Klage oder durch die Widerklage erhobenen Anspruch entschieden worden ist (§ 322 Abs. 1 ZPO), wobei die Bestimmung des erhobenen Anspruchs nach dem der höchstrichterlichen Rechtsprechung zugrunde liegenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff unter Würdigung der gestellten Anträge und des zu ihrer Begründung vorgetragenen Lebenssachverhalts zu erfolgen hat (BGH, Urteil vom 19. Dezember 1991 - IX ZR 96/91, BGHZ 117, 1, 5 = NJW 1992, 1172; Beschluss vom 10. Dezember 2002 - X ARZ 208/02, BGHZ 153, 173, 175; Urteil vom 3. April 2003 - I ZR 1/01, BGHZ 154, 342 = GRUR 2003, 716 f. - Reinigungsarbeiten ) und zur Auslegung der Urteilsformel, d.h. zur Klärung, wieweit über den erhobenen Anspruch entschieden worden ist, Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils heranzuziehen sind. Das gilt im Grundsatz auch für ein die Klage abweisendes Versäumnisurteil, das keinen Tatbestand und keine Entscheidungsgründe enthält (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2002 - XI ZR 90/02, BGHZ 153, 239 = NJW 2003, 104 f.). Anstelle des Tatbestands und der Entscheidungsgründe ist in diesem Fall zur Bestimmung der Reichweite der Rechtskraft auf das Parteivorbringen zurückzugreifen (BGH, Urteil vom 14. Februar 2008 - I ZR 135/05, GRUR 2008, 933 Rn. 13 - Schmiermittel; Urteil vom 16. April 2002 - KZR 5/01, GRUR 2002, 915 f. - Wettbewerbsverbot in Realteilungsvertrag). 3. Das Berufungsgericht hat diese Grundsätze jedoch rechtsfehlerhaft
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angewandt. Seiner Beurteilung, dass den beiden Verfahren derselbe Klagegrund oder Lebenssachverhalt zugrunde liege, kann nicht beigetreten werden.
a) Die von der dortigen Klägerin im Rechtstreit vor dem Landgericht
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Leipzig behauptete Ausgestaltung der nach dem Klagevortrag im Juni 2001 vom Beklagten gelieferten Kanalreinigungsdüse ergab sich aus der nachfolgenden , von der Klägerin vorgelegten Abbildung (Anlage K7 des Leipziger Verfahrens ):
b) Im vorliegenden Rechtsstreit hat sich die Klägerin zur Darstellung der
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angegriffenen Düsenmodelle auf die nachfolgende sowie zwei weitere, hinsichtlich der hier relevanten Einzelheiten Entsprechendes zeigende Abbildungen bezogen:
c) Danach unterscheiden sich die im vorliegenden Rechtsstreit und die
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im Vorprozess angegriffene Ausführungsform nach dem Klagevortrag hinsichtlich ihrer (behaupteten) tatsächlichen Ausgestaltung. Wie sich aus einem Vergleich der vorstehend wiedergegebenen Abbildungen ergibt, weist der Bereich des Übergangs zu den Druckwasseraustrittsöffnungen bei der im Vorprozess zur Darlegung der Verletzung des Klagepatents dargestellten Ausführungsform eine Stufe oder einen Vorsprung auf, während bei der im vorliegenden Rechtsstreit angegriffenen Ausführungsform - jedenfalls in einer Schnittebene - ein "gleitender" Übergang vorliegt und so auch vorgetragen worden ist. Nicht zutreffend ist deshalb die Ansicht des Berufungsgerichts, die Klägerin habe das Vorhandensein eines Vorsprungs bei der vor dem Landgericht Leipzig angegriffenen Ausführungsform erstmals im vorliegenden Rechtsstreit behauptet. Dass ein Vorsprung vorhanden sei, ergab sich vielmehr bereits aus dem auf die vorstehende Abbildung Bezug nehmenden Klagevorbringen im Vorprozess. Das Landgericht Leipzig hat (unter anderem) deswegen darauf hingewiesen, dass eine wortsinngemäße Verletzung des Klagepatents nicht in Betracht kommen dürfte, und die Rechtsvorgängerin der Klägerin hat sich demgemäß jedenfalls zuletzt darauf berufen, dass der nach außen gerichtete Absatz "keine ungünstige Prallfläche" bilde und "ein äquivalentes Merkmal" darstelle (Schriftsatz vom 9. Juli 2004, Bl. 132 GA 5 O 6985/03 LG Leipzig).
d) Soweit der Beklagte in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht
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hat, dass die vorgelegten Schnitte durch die Düsenmodelle nicht repräsentativ für die Ausgestaltung der Düsen seien, weil bei Wahl eines anderen Schnittwinkels auch bei den im vorliegenden Verfahren angegriffenen Düsenmodellen ein Vorsprung im Bereich des Übergangs zu den Druckwasseraustrittsöffnungen zu erkennen sei, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Auch wenn man dies als zutreffend unterstellte, änderte sich nichts daran, dass die Klägerin erstmals für die jetzt angegriffenen Düsen eine Ausgestaltung behauptet, bei der zumindest in einer Schnittebene im Bereich des Übergangs zu den Druckwasseraustrittsöffnungen ein gleitender Übergang zu erkennen ist.
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e) Dieser Unterschied hinsichtlich der tatsächlichen Ausgestaltung der angegriffenen Düsen begründet unterschiedliche Streitgegenstände in beiden Verfahren. (1) Über welchen Lebenssachverhalt das Gericht nach dem Klagebe18 gehren zu entscheiden hat, kann nicht ohne Berücksichtigung der rechtlichen Grundlage entschieden werden, auf die der Kläger seine Klageanträge stützt. Denn diese rechtliche Grundlage bestimmt, welche Einzelheiten eines (behaupteten ) tatsächlichen Geschehens in sachlicher, räumlicher und zeitlicher Hinsicht für das gerichtliche Erkenntnis (zumindest potentiell) von Bedeutung sind. Bei einer Patentverletzungsklage sind demgemäß für die Eingrenzung des Streitgegenstands, der der gerichtlichen Entscheidungsfindung unterworfen wird, vornehmlich diejenigen tatsächlichen Elemente von Bedeutung, aus denen sich Handlungen des Beklagten ergeben sollen, die einen der Tatbestände des § 9 PatG ausfüllen. Zur sachlichen Eingrenzung dieser vom Klagebegehren umfassten Handlungen kommt es wiederum typischerweise in erster Linie darauf an, aus welcher tatsächlichen Ausgestaltung eines angegriffenen Erzeugnisses oder Verfahrens sich nach dem Klagevortrag ergeben soll, dass das Erzeugnis oder Verfahren unter den mit der Klage geltend gemachten Patentanspruch subsumiert werden kann. Dabei ist grundsätzlich unerheblich, ob diese Subsumtion nach Meinung des Klägers eine wortsinngemäße oder eine unter dem Gesichtspunkt der gleichwertigen (äquivalenten) Verwirklichung eines oder mehrerer Merkmale der geschützten Erfindung in den Schutzbereich des Klagepatents fallende Benutzung der geschützten Erfindung ergibt. Grundsätzlich unerheblich sind ebenso Ort und Zeit der angegriffenen Handlungen. Für die Definition des Streitgegenstands können sie nur soweit Bedeutung erlangen, als sie die rechtliche Beurteilung des Klagebegehrens beeinflussen können, weil es entweder nach dem Gesetz (wie etwa vor oder nach Veröffentlichung der Patenterteilung oder innerhalb oder außerhalb des territorialen Geltungsbe- reichs des Patentgesetzes begangene Handlungen) oder auf Grund einer entsprechenden Beschränkung des Klageantrags (wie etwa bei einer auf Handlungen während eines Teils der Patentlaufzeit beschränkten Schadensersatzklage) insoweit auf den Ort oder den Zeitpunkt der Handlung ankommt (vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai 2004 - X ZR 234/02, BGHZ 159, 66, 70 ff. = GRUR 2004, 755 - Taxameter). Der Streitgegenstand der Patentverletzungsklage wird demgemäß re19 gelmäßig im Wesentlichen durch die üblicherweise als angegriffene Ausführungsform bezeichnete tatsächliche Ausgestaltung eines bestimmten Produkts im Hinblick auf die Merkmale des geltend gemachten Patentanspruchs bestimmt. Die Identität des Klagegrunds wird (erst) aufgehoben, wenn dieser Kern des in der Klage angeführten Lebenssachverhalts durch neue Tatsachen verändert wird (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 2006 - KZR 45/05, GRUR 2007, 172 Rn. 11 - Lesezirkel II; Urteil vom 3. April 2003 - I ZR 1/01, BGHZ 154, 342, 348 f. = GRUR 2003, 716 - Reinigungsarbeiten). (2) Danach haben die Klägerin im Vorprozess und die Klägerin des vor20 liegenden Rechtsstreits das jeweilige Klagebegehren auf Handlungen des Beklagten , die sich auf unterschiedliche Ausführungsformen bezogen, und damit auf unterschiedliche Lebenssachverhalte gestützt. Die Verwirklichung des letzten kennzeichnenden Merkmals des geltend gemachten Patentanspruchs 1 des Klagepatents, nach dem jeder im Winkel geneigte Kanal so in die Verteilungskammer mündet, dass die äußerste Linie des Außendurchmessers des Kanals tangential am ersten Radius anliegt oder in den ersten Radius übergeht, ist mit unterschiedlichen Ausgestaltungen der vom Beklagten vertriebenen Düse begründet worden, wobei die Parteien jeweils darüber gestritten haben, ob mit dieser tatsächlichen Ausgestaltung der technische Sinngehalt des Merkmals ausgefüllt wird.
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(3) Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin in beiden Verfahren Klageanträge formuliert hat, die lediglich den Wortlaut des Patentanspruchs wiedergeben und im Vorprozess sogar hinter diesem zurückbleiben, weil die dortige Klägerin versucht hat, die geltend gemachte Verletzung von vier Klagepatenten mit einem einheitlichen Antrag zu erfassen, der die angegriffenen Gegenstände lediglich allgemein als hydrodynamische Werkzeuge für die Reinigung von Rohren und Kanälen mit einem Anschluss für einen Wasserschlauch als Druckwassereintrittsöffnung und Druckwasseraustrittsöffnungen beschreibt, bei denen die Wasserführungen tangential gleitend am Durchmesser der Druckwassereintrittsöffnung anliegen und radial im Bogen nach außen führen. Daraus ergibt sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht, dass der Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits vom Streitgegenstand des Vorprozesses umfasst wird. (a) Der Kläger ist allerdings durch das Prozessrecht nicht gehindert, An22 sprüche nicht nur wegen einer bestimmten angegriffenen Ausführungsform geltend zu machen, sondern auf das Klagepatent umfassende (prozessuale) Ansprüche zu stützen, die auf weitere Ausführungsformen, die sich - nach Meinung des Klägers - ebenfalls unter den Patentanspruch subsumieren lassen, bezogene Handlungen des Beklagten erfassen sollen. Ob dem Kläger solche Ansprüche auch zuerkannt werden können, hängt (unter anderem) davon ab, ob der Kläger dartun kann, dass der Beklagte auch solche Handlungen begangen hat oder deren Begehung zumindest droht. (b) Dass ein solches umfassendes Klagebegehren zur gerichtlichen Ent23 scheidung gestellt werden soll, kann jedoch in aller Regel nicht schon daraus abgeleitet werden, dass der Kläger es unterlässt, einen - wie geboten (BGH, Urteil vom 30. März 2005 - X ZR 126/01, BGHZ 162, 365 - Blasfolienherstellung ) - auf die von ihm vorgetragene angegriffene Ausführungsform zugeschnit- tenen Klageantrag zu formulieren. Denn maßgeblich für Inhalt und Reichweite des materiellen Klagebegehrens ist nicht allein der Wortlaut des Klageantrags; dieser ist vielmehr unter Berücksichtigung des zu seiner Begründung Vorgetragenen auszulegen. Nicht der Wortlaut des Antrags, sondern das Klagebegehren definiert den Streitgegenstand, und nur an dieses und nicht an jenen ist das Gericht nach § 308 Abs. 1 ZPO gebunden. Ebenso wie mangels abweichender Anhaltspunkte im Parteivortrag anzunehmen ist, dass sich das Rechtsschutzbegehren auf sämtliche Handlungen des Beklagten erstrecken soll, die diejenigen Merkmale aufweisen, aus denen der Kläger die Qualifikation der Handlungen als rechtsverletzend herleitet (BGHZ 159, 66, 70 f. = GRUR 2004, 755 - Taxameter), ist umgekehrt mangels abweichender Anhaltspunkte anzunehmen , dass der Kläger Ansprüche nur wegen solcher Handlungen des Beklagten geltend machen will, die sich auf eine Ausführungsform beziehen, für die der Kläger vorträgt, dass sie auf Grund ihrer tatsächlichen Ausgestaltung sämtliche Merkmale des Patentanspruchs aufweist und vom Beklagten entgegen § 9 PatG benutzt wird oder benutzt zu werden droht. Kommt dies im Klageantrag nicht hinreichend zum Ausdruck, hat das Gericht nach § 139 Abs. 1 ZPO auf eine sachdienliche Antragsfassung hinzuwirken. (c) Der Senat kann als Revisionsgericht den im Vorprozess gestellten
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Klageantrag als Prozesserklärung selbst auslegen. Er bietet keinen Anhalt für die Annahme, dass die Klägerin des Vorprozesses mit ihm mehr erfassen wollte , als das in der oben wiedergegebenen Abbildung dargestellte Kanalreinigungswerkzeug , von dem die Klägerin in der mündlichen Verhandlung ein aufgeschnittenes Original vorgelegt hat, zu dem in der Verhandlungsniederschrift festgehalten ist, dass es "den Verletzungsgegenstand darstellen" solle (GA 124), und von dem sie in der Klagebegründung geltend gemacht hat, dass es vom Beklagten hergestellt und vertrieben werde und "die Merkmale der Klagepatente" verwirkliche (GA 6). Die weiteren schriftsätzlichen Erklärungen der Klägerin ergeben nichts anderes, sondern bestätigen dieses Verständnis (GA 89, 104a f., 132). III. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3
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ZPO), weil das Berufungsgericht von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig keine Feststellungen getroffen hat, die zur Grundlage einer Auslegung des Klagepatents gemacht und zur Beantwortung der Verletzungsfrage sowie des vom Beklagten geltend gemachten Vorbenutzungsrechts herangezogen werden können (vgl. BGH, Urteil vom 31. Mai 2007 - X ZR 172/04, BGHZ 172, 298, Rn. 39 - Zerfallszeitmessgerät). Dies wird es nunmehr nachzuholen haben. Meier-Beck Keukenschrijver Mühlens Grabinski Schuster
Vorinstanzen:
LG Nürnberg-Fürth, Entscheidung vom 22.10.2008 - 3 O 9860/07 -
OLG Nürnberg, Entscheidung vom 21.08.2009 - 3 U 2337/08 -

(1) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht. Der Anspruch ist ausgeschlossen, soweit die Inanspruchnahme aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls und der Gebote von Treu und Glauben für den Verletzer oder Dritte zu einer unverhältnismäßigen, durch das Ausschließlichkeitsrecht nicht gerechtfertigten Härte führen würde. In diesem Fall ist dem Verletzten ein angemessener Ausgleich in Geld zu gewähren. Der Schadensersatzanspruch nach Absatz 2 bleibt hiervon unberührt.

(2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Benutzung der Erfindung eingeholt hätte.

(3) Ist Gegenstand des Patents ein Verfahren zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses, so gilt bis zum Beweis des Gegenteils das gleiche Erzeugnis, das von einem anderen hergestellt worden ist, als nach dem patentierten Verfahren hergestellt. Bei der Erhebung des Beweises des Gegenteils sind die berechtigten Interessen des Beklagten an der Wahrung seiner Herstellungs- und Betriebsgeheimnisse zu berücksichtigen.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten auf unverzügliche Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der benutzten Erzeugnisse in Anspruch genommen werden.

(2) In Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung oder in Fällen, in denen der Verletzte gegen den Verletzer Klage erhoben hat, besteht der Anspruch unbeschadet von Absatz 1 auch gegen eine Person, die in gewerblichem Ausmaß

1.
rechtsverletzende Erzeugnisse in ihrem Besitz hatte,
2.
rechtsverletzende Dienstleistungen in Anspruch nahm,
3.
für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbrachte oder
4.
nach den Angaben einer in Nummer 1, 2 oder Nummer 3 genannten Person an der Herstellung, Erzeugung oder am Vertrieb solcher Erzeugnisse oder an der Erbringung solcher Dienstleistungen beteiligt war,
es sei denn, die Person wäre nach den §§ 383 bis 385 der Zivilprozessordnung im Prozess gegen den Verletzer zur Zeugnisverweigerung berechtigt. Im Fall der gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs nach Satz 1 kann das Gericht den gegen den Verletzer anhängigen Rechtsstreit auf Antrag bis zur Erledigung des wegen des Auskunftsanspruchs geführten Rechtsstreits aussetzen. Der zur Auskunft Verpflichtete kann von dem Verletzten den Ersatz der für die Auskunftserteilung erforderlichen Aufwendungen verlangen.

(3) Der zur Auskunft Verpflichtete hat Angaben zu machen über

1.
Namen und Anschrift der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Erzeugnisse oder der Nutzer der Dienstleistungen sowie der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für die sie bestimmt waren, und
2.
die Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie über die Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse oder Dienstleistungen bezahlt wurden.

(4) Die Ansprüche nach den Absätzen 1 und 2 sind ausgeschlossen, wenn die Inanspruchnahme im Einzelfall unverhältnismäßig ist.

(5) Erteilt der zur Auskunft Verpflichtete die Auskunft vorsätzlich oder grob fahrlässig falsch oder unvollständig, so ist er dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(6) Wer eine wahre Auskunft erteilt hat, ohne dazu nach Absatz 1 oder Absatz 2 verpflichtet gewesen zu sein, haftet Dritten gegenüber nur, wenn er wusste, dass er zur Auskunftserteilung nicht verpflichtet war.

(7) In Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung kann die Verpflichtung zur Erteilung der Auskunft im Wege der einstweiligen Verfügung nach den §§ 935 bis 945 der Zivilprozessordnung angeordnet werden.

(8) Die Erkenntnisse dürfen in einem Strafverfahren oder in einem Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten wegen einer vor der Erteilung der Auskunft begangenen Tat gegen den Verpflichteten oder gegen einen in § 52 Abs. 1 der Strafprozessordnung bezeichneten Angehörigen nur mit Zustimmung des Verpflichteten verwertet werden.

(9) Kann die Auskunft nur unter Verwendung von Verkehrsdaten (§ 3 Nummer 70 des Telekommunikationsgesetzes) erteilt werden, ist für ihre Erteilung eine vorherige richterliche Anordnung über die Zulässigkeit der Verwendung der Verkehrsdaten erforderlich, die von dem Verletzten zu beantragen ist. Für den Erlass dieser Anordnung ist das Landgericht, in dessen Bezirk der zur Auskunft Verpflichtete seinen Wohnsitz, seinen Sitz oder eine Niederlassung hat, ohne Rücksicht auf den Streitwert ausschließlich zuständig. Die Entscheidung trifft die Zivilkammer. Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend. Die Kosten der richterlichen Anordnung trägt der Verletzte. Gegen die Entscheidung des Landgerichts ist die Beschwerde statthaft. Die Beschwerde ist binnen einer Frist von zwei Wochen einzulegen. Die Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten bleiben im Übrigen unberührt.

(10) Durch Absatz 2 in Verbindung mit Absatz 9 wird das Grundrecht des Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) eingeschränkt.

Verzichtet der Kläger bei der mündlichen Verhandlung auf den geltend gemachten Anspruch, so ist er auf Grund des Verzichts mit dem Anspruch abzuweisen, wenn der Beklagte die Abweisung beantragt.

(1) Schreibfehler, Rechnungsfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die in dem Urteil vorkommen, sind jederzeit von dem Gericht auch von Amts wegen zu berichtigen.

(2) Der Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. Erfolgt der Berichtigungsbeschluss in der Form des § 130b, ist er in einem gesonderten elektronischen Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(3) Gegen den Beschluss, durch den der Antrag auf Berichtigung zurückgewiesen wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, findet sofortige Beschwerde statt.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)