Bundesgerichtshof Urteil, 16. Juni 2016 - 3 StR 124/16

bei uns veröffentlicht am16.06.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 124/16
vom
16. Juni 2016
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:160616U3STR124.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. Juni 2016, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Becker, die Richter am Bundesgerichtshof Mayer, Gericke, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Spaniol, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Tiemann als beisitzende Richter, Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten L. W. , Rechtsanwältin als Verteidigerin des Angeklagten K. W. , Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten O. W. , Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten S. , Rechtsanwalt als Vertreter des Nebenklägers Mu. A. , Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
1. Das Urteil des Landgerichts Hannover vom 19. Oktober 2015 wird mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) auf die Revision der Staatsanwaltschaft, soweit der Angeklagte O. W. im Fall II. 2. a) der Urteilsgründe freigesprochen worden ist,
b) auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers hinsichtlich des Angeklagten S. .
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, zurückverwiesen
a) hinsichtlich des Angeklagten O. W. an das Amtsgericht Hannover,
b) hinsichtlich des Angeklagten S. an eine als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts.
3. Die weitergehende Revision des Nebenklägers wird verworfen.
Insoweit hat der Nebenkläger die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Angeklagten O. W. hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
4. Die Revisionen der Angeklagten L. und K. W. werden verworfen.
Diese Angeklagten haben die Kosten ihrer Rechtsmittel und die hierdurch dem Nebenkläger entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten L. und K. W. jeweils wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer Schusswaffe verurteilt, den Angeklagten L. W. zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und acht Monaten, den Angeklagten K. W. zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten; das Landgericht hat außerdem eine Adhäsionsentscheidung getroffen und die Angeklagten L. und K. W. gesamtschuldnerisch zur Zahlung eines Schmerzensgel- des in Höhe von 10.000 € an den Nebenkläger Mu. A. verurteilt. Die An- geklagten O. W. und S. hat das Landgericht freigesprochen; beiden Angeklagten war - ebenso wie den Angeklagten L. und K. W. - versuchter Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil des Nebenklägers, dem Angeklagten O. W. außerdem tatmehrheitlich dazu eine Bedrohung vorgeworfen worden.
2
Mit ihrer auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision , die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, wendet sich die Staatsanwaltschaft gegen die Freisprüche, hinsichtlich des Angeklagten O. W. gemäß der Revisionsbegründung indes nur, soweit dessen Verurteilung wegen Bedrohung unterblieben ist. Der Nebenkläger erstrebt mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision nach dem Inhalt der Revisionsbegründung eine Verurteilung der Angeklagten O. W. und S. wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Angeklagter O. W. ) bzw. Beihilfe hierzu (Angeklagter S. ). Der Angeklagte L. W. wendet sich mit seiner auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision gegen seine Verurteilung , der Angeklagte K. W. hat seine auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt; gegen die Adhäsionsentscheidung wendet er sich, soweit das dem Nebenkläger zuerkannte Schmerzensgeld einen Betrag von 8.000 € übersteigt.
3
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers führen zur Aufhebung des Freispruchs des Angeklagten S. , die Revision der Staatsanwaltschaft hat außerdem hinsichtlich des Angeklagten O. W. Erfolg. Das weitergehende Rechtsmittel des Nebenklägers ist ebenso unbegründet wie die Revisionen der Angeklagten L. und K. W. .
4
I. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen war es im Dezember 2014 zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Bruder des Nebenklägers , dem Zeugen Me. A. , und dem Angeklagten K. W. gekommen , in deren Verlauf Me. A. den Angeklagten K. W. erheblich verletzt hatte. Am 30. April 2015 begegneten sich Me. A. und der An- geklagte O. W. , der in Begleitung des Angeklagten S. unterwegs war, nachmittags zufällig im Stadtgebiet von H. ; O. W. ist ein jüngerer Bruder von K. W. . Zwischen Me. A. und O. W. kam es zu einem Gespräch über den Vorfall im Dezember 2014, das zunächst sachlich verlief, alsbald aber in gegenseitige Beleidigungen und Beschimpfungen überging. Schließlich zog O. W. unvermittelt ein Klappmesser aus einer Tasche seiner Bekleidung hervor, das er allerdings nicht aufklappte, sodass die Klinge nicht zum Vorschein kam. Er fragte Me. A. sodann, was er "mit ihm machen" solle, ob er ihn "abstechen" oder "aufschlitzen" solle. Daraufhin mischte sich S. beschwichtigend in den Disput ein; er bewirkte, dass O. W. von Me. A. abließ (Fall II. 2. a) der Urteilsgründe).
5
Nachdem O. W. seinen Bruder K. telefonisch von seinem Aufeinandertreffen mit Me. A. berichtet hatte, beschloss K. W. , gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder L. W. zu O. W. und S. hinzuzustoßen, um Me. A. sodann zu viert in einem Geschäft, in dem sie ihn vermuteten, aufzusuchen und "zur Rede zu stellen". Da K. und L. W. bei einer Auseinandersetzung mit Me. A. "gewappnet" sein wollten, nahm K. W. im Einverständnis mit L. W. eine mit acht Patronen geladene Pistole mit. Auf dem Weg zu dem Geschäftübergab K. W. die Pistole an L. W. und forderte ihn auf, zunächst abzuwarten, wie sich das Geschehen entwickele. Nachdem die Angeklagten wider Erwarten nur den Bruder von Me. A. , den Nebenkläger Mu. A. , in dem Geschäft angetroffen hatten, kam es im weiteren Verlauf vor dem Geschäft zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen den Angeklagten und Mu. A. . L. W. hielt sich dabei entsprechend der ihm von K. W. erteilten Anweisung einige Meter von den anderen Angeklagten entfernt.
6
Als der Streit zunehmend lauter und aggressiver wurde, trat L. W. zu den anderen Angeklagten hinzu. Nachdem Mu. A. in Erwartung einer körperlichen Auseinandersetzung sein Oberhemd ausgezogen, seine Brille darin eingewickelt und das Hemd durch die offen stehende Tür in den Windfang des Geschäfts geworfen hatte, zog L. W. die Pistole aus seinem Hosenbund, um Mu. A. damit zu drohen. Mu. A. reagierte aber nicht so, wie L. W. es erwartet hatte, weil er die Pistole nicht für eine scharfe Waffe hielt. Daraufhin zog L. W. den Schlitten der Pistole durch, um sie durchzuladen, und gab aus einer Entfernung von zwei bis zweieinhalb Metern mit Tötungsvorsatz einen Schuss auf den Oberkörper von Mu. A. ab. Da Mu. A. sich vor der Schussabgabe zur Seite gedreht hatte, traf ihn der Schuss nicht im Oberkörper, sondern im linken Unterarm. Er drehte sich nun weiter um und lief durch den Windfang in die Geschäftsräume hinein. Als K. W. sah, dass Mu. A. am Leben geblieben war, entschloss er sich, in dem Geschäft "zu Ende zu bringen", was L. W. "begonnen hatte, nämlich Mu. A. zu töten". Er nahm L. W. , der das Vorgehen seines Bruders billigte, die Pistole aus der Hand und lief in den Windfang des Eingangsbereichs. Dort zerrte er mehrfach an dem Schlitten der Pistole, als wolle er sie nochmal durchladen. Schließlich betrat K. W. das Geschäft durch eine gläserne Zwischentür, die den Windfang von den Geschäftsräumen abgrenzt und nach dem Öffnen von selbst wieder zufällt. In den Geschäftsräumen gab er vier gezielte Schüsse in Richtung von Kopf und Oberkörper von Mu. A. ab, der von zwei Schüssen am linken Arm bzw. im Vorderbauch getroffen wurde.
7
Bereits während K. W. das erste Mal auf Mu. A. anlegte, betrat S. den Windfang, drückte die sich schließende gläserne Zwischentür auf und hielt sie mit der rechten Hand offen, "um K. W. den schnellen Rückzug aus dem Geschäft zu ermöglichen und ihm während der Abgabe der Schüsse beizustehen". Nachdem auch L. W. die Geschäftsräume betreten und K. W. zugerufen hatte, dass "es reiche", hörte K. W. auf, weitere Schüsse auf Mu. A. abzugeben. Er lief durch die nach wie vor von S. offen gehaltene Zwischentür hinaus, und S. sowie L. W. folgten ihm (Fall II. 2. b) der Urteilsgründe).
8
II. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet.
9
1. Der Freispruch des Angeklagten S. von dem Vorwurf, an der von K. W. zum Nachteil von Mu. A. begangenen Tat beteiligt gewesen zu sein, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
10
Das Landgericht hat insoweit im Rahmen der rechtlichen Würdigung ausgeführt, dass S. weder Mittäterschaft noch Beihilfe nachgewiesen werden könne. S. habe zwar durch das Offenhalten der Zwischentür objektiv Beihilfe geleistet, weil er K. W. dadurch psychisch unterstützt und dessen Flucht physisch erleichtert habe. Auf den erforderlichen doppelten Gehilfenvorsatz von S. könne allein aus den äußeren Umständen aber nicht geschlossen werden. Denn S. habe sich dahin eingelassen, dass er über das Vorgehen von K. W. schockiert gewesen und wie angewurzelt stehen geblieben sei, und diese Einlassung habe nicht widerlegt werden können. Außerdem habe S. auch kein besonderes eigenes Interesse an der Tat zum Nachteil von Mu. A. gehabt.
11
Diese Rechtsausführungen stehen im Hinblick auf eine Beteiligung des Angeklagten S. in Form der Beihilfe (§ 27 StGB) an der zum Nachteil von Mu. A. begangenen Tat nicht in Einklang mit den von der Jugendkammer getroffenen Feststellungen. Zutreffend hat das Landgericht darin, dass S. die Tür offen hielt, um K. W. die Flucht zu erleichtern und bei der Tatausführung beizustehen, eine zumindest psychische Hilfeleistung gesehen. Denn K. W. konnte sich dadurch in seinem Tatentschluss bestärkt sehen und ein erhöhtes Gefühl der Sicherheit vermittelt bekommen (vgl. dazu BGH, Urteile vom 21. Juli 1993 - 2 StR 282/93, NStZ 1993, 535; vom 3. November 1994 - 3 StR 62/94, BGHSt 40, 307, 315 f.; Beschluss vom 17. März 1995 - 2 StR 84/95, NStZ 1995, 490, 491). Mit seiner Erwägung, dass es S. am doppelten Gehilfenvorsatz gefehlt habe, weil seine Einlassung, über das Verhalten von K. W. völlig schockiert gewesen und wie angewurzelt stehen geblieben zu sein, nicht habe widerlegt werden können, setzt sich das Landgericht dann aber in Widerspruch zu seinen eigenen Feststellungen. Danach hatte S. aus nächster Nähe wahrgenommen, dass L. W. auf Mu. A. geschossen hatte und dass K. W. die Pistole anschließend an sich genommen und im Windfang mehrmals an dem Schlitten der Pistole gezogen hatte, "als wolle er sie nochmal durchladen". S. hatte sich währenddessen selbst in den Windfang begeben und hielt die Zwischentür offen. Wenn er dies während der folgenden Schussabgabe durch K. W. weiterhin tat, "um" diesem "den schnellen Rückzug aus dem Geschäft zu ermöglichen und ihm während der Abgabe der Schüsse beizustehen", so ist hiermit sein doppelter Gehilfenvorsatz ohne Weiteres belegt. Dem steht auch nicht entgegen, dass S. kein eigenes Interesse an der Tat zum Nachteil von Mu. A. gehabt habe. Das hindert allenfalls die Annahme von Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB).
12
Auf der Grundlage der vom Landgericht getroffenen Feststellungen kann der Freispruch des Angeklagten S. mithin keinen Bestand haben. Die Sache bedarf insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung.
13
2. Der Freispruch des Angeklagten O. W. von dem Vorwurf der Bedrohung (§ 241 StGB) im Fall II. 2. a) der Urteilsgründe hält rechtlicher Überprüfung ebenfalls nicht stand.
14
a) Das Landgericht hat dazu ausgeführt, dass die Äußerung vonO. W. gegenüber Me. A. durch ihre Formulierung als Frage eine gewisse Unentschlossenheit und damit auch noch kein den Eindruck der Ernstlichkeit erweckendes Inaussichtstellen eines Verbrechens beinhaltet habe. Auch die Tatsache, dass O. W. während seiner Äußerung ein ungeöffnetes Messer in der Hand gehalten habe, enthalte weder für sich gesehen noch in Verbindung mit der an Me. A. gerichteten Frage einen eigenen Erklärungswert , der objektiv als Ankündigung eines Verbrechens aufzufassen sei. Überdies könnten prahlerische Redensarten, wie etwa jemanden "kaltzumachen" , als jugendtümliche Wichtigtuerei den Eindruck der Ernstlichkeit vermissen lassen und die Formulierung "aufschlitzen" anders als "abstechen" für sich allein gesehen auch lediglich das Inaussichtstellen einer gefährlichen Körperverletzung beinhalten, bei der es sich indes nicht um ein Verbrechen handele.
15
b) Dies beanstandet die Staatsanwaltschaft mit Recht.
16
aa) Ob einer Äußerung in objektiver und subjektiver Hinsicht die Bedeutung einer Bedrohung beizumessen ist, ist durch Auslegung zu ermitteln, bei der auch die Begleitumstände der Tatsituation Bedeutung erlangen können (BGH, Beschluss vom 15. Januar 2015 - 4 StR 419/14, NStZ 2015, 394, 395; OLG Köln, Beschluss vom 19. Januar 2007 - 83 Ss 110/06, NJW 2007, 1150, 1151). Diese Auslegung obliegt als tatsächliche Würdigung dem Tatrichter; dem Revisionsgericht ist eine eigene Bewertung der Äußerung versagt. Es hat die Auslegung des Tatgerichts jedoch nach revisionsrechtlichen Grundsätzen darauf zu überprüfen, ob sie Rechtsfehler enthält. Das ist etwa dann der Fall, wenn sie lückenhaft ist und die Urteilsgründe sich nicht mit allen nach den Umständen naheliegenden Möglichkeiten auseinandersetzen sowie eine umfassende Würdigung des Inhalts, des Zwecks und der Tendenz der Äußerung vermissen lassen (vgl. zu allem BGH, Urteil vom 15. November 1967 - 3 StR 4/67, BGHSt 21, 371, 372; OLG Köln, aaO; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 337 Rn. 32).
17
bb) So verhält es sich hier. Das Landgericht ist zwar im rechtlichen Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass eine Bedrohung im Sinne des § 241 StGB das ausdrücklich erklärte oder konkludent zum Ausdruck gebrachte Inaussichtstellen eines Verbrechens erfordert, das seinem Erklärungsgehalt nach objektiv geeignet erscheint, den Eindruck der Ernstlichkeit zu erwecken (BGH, Beschluss vom 15. Januar 2015 - 4 StR 419/14, NStZ 2015, 394, 395; LK/Schluckebier, StGB, 12. Aufl., § 241 Rn. 10), wobei das in Aussicht gestellte Verhalten als Verbrechen im Sinne des § 12 StGB zu werten sein muss (BGH, Urteil vom 3. Juli 1962 - 1 StR 213/62, BGHSt 17, 307, 308). Es hat sich jedoch nicht mit allen nach den Umständen des Falles naheliegenden Möglichkeiten der Auslegung der Äußerung des Angeklagten O. W. auseinandergesetzt. Dieser hatte Me. A. gefragt, ob er ihn "abstechen" oder "aufschlitzen" solle. Soweit die Jugendkammer davon ausgegangen ist, dass O. W. Me. A. durch das alternativ zum "Abstechen" in Betracht gezogene "Aufschlitzen" möglicherweise nicht die Beibringung tödlicher Verletzungen, sondern nur eine gefährliche Körperverletzung und dementsprechend nicht unbedingt ein Verbrechen im Sinne des § 12 StGB in Aussicht stellen wollte, hat sie nicht berücksichtigt, dass die umgangssprachliche Bedeutung der Begriffe "Abstechen" und "Aufschlitzen" in Bezug auf Menschen weitgehend identisch ist. Während der Begriff "Abstechen" im Sinne eines "Totstechens", also der Beibringung einer tödlichen Stichverletzung verwendet wird, wird unter dem Begriff "Aufschlitzen" die Zufügung einer den Bauch eröffnenden und mithin in der Regel ebenfalls tödlichen Schnittverletzung verstanden (vgl. dazu www.duden.de/rechtschreibung/abstechen; www.duden.de/rechtschreibung /aufschlitzen). Die Jugendkammer hat auch nicht bedacht, dass der Begriff des "Aufschlitzens" nicht isoliert betrachtet werden darf, sondern unter Berücksichtigung der Gesamtsituation gewürdigt werden muss. In Anbetracht dessen liegt es indes nahe, dass O. W. die Begriffe "Abstechen" und "Aufschlitzen" tatsächlich gleichbedeutend im Sinne einer Tötung gemeint hat und dass Me. A. sie auch so verstehen sollte, zumal O. W. sein Klappmesser - wenngleich noch nicht geöffnet - bereits offen sichtbar in der Hand hielt, während er sich gegenüber Me. A. äußerte. Vor diesem Hintergrund ergeben sich daraus, dass O. W. seine Äußerung in die Form einer Frage kleidete, entgegen der Auffassung des Landgerichts auch nicht ohne Weiteres Zweifel an der Ernstlichkeit der Ankündigung; es liegt vielmehr nahe, dass O. W. die erkennbar rhetorische Fragestellung allein dazu diente, Me. A. in besonders demütigender und herablassender Weise einzuschüchtern.
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III. Die Revision des Nebenklägers hat aus den oben genannten Gründen Erfolg, soweit sie sich gegen den Freispruch des Angeklagten S. richtet. Soweit sich der Nebenkläger darüber hinaus gegen den Freispruch des Angeklagten O. W. im Fall II. 2. b) der Urteilsgründe wendet, ist sein Rechtsmittel aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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Soweit sich in der Revisionsbegründung des Nebenklägers Ausführungen zur Strafbarkeit der Angeklagten L. und K. W. wegen versuchten Totschlags im Fall II. 2. b) der Urteilsgründe finden, hat der Nebenklagevertreter in der Revisionshauptverhandlung klargestellt, dass es sich dabei lediglich um eine Stellungnahme zu der von der Staatsanwaltschaft zunächst auch zuungunsten dieser Angeklagten eingelegten und seinerzeit noch nicht zurückgenommenen Revision handeln, das Rechtsmittel des Nebenklägers sich indes von vornherein nur gegen die Angeklagten S. sowie O. W. richten und durch die Ausführungen in der Revisionsbegründung nicht auf die Angeklagten L. sowie K. W. erstreckt werden sollte. Das steht in Einklang damit, dass der Nebenkläger schon bei der Einlegung der Revision nur die Angeklagten S. und O. W. als diejenigen Angeklagten bezeichnet hatte, auf die sich sein Rechtsmittel beziehen sollte.
20
IV. Die Revision des Angeklagten L. W. ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Der Erörterung bedarf insoweit lediglich Folgendes:
21
Die Verurteilung dieses Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung unter dem Gesichtspunkt der gemeinschaftlichen Tatbegehung (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Feststellungen belegen nicht, dass L. und K. W. insoweit als Mittäter gehandelt haben (§ 25 Abs. 2 StGB).
22
Das Landgericht hat dazu ausgeführt, dass L. und K. W. die Tat aufgrund eines gemeinsamen Tatplans arbeitsteilig ausgeführt hätten. Es sei jeweils von sukzessiver Mittäterschaft auszugehen. So habe K. W. seinem Bruder die Waffe aus der Hand genommen, um die von L. W. zwar begonnene, aber noch nicht beendete Tat zum Nachteil des Nebenklägers "zu Ende zu führen", und L. W. habe "die Fortsetzung" durch seinen Bruder seinerseits gebilligt, sodass spätestens jetzt ein gemeinsamer Tatplan vorgelegen habe. Beide Angeklagten hätten auch Tatherrschaft gehabt, weil sie jeweils Schüsse auf den Nebenkläger abgegeben hätten.
23
Die Annahme des Landgerichts, dass L. und K. W. aufgrund eines gemeinsamen Tatplans gehandelt haben, wird von den Feststellungen indes nicht getragen. Ihnen lässt sich nicht entnehmen, dass L. und K. W. von vornherein vorhatten, dem Nebenkläger mit der Pistole Schussverletzungen zuzufügen. Den Feststellungen zufolge nahmen sie die Waffe lediglich mit, um für den Fall einer körperlichen Auseinandersetzung mit Me. A. "gewappnet" zu sein. Sie rechneten nicht damit, anstelle von Me. A. lediglich dessen Bruder in dem Geschäft anzutreffen, und es war aus ihrer Sicht noch gar nicht absehbar, dass es anschließend zu einer Auseinandersetzung mit diesem kommen würde. L. W. entschloss sich sodann spontan dazu, einen Schuss auf den Nebenkläger abzugeben, weil er darüber "erbost" war, dass der Nebenkläger die Bedrohung mit der Waffe nicht ernst genommen hatte. K. W. fasste erst danach den Entschluss, nun seinerseits mit der Pistole auf den Nebenkläger zu schießen. Darin kann indes keine sukzessive Mittäterschaft an der von L. W. zum Nachteil des Nebenklägers begangenen Körperverletzung gesehen werden, weil der Verletzungserfolg aufgrund des von L. W. abgegebenen Schusses bereits eingetreten und dessen Tat damit beendet war (vgl. dazu BGH, Urteil vom 18. Oktober 2007 - 3 StR 248/07, NStZ 2009, 34). Nach Beendigung der Tat kommt eine sukzessive Mittäterschaft jedoch nicht mehr in Betracht (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 17. Januar 2012 - 3 StR 449/11, juris Rn. 2). Dementsprechend kann der Schuss, den L. W. auf den Nebenkläger abgegeben hatte, K. W. nicht zugerechnet werden.
24
Ebenso wenig können die Schüsse, die K. W. anschließend abgab, ihrerseits L. W. zugerechnet werden. Denn die Feststellungen belegen auch insoweit nicht, dass ein gemeinsamer Tatplan vorlag. Danach nahm K. W. seinem Bruder die Waffe aus der Hand, um seinerseits damit auf den Nebenkläger zu schießen. Zu diesem Zweck folgte er dem Nebenkläger sodann in das Geschäft, während L. W. unmittelbar danach seinerseits das Geschäft betrat, um K. W. aufzufordern, keine weiteren Schüsse auf den Nebenkläger abzugeben. Eine sukzessive Mittäterschaft kann darin nicht gesehen werden, weil L. W. nach dem Beginn der von K. W. zum Nachteil des Nebenklägers begangenen Körperverletzung gerade nicht zwecks gemeinschaftlicher weiterer Ausführung in das tatbestandsmäßige Geschehen eingegriffen hat.
25
Die fehlerhafte Bejahung des Qualifikationstatbestandes gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB wirkt sich auf den Schuldspruch des Angeklagten L. W. wegen gefährlicher Körperverletzung indes nicht aus, weil das Landgericht rechtsfehlerfrei die Qualifikationstatbestände im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 StGB als erfüllt angesehen hat.
26
Auch der Strafausspruch bleibt von dem Rechtsverstoß unberührt. Es kann ausgeschlossen werden, dass die gegen L. W. verhängte Jugendstrafe ohne ihn geringer ausgefallen wäre. Die Jugendkammer hat gemäß § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG auf den zum Tatzeitpunkt 20 Jahre und fünf Monate alten Angeklagten rechtsfehlerfrei Jugendstrafrecht angewendet und beachtet, dass die Bemessung der Jugendstrafe nach § 18 Abs. 2 JGG in erster Linie an erzieherischen Gesichtspunkten auszurichten ist (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 8. Januar 2015 - 3 StR 581/14, NStZ-RR 2015, 154, 155). Sie hat der Strafzumessung den "Strafrahmen des §§ 38 Abs. 1 Satz 1, 105 Abs. 3 Satz 1 JGG" zugrunde gelegt, dabei jedoch rechtsfehlerhaft angenommen, dass danach eine Jugendstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu verhängen sei, während das Höchstmaß der Jugendstrafe tatsächlich zehn Jahre betrug. Das beschwert den Angeklagten indes nicht.
27
Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten L. W. ergeben.
28
V. Die Revision des Angeklagten K. W. ist ebenfalls unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Zwar hat das Landgericht auch in Bezug auf ihn rechtsfehlerhaft den Qualifikationstatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB bejaht. Das lässt den gegen ihn ergangenen Schuldspruch jedoch schon deshalb unberührt, weil er sein Rechtsmittel auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat. Die Wirksamkeit der Rechtsmittelbeschränkung wird durch den Fehler bei der Subsumtion nicht in Frage gestellt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 28. Januar 2016 - 3 StR 347/15, juris Rn. 35 mwN). Die Beschränkung des Rechtsmittels hat überdies zur Folge, dass die fehlerhafte Bejahung des Qualifikationstatbestandes gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB auch bei der Überprüfung des Strafausspruchs bedeutungslos ist. Denn durch die Beschränkung des Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch wird das Revisionsgericht nicht nur an die tatsächlichen Feststellungen zur Schuldfrage, sondern auch an die sie betreffende rechtliche Würdigung im angefochtenen Urteil gebunden (BGH, Urteil vom 28. Januar 2016 - 3 StR 347/15, juris Rn. 30). Dieser Grundsatz führt hier dazu, dass der Senat bei der Überprüfung des Strafausspruchs von der rechtlichen Bewertung des Landgerichts auszugehen hat, wonach nicht nur die Qualifikationstatbestände des § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB, sondern auch derjenige des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB erfüllt sind. Überdies hat die Jugendkammer im Rahmen der Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten K. W. ohnehin nur "die Abgabe von vier gezielten Schüssen", mithin lediglich die vier von ihm selbst abgegebenen, berücksichtigt.
29
Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten K. W. ergeben.
30
VI. Im Umfang der Aufhebung verweist der Senat die Sache hinsichtlich des Angeklagten S. gemäß § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO i.V.m. § 74 Abs. 2 Nr. 5 GVG nicht an eine andere Jugendkammer, sondern an eine als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurück, weil sich das weitere Verfahren nur noch gegen einen Erwachsenen richtet (vgl. dazu BGH, Urteil vom 28. April 1988 - 4 StR 33/88, BGHSt 35, 267) und das Schwurgericht gegenüber der Jugendkammer kein Gericht höherer Ordnung ist (BGH, Urteile vom 25. August 1975- 2 StR 309/75, BGHSt 26, 191; vom 4. Dezember 2002 - 4 StR 103/02, NJW 2003, 836, 838 mwN). Hinsichtlich des Angeklagten O. W. verweist der Senat die Sache gemäß § 354 Abs. 3 StPO i.V.m. § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 25 Nr. 2 GVG an das Amtsgericht Hannover zurück, weil insoweit nur noch der Vorwurf der Bedrohung (§ 241 Abs. 1 StGB) in Rede steht und damit die Zuständigkeit des Strafrichters begründet ist.
Becker Mayer Gericke
Spaniol Tiemann

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(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

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Strafgesetzbuch - StGB | § 25 Täterschaft


(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht. (2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

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Strafgesetzbuch - StGB | § 241 Bedrohung


(1) Wer einen Menschen mit der Begehung einer gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten rechtswidrigen Tat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder gegen eine Sache von bedeutend

Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 18 Dauer der Jugendstrafe


(1) Das Mindestmaß der Jugendstrafe beträgt sechs Monate, das Höchstmaß fünf Jahre. Handelt es sich bei der Tat um ein Verbrechen, für das nach dem allgemeinen Strafrecht eine Höchststrafe von mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe angedroht ist, so is

Strafgesetzbuch - StGB | § 12 Verbrechen und Vergehen


(1) Verbrechen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind. (2) Vergehen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit einer geringeren Freiheitsstrafe oder die mit Geldstrafe bedroht si

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 24


(1) In Strafsachen sind die Amtsgerichte zuständig, wenn nicht 1. die Zuständigkeit des Landgerichts nach § 74 Abs. 2 oder § 74 a oder des Oberlandesgerichts nach den §§ 120 oder 120b begründet ist,2. im Einzelfall eine höhere Strafe als vier Jahre F

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 74


(1) Die Strafkammern sind als erkennende Gerichte des ersten Rechtszuges zuständig für alle Verbrechen, die nicht zur Zuständigkeit des Amtsgerichts oder des Oberlandesgerichts gehören. Sie sind auch zuständig für alle Straftaten, bei denen eine höhe

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(1) Die Jugendgerichtshilfe wird von den Jugendämtern im Zusammenwirken mit den Vereinigungen für Jugendhilfe ausgeübt. (2) Die Vertreter der Jugendgerichtshilfe bringen die erzieherischen, sozialen und sonstigen im Hinblick auf die Ziele und Auf

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Der Richter beim Amtsgericht entscheidet als Strafrichter bei Vergehen, 1. wenn sie im Wege der Privatklage verfolgt werden oder2. wenn eine höhere Strafe als Freiheitsstrafe von zwei Jahren nicht zu erwarten ist.

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Bundesgerichtshof Beschluss, 07. März 2017 - 3 StR 517/16

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(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht.

(2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

(1) Wer einen Menschen mit der Begehung einer gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten rechtswidrigen Tat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder gegen eine Sache von bedeutendem Wert bedroht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Wer einen Menschen mit der Begehung eines gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten Verbrechens bedroht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(3) Ebenso wird bestraft, wer wider besseres Wissen einem Menschen vortäuscht, daß die Verwirklichung eines gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten Verbrechens bevorstehe.

(4) Wird die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) begangen, ist in den Fällen des Absatzes 1 auf Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder auf Geldstrafe und in den Fällen der Absätze 2 und 3 auf Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder auf Geldstrafe zu erkennen.

(5) Die für die angedrohte Tat geltenden Vorschriften über den Strafantrag sind entsprechend anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR419/14
vom
15. Januar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 15. Januar 2015 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 2. Dezember 2013, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist, mit den zugehörigen Feststellungen
a) hinsichtlich der Verurteilung im Fall II. 8 der Urteilsgründe und
b) im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz in vier Fällen, Bedrohung in sechs Fällen und Beleidigung in zwei Fällen zu der Jugendstrafe von acht Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen richtet sich die auf eine Verfahrensbeanstandung und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Das Landgericht hat die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
Der zu den Tatzeiten 18 und 19 Jahre alt gewesene, nicht vorbestrafte Angeklagte leidet an einer leichten Intelligenzminderung (Intelligenzquotient von 50) sowie an einer kombinierten Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen , die insbesondere in einer gestörten Empathiefähigkeit ihren Ausdruck findet. Er steht unter u.a. die Aufgabenbereiche Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge , Wohnungs-, Vermögens- und Behördenangelegenheiten umfassender Betreuung und lebte seit Mai 2012 bis zu seiner auf landesrechtlicher Grundlage erfolgten Unterbringung am 11. Januar 2013 in einer Einrichtung der evangelischen Stiftung U. in B. , wo es von Beginn an zu Konflikten zwischen dem Angeklagten und anderen Bewohnern der Einrichtung kam, die im Vergleich zu auch in früheren Wohngruppen des Angeklagten vorkommenden Konflikten von größerer Intensität waren.
4
Am 6., 11. und 17. Mai 2012 sandte der Angeklagte u.a. fünf SMS-Nachrichten an seinen leiblichen Vater, von denen eine Nachricht eine beleidigende Äußerung enthielt und vier Nachrichten Tötungsdrohungen zum Gegenstand hatten, die sich gegen den Vater des Angeklagten oder dessen Mutter richteten (II. 1 der Urteilsgründe). Zwischen dem 21. und 23. September 2012 begab sich der Angeklagte in den auf dem Gelände der Stiftung befindlichen Pferdestall und brachte einem dort untergebrachten Pferd mittels eines kleinen Butterflymessers mit 4 cm langer Klinge am Oberschenkel des linken Vorderbeins eine 4 cm tiefe Stichverletzung bei, deren Stichkanal bis zum Knochen reichte (II. 2 der Urteilsgründe). Im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Übergriff auf das Pferd wurde der Angeklagte auf einen Igel aufmerksam, auf den er mit seinem Butterflymesser einstach. Anschließend verpackte er den blutenden Igel in eine Plastiktüte und legte ihn im Pferdestall der Einrichtung ab (II. 3 der Urteilsgründe ). Bei anderer Gelegenheit, vermutlich Ende September 2012, bemerkten der Angeklagte und drei andere auf dem Gelände der Einrichtung einen Igel, den sie gemeinsam u.a. durch Schläge mit einer Krücke so schwer verletzten, dass er verendete. Der Angeklagte beteiligte sich an dem Geschehen, indem er mindestens einmal auf den Igel trat (II. 4 der Urteilsgründe). Am 13. Oktober 2012 bezeichnete der Angeklagte einen an ihm vorbeigehenden Bewohner der Einrichtung ohne erkennbaren Anlass als „Arschloch“ und erklärte, er habe seine Mutter und seine Freundin „gefickt“ (II. 5der Urteilsgründe). Nachdem es am Vortag auf Nachfrage seines Bezugsbetreuers zu einer Erörterung über die Herkunft eines beim Angeklagten aufgefallenen ungewöhnlich hohen Bargeldbetrages gekommen war und der Angeklagte das Thema unmittelbar nach dem Aufstehen am Morgen des 6. Januar 2013 gegenüber dem Betreuer im sehr aufgeregten Zustand wieder angesprochen hatte, kam der Angeklagte dem Betreuer kurze Zeit später mit einem Tafelmesser in der Hand entgegen und er- klärte sinngemäß „ich stech dich ab, ich bring mich um“. Im weiteren Verlauf legte der Angeklagte auf Aufforderung des Betreuers das Messer mit dem Griff in dessen Richtung auf den Boden. Um sich gleich wieder mit dem Betreuer zu versöhnen, kam der Angeklagte auf diesen zu und wollte ihn umarmen (II. 6 der Urteilsgründe). Am selben Tag begab sich der Angeklagte zusammen mit einem anderen auf dem Gelände der Stiftung zu dem von ihm bereits zuvor verletzten Pferd. Mit einem von seinem Begleiter übergebenen Messer brachte er dem Pferd eine ca. 4 cm lange oberflächliche Schnittverletzung an der Außenseite des rechten Oberschenkels bei (II. 7 der Urteilsgründe).
5
Schließlich sollte der Bezugsbetreuer des Angeklagten diesen am 11. Januar 2013 zur neuen medikamentösen Einstellung des Angeklagten zu einer Psychiaterin nach B. bringen. Der Angeklagte, der frei entscheiden konnte, ob er zur Psychiaterin fahren wollte oder nicht, lehnte die ihm bereits am Vorabend angekündigte Fahrt zunächst ab, entschied sich dann aber anders und erklärte, doch fahren zu wollen. Im Laufe der anschließenden Autofahrt änderte der Angeklagte noch mehrfach seine Meinung. Zum Teil gab er an, wenn man bei der Ärztin ankomme, werde er nicht aussteigen. Da es dem Angeklagten freistand, die Psychiaterin aufzusuchen oder nicht, ging der Betreuer jedes Mal, wenn der Angeklagte angab, nicht fahren zu wollen, darauf ein und erklärte umzudrehen, woraufhin sich der Angeklagte wieder anders entschied. Obwohl der Betreuer jedes Mal auf die Meinungsänderung des Angeklagten reagierte, war dieser während der Fahrt sehr aufgebracht und bedrohte und beleidigte den Betreuer. Er erklärte, er wolle nicht zur Psychiaterin und bräuchte auch nicht dorthin zu fahren, wenn er das müsse, dann würde er die Psychiaterin und den Betreuer abstechen. Auch gab er an, sich selbst umzubringen. Nachdem er darüber hinaus geäußert hatte, er werde dem Betreuer ins Lenkrad fassen, und sich auch in diese Richtung bewegt hatte, brach der Betreuer die Fahrt ab und fuhr zur Einrichtung zurück (II. 8 der Urteilsgründe).
6
Aufgrund der beim Angeklagten vorliegenden Intelligenzminderung und der kombinierten Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen war die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Tat am 13. Oktober 2012 nicht ausschließbar, bei den übrigen Taten sicher erheblich herabgesetzt.
7
Die Annahme, dass vom Angeklagten infolge seines Zustands mit einer Wahrscheinlichkeit höheren Grades gewalttätige Übergriffe auf beliebige Menschen ggf. unter Zuhilfenahme von Werkzeugen oder Waffen zu erwarten sind, stützt die Jugendkammer – dem psychiatrischen Sachverständigen folgend – maßgeblich darauf, dass der Angeklagte zwei wesentliche Hemmschwellen überschritten habe. Zum einen liege mit der Verletzung von Pferden und Igeln ein wichtiger Prädiktor für Gewaltdelikte gegen Menschen vor. Darüber hinaus habe der Angeklagte mit seinen Selbstverletzungen auch die Grenze zur Verletzung von Menschen überschritten. Hierzu bedürfe es keines Angriffs auf eine andere Person. Bereits eine Selbstverletzung bedeute ein hohes Risiko, dass der Angeklagte diese Schwelle zur Verletzung von Menschen erneut – und dann auch durch Verletzung anderer Personen – überschreite.

II.


8
1. Die Verurteilung wegen Bedrohung im Fall II. 8 der Urteilsgründe hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand, weil die Wertung des Landgerichts, bei der Äußerung des Angeklagten gegenüber seinem Betreuer habe es sich um eine objektiv ernstzunehmende Drohung gehandelt, auf einer unvollständigen tatrichterlichen Wertung beruht.
9
Der Tatbestand der Bedrohung in § 241 Abs. 1 StGB, der in erster Linie dem Schutz des Rechtsfriedens des Einzelnen dient (vgl. BVerfG, NJW 1995, 2776, 2777; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 241 Rn. 2), setzt das ausdrücklich erklärte oder konkludent zum Ausdruck gebrachte Inaussichtstellen der Begehung eines Verbrechens gegen den Drohungsadressaten oder eine ihm nahestehende Person voraus, das seinem Erklärungsgehalt nach objektiv geeignet erscheint , den Eindruck der Ernstlichkeit zu erwecken (vgl. BVerfG aaO; OLG Naumburg, StV 2013, 637; OLG Koblenz, NStZ-RR 2007, 175; Sinn in MükoStGB, 2. Aufl., § 241 Rn. 2, 4; Eser/Eisele in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 241 Rn. 2, 4). Ob einer Erklärung oder einem schlüssigen Verhalten die objektive Eignung zur Störung des individuellen Rechtsfriedens zukommt, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls aus Sicht eines durchschnittlich empfindenden Beobachters, wobei auch Begleitumstände der Tatsituation Bedeutung erlangen können (vgl. Träger/Schluckebier in LK-StGB, 11. Aufl., § 241 Rn. 10; Sinn aaO Rn. 5; Eser/Eisele aaO).
10
Zwar kann eine Bedrohung auch in der Weise erfolgen, dass die Begehung des Verbrechens vom künftigen Eintritt oder Nichteintritt eines weiteren Umstands abhängen soll (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 1961 – 1 StR 288/61, BGHSt 16, 386, 387), so dass die Verknüpfung der Todesdrohung des Angeklagten mit einem zwangsweisen Verbringen zu seiner Psychiaterin grundsätzlich der Erfüllung des Tatbestands des § 241 Abs. 1 StGB nicht entgegensteht. Im vorliegenden Fall sollte nach den Feststellungen jedoch gerade kein Arztbesuch gegen den Willen des Angeklagten durchgesetzt werden. Vielmehr konnte der Angeklagte den in seinem Belieben stehenden Arztbesuch jederzeit ablehnen, was er während der Fahrt auch wiederholt tat. Der Betreuer ging auch jeweils auf die entsprechenden Willensäußerungen ein und erklärte umzudrehen. Es stand daher schon bei der Äußerung des Angeklagten fest, dass der Umstand, von dem die Tötungsdrohung nach dem Wortlaut der Äußerung abhängen sollte, nicht eintreten würde. Diesen für die Bestimmung des Erklärungsgehalts der Äußerung bedeutsamen situativen Kontext hat das Landgericht erkennbar nicht bedacht.
11
2. Der Strafausspruch hat keinen Bestand, da eine tatrichterliche Entscheidung über das Absehen von der Verhängung der Jugendstrafe nach § 5 Abs. 3, § 105 Abs. 1 JGG unterblieben ist.
12
Wird aus Anlass der Straftat eines nach Jugendstrafrecht zu beurteilenden Heranwachsenden gemäß § 63 StGB dessen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet, ist grundsätzlich zu prüfen, ob die angeordnete Maßregel die Ahndung mit Jugendstrafe entbehrlich macht (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 17. September 2013 – 1 StR 372/13, NStZ-RR 2014, 28). Eine entsprechende Prüfung und Entscheidung ist dem angefochtenen Urteil auch in seinem Gesamtzusammenhang nicht zu entnehmen.
13
3. Schließlich begegnet auch der Maßregelausspruch durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat die Gefährlichkeit des Angeklagten im Sinne des § 63 StGB nicht tragfähig begründet.
14
Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme , die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie darf daher nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht. Daneben muss eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades bestehen, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen. Die zu erwartenden Taten müssen schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen. Die notwendige Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu entwickeln (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juli 2013 – 4 StR 275/13, NStZ 2014, 36, 37 mwN).Der Tatrichter hat die der Unterbringungsanordnung zugrunde liegenden Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. April 2014 – 3 StR 171/14, NStZ-RR 2014, 243, 244; vom 30. Juli 2014 – 4 StR 183/14 Rn. 5).
15
Diesen Anforderungen werden die Ausführungen im angefochtenen Urteil zur Gefährlichkeitsprognose nicht gerecht. Soweit die Jugendkammer die Gefährlichkeit des Angeklagten maßgeblich damit begründet, dass er mit seinen Selbstverletzungen auch die Grenze zur Verletzung von Menschen überschritten habe, entbehren die Erwägungen einer tragfähigen Tatsachengrundlage. Das Urteil gibt insoweit lediglich die Einschätzung des psychiatrischen Sachverständigen wieder, wonach aufgrund der ansonsten widersprüchlichen Angaben des Angeklagten im Rahmen der Exploration, die aber hinsichtlich der Schilderung von Schnitten in den Unterarm wegen der am Unterarm zu erkennenden Narbenbildung stimmig gewesen seien, von einem Impuls zur Selbstverletzung beim Angeklagten auszugehen sei. Konkrete Feststellungen zu Selbstverletzungen des Angeklagten inder Vergangenheit hat das Landgericht aber nicht getroffen. Die Urteilsgründe verhalten sich weder zu Zeitpunkt, Ausmaß und Häufigkeit von selbstverletzenden Handlungen des Angeklagten noch dazu, inwieweit ein Zusammenhang zwischen Selbstverletzungen und dem psychischen Defektzustand des Angeklagten besteht. Entsprechende Feststellungen wären aber erforderlich gewesen, um beurteilen zu können, ob einem entsprechenden Verhalten des Angeklagten indizielle Bedeutung für die Gefährlichkeitsprognose beigemessen werden kann.
16
Die Unterbringungsanordnung bedarf daher einer neuen tatrichterlichen Verhandlung und Entscheidung. Angesichts der eher geringfügigen Anlasstaten , die während des Tatzeitraums keine Steigerung der Deliktschwere erkennen lassen, wird der neue Tatrichter im Rahmen derGefährlichkeitsprognose – eingehender, als bisher geschehen, – die vom Angeklagten in verschiedenen Einrichtungen gezeigten aggressiven Verhaltensweisen in den Blick zu nehmen und sich mit der im angefochtenen Urteil offen gebliebenen Frage zu befassen haben, inwieweit dieses Verhalten des Angeklagten bereits zu tätlichen Übergriffen auf andere Personen geführt hat. Der Senat weist ferner darauf hin, dass zulässiges Verteidigungsverhalten nicht zur Begründung der Gefährlichkeit des Angeklagten herangezogen werden darf (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2004 – 4 StR 452/04). Schließlich wird angesichts der besonders gelagerten Sachlage die Hinzuziehung eines weiteren psychiatrischen Sachverständigen zu erwägen sein.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender

(1) Wer einen Menschen mit der Begehung einer gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten rechtswidrigen Tat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder gegen eine Sache von bedeutendem Wert bedroht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Wer einen Menschen mit der Begehung eines gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten Verbrechens bedroht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(3) Ebenso wird bestraft, wer wider besseres Wissen einem Menschen vortäuscht, daß die Verwirklichung eines gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten Verbrechens bevorstehe.

(4) Wird die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) begangen, ist in den Fällen des Absatzes 1 auf Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder auf Geldstrafe und in den Fällen der Absätze 2 und 3 auf Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder auf Geldstrafe zu erkennen.

(5) Die für die angedrohte Tat geltenden Vorschriften über den Strafantrag sind entsprechend anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR419/14
vom
15. Januar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 15. Januar 2015 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 2. Dezember 2013, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist, mit den zugehörigen Feststellungen
a) hinsichtlich der Verurteilung im Fall II. 8 der Urteilsgründe und
b) im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz in vier Fällen, Bedrohung in sechs Fällen und Beleidigung in zwei Fällen zu der Jugendstrafe von acht Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen richtet sich die auf eine Verfahrensbeanstandung und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Das Landgericht hat die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
Der zu den Tatzeiten 18 und 19 Jahre alt gewesene, nicht vorbestrafte Angeklagte leidet an einer leichten Intelligenzminderung (Intelligenzquotient von 50) sowie an einer kombinierten Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen , die insbesondere in einer gestörten Empathiefähigkeit ihren Ausdruck findet. Er steht unter u.a. die Aufgabenbereiche Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge , Wohnungs-, Vermögens- und Behördenangelegenheiten umfassender Betreuung und lebte seit Mai 2012 bis zu seiner auf landesrechtlicher Grundlage erfolgten Unterbringung am 11. Januar 2013 in einer Einrichtung der evangelischen Stiftung U. in B. , wo es von Beginn an zu Konflikten zwischen dem Angeklagten und anderen Bewohnern der Einrichtung kam, die im Vergleich zu auch in früheren Wohngruppen des Angeklagten vorkommenden Konflikten von größerer Intensität waren.
4
Am 6., 11. und 17. Mai 2012 sandte der Angeklagte u.a. fünf SMS-Nachrichten an seinen leiblichen Vater, von denen eine Nachricht eine beleidigende Äußerung enthielt und vier Nachrichten Tötungsdrohungen zum Gegenstand hatten, die sich gegen den Vater des Angeklagten oder dessen Mutter richteten (II. 1 der Urteilsgründe). Zwischen dem 21. und 23. September 2012 begab sich der Angeklagte in den auf dem Gelände der Stiftung befindlichen Pferdestall und brachte einem dort untergebrachten Pferd mittels eines kleinen Butterflymessers mit 4 cm langer Klinge am Oberschenkel des linken Vorderbeins eine 4 cm tiefe Stichverletzung bei, deren Stichkanal bis zum Knochen reichte (II. 2 der Urteilsgründe). Im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Übergriff auf das Pferd wurde der Angeklagte auf einen Igel aufmerksam, auf den er mit seinem Butterflymesser einstach. Anschließend verpackte er den blutenden Igel in eine Plastiktüte und legte ihn im Pferdestall der Einrichtung ab (II. 3 der Urteilsgründe ). Bei anderer Gelegenheit, vermutlich Ende September 2012, bemerkten der Angeklagte und drei andere auf dem Gelände der Einrichtung einen Igel, den sie gemeinsam u.a. durch Schläge mit einer Krücke so schwer verletzten, dass er verendete. Der Angeklagte beteiligte sich an dem Geschehen, indem er mindestens einmal auf den Igel trat (II. 4 der Urteilsgründe). Am 13. Oktober 2012 bezeichnete der Angeklagte einen an ihm vorbeigehenden Bewohner der Einrichtung ohne erkennbaren Anlass als „Arschloch“ und erklärte, er habe seine Mutter und seine Freundin „gefickt“ (II. 5der Urteilsgründe). Nachdem es am Vortag auf Nachfrage seines Bezugsbetreuers zu einer Erörterung über die Herkunft eines beim Angeklagten aufgefallenen ungewöhnlich hohen Bargeldbetrages gekommen war und der Angeklagte das Thema unmittelbar nach dem Aufstehen am Morgen des 6. Januar 2013 gegenüber dem Betreuer im sehr aufgeregten Zustand wieder angesprochen hatte, kam der Angeklagte dem Betreuer kurze Zeit später mit einem Tafelmesser in der Hand entgegen und er- klärte sinngemäß „ich stech dich ab, ich bring mich um“. Im weiteren Verlauf legte der Angeklagte auf Aufforderung des Betreuers das Messer mit dem Griff in dessen Richtung auf den Boden. Um sich gleich wieder mit dem Betreuer zu versöhnen, kam der Angeklagte auf diesen zu und wollte ihn umarmen (II. 6 der Urteilsgründe). Am selben Tag begab sich der Angeklagte zusammen mit einem anderen auf dem Gelände der Stiftung zu dem von ihm bereits zuvor verletzten Pferd. Mit einem von seinem Begleiter übergebenen Messer brachte er dem Pferd eine ca. 4 cm lange oberflächliche Schnittverletzung an der Außenseite des rechten Oberschenkels bei (II. 7 der Urteilsgründe).
5
Schließlich sollte der Bezugsbetreuer des Angeklagten diesen am 11. Januar 2013 zur neuen medikamentösen Einstellung des Angeklagten zu einer Psychiaterin nach B. bringen. Der Angeklagte, der frei entscheiden konnte, ob er zur Psychiaterin fahren wollte oder nicht, lehnte die ihm bereits am Vorabend angekündigte Fahrt zunächst ab, entschied sich dann aber anders und erklärte, doch fahren zu wollen. Im Laufe der anschließenden Autofahrt änderte der Angeklagte noch mehrfach seine Meinung. Zum Teil gab er an, wenn man bei der Ärztin ankomme, werde er nicht aussteigen. Da es dem Angeklagten freistand, die Psychiaterin aufzusuchen oder nicht, ging der Betreuer jedes Mal, wenn der Angeklagte angab, nicht fahren zu wollen, darauf ein und erklärte umzudrehen, woraufhin sich der Angeklagte wieder anders entschied. Obwohl der Betreuer jedes Mal auf die Meinungsänderung des Angeklagten reagierte, war dieser während der Fahrt sehr aufgebracht und bedrohte und beleidigte den Betreuer. Er erklärte, er wolle nicht zur Psychiaterin und bräuchte auch nicht dorthin zu fahren, wenn er das müsse, dann würde er die Psychiaterin und den Betreuer abstechen. Auch gab er an, sich selbst umzubringen. Nachdem er darüber hinaus geäußert hatte, er werde dem Betreuer ins Lenkrad fassen, und sich auch in diese Richtung bewegt hatte, brach der Betreuer die Fahrt ab und fuhr zur Einrichtung zurück (II. 8 der Urteilsgründe).
6
Aufgrund der beim Angeklagten vorliegenden Intelligenzminderung und der kombinierten Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen war die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Tat am 13. Oktober 2012 nicht ausschließbar, bei den übrigen Taten sicher erheblich herabgesetzt.
7
Die Annahme, dass vom Angeklagten infolge seines Zustands mit einer Wahrscheinlichkeit höheren Grades gewalttätige Übergriffe auf beliebige Menschen ggf. unter Zuhilfenahme von Werkzeugen oder Waffen zu erwarten sind, stützt die Jugendkammer – dem psychiatrischen Sachverständigen folgend – maßgeblich darauf, dass der Angeklagte zwei wesentliche Hemmschwellen überschritten habe. Zum einen liege mit der Verletzung von Pferden und Igeln ein wichtiger Prädiktor für Gewaltdelikte gegen Menschen vor. Darüber hinaus habe der Angeklagte mit seinen Selbstverletzungen auch die Grenze zur Verletzung von Menschen überschritten. Hierzu bedürfe es keines Angriffs auf eine andere Person. Bereits eine Selbstverletzung bedeute ein hohes Risiko, dass der Angeklagte diese Schwelle zur Verletzung von Menschen erneut – und dann auch durch Verletzung anderer Personen – überschreite.

II.


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1. Die Verurteilung wegen Bedrohung im Fall II. 8 der Urteilsgründe hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand, weil die Wertung des Landgerichts, bei der Äußerung des Angeklagten gegenüber seinem Betreuer habe es sich um eine objektiv ernstzunehmende Drohung gehandelt, auf einer unvollständigen tatrichterlichen Wertung beruht.
9
Der Tatbestand der Bedrohung in § 241 Abs. 1 StGB, der in erster Linie dem Schutz des Rechtsfriedens des Einzelnen dient (vgl. BVerfG, NJW 1995, 2776, 2777; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 241 Rn. 2), setzt das ausdrücklich erklärte oder konkludent zum Ausdruck gebrachte Inaussichtstellen der Begehung eines Verbrechens gegen den Drohungsadressaten oder eine ihm nahestehende Person voraus, das seinem Erklärungsgehalt nach objektiv geeignet erscheint , den Eindruck der Ernstlichkeit zu erwecken (vgl. BVerfG aaO; OLG Naumburg, StV 2013, 637; OLG Koblenz, NStZ-RR 2007, 175; Sinn in MükoStGB, 2. Aufl., § 241 Rn. 2, 4; Eser/Eisele in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 241 Rn. 2, 4). Ob einer Erklärung oder einem schlüssigen Verhalten die objektive Eignung zur Störung des individuellen Rechtsfriedens zukommt, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls aus Sicht eines durchschnittlich empfindenden Beobachters, wobei auch Begleitumstände der Tatsituation Bedeutung erlangen können (vgl. Träger/Schluckebier in LK-StGB, 11. Aufl., § 241 Rn. 10; Sinn aaO Rn. 5; Eser/Eisele aaO).
10
Zwar kann eine Bedrohung auch in der Weise erfolgen, dass die Begehung des Verbrechens vom künftigen Eintritt oder Nichteintritt eines weiteren Umstands abhängen soll (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 1961 – 1 StR 288/61, BGHSt 16, 386, 387), so dass die Verknüpfung der Todesdrohung des Angeklagten mit einem zwangsweisen Verbringen zu seiner Psychiaterin grundsätzlich der Erfüllung des Tatbestands des § 241 Abs. 1 StGB nicht entgegensteht. Im vorliegenden Fall sollte nach den Feststellungen jedoch gerade kein Arztbesuch gegen den Willen des Angeklagten durchgesetzt werden. Vielmehr konnte der Angeklagte den in seinem Belieben stehenden Arztbesuch jederzeit ablehnen, was er während der Fahrt auch wiederholt tat. Der Betreuer ging auch jeweils auf die entsprechenden Willensäußerungen ein und erklärte umzudrehen. Es stand daher schon bei der Äußerung des Angeklagten fest, dass der Umstand, von dem die Tötungsdrohung nach dem Wortlaut der Äußerung abhängen sollte, nicht eintreten würde. Diesen für die Bestimmung des Erklärungsgehalts der Äußerung bedeutsamen situativen Kontext hat das Landgericht erkennbar nicht bedacht.
11
2. Der Strafausspruch hat keinen Bestand, da eine tatrichterliche Entscheidung über das Absehen von der Verhängung der Jugendstrafe nach § 5 Abs. 3, § 105 Abs. 1 JGG unterblieben ist.
12
Wird aus Anlass der Straftat eines nach Jugendstrafrecht zu beurteilenden Heranwachsenden gemäß § 63 StGB dessen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet, ist grundsätzlich zu prüfen, ob die angeordnete Maßregel die Ahndung mit Jugendstrafe entbehrlich macht (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 17. September 2013 – 1 StR 372/13, NStZ-RR 2014, 28). Eine entsprechende Prüfung und Entscheidung ist dem angefochtenen Urteil auch in seinem Gesamtzusammenhang nicht zu entnehmen.
13
3. Schließlich begegnet auch der Maßregelausspruch durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat die Gefährlichkeit des Angeklagten im Sinne des § 63 StGB nicht tragfähig begründet.
14
Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme , die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie darf daher nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht. Daneben muss eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades bestehen, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen. Die zu erwartenden Taten müssen schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen. Die notwendige Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu entwickeln (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juli 2013 – 4 StR 275/13, NStZ 2014, 36, 37 mwN).Der Tatrichter hat die der Unterbringungsanordnung zugrunde liegenden Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. April 2014 – 3 StR 171/14, NStZ-RR 2014, 243, 244; vom 30. Juli 2014 – 4 StR 183/14 Rn. 5).
15
Diesen Anforderungen werden die Ausführungen im angefochtenen Urteil zur Gefährlichkeitsprognose nicht gerecht. Soweit die Jugendkammer die Gefährlichkeit des Angeklagten maßgeblich damit begründet, dass er mit seinen Selbstverletzungen auch die Grenze zur Verletzung von Menschen überschritten habe, entbehren die Erwägungen einer tragfähigen Tatsachengrundlage. Das Urteil gibt insoweit lediglich die Einschätzung des psychiatrischen Sachverständigen wieder, wonach aufgrund der ansonsten widersprüchlichen Angaben des Angeklagten im Rahmen der Exploration, die aber hinsichtlich der Schilderung von Schnitten in den Unterarm wegen der am Unterarm zu erkennenden Narbenbildung stimmig gewesen seien, von einem Impuls zur Selbstverletzung beim Angeklagten auszugehen sei. Konkrete Feststellungen zu Selbstverletzungen des Angeklagten inder Vergangenheit hat das Landgericht aber nicht getroffen. Die Urteilsgründe verhalten sich weder zu Zeitpunkt, Ausmaß und Häufigkeit von selbstverletzenden Handlungen des Angeklagten noch dazu, inwieweit ein Zusammenhang zwischen Selbstverletzungen und dem psychischen Defektzustand des Angeklagten besteht. Entsprechende Feststellungen wären aber erforderlich gewesen, um beurteilen zu können, ob einem entsprechenden Verhalten des Angeklagten indizielle Bedeutung für die Gefährlichkeitsprognose beigemessen werden kann.
16
Die Unterbringungsanordnung bedarf daher einer neuen tatrichterlichen Verhandlung und Entscheidung. Angesichts der eher geringfügigen Anlasstaten , die während des Tatzeitraums keine Steigerung der Deliktschwere erkennen lassen, wird der neue Tatrichter im Rahmen derGefährlichkeitsprognose – eingehender, als bisher geschehen, – die vom Angeklagten in verschiedenen Einrichtungen gezeigten aggressiven Verhaltensweisen in den Blick zu nehmen und sich mit der im angefochtenen Urteil offen gebliebenen Frage zu befassen haben, inwieweit dieses Verhalten des Angeklagten bereits zu tätlichen Übergriffen auf andere Personen geführt hat. Der Senat weist ferner darauf hin, dass zulässiges Verteidigungsverhalten nicht zur Begründung der Gefährlichkeit des Angeklagten herangezogen werden darf (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2004 – 4 StR 452/04). Schließlich wird angesichts der besonders gelagerten Sachlage die Hinzuziehung eines weiteren psychiatrischen Sachverständigen zu erwägen sein.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender

(1) Verbrechen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind.

(2) Vergehen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit einer geringeren Freiheitsstrafe oder die mit Geldstrafe bedroht sind.

(3) Schärfungen oder Milderungen, die nach den Vorschriften des Allgemeinen Teils oder für besonders schwere oder minder schwere Fälle vorgesehen sind, bleiben für die Einteilung außer Betracht.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht.

(2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

2
Der Generalbundesanwalt hat seinen entsprechenden Antrag wie folgt begründet: "... Soweit das Landgericht auch hinsichtlich der gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 1 und 3 StGB eine mittäterschaftliche Beteiligung des Angeklagten angenommen hat, bestehen dagegen ungeachtet des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums rechtliche Bedenken. Die Tatbeteiligung des Angeklagten beschränkte sich insoweit darauf , dass er die gesondert verfolgten S. und D. C. in Kenntnis deren Vorhabens zum Tatort fuhr. Während der Körperverletzungshandlung hielt sich der Angeklagte nicht in der Wohnung auf sondern wartete draußen. Auch in die ursprüngliche Tatplanung und Tatvorbereitung war er nicht eingebunden; diese oblagen vielmehr allein S. und D. C. . Tatsächlich hatte der Angeklagte zwei Tage vor der Tat noch vergeblich versucht, D. C. von dem Vorhaben abzubringen. Hinsichtlich des eigenen Interesses des Angeklagten an der Tat hat die Strafkammer bis zu dem Zeitpunkt, als sich der Angeklagte selbst in die Wohnung des Tatopfers begab, lediglich festgestellt, der Angeklagte habe gewusst, dass D. C. dringend Geld benötige, um seinen Führerschein zu machen (UA S. 8). Danach sollte der Angeklagte (zunächst) nicht Nutznießer der Tat sein. Diese Feststellungen sprechen aber eher dafür, dass sich der Angeklagte einer Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht hat. Der Eigeninteresse belegende Entschluss des Angeklagten, selbst in die Wohnung zu gehen und nach stehlenswerten Gegenständen Ausschau zu halten, erfolgte erst, nachdem die gesondert verfolgte S. die K.O.-Tropfen schon verabreicht hatte und das Tatopfer bereits bewusstlos war. Damit war zum Zeitpunkt des Eingreifens des Angeklagten der vorübergehende pathologische Zustand beim Tatopfer aber schon eingetreten und die Körperverletzung beendet (vgl. BGH NStZ 2009, 34; Fischer StGB 58. Aufl. § 78a Rdn. 8a). Eine sukzessive Mittäterschaft hinsichtlich der Körperverletzung, die ein Eingreifen in das tatbestandsmäßige Geschehen und eine Verbindung mit dem anderen vor Beendigung der Tat zu gemeinschaftlicher weiterer Ausführung voraussetzt, kommt deshalb hier nicht in Betracht. Der Schuldspruch ist deshalb entsprechend zu ändern.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Begeht ein Heranwachsender eine Verfehlung, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist, so wendet der Richter die für einen Jugendlichen geltenden Vorschriften der §§ 4 bis 8, 9 Nr. 1, §§ 10, 11 und 13 bis 32 entsprechend an, wenn

1.
die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters bei Berücksichtigung auch der Umweltbedingungen ergibt, daß er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand, oder
2.
es sich nach der Art, den Umständen oder den Beweggründen der Tat um eine Jugendverfehlung handelt.

(2) § 31 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 ist auch dann anzuwenden, wenn der Heranwachsende wegen eines Teils der Straftaten bereits rechtskräftig nach allgemeinem Strafrecht verurteilt worden ist.

(3) Das Höchstmaß der Jugendstrafe für Heranwachsende beträgt zehn Jahre. Handelt es sich bei der Tat um Mord und reicht das Höchstmaß nach Satz 1 wegen der besonderen Schwere der Schuld nicht aus, so ist das Höchstmaß 15 Jahre.

(1) Das Mindestmaß der Jugendstrafe beträgt sechs Monate, das Höchstmaß fünf Jahre. Handelt es sich bei der Tat um ein Verbrechen, für das nach dem allgemeinen Strafrecht eine Höchststrafe von mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe angedroht ist, so ist das Höchstmaß zehn Jahre. Die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts gelten nicht.

(2) Die Jugendstrafe ist so zu bemessen, daß die erforderliche erzieherische Einwirkung möglich ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 5 8 1 / 1 4
vom
8. Januar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
8. Januar 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 22. Mai 2014 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen sowie wegen Körperverletzung zur Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner Revision, mit der er ohne weitere Ausführungen die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
2
Die Rüge der Verletzung formellen Rechts ist aufgrund der fehlenden Angaben der den Mangel enthaltenden Tatsachen unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
3
Die in allgemeiner Form erhobene Sachrüge deckt zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Strafausspruch hält hingegen revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand:
4
Das Landgericht hat bei dem zu den Tatzeiten zwanzig Jahre und vier Monate bzw. zwanzig Jahre und acht Monate alten Angeklagten aufgrund seines Werdegangs Reifeverzögerungen angenommen und deshalb auf ihn gemäß § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG Jugendrecht angewandt. Zur Begründung der Verhängung von Jugendstrafe hat es lediglich ausgeführt, dass bereits in den zurückliegenden Verurteilungen aus den Jahren 2010 und 2011 der jeweilige Tatrichter von dem Vorliegen schädlicher Neigungen ausgegangen sei und die nunmehr abzuurteilenden Taten dies erneut belegen würden.
5
Diese knappen Wendungen reichen zur Begründung schädlicher Neigungen nicht aus. Um solche handelt es sich bei erheblichen Anlage- oder Erziehungsmängeln , die ohne längere Gesamterziehung des Täters die Gefahr weiterer Straftaten begründen. Sie müssen schon vor der Tat angelegt gewesen sein und noch zum Urteilszeitpunkt bestehen; es müssen deshalb weitere Straftaten des Angeklagten zu befürchten sein (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 17. Juli 2012 - 3 StR 238/12, NStZ 2013, 287 mwN). Hier fehlen insbesondere sämtliche Angaben dazu, dass auch im Zeitpunkt der Urteilsfindung bei dem Angeklagten noch schädliche Neigungen bestanden. Ausführungen dazu waren auch nicht entbehrlich, weil zwischen den Taten und dem Urteil zwölf bzw. acht Monate lagen und der mittlerweile 21-jährige Angeklagte in der Untersuchungshaft an einer (weiteren) berufsvorbereitenden Maßnahme mit Besuch der Berufsschule teilgenommen hat.
6
Auch im Übrigen genügt die Strafzumessung nicht den Anforderungen, die § 18 Abs. 2 JGG an sie stellt. Nach dieser Vorschrift ist die Höhe der Ju- gendstrafe in erster Linie an erzieherischen Gesichtspunkten auszurichten. Die Urteilsgründe müssen deshalb erkennen lassen, dass dem Erziehungsgedanken die ihm zukommende Beachtung geschenkt und bei der Bemessung der Jugendstrafe das Gewicht des Tatunrechts gegen die Folgen der Strafe für die weitere Entwicklung des Heranwachsenden abgewogen worden ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 28. Februar 2012 - 3 StR 15/12, NStZ-RR 2012, 186 mwN). Das Landgericht hat demgegenüber vorrangig auf die Vorbelastungen des Angeklagten abgestellt und für zwei der drei Taten jeweils einen entlastenden Gesichtspunkt genannt. Daneben hat es weitere dem Erwachsenenstrafrecht entlehnte Strafzumessungsgesichtspunkte wie die Rückfallgeschwindigkeit , die Begehung der Tat unter Führungsaufsicht sowie den Schuldausgleich und den Sühnegedanken berücksichtigt. Der Erziehungsgedanke findet Erwähnung nur insoweit, als die Strafkammer "von einem Gesamterziehungsbedarf" ausgeht, "der die Verhängung einer zur Bewährung aussetzbaren Strafe ausschließt." Eine derartige lediglich formelhafte Erwähnung des Erziehungsgedankens reicht indes grundsätzlich nicht aus (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 17. Juli 2012 - 3 StR 238/12, NStZ 2013, 287 mwN).
Becker Pfister Schäfer Gericke Spaniol

(1) Die Jugendgerichtshilfe wird von den Jugendämtern im Zusammenwirken mit den Vereinigungen für Jugendhilfe ausgeübt.

(2) Die Vertreter der Jugendgerichtshilfe bringen die erzieherischen, sozialen und sonstigen im Hinblick auf die Ziele und Aufgaben der Jugendhilfe bedeutsamen Gesichtspunkte im Verfahren vor den Jugendgerichten zur Geltung. Sie unterstützen zu diesem Zweck die beteiligten Behörden durch Erforschung der Persönlichkeit, der Entwicklung und des familiären, sozialen und wirtschaftlichen Hintergrundes des Jugendlichen und äußern sich zu einer möglichen besonderen Schutzbedürftigkeit sowie zu den Maßnahmen, die zu ergreifen sind.

(3) Sobald es im Verfahren von Bedeutung ist, soll über das Ergebnis der Nachforschungen nach Absatz 2 möglichst zeitnah Auskunft gegeben werden. In Haftsachen berichten die Vertreter der Jugendgerichtshilfe beschleunigt über das Ergebnis ihrer Nachforschungen. Bei einer wesentlichen Änderung der nach Absatz 2 bedeutsamen Umstände führen sie nötigenfalls ergänzende Nachforschungen durch und berichten der Jugendstaatsanwaltschaft und nach Erhebung der Anklage auch dem Jugendgericht darüber.

(4) Ein Vertreter der Jugendgerichtshilfe nimmt an der Hauptverhandlung teil, soweit darauf nicht nach Absatz 7 verzichtet wird. Entsandt werden soll die Person, die die Nachforschungen angestellt hat. Erscheint trotz rechtzeitiger Mitteilung nach § 50 Absatz 3 Satz 1 kein Vertreter der Jugendgerichtshilfe in der Hauptverhandlung und ist kein Verzicht nach Absatz 7 erklärt worden, so kann dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe auferlegt werden, die dadurch verursachten Kosten zu ersetzen; § 51 Absatz 2 der Strafprozessordnung gilt entsprechend.

(5) Soweit nicht ein Bewährungshelfer dazu berufen ist, wacht die Jugendgerichtshilfe darüber, dass der Jugendliche Weisungen und Auflagen nachkommt. Erhebliche Zuwiderhandlungen teilt sie dem Jugendgericht mit. Im Fall der Unterstellung nach § 10 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 übt sie die Betreuung und Aufsicht aus, wenn das Jugendgericht nicht eine andere Person damit betraut. Während der Bewährungszeit arbeitet sie eng mit dem Bewährungshelfer zusammen. Während des Vollzugs bleibt sie mit dem Jugendlichen in Verbindung und nimmt sich seiner Wiedereingliederung in die Gemeinschaft an.

(6) Im gesamten Verfahren gegen einen Jugendlichen ist die Jugendgerichtshilfe heranzuziehen. Dies soll so früh wie möglich geschehen. Vor der Erteilung von Weisungen (§ 10) sind die Vertreter der Jugendgerichtshilfe stets zu hören; kommt eine Betreuungsweisung in Betracht, sollen sie sich auch dazu äußern, wer als Betreuungshelfer bestellt werden soll.

(7) Das Jugendgericht und im Vorverfahren die Jugendstaatsanwaltschaft können auf die Erfüllung der Anforderungen des Absatzes 3 und auf Antrag der Jugendgerichtshilfe auf die Erfüllung der Anforderungen des Absatzes 4 Satz 1 verzichten, soweit dies auf Grund der Umstände des Falles gerechtfertigt und mit dem Wohl des Jugendlichen vereinbar ist. Der Verzicht ist der Jugendgerichtshilfe und den weiteren am Verfahren Beteiligten möglichst frühzeitig mitzuteilen. Im Vorverfahren kommt ein Verzicht insbesondere in Betracht, wenn zu erwarten ist, dass das Verfahren ohne Erhebung der öffentlichen Klage abgeschlossen wird. Der Verzicht auf die Anwesenheit eines Vertreters der Jugendgerichtshilfe in der Hauptverhandlung kann sich auf Teile der Hauptverhandlung beschränken. Er kann auch während der Hauptverhandlung erklärt werden und bedarf in diesem Fall keines Antrags.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Die Strafkammern sind als erkennende Gerichte des ersten Rechtszuges zuständig für alle Verbrechen, die nicht zur Zuständigkeit des Amtsgerichts oder des Oberlandesgerichts gehören. Sie sind auch zuständig für alle Straftaten, bei denen eine höhere Strafe als vier Jahre Freiheitsstrafe oder die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, allein oder neben einer Strafe, oder in der Sicherungsverwahrung zu erwarten ist oder bei denen die Staatsanwaltschaft in den Fällen des § 24 Abs. 1 Nr. 3 Anklage beim Landgericht erhebt.

(2) Für die Verbrechen

1.
des sexuellen Missbrauchs von Kindern mit Todesfolge (§ 176d des Strafgesetzbuches),
2.
des sexuellen Übergriffs, der sexuellen Nötigung und Vergewaltigung mit Todesfolge (§ 178 des Strafgesetzbuches),
3.
des Mordes (§ 211 des Strafgesetzbuches),
4.
des Totschlags (§ 212 des Strafgesetzbuches),
5.
(weggefallen)
6.
der Aussetzung mit Todesfolge (§ 221 Abs. 3 des Strafgesetzbuches),
7.
der Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 des Strafgesetzbuches),
8.
der Entziehung Minderjähriger mit Todesfolge (§ 235 Abs. 5 des Strafgesetzbuches),
8a.
der Nachstellung mit Todesfolge (§ 238 Absatz 3 des Strafgesetzbuches),
9.
der Freiheitsberaubung mit Todesfolge (§ 239 Abs. 4 des Strafgesetzbuches),
10.
des erpresserischen Menschenraubes mit Todesfolge (§ 239a Absatz 3 des Strafgesetzbuches),
11.
der Geiselnahme mit Todesfolge (§ 239b Abs. 2 in Verbindung mit § 239a Absatz 3 des Strafgesetzbuches),
12.
des Raubes mit Todesfolge (§ 251 des Strafgesetzbuches),
13.
des räuberischen Diebstahls mit Todesfolge (§ 252 in Verbindung mit § 251 des Strafgesetzbuches),
14.
der räuberischen Erpressung mit Todesfolge (§ 255 in Verbindung mit § 251 des Strafgesetzbuches),
15.
der Brandstiftung mit Todesfolge (§ 306c des Strafgesetzbuches),
16.
des Herbeiführens einer Explosion durch Kernenergie (§ 307 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches),
17.
des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion mit Todesfolge (§ 308 Abs. 3 des Strafgesetzbuches),
18.
des Mißbrauchs ionisierender Strahlen gegenüber einer unübersehbaren Zahl von Menschen (§ 309 Abs. 2 und 4 des Strafgesetzbuches),
19.
der fehlerhaften Herstellung einer kerntechnischen Anlage mit Todesfolge (§ 312 Abs. 4 des Strafgesetzbuches),
20.
des Herbeiführens einer Überschwemmung mit Todesfolge (§ 313 in Verbindung mit § 308 Abs. 3 des Strafgesetzbuches),
21.
der gemeingefährlichen Vergiftung mit Todesfolge (§ 314 in Verbindung mit § 308 Abs. 3 des Strafgesetzbuches),
22.
des räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer mit Todesfolge (§ 316a Abs. 3 des Strafgesetzbuches),
23.
des Angriffs auf den Luft- und Seeverkehr mit Todesfolge (§ 316c Abs. 3 des Strafgesetzbuches),
24.
der Beschädigung wichtiger Anlagen mit Todesfolge (§ 318 Abs. 4 des Strafgesetzbuches),
25.
einer vorsätzlichen Umweltstraftat mit Todesfolge (§ 330 Abs. 2 Nr. 2 des Strafgesetzbuches),
26.
der schweren Gefährdung durch Freisetzen von Giften mit Todesfolge (§ 330a Absatz 2 des Strafgesetzbuches),
27.
der Körperverletzung im Amt mit Todesfolge (§ 340 Absatz 3 in Verbindung mit § 227 des Strafgesetzbuches),
28.
des Abgebens, Verabreichens oder Überlassens von Betäubungsmitteln zum unmittelbaren Verbrauch mit Todesfolge (§ 30 Absatz 1 Nummer 3 des Betäubungsmittelgesetzes),
29.
des Einschleusens mit Todesfolge (§ 97 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes)
ist eine Strafkammer als Schwurgericht zuständig. § 120 bleibt unberührt.

(3) Die Strafkammern sind außerdem zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über das Rechtsmittel der Berufung gegen die Urteile des Strafrichters und des Schöffengerichts.

Veröffentlichung: ja
BGHSt: ja zu B III.
BGHR: ja
StGB § 315 b Abs. 1 Nr. 2 und 3
Greift der Täter in den fließenden Verkehr ein, indem er Hindernisse auf
der Fahrbahn bereitet oder Gegenstände auf fahrende Fahrzeuge wirft,
kann § 315 b Abs. 1 Nr. 2 oder Nr. 3 StGB auch dann erfüllt sein, wenn die
Tathandlung unmittelbar zu einem bedeutenden Fremdsachschaden führt
und dieser Erfolg sich als Steigerung der durch die Tathandlung bewirkten
abstrakten Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs darstellt.
BGH, Urteil vom 4. Dezember 2002 – 4 StR 103/02 – LG Cottbus

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 103/02
vom
4. Dezember 2002
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4. Dezember
2002, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
die Richter am Bundesgerichtshof
Maatz
Athing,
Dr. Ernemann
die Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 12. April 2001, soweit es ihn betrifft, 1. im Schuldspruch – insoweit auch hinsichtlich des früheren Mitangeklagten L. – dahin geändert, daß die Angeklagten im Fall II B 5 der Urteilsgründe des versuchten gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr schuldig sind, 2. in den die Fälle II A 1 bis 14 und B 5 der Urteilsgründe betreffenden Einzelstrafaussprüchen sowie 3. im Gesamtstrafenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. III. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten und den Mitangeklagten L. , der keine Revision eingelegt hat, jeweils des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in 14 Fällen, davon in 10 Fällen in Tateinheit mit versuchtem Mord und davon in zwei Fällen in weiterer Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, sowie des gefährlichen Eingriffs in den Eisenbahnverkehr in zwei Fällen sowie darüber hinaus den Angeklagten allein wegen Tierquälerei in 14 Fällen für schuldig befunden. Gegen den Angeklagten hat es eine Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren verhängt. Den Mitangeklagten L. hat es zu sechs Jahren und sechs Monaten Jugendstrafe verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagten mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat nur den aus der Urteilsformel ersichtlichen geringfügigen Teilerfolg; im übrigen ist es unbegründet.

A.

Die Verfahrensrügen dringen nicht durch. Insoweit verweist der Senat auf die Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 2. April 2002, die lediglich zu der auf § 338 Nr. 7 i.V.m. § 275 Abs. 2 StPO gestützten Verfahrensrüge der Ergänzung bzw. Klarstellung bedürfen: An der rechtzeitig angebrachten Unterschrift des Richters am Landgericht K. (§ 275 Abs. 2 Satz 1 StPO) fehlt es nicht deshalb, weil die Vorsitzende Richterin nachträglich, aber noch vor Ablauf der Frist des § 275 Abs. 1 StPO handschriftliche Änderungen in dem von dem genannten Richter bereits unterschriebenen Urteilsentwurf angebracht hat. Dies geschah, wie sich aus der dienstlichen Erklärung der Vorsitzenden Richterin ergibt, im
Einvernehmen mit Richter am Landgericht K. . Einer schriftlichen Bestätigung seines Einverständnisses mit den Änderungen, etwa durch Beifügung seiner Paraphe an den betreffenden Textstellen, oder gar einer erneuten Unterschrift unter das Urteil durch diesen Richter bedurfte es nicht. Soweit die Revision das Fehlen der Unterschrift des Richters am Amtsgericht H. beanstandet, fehlt es schon an dem für die Zulässigkeit der Rüge vorausgesetzten vollständigen Sachvortrag (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). In dem Verhinderungsvermerk der Vorsitzenden, durch den die Unterschrift dieses Richters ersetzt wurde, heißt es, Richter am Amtsgericht H. sei "durch Abordnung an das Ministerium für Justiz und Europaangelegenheiten an der Unterschrift gehindert". Bei dieser Sachlage hätte die Revision vortragen müssen, daß dieser Richter an der Unterschriftsleistung weder aus tatsächlichen noch aus rechtlichen Gründen gehindert war. Allerdings begründet die Abordnung eines Richters an die Justizverwaltung entgegen der Auffassung der Vorsitzenden Richterin, die sich aus ihrer dienstlichen Erklärung ergibt: "Er ist seit dem 23.04.2001 ... als Referent mit Beamtenstatus abgeordnet und darf seither als solcher keine richterlichen Aufgaben mehr wahrnehmen (vgl. DRiG)", keine rechtliche Verhinderung, soweit sein Status als Richter damit nicht verloren ging (vgl. BGHR StPO § 275 Abs. 2 Satz 2 Verhinderung 4 und 5; Meyer-Goßner StPO 46. Aufl. § 275 Rdn. 23 m.Nachw.). Doch liegt hier angesichts der Entfernung zwischen dem Sitz des Gerichts in Cottbus und dem neuen Dienstort des Richters in Potsdam auf der Hand, daß dieser auch - was genügt - tatsächlich verhindert war, seine Unterschrift rechtzeitig auf der erst am letzten Tag der Frist des § 275 Abs. 1 StPO zur Geschäftsstelle gelangten Urteilsurkunde anzubringen (vgl. BGH NStZ-RR 1999, 46).

B.

I.

Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Sachrüge ergibt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten, soweit ihn das Landgericht wegen Vergehens gegen das Tierschutzgesetz für schuldig befunden hat (II. A. der Urteilsgründe "Komplex Katzen"). Jedoch unterliegen die in diesen Fällen erkannten Einzelfreiheitsstrafen der Aufhebung, weil das Landgericht - wie die Revision zu Recht beanstandet - in diesen Fällen einen falschen Strafrahmen zugrundegelegt hat. Es ist nämlich von dem derzeit geltenden, durch das Gesetz zur Änderung des Tierschutzgesetzes vom 25. Mai 1998 (BGBl. I 1094) geänderten Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe ausgegangen, den es gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemildert hat, während § 17 TierschG in der im Tatzeitraum geltenden Fassung nur Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren androhte. Der Senat kann nicht ausschließen, daß die Einzelstrafen bei Zugrundelegung des niedrigeren Strafrahmens niedriger ausgefallen wären. Die deshalb gebotene Aufhebung der Einzelstrafen hat die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs zur Folge. Der neue Tatrichter wird insoweit auch die Gesamtstrafenlage hinsichtlich der beiden früher erkannten Geldstrafen (UA 5 a.E.) und den in den Fällen II. A 1 bis 4 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen zu prüfen und dabei zu berücksichtigen haben, daß eine zwischenzeitliche Erledigung der Geldstrafen die Bildung einer (gesonderten) Gesamtstrafe nicht entbehrlich machen würde (st. Rspr.; vgl. BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Erledigung 1, 2 jew. m.w.N.).

II.

Im übrigen weist auch die Verurteilung des Angeklagten wegen der Taten zu Abschnitt II. B der Urteilsgründe ("Komplex Eingriffe in den
Straßenverkehr") mit Ausnahme des Falles II. B 5 der Urteilsgründe keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. 1. Nach den insoweit getroffenen Feststellungen verübten die Angeklagten, die im Tatzeitraum für einander die einzigen Freunde waren, auf der Suche nach "Ablenkung zur Unterbrechung ihrer Lebenslangeweile", bei insgesamt 13 Gelegenheiten jeweils bei Dunkelheit Anschläge auf den Autobahnverkehr auf der BAB 15, indem sie Gegenstände auf dort fahrende Kraftfahrzeuge warfen (Fälle II. B 1, 5, 9, 10 und 14), von Autobahnbrücken Gegenstände so herunterhängten, daß diese die Fahrzeuge in Höhe der Frontscheiben trafen (Fälle II. B 3 und 7), bzw. Steine und andere Gegenstände so auf der Fahrbahn aufstellten, daß Fahrzeuge dagegenstießen (Fälle II. B 2, 8, 11 bis 13 und 15). In allen Fällen kam es zu Unfällen mit zumindest Sachschäden in unterschiedlicher Höhe. In zwei Fällen erlitten Insassen von Pkw auch Verletzungen. Des weiteren verübten die Angeklagten in zwei Fällen (Fälle II. B 4 und 6) Anschläge auf die Bahn, indem sie jeweils einen eisenbewehrten Betonpfahl quer über die Schienen legten, wodurch die Lokomotive eines Interregiozuges bzw. ein Triebwagen, die auf die Hindernisse prallten, beschädigt wurden. 2. Die Annahme bedingten Tötungsvorsatzes durch das Landgericht, auf der in den Fällen II. B 1 bis 3, B 7 und 8, B 11 bis 13 und B 15 die Verurteilung jeweils wegen tateinheitlich mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr begangenen versuchten Heimtückemordes beruht (vgl. BGH VRS 63, 119; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 25; BGHR StGB § 69 Abs. 1 Entziehung 11), begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat mit tragfähigen Erwägungen die Einlassung der Angeklagten, sie hätten zwar Unfälle herbeiführen wollen, es hätten jedoch nur
Sachschäden und keine Personenschäden entstehen sollen, für widerlegt erachtet. Daß das Vorgehen der Angeklagten in hohem Maße gefährlich und die möglichen Unfallfolgen im allgemeinen schwer abschätzbar sind, versteht sich von selbst. Ein Rechtssatz des Inhalts, daß ein Täter, der wie die Angeklagten vorgeht, deshalb zugleich grundsätzlich auch mit tödlichen Folgen für die betroffenen Verkehrsteilnehmer rechnet und diese um den Preis der Fortsetzung seines gefährlichen Tuns innerlich billigt, besteht gleichwohl nicht und ist auch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zu entnehmen. Vielmehr kann diese Frage nicht allgemein, sondern nur nach den jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalls beurteilt werden. Dem wird das angefochtene Urteil gerecht. Die Angeklagten konnten mit einer den Unfall vermeidenden Reaktion der betroffenen Kraftfahrer nicht rechnen und haben dies auch nicht getan. Im Gegenteil wollten die Angeklagten, wie sie selbst zugegeben haben, daß es zu Verkehrsunfällen kam; auch sollten nach Überzeugung des Landgerichts "die Fahrzeugführer keine Chance haben ..., das Hindernis rechtzeitig zu erkennen, um ausweichen oder bremsen zu können". Zwar haben die Angeklagten - worauf die Revision hinweist - in allen Fällen die Erfahrung gesammelt, daß es ungeachtet der unterschiedlichen eingesetzten Tatmittel und Vorgehensweisen weit überwiegend nur zu Sachschäden gekommen ist, jedenfalls die Unfälle, auch soweit Pkw-Insassen verletzt wurden, vergleichsweise glimpflich abgelaufen sind. Das Landgericht hat jedoch in jedem Einzelfall nach der Art der angewendeten Tatmittel und der Vorgehensweise der Angeklagten differenziert. So hat es in ausführlicher Auseinandersetzung insbesondere mit den zur jeweiligen objektiven Gefährdungslage erstatteten Gutachten in den Fällen, in denen lediglich "theoretisch“ die Gefahr des Schleuderns und des
unkontrollierten Abkommens von der Fahrbahn mit tödlichen Folgen für Insassen nicht auszuschließen war, einen bedingten Tötungsvorsatz nicht angenommen (Fälle II. B 5, 9, 10 und 14 der Urteilsgründe, ebenso die „Eisenbahnfälle“ II. B 4 und 6). Einen bedingten Tötungsvorsatz hat es nur in den übrigen „Eingriffsfällen“ bejaht, in denen die Angeklagten gezielt eine so hochgradige Gefahrenlage geschaffen hatten, daß das Ausbleiben schwererer, möglicherweise tödlicher Folgen nur dem "glücklichen Umstand" zu verdanken war, daß die Fahrzeuge nicht mit höherer als der tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeit fuhren bzw. Reifen der betroffenen Fahrzeuge nicht platzten. Entgegen der Auffassung der Revision stehen die Erwägungen, auf die das Landgericht in ausdrücklicher Abgrenzung zur bewußten Fahrlässigkeit die Annahme bedingten Tötungsvorsatzes stützt, auch nicht in Widerspruch zu den zur Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten getroffenen Feststellungen, die für die Beurteilung der subjektiven Tatseite Bedeutung haben (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 31, 54). Zweifel an der Erkenntnisfähigkeit des Angeklagten ergeben sich nicht schon daraus, daß das Landgericht dem Angeklagten, dem psychiatrischen Sachverständigen folgend, eine "unterdurchschnittliche intellektuelle Leistungsfähigkeit" bescheinigt hat. Vielmehr haben die psychiatrischen Sachverständigen im Ergebnis zur Überzeugung der Kammer übereinstimmend für beide Angeklagten bestätigt, daß sie "um die Folgen ihres Handelns gewußt und sich auch über eventuelle Folgen Gedanken gemacht hätten". Die Sorgen um die Tatfolgen hätten die Angeklagten aber – wie bei „unstrukturierten“ Menschen häufig – weggeschoben, die eigene Sorge vor dem Entdecken sei größer gewesen. Das stellt weder das Wissens- noch das Wollenselement des (bedingten) Tötungsvorsatzes in Frage. Aus Fall II. B 15 der Urteilsgründe ergibt sich nichts anderes. Zwar konnten dort die Angeklagten die von ihnen "inszenierte naive Folgenkonstellation“ nicht beiseiteschieben, da sich „mit Sicherheit“ zu
erwartende tödliche Folgen beim Hinunterwerfen des Gullideckels zu sehr aufdrängten. Wenn in diesem Fall der Mitangeklagte L. den Angeklagten an dieser Form des Vorgehens hinderte, indem er ihm den Einlaufrost aus der Hand nahm und diesen auf der Fahrbahn aufstellte, belegt dies lediglich, daß beide nicht mit direktem Tötungsvorsatz handelten, steht aber der rechtlichen Würdigung der Jugendkammer zum bedingten Tötungsvorsatz nicht entgegen.

III.

Der Schuldspruch hält mit Ausnahme des Falls II. B 5 der Urteilsgründe der rechtlichen Prüfung auch insoweit stand, als das Landgericht den Angeklagten in den weiteren Fällen allein wegen - jeweils gemeinschaftlich mit dem Mitangeklagten L. begangenen, vollendeten und nach § 315 b Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a StGB qualifizierten - gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr (II. B 9, 10 und 14 der Urteilsgründe) bzw. in den Bahnverkehr (Fälle II. B 4 und 6 der Urteilsgründe) verurteilt hat. 1. In den Fällen II. B 9 und 10 warfen die Angeklagten jeweils "eine Handvoll Kieselsteine der Körnung zwischen 2 und 3 Zentimeter" von einer Autobahnbrücke, in Fall 14 einen faustgroßen, bis zu 250 g schweren Gesteinsbrocken vom Fahrbahnrand einer Bundesautobahn gegen Lastkraftwagen. Die mit einer Geschwindigkeit von etwa 85 km/h fahrenden Fahrzeuge wurden jeweils an der Frontscheibe getroffen. Diese zersplitterte, ohne daß die Steine ins Innere des Fahrzeugs gelangten. Die Scheiben mußten jeweils erneuert werden. Zwar ist lediglich im Fall II. B 9 ein bezifferter Schaden von 2.684,- DM festgestellt. Wegen der Vergleichbarkeit der Schäden entnimmt aber der Senat dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, daß in den übrigen Fällen die von der Rechtsprechung für Sachschäden festgelegte Schadensgrenze von 1.500,- DM (jetzt 750,-
ist. Den Fahrern gelang es jeweils, ihre Fahrzeuge kontrolliert zum Stehen zu bringen.
Die Gefahr einer völligen Desorientierung des Fahrzeugführers mit einer damit verbundenen Gefahr des Schleuderns und des unkontrollierten Abkommens von der Fahrbahn war zwar nach Ansicht des sachverständig beratenen Landgerichts theoretisch nicht auszuschließen, angesichts der relativ niedrigen Geschwindigkeit der schweren Fahrzeuge aber wenig wahrscheinlich.

a) Soweit der Senat in der Vergangenheit in einzelnen Fällen einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr gemäß § 315 b Abs. 1 Nr. 3 StGB mit der Begründung verneint hat, der Eingriff erschöpfe sich in der Gefährdung oder Beschädigung des Tatobjekts, so daß es an einer tatbestandlich erforderlichen, "dadurch" verursachten weiteren Gefährdung fehle (zuletzt BGHR StGB § 315 b Abs. 1 Nr. 3 Eingriff 5 m.w.N.), hält er daran in dieser Allgemeinheit nicht fest. In Fällen der vorliegenden Art genügt es für die Annahme einer vollendeten Tat, daß die durch den Eingriff verursachte verkehrsspezifische Gefahr zu einem bedeutenden Fremdsachschaden geführt hat.
aa) Die nach dem Wortlaut der Norm doppelte Verknüpfung des Tatbestandsmerkmals "Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs" sowohl mit der tatbestandlichen Handlung des § 315 b Abs. 1 StGB in allen in den Nummern 1 bis 3 aufgeführten Alternativen als auch mit dem tatbestandlichen Erfolg macht deutlich, daß Gefährdungshandlungen und Gefährdungserfolg in besonderer Weise kausal miteinander verbunden sein müssen, um den Tatbestand zu erfüllen. Erforderlich ist, daß die Tathandlung eine abstrakte Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs bewirkt, die sich
zu einer konkreten Gefahr für die genannten Schutzobjekte verdichtet. Das Erfordernis einer zeitlichen Differenz zwischen Eingriff und konkreter Gefahr ist dem Wortlaut der Vorschrift dagegen nicht zu entnehmen. Der Tatbestand des § 315 b Abs. 1 StGB kann daher in sämtlichen Handlungsalternativen auch dann erfüllt sein, wenn die Tathandlung unmittelbar zu einer konkreten Gefahr oder Schädigung führt, sofern dieser Erfolg sich als Steigerung der abstrakten Gefahr darstellt.
Daran fehlt es, wenn der Täter losgelöst von einem Verkehrsgeschehen ein Fahrzeug oder eine Anlage beschädigt (beispielsweise durch Zerstören der Bremsleitung), ohne daß die so geschaffene abstrakte Gefahr für den Straßenverkehr in eine konkrete Gefahr umschlägt. Der durch das Verhalten des Täters eingetretene Schaden am Fahrzeug ist nicht Folge einer abstrakten Verkehrsgefahr, sondern umgekehrt die Ursache dafür, daß eine solche Gefahr überhaupt erst entsteht. Insoweit behält die von der Rechtsprechung entwickelte Formel, daß sich ein Verhalten, das sich in der Schaffung einer - abstrakten - Gefahr - sei es auch durch Einwirken auf eines der von § 315 b StGB grundsätzlich unter Schutz gestellten Objekte - erschöpft, noch nicht den Tatbestand des § 315 b StGB erfüllt, seine Berechtigung.
Hiervon zu unterscheiden sind dagegen Tathandlungen, die, wie in den vom Landgericht entschiedenen Fällen, nicht nur eine abstrakte Verkehrsgefahr herbeiführen, sondern - wenn auch in zeitlich dichter Reihenfolge oder sogar sich zeitlich überschneidend - eine aus dieser abstrakten Verkehrsgefahr resultierende konkrete Gefahr. Zwar wird die Herbeiführung der abstrakten Gefahr der hieraus entstehenden konkreten Gefahr in aller Regel zeitlich vorangehen, so etwa, wenn der Täter einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr in der Weise herbeiführt, daß er ein Hindernis auf der Straße
aufstellt, die davon ausgehende Gefahr sich aber erst durch späteres Herannahen eines Fahrzeugs zur konkreten Gefahr verdichtet. Dieser zeitlich gestreckte Vorgang verkürzt sich aber in dem Maße, in dem der Täter das Herannahen eines Fahrzeugs abwartet, um dessen Fahrt durch ein plötzlich in den Weg geschobenes oder geworfenes Hindernis zu hemmen. Ist das Fahrzeug im Zeitpunkt des Eingriffs bereits so nahe, daß mit der abstrakten Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs, die auch dann vorliegt, wenn sich die Tathandlung gezielt gegen ein bestimmtes Objekt richtet, zugleich auch schon eine konkrete Gefahr für das Fahrzeug entsteht, fehlt es gänzlich an einer zeitlichen Zäsur. Gleichwohl sind die Tathandlung, die zu einer Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs führt, und ein aus dieser Gefahr herrührender tatbestandlicher Erfolg in Form einer konkreten Gefahr für das Schutzobjekt gedanklich voneinander zu trennen; die Tathandlung "erschöpft" sich auch dann nicht in sich selbst, wenn über Schäden, die durch das Zusammentreffen von Fahrzeug und Hindernis bewirkt werden, keine weitere Gefahr in der Form entsteht, daß es infolge eines Kontrollverlusts über das Fahrzeug zu einem "Beinahe-Unfall" kommt.
Auch im Blick auf das in § 315 b StGB geschützte Rechtsgut, die Sicherheit des Straßenverkehrs, die ohne die Notwendigkeit einer Gemeingefahr den Schutz von Individualrechtsgütern wie Leben, Gesundheit und bedeutende Sachwerte mitumfaßt, besteht kein Anlaß, zwischen zeitlich gesteckten und auf Minutenbruchteile reduzierten Geschehensabläufen zu unterscheiden. So wäre kaum nachvollziehbar, wenn sich die Angeklagten, die in den Fällen II. B 3 und 7 der Urteilsgründe Gegenstände von einem am Brückengeländer befestigten Seil bis in Nähe von Windschutzscheiben eines Pkws herabhängen ließen und dadurch - in zeitlichem Abstand zum Abseilen - das Zersplittern der Frontscheiben bewirkten, ohne Rücksicht auf weitere
Folgen ihres Handelns des vollendeten gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr schuldig gemacht hätten, während eine Tatvollendung in den Fällen II. B 9, 10 und 14 bei gleicher subjektiver Zielrichtung und gleichem Schaden nur deshalb nicht eingetreten sein sollte, weil die Angeklagten die entsprechenden Gegenstände im geeigneten Moment gegen die Frontscheiben der Fahrzeuge warfen. Unbeachtlich ist insoweit, daß in den erstgenannten Fällen die Handlungsalternative des § 315 b Abs. 1 Nr. 2 StGB (Hindernisbereiten), in der zweiten Fallgruppe dagegen die des § 315 b Abs. 1 Nr. 3 StGB (ähnlicher, ebenso gefährlicher Eingriff) in Betracht kommt, da das Hindernisbereiten lediglich einen Unterfall des für sämtliche Handlungsalternativen des § 315 b Abs. 1 StGB vorausgesetzten gefährlichen Eingriffs darstellt.
bb) Der Schutzzweck des § 315 b StGB gebietet allerdings insoweit eine restriktive Auslegung der Norm, als unter einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen oder für fremde Sachen von bedeutendem Wert nur verkehrsspezifische Gefahren verstanden werden dürfen. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die konkrete Gefahr - jedenfalls auch - auf die Wirkungsweise der für Verkehrsvorgänge typischen Fortbewegungskräfte zurückzuführen ist. Dies kann durch Ausnutzung der Eigendynamik des vom Täter selbst benutzten Fahrzeugs (beispielsweise beim Einsatz eines Fahrzeugs als „Waffe“), durch die Fremddynamik eines von einem anderen Verkehrsteilnehmer genutzten Fahrzeugs (beispielsweise durch Hindernisbereiten) oder durch das Zusammenwirken beider Kräfte erfolgen.
Bei Außeneinwirkungen, die, wie in den hier zu beurteilenden Fällen, nicht durch eine vom Täter ausgenutzte Eigendynamik seines Fahrzeugs gekennzeichnet sind, ist eine verkehrsspezifische konkrete Gefahr zu bejahen,
wenn durch den Eingriff die sichere Beherrschbarkeit eines im fließenden Verkehrs befindlichen Fahrzeugs beeinträchtigt und dadurch - mit der Folge eines "Beinahe-Unfalls" - unmittelbar auf den Fahrvorgang eingewirkt wird. Dem sind die Fälle gleichzustellen, in denen der Fortbewegung des Fahrzeugs mittels eines Hindernisses oder eines anderen, ebenso gefährlichen Eingriffs in der Weise entgegengewirkt wird, daß eine konkrete Gefahr für Fahrzeuginsassen oder Fahrzeug entsteht. An einer verkehrsspezifischen Gefahr fehlt es nur dann, wenn der Eingriff zwar zu einer abstrakten Gefährdung des Straßenverkehrs führt, die sich hieraus entwickelnde konkrete Gefahr aber in keiner inneren Verbindung mit der Dynamik des Straßenverkehrs steht. Die Annahme jeweils vollendeter gefährlicher Eingriffe in den Straßenverkehr ist daher in den Fällen II. B 9, 10 und 14 nicht zu beanstanden, obwohl über die durch die Steinwürfe an den Frontscheiben entstandenen Schäden hinaus die konkrete Gefahr eines weiteren Unfallgeschehens nicht bestand.
In den beiden Fällen des gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr (II. B 4 und 6) gilt im Ergebnis nichts anderes.
2. Nach den vorstehend dargelegten Grundsätzen kann die Verurteilung wegen vollendeten gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr im Fall II. B 5 der Urteilsgründe nicht bestehen bleiben. In diesem Fall gossen die Angeklagten von einer Autobahnbrücke aus zwei Dosen weißliche Lackfarbe auf einen aus vier Fahrzeugen bestehenden, mit ca. 80 km/h fahrenden Hilfsgüterkonvoi des Deutschen Roten Kreuzes. Dabei wurden zwei Fahrzeuge an der Frontscheibe getroffen. Die Fahrer
konnten ihre Fahrzeuge "nach kurzer Weiterfahrt ohne weitere Gefahren rechts zum Stehen bringen". Das Landgericht hat den Eintritt einer durch den „Eingriff“ entstandenen konkreten Gefahr für Leib oder Leben eines anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert nicht festgestellt. Eine konkrete Gefahr im Sinne eines „Beinahe-Unfalls“ (vgl. BGH NJW 1995, 3131 f.; 1996, 329 f.) hat das Landgericht ersichtlich nicht angenommen; es hat vielmehr in diesem Fall eine „akute Gefahr des Schleuderns und unkontrollierten Abkommens von der Fahrbahn“ gerade ausgeschlossen. Auch die Beschädigung der beiden Lkw durch die ausgegossene Farbe führt hier nicht zur Annahme einer vollendeten Tat nach § 315 b StGB. Denn der durch die Verschmutzung an den betroffenen Lkw eingetretene Sachschaden steht mit der Eigendynamik der Fahrzeuge zum Tatzeitpunkt in keinem relevanten Zusammenhang. Die Lackschäden sind keine spezifische Folge des „Eingriffs“ in die Sicherheit des Straßenverkehrs; sie müssen deshalb bei der Bestimmung eines "bedeutenden" Sachschadens bzw. einer entsprechenden Gefährdung außer Betracht bleiben. Der für eine Tat nach § 315 b StGB vorausgesetzte Vorsatz und die vom Landgericht auch in diesem Fall angenommene qualifizierende Absicht der beiden Angeklagten nach § 315 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a StGB bleiben davon unberührt. Der Senat schließt aus, daß sich – zumal angesichts des Zeitablaufs – noch weitere Feststellungen treffen lassen, die in diesem Fall eine Vollendung des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr sicher belegen. Er ändert deshalb den Schuldspruch – gemäß § 357 StPO auch hinsichtlich des Mitangeklagten L. – von sich aus dahin, daß die beiden Angeklagten im Fall II. B 5 der Urteilsgründe des versuchten gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr schuldig sind; § 265 StPO steht dem nicht entgegen. Dies hat bei dem Angeklagten die Aufhebung des Einzelstrafausspruchs zur Folge.
Dagegen kann die gegen den Mitangeklagten L. verhängte Jugendstrafe bestehen bleiben; angesichts der seiner Verurteilung zugrunde liegenden Vielzahl schwerwiegender Straftaten ist auszuschließen, daß die geringfügige Schuldspruchänderung bei ihm zu einer niedrigeren Strafe geführt hätte.

IV.

Im Umfang der Aufhebung verweist der Senat die Sache gemäß § 354 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. StPO i.V.m. § 74 Abs. 2 Nr. 4 GVG an eine als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurück, da das Verfahren nur noch den erwachsenen Angeklagten betrifft (BGHSt 35, 267) und das Schwurgericht gegenüber der Jugendkammer kein Gericht höherer Ordnung ist (vgl. BGHSt 26, 191; Kuckein in KK § 338 Rdn. 69). Tepperwien Maatz Athing Ernemann Sost-Scheible

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) In Strafsachen sind die Amtsgerichte zuständig, wenn nicht

1.
die Zuständigkeit des Landgerichts nach § 74 Abs. 2 oder § 74 a oder des Oberlandesgerichts nach den §§ 120 oder 120b begründet ist,
2.
im Einzelfall eine höhere Strafe als vier Jahre Freiheitsstrafe oder die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus, allein oder neben einer Strafe, oder in der Sicherungsverwahrung (§§ 66 bis 66b des Strafgesetzbuches) zu erwarten ist oder
3.
die Staatsanwaltschaft wegen der besonderen Schutzbedürftigkeit von Verletzten der Straftat, die als Zeugen in Betracht kommen, des besonderen Umfangs oder der besonderen Bedeutung des Falles Anklage beim Landgericht erhebt.

Eine besondere Schutzbedürftigkeit nach Satz 1 Nummer 3 liegt insbesondere vor, wenn zu erwarten ist, dass die Vernehmung für den Verletzten mit einer besonderen Belastung verbunden sein wird, und deshalb mehrfache Vernehmungen vermieden werden sollten.

(2) Das Amtsgericht darf nicht auf eine höhere Strafe als vier Jahre Freiheitsstrafe und nicht auf die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, allein oder neben einer Strafe, oder in der Sicherungsverwahrung erkennen.

Der Richter beim Amtsgericht entscheidet als Strafrichter bei Vergehen,

1.
wenn sie im Wege der Privatklage verfolgt werden oder
2.
wenn eine höhere Strafe als Freiheitsstrafe von zwei Jahren nicht zu erwarten ist.

(1) Wer einen Menschen mit der Begehung einer gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten rechtswidrigen Tat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder gegen eine Sache von bedeutendem Wert bedroht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Wer einen Menschen mit der Begehung eines gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten Verbrechens bedroht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(3) Ebenso wird bestraft, wer wider besseres Wissen einem Menschen vortäuscht, daß die Verwirklichung eines gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten Verbrechens bevorstehe.

(4) Wird die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) begangen, ist in den Fällen des Absatzes 1 auf Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder auf Geldstrafe und in den Fällen der Absätze 2 und 3 auf Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder auf Geldstrafe zu erkennen.

(5) Die für die angedrohte Tat geltenden Vorschriften über den Strafantrag sind entsprechend anzuwenden.