vorgehend
Landgericht Koblenz, 10 O 134/07, 06.08.2008
Oberlandesgericht Koblenz, 5 U 1116/08, 05.02.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 64/09 Verkündet am:
16. März 2010
Böhringer-Mangold,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ArzneimittelG § 84 a.F., ZPO § 286 A, C
Zum Beweis des Ursachenzusammenhangs zwischen der Einnahme eines
Arzneimittels und dem Gesundheitsschaden des Patienten.
BGH, Urteil vom 16. März 2010 - VI ZR 64/09 - OLG Koblenz
LG Koblenz
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. März 2010 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Zoll und
Wellner, die Richterin Diederichsen und den Richter Pauge

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 5. Februar 2009 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger leidet seit 1993 an Schmerzen, die mit verschiedenen entzündungshemmenden Schmerzmitteln wie "Voltaren" und "Ibuprofen" behandelt wurden. Ab Februar 2001 erhielt er das von der Beklagten in Deutschland vertriebene Schmerzmittel "VIOXX". Am 13. Januar 2002 erlitt der damals 73 Jahre alte Kläger einen Herzinfarkt. Aus stationärer Behandlung wurde er unter Verordnung von "VIOXX" 25 mg/d entlassen. Im Mai 2004 erfolgte eine erneute Aufnahme in die Kardiologie wegen einer instabilen Angina Pectoris, die seitens der behandelnden Ärzte auf rezidivierende Blutdruckentgleisungen zurückge- führt wurde. Die Beklagte nahm "VIOXX" nach dem Bekanntwerden möglicher erheblicher Gesundheitsrisiken im Jahr 2004 freiwillig vom Markt.
2
Der Kläger begehrt Ersatz materiellen und immateriellen Schadens. Er hat geltend gemacht, der Herzinfarkt sei auf das Medikament "VIOXX" zurückzuführen , das er seit der Erstverordnung regelmäßig in einer Tagesdosis von mindestens 25 mg eingenommen habe. Die von der Beklagten gegebene Gebrauchsinformation sei mangelhaft gewesen. Aufgrund der vorliegenden Studienergebnisse hätte die Beklagte das Medikament bereits im Jahr 2000 vom Markt nehmen müssen.
3
Die Klage hatte in den Tatsacheninstanzen keinen Erfolg. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Das Berufungsgericht führt aus, nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme lasse sich nicht feststellen, dass der Herzinfarkt des Klägers auf die Einnahme von "VIOXX" zurückzuführen sei. Die Darlegungen des Sachverständigen Prof. Dr. K. seien überzeugend und würden in ihren Kernaussagen von der Berufung nicht angegriffen. Dass das Herzinfarktrisiko durch "VIOXX" möglicherweise erhöht worden sei, bedeute nicht, dass es sich ursächlich ausgewirkt habe. Beweiserleichterungen kämen dem Kläger nicht zugute. Die in § 84 Abs. 2 Satz 1 und 2 AMG n.F. geregelte Kausalitätsvermutung finde gemäß Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB keine Anwendung, weil das schädigende Ereignis nicht nach dem 31. Juli 2002 eingetreten sei. Die Grundsätze des An- scheinsbeweises kämen dem Kläger nicht zugute, weil es an dem dafür erforderlichen typischen Geschehensablauf fehle. Angesichts der bei dem Kläger vorhandenen signifikanten Risikofaktoren liege kein Sachverhalt vor, bei dem nach der Lebenserfahrung auf das Hervorrufen einer bestimmten Folge oder die Ursache eines bestimmten Verhaltens geschlossen werden könne. Zudem bestehe nach den Darlegungen des Sachverständigen Prof. Dr. K. die ernsthafte Möglichkeit anderer Ursachen. Das Herzinfarktrisiko sei durch die Einnahme von "VIOXX" auch nicht mehr erhöht worden als durch die vom Kläger ebenfalls eingenommenen Präparate "Voltaren" und "Ibuprofen". Eine Beweislastumkehr komme dem Kläger nicht zugute, und zwar weder unter dem Gesichtspunkt eines etwaigen Verstoßes der Beklagten gegen die ihr obliegende Produktsicherungspflicht noch nach den von der Rechtsprechung für die Arzthaftung entwickelten Grundsätzen bei einem groben Behandlungsfehler.

II.

5
Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
6
1. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Auffassung des Berufungsgerichts , dem Kläger komme die in § 84 Abs. 2 AMG geregelte Kausalitätsvermutung nicht zugute. Abs. 2 dieser Vorschrift ist durch Art. 1 Nr. 1 des Zweiten Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 (BGBl. I, S. 2674) in das Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln - Arzneimittelgesetz (AMG) eingefügt worden. Die Vorschrift ist gemäß Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB anzuwenden, wenn das schädigende Ereignis nach dem 31. Juli 2002 eingetreten ist. Weil § 84 AMG eine Gefährdungshaftung des pharmazeutischen Unternehmers anordnet, ist dabei nach allgemeinen Grundsätzen auf den Zeitpunkt des Eintritts der Rechtsgutsverletzung abzustel- len, da erst diese die Haftung auslöst (vgl. MünchKomm-BGB/Oetker, 4. Aufl., Art. 229 § 8 EGBGB, Rn. 16 m.w.N.).
7
Die Revision stellt nicht in Abrede, dass § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG demgemäß auf den am 13. Januar 2002 - und somit vor dem in Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB genannten Stichtag - eingetretenen Herzinfarkt des Klägers keine Anwendung findet. Soweit sie geltend macht, das Berufungsgericht hätte § 84 Abs. 2 AMG jedoch hinsichtlich der im Mai 2004 aufgetretenen Angina Pectoris anwenden müssen, kann sie keinen Erfolg haben. Ansprüche wegen dieser Gesundheitsschädigung waren in den Tatsacheninstanzen nicht Streitgegenstand. Die Revision macht zwar geltend, dass der Kläger die im Jahr 2004 aufgetretene Erkrankung ebenso wie den Herzinfarkt auf die Einnahme des Medikaments "VIOXX" zurückführe, sie zeigt jedoch nicht auf, dass der Kläger insoweit im vorliegenden Rechtsstreit Ansprüche gegen die Beklagte erhoben hat.
8
Nach dem Klagevorbringen sind die geltend gemachten Ansprüche ausschließlich auf den im Januar 2002 erlittenen Herzinfarkt gestützt worden. Demgemäß hat das Landgericht den Beweisbeschluss allein auf diese Erkrankung bezogen, ohne dass der Kläger dies beanstandet hätte. Auch das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. K. bezog sich dem Beweisbeschluss entsprechend allein auf den Herzinfarkt. Der Kläger hat dagegen keine Einwendungen erhoben und weder eine Ergänzung des Gutachtens im Hinblick auf die aufgetretene Angina Pectoris verlangt noch die Ladung des Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens beantragt. Das Landgericht hat die Klageabweisung allein damit begründet, dass ein Ursachenzusammenhang zwischen der Einnahme von "VIOXX" und dem im Jahr 2002 eingetretenen Herzinfarkt nicht nachgewiesen sei. Dass das Landgericht Ansprüche im Hinblick auf die im Jahr 2004 aufgetretene Angina Pectoris fehlerhaft nicht beschieden habe, hat der Kläger mit der Berufung nicht gerügt. Bei dieser Sachla- ge war die in der Berufungsbegründung enthaltene pauschale und allgemeine Bezugnahme auf den erstinstanzlichen Vortrag des Klägers entgegen der Auffassung der Revision auch nicht geeignet, Ansprüche wegen der mehr als zwei Jahre nach dem Herzinfarkt aufgetretenen Angina Pectoris zum Streitgegenstand des Berufungsverfahrens zu machen (vgl. Senatsurteil vom 13. November 2001 - VI ZR 414/00 - VersR 2002, 999, 1000 f. m.w.N.).
9
Sind die geltend gemachten Klageansprüche mithin ausschließlich auf der Grundlage des bis zum 31. Juli 2002 geltenden Schadensersatzrechts zu beurteilen (hier: §§ 84 ff. AMG a.F., § 253 BGB a.F.), kommt ein Anspruch des Klägers auf Ersatz immateriellen Schadens nicht in Betracht.
10
2. Die Revision hat auch keinen Erfolg, soweit sie sich dagegen wendet, dass das Berufungsgericht dem auf Ersatz materiellen Schadens gerichteten Feststellungsbegehren des Klägers im Hinblick auf den am 13. Januar 2002 erlittenen Herzinfarkt nicht entsprochen hat.
11
a) Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Kläger habe nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme nicht bewiesen, dass die Einnahme des Medikaments "VIOXX" für den Herzinfarkt ursächlich gewesen sei, begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
12
aa) Die Vorinstanzen haben nicht verkannt, dass für den vom Geschädigten zu erbringenden Kausalitätsnachweis der Nachweis der Mitursächlichkeit genügt, denn nach allgemeinem Schadensrecht steht eine Mitursächlichkeit, und sei es auch nur im Sinne eines Auslösers neben erheblichen anderen Umständen , der Alleinursächlichkeit haftungsrechtlich in vollem Umfang gleich (vgl. nur Senatsurteile vom 27. Juni 2000 - VI ZR 201/99 - VersR 2000, 1282 f. und vom 5. April 2005 - VI ZR 216/03 - VersR 2005, 942, jeweils m.w.N.).
13
bb) Das Landgericht hat es auf der Grundlage des schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. K. als nicht erwiesen erachtet, dass die Einnahme des Medikaments "VIOXX" für den Herzinfarkt des Klägers allein ursächlich oder auch nur mitursächlich gewesen sei. Der Sachverständige hat die ihm gestellte Beweisfrage dahin beantwortet, es sei nicht sehr wahrscheinlich, dass der Herzinfarkt allein durch die Einnahme des Medikaments "VIOXX" verursacht worden sei. Vielmehr sei durchaus möglich, dass die vom Kläger erwähnte ungewöhnliche körperliche Belastung vor dem Herzinfarkt (Schneeschaufeln ) einen wesentlichen Beitrag für das Auftreten des Myokardinfarktes geleistet habe. Unter Berücksichtigung der Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. K. ist das Landgericht zur Überzeugung gelangt, dass nicht einmal von einer möglichen Mitursächlichkeit des Medikaments "VIOXX" ausgegangen werden könne. Dabei hat es zur Begründung auf das Ergebnis medizinischer Studien hingewiesen, mit denen sich auch der Sachverständige auseinandergesetzt habe. Diese tatrichterliche Beurteilung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
14
cc) Die hinsichtlich des fehlenden Ursachenzusammenhangs vom Landgericht festgestellte Tatsachengrundlage hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung verfahrensfehlerfrei zugrunde gelegt (§ 529 Abs. 1 ZPO). Es ist ebenso wie das Landgericht zu der Überzeugung gelangt, dass die im Falle einer Langzeitanwendung möglicherweise gegebene Erhöhung des Herzinfarktrisikos jedenfalls unter den Umständen des Streitfalles nicht genügt, um die Alleinursächlichkeit oder auch nur die Mitursächlichkeit der Einnahme des Medikaments "VIOXX" für den vom Kläger erlittenen Herzinfarkt zu beweisen. Diese Überzeugungsbildung wird entgegen der Auffassung der Revision nicht dadurch in Frage gestellt, dass das Berufungsgericht an anderer Stelle ausgeführt hat, es könne offen bleiben, ob das Herzinfarktrisiko erst nach mehr als 18-monatiger oder schon nach 9-monatiger kontinuierlicher täglicher Einnahme ansteige und der Kläger das Medikament über den von ihm behaupteten Zeitraum von knapp 11 Monaten regelmäßig in einer Tagesdosis von mindestens 25 mg eingenommen habe, denn diese Erwägungen beziehen sich ersichtlich allein auf die Verneinung der Voraussetzungen eines Anscheinsbeweises.
15
b) Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht die Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises für den Nachweis des Ursachenzusammenhangs mit Recht abgelehnt.
16
aa) Die Frage, ob der Anscheinsbeweis eingreift, unterliegt der Prüfung durch das Revisionsgericht (BGHZ 100, 31, 33; Senatsurteil vom 4. Oktober 1983 - VI ZR 98/82 - VersR 1984, 40, 41). Die Anwendung dieser Grundsätze ist bei der Kausalitätsfeststellung immer dann geboten, wenn das Schadensereignis nach allgemeiner Lebenserfahrung eine typische Folge der Pflichtverletzung darstellt (Senatsurteile vom 14. Dezember 1993 - VI ZR 271/92 - VersR 1994, 324, 325 und vom 19. Januar 2010 - VIZR 33/09 - VersR 2010, 392). Ein solcher typischer Geschehensablauf kann bei einer Infektion eines Empfängers einer Blutspende z. B. anzunehmen sein, wenn die Kontaminierung des verwendeten Blutprodukts feststeht und keine weiteren Ursachen außerhalb des Verantwortungsbereichs der Behandlungsseite für die der Kontaminierung entsprechende Erkrankung ersichtlich sind (vgl. Senatsurteile BGHZ 114, 290; vom 29. Juni 1982 - VI ZR 206/80 - VersR 1982, 972). Bei einer HIV-Infektion nach Bluttransfusion setzt das voraus, dass der Patient weder zu den HIVgefährdeten Risikogruppen gehört noch durch die Art seiner Lebensführung einer gesteigerten Infektionsgefahr ausgesetzt ist, aber HIV-kontaminiertes Blut oder kontaminierte Blutprodukte erhalten hat (vgl. Senatsurteile BGHZ 114, 284, 290; 163, 209, 213; OLG Düsseldorf, NJW 1995, 3060; VersR 1996, 377, 378; 1996, 1240, 1241; 1998, 103, 104; OLG Hamm, VersR 1995, 709, 710; NJW-RR 1997, 217, 218; OLG Karlsruhe, OLGR 2002, 170, 172; s. a. im Zu- sammenhang mit einer Hepatitis-Infektion OLG Brandenburg, NJW 2000, 1500, 1502; OLG Celle, NJW-RR 1997, 1456, 1457; LG Nürnberg-Fürth, VersR 1998, 461, 462 ff. mit Anm. Bender; MünchKomm-BGB/Wagner, 5. Aufl., § 823, Rn. 805; Hecker/Weimann, VersR 1997, 532, 534; a. A. OLG Koblenz, NJW-RR 1998, 167, 168).
17
bb) Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen ein Anscheinsbeweis dem Grundsatz nach auch in Betracht kommt, wenn ein Patient nach Einnahme eines ein spezifisches Risiko erhöhenden Arzneimittels eine diesem Risiko entsprechende Gesundheitsschädigung erlitten hat, kann offen bleiben. Der Kläger könnte den von ihm zu erbringenden Kausalitätsnachweis nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises jedenfalls nicht führen. Ein Beweis des ersten Anscheins wird nämlich durch feststehende (erwiesene oder unstreitige) Tatsachen entkräftet, nach welchen die Möglichkeit eines anderen als des typischen Geschehensablaufs ernsthaft in Betracht kommt (vgl. Senatsurteile vom 14. Dezember 1993 - VI ZR 271/92 - aaO; vom 4. März 1997 - VI ZR 51/96 - VersR 1997, 835, 836 m.w.N.). Von der ernsthaften Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs ist das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler ausgegangen. Es hat nämlich berücksichtigt, dass vorliegend signifikante Risikofaktoren gegeben waren, die für das Infarktgeschehen ursächlich gewesen sein können. So hatte der Kläger nach den Darlegungen des Sachverständigen Prof. Dr. K. schon aufgrund seines fortgeschrittenen Alters ein erhöhtes Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden. Hinzu kam eine ungewohnte körperliche Belastung. Nach den vom Landgericht im Urteilstatbestand (§ 314 ZPO) getroffenen tatsächlichen Feststellungen, die das Berufungsgericht seiner Entscheidung gemäß § 529 Abs. 1 ZPO insoweit verfahrensfehlerfrei zugrunde gelegt hat, trat der Herzinfarkt des Klägers nämlich beim Schneeschaufeln ein. Auch diesen Umstand hat der Sachverständige als risikoerhöhend bewertet. Bei dieser Sachlage können die Grundsätze des Anscheinsbeweises der Klage nicht zum Erfolg verhelfen.
18
c) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass der Kläger für den behaupteten Ursachenzusammenhang zwischen der Einnahme des Medikaments "VIOXX" und dem erlittenen Herzinfarkt beweispflichtig ist. Der Revision kann nicht darin gefolgt werden, dass die im Arzthaftungsprozess anerkannten Beweiserleichterungen für den Kausalitätsbeweis bei Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers (vgl. z. B. Senatsurteil BGHZ 85, 212) auf Fälle der vorliegenden Art anzuwenden sind. In jenen Fällen liegt der Bejahung von Beweiserleichterungen für den geschädigten Patienten die Erwägung zugrunde, dass das Spektrum der für den Misserfolg der ärztlichen Behandlung in Betracht kommenden Ursachen gerade wegen der elementaren Bedeutung des Fehlers in besonderem Maße verbreitert bzw. verschoben worden ist. Es entspricht deshalb der Billigkeit, die durch den Fehler in das Geschehen hineingetragene Aufklärungserschwernis nicht dem Geschädigten anzulasten (Senatsurteil BGHZ 85, 212, 216). Damit ist eine Fallgestaltung, wie sie hier vorliegt, nicht vergleichbar. Wie der erkennende Senat entschieden hat, sind die für den Arzthaftungsprozess entwickelten Grundsätze der Beweislastumkehr im Produkthaftungsprozess in Fällen der Verletzung von Warnpflichten durch den Hersteller nicht anwendbar (Senatsurteil BGHZ 116, 60, 76 f.). Für die Inanspruchnahme des Arzneimittelherstellers wegen unzureichender Informationen über die einem Medikament möglicherweise anhaftenden Risiken kann nichts anderes gelten. Das der Beklagten vom Kläger angelastete Versäumnis, das Medikament "VIOXX" nicht aufgrund im Jahr 2000 vorliegender Studienergebnisse vom Markt genommen zu haben, hat nicht den Stellenwert eines groben Behandlungsfehlers , d. h. eines Fehlers, der aus objektiver ärztlicher Sicht nicht mehr verständlich und verantwortbar erscheint (vgl. Senatsurteile BGHZ 116, 60, 76 f. und vom 10. Mai 1983 - VI ZR 270/81 - VersR 1983, 729, 730). Der Umstand, dass der Gesetzgeber mit der am 1. August 2002 in Kraft getretenen Neuregelung von § 84 Abs. 2 Satz 1 und 2 AMG zugunsten des Patienten Beweiserleichterungen durch Einführung einer Kausalitätsvermutung geschaffen hat, erfordert entgegen der Auffassung der Revision keine andere Beurteilung.
19
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Galke Zoll Wellner Diederichsen Pauge
Vorinstanzen:
LG Koblenz, Entscheidung vom 06.08.2008 - 10 O 134/07 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 05.02.2009 - 5 U 1116/08 -

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Gesundheitsrecht: Kausalitätsbeweis in der Arzneimittelhaftung

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Referenzen

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Wird infolge der Anwendung eines zum Gebrauch bei Menschen bestimmten Arzneimittels, das im Geltungsbereich dieses Gesetzes an den Verbraucher abgegeben wurde und der Pflicht zur Zulassung unterliegt oder durch Rechtsverordnung von der Zulassung befreit worden ist, ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen nicht unerheblich verletzt, so ist der pharmazeutische Unternehmer, der das Arzneimittel im Geltungsbereich dieses Gesetzes in den Verkehr gebracht hat, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen. Die Ersatzpflicht besteht nur, wenn

1.
das Arzneimittel bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen oder
2.
der Schaden infolge einer nicht den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprechenden Kennzeichnung, Fachinformation oder Gebrauchsinformation eingetreten ist.

(2) Ist das angewendete Arzneimittel nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet, den Schaden zu verursachen, so wird vermutet, dass der Schaden durch dieses Arzneimittel verursacht ist. Die Eignung im Einzelfall beurteilt sich nach der Zusammensetzung und der Dosierung des angewendeten Arzneimittels, nach der Art und Dauer seiner bestimmungsgemäßen Anwendung, nach dem zeitlichen Zusammenhang mit dem Schadenseintritt, nach dem Schadensbild und dem gesundheitlichen Zustand des Geschädigten im Zeitpunkt der Anwendung sowie allen sonstigen Gegebenheiten, die im Einzelfall für oder gegen die Schadensverursachung sprechen. Die Vermutung gilt nicht, wenn ein anderer Umstand nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet ist, den Schaden zu verursachen. Ein anderer Umstand liegt nicht in der Anwendung weiterer Arzneimittel, die nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet sind, den Schaden zu verursachen, es sei denn, dass wegen der Anwendung dieser Arzneimittel Ansprüche nach dieser Vorschrift aus anderen Gründen als der fehlenden Ursächlichkeit für den Schaden nicht gegeben sind.

(3) Die Ersatzpflicht des pharmazeutischen Unternehmers nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 ist ausgeschlossen, wenn nach den Umständen davon auszugehen ist, dass die schädlichen Wirkungen des Arzneimittels ihre Ursache nicht im Bereich der Entwicklung und Herstellung haben.

(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.

(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 216/03 Verkündet am:
5. April 2005
Böhringer-Mangold,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
,
BGB § 823 Abs. 1 (Aa, Dd, I);
Steht fest, daß der Arzt dem Patienten durch rechtswidriges und fehlerhaftes ärztliches Handeln einen Schaden
zugefügt hat, so muß der Arzt beweisen, daß der Patient den gleichen Schaden auch bei einem rechtmäßigen
und fehlerfreien ärztlichen Handeln erlitten hätte. Die Behandlungsseite muß, sofern ein schadensursächlicher
Eingriff ohne ausreichende vorherige Aufklärung des Patienten erfolgt ist, auch beweisen, daß es zu
dem Eingriff auch bei zutreffender Aufklärung des Patienten gekommen wäre.
BGH, Urteil vom 5. April 2005 - VI ZR 216/03 - OLG Naumburg
LG Halle
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 5. April 2005 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter
Wellner, die Richterin Diederichsen und die Richter Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 10. Juni 2003 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Bei der Klägerin wurde im Jahre 1997 eine beiderseitige Vergrößerung der Schilddrüse mit einem Knoten im Isthmus-Bereich sowie zwei Knoten im rechten Bereich der Schilddrüse (sogenannte Knotenstruma III. Grades) festgestellt. Sie wurde zur operativen Behandlung in dem Kreiskrankenhaus, dessen Träger der Beklagte ist, aufgenommen. Am Tag vor der Operation wurde sie über den Verlauf einer teilweisen Entfernung der Schilddrüse sowie die daraus resultierenden Risiken aufgeklärt. Am Morgen des 29. Mai 1997 wurde die
Schilddrüse der Klägerin operativ unter Darstellung der Stimmbandnerven vollständig entfernt. In der Folge ergaben sich Komplikationen, die zu einer beidseitigen Stimmbandlähmung bei der Klägerin führten. Infolge dieser hat die Klägerin bereits im Ruhezustand Atembeschwerden, die sich bei körperlichen Aktivitäten verstärken. Sie kann nur noch flüsternd sprechen. Die Klägerin macht geltend, die Schilddrüsenoperation sei wegen unzureichender Aufklärung rechtswidrig erfolgt und zudem fehlerhaft durchgeführt worden. Sie begehrt deshalb von dem Beklagten Schmerzensgeld, Ersatz ihres materiellen Schadens und Feststellung der weiteren Ersatzpflicht des Beklagten. Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Das Berufungsgericht hat sie unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin auf die Berufung des Beklagten in vollem Umfang abgewiesen. Dagegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision der Klägerin, mit der sie die im Berufungsverfahren gestellten Anträge weiter verfolgt.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht führt aus, ein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten sei schon dem Grunde nach nicht gegeben; er scheitere jedenfalls daran, daß die Klägerin den Nachweis eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen einem pflichtwidrigen Verhalten der sie behandelnden Ärzte im Krankenhaus des Beklagten und der bei ihr eingetretenen beidseitigen Stimmbandlähmung nicht führen könne.
Allerdings hätten die behandelnden Ärzte die Kläger in inhaltlich nicht ausreichend über den beabsichtigten operativen Eingriff und dessen Risiken aufgeklärt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei davon auszugehen, daß der der Klägerin im Rahmen der Eingriffs- und Risikoaufklärung gegebene pauschale Hinweis auf eine Operationserweiterung während der Operation hier nicht genügt habe. Präoperativ sei die Durchführung einer Teilresektion der Schilddrüse indiziert und an der Wahl dieser indizierten Behandlungsmaßnahme sei die Aufklärung zunächst auszurichten gewesen; insoweit sei die Aufklärung , was durch die von dem Beklagten vorgelegten Krankenunterlagen bewiesen sei, auch inhaltlich ausreichend erfolgt. Im vorliegenden Fall sei aber eine intraoperative Operationserweiterung hin zu einer Totalresektion des Schilddrüsengewebes auch aus präoperativer Sicht der behandelnden Ärzte ernsthaft in Betracht gekommen, weshalb die Klägerin in eine solche konkrete Option auch habe eingeweiht werden müssen. Zwar sei das Behandlungsrisiko, insbesondere dasjenige von Nachblutungen bzw. der Verletzung eines oder beider Stimmbandnerven , sowohl bei einer Teil- als auch bei einer Totalresektion des Schilddrüsengewebes jeweils als gering einzuschätzen. Doch seien die Risiken einer Totalresektion signifikant höher als bei einer Teilresektion. Eine dahin gehende Aufklärung der Klägerin hätten die behandelnden Ärzte schon nach dem Sachvorbringen des Beklagten nicht vorgenommen. Ob die die Klägerin behandelnden Ärzte die Indikati on für eine Totalresektion des Schilddrüsengewebes während der Operation verfrüht, d.h. auf unzureichender Entscheidungsgrundlage, getroffen hätten oder nicht, könne offen bleiben. Unter Zugrundelegung der Zeugenaussagen der beiden behandelnden Ärzte sei die Entscheidung zur totalen Ausräumung des Schi lddrüsengewebes aus fachärztlicher Sicht geboten gewesen. Unter Zugrundelegung des Operationsberichts hingegen hätten die behandelnden Ärzte die Indikation für eine To-
talresektion zumindest verfrüht gestellt. Selbst wenn man davon ausgehe, sei aber ein Arzthaftungsanspruch der Klägerin nicht begründet. Der Klägerin sei der Nachweis nicht gelungen, daß die bei ihr eingetretene beidseitige Stimmbandlähmung allein darauf zurückzuführen sei, daß die als Teilresektion begonnene Operation intraoperativ zu einer totalen Entfernung des Schilddrüsengewebes erweitert wurde. Wie bereits das erstinstanzliche Gericht auf der Grundlage sachverständiger Beratung zutreffend festgestellt habe, sei eine Teilentfernung des Schilddrüsengewebes der Klägerin, nämlich zumindest im rechten und im Isthmus-Bereich, sowohl aus chirurgischer als auch aus internistischer und nuklearmedizinischer Sicht absolut indiziert gewesen. In eine solche Operation habe die Klägerin wirksam eingewilligt. Mit dem gerichtlichen Sachverständigen sei davon auszugehen, daß die beidseitige Stimmbandlähmung der Klägerin dadurch entstanden sei, daß sich in der Nähe des Operationsgebietes eine Nachblutung eingestellt und entweder zur Herausbildung eines Hämatoms oder zur Einblutung in das Nervenhüllgewebe geführt habe. Hinsichtlich der Ursache der Nachblutung, einer kontinuierlich blutenden Vene unterhalb der bei der Erstoperation eröffneten Grenzlamelle , sei nach den nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu beantworten , ob diese auch bei einer nur teilweisen Entfernung der Schilddrüse eingetreten wäre. Diese nicht überwindbare Unsicherheit bei der Aufklärung des tatsächlichen Behandlungsverlaufs gehe nach den zivilrechtlichen Grundsätzen der Beweislastverteilung im Arzthaftungsprozeß zu Lasten der Klägerin, die aus der behaupteten Kausalität einen Schadensersatzanspruch herleiten wolle. Zwar habe der Sachverständige ausgeführt, daß die vorbeschriebene Nachblutung bei einer Teilresektion „nicht so wahrscheinlich" sei, wie bei dem umfangreicheren Eingriff in Gestalt einer Totalresektion. Eine weitere Festlegung habe
er jedoch als spekulativ abgelehnt. Beispielsweise könne eine Zugwirkung an der Schilddrüse sowohl bei einer Teilresektion als auch bei einer Totalresektion auftreten. Letztlich habe der Sachverständige den Eintritt der bilateralen Recurrensparese hier als ein schicksalhaftes, für beide Operationsmaßnahmen auch bei facharztgerechter Behandlung typisches Ereignis bewertet. Dieser Einschätzung folge der Senat. Die Klägerin trage die Beweislast für die Kausalität der wegen des festgestellten Aufklärungsmangels rechtswidrigen Operationserweiterung bzw. des als wahr unterstellten Behandlungsfehlers für die beidseitige Stimmbandlähmung. Das bedeute, daß die Klägerin im Prozess schon dann unterliege, wenn sie nicht beweisen könne, daß die Pflichtverletzung den Schaden verursacht habe bzw. daß der Schadenseintritt ohne die Pflichtverletzung zumindest sehr unwahrscheinlich gewesen wäre. Beweiserleichterungen kämen der Klägerin nicht zugute; auf einen groben Behandlungsfehler könne sie sich nicht berufen.

II.

Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. 1. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wurde die Klägerin nicht ausreichend darüber aufgeklärt, daß während der Operation gegebenenfalls von der Teilresektion der Schilddrüse zu einer Totalresektion überzugehen war. Dies nimmt die Klägerin als ihr günstig hin. Die Bedenken, die die Revisionserwiderung insoweit vorbringt, sind unbegründet. Die Bejahung einer unzureichenden Aufklärung durch das Berufungsgericht beruht auf einer revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden tatrichterlichen Würdigung des Aufklärungs-
bogens, des vom Beklagten dargestellten Inhalts des Aufklärungsgesprächs und der Ausführungen des Sachverständigen. 2. Revisionsrechtlich ist zudem davon auszugehen, daß die behandelnden Ärzte die Entscheidung für eine Totalresektion verfr üht getroffen haben. Denn das Berufungsgericht läßt ausdrücklich dahinstehen, ob insoweit ein Behandlungsfehler festgestellt werden kann oder nicht. 3. Unter diesen Umständen durfte das Berufungsgericht die Klägerin nicht hinsichtlich des Kausalzusammenhangs zwischen der rechtswidrig, weil ohne ausreichende Aufklärung, und zudem auch behandlungsfehlerhaft vorgenommenen Operation und dem erlittenen Gesundheitsschaden als beweisfällig behandeln.
a) Den Ausführungen des Berufungsgerichts könnte - was die Revision zu Recht geltend macht - nicht gefolgt werden, wenn es auf Seite 9 des angefochtenen Urteils hat zum Ausdruck bringen wollen, daß der Arzt nur haftet, wenn sein Fehler die alleinige Ursache für die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Patienten ist. Nach allgemeinem Schadensrecht steht eine Mitursächlichkeit , und sei es auch nur im Sinne eines Auslösers neben erheblichen anderen Umständen, der Alleinursächlichkeit haftungsrechtlich in vollem Umfang gleich. Dies gilt auch für die Arzthaftung (vgl. nur Senatsurteil vom 27. Juni 2000 - VI ZR 201/99 - VersR 2000, 1282 f. m.w.N.). Etwas anderes kann allenfalls in dem - hier nicht vorliegenden - Fall der Teilkausalität gelten, wenn das ärztliche Versagen und ein weiterer, der Behandlungsseite nicht zuzurechnender Umstand abgrenzbar zu einem Schaden geführt haben (vgl. Senatsurteil vom 1. Oktober 1996 - VI ZR 10/96 - VersR 1997, 362, 363 m.w.N.).
b) Rechtsfehlerhaft ist es auch, wenn das Berufungsgericht der Klägerin den Beweis dafür auferlegen will, daß die beabsichtigte rechtmäßige Teilre-
sektion nicht zu denselben Beeinträchtigungen geführt hätte wie die tatsächlich durchgeführte rechtswidrige Operation. Steht fest, daß der Arzt dem Patienten durch rechtswidriges und fehlerhaftes ärztliches Handeln einen Schaden zugefügt hat, so muß der Arzt beweisen, daß der Patient den gleichen Schaden auch bei einem rechtmäßigen und fehlerfreien ärztlichen Handeln erlitten hätte (vgl. Senatsurteile BGHZ 78, 209, 213 ff.; 106, 153, 156; vom 13. Dezember 1988 - VI ZR 22/88 - VersR 1989, 289 f.; vom 15. März 2005 - VI ZR 313/03 - zur Veröffentlichung bestimmt; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht , 4. Aufl., Rn. C 151 m.w.N.). Auch soweit es darum geht, ob es zu einem schadensursächlichen Eingriff auch bei zutreffender Aufklärung des Patienten gekommen wäre, liegt die Beweislast bei der Behandlungsseite (vgl. Senatsurteile BGHZ 29, 176, 187; vom 15. Oktober 1968 - VI ZR 226/67 - VersR 1969, 43, 44; vom 14. April 1981 - VI ZR 39/80 - VersR 1981, 677, 678; vgl. auch die ständige Senatsrechtsprechung zur Beweislast der Behandlungsseite bei der Behauptung hypothetischer Einwilligung des Patienten, z.B. Senatsurteile BGHZ 29, 176, 187; vom 26. Juni 1990 - VI ZR 289/89 - VersR 1990, 1238, 1239 m.w.N.). Dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz, wonach der Schädiger zu beweisen hat, daß sich ein hypothetischer Kausalverlauf bzw. eine Reserveursache ebenso ausgewirkt haben würde wie der tatsächliche Geschehensablauf (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 1992 - VIII ZR 170/91 - VersR 1993, 754, 755 f. m.w.N.; MünchKomm-BGB/Oetker, 4. Aufl., § 249 Rn. 218 m.w.N.). 4. Nach den Ausführungen des Berufungsgerichts lassen die gutachterlichen Äußerungen des Sachverständigen keine ausreichend siche ren Feststellungen dahingehend zu, daß der Gesundheitsschaden der Klägerin auch bei Durchführung einer Teilresektion entstanden wäre. Verbleibt es bei diesem Beweisergebnis , bleibt der Beklagte hinsichtlich der von ihm behaupteten Reserveursache beweisfällig. Dann wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob
und inwieweit die weiteren Voraussetzungen für die geltend gemachten Ansprüche vorliegen.
Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

Der Tatbestand des Urteils liefert Beweis für das mündliche Parteivorbringen. Der Beweis kann nur durch das Sitzungsprotokoll entkräftet werden.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

(1) Wird infolge der Anwendung eines zum Gebrauch bei Menschen bestimmten Arzneimittels, das im Geltungsbereich dieses Gesetzes an den Verbraucher abgegeben wurde und der Pflicht zur Zulassung unterliegt oder durch Rechtsverordnung von der Zulassung befreit worden ist, ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen nicht unerheblich verletzt, so ist der pharmazeutische Unternehmer, der das Arzneimittel im Geltungsbereich dieses Gesetzes in den Verkehr gebracht hat, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen. Die Ersatzpflicht besteht nur, wenn

1.
das Arzneimittel bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen oder
2.
der Schaden infolge einer nicht den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprechenden Kennzeichnung, Fachinformation oder Gebrauchsinformation eingetreten ist.

(2) Ist das angewendete Arzneimittel nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet, den Schaden zu verursachen, so wird vermutet, dass der Schaden durch dieses Arzneimittel verursacht ist. Die Eignung im Einzelfall beurteilt sich nach der Zusammensetzung und der Dosierung des angewendeten Arzneimittels, nach der Art und Dauer seiner bestimmungsgemäßen Anwendung, nach dem zeitlichen Zusammenhang mit dem Schadenseintritt, nach dem Schadensbild und dem gesundheitlichen Zustand des Geschädigten im Zeitpunkt der Anwendung sowie allen sonstigen Gegebenheiten, die im Einzelfall für oder gegen die Schadensverursachung sprechen. Die Vermutung gilt nicht, wenn ein anderer Umstand nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet ist, den Schaden zu verursachen. Ein anderer Umstand liegt nicht in der Anwendung weiterer Arzneimittel, die nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet sind, den Schaden zu verursachen, es sei denn, dass wegen der Anwendung dieser Arzneimittel Ansprüche nach dieser Vorschrift aus anderen Gründen als der fehlenden Ursächlichkeit für den Schaden nicht gegeben sind.

(3) Die Ersatzpflicht des pharmazeutischen Unternehmers nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 ist ausgeschlossen, wenn nach den Umständen davon auszugehen ist, dass die schädlichen Wirkungen des Arzneimittels ihre Ursache nicht im Bereich der Entwicklung und Herstellung haben.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)