Bundesgerichtshof Urteil, 29. Juni 2023 - IX ZR 56/22
Gericht
Richter
Submitted by
Principles
Amtliche Leitsätze
1. Die Einbeziehung eines Dritten in den Schutzbereich des zwischen Rechtsberater und Mandant geschlossenen Mandatsvertrags ist nicht allein deshalb ausgeschlossen, weil dem Berater im Verhältnis zum Mandanten nur eine Schutz- oder Fürsorgepflichtverletzung zur Last fällt.
2. Die Hinweis- und Warnpflicht des Rechtsberaters bei möglichem Insolvenzgrund kann Drittschutz für den Geschäftsleiter der juristischen Person oder Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit entfalten; Voraussetzung ist ein Näheverhältnis zu der nach dem Mandatsvertrag geschuldeten Hauptleistung.
3. In den Schutzbereich des Vertrags bei Verletzung der Hinweis- und Warnpflicht bei möglichem Insolvenzgrund kann auch ein faktischer Geschäftsleiter einbezogen sein.
BUNDESGERICHTSHOF
Urteil vom 29. Juni 2023 - IX ZR 56/22
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 3. März 2022 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte als Haftpflichtversicherer eines in Insolvenz gefallenen Rechtsanwalts (nachfolgend nur noch: Rechtsanwalt) in Anspruch. Sie macht geltend, ihr stünden Schadensersatzansprüche aus abgetretenem Recht gegen den versicherten Rechtsanwalt zu, weil dieser Hinweis- und Warnpflichten verletzt habe.
Zedenten des abgetretenen Schadensersatzanspruchs sind M. und M. J. M. . M. M. senior war bis Ende 2009 Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der M. GmbH & Co. KG (nachfolgend: KG). Danach wurde sein Sohn, M. J. M. junior, Geschäftsführer. Die Klägerin behauptet, M. M. senior sei weiterhin faktisch als Geschäftsführer tätig gewesen. Die KG beauftragte den Rechtsanwalt ab Juli 2009 wiederholt mit ihrer Beratung. Auf Antrag vom 4. Juni 2012 wurde am 1. August 2012 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der KG eröffnet. Der Insolvenzverwalter nahm M. und M. J. M. wegen verbotener Zahlungen nach Insolvenzreife in Anspruch. Diese verpflichteten sich im Wege eines Vergleichs als Gesamtschuldner zu einer Zahlung in Höhe von 85.000 €. Die Zahlung wurde geleistet.
In Höhe dieses Betrags verlangt die Klägerin von dem beklagten Haftpflichtversicherer Schadensersatz. Sie meint, der Rechtsanwalt habe seine Beratungspflichten im Blick auf eine bestehende Insolvenzreife der KG verletzt; M. und M. J. M. seien als formaler und faktischer Geschäftsführer in den Schutzbereich der mit der KG geschlossenen Mandatsverträge einbezogen gewesen. Auf dieser Grundlage begehrt die Klägerin zudem Ersatz von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 11.766,66 €, die M. und M. J. M. in der rechtlichen Auseinandersetzung mit dem Insolvenzverwalter über den geltend gemachten Anspruch wegen Zahlungen nach Insolvenzreife entstanden sind.
Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 96.766,66 € (85.000 € zuzüglich 11.766,66 €) stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin den Anspruch weiter.
Gründe
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat sich nach Beweisaufnahme nicht davon überzeugen können, dass der Rechtsanwalt im Sinne einer Hauptpflicht gehalten gewesen sei, auf einen möglichen Insolvenzgrund und die daran anknüpfenden Handlungspflichten der organschaftlichen Vertreter der KG hinzuweisen. Ob eine entsprechende Nebenpflicht bestanden habe, hat das Berufungsgericht offengelassen. Insoweit fehle es an einer Einbeziehung der Vertreter in den Schutzbereich der zwischen dem Rechtsanwalt und der KG geschlossenen Mandatsverträge. Bestünden bloß nebenvertragliche Hinweis- und Warnpflichten, etwa wenn sich im Zusammenhang mit der anwaltlichen Tätigkeit Anhaltspunkte für die Gefahr einer Insolvenz des Mandanten ergäben, führe es zu weit, den organschaftlichen Vertreter in den haftungsrechtlich relevanten Schutzbereich des Vertrags zwischen der Gesellschaft und dem Rechtsanwalt auch hinsichtlich der Verletzung solcher bloß nebenvertraglicher Pflichten einzubeziehen. Grundsätzlich sei ein enger Anwendungsbereich des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter geboten, da ansonsten die Grenze zwischen deliktischer und vertraglicher Haftung zu verwischen drohe. Die Haftung des Vertragsschuldners - dessen Interessen im Rahmen einer Haftungserweiterung nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter genauso zu berücksichtigen seien - werde letztendlich ohne vertragliche oder gesetzliche Grundlage erweitert. Daher müsse der Kreis der geschützten Dritten für den Schuldner subjektiv erkennbar und vorhersehbar sein. Das Vertrags- und Haftungsrisiko müsse für den Schuldner bei Abschluss des Vertrags überschaubar, kalkulierbar und versicherbar sein. Nur dann könne ihm ein vertragliches Haftungsrisiko zugemutet werden.
II.
Die Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Einbeziehung eines Dritten in den Schutzbereich des zwischen Rechtsberater und Mandant geschlossenen Beratungsvertrags ist nicht allein deshalb ausgeschlossen, weil dem Berater im Verhältnis zum Mandanten nur eine Schutz- oder Fürsorgepflichtverletzung (§ 241 Abs. 2 BGB) zur Last fällt. Vor diesem Hintergrund kann offenbleiben, ob es revisionsrechtlicher Prüfung standhält, dass sich das Berufungsgericht nicht hat von einer Hauptpflicht des Rechtsanwalts überzeugen können, auf eine mögliche Insolvenzreife der KG und die daran anknüpfenden Handlungspflichten hinzuweisen.
1. Bei einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter steht die geschuldete (Haupt-)Leistung allein dem Gläubiger zu, der Dritte ist jedoch in der Weise in die vertraglichen Sorgfalts- und Obhutspflichten einbezogen, dass er bei deren Verletzung vertragliche Schadensersatzansprüche geltend machen kann. Die Herausbildung des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs beruht auf ergänzender Vertragsauslegung und knüpft damit an den hypothetischen Willen der Parteien an, der gemäß § 157 BGB unter Berücksichtigung von Treu und Glauben zu erforschen ist. Um die Haftung für den Schuldner nicht unkalkulierbar auszudehnen, sind an die Einbeziehung von Dritten in den vertraglichen Schutz strenge Anforderungen zu stellen (BGH, Urteil vom 7. Dezember 2017 - VII ZR 204/14, NJW 2018, 1537 Rn. 16 mwN). Strenge Anforderungen an die Einbeziehung Dritter in den Schutzbereich eines Vertrags verhindern zugleich, dass die Grenzen zwischen Vertrags- und Deliktshaftung in unzuträglicher Weise verwischt werden (vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 1977 - VI ZR 261/75, VersR 1977, 638 mwN).
2. Im Interesse einer einheitlichen Rechtsprechung und damit der Rechtssicherheit knüpft der Bundesgerichtshof die Einbeziehung eines Dritten in den Schutzbereich des Vertrags an bestimmte Voraussetzungen: Der Dritte muss mit der vertraglich geschuldeten Hauptleistung bestimmungsgemäß in Berührung kommen. Der Gläubiger muss ein schutzwürdiges Interesse an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrags haben. Die Einbeziehung des Dritten muss dem Vertragsschuldner bekannt oder für ihn zumindest erkennbar sein. Schließlich bedarf es eines Bedürfnisses für die Ausdehnung des Vertragsschutzes, das regelmäßig fehlt, wenn der Dritte wegen des verfahrensgegenständlichen Sachverhalts bereits über einen inhaltsgleichen vertraglichen Anspruch verfügt (BGH, Urteil vom 21. Juli 2016 - IX ZR 252/15, BGHZ 211, 251 Rn. 17; vom 7. Dezember 2017, aaO Rn. 18; vom 9. Juli 2020 - IX ZR 289/19, JR 2021, 329 Rn. 12; st. Rspr).
3. Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen für die Einbeziehung eines Dritten in den Schutzbereich des Vertrags gesehen. Geprüft hat es die Einbeziehung von M. und M. J. M. in den Schutzbereich der zwischen der KG und dem Rechtsanwalt geschlossenen Mandatsverträge jedoch nicht nach diesen Voraussetzungen. Es hat seiner Beurteilung einen abweichenden Maßstab zugrunde gelegt, indem es die Einbeziehung in den Schutzbereich allein anhand der Qualität der von ihm unterstellten Pflichtverletzung des Rechtsanwalts geprüft und abgelehnt hat. Das ist ein revisibler Rechtsfehler. Das Berufungsgericht überschreitet den Spielraum, der dem Tatrichter bei der Beurteilung der Frage eingeräumt ist, ob ein Dritter in den Schutzbereich des Vertrags einbezogen ist (vgl. BGH, Urteil vom 19. November 2009 - IX ZR 12/09, ZIP 2010, 124 Rn. 10 f; vom 21. Juli 2016, aaO Rn. 18).
4. Die Ablehnung der Einbeziehung eines Dritten in den Schutzbereich des Vertrags anhand der Qualität der im Verhältnis zum Vertragspartner begangenen Pflichtverletzung findet in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keine Grundlage. Dies gilt sowohl im Allgemeinen als auch im Blick auf die vom Berufungsgericht unterstellte Verletzung einer Hinweis- und Warnpflicht des Rechtsberaters bei möglichem Insolvenzgrund.
a) Die Rechtsprechung geht seit jeher davon aus, dass auch die Verletzung von Schutz- und Fürsorgepflichten zu einem Schadensersatzanspruch unter dem Gesichtspunkt eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter führen kann. Die Verletzung von Schutz- und Fürsorgepflichten bildete den Ausgangspunkt der Rechtsprechung zum Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (vgl. BGH, Urteil vom 2. Juli 1996 - X ZR 104/94, BGHZ 133, 168, 170 ff; vom 24. April 2014 - III ZR 156/13, ZIP 2014, 972 Rn. 10); sie ist hauptsächlich im Zusammenhang mit der Verletzung von Schutz- und Fürsorgepflichten entwickelt worden (vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 1977 - VI ZR 261/75, VersR 1977, 638; vom 12. November 1979 - II ZR 174/77, BGHZ 75, 321, 324 f). Die Rechtsprechung hat allerdings erkannt, dass auch Nebenpflichten, die auf die Herbeiführung des Leistungserfolgs bezogen sind, Drittschutz entfalten können. Für die Hauptpflicht selbst gilt nichts anderes. Die Verpflichtung, um deren Verletzung willen der Schuldner einem Dritten haften soll, kann daher in einer weiteren oder engeren Beziehung zur vertraglichen Hauptleistung stehen oder sich mit dieser decken (vgl. BGH, Urteil vom 12. November 1979, aaO S. 325).
Es ist danach unzweifelhaft, dass die Einbeziehung eines Dritten in den Schutzbereich eines Vertrags auch dann in Betracht kommt, wenn der Vertragsschuldner nur eine Schutz- oder Fürsorgepflicht verletzt hat. Das wird auch im Schrifttum so gesehen (MünchKomm-BGB/Gottwald, 9. Aufl., § 328 Rn. 181 f; BeckOGK/Mäsch, 2023, § 328 BGB Rn. 75.1; Staudinger/Klumpp, BGB, 2020, § 328 Rn. 116; Erman/Bayer, BGB, 16. Aufl., § 328 Rn. 65).
b) Auch die Hinweis- und Warnpflicht des Rechtsberaters bei möglichem Insolvenzgrund kann Drittschutz entfalten.
aa) Mit Urteil vom 26. Januar 2017 (IX ZR 285/14, BGHZ 213, 374 Rn. 43 ff) hat der Bundesgerichtshof eine Hinweis- und Warnpflicht bei möglichem Insolvenzgrund erstmals in Betracht gezogen. Diese bezog sich auf die Haftung eines Steuerberaters, der mit der Erstellung des Jahresabschlusses einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung beauftragt ist (BGH, Urteil vom 26. Januar 2017, aaO Rn. 45). Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs hat den Gesetzgeber dazu veranlasst, die Hinweis- und Warnpflicht in § 102 StaRUG berufsstandübergreifend als Instrument zur Früherkennung der Bestandsgefährdung eines Unternehmens zu etablieren (BT-Drucks. 19/24181, S. 187 f). Zu einer Einbeziehung des Geschäftsleiters in den Schutzbereich eines Vertrags, der eine Hinweis- und Warnpflicht bei möglichem Insolvenzgrund begründet, äußert sich weder das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 26. Januar 2017 noch § 102 StaRUG (vgl. BT-Drucks. 19/24181, aaO).
bb) Mit Urteil vom 14. Juni 2012 (IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 Rn. 27 ff) hat der Bundesgerichtshof die Einbeziehung des Geschäftsleiters in den Schutzbereich eines Vertrags angenommen, der die Prüfung der Insolvenzreife einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung vorsah (vgl. auch BGH, Urteil vom 21. Juli 2016 - IX ZR 252/15, BGHZ 211, 251 Rn. 23). Ausgangspunkt der Prüfung des Drittschutzes war damit die vertragliche Hauptpflicht. Zur Begründung der Einbeziehung des Geschäftsleiters in den Schutzbereich des Vertrags hat der Bundesgerichtshof zum einen auf dessen Insolvenzantragspflicht (§ 15a Abs. 1 InsO) und zum anderen auf die bei einer Missachtung dieser Pflicht drohenden Haftungsfolgen (§ 823 Abs. 2 BGB iVm § 15a Abs. 1 InsO; § 15b InsO) verwiesen (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 2012, aaO Rn. 28 f).
Die Insolvenzantragspflicht begründet Handlungspflichten für den Geschäftsleiter; missachtet er die Antragspflicht, drohen ihm persönlich Haftungsfolgen. Die Haftungsfolgen sind im Fremdinteresse angeordnet, nicht aber im Interesse des Mandanten. Es handelt sich materiell um eine Haftung im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger der insolvenzreifen Gesellschaft, um die verteilungsfähige Vermögensmasse zu erhalten und eine zum Nachteil der Gesamtheit der Gläubiger gehende, bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger zu verhindern (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juli 2016, aaO). Die Insolvenzantragspflicht und die Haftung im Fremdinteresse, welche den Drittschutz begründen können, sind der maßgebliche Unterschied zu der Fallgestaltung, in der die Beratung für Entscheidungen des Mandanten Gegenstand des Mandatsvertrags ist und für den (organschaftlichen) Vertreter die Gefahr besteht, auf der Grundlage der Beratung seinerseits seine gegenüber dem Mandanten bestehenden Pflichten zu verletzen. Verhält es sich so, scheiden Schutzwirkungen des Mandatsvertrags zugunsten des Vertreters im Allgemeinen aus (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juli 2016, aaO Rn. 24 ff).
cc) Zu der Frage, ob auch die Hinweis- und Warnpflicht des Rechtsberaters bei möglichem Insolvenzgrund eine drittschützende Wirkung zugunsten des Geschäftsleiters einer juristischen Person oder einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit entfalten kann, hat sich der Bundesgerichtshof bislang nicht geäußert. Im Schrifttum wird die Frage nicht vertieft diskutiert. Zum Teil wird von einer drittschützenden Wirkung ausgegangen (Pape, NZI 2019, 260, 264 f; Meisgeier, WuB 2022, 258, 261 f), zum Teil wird sie abgelehnt oder jedenfalls kritisch gesehen (Froehner, GWR 2021, 390; vgl. auch Meixner/Schröder, DStR 2022, 61, 62; Stefanink, EWiR 2022, 7, 8). Die Frage ist dahingehend zu beantworten, dass eine drittschützende Wirkung in Betracht kommt. Allerdings hängt dies vom Inhalt des Mandatsvertrags ab.
(1) Die Einbeziehung eines Dritten in die Schutzwirkungen eines Vertrags bei reinen Vermögensschäden setzt voraus, dass der Dritte bestimmungsgemäß mit der Hauptleistung in Berührung kommt (BGH, Urteil vom 24. April 2014 - III ZR 156/13, ZIP 2014, 972 Rn. 11; vom 18. Februar 2016 - IX ZR 192/13, ZIP 2016, 1541 Rn. 21; vom 21. Juli 2016 - IX ZR 252/15, BGHZ 211, 251 Rn. 19). Das erforderliche Näheverhältnis liegt nur vor, wenn die Leistung des Rechtsanwalts bestimmte Rechtsgüter eines Dritten nach der objektiven Interessenlage im Einzelfall mit Rücksicht auf den Vertragszweck bestimmungsgemäß, typischerweise beeinträchtigen kann. Entscheidend für eine Ersatzpflicht hinsichtlich von Vermögensschäden des Dritten ist, ob die vom Anwalt zu erbringende Leistung nach dem objektiven Empfängerhorizont auch dazu bestimmt ist, dem Dritten Schutz vor möglichen Vermögensschäden zu vermitteln. Inwieweit dieses Näheverhältnis besteht, hängt entscheidend von Ausprägung und Inhalt des anwaltlichen Beratungsvertrags ab (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juli 2020 - IX ZR 289/19, ZIP 2020, 1720 Rn. 15).
(2) Die Hinweis- und Warnpflicht des Rechtsberaters bei möglichem Insolvenzgrund kann demnach nur dann drittschützende Wirkung zugunsten des Geschäftsleiters einer juristischen Person oder einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit entfalten, wenn der Geschäftsleiter insoweit bestimmungsgemäß mit der Hauptleistung in Berührung kommt. Darüber entscheiden Ausprägung und Inhalt des Beratungsvertrags. Nicht erforderlich ist, dass die Hauptpflicht selbst drittschützend ist. Es reicht aus, wenn das geschützte Drittinteresse bei Erbringung der Hauptleistung typischerweise beeinträchtigt werden kann. Kern der erforderlichen Leistungsnähe ist, dass der Dritte ein besonderes Interesse an der Hauptleistung hat, weil die Leistung des Anwalts nach objektivem Empfängerhorizont (auch) dazu bestimmt ist, dass der Dritte konkret feststehende Handlungsgebote, die ihn persönlich treffen, einhalten und so eine persönliche Haftung vermeiden kann (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juli 2016, aaO Rn. 22).
Im Streitfall folgt das geschützte Drittinteresse aus der Insolvenzantragspflicht und den bei ihrer Missachtung drohenden Haftungsfolgen (vgl. oben Rn. 16 f). Eine Beeinträchtigung dieses Interesses scheidet regelmäßig aus, wenn der Rechtsberater nur mit der Durchsetzung eines Anspruchs beauftragt wird oder eine rechtliche Gestaltung unabhängig von einer Krise der Mandantin vornehmen soll. Treten während der Bearbeitung eines solchen Mandats die Voraussetzungen für die Hinweis- und Warnpflicht bei möglichem Insolvenzgrund ein (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 2017 - IX ZR 285/14, BGHZ 213, 374 Rn. 44; vom 21. Juni 2018 - IX ZR 80/17, ZInsO 2018, 1846 Rn. 12), erstreckt sich der Schutz dieser (Neben-)Pflicht in der Regel nicht auf den Geschäftsleiter, weil die ihn treffende Insolvenzantragspflicht und die bei ihrer Missachtung drohenden Haftungsfolgen keinen (hinreichenden) Bezug zur geschuldeten Hauptleistung aufweisen.
Anders liegt der Fall, wenn die juristische Person oder Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit den Berater mit der Beurteilung oder Bearbeitung einer Krisensituation betraut. Daraus folgt zunächst ein Näheverhältnis der Hauptleistung zu den nunmehr in § 1 StaRUG rechtsformübergreifend zusammengefassten Pflichten zur Krisenfrüherkennung und zum Krisenmanagement, die wie die Insolvenzantragspflicht aus § 15a Abs. 1 InsO den Geschäftsleiter treffen. Ob Haftungsfolgen aus der Verletzung von Pflichten zur Krisenfrüherkennung und zum Krisenmanagement wie die Folgen einer Missachtung der Insolvenzantragspflicht im Fremdinteresse angeordnet sind und sich deshalb ein Drittschutz auch insoweit ergeben kann, muss nicht entschieden werden. Das erforderliche Näheverhältnis besteht jedenfalls im Blick auf die Insolvenzantragspflicht, die im Rahmen einer wirtschaftlichen Krise der Gesellschaft regelmäßig in Betracht zu ziehen ist.
(3) Der so verstandene Drittschutz der Hinweis- und Warnpflicht bei möglichem Insolvenzgrund birgt kein unbilliges Haftungsrisiko für den Rechtsberater. Muss er sich zur ordnungsgemäßen Erbringung der geschuldeten Hauptleistung mit einer wirtschaftlichen Krise des Rechtsträgers befassen, dessen Geschäftsleiter der Insolvenzantragspflicht nach § 15a Abs. 1 InsO unterliegt, ist das mit der Übernahme eines solchen Mandats verbundene, durch den Drittschutz erweiterte Haftungsrisiko von Anfang an hinreichend überschaubar. Es kommt hinzu, dass die Hinweis- und Warnpflicht bei möglichem Insolvenzgrund nur unter engen Voraussetzungen eingreift. Geschuldet sind Hinweis oder Warnung erst, wenn dem Berater der mögliche Insolvenzgrund bekannt wird, dieser für ihn offenkundig ist oder der Insolvenzgrund sich ihm bei ordnungsgemäßer Bearbeitung des Mandats aufdrängt. Die bloße Erkennbarkeit reicht nicht aus. Ferner muss der Berater Grund zu der Annahme haben, dass sich der Geschäftsleiter nicht über den möglichen Insolvenzgrund und die daraus folgenden Handlungspflichten bewusst ist (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 2017, aaO; vom 21. Juni 2018, aaO). Zudem erfordert die Hinweis- und Warnpflicht keine eigenständige Prüfung oder Ermittlung des Insolvenzgrundes.
III.
Die angefochtene Entscheidung stellt sich nicht - auch nicht nur teilweise - aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).
1. Die Klägerin kann den beklagten Haftpflichtversicherer des insolventen Rechtsanwalts direkt in Anspruch nehmen (§ 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VVG).
2. Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob dem Rechtsanwalt eine Verletzung der Hinweis- und Warnpflicht bei möglichem Insolvenzgrund zur Last fällt. Davon ist revisionsrechtlich auszugehen.
3. Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin aus abgetretenem Recht des M. M. senior scheitert nicht zwingend daran, dass dieser nur faktischer Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der KG gewesen sein soll. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist geklärt, dass ein faktischer Geschäftsführer sowohl zur Stellung des Insolvenzantrags verpflichtet ist als auch für die zivilrechtlichen Folgen einer verspäteten Antragstellung einzustehen hat (vgl. BGH, Urteil vom 21. März 1988 - II ZR 194/87, BGHZ 104, 44, 46; vom 25. Februar 2002 - II ZR 196/00, BGHZ 150, 61, 69; vom 11. Juli 2005 - II ZR 235/03, ZIP 2005, 1550 f; Beschluss vom 2. Juni 2008 - II ZR 104/07, ZIP 2008, 1329 Rn. 4). Die Erwägungen, die eine Einbeziehung des ordnungsgemäß bestellten Geschäftsleiters in den Schutzbereich des Mandatsvertrags rechtfertigen können (vgl. dazu oben Rn. 14 ff), gelten deshalb entsprechend. Mit dem Vorhandensein eines faktischen Geschäftsführers muss der Rechtsberater allerdings nicht ohne weiteres rechnen. Die Einbeziehung des faktischen Geschäftsführers in den Schutzbereich des Vertrags setzt daher zusätzlich zumindest die Erkennbarkeit seiner Existenz für den Rechtsberater voraus.
IV.
Das Urteil ist danach aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 ZPO). Eine eigene Sachentscheidung kann der Senat nicht treffen, weil die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das Berufungsgericht wird die Voraussetzungen des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs aus abgetretenem Recht neu zu prüfen haben.
Bejaht das Berufungsgericht die Verletzung einer Hinweis- und Warnpflicht bei möglichem Insolvenzgrund, wird es erneut der Frage des Drittschutzes nachzugehen haben. Gegebenenfalls sind die Kausalität der Pflichtverletzung für den geltend gemachten Schaden und ein mögliches Mitverschulden zu prüfen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 2017 - IX ZR 285/14, ZInsO 2018, 1846 Rn. 52 f, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 213, 374).
moreResultsText
moreResultsText
Annotations
(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.
(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Durch Vertrag kann eine Leistung an einen Dritten mit der Wirkung bedungen werden, dass der Dritte unmittelbar das Recht erwirbt, die Leistung zu fordern.
(2) In Ermangelung einer besonderen Bestimmung ist aus den Umständen, insbesondere aus dem Zwecke des Vertrags, zu entnehmen, ob der Dritte das Recht erwerben, ob das Recht des Dritten sofort oder nur unter gewissen Voraussetzungen entstehen und ob den Vertragschließenden die Befugnis vorbehalten sein soll, das Recht des Dritten ohne dessen Zustimmung aufzuheben oder zu ändern.
Bei der Erstellung eines Jahresabschlusses für einen Mandanten haben Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer und Rechtsanwälte den Mandanten auf das Vorliegen eines möglichen Insolvenzgrundes nach den §§ 17 bis 19 der Insolvenzordnung und die sich daran anknüpfenden Pflichten der Geschäftsleiter und Mitglieder der Überwachungsorgane hinzuweisen, wenn entsprechende Anhaltspunkte offenkundig sind und sie annehmen müssen, dass dem Mandanten die mögliche Insolvenzreife nicht bewusst ist.
(1) Wird eine juristische Person zahlungsunfähig oder überschuldet, haben die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler ohne schuldhaftes Zögern einen Eröffnungsantrag zu stellen. Der Antrag ist spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung zu stellen. Das Gleiche gilt für die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter oder die Abwickler bei einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, bei der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist; dies gilt nicht, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern eine andere Gesellschaft gehört, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.
(2) Bei einer Gesellschaft im Sinne des Absatzes 1 Satz 3 gilt Absatz 1 sinngemäß, wenn die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter ihrerseits Gesellschaften sind, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, oder sich die Verbindung von Gesellschaften in dieser Art fortsetzt.
(3) Im Fall der Führungslosigkeit einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist auch jeder Gesellschafter, im Fall der Führungslosigkeit einer Aktiengesellschaft oder einer Genossenschaft ist auch jedes Mitglied des Aufsichtsrats zur Stellung des Antrags verpflichtet, es sei denn, diese Person hat von der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung oder der Führungslosigkeit keine Kenntnis.
(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer entgegen Absatz 1 Satz 1 und 2, auch in Verbindung mit Satz 3 oder Absatz 2 oder Absatz 3, einen Eröffnungsantrag
(5) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 4 fahrlässig, ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.
(6) Im Falle des Absatzes 4 Nummer 2, auch in Verbindung mit Absatz 5, ist die Tat nur strafbar, wenn der Eröffnungsantrag rechtskräftig als unzulässig zurückgewiesen wurde.
(7) Auf Vereine und Stiftungen, für die § 42 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt, sind die Absätze 1 bis 6 nicht anzuwenden.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
(1) Wird eine juristische Person zahlungsunfähig oder überschuldet, haben die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler ohne schuldhaftes Zögern einen Eröffnungsantrag zu stellen. Der Antrag ist spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung zu stellen. Das Gleiche gilt für die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter oder die Abwickler bei einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, bei der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist; dies gilt nicht, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern eine andere Gesellschaft gehört, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.
(2) Bei einer Gesellschaft im Sinne des Absatzes 1 Satz 3 gilt Absatz 1 sinngemäß, wenn die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter ihrerseits Gesellschaften sind, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, oder sich die Verbindung von Gesellschaften in dieser Art fortsetzt.
(3) Im Fall der Führungslosigkeit einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist auch jeder Gesellschafter, im Fall der Führungslosigkeit einer Aktiengesellschaft oder einer Genossenschaft ist auch jedes Mitglied des Aufsichtsrats zur Stellung des Antrags verpflichtet, es sei denn, diese Person hat von der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung oder der Führungslosigkeit keine Kenntnis.
(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer entgegen Absatz 1 Satz 1 und 2, auch in Verbindung mit Satz 3 oder Absatz 2 oder Absatz 3, einen Eröffnungsantrag
(5) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 4 fahrlässig, ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.
(6) Im Falle des Absatzes 4 Nummer 2, auch in Verbindung mit Absatz 5, ist die Tat nur strafbar, wenn der Eröffnungsantrag rechtskräftig als unzulässig zurückgewiesen wurde.
(7) Auf Vereine und Stiftungen, für die § 42 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt, sind die Absätze 1 bis 6 nicht anzuwenden.
(1) Die nach § 15a Absatz 1 Satz 1 antragspflichtigen Mitglieder des Vertretungsorgans und Abwickler einer juristischen Person dürfen nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung der juristischen Person keine Zahlungen mehr für diese vornehmen. Dies gilt nicht für Zahlungen, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind.
(2) Zahlungen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen, insbesondere solche Zahlungen, die der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs dienen, gelten vorbehaltlich des Absatzes 3 als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar. Im Rahmen des für eine rechtzeitige Antragstellung maßgeblichen Zeitraums nach § 15a Absatz 1 Satz 1 und 2 gilt dies nur, solange die Antragspflichtigen Maßnahmen zur nachhaltigen Beseitigung der Insolvenzreife oder zur Vorbereitung eines Insolvenzantrags mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters betreiben. Zahlungen, die im Zeitraum zwischen der Stellung des Antrags und der Eröffnung des Verfahrens geleistet werden, gelten auch dann als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar, wenn diese mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters vorgenommen wurden.
(3) Ist der nach § 15a Absatz 1 Satz 1 und 2 für eine rechtzeitige Antragstellung maßgebliche Zeitpunkt verstrichen und hat der Antragspflichtige keinen Antrag gestellt, sind Zahlungen in der Regel nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar.
(4) Werden entgegen Absatz 1 Zahlungen geleistet, sind die Antragspflichtigen der juristischen Person zur Erstattung verpflichtet. Ist der Gläubigerschaft der juristischen Person ein geringerer Schaden entstanden, beschränkt sich die Ersatzpflicht auf den Ausgleich dieses Schadens. Soweit die Erstattung oder der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger der juristischen Person erforderlich ist, wird die Pflicht nicht dadurch ausgeschlossen, dass dieselben in Befolgung eines Beschlusses eines Organs der juristischen Person gehandelt haben. Ein Verzicht der juristischen Person auf Erstattungs- oder Ersatzansprüche oder ein Vergleich der juristischen Person über diese Ansprüche ist unwirksam. Dies gilt nicht, wenn der Erstattungs- oder Ersatzpflichtige zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung des Insolvenzverfahrens mit seinen Gläubigern vergleicht, wenn die Erstattungs- oder Ersatzpflicht in einem Insolvenzplan geregelt wird oder wenn ein Insolvenzverwalter für die juristische Person handelt.
(5) Absatz 1 Satz 1 und Absatz 4 gelten auch für Zahlungen an Personen, die an der juristischen Person beteiligt sind, soweit diese zur Zahlungsunfähigkeit der juristischen Person führen mussten, es sei denn, dies war auch bei Beachtung der in Absatz 1 Satz 2 bezeichneten Sorgfalt nicht erkennbar. Satz 1 ist auf Genossenschaften nicht anwendbar.
(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch für die nach § 15a Absatz 1 Satz 3 und Absatz 2 zur Stellung des Antrags verpflichteten organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter.
(7) Die Ansprüche aufgrund der vorstehenden Bestimmungen verjähren in fünf Jahren. Besteht zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung eine Börsennotierung, verjähren die Ansprüche in zehn Jahren.
(8) Eine Verletzung steuerrechtlicher Zahlungspflichten liegt nicht vor, wenn zwischen dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit nach § 17 oder der Überschuldung nach § 19 und der Entscheidung des Insolvenzgerichts über den Insolvenzantrag Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt werden, sofern die Antragspflichtigen ihren Verpflichtungen nach § 15a nachkommen. Wird entgegen der Verpflichtung nach § 15a ein Insolvenzantrag verspätet gestellt, gilt dies nur für die nach Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters oder Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung fällig werdenden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis. Wird das Insolvenzverfahren nicht eröffnet und ist dies auf eine Pflichtverletzung der Antragspflichtigen zurückzuführen, gelten die Sätze 1 und 2 nicht.
(1) Die Mitglieder des zur Geschäftsführung berufenen Organs einer juristischen Person (Geschäftsleiter) wachen fortlaufend über Entwicklungen, welche den Fortbestand der juristischen Person gefährden können. Erkennen sie solche Entwicklungen, ergreifen sie geeignete Gegenmaßnahmen und erstatten den zur Überwachung der Geschäftsleitung berufenen Organen (Überwachungsorganen) unverzüglich Bericht. Berühren die zu ergreifenden Maßnahmen die Zuständigkeiten anderer Organe, wirken die Geschäftsleiter unverzüglich auf deren Befassung hin.
(2) Bei Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit im Sinne von § 15a Absatz 1 Satz 3 und Absatz 2 der Insolvenzordnung gilt Absatz 1 entsprechend für die Geschäftsleiter der zur Geschäftsführung berufenen Gesellschafter.
(3) Weitergehende Pflichten, die sich aus anderen Gesetzen ergeben, bleiben unberührt.
(1) Wird eine juristische Person zahlungsunfähig oder überschuldet, haben die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler ohne schuldhaftes Zögern einen Eröffnungsantrag zu stellen. Der Antrag ist spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung zu stellen. Das Gleiche gilt für die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter oder die Abwickler bei einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, bei der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist; dies gilt nicht, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern eine andere Gesellschaft gehört, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.
(2) Bei einer Gesellschaft im Sinne des Absatzes 1 Satz 3 gilt Absatz 1 sinngemäß, wenn die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter ihrerseits Gesellschaften sind, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, oder sich die Verbindung von Gesellschaften in dieser Art fortsetzt.
(3) Im Fall der Führungslosigkeit einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist auch jeder Gesellschafter, im Fall der Führungslosigkeit einer Aktiengesellschaft oder einer Genossenschaft ist auch jedes Mitglied des Aufsichtsrats zur Stellung des Antrags verpflichtet, es sei denn, diese Person hat von der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung oder der Führungslosigkeit keine Kenntnis.
(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer entgegen Absatz 1 Satz 1 und 2, auch in Verbindung mit Satz 3 oder Absatz 2 oder Absatz 3, einen Eröffnungsantrag
(5) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 4 fahrlässig, ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.
(6) Im Falle des Absatzes 4 Nummer 2, auch in Verbindung mit Absatz 5, ist die Tat nur strafbar, wenn der Eröffnungsantrag rechtskräftig als unzulässig zurückgewiesen wurde.
(7) Auf Vereine und Stiftungen, für die § 42 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt, sind die Absätze 1 bis 6 nicht anzuwenden.
Ergibt die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.
(1) Der Dritte kann seinen Anspruch auf Schadensersatz auch gegen den Versicherer geltend machen,
- 1.
wenn es sich um eine Haftpflichtversicherung zur Erfüllung einer nach dem Pflichtversicherungsgesetz bestehenden Versicherungspflicht handelt oder - 2.
wenn über das Vermögen des Versicherungsnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen worden ist oder ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt worden ist oder - 3.
wenn der Aufenthalt des Versicherungsnehmers unbekannt ist.
(2) Der Anspruch nach Absatz 1 unterliegt der gleichen Verjährung wie der Schadensersatzanspruch gegen den ersatzpflichtigen Versicherungsnehmer. Die Verjährung beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem die Verjährung des Schadensersatzanspruchs gegen den ersatzpflichtigen Versicherungsnehmer beginnt; sie endet jedoch spätestens nach zehn Jahren von dem Eintritt des Schadens an. Ist der Anspruch des Dritten bei dem Versicherer angemeldet worden, ist die Verjährung bis zu dem Zeitpunkt gehemmt, zu dem die Entscheidung des Versicherers dem Anspruchsteller in Textform zugeht. Die Hemmung, die Ablaufhemmung und der Neubeginn der Verjährung des Anspruchs gegen den Versicherer wirken auch gegenüber dem ersatzpflichtigen Versicherungsnehmer und umgekehrt.
(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.
(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.
(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.