Bundesgerichtshof Urteil, 05. Apr. 2005 - VI ZR 216/03

bei uns veröffentlicht am05.04.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 216/03 Verkündet am:
5. April 2005
Böhringer-Mangold,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
,
BGB § 823 Abs. 1 (Aa, Dd, I);
Steht fest, daß der Arzt dem Patienten durch rechtswidriges und fehlerhaftes ärztliches Handeln einen Schaden
zugefügt hat, so muß der Arzt beweisen, daß der Patient den gleichen Schaden auch bei einem rechtmäßigen
und fehlerfreien ärztlichen Handeln erlitten hätte. Die Behandlungsseite muß, sofern ein schadensursächlicher
Eingriff ohne ausreichende vorherige Aufklärung des Patienten erfolgt ist, auch beweisen, daß es zu
dem Eingriff auch bei zutreffender Aufklärung des Patienten gekommen wäre.
BGH, Urteil vom 5. April 2005 - VI ZR 216/03 - OLG Naumburg
LG Halle
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 5. April 2005 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter
Wellner, die Richterin Diederichsen und die Richter Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 10. Juni 2003 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Bei der Klägerin wurde im Jahre 1997 eine beiderseitige Vergrößerung der Schilddrüse mit einem Knoten im Isthmus-Bereich sowie zwei Knoten im rechten Bereich der Schilddrüse (sogenannte Knotenstruma III. Grades) festgestellt. Sie wurde zur operativen Behandlung in dem Kreiskrankenhaus, dessen Träger der Beklagte ist, aufgenommen. Am Tag vor der Operation wurde sie über den Verlauf einer teilweisen Entfernung der Schilddrüse sowie die daraus resultierenden Risiken aufgeklärt. Am Morgen des 29. Mai 1997 wurde die
Schilddrüse der Klägerin operativ unter Darstellung der Stimmbandnerven vollständig entfernt. In der Folge ergaben sich Komplikationen, die zu einer beidseitigen Stimmbandlähmung bei der Klägerin führten. Infolge dieser hat die Klägerin bereits im Ruhezustand Atembeschwerden, die sich bei körperlichen Aktivitäten verstärken. Sie kann nur noch flüsternd sprechen. Die Klägerin macht geltend, die Schilddrüsenoperation sei wegen unzureichender Aufklärung rechtswidrig erfolgt und zudem fehlerhaft durchgeführt worden. Sie begehrt deshalb von dem Beklagten Schmerzensgeld, Ersatz ihres materiellen Schadens und Feststellung der weiteren Ersatzpflicht des Beklagten. Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Das Berufungsgericht hat sie unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin auf die Berufung des Beklagten in vollem Umfang abgewiesen. Dagegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision der Klägerin, mit der sie die im Berufungsverfahren gestellten Anträge weiter verfolgt.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht führt aus, ein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten sei schon dem Grunde nach nicht gegeben; er scheitere jedenfalls daran, daß die Klägerin den Nachweis eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen einem pflichtwidrigen Verhalten der sie behandelnden Ärzte im Krankenhaus des Beklagten und der bei ihr eingetretenen beidseitigen Stimmbandlähmung nicht führen könne.
Allerdings hätten die behandelnden Ärzte die Kläger in inhaltlich nicht ausreichend über den beabsichtigten operativen Eingriff und dessen Risiken aufgeklärt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei davon auszugehen, daß der der Klägerin im Rahmen der Eingriffs- und Risikoaufklärung gegebene pauschale Hinweis auf eine Operationserweiterung während der Operation hier nicht genügt habe. Präoperativ sei die Durchführung einer Teilresektion der Schilddrüse indiziert und an der Wahl dieser indizierten Behandlungsmaßnahme sei die Aufklärung zunächst auszurichten gewesen; insoweit sei die Aufklärung , was durch die von dem Beklagten vorgelegten Krankenunterlagen bewiesen sei, auch inhaltlich ausreichend erfolgt. Im vorliegenden Fall sei aber eine intraoperative Operationserweiterung hin zu einer Totalresektion des Schilddrüsengewebes auch aus präoperativer Sicht der behandelnden Ärzte ernsthaft in Betracht gekommen, weshalb die Klägerin in eine solche konkrete Option auch habe eingeweiht werden müssen. Zwar sei das Behandlungsrisiko, insbesondere dasjenige von Nachblutungen bzw. der Verletzung eines oder beider Stimmbandnerven , sowohl bei einer Teil- als auch bei einer Totalresektion des Schilddrüsengewebes jeweils als gering einzuschätzen. Doch seien die Risiken einer Totalresektion signifikant höher als bei einer Teilresektion. Eine dahin gehende Aufklärung der Klägerin hätten die behandelnden Ärzte schon nach dem Sachvorbringen des Beklagten nicht vorgenommen. Ob die die Klägerin behandelnden Ärzte die Indikati on für eine Totalresektion des Schilddrüsengewebes während der Operation verfrüht, d.h. auf unzureichender Entscheidungsgrundlage, getroffen hätten oder nicht, könne offen bleiben. Unter Zugrundelegung der Zeugenaussagen der beiden behandelnden Ärzte sei die Entscheidung zur totalen Ausräumung des Schi lddrüsengewebes aus fachärztlicher Sicht geboten gewesen. Unter Zugrundelegung des Operationsberichts hingegen hätten die behandelnden Ärzte die Indikation für eine To-
talresektion zumindest verfrüht gestellt. Selbst wenn man davon ausgehe, sei aber ein Arzthaftungsanspruch der Klägerin nicht begründet. Der Klägerin sei der Nachweis nicht gelungen, daß die bei ihr eingetretene beidseitige Stimmbandlähmung allein darauf zurückzuführen sei, daß die als Teilresektion begonnene Operation intraoperativ zu einer totalen Entfernung des Schilddrüsengewebes erweitert wurde. Wie bereits das erstinstanzliche Gericht auf der Grundlage sachverständiger Beratung zutreffend festgestellt habe, sei eine Teilentfernung des Schilddrüsengewebes der Klägerin, nämlich zumindest im rechten und im Isthmus-Bereich, sowohl aus chirurgischer als auch aus internistischer und nuklearmedizinischer Sicht absolut indiziert gewesen. In eine solche Operation habe die Klägerin wirksam eingewilligt. Mit dem gerichtlichen Sachverständigen sei davon auszugehen, daß die beidseitige Stimmbandlähmung der Klägerin dadurch entstanden sei, daß sich in der Nähe des Operationsgebietes eine Nachblutung eingestellt und entweder zur Herausbildung eines Hämatoms oder zur Einblutung in das Nervenhüllgewebe geführt habe. Hinsichtlich der Ursache der Nachblutung, einer kontinuierlich blutenden Vene unterhalb der bei der Erstoperation eröffneten Grenzlamelle , sei nach den nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu beantworten , ob diese auch bei einer nur teilweisen Entfernung der Schilddrüse eingetreten wäre. Diese nicht überwindbare Unsicherheit bei der Aufklärung des tatsächlichen Behandlungsverlaufs gehe nach den zivilrechtlichen Grundsätzen der Beweislastverteilung im Arzthaftungsprozeß zu Lasten der Klägerin, die aus der behaupteten Kausalität einen Schadensersatzanspruch herleiten wolle. Zwar habe der Sachverständige ausgeführt, daß die vorbeschriebene Nachblutung bei einer Teilresektion „nicht so wahrscheinlich" sei, wie bei dem umfangreicheren Eingriff in Gestalt einer Totalresektion. Eine weitere Festlegung habe
er jedoch als spekulativ abgelehnt. Beispielsweise könne eine Zugwirkung an der Schilddrüse sowohl bei einer Teilresektion als auch bei einer Totalresektion auftreten. Letztlich habe der Sachverständige den Eintritt der bilateralen Recurrensparese hier als ein schicksalhaftes, für beide Operationsmaßnahmen auch bei facharztgerechter Behandlung typisches Ereignis bewertet. Dieser Einschätzung folge der Senat. Die Klägerin trage die Beweislast für die Kausalität der wegen des festgestellten Aufklärungsmangels rechtswidrigen Operationserweiterung bzw. des als wahr unterstellten Behandlungsfehlers für die beidseitige Stimmbandlähmung. Das bedeute, daß die Klägerin im Prozess schon dann unterliege, wenn sie nicht beweisen könne, daß die Pflichtverletzung den Schaden verursacht habe bzw. daß der Schadenseintritt ohne die Pflichtverletzung zumindest sehr unwahrscheinlich gewesen wäre. Beweiserleichterungen kämen der Klägerin nicht zugute; auf einen groben Behandlungsfehler könne sie sich nicht berufen.

II.

Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. 1. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wurde die Klägerin nicht ausreichend darüber aufgeklärt, daß während der Operation gegebenenfalls von der Teilresektion der Schilddrüse zu einer Totalresektion überzugehen war. Dies nimmt die Klägerin als ihr günstig hin. Die Bedenken, die die Revisionserwiderung insoweit vorbringt, sind unbegründet. Die Bejahung einer unzureichenden Aufklärung durch das Berufungsgericht beruht auf einer revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden tatrichterlichen Würdigung des Aufklärungs-
bogens, des vom Beklagten dargestellten Inhalts des Aufklärungsgesprächs und der Ausführungen des Sachverständigen. 2. Revisionsrechtlich ist zudem davon auszugehen, daß die behandelnden Ärzte die Entscheidung für eine Totalresektion verfr üht getroffen haben. Denn das Berufungsgericht läßt ausdrücklich dahinstehen, ob insoweit ein Behandlungsfehler festgestellt werden kann oder nicht. 3. Unter diesen Umständen durfte das Berufungsgericht die Klägerin nicht hinsichtlich des Kausalzusammenhangs zwischen der rechtswidrig, weil ohne ausreichende Aufklärung, und zudem auch behandlungsfehlerhaft vorgenommenen Operation und dem erlittenen Gesundheitsschaden als beweisfällig behandeln.
a) Den Ausführungen des Berufungsgerichts könnte - was die Revision zu Recht geltend macht - nicht gefolgt werden, wenn es auf Seite 9 des angefochtenen Urteils hat zum Ausdruck bringen wollen, daß der Arzt nur haftet, wenn sein Fehler die alleinige Ursache für die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Patienten ist. Nach allgemeinem Schadensrecht steht eine Mitursächlichkeit , und sei es auch nur im Sinne eines Auslösers neben erheblichen anderen Umständen, der Alleinursächlichkeit haftungsrechtlich in vollem Umfang gleich. Dies gilt auch für die Arzthaftung (vgl. nur Senatsurteil vom 27. Juni 2000 - VI ZR 201/99 - VersR 2000, 1282 f. m.w.N.). Etwas anderes kann allenfalls in dem - hier nicht vorliegenden - Fall der Teilkausalität gelten, wenn das ärztliche Versagen und ein weiterer, der Behandlungsseite nicht zuzurechnender Umstand abgrenzbar zu einem Schaden geführt haben (vgl. Senatsurteil vom 1. Oktober 1996 - VI ZR 10/96 - VersR 1997, 362, 363 m.w.N.).
b) Rechtsfehlerhaft ist es auch, wenn das Berufungsgericht der Klägerin den Beweis dafür auferlegen will, daß die beabsichtigte rechtmäßige Teilre-
sektion nicht zu denselben Beeinträchtigungen geführt hätte wie die tatsächlich durchgeführte rechtswidrige Operation. Steht fest, daß der Arzt dem Patienten durch rechtswidriges und fehlerhaftes ärztliches Handeln einen Schaden zugefügt hat, so muß der Arzt beweisen, daß der Patient den gleichen Schaden auch bei einem rechtmäßigen und fehlerfreien ärztlichen Handeln erlitten hätte (vgl. Senatsurteile BGHZ 78, 209, 213 ff.; 106, 153, 156; vom 13. Dezember 1988 - VI ZR 22/88 - VersR 1989, 289 f.; vom 15. März 2005 - VI ZR 313/03 - zur Veröffentlichung bestimmt; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht , 4. Aufl., Rn. C 151 m.w.N.). Auch soweit es darum geht, ob es zu einem schadensursächlichen Eingriff auch bei zutreffender Aufklärung des Patienten gekommen wäre, liegt die Beweislast bei der Behandlungsseite (vgl. Senatsurteile BGHZ 29, 176, 187; vom 15. Oktober 1968 - VI ZR 226/67 - VersR 1969, 43, 44; vom 14. April 1981 - VI ZR 39/80 - VersR 1981, 677, 678; vgl. auch die ständige Senatsrechtsprechung zur Beweislast der Behandlungsseite bei der Behauptung hypothetischer Einwilligung des Patienten, z.B. Senatsurteile BGHZ 29, 176, 187; vom 26. Juni 1990 - VI ZR 289/89 - VersR 1990, 1238, 1239 m.w.N.). Dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz, wonach der Schädiger zu beweisen hat, daß sich ein hypothetischer Kausalverlauf bzw. eine Reserveursache ebenso ausgewirkt haben würde wie der tatsächliche Geschehensablauf (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 1992 - VIII ZR 170/91 - VersR 1993, 754, 755 f. m.w.N.; MünchKomm-BGB/Oetker, 4. Aufl., § 249 Rn. 218 m.w.N.). 4. Nach den Ausführungen des Berufungsgerichts lassen die gutachterlichen Äußerungen des Sachverständigen keine ausreichend siche ren Feststellungen dahingehend zu, daß der Gesundheitsschaden der Klägerin auch bei Durchführung einer Teilresektion entstanden wäre. Verbleibt es bei diesem Beweisergebnis , bleibt der Beklagte hinsichtlich der von ihm behaupteten Reserveursache beweisfällig. Dann wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob
und inwieweit die weiteren Voraussetzungen für die geltend gemachten Ansprüche vorliegen.
Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 823 Schadensersatzpflicht


(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (2) Di

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

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(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 313/03 Verkündet am:
15. März 2005
Böhringer-Mangold
Justizhauptsekretärin,
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 823 Aa; § 249 Bb

a) Auch die Aufklärung über bestehende unterschiedliche Behandlungsmöglichkeiten
dient dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten und ist daher Voraussetzung
einer rechtmäßigen Behandlung.

b) Die Frage, ob eine bestehende andere Behandlungsmöglichkeit zu einem besseren
Behandlungsergebnis geführt hätte, betrifft regelmäßig den hypothetischen
Kausalverlauf im Falle des rechtmäßigen Alternativverhaltens.
BGH, Urteil vom 15. März 2005 - VI ZR 313/03 - OLG Nürnberg
LG Nürnberg-Fürth
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. März 2005 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller und die Richter
Dr. Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 10. Oktober 2003 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin war vom 16. Dezember 1996 bis 18. Februar 1997 nach einem im Krankenhaus konservativ versorgten Bruch in der Nähe des rechten Handgelenks in ärztlicher Betreuung des Beklagten. Der Bruch ist in Fehlstellung verheilt. Die Klägerin beanstandet, der Beklagte habe ein fortschreitendes Abkippen des Bruchs bemerkt, aber sie trotz der Gefahr einer bleibenden Funktionsbeeinträchtigung des Handgelenks nicht auf die weiteren Behandlungsmöglichkeiten einer (unblutigen) erneuten Reposition oder einer Operation des Bruchs hingewiesen. Sie begehrt ein Schmerzensgeld, das sie in Höhe von 40.000 DM für angemessen hält, Ersatz materiellen Schadens in Höhe von 34.081,97 € sowie die Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zum Ersatz zukünftigen materiellen und immateriellen Schadens. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt sie ihr Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe:


I.

Das Berufungsgericht führt zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen aus, der Beklagte habe die Klägerin spätestens am 23. Dezember 1996 darauf hinweisen müssen, daß statt der weiteren konservativen Behandlung auch eine erneute Reposition oder eine Operation des Bruchs in Erwägung zu ziehen sei. Der Beklagte habe zwar von einer Erörterung dieser Möglichkeiten mit der Klägerin abgesehen. Das führe aber nicht zu seiner Haftung. Die unterlassene Erörterung der anderweitigen Therapiemöglichkeiten habe nur dann haftungsrechtliche Folgen für den Beklagten, wenn die Klägerin nachweise , daß sie sich für einen Eingriff entschieden hätte und daß auf diesem Wege die beklagten Folgen auch vermieden worden wären. Diesen Nachweis habe sie nicht geführt. Zum einen sei die Fortsetzung der konservativen Behandlung nicht fehlerhaft gewesen. So habe nicht die konkrete Erwartung bestanden, daß bei Fortsetzung der konservativen Behandlung das rechte Handgelenk optisch und wahrscheinlich auch funktionell nicht habe wiederhergestellt werden können. Zum anderen sei völlig offen, für welche Behandlungsmethode sich die Klägerin nach ordnungsgemäßer Aufklärung entschieden haben würde. Selbst wenn davon auszugehen sei, daß sie den operativen Eingriff gewählt hätte, sei jedenfalls nicht bewiesen, daß dieser zu einem besseren Ergebnis geführt hätte. Er sei nicht nur mit einem statistischen Risiko der Wundheilungsstörung behaftet gewesen. Durch eine Operation habe zwar eine anatomisch einwandfreie Gelenkstellung erreicht werden können, doch sei dieses Ergebnis nicht sicher
gewesen, weil es auch zu einem Morbus Sudeck habe kommen können. Der Sachverständige habe zudem die Gefahr einer bleibenden Funktionsbeeinträchtigung des Gelenks auch für den Fall einer Operation nicht ausschließen können.

II.

Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision gegen die Verneinung einer Haftung wegen Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht nicht stand. 1. Allerdings geht das Berufungsgericht im Ansatzpunkt ohne Rechtsfehler davon aus, daß es Pflicht des behandelnden Arztes ist, den Patienten über die in seinem Fall bestehenden Behandlungsmöglichkeiten mit wesentlich unterschiedlichen Risiken oder wesentlich unterschiedlichen Erfolgsaussichten in Kenntnis zu setzen und ihm als Subjekt der Behandlung die Wahl zwischen den gleichermaßen medizinisch indizierten Behandlungsmethoden zu überlassen. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist die Wahl der Behandlungsmethode zwar primär Sache des Arztes. Gibt es indessen mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Behandlungsmethoden, die wesentlich unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen aufweisen, besteht mithin eine echte Wahlmöglichkeit für den Patienten, dann muß diesem nach entsprechend vollständiger ärztlicher Aufklärung die Entscheidung überlassen bleiben, auf welchem Wege die Behandlung erfolgen soll und auf welches Risiko er sich einlassen will (vgl. Senatsurteile BGHZ 102, 17, 22; vom 24. November 1987 - VI ZR 65/87 - VersR 1988, 190, 191 - je m.w.N.). Es geht dabei um die dem Patienten geschuldete Selbstbestimmungsaufklärung oder
Risikoaufklärung (vgl. BGHZ aaO; Laufs in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, 3. Aufl., § 63 Rdn. 21 ff.) und nicht um therapeutische Aufklärung (Sicherungsaufklärung). Die Pflicht zur Selbstbestimmungsaufklärung ist in gleicher Weise Nebenpflicht des Behandlungsvertrags wie Ausfluß der Garantenstellung des Arztes (vgl. Senatsurteile vom 22. April 1980 - VI ZR 37/79 - VersR 1981, 456, 457; vom 8. Mai 1990 - VI ZR 227/89 - VersR 1990, 1010, 1011).
a) Die Voraussetzungen für eine Beteiligung der Klägerin an der Therapiewahl lagen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts vor. Wie das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang ausführt, war die Fortsetzung der konservativen Behandlung nach dem 23. Dezember 1996 zwar nicht fehlerhaft, sondern eine von mehreren Möglichkeiten zur Behandlung des Bruchs. Dem angefochtenen Urteil ist auch zu entnehmen, daß das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Sachverständigen K. der Behandlung mittels (unblutiger) Reposition oder operativer Neueinrichtung des Bruchs wesentlich unterschiedliche Risiken und Erfolgsaussichten beimißt, die der Klägerin eine echte Wahlmöglichkeit eröffneten und daher ihre Beteiligung an der Therapiewahl erforderten. Das Berufungsgericht geht deshalb mit dem Sachverständigen K. davon aus, der Beklagte habe spätestens am 23. Dezember 1996 die Klägerin darauf hinweisen müssen, daß statt einer Fortsetzung der konservativen Behandlung auch eine erneute Reposition oder eine Operation des Bruchs in Erwägung zu ziehen gewesen wäre, weil einerseits infolge des "abgekippten" Bruchs und eines gelenknahen Knochenbruchstücks die Gefahr einer bleibenden Funktionsbeeinträchtigung des rechten Handgelenks, andererseits aber bei erneuter (unblutiger) Reposition oder Operation die Gefahr eines Morbus Sudeck bestand. Das Berufungsgericht hat dies ersichtlich als unterschiedliche Risiken und unterschiedliche Erfolgschancen
gewertet. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden und wird von der Revision als ihr günstig nicht angegriffen.
b) Unter diesen vom Berufungsgericht festgestellten Umständen war der Beklagte spätestens am 23. Dezember 1996 verpflichtet, die Klägerin nicht nur davon in Kenntnis zu setzen, daß der Bruch in Fehlstellung zu verheilen drohte (sog. Diagnoseaufklärung, vgl. zuletzt BVerfG, Beschluß der 2. Kammer des 1. Senats vom 18. November 2004 - 1 BvR 2315/04 - EuGRZ 2004, 805, 806), sondern auch davon, daß eine bei Fortsetzung der konservativen Behandlung drohende Funktionseinschränkung des Handgelenks möglicherweise durch eine erneute (unblutige) Reposition oder durch eine primäre operative Neueinrichtung des Bruchs vermieden werden könne, ihr die Chancen und Risiken dieser möglichen unterschiedlichen Behandlungsmethoden zu erläutern und sodann zusammen mit ihr die Wahl der Therapie zu treffen. Der Beklagte hat jedoch die der Klägerin eröffnete Wahl ohne ordnungsgemäße Beteiligung der Patientin allein getroffen und die konservative Behandlung fortgesetzt. Die Behandlung der Klägerin erfolgte hiernach ohne ihre wirksame Einwilligung, war rechtswidrig und vom Beklagten zu vertreten (§ 276 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F.). Der Beklagte haftet daher für die aus dieser rechtswidrigen Behandlung entstandenen und entstehenden Folgen. 2. Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, das Unterlassen der Aufklärung über die Behandlungsalternativen habe nur dann haftungsrechtliche Folgen für den Beklagten, wenn die Klägerin den Nachweis führen könne, daß sie sich für eine (unblutige) Reposition oder einen operativen Eingriff entschieden und die gewählte Behandlung die beklagten Folgen vermieden hätte.
a) Das läßt den Umstand außer Acht, daß die Klägerin in die Behandlung ohne vollständige Aufklärung über die verschiedenen Behandlungsmöglichkei-
ten und deren Erfolgsaussichten und Gefahren nicht wirksam eingewilligt hat. Erst eine nach vollständiger und gewissenhafter Aufklärung des Patienten wirksame Einwilligung ("informed consent") macht den Eingriff in seine körperliche Integrität rechtmäßig (vgl. Senatsurteil vom 28. Februar 1984 - VI ZR 70/82 - VersR 1984, 538, 539). Das gilt auch dann, wenn die Behandlung - wie hier - in der eigenverantwortlichen Fortsetzung einer von anderer Seite begonnenen Therapie besteht.
b) Die Revision beanstandet mit Erfolg, daß das Berufungsgericht ohne persönliche Anhörung der Klägerin Vermutungen darüber angestellt hat, wie diese sich entschieden hätte. Selbst wenn der Beklagte sich - was dem angefochtenen Urteil allerdings nicht zu entnehmen ist - auf den Einwand einer hypothetischen Einwilligung berufen und vorgetragen haben sollte, daß die Klägerin auch nach ordnungsgemäßer Aufklärung in die Fortsetzung der konservativen Behandlung eingewilligt hätte, hätte das Berufungsgericht zwar diesen Einwand des Arztes beachten , aber auch die Beweislastverteilung berücksichtigen müssen (vgl. Senatsurteil vom 9. November 1993 - VI ZR 248/92 - VersR 1994, 682, 684). Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats ist in den Fällen, in denen der Patient aus einem Aufklärungsversäumnis des Arztes Ersatzansprüche ableitet , die Behauptungs- und Beweislast auf beide Prozeßparteien verteilt. Die Behauptungs- und Beweislast dafür, daß sich der Patient auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung zu der tatsächlich durchgeführten Behandlung entschlossen hätte, trifft nicht den Patienten, sondern den Arzt. Der Arzt ist jedoch erst dann beweisbelastet, wenn der Patient zur Überzeugung des Tatrichters plausibel macht, daß er - wären ihm rechtzeitig die Risiken der Behandlung verdeutlicht worden - vor einem echten Entscheidungskonflikt gestanden hätte (vgl. Senatsurteil vom 14. Juni 1994 - VI ZR 260/93 - VersR 1994, 1302). Das
gilt in gleicher Weise, wenn der Arzt den Patienten über mehrere, aus medizinischer Sicht indizierte Behandlungsmöglichkeiten mit unterschiedlichen Erfolgsaussichten und Risiken aufzuklären hat. Auch diese Aufklärung über die bestehenden unterschiedlichen Behandlungsmöglichkeiten dient - wie erwähnt - dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten und ist daher Voraussetzung einer rechtmäßigen Behandlung. Im Rahmen der dem Tatrichter obliegenden Prüfung der Plausibilität eines Entscheidungskonflikts kommt es allein auf die persönliche Entscheidungssituation des konkreten Patienten aus damaliger Sicht an, nicht dagegen darauf , ob ein "vernünftiger" Patient dem entsprechenden ärztlichen Rat gefolgt wäre (vgl. Senatsurteile vom 9. November 1993 - VI ZR 248/92 - aaO; vom 2. März 1993 - VI ZR 104/92 - VersR 1993, 749, 750). Feststellungen hierzu darf das Berufungsgericht grundsätzlich nicht ohne persönliche Anhörung des Patienten treffen (vgl. Senatsurteile vom 17. März 1998 - VI ZR 74/97 - VersR 1998, 766, 767; vom 4. April 1995 - VI ZR 95/94 - VersR 1995, 1055, 1057; vom 14. Juni 1994 - VI ZR 260/93 - aaO; vom 14. Juni 1994 - VI ZR 178/93 - VersR 1994, 1235, 1237). Maßgebend ist insoweit nicht, wie sich der Patient entschieden hätte. Ausreichend ist, daß er durch die Aufklärung in einen echten Entscheidungskonflikt geraten wäre. Das wird das Berufungsgericht bei entsprechendem Vortrag der Parteien zu beachten haben. 3. Soweit dem Berufungsurteil die Auffassung zugrundeliegt, die Klägerin müsse beweisen, daß eine (unblutige) Reposition oder eine Operation den eingetretenen Schaden verhindert hätte, beruht es auf einer Verkennung der Beweislast.
a) Die Revision beanstandet zwar ohne Erfolg, daß das Berufungsgericht den Nachweis der Kausalität dem Beweismaß des § 286 Abs. 1 ZPO, nicht dem
des § 287 Abs. 1 ZPO unterstellt hat. Es geht im zu entscheidenden Fall um die haftungsbegründende, nicht um die haftungsausfüllende Kausalität. Anders als in dem der Entscheidung des erkennenden Senats vom 13. Januar 1987 (- VI ZR 82/86 - VersR 1987, 667) zugrundeliegenden Sachverhalt sind hier nicht vermehrte Schmerzen der Klägerin als Sekundärschäden im Streit. Die Fortsetzung der konservativen Behandlung war nicht der "erste Verletzungserfolg" (Primärschaden), der es gestatten würde, die Funktionsbeeinträchtigungen des Handgelenks als bloße Folgeschäden anzusehen. Die Beeinträchtigungen des Handgelenks sind vielmehr der Schaden in seiner konkreten Ausprägung und damit der Primärschaden (vgl. Senatsurteil vom 21. Juli 1998 - VI ZR 15/98 - VersR 1998, 1153, 1154), für den der Ursachenzusammenhang mit dem Aufklärungsfehler nach § 286 Abs. 1 ZPO nachzuweisen ist.
b) Das Berufungsgericht verkennt aber, daß die Frage, ob eine Reposition oder eine Operation zu einem besseren Ergebnis geführt hätte, nicht die Kausalität der tatsächlich durchgeführten konservativen Behandlung für den eingetretenen Schaden, sondern einen hypothetischen Kausalverlauf im Falle des rechtmäßigen Alternativverhaltens betrifft, für den der Beklagte beweispflichtig ist (vgl. Senatsurteile BGHZ 106, 153, 156; vom 10. Juli 1959 - VI ZR 87/58 - VersR 1959, 811, 812; vom 14. April 1981 - VI ZR 39/80 - VersR 1981, 677, 678; vom 13. Januar 1987 - VI ZR 82/86 - VersR 1987, 667, 668; vom 13. Dezember 1988 - VI ZR 22/88 - VersR 1989, 289, 290). aa) Für das Revisionsverfahren ist davon auszugehen, daß die geklagten Beschwerden (entsprechend dem tatsächlichen Verlauf der Behandlung) zumindest mit auf der Fortsetzung der konservativen Behandlung beruhen. Diese Behandlung sollte u.a. dazu dienen, eine Fehlstellung des Bruchs und eine Funktionsbeeinträchtigung des Handgelenks möglichst zu vermeiden. Dazu war sie nach fortgeschrittenem Abkippen des Bruchs und der fehlenden Rückverla-
gerung des abgesprengten Knochenstücks ab dem 23. Dezember 1996 jedoch nicht mehr geeignet. Dementsprechend hat die Fehlstellung in der Folge noch zugenommen und das Knochenstück ist nicht "zurückgerutscht". bb) Der Ansicht des Berufungsgerichts, das sei deswegen unbeachtlich, weil das Ergebnis auch nach einer operativen Behandlung möglicherweise nicht anders gewesen wäre, liegt ersichtlich die Annahme eines hypothetischen Kausalverlaufs im Falle des rechtmäßigen Alternativverhaltens zugrunde, für den die Behandlungsseite beweispflichtig ist. Diese kann zwar geltend machen, der gleiche Gesundheitsschaden wäre auch nach einer Reposition oder einer primären Operation entstanden, wenn eine dieser Behandlungsmethoden gewählt worden wäre. Nur dann aber, wenn dieser Verlauf feststünde, könnte die Haftung des Beklagten für die Folgen seiner rechtswidrigen Vorgehensweise verneint werden. Dieses Beweisrisiko geht nämlich zu Lasten des Beklagten, der dementsprechend nicht nur die Möglichkeit eines solchen Verlaufs, sondern beweisen müßte, daß derselbe Mißerfolg auch nach Wahl einer solchen anderen Behandlungsmethode eingetreten wäre (vgl. Senatsurteile BGHZ 106, 153, 156; vom 14. April 1981 - VI ZR 39/80 - aaO; vom 13. Dezember 1988 - VI ZR 22/88 - aaO; BGH, BGHZ 63, 319, 325; 120, 281, 287).

III.

Nach alldem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der erkennende Senat ist an einer eigenen Entscheidung gehindert , weil es nach den vorstehenden Ausführungen weiterer Feststellungen des
Berufungsgerichts bedarf. Die Sache ist deshalb zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Müller Greiner Wellner
Pauge Stöhr