vorgehend
Amtsgericht Gelnhausen, 51 C 320/05, 16.12.2005
Landgericht Hanau, 2 S 13/06, 09.06.2006

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 150/06 Verkündet am:
15. Mai 2007
Böhringer-Mangold,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Eine Schmerzensgeldrente kann im Hinblick auf den gestiegenen Lebenshaltungskostenindex
abgeändert werden, wenn eine Abwägung aller Umstände des
Einzelfalls ergibt, dass die bisher gezahlte Rente ihre Funktion eines billigen
Schadensausgleichs nicht mehr erfüllt.
Falls nicht besondere zusätzliche Umstände vorliegen, ist die Abänderung einer
Schmerzensgeldrente bei einer unter 25% liegenden Steigerung des Lebenshaltungskostenindexes
in der Regel nicht gerechtfertigt.

b) Eine auf Abänderung einer Schmerzensgeldrente gerichtete Klage, welche auf die
Steigerung der Lebenshaltungskosten gestützt wird, kann in der Regel nicht mit
der Begründung abgewiesen werden, der bei der Berechnung der Rente zugrunde
gelegte gesamte Kapitalbetrag des Schmerzensgeldes sei inzwischen ausbezahlt
worden.
BGH, Urteil vom 15. Mai 2007 - VI ZR 150/06 - LG Hanau
AG Gelnhausen
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. Mai 2007 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller und die Richter
Dr. Greiner, Wellner, Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Hanau vom 9. Juni 2006 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien streiten um die Anpassung einer Schmerzensgeldrente an die gestiegenen Lebenshaltungskosten.
2
Die Klägerin wurde im März 1991 im Alter von sieben Jahren bei einem Unfall durch eine von der Beklagten betriebene Kleinbahn schwer verletzt. Ihr mussten zunächst beide Unterschenkel amputiert werden. Die Beklagte wurde deshalb durch Urteile des Landgerichts Hanau vom 1. Juli 1992 und des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 4. Mai 1994 zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 170.000,00 DM und einer monatlichen Schmerzensgeldrente in Höhe von 300,00 DM, zahlbar ab dem 1. Oktober 1991, verurteilt. Nach den Ausführungen des Oberlandesgerichts entspricht die Rente kapitalisiert einem weiteren Schmerzensgeld in Höhe von 70.000,00 DM. Wegen einer nachfolgenden Amputation im Bereich des rechten Beins verglichen sich die Parteien in einem erneuten Rechtsstreit 1998 auf Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes in Höhe von 40.000,00 DM. Mit der vorliegenden, im Juli 2005 erhobenen Klage verlangt die Klägerin unter Berufung auf § 323 ZPO eine billige Erhöhung des Rentenbetrages. Sie behauptet dazu, seit der Verurteilung durch das Oberlandesgericht im Jahre 1994 sei der Lebenshaltungskostenindex um 16,25% gestiegen, und ist der Ansicht, dass deshalb eine Erhöhung der Rente um mindestens 25,00 bis 30,00 € gerechtfertigt sei.
3
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Nach Auffassung des Berufungsgerichts kann dahin stehen, ob eine wesentliche Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne des § 323 ZPO auch in einer gravierenden Erhöhung des Lebenshaltungskostenindexes gesehen werden kann. Es meint, jedenfalls liege eine gravierende Veränderung hier nicht vor. Da nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Dynamisierung einer Schmerzensgeldrente nach Maßgabe der Veränderungen des Lebenshaltungskostenindexes nicht zulässig sei, könne eine Abänderungsklage nur bei einer außergewöhnlichen, nicht mehr hinnehmbaren Steigerung des Indexes Erfolg haben. Eine solche Steigerung liege hier nicht vor unabhängig davon , ob man die von der Klägerin genannte Steigerung von 16,25% oder die von der Beklagten genannte Steigerung von 10,70% zugrunde lege.

II.

5
Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision jedenfalls im Ergebnis stand.
6
1. Ohne Rechtsfehler geht das Berufungsgericht davon aus, dass grundsätzlich auch Schmerzensgeldrenten bei einer wesentlichen Veränderung der Verhältnisse nach Maßgabe des § 323 ZPO angepasst werden können (GSZ, BGHZ 18, 149, 167; Senatsurteil vom 8. Juni 1976 - VI ZR 216/74 - VersR 1976, 967, 969; Geigel/Pardey, Der Haftpflichtprozess, 24. Aufl.; Kap. 7 Rn. 22; MünchKomm-BGB/Oetker, 4. Aufl., § 253 Rn. 62; Halm/Scheffler, DAR 2004, 71, 75; Notthoff, VersR 2003, 966, 970).
7
Fraglich ist allerdings, ob auch ein Anstieg des Lebenshaltungskostenindexes Auslöser für eine Abänderung der Schmerzensgeldrente nach Maßgabe des § 323 ZPO sein kann. Dies wird teilweise bejaht (z.B. OLG Nürnberg, VersR 1992, 623; MünchKomm-BGB/Oetker, aaO; Halm/Scheffler, aaO, S. 76), teilweise verneint (z.B. OLG Düsseldorf, ZfS 1986, 5; Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 9. Aufl., Rn. 301; Diehl, ZfS 2002, 431). Die ablehnende Ansicht stützt sich u.a. auf das Urteil des erkennenden Senats vom 3. Juli 1973 (VI ZR 60/72 - VersR 1973, 1067, 1068), in dem ausgeführt ist, eine "dynamische" Schmerzensgeldrente durch Koppelung mit dem amtlichen Lebenshaltungskostenindex könne schon deshalb nicht zugebilligt werden, weil sie die Funktion der Rente als eines billigen Ausgleichs in Geld nicht zu gewährleisten vermöge; die Koppelung der Schmerzensgeldrente an die Werte des Lebenshaltungsindexes sei als untaugliches Mittel dafür zu erachten, dieser Rente im Zuge der künftigen Währungsentwicklung den Charakter der gesetzlich vorgesehenen "billigen Entschädigung in Geld" zu erhalten, weil Vermö- genswerte einerseits und der Wert von Gesundheit und seelischem Wohlbefinden andererseits ihrer Natur nach von vornherein inkommensurabel seien.
8
2. Ob und gegebenenfalls inwieweit die gelegentlich daran geäußerte Kritik (vgl. Jaeger/Luckey, Schmerzensgeld, 3. Aufl., Rn. 115 f.; Halm/Scheffler, aaO, S. 74) gerechtfertigt ist, muss hier nicht erörtert werden. Die Erwägungen, die für die Ablehnung einer von "vornherein dynamisierten" Schmerzensgeldrente sprechen, sind nicht unmittelbar auf die hier vorliegende Fragestellung zu übertragen, bei der es darum geht, ob eine wesentliche Veränderung der Lebenshaltungskosten die der Rentenzahlung zugedachte Funktion wesentlich entwerten und deshalb eine Anpassung der Rente geradezu fordern kann. Diese Frage ist grundsätzlich zu bejahen. Der erkennende Senat hat bereits früher im Zusammenhang mit der Erörterung der Anforderungen an die Kapitalisierung einer Verdienstausfallrente darauf hingewiesen, dass die wirtschaftliche Entwicklung für einen gerechten Schadensausgleich durchaus in Betracht gezogen werden muss (BGHZ 79, 187, 199 f.). Dies gilt grundsätzlich auch für Schmerzensgeldrenten. Auch wenn der Wert von Gesundheit und seelischem Wohlbefinden mit Vermögenswerten grundsätzlich inkommensurabel ist, soll doch der Geschädigte durch die Zubilligung von Schmerzensgeld in die Lage versetzt werden, sich Erleichterungen und andere Annehmlichkeiten zu verschaffen, die Beschwernisse, die er durch die immaterielle Beeinträchtigung erfährt, lindern. Diese Ausgleichsmöglichkeit kann aber für den Geschädigten gemindert oder gar wertlos werden, wenn der Geldwert in erheblichem Maße sinkt (vgl. OLG Nürnberg VersR 1992, 623 f.; Halm/Scheffler, aaO, S. 76).
9
Doch ist dem Berufungsgericht darin zuzustimmen, dass eine Abänderung nur unter besonderen Umständen in Betracht kommt. Erforderlich ist, dass eine ganz erhebliche Steigerung der Lebenshaltungskosten vorliegt und die zugesprochene Rente deshalb nicht mehr als "billiger" Ausgleich der immateriel- len Beeinträchtigungen des Geschädigten angesehen werden kann. Dabei lässt sich die Frage, ob ein Abänderungsgrund vorliegt, nicht ohne weiteres durch den Rückgriff auf bestimmte Prozentsätze beantworten. Auch die mathematischen Berechnungen der Revision, die zeigen, dass eine aus einem Kapitalbetrag abgeleitete Rente den künftigen Kaufkraftschwund nicht oder nur unzureichend berücksichtigen kann, werden der Problematik nicht gerecht. Es kommt darauf an, ob bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere unter Berücksichtigung der Rentenhöhe, des zugrunde liegenden Kapitalbetrages und der bereits gezahlten und voraussichtlich noch zu zahlenden Beträge, die gezahlte Rente ihre Funktion eines "billigen" Schadensausgleichs noch erfüllt oder ob dies nicht mehr der Fall ist. Nur in dem letztgenannten Fall ist eine Anpassung gerechtfertigt. Bei der vorzunehmenden Abwägung kann auch angemessen berücksichtigt werden, ob die Zahlung einer erhöhten Rente dem Schädiger billigerweise zugemutet werden kann, etwa weil die Haftungshöchstsumme des Versicherers "erschöpft" ist (dazu Notthoff, aaO, S. 969; Halm/Scheffler, aaO, S. 75), wobei allerdings darauf hinzuweisen ist, dass Rentenzahlungen grundsätzlich nicht zu einer "Erschöpfung" der Versicherungssumme führen können (vgl. Senatsurteil vom 10. Oktober 2006 - VI ZR 44/05 - VersR 2006, 1679, 1680, m.w.N.).
10
3. Bei Anwendung dieser Grundsätze erweist sich das Berufungsurteil als richtig. Es ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht eine Steigerung des Lebenshaltungskostenindexes um 16,25% angesichts der hier in Betracht zu ziehenden Wertverhältnisse (Rente von 300,00 DM, Erhöhungsbetrag unter 50,00 DM) nicht für ausreichend gehalten hat.
11
Bei den vorliegenden Wertverhältnissen wird, falls nicht zusätzliche Umstände vorliegen, eine Abänderung bei einer unter 25% liegenden Steigerung des Lebenshaltungskostenindexes in der Regel nicht gerechtfertigt sein. Dies folgt daraus, dass Schmerzensgeldrenten anders als etwa Unterhaltsleistungen oder Leistungen wegen Verdienstausfalls bei Aufhebung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit (§ 843 BGB) nicht der täglichen Deckung eines konkret ermittelten Bedarfs dienen und deshalb mit dem Niveau der Lebenshaltungskosten nicht unmittelbar verkoppelt sind. Die Höhe der billigen Entschädigung in Geld hängt von einer umfassenden Würdigung der immateriellen Beeinträchtigungen ab, wobei sich im Rahmen der Ermessensausübung eine erhebliche Schwankungsbreite ergibt. Aus diesem Grund wird dem Geschädigten nicht angesonnen , seinen Schmerzensgeldantrag im Prozess konkret zu beziffern, und ist das Gericht an die vom Kläger genannte Mindestsumme oder Größenvorstellung nicht im Rahmen des § 308 ZPO gebunden (vgl. Senatsurteil BGHZ 132, 341, 350 ff. m.w.N.). Der aufgrund eines derartig angelegten Schätzungsermessens letztlich gefundene Betrag muss sich in der Folge nicht deshalb als "unbillig" erweisen, weil das Niveau der Lebenshaltungskosten gestiegen ist. Jedenfalls ist der Tatsache, dass die ursprüngliche Festlegung der Schmerzensgeldrente auf einem breiten Schätzungsermessen beruht, dadurch Rechnung zu tragen, dass für eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse im Sinne des § 323 ZPO auf eine gravierende Veränderung des Niveaus der Lebenshaltungskosten abgestellt wird, die die ursprünglichen Billigkeitserwägungen als korrekturbedürftig erscheinen lässt. Zu Unrecht beruft sich die Revision deshalb auf die Grundsätze, die etwa für Abänderungsklagen im Bereich des Unterhaltsrechts gelten (etwa OLG Düsseldorf, NJW-RR 1994, 520).
12
4. Bei dieser Sachlage kommt es nicht mehr auf das weitere Argument der Revisionserwiderung an, dass bereits jetzt 54.900,00 DM an Schmerzensgeldrente bezahlt seien, so dass der volle kapitalisierte Rentenbetrag in etwas mehr als vier Jahren gezahlt sein werde. Die Revision bezieht sich insoweit auf eine Entscheidung des Landgerichts Hannover, in der die Ansicht vertreten wird, eine auf die gewöhnliche Veränderung der Lebenshaltungskosten gestützte Abänderungsklage scheide aus, wenn der bei der Berechnung einer Schmerzensgeldrente zugrunde gelegte gesamte Kapitalbetrag des Schmerzensgeldes inzwischen ausbezahlt sei (LG Hannover, ZfS 2002, 430 f. m. Anm. von Diehl). Insoweit sei vorsorglich Folgendes hinzu gefügt:
13
Die vom Landgericht Hannover in der zitierten Sache zugelassene Revision der dortigen Klägerin ist zurückgenommen worden. Der Senatsbeschluss vom 28. November 2002 (VI ZR 283/02) enthält demgemäß keine Entscheidung über die Nichtannahme (so unrichtig Notthoff, aaO, S. 970), sondern lediglich den Verlustigkeits- und Kostenausspruch.
14
Richtig ist, dass bei einer Rentenzahlung von 300,00 DM monatlich ein Kapitalbetrag von 70.000,00 DM in etwa zwanzig Jahren vollständig bezahlt ist und der Begünstigte von da an auf Lebenszeit Zahlungen erhält, die über den Kapitalbetrag hinausgehen. Darauf kann aber nicht abgestellt werden.
15
Bei einer Gesamtentschädigung aus Schmerzensgeldkapital und Schmerzensgeldrente muss der monatliche Rentenbetrag so bemessen werden , dass er kapitalisiert zusammen mit dem zuerkannten Kapitalbetrag einen Gesamtbetrag ergibt, der in seiner Größenordnung einem ausschließlich in Kapitalform zuerkannten Betrag zumindest annähernd entspricht (vgl. Senatsurteil vom 8. Juni 1976 - VI ZR 216/74 - aaO, S. 968 f., OLG Hamm, ZfS 2005, 122, 123; OLG München, VersR 1992, 508, m.w.N.). Dem folgend ist im vorliegenden Fall der Rentenbetrag von 300,00 DM monatlich seinerzeit offensichtlich ausgehend von einem Kapitalbetrag von 70.000,00 DM und einer Verzinsung von ca. 5% unter Berücksichtigung der Lebenserwartung der Klägerin und unter Anwendung der Kapitalisierungstabellen errechnet worden. Die 70.000,00 DM stellten mithin den Barwert der Rentenforderung zum damaligen Zeitpunkt dar, der Anspruch der Klägerin ist indes auf eine Rentenzahlung auf Lebenszeit gerichtet. Diese Art der Berechnung trägt der Tatsache Rechnung, dass der Geschädigte , soweit ihm Schmerzensgeldrente statt des Kapitalbetrages zuerkannt wird, gehindert ist, das Kapital gewinnbringend anzulegen, während der Schädiger die Möglichkeit hat, die Renten aufgrund einer gewinnbringenden Anlage des Kapitals zu bedienen. Entgegen der Ansicht des Landgerichts Hannover (ebenso Diehl und Notthoff, aaO) wird also der Geschädigte, der infolge der Rentenleistungen mehr erhält als den Nennwert des gesamten der Schmerzensgeldberechnung zugrunde gelegten Kapitalbetrages keineswegs gegenüber einem Geschädigten privilegiert, der ein Schmerzensgeldkapital zuerkannt bekommt und der dieses ab Auszahlung gewinnbringend anlegen kann.
16
Danach kann der Gesichtspunkt, dass dem Geschädigten bereits ein erheblicher Teil des der Rentenberechnung seinerzeit zugrunde gelegten Barwerts des Rentenanspruchs zugeflossen ist, für die Frage, ob eine die Abänderung rechtfertigende wesentliche Veränderung der Verhältnisse vorliegt, allenfalls dann eine ausschlaggebende Rolle spielen, wenn konkret vorgetragen wird, dass sich die der Kapitalisierungsberechnung zugrunde liegende Erwartung , die Rentenzahlung könne durch Gewinne aus der Anlage des zunächst beim Schädiger verbleibenden Kapitals bedient werden, nicht erfüllt hat. Dafür ist hier indes nichts ersichtlich.

III.

17
Die Revision ist danach mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Müller Greiner Wellner Stöhr Zoll
Vorinstanzen:
AG Gelnhausen, Entscheidung vom 16.12.2005 - 51 C 320/05 -
LG Hanau, Entscheidung vom 09.06.2006 - 2 S 13/06 -

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Schmerzensgeldrente: Abänderung ist nur in engen Grenzen möglich

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bei uns veröffentlicht am 10.10.2006

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Bundessozialgericht Urteil, 22. Aug. 2012 - B 14 AS 103/11 R

bei uns veröffentlicht am 22.08.2012

Tenor Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 21. März 2011 wird zurückgewiesen, soweit sie die Monate November und Dezember 2005 betrifft.

Referenzen

(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.

(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.

(1) Enthält ein Urteil eine Verpflichtung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen, kann jeder Teil die Abänderung beantragen. Die Klage ist nur zulässig, wenn der Kläger Tatsachen vorträgt, aus denen sich eine wesentliche Veränderung der der Entscheidung zugrunde liegenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse ergibt.

(2) Die Klage kann nur auf Gründe gestützt werden, die nach Schluss der Tatsachenverhandlung des vorausgegangenen Verfahrens entstanden sind und deren Geltendmachung durch Einspruch nicht möglich ist oder war.

(3) Die Abänderung ist zulässig für die Zeit ab Rechtshängigkeit der Klage.

(4) Liegt eine wesentliche Veränderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse vor, ist die Entscheidung unter Wahrung ihrer Grundlagen anzupassen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 44/05 Verkündet am:
10. Oktober 2006
Holmes
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Eine Versicherungssumme ist regelmäßig dann nicht ausreichend, um alle
Direktansprüche zu befriedigen, wenn nach Abzug der Kapitalzahlungen auf
Ansprüche, die keine Rentenansprüche sind, die verbleibende Versicherungssumme
geringer ist als die Summe der Kapitalisierungswerte aller Rentenleistungen
(Fortführung des Urteils des erkennenden Senats BGHZ 84,
151 ff.).
BGH, Urteil vom 10. Oktober 2006 - VI ZR 44/05 - OLG Celle
LG Stade
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. Oktober 2006 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, die Richter
Dr. Greiner und Wellner, die Richterin Diederichsen und den Richter Zoll

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten zu 2 wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 3. Februar 2005 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revisionsinstanz - an das Oberlandesgericht Celle zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Beklagte zu 2 war Kfz-Haftpflichtversicherer des Beklagten zu 1. Dieser war an einem Verkehrsunfall vom 8. Oktober 1995 beteiligt, bei dem der Kläger verletzt worden ist. Mit rechtskräftigem Urteil des Berufungsgerichts vom 10. Februar 1999 ist die Beklagte zu 2 zum Ersatz von ¾ des materiellen Schadens des Klägers und unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Klägers von ¼ zum Ersatz des immateriellen Schadens des Klägers verpflichtet worden. Die Haftung der Beklagten zu 2 ist auf die Mindestversicherungssumme von damals 1,5 Millionen DM beschränkt.
2
Der Kläger macht nun vermehrte Bedürfnisse/Pflegekosten, Fahrtkosten und Verdienstausfall für die Zeit vom 1. März 1997 bis 28. Februar 2002 geltend. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zu 2 zurückgewiesen. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision begehrt die Beklagte zu 2 weiterhin die Klageabweisung.

Entscheidungsgründe:

I.

3
Das Berufungsgericht hat den geltend gemachten Anspruch des Klägers aus §§ 7, 18 StVG, 823 Abs. 1 BGB, 3 PflVG in voller Höhe bejaht. Der Einwand der Beklagten zu 2, es habe ein Verteilungsverfahren gemäß § 156 Abs. 3 VVG stattfinden müssen und stattgefunden, weil dem Kläger kein Befriedigungsvorrecht gemäß § 116 Abs. 4 SGB X zustehe, sei unberechtigt. Selbst unter Zugrundelegung der Berechnung der Beklagten zu 2 stehe dem Kläger noch mehr als die im vorliegenden Verfahren geltend gemachte Summe zu. Für das Verlangen der Beklagten zu 2, den Kläger auf eine monatliche geringe Rentenzahlung statt einer Kapitalzahlung zu verweisen, gebe es keine Rechtsgrundlage.

II.

4
Das angefochtene Urteil hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
5
1. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht vor der Entscheidung über die Höhe der Ansprüche des Klägers für die Zeit vom 1. März 1997 bis zum 28. Februar 2002 nicht geklärt, sondern offen gelassen, ob ein den Voraussetzungen von § 156 Abs. 3 VVG genügendes Verteilungsverfahren durchgeführt worden ist.
6
a) Der geltend gemachte Direktanspruch des Klägers aus § 3 Nr. 1 PflVG gegen die Beklagte zu 2 als Kfz-Haftpflichtversicherer setzt eine Leistungspflicht des Versicherers aus dem Versicherungsverhältnis voraus. Der Umfang des Versicherungsschutzes ergibt sich aus den zwischen den Parteien des Versicherungsvertrags getroffenen Vereinbarungen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2006 - IV ZR 316/04 - z. V. b.). Danach ist der Direktanspruch des Geschädigten hinsichtlich seiner Geltendmachung insbesondere durch das versicherte Risiko und die vereinbarte Versicherungssumme nach näherer Maßgabe des jeweiligen Versicherungsvertrages begrenzt. Der Versicherer soll durch die unmittelbare Inanspruchnahme aus dem Direktanspruch des außerhalb des Versicherungsvertrags stehenden Dritten nicht über das hinaus belastet werden, was er aus dem Versicherungsvertrag zu regulieren verpflichtet ist (vgl. Senatsurteile BGHZ 57, 265, 269 f.; 84, 151, 153; vom 7. November 1978 - VI ZR 86/77 - VersR 1979, 30 ff.).
7
Soweit es um die Erschöpfung der Versicherungssumme geht, ist deshalb in Teilen auch der Direktanspruch - unbeschadet einer Eigenständigkeit als gesetzlicher Haftpflichtanspruch gegenüber den vertraglichen Ansprüchen aus dem Versicherungsverhältnis - durch die Regeln festgelegt, die für die Begrenzung des Deckungsanspruchs aus dem Versicherungsverhältnis gelten. Obwohl das Pflichtversicherungsgesetz sie nicht ausdrücklich in Bezug genommen hat, sind daher nach der in Rechtsprechung und Schrifttum ganz überwiegenden Meinung (vgl. Senatsurteil BGHZ 84, 151, 153 m. w. N.) unter anderen die Bestimmungen der §§ 155,156 VVG auch für den Direktanspruch maßgebend. Ein Haftpflichtversicherer, der aus demselben Schadensereignis mehreren "Dritten" verantwortlich ist, darf deshalb nicht den Gläubiger, der als erster seinen Anspruch geltend macht, zu Lasten der später kommenden "Dritten" voll befriedigen , wenn die Versicherungssumme nicht zur Befriedigung aller Direktansprüche ausreicht (kein Prioritätsprinzip; § 156 Abs. 1 VVG). Vielmehr ist die Versicherungssumme auf die Forderungen aller beteiligten "Dritten" verhältnismäßig zu verteilen (§ 156 Abs. 3 Satz 1 VVG). "Dritte" im Sinne dieser Vorschrift sind nicht nur der Geschädigte selbst, sondern auch die Sozialversicherungsträger , auf die Ansprüche des Geschädigten ganz oder teilweise übergegangen sind (vgl. Prölss/Martin/Voit/Knappmann, VVG, 27. Auflage, § 156 Rn. 17). Ob die Forderungen dieser "Dritten" bereits tituliert sind, ist unerheblich ; auch erst in Zukunft fällig werdende Ansprüche sind von Anfang an in die Verteilung einzubeziehen (vgl. Prölss/Martin/Voit/Knappmann, aaO Rn. 24). Jedoch können solche Gläubiger keine anteilige Befriedigung beanspruchen, mit deren Forderungen der Haftpflichtversicherer nach näherer Maßgabe von § 156 Abs. 3 Satz 2 VVG bis zu der Verteilung nicht rechnen musste.
8
b) Voraussetzung für eine Anwendung des § 156 VVG ist hiernach, dass erkennbar die zur Verfügung stehende Versicherungssumme überschritten wird. Die Beklagte zu 2 haftet nur im Rahmen der Mindestversicherungssumme, wie das Berufungsgericht bereits in seinem ersten Urteil rechtskräftig festgestellt hat. Dass diese Summe überschritten werden wird, war und liegt zwar angesichts des Schadensbildes des zum Unfallzeitpunkt erst vierzehnjährigen Klägers (lebensgefährliche Schädel-Hirn-Verletzungen, seitdem Bewegungseinschränkungen , Einschränkungen der Sprache und der Feinmotorik, Angewiesensein auf den Rollstuhl, schweres hirnorganisches Psychosyndrom) nahe, wird aber unter Berücksichtigung der Grundsätze der Rechtsprechung festzustellen sein (vgl. § 287 Abs. 1 ZPO; Sprung, VersR 1992, 657, 658). Die Versicherungssumme reicht im Einzelfall dann nicht aus, um alle Direktansprüche zu befriedigen, wenn die nach Abzug der Kapitalzahlungen auf Ansprüche, die keine Rentenansprüche sind, verbleibende Versicherungssumme geringer ist als die Summe der Kapitalisierungswerte aller zu erbringenden Rentenleistungen (vgl. BGH, Urteile vom 28. November 1979 - IV ZR 83/78 - VersR 1980, 132, 135; vom 12. Juni 1980 - IVa ZR 9/80 - VersR 1980, 817, 818, 819; vom 22. Januar 1986 - IVa ZR 65/84 - VersR 1986, 392, 395). In einem solchen Fall muss der Haftpflichtversicherer die Versicherungssumme verhältnismäßig verteilen (§ 156 Abs. 3 Satz 1 VVG).
9
c) Der Anwendung von § 156 VVG steht auch nicht ein grundsätzlich mögliches Quotenvorrecht des Geschädigten gegenüber den Sozialversicherungsträgern entgegen. Die Berechnung und Aufteilung der auf die Sozialleistungsträger übergehenden und der dem Geschädigten verbleibenden Ansprüche bei dem Zusammentreffen von Mitverschulden und gesetzlichen Haftungshöchstbeträgen ist auf der Grundlage der in § 116 Abs. 3 Satz 1 SGB X verankerten relativen Theorie vorzunehmen (§ 116 Abs. 3 Satz 2 SGB X; vgl. Senatsurteil BGHZ 146, 84, 88 ff.). Es besteht allseits Einigkeit darüber, dass eine buchstäbliche Anwendung dieser Vorschrift nicht in Betracht kommt, weil sie zu dem unannehmbaren Ergebnis führen würde, dass der dem Geschädigten verbleibende Anspruch betragsmäßig um so höher wäre, je höher der Mitverschuldensanteil des Geschädigten ist (vgl. insbesondere v. Olshausen, VersR 1983, 1108, 1110; derselbe VersR 2001, 936 ff.). Zur Vermeidung eines solchen Widerspruchs wird von der überwiegenden Meinung im Schrifttum die relative Theorie in modifizierter Form angewendet; dem hat sich der erkennende Senat in der oben erwähnten Entscheidung angeschlossen (BGHZ 146, 84, 90 ff. m. w. N.). Danach ist zunächst eine Aufteilung der auf die Sozialleistungsträger übergehenden und der dem Geschädigten verbleibenden Ansprüche nach der relativen Theorie gemäß § 116 Abs. 3 Satz 1 SGB X ohne Berücksichtigung der Haftungshöchstgrenze vorzunehmen. Überschreitet der um den Mitverschuldensanteil des Geschädigten gekürzte Gesamtschadensanspruch die gesetzliche Haftungshöchstsumme, so ist anschließend das Ergebnis der Aufteilung zwischen Sozialleistungsträgern und Geschädigtem der Haftungshöchstgrenze anteilig anzupassen, um die Unterdeckung proportional auf Sozialleistungsträger und Geschädigten zu verteilen. Auf diese Weise kommt es zwischen ihnen zu einer verhältnismäßigen Verteilung des gekürzten Ersatzanspruchs.
10
Auch ein Befriedigungsvorrecht des Klägers aus § 116 Abs. 4 SGB X schließt nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Senat, Beschluss vom 8. Juli 2003 - VI ZA 9/03 - VersR 2003, 1295, 1296) ein Verteilungsverfahren nicht aus, sondern kommt erst nach dessen Durchführung zum Zuge.
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d) Den Umfang der von der Beklagten zu 2 zu erbringenden Rentenleistungen (dazu vgl. Stiefel/Hofmann, Kraftfahrtversicherung, 16. Aufl., § 10 AKB Rn. 151 f.) bestimmt § 155 Abs. 1 VVG in Verbindung mit § 156 Abs. 3 VVG. Nach diesen Vorschriften hat der Versicherer dann, wenn der Haftpflichtige mehreren Dritten Renten schuldet und der Gesamtkapitalwert dieser Renten die Versicherungssumme übersteigt, nur den Teil zu decken, der zur jeweiligen Rente in demselben Verhältnis steht wie die Versicherungssumme zum Gesamtkapitalwert der Renten. Dabei sind Personen-, Sach- und Vermögensschäden getrennt zu behandeln, soweit dafür unterschiedliche Versicherungssummen vereinbart sind (vgl. Prölss/Martin/Voit/Knappmann, aaO, Rn. 18). Der Versicherer kann demnach unter diesen Voraussetzungen - und zwar von Anfang an - die von ihm zu zahlende Rente kürzen; er ist aber nicht berechtigt, die Zahlungen einzustellen, sobald die Summe der von ihm erbrachten Rentenzahlungen die Versicherungssumme erreicht. Rentenzahlungen können grundsätzlich nicht dazu führen, dass die Versicherungssumme "erschöpft" wird (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juni 1980 - IVa ZR 9/80 - aaO, 818). Das widerspräche dem Zweck des § 155 VVG, auch im Interesse des Geschädigten eine fortlaufend gleichmäßige Beteiligung des Versicherers an den Rentenleistungen zu bewirken.
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Diesen Grundsätzen widerspricht die Annahme des Berufungsgerichts, dem Kläger könne der ihm nach der Berechnung der Beklagten zu 2 zustehende Gesamtkapitalbetrag an der Mindestversicherungssumme zugesprochen werden. Das Berufungsgericht ist offenbar von der weitverbreiteten, aber irrigen Auffassung ausgegangen, dass der Haftpflichtversicherer Rentenverpflichtungen so lange in voller Höhe zu erfüllen habe, bis die Summe seiner Zahlungen die Versicherungssumme (bzw. den dem Geschädigten mindestens zustehenden Anteil) erreiche. Die Bestimmungen der §§ 155, 156 VVG sind die vom Berufungsgericht vermisste rechtliche Grundlage dafür, den Geschädigten auf eine nur anteilige Rentenzahlung zu verweisen.
13
Das Verteilungsverfahren nach §§ 155, 156 VVG soll einer "Erschöpfung" der Versicherungssumme vorbeugen, indem es auf den Kapitalwert der Renten abstellt und dem Versicherer aufbürdet, über das Verteilungsverfahren eine anteilige, aber andauernde und unerschöpfliche Befriedigung der Ansprüche der Dritten sicherzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juni 1980 - IVa ZR 9/80 - aaO; vom 28. November 1990 - IV ZR 233/89 - VersR 1991, 172 f.; vgl. auch Hessert, VersR 1997, 39, 42). Kehrseite dieser Verpflichtung ist die fehlende Berechtigung eines Dritten, vom Kfz-Haftpflichtversicherer die Begleichung von Rentenansprüchen in voller Höhe bis zur Erschöpfung der Versicherungssumme zu verlangen. Vielmehr hat der Versicherer von jeder Rentenrate nur den Teil zu decken, der zur vollen Rate im gleichen Verhältnis steht wie die Versicherungssumme zum Kapitalwert der Rente (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juni 1980 - IVa ZR 9/80 - aaO). Dabei ist es entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung rechtlich ohne Belang, ob die Rente wegen vermehrter Bedürfnisse oder wegen Verdienstausfalls zu zahlen ist, ebenso wie die Kürzungsberechtigung des Haftpflichtversicherers unabhängig davon besteht, ob es sich um eine Rate für einen zeitlich zurückliegenden oder für einen zukünftigen Zeitraum handelt.
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e) Zwar kann die Verbindung mit dem Verteilungsverfahren nach § 156 Abs. 3 VVG die gerichtliche Durchsetzung eines Direktanspruchs vor allem dann erheblich erschweren, wenn - wie im Streitfall - bei Klageerhebung und im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung die Schadensentwicklung aus dem Unfall nicht abgeschlossen ist, deshalb die in die Verteilung einbezogenen Ersatzansprüche der Höhe nach noch nicht feststehen und der auf die Forderung entfallende Anteil allenfalls annähernd geschätzt werden kann. In diesen Fällen muss die Feststellung nach dem derzeitigen Erkenntnisstand, kann aber andererseits nur unter dem Vorbehalt möglicher Korrekturen nach oben oder unten aufgrund einer späteren genaueren Berechnung getroffen werden. Ändern sich die dem ursprünglichen Verteilungsverfahren zugrunde liegenden Summen nachträglich erheblich, muss der Haftpflichtversicherer seine Leistungen im Rahmen eines neu berechneten Verteilungsverfahrens angleichen (vgl. Prölss/Martin/Voit/Knappmann, aaO, § 156 Rn. 22, 25; Sprung, VersR 1992,

662).

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Über den Einwand einer Erschöpfung der Versicherungssumme und die sich hieraus gemäß § 3 Nr. 1 PflVG für die Höhe des geltend gemachten Direktanspruchs ergebenden Beschränkungen ist grundsätzlich bereits im Erkenntnisverfahren zu befinden (vgl. Senatsurteil BGHZ 84, 151, 154; BGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - IVa ZR 54/81 - VersR 1983, 26, 27; Stiefel/Hofmann, aaO, § 10 AKB Rn. 139). Insoweit gilt nichts anderes als für die Haftungshöchstgrenzen aus § 12 StVG.
16
2. Nach allem muss sich das Berufungsgericht mit dem Vorbringen der Beklagten zu 2 zur Erschöpfung der Versicherungssumme und den sich hieraus für die Höhe der Klageansprüche ergebenden Beschränkungen noch im Einzelnen auseinandersetzen (zur Erstellung eines Verteilungsplans vgl. Sprung aaO 659 ff.; Deichl/Küppersbusch/Schneider, Kürzungs- und Verteilungsverfahren nach §§ 155 Abs. 1 und 156 Abs. 3 VVG in der Kfz-Haftpflichtversicherung, S. 7 ff.). Dazu wird die Beklagte zu 2 das nach ihrem Vortrag durchgeführte Verteilungsverfahren im Einzelnen darzulegen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juni 1980 - IVa ZR 9/80 - aaO, 819) oder einen neuen Verteilungsplan zu erstellen haben; der Kläger wird seine Einwendungen ebenfalls im Einzelnen unter Beachtung der Rechtsprechung vorzutragen haben. Das Berufungsgericht wird gegebenenfalls die in den Urteilen des Bundesgerichtshofs vom 28. November 1979 (- IV ZR 83/78 - aaO) und vom 12. Juni 1980 (- IVa ZR 9/80 - aaO) näher dargelegten Grundsätze berücksichtigen müssen.
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Wie der Kapitalwert von Renten zu berechnen ist, schreibt § 155 VVG nicht vor (vgl. BGH, Urteil vom 28. November 1979 - IV ZR 83/78 - aaO; vgl. auch Urteil vom 22. Januar 1986 - IVa ZR 65/84 - aaO, 394). Vor Inkrafttreten der Verordnung über den Versicherungsschutz in der Kfz-Haftpflichtversicherung (KfzPflVV vom 29. Juli 1994) am 3. August 1994 bestimmte insoweit § 10 Abs. 7 S. 2 AKB in der seit 1. Januar 1971 geltenden Neufassung (zum Wortlaut vgl. Stiefel/Hofmann, aaO, § 10 AKB), dass der Verhältniswert des Rentenkapitalwerts nach der hierzu gegenüber der Aufsichtsbehörde abgegebenen geschäftsplanmäßigen Erklärung der Versicherer berechnet wird. Ob im Streitfall der Kapitalwert nach § 8 KfzPflVV oder nach § 10 Abs. 7 AKB zu berechnen ist, wird davon abhängen, ob der dem Direktanspruch zugrunde liegende Haftpflichtversicherungsvertrag vor dem 1. Juli 1994 geschlossen und seine Bedingungen nicht an die geänderte Gesetzeslage angepasst worden sind; dann muss er nur den AKB entsprechen und unterliegt nicht den Beschränkungen der Verordnung (vgl. Prölss/Martin/Knappmann, aaO, KfzPflVV Vorbem. Rn. 2).
18
Ebenso wird sich das Berufungsgericht entsprechend den rechtlichen Berechnungsgrundlagen mit dem Ansatz der Forderungen von Sozialversicherungsträgern und des Klägers durch die insoweit für ihren Einwand darlegungsbelastete Beklagte zu 2 auseinanderzusetzen und diese - gegebenenfalls sachverständig beraten - auf ihre rechnerische Richtigkeit und Schlüssigkeit zu überprüfen haben. Das Verteilungsverfahren nach §§ 155, 156 VVG ist eine Berechnungsmethode zur Verteilung eines durch die Beschränkung auf die Mindestversicherungssumme vorhersehbaren Deckungsmangels, das insoweit vollständiger gerichtlicher Kontrolle unterliegt. Auf etwaige Bedenken hinsichtlich der Substantiiertheit des dazu erfolgten Vortrages hat nach § 139 ZPO ein gerichtlicher Hinweis zu erfolgen (vgl. BGH, Urteile vom 25. Juni 2002 - X ZR 83/00 - NJW 2002, 3317, 3320 und vom 24. Februar 2003 - II ZR 322/00 - NJW-RR 2003, 742, 743).
Müller Greiner Wellner
Diederichsen Zoll
Vorinstanzen:
LG Stade, Entscheidung vom 04.06.2004 - 6 O 133/03 -
OLG Celle, Entscheidung vom 03.02.2005 - 14 U 144/04 -

(1) Wird infolge einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit die Erwerbsfähigkeit des Verletzten aufgehoben oder gemindert oder tritt eine Vermehrung seiner Bedürfnisse ein, so ist dem Verletzten durch Entrichtung einer Geldrente Schadensersatz zu leisten.

(2) Auf die Rente finden die Vorschriften des § 760 Anwendung. Ob, in welcher Art und für welchen Betrag der Ersatzpflichtige Sicherheit zu leisten hat, bestimmt sich nach den Umständen.

(3) Statt der Rente kann der Verletzte eine Abfindung in Kapital verlangen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.

(4) Der Anspruch wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein anderer dem Verletzten Unterhalt zu gewähren hat.

(1) Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Dies gilt insbesondere von Früchten, Zinsen und anderen Nebenforderungen.

(2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch ohne Antrag zu erkennen.

(1) Enthält ein Urteil eine Verpflichtung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen, kann jeder Teil die Abänderung beantragen. Die Klage ist nur zulässig, wenn der Kläger Tatsachen vorträgt, aus denen sich eine wesentliche Veränderung der der Entscheidung zugrunde liegenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse ergibt.

(2) Die Klage kann nur auf Gründe gestützt werden, die nach Schluss der Tatsachenverhandlung des vorausgegangenen Verfahrens entstanden sind und deren Geltendmachung durch Einspruch nicht möglich ist oder war.

(3) Die Abänderung ist zulässig für die Zeit ab Rechtshängigkeit der Klage.

(4) Liegt eine wesentliche Veränderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse vor, ist die Entscheidung unter Wahrung ihrer Grundlagen anzupassen.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)