Bundesgerichtshof Beschluss, 07. März 2017 - 3 StR 517/16
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 7. März 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Wohnungseinbruchdiebstahl zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
- 2
- 1. Nach den Urteilsfeststellungen brachen der Angeklagte und der gesondert verfolgte A. nachts in das Haus des Geschädigten K. ein, um dort nach stehlenswerten Gegenständen zu suchen; sie nahmen irrtümlich an, dass sich niemand in dem Gebäude aufhielt. Nachdem der Angeklagte im Schlafzimmer den schlafenden K. vorgefunden hatte, verließen beide das Haus mit dem bis zu diesem Zeitpunkt bereits erbeuteten Diebesgut. Unmittelbar danach entschlossen sie sich auf Drängen von A. jedoch, wieder zurückzukehren, um auch das Schlafzimmer nach Bargeld oder anderen Wertsachen zu durchsuchen; sie kamen dahin überein, das Haus sofort wieder zu verlassen, falls K. aufwachen sollte.
- 3
- Während sie das Schlafzimmer durchsuchten, erwachte K. . A. versetzte ihm daraufhin einen Faustschlag ins Gesicht, durch den K. eine Platzwunde im Lippenbereich und Schmerzen im Gesicht erlitt. Als K. sich anschließend aufrichten wollte, trat A. ihn so stark in den Rücken, dass er aus dem Bett geschleudert wurde; dadurch zog sich K. eine großflächige , blutunterlaufene Hautabschürfung sowie schmerzhafte Hämatome und Prellungen im Thoraxbereich zu. A. verlangte sodann wiederholt in bedrohlicher Weise Geld von K. . Er wandte sich auch an den Angeklagten, der das Geschehen tatenlos mit angesehen hatte, und forderte ihn auf, "die Sache" zu Ende zu bringen, falls sie Geld haben wollten. Spätestens nachdem K. einen Herzanfall vorgetäuscht hatte, weil er hoffte, die Täter dadurch dazu zu bringen, von ihm abzulassen, entschloss sich der Angeklagte, sich an der weiteren Tatausführung zu beteiligen, um von K. unter Anwendung von Gewalt Bargeld ausgehändigt zu bekommen. Zu diesem Zweck rissen der Angeklagte und A. K. gemeinsam vom Boden hoch und zerrten ihn gewaltsam die Treppe zum Erdgeschoss herunter; dabei fixierten sie ihn mit schmerzhaften Griffen und fügten ihm dadurch Hämatome an den Oberarmen zu. Als der Angeklagte den Geschädigten K. am Fuß der Treppe losließ, konnte dieser sich von A. losreißen und aus dem Haus fliehen.
- 4
- 2. Der Schuldspruch hält rechtlicher Überprüfung stand. Insbesondere hat das Landgericht darin, dass der Angeklagte und A. K. gemeinsam vom Boden hochrissen und anschließend die Treppe herunterzerrten, indem sie ihn mit schmerzhaften Griffen an den Armen fixierten und ihm dadurch Hämatome zufügten, zu Recht eine gefährliche Körperverletzung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB gesehen. Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lässt sich entnehmen, dass der Angeklagte insoweit vorsätzlich handelte.
- 5
- Es stellt die Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung deshalb nicht in Frage, dass das Landgericht dem Angeklagten gemäß § 25 Abs. 2 StGB unter dem Gesichtspunkt sukzessiver Mittäterschaft "auch die vorangegangenen - noch massiveren - Körperverletzungshandlungen" von A. zum Nachteil von K. als eigene zugerechnet hat. Das stößt auf durchgreifende rechtliche Bedenken, weil der Angeklagte den Entschluss, seinerseits körperlich auf K. einzuwirken, erst fasste, als die Verletzungserfolge durch den Faustschlag ins Gesicht von K. und den Fußtritt in dessen Rücken bereits eingetreten und die betreffenden Körperverletzungshandlungen von A. damit beendet waren (vgl. dazu BGH, Urteile vom 18. Oktober 2007 - 3 StR 248/07, NStZ 2009, 34; vom 16. Juni 2016 - 3 StR 124/16, juris Rn. 23). Nach Beendigung der Tat kommt eine sukzessive Mittäterschaft jedoch nicht mehr in Betracht (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 16. Juni 2016 - 3 StR 124/16, juris Rn. 23).
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- 3. Der Strafausspruch kann demgegenüber nicht bestehen bleiben. Die Strafkammer ist bei der Strafzumessung zutreffend von dem durch die §§ 255, 249 Abs. 1 i.V.m. § 38 Abs. 2 StGB normierten Strafrahmen ausgegangen und hat das Vorliegen eines minder schweren Falles im Sinne der §§ 255, 249 Abs. 2 StGB mit rechtlich nicht zu beanstandenden Erwägungen verneint. Eine Strafrahmenverschiebung gemäß § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB hat sie indes nicht mit tragfähiger Begründung abgelehnt. Sie hat zwar nicht verkannt, dass die Entscheidung über die Strafrahmenwahl beim Versuch aufgrund einer Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit und der Tatumstände im weitesten Sinne zu treffen ist, bei der vor allem den versuchsbezogenen Gesichtspunkten , namentlich der Nähe zur Tatvollendung und der Gefährlichkeit des Versuchs besonderes Gewicht zukommt (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 17. Februar 2014 - 3 StR 7/14, NStZ-RR 2014, 136, 137). Letztlich hat die Strafkammer der Strafrahmenwahl jedoch dieselben Erwägungen zugrunde gelegt, mit denen sie auch das Vorliegen eines minder schweren Falles abgelehnt hat; wesentlich versuchsbezogene Umstände hat sie demgegenüber nicht näher erörtert. So hat sie im Wesentlichen darauf abgestellt, dass der Angeklagte und A. "bereits mehrfach und mit massiver Gewalt auf den betagten, unter Todesangst leidenden Geschädigten eingewirkt und ihn - trotz bereits zuvor gemachter Beute und der Annahme, der Geschädigte habe einen Herzanfall erlitten - gewaltsam in das Erdgeschoss verbracht" hatten, "um von ihm dort (weiteres) Geld zu erlangen". Dies vermag die Annahme der Strafkammer, dass der Versuch "bereits weit fortgeschritten" gewesen sei, nicht zu tragen.
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- 4. Im Hinblick auf die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
- 8
- Es ist zwar aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, die tateinheitliche Verwirklichung der gefährlichen Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) strafschärfend zu berücksichtigen. Zu beachten ist gemäß dem oben Gesagten aber, dass die Gewalthandlungen, die A. zum Nachteil von K.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wer die Körperverletzung
- 1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, - 2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs, - 3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls, - 4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder - 5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
(2) Der Versuch ist strafbar.
Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen, so ist der Täter gleich einem Räuber zu bestrafen.
(1) Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.
(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.
(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.
(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).
(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
- 1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. - 2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. - 3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.
(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in drei Fällen, versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung und versuchter räuberischer Erpressung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- 2
- I. Der Wiedereinsetzungsantrag, den der Angeklagte selbst mit dem Ziel der Erhebung verfahrensrechtlicher Beanstandungen zu Protokoll der Geschäftsstelle angebracht hat, nachdem seine Verteidiger die Revision fristgemäß mit der Sachrüge begründet hatten, ist aus den vom Generalbundesanwalt in dessen Antragsschrift ausgeführten Gründen unzulässig.
- 3
- II. Der Schuldspruch, die Einzelstrafaussprüche in den Fällen B. I. 1. und 5. der Urteilsgründe sowie die Einziehungsentscheidung halten materiellrechtlicher Überprüfung stand. Demgegenüber können die Einzelstrafaussprüche in den Fällen B. I. 2., 3. und 4. nicht bestehen bleiben; dies entzieht dem Ausspruch über die Gesamtstrafe die Grundlage.
- 4
- 1. In den Fällen B. I. 2. und 3. der Urteilsgründe hat das Landgericht gegen den Angeklagten wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung bzw. versuchter räuberischer Erpressung jeweils ein Jahr Freiheitsstrafe festgesetzt. Dabei hat es minder schwere Fälle gemäß § 250 Abs. 3 StGB bzw. § 249 Abs. 2 StGB angenommen, ohne den vertypten Milderungsgrund des Versuchs zu berücksichtigen. Eine weitere Milderung der Strafrah- men gemäß § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB hat die Strafkammer ohne hinreichende Begründung abgelehnt.
- 5
- a) Die Strafrahmenwahl bei einem Versuch ist unter Berücksichtigung aller schuldrelevanten Umstände vorzunehmen. Dabei hat das Tatgericht neben der Persönlichkeit des Täters die Tatumstände im weitesten Sinne und dabei vor allem die versuchsbezogenen Gesichtspunkte, namentlich die Nähe zur Tatvollendung, die Gefährlichkeit des Versuchs und die eingesetzte kriminelle Energie in einer Gesamtschau umfassend zu würdigen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 28. September 2010 - 3 StR 261/10, wistra 2011, 18, 19 mwN). Hieran fehlt es.
- 6
- Die Strafkammer hat lediglich ausgeführt, die Taten hätten nahe vor ihrer Vollendung gestanden; die kriminelle Energie des Angeklagten habe nicht nachgelassen, die Versuche seien vielmehr fehlgeschlagen. Somit hat es die Persönlichkeit des Täters überhaupt nicht und die konkreten Tatumstände nur teilweise in den Blick genommen. Bei der Bewertung der kriminellen Energie des Angeklagten hat es etwa nicht bedacht, dass dieser allein aufgrund der Bekundungen der potentiellen Opfer, diese hätten kein Geld, von der weiteren Ausführung der Taten Abstand nahm und im Fall B. I. 3. der Urteilsgründe keine konkrete Drohung aussprach.
- 7
- b) Den Urteilsgründen lässt sich daneben nicht entnehmen, weshalb die Strafkammer in den beiden genannten Fällen auf dieselbe Einzelstrafe erkannt hat, obwohl der Angeklagte nur im Fall B. I. 2. der Urteilsgründe die Schreckschusspistole verwendete und die Strafrahmen der § 250 Abs. 3 StGB und § 249 Abs. 2 StGB deutlich voneinander abweichen.
- 8
- 2. Im Fall B. I. 4. der Urteilsgründe hat das Landgericht auf eine Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten erkannt. Zur Begründung hat es allein angegeben, diese Strafe dem Strafrahmen des § 250 Abs. 3 StGB entnommen zu haben. Dies ist mit Blick auf die in § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO gesetzlich geregelten Anforderungen an die Gründe eines Strafurteils betreffend die Zumessung der Strafe ungenügend (vgl. etwa Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 267 Rn. 18 ff. mwN).
- 9
- III. Eine Entscheidung des Senats gemäß § 354 Abs. 1a StPO kam nicht in Betracht; die Sache bedarf vielmehr im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung. Die rechtsfehlerfrei festgestellten Strafzumessungstatsachen können bestehen bleiben. Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, die den bisherigen nicht widersprechen.
Gericke Spaniol
(1) Wer die Körperverletzung
- 1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, - 2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs, - 3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls, - 4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder - 5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
(2) Der Versuch ist strafbar.