Bundesgerichtshof Urteil, 16. Aug. 2017 - 2 StR 335/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:160817U2STR335.15.0
bei uns veröffentlicht am16.08.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 335/15
vom
16. August 2017
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:160817U2STR335.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. August 2017, an der teilgenommen haben: Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Eschelbach, Zeng, die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Bartel, Richter am Bundesgerichtshof Schmidt,
Staatsanwalt in der Verhandlung, Staatsanwalt bei der Verkündung als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten D`I. , Rechtsanwalt als Verteidiger der Angeklagten S. ,
Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten B. , Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Marburg vom 2. April 2015 werden verworfen. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten D`I. wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die Angeklagte S. hat es wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen tätlicher Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt und ihre Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Gegen den Angeklagten B. hat es wegen Beihilfe zur besondersschweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verhängt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Gegen dieses Urteil rich- ten sich die Revisionen der Angeklagten jeweils mit der Sachrüge. Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg.

A.

2
I. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
1. Die heroinabhängigen Angeklagten S. und D`I. lebten im Jahr 2014 zusammen. Sie führten im Mai 2014 gemeinsam eine stationäre Entzugsbehandlung durch. Danach wohnte der Angeklagte D`I. in der Wohnung der Angeklagten S. . Diese befand sich im Methadonprogramm und wollte am Morgen des 24. Mai 2014 am Bahnhof in F. einen Regionalexpress besteigen, um nach M. zu fahren. Dort wollte sie ihre tägliche Dosis Methadon einnehmen. Sie überquerte unerlaubt die Gleise vor dem einfahrenden Zug und veranlasste den Zugführer zu einer Schnellbremsung. Deshalb wurde ihr auf Anweisung des Zugführers vom Kontrolleur Bu. das Einsteigen verweigert. Sie beschimpfte diesen daraufhin mit den Worten „Du Wichser“ und spuckte ihm ins Gesicht, sodass ihr Spei- chel in den Bereich der Augen und des Mundes des Zeugen Bu. geriet. Die Angeklagte S. litt an einer Hepatitis-C-Infektion. Der Zeuge Bu. befürchtete deshalb, dass er sich angesteckt haben könnte. Erst nach Ende der Inkubationszeit erlangte er die Gewissheit, dass keine Ansteckung erfolgt war.
4
2. Die Angeklagten D`I. und S. hatten am 10. Juni 2014 den Rest ihres Heroinvorrats konsumiert und befürchteten Entzugserscheinungen. Nachdem D`I. vergeblich versucht hatte, in M. Heroin zu kaufen, erfuhr er in der Drogenszene, dass der Nebenkläger Me. damit Handel treibe; dieser sei nach G. gefahren, um neues Heroin zu beschaffen. D`I. beschloss, Me. mit Gewalt zur Herausgabe von Heroin zu zwingen und weihte die Angeklagte S. in seinen Plan ein. Diese erklärte sich zur Mitwirkung bereit. Ferner gewann D`I. den Angeklagten B. dafür mitzukommen und ihn zu unterstützen. Diesem erklärte er wahrheitswidrig, er habe bei dem Nebenkläger noch ein „Guthaben“ von 50 Euro, für das er Heroin fordern wolle. B. war bereit mitzugehen, wovon er sich allerdings keinen eigenen Vorteil versprach. Die Angeklagten begaben sich zur Wohnung des Me. und traten dessen Wohnungstürein, nachdem er trotz mehrfachen Klingelns nicht geöffnet hatte. D`I. fragte den Nebenkläger sogleich nach „Dope“, worauf dieser erwiderte, dass er keines besitze. Daraufhin packte D`I. Me. am Kragen und versetzte ihm Schläge, verbunden mit der Aufforderung: „Gib uns das Zeug raus“. Auch die Angeklagte S. schlug den Nebenkläger und verlangte die Herausgabe von Heroin. Der Angeklagte B. forderte ebenfalls: „Gib den Stoff raus“, beteiligte sich aber nicht selbst an den Schlägen. Die Angeklagte S. hielt Me. einen spitzen Gegenstand, eine Schere oder ein Messer, vor das Gesicht und bedrohte ihn damit, was die anderen Angeklagten durch Fortsetzung ihres Vorgehens gegen den Nebenkläger billigten. Als dieser zu fliehen versuchte, wurde er von dem Angeklagten B. auf Aufforderung des Angeklagten D´I. am Arm festgehalten und in dieWohnung zurückgedrängt. Nach weiteren Schlägen durch die Angeklagten D`I. und S. holte der Nebenkläger drei Plomben mit Heroin aus der Hosentasche und legte diese mit der Bemerkung auf den Tisch: „Hier, könnt ihr haben, mehr habe ich nicht“.Nach Hilferufen des Nebenklägers am Zimmerfenster flohen die Angeklagten unter Mitnahme des Heroins. Die Angeklagten D`I. und S. konsumierten dieses unweit der Wohnung des Nebenklägers auf einer Treppe. Der Angeklagte B. erhielt von ihnen nachträglich eine Belohnung von 20 Euro und entfernte sich.

5
II. Das Landgericht hat die Tat der Angeklagten S. vom 24. Mai 2014 als tätliche Beleidigung abgeurteilt. Die Handlungen der Angeklagten D`I. und S. vom 10. Juni 2014 zum Nachteil des Nebenklägers hat es als besonders schwere räuberische Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung gewertet; der Angeklagte B. habe dazu Beihilfe geleistet. Den Angeklagten D`I. und S. hat das Landgericht zugutegehalten, sie seien bei der Tatbegehung wegen Heroinabhängigkeit in ihrem Hemmungsvermögen erheblich beeinträchtigt gewesen.

B.

6
I. Der Senat hat die Sache am 24. September 2015 erstmals beraten und hiernach am 9. März und 1. Juni 2016 eine Revisionshauptverhandlung durchgeführt, wobei er die Hauptverhandlung zur Durchführung eines Anfrageverfahrens gemäß § 132 Abs. 2 GVG unterbrochen hat. Er beabsichtigte – abweichend von der bisherigen Rechtsprechung – zu entscheiden, die Nöti- gung zur Herausgabe von Betäubungsmitteln richte sich nicht gegen das Vermögen des Genötigten und erfülle daher nicht den Tatbestand einer Erpressung (Senat, Beschluss vom 1. Juni 2016 – 2 StR 335/15, NStZ 2016, 596 ff. mit Anm. Krell, ebenda, und Ladiges, wistra 2016, 479 ff.). Der strafbare Besitz von Betäubungsmitteln sei kein durch Strafrecht zu schützendes Rechtsgut. Die gleichzeitige Strafdrohung wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) und gegen denjenigen, der dem Besitzer diesen unerlaubten Besitz durch Nötigung (§§ 253, 255 StGB) entziehe, stelle einen Widerspruch dar. Damit fehle es an einer Legitimation des Staates zur Bestrafung unter dem Gesichtspunkt eines Vermögensdelikts.
7
Der Senat hat deshalb bei den anderen Strafsenaten des Bundesgerichtshofs angefragt, ob sie ihm darin folgen.
8
II. Die anderen Strafsenate sind dem entgegengetreten und haben erklärt , an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten (BGH; Beschluss vom 21. Februar 2017 – 1 ARs 16/16, NStZ-RR 2017, 112 f.; Beschluss vom 15. November 2016 – 3 ARs 16/16, NStZ-RR 2017, 244 ff.; Beschluss vom 10. November 2016 – 4 ARs 17/16, NStZ-RR 2017, 44 f.; Beschluss vom 7. Februar 2017 – 5 ARs 47/16, NStZ-RR 2017, 110).
9
III. Der erkennende Senat sieht von einer Vorlage an den Großen Senat für Strafsachen ab und hält ebenfalls an seiner bisherigen Rechtsprechung fest (vgl. auch Senat, Urteile vom 22. September 2016 – 2 StR 27/16, BGHSt 61, 263, 264, und vom 7. Dezember 2016 – 2 StR 522/15, NStZ-RR 2017, 111 f.).

C.

10
Die Revisionen der Angeklagten sind unbegründet.
11
I. Die Verurteilung der Angeklagten S. wegen tätlicher Beleidigung am 24. Mai 2014 ist rechtsfehlerfrei. Es beschwert sie nicht, dass sie nicht auch wegen eines Körperverletzungsdelikts verurteilt wurde.
12
II. Auch gegen die Verurteilung der Angeklagten D`I. und S. wegen schwerer räuberischer Erpressung und des Angeklagten B. wegen Beihilfe hierzu ist rechtlich nichts einzuwenden.
13
1. Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist rechtsfehlerfrei.
14
a) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (vgl. Senat, Urteil vom 1. Februar 2017 – 2 StR 78/16, NStZ-RR 2017, 183, 184 mwN).
15
b) Die Revisionen der Angeklagten haben solche Rechtsfehler nicht aufgezeigt.
16
Die Feststellung, dass die Angeklagte S. bei der Tat zum Nachteil des Nebenklägers Me. einen spitzen Metallgegenstand, der wie eine Schere aussah, in der Hand hatte und dies von den anderen Angeklagten wahrgenommen und gebilligt wurde, konnte das Landgericht ohne Rechtsfehler auf die Einlassung des Angeklagten B. und entsprechende Angaben des Zeugen Me. stützen. Das „tatsächliche oder vorgeschobene“ Fehlen einer Erinnerung der Angeklagten S. an diesen Umstand hat es nachvollziehbar mit den Folgen ihrer Drogensucht erklärt. Das Landgericht hat im Einzelnen erläutert, warum es überzeugt ist, auch der AngeklagteD`I. habe den Einsatz des spitzen Metallgegenstands durch die Angeklagte S. als Drohmittel wahrgenommen und gebilligt. Dies hat es auf eine Gesamtwürdigung aller Umstände, einschließlich der örtlichen Gegebenheiten und des Geschehensablaufs, gestützt.
17
Ebenso rechtsfehlerfrei ist die Beweiswürdigung des Landgerichts zur Feststellung, dem Angeklagten B. sei jedenfalls während des Tatgeschehens klar geworden, dass die Schläge und die Verwendung des spitzen Metallgegenstands als Drohmittel dazu dienten, den Nebenkläger Me. zur Herausgabe von Heroin zu nötigen, was er durch weitere Mitwirkung am Tatgeschehen gebilligt habe.
18
2. Die rechtliche Würdigung der Tat als besonders schwere räuberische Erpressung steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Er geht unter Rückgriff auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts (RG, Beschluss vom 14. Dezember 1910 – II 1214/10, RGSt 44, 230 ff.) von einem wirtschaftlichen Vermögensbegriff aus (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 1951 – 4 StR 574/51, BGHSt 2, 364, 365 ff.; Urteil vom 17. November 1955 – 3 StR 234/55, BGHSt 8, 254, 256 ff.; Beschluss vom 19. Juli 1960 – 1 StR 213/60,BGHSt 15, 83, 86). Daran hält der Senat nach Durchführung des Anfrageverfahrens fest.
19
Auf der Grundlage eines wirtschaftlichen Vermögensbegriffs ergibt sich, dass derjenige, der einen Rauschgifthändler mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Herausgabe von Drogen nötigt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, sich der räuberischen Erpressung schuldig macht.
20
Betäubungsmittel besitzen bei wirtschaftlicher Betrachtung einen erheblichen Wert, der auch einen besonderen Anreiz dazu bietet, damit Handel zu treiben, obwohl nahezu jeder nicht von einer staatlichen Genehmigung getragene Umgang damit bei Strafandrohung verboten ist. Die Rechtsordnung kennt im Bereich der Vermögensdelikte kein wegen seiner Herkunft, Entstehung oder Verwendung schlechthin schutzunwürdiges Vermögen. Maßgeblich ist, ob dem Besitz ein eigenständiger wirtschaftlicher Wert zukommt, was regelmäßig zu bejahen ist, wenn mit dem Besitz wirtschaftlich messbare Gebrauchsvorteile verbunden sind. Auch hinsichtlich solcher Sachen, die jemand aufgrund einer strafbaren Handlung besitzt, kann unbeschadet ihrer Bemakelung , eine Erpressung begangen werden (vgl. BGH, Urteil vom 4. September 2001 – 1 StR 167/01, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Vermögenswert 3; Beschluss vom 20. September 2005 – 3 StR 295/05, NJW 2006, 72, 73; Senat, Urteil vom 22. September 2016 – 2 StR 27/16, BGHSt 61, 263, 264; Urteil vom 7. Dezember 2016 – 2 StR 522/15, NStZ-RR 2017, 111, 112).
21
Es besteht kein Anlass, den bewährten und kriminalpolitisch sachgerechten wirtschaftlichen Vermögensbegriff aufzugeben. Andernfalls entstünden nicht hinnehmbare Wertungswidersprüche gegenüber den Eigentumsdelikten. Bei der Abgrenzung von Raub und räuberischer Erpressung hängt es vielfach von Zufälligkeiten durch Geben oder Nehmen ab, ob für Verhaltensweisen , die sich im Unrechtsgehalt praktisch nicht unterscheiden, der Anwendungsbereich der §§ 253, 255 StGB oder derjenige der §§ 249 ff. StGB eröffnet ist. Entfielen in der einen Tatvariante, in welcher der Genötigte die Betäubungsmittel herausgibt, wegen der Nichtzuordnung des unerlaubten Betäubungsmittelbesitzes zum Vermögen des Genötigten die Erpressungsdelikte, so wären dort nur noch § 240 Abs. 1 StGB und § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG einschlägig. In der anderen Variante, in welcher der Täter die Betäubungsmittel wegnimmt und der Genötigte dies nur duldet, läge ein Verbrechen des Raubes vor; denn auch Betäubungsmittel, deren Besitz verboten ist, bleiben nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs taugliche Tatobjekte von Eigentumsdelikten (vgl. BGH, Beschluss vom 21. April 2015 – 4 StR 92/15, NStZ 2015, 571; Beschluss vom 20. September 2005 – 3 StR 295/05, NJW 2006, 72, 73).
22
III. Die Verurteilung der Angeklagten D`I. und S. wegen tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung unter Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs (§§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2, 25 Abs. 2 StGB) und des Angeklagten B. wegen tateinheitlich begangenerBeihilfe hierzu ist gleichfalls rechtlich nicht zu beanstanden.
23
IV. Die Strafzumessung ist ebenso rechtsfehlerfrei wie die Maßregelanordnung gegenüber den Angeklagten D´I. und S. . Appl Eschelbach Zeng Bartel Schmidt

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Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 29 Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer1.Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt,

Strafgesetzbuch - StGB | § 224 Gefährliche Körperverletzung


(1) Wer die Körperverletzung 1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,3. mittels eines hinterlistigen Überfalls,4. mit einem anderen Beteiligten gemeins

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 29a Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer1.als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder2.

Strafgesetzbuch - StGB | § 223 Körperverletzung


(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar.

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 132


(1) Beim Bundesgerichtshof werden ein Großer Senat für Zivilsachen und ein Großer Senat für Strafsachen gebildet. Die Großen Senate bilden die Vereinigten Großen Senate. (2) Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Sena

Strafgesetzbuch - StGB | § 240 Nötigung


(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Rechtswidrig ist die

Strafgesetzbuch - StGB | § 253 Erpressung


(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten

Strafgesetzbuch - StGB | § 255 Räuberische Erpressung


Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen, so ist der Täter gleich einem Räuber zu bestrafen.

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(1) Beim Bundesgerichtshof werden ein Großer Senat für Zivilsachen und ein Großer Senat für Strafsachen gebildet. Die Großen Senate bilden die Vereinigten Großen Senate.

(2) Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen, so entscheiden der Große Senat für Zivilsachen, wenn ein Zivilsenat von einem anderen Zivilsenat oder von dem Großen Zivilsenat, der Große Senat für Strafsachen, wenn ein Strafsenat von einem anderen Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen, die Vereinigten Großen Senate, wenn ein Zivilsenat von einem Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen oder ein Strafsenat von einem Zivilsenat oder von dem Großen Senat für Zivilsachen oder ein Senat von den Vereinigten Großen Senaten abweichen will.

(3) Eine Vorlage an den Großen Senat oder die Vereinigten Großen Senate ist nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, daß er an seiner Rechtsauffassung festhält. Kann der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, wegen einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes mit der Rechtsfrage nicht mehr befaßt werden, tritt der Senat an seine Stelle, der nach dem Geschäftsverteilungsplan für den Fall, in dem abweichend entschieden wurde, zuständig wäre. Über die Anfrage und die Antwort entscheidet der jeweilige Senat durch Beschluß in der für Urteile erforderlichen Besetzung; § 97 Abs. 2 Satz 1 des Steuerberatungsgesetzes und § 74 Abs. 2 Satz 1 der Wirtschaftsprüferordnung bleiben unberührt.

(4) Der erkennende Senat kann eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dem Großen Senat zur Entscheidung vorlegen, wenn das nach seiner Auffassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

(5) Der Große Senat für Zivilsachen besteht aus dem Präsidenten und je einem Mitglied der Zivilsenate, der Große Senate für Strafsachen aus dem Präsidenten und je zwei Mitgliedern der Strafsenate. Legt ein anderer Senat vor oder soll von dessen Entscheidung abgewichen werden, ist auch ein Mitglied dieses Senats im Großen Senat vertreten. Die Vereinigten Großen Senate bestehen aus dem Präsidenten und den Mitgliedern der Großen Senate.

(6) Die Mitglieder und die Vertreter werden durch das Präsidium für ein Geschäftsjahr bestellt. Dies gilt auch für das Mitglied eines anderen Senats nach Absatz 5 Satz 2 und für seinen Vertreter. Den Vorsitz in den Großen Senaten und den Vereinigten Großen Senaten führt der Präsident, bei Verhinderung das dienstälteste Mitglied. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

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3.
wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:010616B2STR335.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 1. Juni 2016 gemäß § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG beschlossen:
Die Revisionshauptverhandlung wird unterbrochen. Der Senat beabsichtigt zu entscheiden: Die Nötigung zur Herausgabe von Betäubungsmitteln richtet sich nicht gegen das Vermögen des Genötigten und erfüllt daher nicht den Tatbestand der Erpressung. Der Senat fragt bei den anderen Strafsenaten an, ob sie dem zustimmen oder an etwa entgegenstehender Rechtsprechung festhalten.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten D. wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die Angeklagte S. hat es wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen tätlicher Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt und ihre Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Gegen den Angeklagten B. hat es wegen Beihilfe zur besondersschweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verhängt, de- ren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Angeklagten mit der Sachrüge.

A.

2
Die drogensüchtigen Angeklagten D. und S. hatten nach den Feststellungen des Landgerichts am 10. Juni 2014 den Rest ihres Heroinvorrats konsumiert und befürchteten Entzugserscheinungen. Nachdem D. vergeblich versucht hatte, Heroin zu kaufen, erfuhr er, dass der Nebenkläger damit Handel treibt. Er beschloss, den Nebenkläger mit Gewalt zur Herausgabe von Heroin zu zwingen und weihte die Angeklagte S. in seinen Plan ein; diese erklärte sich damit einverstanden. Ferner gewann der Angeklagte D. den Angeklagten B. dafür, bei dem Überfall mitzuwirken. Die Angeklagten traten die Wohnungstür des Nebenklägers ein. D. fragte den Nebenkläger sogleich nach „Dope“, worauf dieser erwiderte , dass er keines besitze. Deshalb packte D. den Nebenkläger am Kragen und versetzte ihm Schläge mit der Aufforderung: „gib uns das Zeug raus“. Auch die Angeklagte S. schlug den Nebenkläger und verlangte die Herausgabe von Heroin. Der Angeklagte B. forderte ebenfalls: „gib den Stoff raus“. Die Angeklagte S. hielt dem Nebenkläger auch einen spitzen Gegenstand, eine Schere oder ein Messer, vor das Gesicht und bedrohte ihn damit, was die anderen Angeklagten billigten. Bei dem Versuch des Nebenklägers zu fliehen, wurde er von dem Angeklagten B. festgehalten. Nach weiteren Schlägen gab er drei Plomben Heroin mit der Bemerkung heraus: „hier, könnt ihr haben, mehr habe ich nicht“. Nach Hilferufen des Nebenklägers flohen die Angeklagten unter Mitnahme des Heroins (Fall II.2. der Urteilsgründe).

B.

3
Der Senat hält die Revisionen der Angeklagten für begründet, soweit sie sich gegen die Verurteilung wegen Beteiligung an einer besonders schweren räuberischen Erpressung richten. Der Tatbestand der Erpressung setzt voraus, dass der Täter dem Vermögen eines Anderen einen Nachteil zufügt. Der Begriff des Vermögens entspricht hier demjenigen des Betrugstatbestands. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist dem Vermögen im Sinne der §§ 253, 263 StGB auch der unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln zuzurechnen, weil der strafrechtliche Vermögensbegriff wirtschaftlich betrachtet werden soll. Daran will der Senat nicht festhalten. Er beabsichtigt zu entscheiden, dass die Nötigung zur Übertragung von unerlaubtem Besitz an Betäubungsmitteln nicht das strafrechtlich geschützte Vermögen betrifft. Er fragt deshalb wegen Divergenz und grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage bei den anderen Strafsenaten an, ob diese ihm folgen oder an der bisherigen Rechtsprechung festhalten.

I.

4
1. Das Reichsgericht hatte zuerst nur zivilrechtlich anerkannte Vermögensgegenstände dem vom Strafrecht geschützten Vermögen zugeordnet. Deshalb wurden Ansprüche auf Zahlung von Geldbeträgen, die aus Dirnenlohn herrührten (RG, Urteil vom 27. April 1889 – Rep. 694/89, RGSt 19, 186, 188 ff.; Urteil vom 20. Juni 1895 – Rep. 1877/95, RGSt 27, 300 f.), der Kaufpreis für gestohlene Banknoten (RG, Urteil vom 6. November 1890 – Rep. 2222/90, RGSt 21, 161 ff.) oder für unbrauchbare Mittel zur Durchführung eines strafbaren Schwangerschaftsabbruchs (RG, Urteil vom 3. Juli 1903 – Rep. 937/03, RGSt 36, 334, 343 ff.), das Entgelt für den Verkauf einer hehlerisch erlangten Sache (RG, Urteil vom 18. Dezember 1903 – Rep. 5722/03) oder der Lohn für Parteiverrat (RG, Urteil vom 3. Mai 1904 – Rep. 1851/04, RGSt 37, 161 f.) ebenso vom Begriff des strafrechtlich geschützten Vermögens aus- geklammert wie das Entgelt für den vorgetäuschten Verkauf von Falschgeld (RG, Urteil vom 24. Mai 1907 – 5 D 1062/06, GA Bd. 54 [1907], S. 418).
5
Von diesem Ansatz wichen die Vereinigten Strafsenate des Reichsgerichts in einem Fall ab, in dem es erneut um die Täuschung von Frauen über die Tauglichkeit eines an sie verkauften Mittels zur Herbeiführung eines Schwangerschaftsabbruchs ging (RG, Beschluss vom 14. Dezember 1910 – II 1214/10, RGSt 44, 230 ff. mit Anm. Binding DJZ 1911, Sp. 553 ff.).
6
Die Vereinigten Strafsenate führten aus, der Begriff des rechtlich geschützten Vermögens sei irreführend. Er erwecke die Vorstellung, als gebe es Vermögen, das rechtlich nicht geschützt sei. Jedoch sei die Auffassung unzutreffend , dass demjenigen, der eine Sache oder Forderung widerrechtlich erworben habe, diese nicht durch Vermögensdelikt entzogen werden könne. Einen Rechtssatz, der einen Straftäter mit Bezug auf sein Vermögen friedlos mache, habe das Reichsgericht nicht vertreten. Vermögen sei wirtschaftliche Macht, also alles, was für die wirtschaftlichen Verhältnisse einer Person einen Wert habe. Da jeder Wert in Geld ausgedrückt werden könne, gehe es letztlich um die Summe der geldwerten Güter einer Person.
7
2. Nach dem Krieg übernahm der Oberste Gerichtshof für die Britische Zone diesen Ansatz (OGHBrZ, Urteil vom 11. Oktober 1949 – StS 160/49, OGHSt 2, 193, 201 f.).
8
3. Auch der Bundesgerichtshof folgte bald darauf der Entscheidung der Vereinigten Strafsenate des Reichsgerichts.
9
a) In seiner ersten Entscheidung zu dieser Frage führte er aus, auch die Forderung aus einem unsittlichen oder gesetzwidrigen Geschäft könne unter Umständen dem wirtschaftlichen Vermögen zugerechnet werden (BGH, Urteil vom 25. November 1951 – 4 StR 574/51, BGHSt 2, 364, 365 ff.). Die strafrechtliche Rechtsprechung habe sich im Streben nach befriedigenden Ergeb- nissen von der bürgerlich-rechtlichen Betrachtungsweise abgewendet und dem wirtschaftlichen Vermögensbegriff zunehmend Geltung verschafft. Auch eine nichtige Forderung könne wirtschaftlichen Wert haben. Dabei sei in erster Linie an geschäftliche, verwandtschaftliche, freundschaftliche, sonstige gesellschaftliche oder andere Bindungen zu denken, die den Schuldner veranlassen könnten, die wegen Nichtigkeit nicht einklagbare Forderung dennoch zu begleichen , etwa auch, um Nachteile zu vermeiden, die sich aus der Verweigerung der Zahlung ergeben könnten. Die Einklagbarkeit sei bei wirtschaftlicher Betrachtung kein entscheidendes Merkmal für einen Vermögensgegenstand. Der Einwand, dass der widerrechtliche Erwerber einer Sache oder Forderung keines strafrechtlichen Schutzes würdig sei, greife nicht durch. Es komme in erster Linie darauf an, den vom Gesetzgeber mit dem Strafrecht verfolgten Zweck der Rechtssicherheit zu erreichen. Nicht allein dem Geschädigten werde die strafrechtliche Sühne als Genugtuung geschuldet, sondern auch der Allgemeinheit. Das Ergebnis, zu dem die bürgerlich-rechtliche Betrachtung des Vermögens führe, begegne rechtspolitischen Bedenken, insbesondere wenn die Straflosigkeit eines derartigen Verhaltens einen Anreiz für Verbrecher bilde, sich Opfer in Kreisen schwacher Personen zu suchen. Die Gegenansicht lasse die beim Täter zutage getretene Gefährlichkeit außer Betracht. In zahlreichen Fällen trete der Verstoß gegen das Gesetz oder die guten Sitten hinter der Verwerflichkeit des Handelnden, der sich einen solchen Sachverhalt wirtschaftlich zu Nutze mache, zurück.
10
Mit demselben rechtlichen Ansatz bewertete der Bundesgerichtshof die Nötigung zur Herausgabe eines rechtswidrig erlangten Besitzes als Vermögensdelikt (BGH, Urteil vom 16. August 1995 – 2 StR 303/95, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Vermögenswert 1; Urteil vom 25. Februar 1997 – 1 StR 804/96, NStZ-RR 1997, 297 f.; Urteil vom 4. September 2001 – 1 StR 167/01, NStZ 2002, 33). Im Fall einer Täuschung bei einem Betäubungsmittelgeschäft ging er von Betrug wegen Lieferung von Schokolade statt Haschisch und bei der anschließenden Nötigung zur Unterlassung der Durchsetzung eines Rückgabeanspruchs von (räuberischer) Erpressung aus (BGH aaO NStZ 2002, 33; s.a. Beschluss vom 25. März 2003 – 1 StR 9/03, NStZ-RR 2003, 185).
11
b) Einschränkungen wurden später beim subjektiven Tatbestand gemacht. In einem Fall, in dem der Käufer von Rauschgift durch Täuschung zu einer Geldzahlung veranlasst wurde, ohne das Rauschgift zu erhalten, billigte der Bundesgerichtshof dem Verkäufer einen Schadensersatzanspruch zu und führte aus, dieser Anspruch könne der Absicht rechtswidriger Bereicherung entgegenstehen (BGH, Beschluss vom 12. März 2002 – 3 StR 4/02, NStZ 2003, 151, 152 f. mit Anm. Kindhäuser/Wallau = JR 2003, 163 f. mit Anm. Engländer). Mit Hinweis auf Besitzschutzansprüche, die auch einem Dieb gegen verbotene Eigenmacht zustünden, beanstandete er eine Verurteilung wegen (schwerer räuberischer) Erpressung, weil die Absicht rechtswidriger Bereicherung nicht belegt sei (BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2007 – 4 StR 422/07, NStZ 2009, 37 mit Anm. Dehne-Niemann).
12
c) Beim Betrug zum Nachteil von Prostituierten wich die Rechtsprechung vor Inkrafttreten des Prostitutionsgesetzes aber von diesem so genannten wirtschaftlichen Vermögensbegriff ab (BGH, Urteil vom 9. Oktober 1953 – 2 StR 402/53, BGHSt 4, 373; Beschluss vom 28. April 1987 – 5 StR 566/86; NStZ 1987, 407; für die Rechtslage nach Inkrafttreten des Prostitutionsgesetzes BGH, Urteil vom 2. Februar 2016 – 1 StR 435/15, NStZ 2016, 283 ff.). Zwar könne auch die Möglichkeit, die eigene Arbeitskraft zur Erbringung von Dienstleistungen einzusetzen, zum Vermögen gehören. Das gelte aber nicht für Leistungen, die verbotenen oder unsittlichen Zwecken dienen. Das Strafrecht setze sich in Widerspruch zur übrigen Rechtsordnung, wenn es im Rahmen eines Vermögensdelikts auch solchen Ansprüchen Schutz gewährte, die aus verbotenen oder unsittlichen Rechtsgeschäften hergeleitet werden.
13
d) Dagegen hat der Bundesgerichtshof die (qualifizierte) Nötigung zur Herausgabe von Betäubungsmitteln als (schwere räuberische) Erpressung angesehen (BGH, Beschluss vom 26. Juli 1995 – 3 StR 694/93, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Sichverschaffen 2). Die Beteiligten eines Betäubungsmittelgeschäfts seien nicht aus dem Schutzbereich des Vermögensdelikts auszuklammern. Ein wegen seiner Herkunft, Entstehung oder Verwendung schlechthin schutzunwürdiges Vermögen kenne die Rechtsordnung nicht. Auch könne ein vermögensstrafrechtlich relevanter Schaden des Betäubungsmittelerwerbers und daran anknüpfend ein Ersatzanspruch gegen den Betrüger oder Erpresser nicht deswegen verneint werden, weil das Kaufgeld, das zu strafbaren Zwecken eingesetzt werde oder aus strafbarem Tun herrühre , der Einziehung oder dem Verfall unterliege. Einziehung und Verfall knüpften an das Vorliegen einer Straftat an. Für die Auslegung der tatbestandlichen Voraussetzungen der Vermögensdelikte könnten diese Maßnahmen keine tauglichen Kriterien liefern.
14
In einem Fall, in dem Drogenhändler vom Abnehmer über dessen Zahlungsfähigkeit getäuscht wurden und nach der Übergabe der Betäubungsmittel mit Nötigungsmitteln die Herausgabe von Wertgegenständen als Surrogat für die Erfüllung der Kaufpreisforderung erzwungen hatten, hat der 3. Strafsenat die Frage, ob auch der unerlaubte Besitz an Betäubungsmitteln als Vermögensbestandteil zu bewerten sei, offen gelassen. Selbst wenn der Verlust des (unerlaubten) Besitzes von Betäubungsmitteln als Vermögenschaden zu bewerten wäre, habe den Tätern nämlich kein Anspruch auf dessen Ersatz zugestanden (BGH, Urteil vom 7. August 2003 – 3 StR 137/03, BGHSt 48, 322, 326 ff. mit Aufs. Swoboda NStZ 2005, 476 ff.). Die Entscheidung für den umgekehrten Fall, dass der betrogene Käufer dem Betäubungsmittelhändler den betrügerisch erlangten Kaufpreis abpresst (BGH, Beschluss vom 12. März 2002 – 3 StR 4/02 mit Anm. Mitsch JuS 2003, 122 ff.), stehe dem nicht entgegen.
15
Der Senat hat in einer Entscheidung darauf hingewiesen, die Annahme, der Verlust des illegalen Besitzes von Betäubungsmitteln sei ein vom Recht anerkannter Vermögensschaden, sei jedenfalls nicht unbestritten (Senat, Beschluss vom 30. Juli 2013 – 2 StR 150/13, StraFo 2013, 480).

II.

16
Der unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln ist kein Bestandteil des nach §§ 253, 263 StGB geschützten Vermögens.
17
1. Es gibt kein strafrechtlich schutzwürdiges Vermögen außerhalb des Rechts (vgl. Fischer in Fischer/Hoven/Huber/Raum/Rönnau/Saliger/Trüg [Hrsg.], Dogmatik und Praxis des strafrechtlichen Vermögensschadens, 2016, S. 51, 54) oder sogar im Widerspruch dazu. Auch der Besitz ist nur dann ein Bestandteil des geschützten Vermögens, wenn er auf einem Recht zum Besitz beruht (vgl. Gallas in Festschrift für Eb. Schmidt, 1961, S. 401, 408, 417, 426). Der strafbare Besitz von Betäubungsmitteln ist deshalb kein durch Strafrecht zu schützendes Rechtsgut. Vielmehr ist der Verlust dieses unerlaubten Besitzes gerade der rechtlich erwünschte Zustand (vgl. Mitsch JuS 2003, 122,

124).

18
Die gleichzeitige Strafdrohung gegen denjenigen, der unerlaubt Betäubungsmittel besitzt (§ 29 Abs. 1 Nr. 3, § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) und gegen denjenigen, der dem Besitzer diesen unerlaubten Besitz durch Täuschung (§ 263 StGB) oder Nötigung (§§ 253, 255 StGB) entzieht, stellt einen offenkundigen Widerspruch dar. Zugleich fehlt es an einer Legitimation des Staates zur Bestrafung der auf die Entziehung eines seinerseits strafbaren Besitzes gerichteten Handlung unter dem speziellen Gesichtspunkt eines Vermögensdelikts (vgl. Hillenkamp in Festschrift für Achenbach, 2011, S. 189, 198 ff.).
19
Das Strafrecht wird als „ultima ratio“ des Rechtsgüterschutzes nur eingesetzt , wenn ein bestimmtes Verhalten über sein Verbotensein hinaus in be- sonderer Weise sozialschädlich und für das geordnete Zusammenleben der Menschen unerträglich, seine Verhinderung daher besonders dringlich ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2008 – 2 BvR 392/07, BVerfGE 120, 224, 239 f.). Der unerlaubte Besitz an Betäubungsmitteln ist, gemessen an dieser Anforderung, kein strafrechtlich schutzbedürftiges Rechtsgut, seine Entziehung ist nicht unerträglich, deren Verhinderung durch Strafrecht nicht geboten. Das Strafrecht darf nicht dazu dienen, strafbare Positionen zu schützen und insoweit eine „faktische Anerkennung des Unrechtsverkehrs“ vorzunehmen (vgl. Cramer JuS 1966, 472, 476); denn dies verstieße seinerseits gegen Wertentscheidungen der Verfassung (vgl. Zieschang in Festschrift für H. J. Hirsch, 1999, S. 831, 838 ff.).
20
Die Formel, dass es ein strafrechtlich nicht geschütztes Vermögen nicht gebe (krit. bereits Binding DJZ 1911, Sp. 553, 561 f.), ist tautologisch und mit Blick auf den strafbaren Besitz von Betäubungsmitteln jedenfalls unzutreffend.
21
2. Die Argumente, die bisher für die Anwendung der Vermögensdelikte auf die Entziehung unerlaubten Betäubungsmittelbesitzes angeführt werden, sind nicht tragfähig.
22
a) Nicht die „Gefährlichkeit des Täters“ oder seine „kriminelle Gesin- nung“, sondern die Tatbestandsmäßigkeit seiner Handlung bestimmt im gel- tenden Tatstrafrecht die Strafbarkeit. Das von einem Täterstrafrecht geprägte Vorstellungsbild des Reichsgerichts ist überholt.
23
b) Die Strafbarkeit nach anderen Straftatbeständen als den Vermögensdelikten (§§ 29 ff. BtMG, §§ 240, 261 StGB u.a.) bleibt bei der Ausklammerung des unerlaubten Besitzes aus dem strafrechtlich geschützten Vermögen unberührt und verhindert, dass ein strafrechtsfreier Raum entsteht (vgl. Fischer, StGB, 63. Aufl., § 263 Rn. 109).
24
Aufgabe der spezifischen Vermögensdelikte ist es zudem nicht, zur Vermeidung einer sonst zu befürchtenden Strafbarkeitslücke den Rechtsfrieden zu bewahren (vgl. Gallas aaO, S. 426). Erst recht ist es nicht geboten, den Anwendungsbereich der Vermögensdelikte anhand von kriminalpolitischen Billigkeitserwägungen der Rechtsprechung auszudehnen (vgl. Zieschang aaO S. 841 ff.).
25
Die Annahme, den Vermögensdelikten komme die Aufgabe zu, über den Schutz des Rechtsguts „Vermögen“ hinaus die allgemeine Rechtsordnung zu schützen (krit. bereits Lenckner JZ 1967, 105, 107 f.), geht ferner daran vorbei, dass die Strafrechtsordnung heute eine Vielzahl von Auffangtatbeständen zur Schließung von Strafbarkeitslücken vorsieht. Für eine weite Auslegung der §§ 253, 263 StGB besteht daher kein Bedarf. Sie steht in Widerspruch zum Gebot der engen Auslegung des fragmentarischen Strafrechts nach dem ultima-ratio-Prinzip.
26
c) Das Argument, aus der Möglichkeit von Einziehung oder Verfall sei kein Grund zu der Annahme abzuleiten, dass der unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln nicht durch die §§ 253, 263 StGB geschützt werden müsse, geht ebenfalls fehl.
27
Strafbar ist unter anderem, wer Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt , veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG). Auch Geld, das zur Bezahlung von Betäubungsmitteln verwendet wird, ist Tatmittel des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, solange der Austausch von Leistung und Gegenleistung nicht zur Ruhe gekommen ist (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 1997 – 1 StR 791/96, BGHSt 43, 158, 162); anschließend ist es Objekt der Geldwäsche (§ 261 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 Buchst. b StGB). Betäubungsmittel und Drogengeld unterliegen deshalb der Konfiskation durch Ein- ziehung (§ 33 Abs. 2 BtMG, § 74, § 261 Abs. 7 StGB) oder Verfall (§ 73 StGB). Auf die Vermögensdelikte kommt es insoweit nicht an (vgl. Fischer, StGB § 263 Rn. 108).
28
Das Strafrecht trachtet danach, den Betäubungsmitteln und dem bei Betäubungsmittelgeschäften eingesetzten Geld die Verkehrsfähigkeit abzuerkennen , indem nahezu jeder Umgang damit bei Strafe verboten wird (§§ 29 ff. BtMG, § 261 Abs. 1 und 2 StGB). Das Argument, der Straftäter dürfe „nicht friedlos gestellt“ werden, wird dadurch ebenfalls entwertet.
29
d) Die Besitzschutzregeln der §§ 858 ff. BGB, die bisweilen als Grund für die Forderung nach einem flankierenden strafrechtlichen Schutz des Besitzes angeführt werden, dienen nicht dem Schutz des Vermögensbestands (vgl. NK/Kindhäuser, StGB, 4. Aufl., § 263 Rn. 239) und besagen nichts über die Legitimität des Besitzes. Sie ändern deshalb nichts an der strafrechtlichen Bewertung des Vermögens (vgl. Cramer, Vermögensbegriff und Vermögensschaden im Strafrecht, 1969, S. 226 ff.; Gallas aaO S. 426). Ein Anspruch auf Einräumung des – strafbaren – Besitzes an Betäubungsmitteln kann daraus nicht hergeleitet werden (vgl. Dehne-Niemann NStZ 2009, 37 f.; Hillenkamp aaO S. 205; Zieschang aaO S. 837 ff.).
30
3. Drogen haben zwar auf dem Schwarzmarkt gerade wegen ihrer Illegalität hohen Wert, auf dem legalen Markt hingegen – solange keine Ausnahmegenehmigung vorliegt – gar keinen Wert. Auch mit Hinweis darauf wird in der Literatur angenommen, dass der unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln nicht zum strafrechtlich geschützten Vermögen zählt (vgl. Maier in Matt/Renzikowski, StGB, 2013, § 253 Rn. 23; Wittig in BeckOKStGB, 30. Edition, § 253 Rn. 9.1). Das ist zur Vermeidung einer faktischen Anerkennung des illegalen Markts und seiner in den Handelsstufen progressiven Wertsetzungen geboten. Schließlich erkennt die Rechtsordnung demjenigen, der unerlaubten Drogenbesitz durch ein Vermögensdelikt verliert, nicht nur keinen zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch zu, sondern auch keinen solchen nach dem Wertgefüge des illegalen Markts.
31
4. Die Anwendung der Vermögensdelikte auf die Entziehung des Drogenbesitzes ist schließlich nicht deshalb geboten, weil in angrenzenden Fällen , in denen dem Opfer die Betäubungsmittel weggenommen werden, ein Eigentumsdelikt vorläge.
32
a) Divergenzen zwischen dem Schutz von Eigentum und Vermögen werden auch an anderer Stelle hingenommen und zwingen nicht dazu, die Auslegung des Merkmals „Vermögen“ auf illegal erworbene Rechtspositionen zu erstrecken (vgl. Kudlich JA 2006, 335, 336).
33
b) Der Schutz des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln gegen Wegnahme durch Eigentumsdelikte erscheint zudem seinerseits nicht zwingend (abl. etwa Engel NStZ 1991, 520 ff.; MünchKomm/Schmitz, StGB, 2. Aufl., § 242 Rn. 17 f.; Wolters in Festschrift für Samson, 2010, S. 495 ff.; s.a. Fischer, StGB § 242 Rn. 5a; dafür aber BGH, Beschluss vom 20. September 2005 – 3 StR 295/05, ZIS 2006, 36 f. mit Anm. Hauck; Marcelli NStZ 1992, 220 ff.; Vitt NStZ 1992, 221 ff.).
34
Werden Betäubungsmittel entgegen einem strafrechtlichen Verbot hergestellt , entsteht kraft bürgerlichen Rechts (§§ 950, 953 BGB) jedenfalls kein vollwertiges Eigentum. Die Eigentumsposition des Herstellers besteht praktisch nur aus Pflichten zur Ablieferung an die Behörden oder Vernichtung der Drogen, während seine Rechte gemäß §§ 903, 985 ff. BGB durch die Verbote nach § 29 BtMG ausgeschlossen werden. Das „Recht“ auf Eigentumsaufgabe oder Vernichtung (BGH aaO; Schramm JuS 2008, 678, 680) wird durch das Betäubungsmittelgesetz (§ 16 BtMG) zur Pflicht (vgl. MünchKomm/Schmitz, StGB § 242 Rn. 18). Nach allem kann das Strafrecht auch mit der Strafdrohung der §§ 242, 249 StGB gegen Wegnahme des – unerlaubten – Besitzes von Betäubungsmitteln keinen sinnvollen Rechtsgüterschutz darbieten (vgl. Otto in Festschrift für Beulke, 2015, S. 507, 520). Dies spricht vielmehr für eine teleologische Reduktion der Eigentumsdelikte.
35
Der Hersteller kann das kraft Gesetzes formal erworbene Eigentum an Drogen ohne behördliche Ausnahmegenehmigung nicht durch Rechtsgeschäft wirksam übertragen (§ 134 BGB, §§ 29 ff. BtMG). Er gibt es bei der Veräußerung der Drogen im illegalen Betäubungsmittelhandel preis und glaubt danach regelmäßig als Laie selbst an dessen Verlust (vgl. dazu Hauck ZIS 2006, 37, 39). Darin liegt zwar keine Dereliktion (§ 959 BGB). Jedoch erlangt der Erwerber nur einen Gewahrsam ohne eigenes Eigentum; sein Verwertungsinteresse an einem Eigenkonsum ist nicht derart schutzwürdig, dass deshalb das Straf- recht als „ultima ratio“ des Staates zu seiner Gewahrsamssicherung ange- wendet werden müsste. Beim formalen Eigentümer verbleibt eine Rechtsposition ohne Substanz; dieser kann insbesondere die Herausgabe (§ 985 BGB) nicht verlangen, weil ihr das Erwerbsverbot des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG entgegensteht; auch zum Schutz des Eigentümers ist der Einsatz der staatlichen „ultima ratio“ daher nicht geboten.
36
Ausländisches Sachenrecht, das gegebenenfalls für die dingliche Rechtslage an einem ausländischen Herstellungsort bestimmend ist (Art. 43 Abs. 1 EGBGB), wird im Inland nur in den Grenzen der deutschen öffentlichen Ordnung anerkannt (Art. 6 Satz 1, 43 Abs. 2 EGBGB). Daraus können keine weiter gehenden Eigentümerrechte im Inland hergleitet werden.
37
5. Rechtsvergleichend ist darauf hinzuweisen, dass auch das Schweizerische Bundesgericht die Zuordnung des unerlaubten Betäubungsmittelbesitzes zum Vermögen als Rechtsgut im Sinne des Betrugstatbestands verneint hat (Kassationshof, Urteil vom 17. Mai 1991, BGE 117 IV, S. 139, 148). Mangels Verkehrsfähigkeit bestehe darüber hinaus kein fremdes Eigentum im Sinne des Diebstahlstatbestands (Kassationshof, Urteil vom 5. Juni 1996, BGE 122 IV, S. 179, 183 f.; bestätigt durch Urteil vom 3. April 1998, BGE 124 IV, S. 102, 104). Dies führe nicht zu einer Strafbarkeitslücke, weil jedenfalls eine Strafbarkeit nach dem Betäubungsmittelrecht verbleibe und ausreichend sei. Der Täter, der einem anderen den unerlaubten Besitz an Betäubungsmitteln entziehe, greife nicht in eine schutzwürdige Rechtsposition im Sinne des Diebstahlstatbestands ein, sondern schaffe „den von der Rechtsordnung ge- wünschten Zustand“ (Kassationshof aaO, BGE 122 IV S. 179, 184). Fischer RiBGH Prof. Dr. Krehl Eschelbach ist an der Unterschriftsleistung gehindert. Fischer Zeng Bartel

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft,
2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt,
3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein,
4.
(weggefallen)
5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt,
6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel
a)
verschreibt,
b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt,
6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht,
7.
entgegen § 13 Absatz 2
a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke,
b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
abgibt,
8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt,
9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen,
10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet,
11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt,
12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind,
13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt,
14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
Die Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Betäubungsmittelabhängige und die öffentliche Information darüber sind kein Verschaffen und kein öffentliches Mitteilen einer Gelegenheit zum Verbrauch nach Satz 1 Nr. 11.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt,
2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.

(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.

(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Erpressung verbunden hat.

Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen, so ist der Täter gleich einem Räuber zu bestrafen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 ARs 16/16
vom
21. Februar 2017
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a.
hier: Anfragebeschluss des 2. Strafsenats vom 1. Juni 2016 – 2 StR 335/15
ECLI:DE:BGH:2017:210217B1ARS16.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Februar 2017 gemäß § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG beschlossen:
Die beabsichtigte Entscheidung des 2. Strafsenats widerspricht der Rechtsprechung des 1. Strafsenats, der – unabhängig von der inzwischen eingetretenen Unzulässigkeit der Anfrage – an dieser Rechtsprechung festhält.

Gründe:

I.

1
1. Der 2. Strafsenat beabsichtigt zu entscheiden, „dass die Nötigung zur Übertragung von unerlaubtem Besitz an Betäubungsmitteln nicht das strafrechtlich geschützte Vermögen betrifft.“
2
Er hat daher mit Beschluss vom 1. Juni 2016 (2 StR 335/15) gemäß § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG bei den übrigen Strafsenaten angefragt, ob an ggfs. entgegenstehender Rechtsprechung festgehalten wird.
3
2. Allerdings hat eine andere Spruchgruppe des anfragenden Senats mit Urteil vom 22. September 2016 (2 StR 27/16) auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung entschieden, von der aber entsprechend des zuvor gefassten Anfragebeschlusses abgewichen werden sollte.

II.


4
Das Anfrageverfahren nach § 132 Abs. 3 GVG soll eine (überflüssige) Vorlage an den Großen Senat für Strafsachen vermeiden, wenn nämlich der Strafsenat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage mitteilt , an seiner bisherigen Rechtsauffassung nicht länger festzuhalten. Deshalb ist Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Vorlage an die großen Senate, dass der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, zuvor erklärt hat, an seiner Rechtsauffassung weiterhin festzuhalten (§ 132 Abs. 3 Satz 1 GVG).
5
1. Allein aus dem Umstand, dass ein Senat einen Anfragebeschluss gefasst hat, ergibt sich weder aus § 132 GVG, noch aus Sinn und Zweck des Anfrageverfahrens eine Sperrwirkung für die anderen Senate, weiterhin unter Zugrundelegung der bisherigen Rechtsprechung zu entscheiden (BGH, Beschlüsse vom 15. Juni 1994 – IV ZR 45/94 = NJW 1994, 2299 und vom 24. August 2000 – 1 StR 349/00; Franke in LR, 26. Aufl., § 132 GVG Rn. 21).
6
2. Bindungswirkung entfaltet demgegenüber der Beschluss eines angefragten Senats, mit dem er einer Änderung der bisherigen Rechtsprechung zu- gestimmt hat. Ab diesem Zeitpunkt ist ihm eine Rückkehr zur „alten“ Recht- sprechung versagt, sofern er nicht vorher seinerseits den Großen Senat anruft (Franke in LR, 26. Aufl., § 132 GVG Rn. 21; KK-StPO/Hannich, 7. Aufl., § 132 GVG Rn. 13).
7
Diese Wirkungen gelten grundsätzlich auch für den Senat, der den Anfragebeschluss gefasst hat (BGH, Urteil vom 22. September 2016 – 2 StR 27/16, JR 2017, 82 – zum Fehlen einer Sperrwirkung). Jedoch wird durch eine zeitlich nach dem Anfragebeschluss auf der Grundlage der bisherigen Recht- sprechung gefasste Entscheidung die gestellte Anfrage hinfällig und damit unzulässig , weil der Senat mit seiner nachfolgenden Entscheidung dokumentiert hat, dass er an seiner Anfrage nicht mehr festhält (Graf in BeckOK/StPO, Ed. 27, § 132 GVG Rn. 18). Auch wenn ein Senat überbesetzt ist und deswegen mehrere Sitzgruppen gebildet hat, kann er (nach außen) nur eine einheitliche Rechtsprechung verfolgen (Mosbacher JuS 2017, 127, 130). § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG ermächtigt nur den Senat als solchen zur Anfrage bei anderen Senaten , nicht einzelne Sitzgruppen eines Senats. Die noch anderslautende frühere Regelung von § 9 des Bundesgesetzes über die Errichtung eines Gerichtshofes für Handelssachen von 1869, wonach auch eine Rechtsfrage beim Abweichen von einer früheren Entscheidung des(selben) Senats vor das Plenum zu bringen war, war im späteren § 137 GVG aF, ebenso nun in § 132 GVG, nicht mehr enthalten (Hergenröder, Zivilprozessuale Grundlagen richterlicher Rechtsfortbildung, Tübingen 1995, S. 89 f.).
8
3. Soweit der anfragende Senat darüber hinaus selbst eigene entgegenstehende Rechtsprechung mit dem Anfragebeschluss aufgegeben hat, trifft ihn die Bindungswirkung des Anfrageverfahrens ebenso wie angefragte Senate, d.h. mit der Aufgabe bisheriger Rechtsprechung ist er grundsätzlich ebenso gehindert, weiter nach der aufgegebenen Rechtsprechung zu entscheiden; im Gegensatz zu einem angefragten Senat entfällt die Bindungswirkung für ihn jedoch mit einer gegenteiligen Entscheidung, weil damit zugleich seine Anfrage hinfällig geworden ist (Graf in BeckOK/StPO, Ed. 27, § 132 GVG Rn. 19). Bleibt sie weiter aufrecht erhalten, ist sie unzulässig geworden.
9
So ist es vorliegend.

III.


10
1. Unabhängig von der Zulässigkeit der Anfrage steht der beabsichtigten Entscheidung Rechtsprechung des 1. Strafsenats entgegen. Der Senat hat in zahlreichen Entscheidungen, darunter auch viele unbegründete Beschlüsse nach § 349 Abs. 2 StPO, den Besitz von Betäubungsmitteln den Vermögenswerten zugerechnet, u.a. in dem Beschluss vom 25. Februar 1997 – 1 StR 804/96, als einem Drogendealer durch Täuschung Drogen abgenommen wurden und danach das Opfer mittels Waffeneinsatz davon abgehalten wurde, die Rückgabe zu verlangen und dadurch „die erstrebte Schädigung seines Vermögens hinzunehmen“.
11
Im Urteil vom 4. September 2001 – 1 StR 167/01 hat der Senat in einem Fall, in dem die Angeklagten Drogendealer mit Gewalt dazu bringen wollten, ihnen Drogen ohne Bezahlung auszuhändigen, ausdrücklich formuliert: „Wer einen Rauschgifthändler mit Gewalt oder durch Drohung mit ei- nem empfindlichen Übel zur Herausgabe von Drogen nötigt, um sich zu Unrecht zu bereichern, macht sich nicht der Nötigung, sondern der räuberischen Erpressung schuldig. Das Landgericht hat sich an einer entsprechenden Verurteilung gehindert gesehen, weil der unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln nicht durch § 253 StGB als Vermögen strafrechtlich unter Schutz stehe. Hierbei hat es verkannt, daß die Rechtsordnung im Bereich der Vermögensdelikte ein wegen seiner Herkunft, Entstehung oder Verwendung schlechthin schutzunwürdiges Vermögen nicht kennt (vgl. BGHSt 8, 254, 256; BGH NStZ-RR 1999, 184, 185 f.; Tröndle/Fischer StGB 50. Aufl. § 263 Rdn. 29 m.w.N.). Auch an Sachen wie Rauschgift, die jemand aufgrund einer strafbaren Handlung besitzt und als Tatmittel zur Begehung geplanter Straftaten bereitstellt, kann unbeschadet ihrer Zweckbestimmung oder Bemakelung Erpressung und Betrug begangen werden.“
12
An den vorgenannten Entscheidungen hält der Senat fest.
13
2. Auch wenn der Anbau von Betäubungsmitteln, deren Herstellung, das Handeltreiben mit ihnen, das Einführen oder Ausführen, die Abgabe, das Veräußern, das sonst in den Verkehr bringen und der Erwerb grundsätzlich einer Erlaubnis des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte bedürfte (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 BtMG), ergibt sich daraus nichts für den Besitz von Betäubungsmitteln, welcher gerade nicht erwähnt ist. Ob Besitz daher sogar erlaubnisfrei ist (Weber, BtMG, 4. Aufl., § 3 Rn. 76; aA Kotz in MüKo StGB, 2. Aufl., BtMG § 3 Rn. 5 f.), kann insoweit dahinstehen. Letztlich kann aber mangels fehlender Erwähnung des Besitzes in § 3 BtMG der Besitz von Betäubungsmitteln und beispielsweise von Schusswaffen und Munition (vgl. § 52 Abs. 3 Nr. 2 WaffG) kaum unterschiedlich behandelt werden.
14
Außerdem vermag die Argumentation des anfragenden Strafsenats nicht überzeugend zu begründen, weshalb trotz (Weiter)Geltung der Besitzschutzregeln der §§ 858 ff. BGB dem Besitz von Betäubungsmitteln kein Vermögenswert zukommen soll, insbesondere in solchen Fällen, denen ein erlaubter Drogenbesitz vorangegangen ist (z.B. Betäubungsmittelbestand von Apotheken), oder das Tatopfer Betäubungsmittel straflos im Ausland erworben hat. Bei einem straflosen Erwerb im Ausland kommt hinzu, dass insoweit nach dem Verbringen nach Deutschland die Anwendung des Straftatbestandes des Besitzes nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG deswegen nicht unproblematisch ist, weil in diesem Fall der Käufer gerade keine Erlaubnis nach § 3 BtMG benötigte.
15
3. Die Hilfserwägungen des anfragenden Strafsenats zur Frage des Eigentums an Betäubungsmitteln, von welchem regelmäßig das Recht zum Besitz abgeleitet ist, helfen ebenfalls nicht weiter. Unklar bleibt, auf welche Weise es zu einem offenbar geminderten Eigentum („jedenfalls kein vollwer- tiges Eigentum“) kommen soll und auf welcher Rechtsgrundlage die dem Bürgerlichen Recht bislang unbekannte Figur eines „eingeschränkten Eigentums“ beruht. Dies gilt in gleicher Weise für die nach Auffassung des anfra- genden Strafsenats offenbar mit einer Einreise nach Deutschland verbundene Minderung des vorhandenen Eigentums bei einem nicht strafbaren Vorerwerb im Ausland. Allein der Umstand, dass die Einfuhr (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG) nach Deutschland verboten ist, vermag keine sachenrechtlichen Wirkungen an der eingeführten Sache herbeizuführen. Weder wird hiervon das Eigentum noch der Besitz betroffen. Raum Graf Cirener Radtke Bär

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 ARs 16/16
vom
15. November 2016
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a.
hier: Anfragebeschluss des 2. Strafsenats vom 1. Juni 2016 - 2 StR 335/15
ECLI:DE:BGH:2016:151116B3ARS16.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. November 2016 gemäß § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG beschlossen:
Die beabsichtigte Entscheidung des 2. Strafsenats widerspricht der Rechtsprechung des 3. Strafsenats, der an dieser festhält.

Gründe:

1
A. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Revisionen von drei Angeklagten zu entscheiden, die vom Landgericht unter anderem wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung von "drei Plomben Heroin" (die Angeklagten D. und S. ) bzw. Beihilfe dazu (der Angeklagte B. ) zu Freiheitsstrafen verurteilt worden sind. Der 2. Strafsenat hält die Verurteilung auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum strafrechtlichen Vermögensbegriff, der auch den unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln umfasst, für rechtsfehlerfrei. Er möchte diese Rechtsprechung jedoch aufgeben und beabsichtigt wie folgt zu entscheiden : "Die Nötigung zur Herausgabe von Betäubungsmitteln richtet sich nicht gegen das Vermögen des Genötigten und erfüllt daher nicht den Tatbestand der Erpressung."
2
B. Hieran sieht er sich jedoch durch entgegenstehende Rechtsprechung - unter anderem - des 3. Strafsenats gehindert (vgl. Senat, Beschluss vom 26. Juli 1995 - 3 StR 694/93, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Sichverschaffen 2; implizit auch Senat, Beschluss vom 27. Juli 2004 - 3 StR 71/04, NStZ 2005,

155).


3
An dieser Rechtsprechung, die im Übrigen Grundlage weiterer Senatsentscheidungen (Urteil vom 7. September 2006 - 3 StR 277/06, juris Rn. 34; vgl. auch - nicht tragend - Beschluss vom 20. September 2005 - 3 StR 295/05, NJW 2006, 72, 73) sowie zahlreicher nicht begründeter Beschlüsse nach § 349 Abs. 2 StPO war, hält der Senat fest.
4
I. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist - zurückgehend auf eine Entscheidung der Vereinigten Strafsenate des Reichsgerichts aus dem Jahr 1910 (RG, Beschluss vom 14. Dezember 1910 - II 1214/10, RGSt 44, 230) und weitergeführt durch eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs für die Britische Zone (OGH, Urteil vom 11. Oktober 1949 - StS 160/49, OGHSt 2, 193, 201 f.) - im Rahmen der Vermögensdelikte des Betrugs (§ 263 StGB), der Untreue (§ 266 StGB) und der Erpressung (§ 253 StGB) der wirtschaftliche Vermögensbegriff - jedenfalls im Grundsatz - als maßgeblich anerkannt (BGH, Urteile vom 25. November 1951 - 4 StR 574/51, BGHSt 2, 364, 365 ff.; vom 17. November 1955 - 3 StR 234/55, BGHSt 8, 254, 256 ff.; vom 16. August 1995 - 2 StR 303/95, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Vermögenswert 1; vom 26. Oktober 1998 - 5 StR 746/97, NStZ-RR 1999, 184, 185 f.; vom 27. Januar 2011 - 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, 701; Beschluss vom 19. Juli 1960 - 1 StR 213/60, BGHSt 15, 83, 86). Danach ist der Schutzbereich der Vermögensdelikte dann eröffnet, wenn der Verlust der Sache oder des Rechts, die der Täter durch seine Tat zu erlangen strebt, bei wirtschaftlicher Betrachtung zu einer Verringerung des Vermögens des Tatopfers führt (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 2011 - 4 StR 502/10, aaO). Ohne Bedeutung ist demgegenüber in aller Regel, ob die Sache oder das Recht aus einem unsittlichen oder gesetz- widrigen Geschäft oder aus einer strafbaren Handlung herrührt oder etwa für strafbare Zwecke eingesetzt werden soll; die Rechtsordnung kennt im Bereich der Vermögensdelikte allgemein kein wegen seiner Herkunft, Entstehung oder Verwendung schlechthin schutzunwürdiges Vermögen (BGH, Urteile vom 25. November 1951 - 4 StR 574/51, BGHSt 2, 364, 365 ff.; vom 17. November 1955 - 3 StR 234/55, BGHSt 8, 254, 256; vom 26. Oktober 1998 - 5 StR 746/97, NStZ-RR 1999, 184, 185 f.; Beschluss vom 19. Juli 1960 - 1 StR 213/60, BGHSt 15, 83, 86; anders nur nach alter Rechtslage für Ansprüche einer Prostituierten auf das vereinbarte Entgelt gegen ihren Freier BGH, Urteil vom 9. Oktober 1953 - 2 StR 402/53, BGHSt 4, 373; differenzierend zwischen dem vereinbarten und dem erlangten Entgelt BGH, Beschluss vom 28. April 1987 - 5 StR 566/86, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögen 1; zur Rechtslage nach Inkrafttreten des ProstG BGH, Urteil vom 2. Februar 2016 - 1 StR 435/15, NStZ 2016, 283, 284; Beschlüsse vom 18. Januar 2011 - 3 StR 467/10, NStZ 2011, 278, 279; vom 1. August 2013 - 4 StR 189/13, NStZ 2013, 710, 711).
5
Anknüpfend an diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof auch den unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln als dem Schutz der Vermögensdelikte unterfallenden wirtschaftlichen Wert beurteilt (BGH, Beschlüsse vom 26. Juli 1995 - 3 StR 694/93, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Sichverschaffen 2; vom 25. Februar 1997 - 1 StR 804/96, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Versuch 1; vom 12. Mai 2002 - 3 StR 4/02, NStZ 2003, 151, 152; vom 20. September 2005 - 3 StR 295/05, NJW 2006, 72, 73; Urteile vom 4. September 2001 - 1 StR 167/01, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Vermögenswert 3; vom 22. September 2016 - 2 StR 27/16, juris Rn. 36; offen gelassen von BGH, Urteil vom 7. August 2003 - 3 StR 137/03, BGHSt 48, 322, 326).
6
II. Der Anfragebeschluss des 2. Strafsenats gibt keine Veranlassung, von der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abzuweichen. Im Einzelnen:
7
1. Betäubungsmittel sind unzweifelhaft bei wirtschaftlicher Betrachtung in hohem Maße wertvoll. Dieser Wert bietet gerade den Anreiz, etwa sie herzustellen , sie einzuführen, mit ihnen Handel zu treiben oder sie in sonstiger Weise an sich zu bringen, obwohl diese und nahezu alle anderen Umgangsformen mit Betäubungsmitteln gesetzlich verboten und Verstöße gegen dieses Verbot strafbewehrt sind.
8
Wenn der 2. Strafsenat demgegenüber darauf hinweist, dass Betäubungsmittel auf dem legalen Markt keinen Wert besäßen, so mag dies der Sache nach grundsätzlich zutreffen, ist jedoch bei wirtschaftlicher Betrachtung für sich ohne Belang; denn diese knüpft nicht an die Klagbarkeit einer Sache oder eines Rechts an, sondern allein an tatsächliche Verhältnisse (BGH, Urteil vom 25. November 1951 - 4 StR 574/51, BGHSt 2, 364, 367 mwN), ohne dass hierdurch faktisch ein illegaler Markt geduldet oder gar anerkannt würde. Einen maßgeblichen Grund, den wirtschaftlichen Vermögensbegriff im Hinblick auf die stark eingeschränkte legale Marktfähigkeit von Betäubungsmitteln insoweit normativ zu beschneiden, vermag der Senat nicht zu erkennen.
9
2. Die wesentliche Begründungslinie des Anfragebeschlusses lautet nach dem Verständnis des Senats: Wenn der unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln mit Strafe bedroht sei, könne nicht gleichzeitig derjenige mit Strafe bedroht werden, der diesen gesetzeswidrigen Zustand beende, indem er dem unrechtmäßigen Besitzer den unerlaubten Besitz entziehe. Damit ist das Argument der Einheit der Rechtsordnung angesprochen, das der rein wirtschaftlichen Betrachtungsweise entgegenstehen soll (vgl. dazu auch MüKoStGB/Hefendehl, 2. Aufl., § 263 Rn. 468 ff.). Hierzu gilt Folgendes:
10
a) Soweit der 2. Strafsenat im Anschluss an eine im Schrifttum vertretene Auffassung (vgl. etwa Gallas in Festschrift Eberhard Schmidt, 1961, S. 401, 408, 425 f.; Matt/Renzikowski/Maier, StGB, § 253 Rn. 23; NK-StGBKindhäuser , StGB, 4. Aufl., § 263 Rn. 239 mwN) hierzu behauptet, nur der rechtmäßige Besitz könne Bestandteil des strafrechtlich geschützten Vermögens sein, ist nicht erkennbar, warum diese Auffassung in geringerem Maße zu Friktionen innerhalb der Rechtsordnung führen sollte, als dies bei Anwendung des wirtschaftlichen Vermögensbegriffs der Fall sein soll. Denn auch der unrechtmäßige Besitz steht unter dem Schutz der Rechtsordnung.
11
aa) Dies gilt zunächst mit Blick auf die zivilrechtlichen Besitzschutzregeln der §§ 858 ff. BGB. Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob - wie der 2. Strafsenat meint - aus § 861 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf die Wiedereinräumung des unerlaubten Besitzes an Betäubungsmitteln nicht hergeleitet werden könne (so wohl Hillenkamp in Festschrift Achenbach, 2011, S. 189, 205; aA für den Fall, dass ein Dieb die Rückgabe des ihm wiederum von einem Dritten entwendeten Diebesguts verlangt: BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2007 - 4 StR 422/07, NStZ 2009, 37; dem folgend, obgleich im Anfragebeschluss für die Gegenauffassung zitiert: Dehne-Niemann, NStZ 2009, 37, 38; nach wohl allgemeiner Meinung kommt es für den Anspruch aus § 861 Abs. 1 BGB auf ein Recht zum Besitz des Anspruchsberechtigten nicht an, dieser steht auch dem unrechtmäßigen Besitzer zu, vgl. Staudinger/Gutzeit, BGB, Neubearbeitung 2012, § 861 Rn. 6; MüKoBGB/Joost, 6. Aufl., § 861 Rn. 5; BeckOGK/Götz, 1. Dezember 2016, BGB § 861 Rn. 9 mwN zur ständigen Rechtsprechung; Palandt/Herrler, BGB, 76. Aufl., § 861 Rn. 6) oder ob - wie der 4. Strafsenat in einem obiter dictum ausgeführt hat - derjenige, der Betäubungsmittel unerlaubt besitzt, im Fall, dass sie ihm durch unerlaubte Eigenmacht entzogen werden, eine Wiedereinräumung des Besitzes nicht nach § 859 Abs. 2 BGB mit Gewalt durchsetzen darf (BGH, Beschluss vom 21. April 2015 - 4 StR 92/15, NJW 2015, 2898, 2900 f. mit kritischer Anmerkung Kudlich, NJW 2015, 2901; ablehnend auch Jäger, JA 2015, 874, 876). Jedenfalls kann sich auch der unrechtmäßige Besitzer gemäß § 859 Abs. 1 BGB gegen die Wegnahme der Sache mit Gewalt verteidigen. Auf die Rechtmäßigkeit der Besitzerlangung kommt es für das Entstehen des Besitzschutzes auch insoweit nicht an, vielmehr darf jeder unmittelbare Besitzer verbotene Eigenmacht eines Dritten abwehren (allgemeine Meinung, vgl. Staudinger/Gutzeit aaO, § 859 Rn. 3; MüKoBGB/Joost aaO, § 859 Rn. 3; BeckOGK/Götz aaO, § 859 Rn. 5; Palandt/Herrler aaO, § 859 Rn. 1). Sein hierbei gezeigtes Verhalten ist, soweit in den Grenzen der Notwehr bleibend, rechtmäßig; der Angreifer hat es hinzunehmen.
12
Dem danach rechtlich geschützten Besitz kann sein Vermögenswert nicht mit der Begründung abgesprochen werden, aus dem formalen Besitzschutz dürfe nicht auf eine Vermögenszuweisung geschlossen werden, weil die Vorschriften nur dem Rechtsfrieden dienten (so aber NK-StGB-Kindhäuser aaO, § 263 Rn. 239 mwN; Gallas aaO, S. 426). Denn auch wenn die letztgenannte Zielsetzung vorrangiger Zweck der §§ 858 ff. BGB sein mag, ist nicht zu verkennen, dass diese auch für den unrechtmäßigen Besitzer einer Sache eine - zumindest vorläufige - Herrschaftsposition schaffen, die ihm gegenüber Außenstehenden eine rechtlich stärkere Stellung (vgl. auch § 1006 Abs. 1 BGB) verleiht und zudem faktische Verwertungsmöglichkeiten bestehen. Dies rechtfertigt es, auch den unrechtmäßigen Besitz an einer Sache als Vermögenswert anzusehen, wenn die besessene Sache ihrerseits einen wirtschaftlichen Wert hat (MüKoStGB/Hefendehl aaO, Rn. 472; vgl. auch LK/Tiedemann, StGB, 12. Aufl., § 263 Rn. 140 mwN; Matt/Renzikowski/Saliger, StGB, § 263 Rn. 172).
13
bb) Dass Betäubungsmittel nach § 33 Abs. 2 BtMG der Einziehung unterliegen , steht der Einordnung als - in dem beschriebenen Rahmen - rechtlich geschütztes Wirtschaftsgut nicht entgegen. Im Gegenteil zeigen gerade die Einziehungsvorschriften auf, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, dass Betäubungsmittel , obwohl der Umgang mit ihnen rechtlich missbilligt ist, Bestandteil eines privaten Vermögens darstellen können: Folge der Einziehung ist nach § 74e Abs. 1 StGB, dass das Eigentum mit der Rechtskraft der Entscheidung auf den Staat übergeht; die Betäubungsmittel werden mithin in staatliches Vermögen überführt. Dadurch kommt implizit zum Ausdruck, dass sie sich vorher in fremdem Vermögen befunden haben müssen, denn andernfalls wäre eine gerichtliche Einziehungsentscheidung nicht erforderlich. Auch dies belegt einen gewissen Schutz des Besitzes an Betäubungsmitteln.
14
b) Es ist - anders als der 2. Strafsenat meint - unzutreffend, dass in Fällen , in denen dem Besitzer von Betäubungsmitteln diese mit Nötigungsmitteln oder durch Täuschung entzogen werden, der "rechtlich erwünschte Zustand" eintrete. Es liegt nicht im staatlichen Interesse, dass sich irgendein Dritter - noch dazu unter Missachtung des staatlichen Gewaltmonopols - auf unredliche Art und Weise in den Besitz von Betäubungsmitteln bringt. Denn dieses Verhalten ist - wie der 2. Strafsenat nicht verkennt - jedenfalls auch gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 Variante 10 BtMG strafbar.
15
c) Die Anwendung der Auffassung des 2. Strafsenats würde dazu führen, dass zahlreiche weitere Gegenstände, deren wirtschaftlicher Wert aufgrund ihrer grundsätzlichen Verkehrsfähigkeit unzweifelhaft erscheint (z.B. Waffen, Kriegswaffen oder Sprengstoff), dem strafrechtlichen Vermögensschutz nicht mehr unterfallen dürften. Wollte man dies anders sehen, müssten vergleichbare verwaltungsrechtliche Verbote im Bereich des Strafrechts unterschiedlich gehandhabt werden, um mit Blick auf den strafrechtlichen Vermögensschutz zu unterschiedlichen Ergebnissen zu gelangen. Im Einzelnen:
16
Nach der gesetzlichen Konzeption ist jeglicher Umgang mit Betäubungsmitteln grundsätzlich verboten. In § 3 Abs. 1 BtMG ist geregelt, dass nur derjenige mit Betäubungsmitteln in der dort genannten Art und Weise umgehen und sie als regelmäßige Folge eines legalen Umgangs auch besitzen darf, der über eine entsprechende Erlaubnis verfügt. Es handelt sich mithin um ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt (MüKoStGB/Kotz, 2. Aufl., § 3 BtMG Rn. 1 mwN). Verstöße gegen dieses Verbot sind in den §§ 29 ff. BtMG mit Strafe bedroht, insbesondere der unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln in § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG.
17
Diese Regelungstechnik findet sich beispielsweise auch im Waffenrecht: Nach § 2 Abs. 2 WaffG bedarf der Umgang mit Waffen oder Munition, die in der Waffenliste aufgeführt sind, der Erlaubnis. Nach den §§ 2 ff. KrWaffKontrG bedürfen Herstellung, Erwerb der tatsächlichen Gewalt, Inverkehrbringen und Beförderung von Kriegswaffen der Genehmigung. Gleiches gilt nach § 27 Abs. 1 SprengG für den Erwerb und den Umgang mit Sprengstoffen. Der unerlaubte Besitz all dieser Gegenstände ist gleichfalls mit Strafe bedroht (vgl. § 51 Abs. 1, § 52 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 und 2, Abs. 10 WaffG, § 22a Abs. 1 Nr. 6 KrWaffKontrG [Ausüben der tatsächlichen Gewalt], § 40 Abs. 1 Nr. 3 SprengG [Aufbewahren ist die Innehabung der tatsächlichen Gewalt als Unterfall des Umgangs, vgl. § 3 Abs. 2 Nr. 1 SprengG]).
18
Sollte es mit dem 2. Strafsenat für die Frage, ob der strafrechtliche Vermögensschutz zur Anwendung gelangt, entscheidend darauf ankommen, ob der unerlaubte Besitz strafbar ist, könnten Waffen oder Sprengstoff, wenn sie ohne Genehmigung besessen werden, gleichfalls nicht mehr Gegenstand von Vermögensdelikten sein. Dies erscheint mit Blick auf den Umstand, dass es sich insoweit um Handelsware von nicht unerheblichem Wert handelt, kaum nachvollziehbar.
19
Wollte man bei gleicher gesetzlicher Regelungstechnik indes nur den unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln vom Vermögensschutz ausnehmen, den unerlaubten Besitz an den anderen genannten Gegenständen hingegen nicht, wäre dies wiederum mit Blick auf die Einheit der Rechtsordnung nicht zu begründen.
20
d) Erhebliche Wertungswidersprüche würden - wie der 2. Strafsenat erkennt - bei Anwendung seiner Auffassung auch mit Blick auf die Tatbestände des Diebstahls oder des Raubes auftreten. Es ist nicht selten eine vom Zufall abhängige Tatfrage, ob ein Vermögens- oder ein Eigentumsdelikt, mithin ob Betrug oder Diebstahl, räuberische Erpressung oder Raub gegeben ist. Es ist indes nicht nachvollziehbar, warum - unabhängig von der jeweiligen Begehung eines Betäubungsmitteldelikts - etwa derjenige, der durch Drohung mit einer Waffe erzwingt, dass sein Opfer die Wegnahme von Betäubungsmitteln duldet, sich wegen besonders schweren Raubes nach § 250 Abs. 2 Nr. 1, § 249 Abs. 1 StGB mit einer Mindeststrafdrohung von fünf Jahren Freiheitsstrafe strafbar macht, derjenige, der bei gleicher Drohung erreicht, dass sein Opfer ihm die Betäubungsmittel aushändigt, jedoch nur wegen Nötigung nach § 240 Abs. 1 StGB, gegebenenfalls in Tateinheit mit einem Waffendelikt.
21
Soweit der 2. Strafsenat in seinem Anfragebeschluss angedeutet hat, zur Auflösung dieser Wertungswidersprüche "eine teleologische Reduktion der Eigentumsdelikte" in Betracht ziehen zu wollen, könnte der Senat dem nicht folgen : Die teleologische Auslegung trachtet danach, dem "objektiven Sinn" der Gesetze am besten zu entsprechen. Grenze (auch) dieser Auslegungsmethode ist indes der Wortlaut; der "objektive Sinn" der Gesetze muss einen Anhaltspunkt im Gesetzestext finden. Andernfalls würde unter Ignorierung der Gewaltenteilung die Gesetzeslage nicht durch den Gesetzgeber verändert werden, sondern allein durch den seinen subjektiven Vorstellungen folgenden Rechtsanwender (vgl. etwa NK-StGB-Hassemer/Kargl aaO, § 1 Rn. 109d mwN).
22
Angesichts des eindeutigen Wortlauts etwa der § 242 Abs. 1, § 249 Abs. 1 StGB, die "fremde" bewegliche Sachen als Wegnahmeobjekte nennen, also Sachen, die nach bürgerlichem Recht im Eigentum (irgend-)einer anderen Person stehen (allg. Meinung, vgl. nur Fischer, StGB, 64. Aufl., § 242 Rn. 5 mwN), würde diese Wortlautgrenze hier verletzt werden, wenn man Betäubungsmittel , an denen auch nach Auffassung des 2. Strafsenats jedenfalls kraft Gesetzes (§§ 950, 953 BGB) Eigentum entstehen kann, vom Schutz der Eigentumsdelikte ausnähme (vgl. dazu auch BGH, Beschluss vom 20. September 2005 - 3 StR 295/05, NJW 2006, 72).
Becker Gericke Spaniol Tiemann Berg

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 ARs 17/16
vom
10. November 2016
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a.
hier: Anfragebeschluss des 2. Strafsenats vom 1. Juni 2016
– 2 StR 335/15
ECLI:DE:BGH:2016:101116B4ARS17.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. November 2016 gemäß § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG beschlossen:
Die beabsichtigte Entscheidung des 2. Strafsenats widerspricht der Rechtsprechung des 4. Strafsenats, der an dieser festhält.

Gründe:

1
1. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs beabsichtigt zu entscheiden :
2
„Die Nötigung zur Herausgabe von Betäubungsmitteln richtet sich nicht gegen das Vermögen des Genötigten und erfüllt daher nicht den Tatbestand der Erpressung.“
3
Er hat daher mit Beschluss vom 1. Juni 2016 (2 StR 335/15) bei den anderen Strafsenaten angefragt, ob sie dem zustimmen oder an etwa entgegenstehender Rechtsprechung festhalten.
4
2. Der beabsichtigten Entscheidung des 2. Strafsenats steht Rechtsprechung des 4. Strafsenats entgegen. Der Senat hat in zahlreichen nicht begründeten Beschlüssen nach § 349 Abs. 2 StPO vorausgesetzt, dass Betäubungsmittel – auch wenn diese in strafbarer Weise besessen werden – zu dem nach §§ 253 ff. StGB geschützten Vermögen gehören, so zuletzt mit Beschluss vom 27. September 2016 im Verfahren 4 StR 392/16. Auch dem Urteil vom 27. Mai 2008 (4 StR 150/08, NStZ 2008, 569 f.) liegt diese Rechtsauffassung zugrunde. Weil der Angeklagte in dem dort zu entscheidenden Fall vom Tatopfer aber ein Kilogramm Kokain oder – alternativ – den entsprechenden Gegenwert in Geld gefordert hatte, kam es für die Annahme einer versuchten räuberischen Er- pressung auf die vom anfragenden Senat aufgeworfene Rechtsfrage nicht entscheidungserheblich an.
5
3. Der Senat hält – nach Beratung im Plenum – an dieser Rechtsprechung fest. Er kann der beabsichtigten Entscheidung des 2. Strafsenats schon mit Blick auf die weit gefasste Vorlegungsfrage nicht zustimmen. Von ihr werden jegliche Betäubungsmittel und jegliche Form des Besitzes an Betäubungsmitteln erfasst, also auch solche, die nach Maßgabe von § 1 Abs. 1 BtMG i.V.m. den Anlagen I bis III zum BtMG verkehrsfähig bzw. verschreibungsfähig sind.
6
Auch in den Fällen des nicht erlaubnispflichtigen beziehungsweise erlaubten Betäubungsmittelbesitzes (§§ 3, 4 BtMG) besteht kein sachlicher Grund, den Anwendungsbereich der Vermögensdelikte einzuschränken.
7
Soweit sich die Anfrage auf illegal besessene Betäubungsmittel bezieht, kann sich der Senat der Rechtsansicht des 2. Strafsenats nicht anschließen. Eine Versagung des Vermögensschutzes ist auch in diesen Fällen nicht angezeigt.
8
Der Senat hat sich zu dieser Frage in seinem Urteil vom 25. November 1951 (4 StR 574/51, BGHSt 2, 364, 365 ff.) der Rechtsprechung des Reichsgerichts angeschlossen, die seit der Entscheidung vom 14. Dezember 1910 – II 1214/10, RGSt 44, 230)vom wirtschaftlichen Vermögensbegriff ausgeht. Danach sind auch in strafbarer Weise besessene Gegenstände dem Vermögen zuzuordnen. Maßgeblich ist allein, ob dem Besitz ein eigenständiger wirtschaftlicher Wert zukommt, was regelmäßig zu bejahen ist, wenn mit dem Besitz wirtschaftlich messbare Gebrauchsvorteile verbunden sind, die der Täter nutzen will (zuletzt Senat, Urteil vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, 701 mwN). Dies ist bei illegalen Betäubungsmitteln der Fall.
9
Die Anfrage gibt keinen Anlass, den in der Praxis bewährten und insbesondere aus kriminalpolitischen Gesichtspunkten sachgerechten wirtschaftlichen Vermögensbegriff – mit erheblichen Weiterungen auch für zahlreiche andere Fallkonstellationen – generell aufzugeben. Auch eine ausnahmsweise Einschränkung des Vermögensschutzes nur für den illegalen Betäubungsmittelbesitz kommt aus Sicht des Senats nicht in Betracht. Vielmehr ist auf der Grundlage des wirtschaftlichen Vermögensbegriffs auch in diesen Fallkonstellationen an der strafrechtlichen Sanktionierung festzuhalten. Sost-Scheible Roggenbuck Franke Mutzbauer Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 ARs 47/16
vom
7. Februar 2017
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a.
hier: Anfragebeschluss des 2. Strafsenats vom 1. Juni 2016
– 2 StR 335/15
ECLI:DE:BGH:2017:070217B5ARS47.16.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Februar 2017 gemäß § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG beschlossen:
Die beabsichtigte Entscheidung des 2. Strafsenats widerspricht der Rechtsprechung des 5. Strafsenats, der an dieser festhält.

Gründe:


1
1. Der 2. Strafsenat hat über Revisionen von Angeklagten zu entscheiden , die unter anderem wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung bzw. wegen Beteiligung hieran verurteilt worden sind, weil sie die Herausgabe von Heroin erzwungen hatten. Er hält die mit der Sachrüge geführten Revisionen insoweit für begründet und beabsichtigt zu entscheiden: „Die Nötigung zur Herausgabe von Betäubungsmitteln richtet sich nicht gegen das Vermögen des Genötigten und erfüllt daher nicht den Tatbestand der Erpressung.“
2
Der 2. Strafsenat hat daher gemäß § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG bei den anderen Strafsenaten angefragt, ob sie dem zustimmen oder an etwa entgegenstehender Rechtsprechung festhalten.
3
2. Der beabsichtigten Entscheidung des 2. Strafsenats steht Rechtsprechung des 5. Strafsenats etwa in jüngeren Beschlüssen entgegen, in denen die Revisionen nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen worden sind (z. B. BGH, Beschlüsse vom 25. Januar 2017 – 5 StR 577/16; vom 12. Januar 2017 – 5 StR 504/16; vom 17. Juni 2014 – 5 StR 225/14). Hier hat der Senat voraus- gesetzt, dass Betäubungsmittel zu dem nach §§ 253 ff. StGB geschützten Vermögen gehören, und zwar auch dann, wenn sie – wie in der Regel – in strafbarer Weise besessen werden.
4
Der Senat hält an dieser Rechtsprechung fest. Bei seiner Entscheidung hat er auch die Rechtsauffassung der nicht an der Entscheidung beteiligten Richter des Senats bedacht. In der Begründung tritt er den Ausführungen des 4. Strafsenats in dessen Beschluss vom 10. November 2016 (4 ARs 17/16) bei und bemerkt ergänzend:
5
Die beabsichtigte Entscheidung führt – wie der anfragende Senat nicht verkannt hat (BGH, Beschluss vom 1. Juni 2016 – 2 StR 335/15, NStZ 2016, 596, 599 mit Anmerkung G. Schäfer, JR 2017, 81) – zu Wertungswidersprüchen. Bei der in diesen Fällen vorzunehmenden Abgrenzung von Raub und räuberischer Erpressung, für die das äußere Erscheinungsbild des Tatgeschehens von ausschlaggebender Bedeutung ist (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 1955 – 4 StR 8/55, BGHSt 7, 252; Beschluss vom 3. Juli 2013 – 4 StR 186/13; MüKo-StGB/Sander, 2. Aufl., § 249 Rn. 7, § 253 Rn. 21), wür- de es vielfach von Zufälligkeiten der Tatausführung abhängen, ob für Verhaltensweisen , die sich im Unrechtsgehalt nicht unterscheiden, die Strafrahmen der §§ 249 ff. StGB zur Anwendung kommen oder die Strafe den weitaus milderen Strafrahmen etwa des § 240 Abs. 1 StGB oder des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Variante 10 BtMG zu entnehmen ist. Denn auch Betäubungsmittel, deren Erwerb oder Besitz verboten ist, sind nach ganz herrschender Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum taugliche Tatobjekte von Eigentumsdelikten (st. Rspr., vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. April 2015 – 4 StR 92/15, NStZ 2015, 571; vom 20. September 2005 – 3 StR 295/05, NJW 2006, 72, jeweils mwN; vgl. auch LK-StGB/Vogel, 12. Aufl., § 242 Rn. 31 mwN). Den strafrechtlichen Eigentumsschutz in Fällen unbestreitbar bestehender Eigentumsposition und ungeachtet gegebenen Strafbedürfnisses (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2005 – 3 StR 295/05 aaO S. 73) unter Hinweis auf den Gedanken einer „ultima ratio“ versagen zu wollen, vermag schwerlich zu überzeugen.
6
3. Der Senat lässt dahinstehen, ob die mit Beschluss des 2. Strafsenats vom 1. Juni 2016 (2 StR 335/15, NStZ 2016, 596) formulierte Anfrage dadurch Erledigung gefunden hat, dass der anfragende Senat mit Urteilen vom 22. September 2016 (2 StR 27/16, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt) und vom 7. Dezember 2016 (2 StR 522/15) zu seiner früheren Rechtsauffassung zurückgekehrt ist (vgl. Mosbacher, JuS 2017, 127, 129 ff.).
Sander Dölp König
Berger Mosbacher

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 78/16
vom
1. Februar 2017
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Verdachts des Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:010217U2STR78.16.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung vom 25. Januar 2017 in der Sitzung am 1. Februar 2017, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl, Dr. Eschelbach, Zeng, Dr. Grube,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt in der Verhandlung vom 25. Januar 2017 als Pflichtverteidiger für den Angeklagten C. B. , Rechtsanwalt in der Verhandlung vom 25. Januar 2017 als Pflichtverteidiger für den Angeklagten K. B. , Rechtsanwalt in der Verhandlung vom 25. Januar 2017 als Vertreter der Nebenkläger N. R. und St. K. ,
Rechtsanwältin in der Verhandlung vom 25. Januar 2017 als Vertreterin der Nebenkläger L. F. und S. B. , Rechtsanwalt in der Verhandlung vom 25. Januar 2017 als Vertreter der Nebenkläger I. B. und A. B. ,
Justizangestellte in der Verhandlung vom 25. Januar 2017, Justizangestellte in der Sitzung am 1. Februar 2017 als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger N. R. und St. K. wird das Urteil des Landgerichts Hanau vom 5. August 2015 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Auf die Revisionen der Nebenkläger I. B. und A. B. und der Nebenkläger L. F. und S. B. wird das vorbezeichnete Urteil mit den Feststellungen aufgehoben, soweit es die Tat zu Lasten der Geschädigten S. K. betrifft. Im Übrigen werden die Revisionen dieser Nebenkläger als unzulässig verworfen. 3. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten C. B. vom Vorwurf des Totschlags und den Angeklagten K. B. vom Vorwurf des Mordes freigesprochen. Hiergegen wenden sich die Staatsanwaltschaft und die Nebenkläger mit ihren auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und die Revisionen der Nebenkläger haben, soweit sie sich im Rahmen ihrer jeweiligen Nebenklagebefugnis halten, mit der Sachrüge Erfolg. Die Revisionen der Nebenkläger I. B. und A. B. und der Nebenkläger L. F. und S. B. sind unzulässig, soweit sie die Tat zum Nachteil des Geschädigten H. K. betreffen.

I.

2
Die zugelassene Anklage legt den Angeklagten folgendes zur Last:
3
Am 6. Juni 2014 habe der Angeklagte C. B. auf der „M. “ in Ma. im Rahmen eines Streits mit anschließender Rangelei dem Geschädigten H. K. ein von diesem mitgeführtes Messer abgenommen und hiermit insgesamt 17 Mal auf den Bauch- und Rückenbereich des Geschädigten eingestochen, bis dieser infolge der massiven Stichverletzungen verstorben sei.
4
Die Ehefrau des H. K. , die Geschädigte S. K. , habe mit einem Beil bewaffnet die Auseinandersetzung aus unmittelbarer Nähe beobachtet , ohne in das Geschehen einzugreifen. Der Angeklagte K. B. sei sodann von einem hinteren Teil des Geländes zu dem Kampfgeschehen hinzugekommen und habe erkannt, dass sein Sohn C. den Geschä- digten H. K. getötet habe. Daraufhin habe er sich entschlossen, die Geschädigte S. K. durch gezielte Kopfschüsse aus einer von ihm mitgeführten Pistole zu töten, um die Überführung seines Sohnes zu verhindern. In Ausführung seines Tatplans habe der Angeklagte K. B. daraufhin der Geschädigten aus kurzer Distanz zweimal hintereinander in deren Arm /Schulter-/Kopfbereich geschossen, wodurch S. K. sofort, wie vom Angeklagten K. B. beabsichtigt, verstorben sei. Die Angeklagten hätten anschließend die Kampfspuren zu verwischen gesucht, die Tatwerkzeuge beiseite geschafft und das getötete Ehepaar zunächst unter einem Sandhaufen, in der Nacht darauf in einer Jauchegrube vor der Ranch vergraben. Das Auto der Getöteten habe der Angeklagte K. B. auf einem Supermarktparkplatz in Ma. abgestellt.

II.

5
Zu den den Angeklagten zur Last gelegten Taten hat das Landgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
6
1. Der Geschädigte H K. und seine Tochter waren seit Mai 2007 Pächter der „M. “, eines sich außerhalb des Stadtrands von Ma. befindlichen Grundstücks mit direktem Zugang zum Mainufer. Im März 2012 schlossen der Geschädigte und seine Ehefrau, die Geschädigte S. K. , mit den beiden Angeklagten einen Untermietvertrag, der diesen gegen einen Mietzins von monatlich 906 Euro in bar das Recht einräumen sollte, ein auf dem Anwesen befindliches Gebäude zu Wohnzwecken und Teile des Grundstücks für Tierhaltung zu nutzen. Den Geschädigten war bekannt, dass sie zu dieser Untervermietung nicht berechtigt waren und das Grundstück zu Wohnzwecken nicht genutzt werden durfte.
7
Ab dem Jahr 2013 verschlechterte sich das Verhältnis zwischen den Angeklagten und den Geschädigten zunehmend. Grund hierfür war zum einen, dass die Angeklagten aufgrund ihrer äußerst angespannten finanziellen Situation den vereinbarten Mietzins nicht immer pünktlich zum jeweiligen Monatsanfang an die Geschädigten zahlen konnten. Die Geschädigten, die nur über geringe Einkünfte verfügten, waren auf diese Zahlungen dringend angewiesen, um ihren Lebensunterhalt bestreiten und den Mietzins für eine von ihnen auf Mallorca angemietete Wohnung entrichten zu können. Infolge der unregelmäßigen Zahlung der Miete kam es daher immer wieder zu verbalen Streitigkeiten zwischen den ihre Forderungen vehement einfordernden Geschädigten und den Angeklagten. Zu Konflikten zwischen den Angeklagten und Geschädigten trug zum anderen bei, dass Letztere nicht mit der Haltung der auf dem Hof lebenden Ziegen durch den Angeklagten C. B. einverstanden waren und deshalb mehrfach das staatliche Veterinäramt zu Kontrollen veranlassten. Dass sich die Angeklagten und Geschädigten täglich auf dem Gelände der Ranch begegneten, verschärfte das vorhandene Konfliktpotential zusätzlich. Auf die häufigen aggressiven Anwürfe der Geschädigten, die in Beleidigungen und Drohungen gipfelten, reagierten die Angeklagten passiv, demütig und verängstigt. Aufgrund der stetig zunehmenden Angst vor etwaigen Übergriffen der Geschädigten bewahrten die Angeklagten spätestens seit Dezember 2013 eine Pistole griffbereit hinter der Eingangstür des von ihnen bewohnten Gebäudes der Ranch auf.
8
In den letzten Wochen vor der Tat kam es beinahe täglich zu immer lautstärkeren – und seitens der Geschädigten sehr emotional und aggressiv geführten – Auseinandersetzungen zwischen den Geschädigten und den Angeklagten. Nachdem der Eigentümer des Grundstücks Ende April 2014 erstmals erfahren hatte, dass das Grundstück zu Wohnzwecken untervermietet worden war, forderte dessen Rechtsanwalt Anfang Mai 2014 die Geschädigten und An- geklagten schriftlich auf, das illegale Untermietverhältnis zu beenden. Am 2. Juni 2014 suchten die Angeklagten ihren Rechtsanwalt auf, der ihnen dazu riet, keinerlei Mietzins mehr an die Geschädigten zu entrichten und ihnen zusicherte , sich mit dem Grundstückseigentümer in Verbindung zu setzen, um eine direkte Anmietung oder einen Erwerb des Grundstücks zu erreichen. Am selben Tag zahlten die Angeklagten im Anschluss an das Beratungsgespräch für Juni 2014 dennoch einen (Teil-) Mietzins in Höhe von 450 Euro an die Geschädigten. Sie waren hiernach jedoch definitiv nicht mehr bereit, weitere Zahlungen zu leisten.
9
Am 6. Juni 2014 zwischen 13.02 Uhr und circa 13.30 Uhr befanden sich die Geschädigten auf dem Grundstück der Ranch direkt vor dem Eingang des von den Angeklagten bewohnten Gebäudes. Hierbei führte der Geschädigte H. K. – wie üblich – ein Messer mit sich. Die Geschädigten hatten sich vorgenommen – wie mit den Angeklagten zuvor am 2. Juni 2014 verabredet – den noch offenen Mietzins für den Monat Juni 2014 zu erhalten und waren zur Durchsetzung ihrer Forderung bereit, falls erforderlich, auch Gewalt anzuwenden.
10
Während sich der Angeklagte K. B. im hinteren Teil des Grundstücks mit den Tieren beschäftigte, traf der Geschädigte H. K. an der Eingangstür des bewohnten Gebäudes den Angeklagten C. B. an und forderte ihn zur unverzüglichen Zahlung des restlichen Mietzinses für Juni 2014 sowie zusätzlich auch des Mietzinses für Juli 2014 auf. Als der Angeklagte gegenüber H. K. und dessen Ehefrau, die ein Beil mit sich führte, trotz Drohungen mit Gewalt jede weitere Zahlung ablehnte und von der Einschaltung seines Anwalts berichtete, zog H. K. das von ihm mitgeführte Messer und setzte es dem von ihm am Hals festgehaltenen C. B. auf die Brust. Als sich der Angeklagte C. B. zu wehren versuchte, stach H. K. mit dem in seiner rechten Hand geführten Messer in Richtung des Oberkörpers des Angeklagten, der den Stich jedoch ablenken konnte. Im weiteren Verlauf der tätlichen Auseinandersetzung gelang es C. B. , dem Geschädigten H. K. das Messer abzunehmen und sich durch einen Stich in dessen Oberkörper aus dem Griff am Hals zu lösen. Sein anschließender Versuch, von der Ranch zu flüchten, scheiterte, weil ihm die noch immer mit dem Beil bewaffnete Geschädigte S. K. den Fluchtweg versperrte. Dadurch gelang es dem Geschädigten H. K. , ihn einzuholen, in den Schwitzkasten zu nehmen und die wieder vor die Eingangstür verlagerte, zwischenzeitlich auf dem Boden geführte Auseinandersetzung fortzusetzen.
11
Währenddessen kam der Angeklagte K. B. zum Geschehen hinzu. Als er sah, dass sein Sohn mit dem Rücken auf dem Boden liegend mit dem auf ihm sitzenden H. K. kämpfte, und die Geschädigte S. K. mit einem Gegenstand in der Hand neben beiden kniete, versuchte er zunächst vergeblich S. K. wegzustoßen. Daraufhin begab er sich in den Vorraum des Hauses und ergriff die dort gelagerte Pistole.
12
Trotz der Fixierung seiner rechten Hand durch die linke Hand des Geschädigten H. K. war es dem Angeklagten C. B. nunmehr unter erheblicher Kraftanstrengung möglich, mit dem in seiner rechten Hand geführten Messer noch insgesamt drei Stiche in den oberen Brustbereich des auf ihm sitzenden Geschädigten H. K. anzubringen, der ihn weiterhin mit seiner rechten Hand am Hals festhielt und versuchte, ihm das Messer zu entwinden.
13
In der Zwischenzeit kam der Angeklagte K. B. mit der Pistole zum Geschehen zurück. Als er erkannte, dass die Geschädigte S.
K. ein Beil in der Hand hielt und ausholend dazu ansetzte, hiermit auf C. B. einzuhacken, schoss er – um seinen Sohn vor dem Angriff mit dem Beil zu verteidigen – aus einer Entfernung von mindestens zwei Metern zwei Mal auf den Arm-/Schulterbereich der S. K. , die dadurch am Rücken getroffen wurde und sofort verstarb.
14
Der Angeklagte K. B. zog nun den Geschädigten von seinem Sohn herunter, woraufhin H. K. leblos auf dem Rücken neben C. B. zum Liegen kam. Der Angeklagte C. B. kniete sich daraufhin neben H. K. , der – was er nicht erkannte – bereits infolge beidseitigen Pneumothorax verstorben war, und fügte diesem mit dem Messer weitere 12 Stiche in den Brustkorb zu.
15
Der Angeklagte K. B. entschied sich gegen eine Verständigung der Polizei, da er davon ausging, dass diese ihnen das Tatgeschehen nicht glauben würde. Gemeinsam mit seinem Sohn, der – noch unter dem Einfluss des Tatgeschehens stehend – die Anweisungen seines Vaters mechanisch ausführte, beseitigten die Angeklagten die Tatspuren, parkten das Fahrzeug der Geschädigten auf dem Parkplatz eines Supermarkts, warfen das Tatmesser und das Beil in den Main, versteckten die Pistole und vergruben die Leichen auf dem Gelände der Ranch. Aufgrund von Hinweisen des Angeklagten C. B. vom 14. Oktober 2014 konnten die Leichname der Geschädigten später dort aufgefunden werden.
16
2. Das Landgericht hat die Einlassungen der Angeklagten zum Tatgeschehen , der die weiteren Beweisergebnisse nicht widersprächen, als unwiderlegbar angesehen. Unter Zugrundelegung der Einlassungen hat es angenommen , das Handeln des Angeklagten C. B. sei durch Notwehr gerechtfertigt. Der Geschädigte H. K. habe den Angeklagten C.
B. rechtswidrig angegriffen, indem er mit der linken Hand an dessen Hals griff und mit dem in seiner rechten Hand geführten Messer auf ihn einstach. Dieser Angriff sei auch noch nach dem Entwinden des Messers nicht beendet gewesen, da der Geschädigte den Angeklagten weiter mit seiner linken Hand am Hals festgehalten und um das Messer gekämpft habe. Über diese fortdauernde Intensität der Kampflage hinaus habe die jederzeitige Möglichkeit eines Eingreifens der anwesenden und mit einem Beil bewaffneten Ehefrau des Geschädigten bestanden. Als der Angeklagte C. B. auf den bereits verstorbenen Geschädigten H. K. weiter einstach, habe er sich im Zustand der Schuldunfähigkeit gemäß § 20 StGB befunden.
17
Hinsichtlich der vom Angeklagten K. B. auf die Geschädigte S. K. abgegebenen zwei Schüsse hat das Landgericht angenommen , diese seien als Nothilfe gerechtfertigt. Dadurch, dass die Geschädigte S. K. gerade mit dem Beil ausholte, um auf den Angeklagten C. B. einzuhacken, habe sie diesen rechtswidrig angegriffen.

III.

18
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft sowie der Nebenkläger N. R. und St. K. haben mit der Sachrüge Erfolg. Die Revisionen der Nebenkläger I. und A. B. sowie der Nebenkläger L. F. und S. B. haben mit der Sachrüge Erfolg, soweit sie sich im Rahmen ihrer sich aus §§ 395 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1, 401 Abs. 1 Satz 1 StPO ergebenden Nebenklagebefugnis halten, im Übrigen sind sie unzulässig. Wegen des Erfolgs der Sachrüge bedarf es keines Eingehens auf die Verfahrensrügen. Die Beweiswürdigung hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
19
1. Das Revisionsgericht muss es grundsätzlich hinnehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag.
20
Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148 mwN). Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Vielmehr hat es die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen , wenn eine andere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2015 – 5 StR 521/14, NStZ-RR 2015, 178, 179). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 1. Juni 2016 – 1 StR 597/15, Rn. 27, zit. nach juris, mwN [insoweit in NStZ-RR 2016, 272 nicht abgedruckt]). Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen , erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Aus den Urteilsgründen muss sich ferner ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Urteil vom 23. Juli 2008 – 2 StR 150/08, NJW 2008, 2792, 2793 mwN). Rechtsfehlerhaft ist eine Beweiswürdigung schließlich dann, wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt worden sind. Dabei ist es weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen aus- zugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (vgl. etwa Senat, Urteil vom 22. September 2016 – 2 StR 27/16, Rn. 26, zit. nach juris mwN).
21
2. Diesen Anforderungen an die Beweiswürdigung genügt das Urteil nicht.
22
a) Ein grundlegender Mangel des Urteils liegt bereits darin, dass das Landgericht die im Rahmen der sachlich-rechtlichen Begründungspflicht gebotene nähere Dokumentation früherer Einlassungen der Angeklagten unterlassen und den Zeitpunkt der jeweiligen Einlassungen in der Hauptverhandlung nicht mitgeteilt hat.
23
Da an die Bewertung der Einlassung eines Angeklagten die gleichen Anforderungen zu stellen sind wie an die Beurteilung von Beweismitteln, hat der Tatrichter sich seine Überzeugung von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Einlassung des Angeklagten aufgrund einer Gesamtwürdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme zu bilden (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 6. März 1986 – 4 StR48/86, BGHSt 34, 29, 34). Dabei kann ein Wechsel der Einlassung im Laufe des Verfahrens ein Indiz für die Unrichtigkeit der Einlassung in der Hauptverhandlung sein und ihre Bedeutung für die Beweiswürdigung verringern oder unter Umständen ganz entfallen lassen (Senat, Urteil vom 16. August 1995 – 2 StR 94/95, BGHR StPO § 261 Einlassung 6). Im Hinblick auf die Möglichkeit einer Anpassung der Einlassung an die Ergebnisse der Beweisaufnahme kann auch der Zeitpunkt, zu dem sich ein Angeklagter zur Sache einlässt, ein Umstand sein, der im Rahmen der Gesamtwürdigung gegen die Glaubhaftigkeit der Einlassung spricht (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Februar 2001 – 3 StR 580/00, BGHR StPO § 261 Aussageverhalten 21).
24
Zwar hat die Kammer in den Urteilsgründen dargestellt, dass die Einlassung der Angeklagten über ihre Verteidiger durch Verlesung von vorbereiteten, schriftlichen Erklärungen in der Hauptverhandlung erfolgte (UA S. 57). Auch werden inhaltliche Angaben hierzu gemacht (UA S. 27, 51 bis 56). Es bleibt jedoch offen, zu welchem Zeitpunkt im Rahmen der mehrtägigen Hauptverhandlung diese Einlassungen verlesen wurden und ob und insbesondere mit welchem Inhalt sich die Angeklagten vor diesem Zeitpunkt eingelassen haben. Dass es frühere Einlassungen der Angeklagten gegeben hat, folgt bezüglich des Angeklagten C. B. aus der Erwähnung eines Hinweises zum Fundort der Leichen (UA S. 27) und bezüglich des Angeklagten K. B. aus der Mitteilung, dass er am 8. Juni 2014 vom Zeugen KOK P. zur Sache vernommen worden ist (UA S. 35). Das Urteil teilt auch nicht mit, wie im Einzelnen sich der Angeklagte C. B. im Rahmen des letzten Wortes geäußert hat. Insoweit wird lediglich wiedergegeben, dass der Angeklagte anschaulich geschildert habe, noch immer beinahe jede Nacht vom Tatgeschehen zu träumen (UA S. 83).
25
b) Das Landgericht hat darüber hinaus den Anwendungsbereich des Zweifelssatzes verkannt. Der Grundsatz „in dubio pro reo“ ist keine Beweis-, sondern eine Entscheidungsregel, die das Gericht erst dann zu befolgen hat, wenn es nach abgeschlossener Beweiswürdigung nicht die volle Überzeugung von der Täterschaft zu gewinnen vermag. Auf einzelne Elemente der Beweiswürdigung ist er grundsätzlich nicht anzuwenden (vgl. BGH, Urteil vom 5. November 2014 – 1 StR 327/14 Rn. 44, NStZ-RR 2015, 83, 85 mwN). Keinesfalls gilt er für entlastende Indiztatsachen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 27. Juni 2001 – 3 StR 136/01, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 24).
26
Nachdem das Landgericht bei der Bewertung des Kampfgeschehens und der Interessenlage der Beteiligten zunächst zu der Annahme gelangt war, dass „Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sowohl der Geschädigte H. K. als auch der Angeklagte C. B. am Tattag das Tatmesser mitgebracht und als Erstes eingesetzt haben könnten, da beide ohnehin messergewohnt waren“ (UA S. 59), ist es unter rechtsfehlerhafter Anwendung des Grund- satzes „in dubio pro reo“ der Einlassung der Angeklagten gefolgt und zu deren Gunsten davon ausgegangen, dass „der Streit am Tattag von den Geschädig- ten begonnen wurde und der Geschädigte H. K. hierbei derjenige war, der das Tatmesser mit sich führte, dieses auch zog und zuerst gegen den Angeklagten C. B. einsetzte“ (UA S. 62).
27
c) Die Beweiswürdigung weist zudem durchgreifende Lücken auf.
28
aa) Die Wertung des Landgerichts, es sei kein Motiv der Angeklagten ersichtlich , mit den Geschädigten am Tattag zunächst einen verbalen Streit und sodann gar eine körperliche Auseinandersetzung zu beginnen (UA S. 61), beruht auf lückenhaft gebliebenen Erwägungen.
29
Das Landgericht stellt insoweit darauf ab, dass die Angeklagten nach dem Beratungsgespräch mit ihrem Rechtsanwalt wussten, dass der mit den Geschädigten geschlossene Untermietvertrag illegal war und sie den Geschädigten deshalb künftig keine Mietzinszahlungen mehr schuldeten. Außerdem habe ihnen der Anwalt zugesichert, mit dem Eigentümer Kontakt aufzunehmen und zu versuchen, für die Angeklagten einen Mietvertrag über das Grundstück direkt mit dem Eigentümer ohne Einschaltung der Geschädigten abzuschließen (UA S. 61, 79). Das Landgericht sieht die Angeklagten daher in einer „geradezu komfortablen Lage“, weshalb sie auch keine Veranlassunggehabt hätten, mit den Geschädigten Streit zu beginnen (UA S. 62).
30
Bei dieser Wertung hat das Landgericht nicht hinreichend in den Blick genommen, dass die Angeklagten bereits eine Woche zuvor ein Schreiben der Stadt Ma. erhalten hatten, aus dem sich ergab, dass die Ranch künftig an die Angeklagten nicht mehr zu Wohnzwecken vermietet werden durfte (UA S. 38). Der Nutzung des Grundstücks zu Wohnzwecken standen nicht nur die Bestimmungen des Pachtvertrags, sondern auch öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegen (UA S. 37). Da die Zeugin Kl. über den eingeschalteten Rechtsanwalt die Räumung des Grundstücks von den Angeklagten verlangt hatte (UA S. 37), hatten diese daher Anfang Juni das Ende des Mietverhältnisses über das Grundstück und die Zwangsräumung zu befürchten. Für sie bestand daher nicht nur die Gefahr, ihre Wohnung auf der Ranch, sondern vor allem ihren Lebensmittelpunkt und die von ihnen auf dem Grundstück betreuten Tiere zu verlieren, an denen der Angeklagte C. B. besonders hing und die sein Lebensinhalt waren. Selbst in dem von ihrem Rechtsanwalt ins Spiel gebrachten Fall der eigenen Anmietung des Grundstücks hätten die Angeklagten ihre Wohnmöglichkeit verloren. Den drohenden Verlust der bisherigen Lebensumstände der Angeklagten hätte die Strafkammer bei der Frage, ob die Angeklagten Anlass hatten, mit den Geschädigten einen Streit zu beginnen , mitberücksichtigen müssen.
31
bb) Die Wertung der Kammer, eine geplante Tötung der Geschädigten seitens der Angeklagten scheide aus, blendet einen wesentlichen Aspekt des festgestellten Geschehensablaufs aus. So erklärt das Landgericht die – gegen den unmittelbar zuvor erteilten Rat ihres Rechtsanwalts am 2. Juni 2014 erfolgte – Zahlung der Angeklagten in Höhe von 450 Euro an die Geschädigten mit dem Ziel, „zunächst weiteren Streitigkeiten und Anfeindungen der Geschädigten zu entgehen“ (UA S. 50). Nicht in die Wertung einbezogen hat das Landgericht jedoch den festgestellten Umstand, dass die Angeklagten noch am selben Tag mit den Geschädigten verabredet hatten, am 6. Juni 2014 den offenen Restbetrag zu bezahlen und sich die Geschädigten gerade aus diesem Grund am Tattag zur Ranch begaben (UA S. 10, 18). Dass die Angeklagten am 2. Juni 2014 mit den Geschädigten die Verabredung einer weiteren Geldübergabe trafen, ist im Übrigen nicht mit der vom Landgericht getroffenen Annahme in Einklang zu bringen, die Angeklagten seien nach der Teilmietzinszahlung „definitiv nicht mehr bereit [gewesen], weiteren Mietzins an die Geschädigten zu entrichten“ (UA S. 18).
32
cc) Auch hinsichtlich der Geschehnisse am Tattag zwischen 11 Uhr und 13 Uhr weist die Beweiswürdigung eine Lücke auf. Wie das Landgericht aufgrund der Angaben diverser Zeugen festgestellt hat, waren die Geschädigten regelmäßig täglich zwischen 11 und 13 Uhr auf der Ranch (UA S. 12 ff.; 28 ff., 46 ff.). Nach ihrer (insoweit vom Landgericht nicht in Zweifel gezogenen) Aussage traf die Zeugin S. die Geschädigte auch am 6. Juni 2014 gegen 11 Uhr nahe der Ranch, als diese mit ihren Hunden am Mainufer spazieren ging (UA S. 68). Diese Aussage hat das Landgericht nicht zum Anlass genommen, sich mit der naheliegenden Frage auseinanderzusetzen, ob sich die Geschädigten bereits etwa zwei Stunden vor der Tat auf der Ranch aufgehalten haben und was zwischen 11 Uhr und der zwischen 13.02 Uhr und circa 13.30 Uhr angesetzten Tatzeit auf der Ranch geschehen ist.
33
dd) Bei der Würdigung der Einlassung des Angeklagten C. B. zum Tathergang hat die Kammer nicht erörtert, dass die Einlassung zum auslösenden Ereignis für den Messereinsatz durch den Geschädigten H. K. in offenkundigem Widerspruch zur Tatvorgeschichte steht. Der Angeklagte hat sich eingelassen, der Geschädigte habe ein Messer gezogen, nachdem er durch ihn davon erfahren habe, dass der Eigentümer der Ranch von dem illegalen Untermietverhältnis nunmehr Kenntnis erlangt habe (UA S. 52). Demgegenüber ist das Landgericht im Rahmen der Tatvorgeschichte davon ausgegangen, dass die Geschädigten von dem Schreiben bereits mindestens eine Woche vor der Tat Kenntnis erhalten hatten (UA S. 17, 37, 38, 60).
34
d) Schließlich fehlt es auch an der gebotenen Gesamtwürdigung aller für und gegen die Angeklagten sprechenden Umstände. Die Beweiswürdigung der Strafkammer lässt nicht erkennen, dass sich das Landgericht des Umstandes bewusst war, dass einzelne Belastungsindizien, die für sich genommen zum Beweis der Täterschaft nicht ausreichen, doch in ihrer Gesamtheit die für eine Verurteilung notwendige Überzeugung des Tatgerichts begründen können (vgl. Senat, Urteil vom 17. September 1986 – 2 StR 353/86; BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung , unzureichende 1; BGH, Urteil vom 5. November 2014 – 1 StR 327/14, NStZ-RR 2015, 83, 85).
35
3. Das Urteil beruht auch auf den aufgezeigten Darstellungs- und Beweiswürdigungsmängeln ; der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung und der gebotenen wertenden Gesamtschau aller be- und entlastenden Indizien die Überzeugung von der Täterschaft der Angeklagten gewonnen hätte. Vors.RiBGH Prof. Dr. Fischer Appl Eschelbach ist wegen Krankheit an der Unterschrift gehindert. Appl Zeng Grube

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 167/01
vom
4. September 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Raubes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4. September
2001, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Nack
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Schluckebier,
Dr. Kolz,
Schaal,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 25. Oktober 2000, soweit es den Angeklagten K. betrifft, 1. im Schuldspruch dahin abgeändert, daß
a) der Angeklagte im Fall II. 5 der Urteilsgründe des Betrugs in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung und gefährlicher Körperverletzung und
b) in den Fällen II. 22, 23 der Urteilsgründe der schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit unerlaubtem Sichverschaffen von Betäubungsmitteln schuldig ist, und 2. im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen fünfzehn Straftaten zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Die Staatsanwaltschaft greift mit ihrer zuungunsten des Angeklagten eingelegten Revision ersichtlich nur den Schuldspruch in den Fällen II. 5, 22 und 23 der Urteilsgründe an. Zudem beanstandet sie die Strafzumessung. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat insoweit mit der Sachrüge Erfolg. 2. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen beging der Angeklagte mit zum Teil gesondert verfolgten Mittätern die Taten, um in der Stuttgarter Drogenszene Geld oder Betäubungsmittel zu erbeuten.
a) An zwei Tagen im Herbst 1999 beschlossen der Angeklagte und ein Mittäter, Drogendealer mit Gewalt dazu zu bringen, ihnen Drogen ohne Bezahlung auszuhändigen. In den Fällen II. 22 und 23 der Urteilsgründe erklärten sie diesen jeweils, von ihnen für 100,-- DM Kokain kaufen zu wollen. Als diese ihnen das Rauschgift zeigten, versuchten sie danach zu greifen und ohne Bezahlung zu flüchten. Die Drogendealer hielten sie jedoch jeweils davon ab. Daraufhin bedrohte sie der Mittäter jeweils absprachegemäß mit einem Messer. Unter dieser Bedrohung übergaben sie ihnen das Kokain. Das Landgericht hat den Angeklagten in beiden Fällen insoweit wegen Nötigung in Tateinheit mit unerlaubtem Sichverschaffen von Betäubungsmitteln verurteilt. Die Staatsanwaltschaft erstrebt anstelle der Verurteilung wegen Nötigung eine Verurteilung wegen schwerer räuberischer Erpressung.
b) Am 26. November 1999 hatten der Angeklagte und seine Mittäter beschlossen , sich als Betäubungsmittelhändler auszugeben und Kunden “abzu-
zocken”, die Drogen erwerben wollten. Hierunter verstanden sie, daß sie sich von ihren Opfern das Kaufgeld ohne eine Gegenleistung geben lassen wollten, entweder durch Täuschung oder zusätzlich mit Gewalt oder Drohungen. Demgemäß täuschten der Angeklagte und seine Mittäter im Fall II. 5 dem Zeugen M. - einem nicht offen ermittelnden Polizeibeamten - vor, diesem Heroin verkaufen zu wollen. Nachdem der Zeuge dem Angeklagten 100,-- DM übergeben hatte, liefen der Angeklagte und seine Mittäter mit dem Geld sofort davon. Als sie sich bereits 200 m entfernt hatten, holte der Zeuge sie ein und forderte sein Geld zurück. Nunmehr wurde der Zeuge von dem Angeklagten und seinen Mittätern in gemeinschaftlichem Zusammenwirken geschubst und getreten, um ihm klarzumachen, daß er weitere Schläge zu befürchten habe, falls er nicht von seinem Rückforderungsverlangen absehe. Kurz darauf griffen Polizeibeamte ein und nahmen die Täter fest. Der Angeklagte gab daraufhin dem Zeugen das Geld zurück. Das Landgericht hat den Angeklagten insoweit wegen vollendeten Betrugs in Tatmehrheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie tateinheitlich hierzu begangener Nötigung verurteilt. Die Staatsanwaltschaft erstrebt anstelle der Verurteilung wegen Nötigung eine Verurteilung wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung. 3. Die Würdigung des Landgerichts hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Nach den Feststellungen ist in den Fällen II. 22 und 23 der Urteilsgründe schwere räuberische Erpressung (§§ 253, 255 i. V. m. § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) gegeben. Wer einen Rauschgifthändler mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Herausgabe von Drogen nötigt, um sich zu Unrecht zu bereichern, macht sich nicht der Nötigung, sondern der räuberi-
schen Erpressung schuldig. Das Landgericht hat sich an einer entsprechenden Verurteilung gehindert gesehen, weil der unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln nicht durch § 253 StGB als Vermögen strafrechtlich unter Schutz stehe. Hierbei hat es verkannt, daß die Rechtsordnung im Bereich der Vermögensdelikte ein wegen seiner Herkunft, Entstehung oder Verwendung schlechthin schutzunwürdiges Vermögen nicht kennt (vgl. BGHSt 8, 254, 256; BGH NStZRR 1999, 184, 185 f.; Tröndle/Fischer StGB 50. Aufl. § 263 Rdn. 29 m.w.N.). Auch an Sachen wie Rauschgift, die jemand aufgrund einer strafbaren Handlung besitzt und als Tatmittel zur Begehung geplanter Straftaten bereitstellt, kann unbeschadet ihrer Zweckbestimmung oder Bemakelung Erpressung und Betrug begangen werden. Der Bundesgerichtshof hat deshalb auch bereits entschieden, daß das Nötigen zur Herausgabe von Betäubungsmitteln mittels Androhung von Gewalt den Straftatbestand der schweren räuberischen Erpressung erfüllen kann (BGHR BtMG § 29 I Nr. 1 Sichverschaffen 2; vgl. auch BGHR StGB § 263 I Versuch 1).
b) Nach den Feststellungen liegt im Fall II. 5 der Urteilsgründe ein vollendeter Betrug nach § 263 StGB vor. Der Zeuge M. hatte durch die Hingabe des Geldes eine Vermögensverfügung getroffen und dadurch einen Vermögensschaden erlitten. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß derjenige einen Vermögensschaden erleidet, der eine Geldleistung im Rahmen eines verbotenen oder sittenwidrigen Geschäftes erbringt, ohne die vereinbarte Gegenleistung zu erhalten. Betrug ist daher auch möglich beim unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (vgl. BGH bei Holtz, MDR 1979, 806; Tröndle /Fischer StGB 50. Aufl. § 263 Rdn. 29). Der Vermögensschaden hatte sich schon dadurch realisiert, daß der Angeklagte das Geld erhalten hatte und 200 m weit flüchten konnte.
Der Angeklagte ist weiterhin neben gefährlicher Körperverletzung (§§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) auch der versuchten räuberischen Erpressung gemäß §§ 249, 253 Abs. 1 und 3, 255 StGB schuldig; Anhaltspunkte für das Vorliegen der Voraussetzungen von § 250 StGB sind dagegen nicht ersichtlich. Der Angeklagte und seine Mittäter wollten einen Drogenkäufer betrügen und gegebenenfalls zusätzlich Gewalt oder Drohungen anwenden, um das Kaufgeld ohne Gegenleistung zu erlangen. Tatsächlich wurde der Zeuge M. auch geschubst und getreten, um ihn davon abzuhalten, sein Rückgabeverlangen durchzusetzen, nachdem er die Täuschung bemerkt hatte. In solchen Fällen findet auch der Erpressungstatbestand jedenfalls dann Anwendung, wenn unmittelbar anschließend das Mittel der Gewalt eingesetzt wird, um das Opfer zu einem solchen Verhalten zu nötigen (vgl. auch BGHSt 25, 224, 226; BGH NJW 1984, 501; BGHR StGB § 263 I Versuch 1 m.w.N.; zum umgekehrten Fall, daß der Käufer sein Geld mit Nötigungsmitteln zurückverlangt, vgl. BGH NStZRR 2000, 234). Da es dem Angeklagten und seinen Mittätern nicht gelungen ist, den Zeugen M. v on seinem Herausgabeverlangen abzuhalten, ist nur ein Versuch gegeben. Versuchte räuberische Erpressung und gefährliche Körperverletzung stehen zum Betrug in Tateinheit (§ 52 StGB). Tatmehrheit ist nicht gegeben, weil der Betrug zwar vollendet, aber noch nicht beendet war. 4. Infolge der Schuldspruchänderung zum Nachteil des Angeklagten kann der Strafausspruch nicht bestehen bleiben. Das Landgericht hat den Umstand , daß der Angeklagte - nach seiner Rechtsauffassung - in sechs Fällen Verbrechenstatbestände verwirklicht hat, als straferschwerend hervorgehoben. Angesichts der Verwirklichung weiterer Verbrechenstatbestände vermag der Senat nicht auszuschließen, daß das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung eine höhere Strafe verhängt hätte.
Der Senat ändert den Schuldspruch selbst. § 265 StPO steht dem nicht entgegen. Schon die Anklage war davon ausgegangen, daß der Tatbestand der (schweren) räuberischen Erpressung gegeben ist. Im übrigen ist auch nicht ersichtlich, daß sich der Angeklagte gegebenenfalls erfolgversprechender als geschehen hätte verteidigen können.
Nack Wahl Schluckebier Kolz Schaal

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Erpressung verbunden hat.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 295/05
vom
20. September 2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen schweren Raubes
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 20. September 2005
einstimmig beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Flensburg vom 11. April 2005 werden als unbegründet verworfen. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Das Landgericht hat die Angeklagten wegen "gemeinschaftlichen" schweren Raubes zu Freiheitsstrafen verurteilt. Hiergegen richten sich ihre auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen. Die Rechtsmittel bleiben erfolglos. Nach den Feststellungen des Landgerichts nahmen die drogenabhängigen Angeklagten der Geschädigten, die ebenfalls Heroinkonsumentin war, unter Einsatz eines Messers ca. 4 bis 6 g Heroin weg. Die Überprüfung des Urteils zum Schuld- und Strafausspruch hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Insbesondere hält die rechtliche Bewertung des Tatgeschehens als schwerer Raub der Nachprüfung stand. Anlass zu näherer Erörterung gibt lediglich die Beanstandung der Revision des Angeklagten P. , eine Verurteilung wegen eines Eigentumsdelikts sei nicht möglich, weil es sich bei dem weggenommenen Betäubungsmittel
nicht um eine fremde Sache handele. Diese Rüge ist nicht begründet; die weggenommenen Drogen waren für die Angeklagten fremd. Der Bundesgerichtshof hat auch illegal besessene Drogen in seiner bisherigen Rechtsprechung ohne nähere Begründung als taugliche Objekte für Eigentumsdelikte wie Diebstahl nach § 242 StGB oder Raub nach § 249 StGB angesehen (vgl. BGH NJW 1982, 708; 1982, 1337 f.). Eine Überprüfung unter Berücksichtigung der hiergegen erhobenen Einwände gibt keinen Anlass zu einer Än derung dieser Auffassung. Fremd ist eine Sache wenn sie verkehrsfähig ist, das heißt überhaupt in jemandes Eigentum stehen kann, nicht herrenlos ist und nicht im Alleineigentum des Täters steht (vgl. Ruß in LK 11. Aufl. § 242 Rdn. 6 ff.). Nach dem festgestellten Sachverhalt war das weggenommene Heroin weder derelinquiert noch im Eigentum der Täter. Es handelte sich aber auch um eine verkehrsfähige Sache, die im Eigentum eines anderen stand:
1. Als verkehrsunfähig werden allgemein Sachen angesehen, die nach ihrer Beschaffenheit nicht im Eigentum eines anderen stehen können, etwa die Luft in der Atmosphäre, frei fließendes Wasser u. ä. (vgl. Ruß aaO Rdn. 8); dies trifft für Betäubungsmittel ersichtlich nicht zu.
2. Das Merkmal der Verkehrsfähigkeit illegaler Drogen wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass das Eigentum an ihnen nach den Verbotsvorschriften des Betäubungsmittelgesetzes in Verbindung mit § 134 BGB nicht rechtsgeschäftlich übertragen werden kann.

a) Eine Mindermeinung vertritt demgegenüber die Auffassung, dass zwar ein ursprüngliches - etwa durch Produktion - erlangtes Eigentum trotz der
Nichtigkeit etwaiger Übertragungsakte formal fortbestehe, aber nicht mehr feststellbar und vom Vorsatz eines Täters nicht umfasst sei (so Engel, NStZ 1991, 520 ff.), bzw. auf eine "leere Begriffshülse" reduziert sei und deshalb kein Grund für einen strafrechtlichen Schutz bestehe (so Schmitz in MüKo § 242 Rdn. 14).

b) Dem folgt der Senat in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung nicht (vgl. Ruß aaO Rdn. 8; Eser in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 242 Rdn. 19; Kindhäuser in Nomos Kommentar zum StGB § 242 Rdn. 21; Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl. § 242 Rdn. 9; Maurach/Schroeder/Maiwald § 32 Rdn. 25; Mitsch BT II/1 § 1 Rdn. 34; Wessels/Hillenkamp Rdn. 62; Marcelli NStZ 1992, 220; Vitt, NStZ 1992, 221).
aa) Soweit Engel (aaO) illegal besessene Drogen für "eigentumsunfähig" hält, übersieht er, dass die Vorschriften des BtMG in Verbindung mit § 134 BGB wohl die rechtsgeschäftliche Begründung neuen Eigentums hindern, aber ohne Auswirkung auf bestehende Eigentumsverhältnisse sind. So verliert der Produzent von Marihuana das Eigentum nicht allein dadurch, dass der Anbau und der Besitz von Betäubungsmitteln ohne Erlaubnis verboten sind. Im Übrigen haben Marcelli und Vitt (aaO) im Einzelnen nachgewiesen, dass Konstellationen möglich sind, in denen Eigentum an illegalen Drogen auch auf nicht rechtsgeschäftliche Weise erlangt werden kann, die nicht von § 134 BGB erfasst ist, was insbesondere für die Produktion und Bearbeitung gilt. Zudem haben sie zu Recht darauf hingewiesen, dass illegale Drogen ganz überwiegend aus dem Ausland kommen und somit ein etwaiger Eigentumserwerb nach den möglicherweise nach Land und Drogenart unterschiedlichen ausländischen Rechtsordnungen beurteilt werden müsste.

Im Übrigen vermengt Engel (aa0) Fragen der dogmatischen Einordnung in unzulässiger Weise mit Fragen der Beweisbarkeit von objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmalen. Für die Verurteilung wegen eines Eigentumsdeliktes genügt jedoch die Feststellung, dass fremdes Eigentum verletzt ist; nicht notwendig ist die Ermittlung der Person des Eigentümers. Dementsprechend ist es auch belanglos, welche Vorstellungen der Täter über die Person des Eigentümers hat; es genügt, dass er weiß, dass die Drogen nicht in seinem Alleineigentum stehen und nicht herrenlos sind.
bb) Demgegenüber räumt Schmitz (aaO) zwar ein, dass auch an illegalen Drogen Eigentum bestehen könne. Er stellt jedoch darauf ab, dass der Eigentümer - etwa nach einem Verkauf - nicht mehr betroffen ist. Selbst wenn die Sache bei ihm gestohlen werden würde, wäre er in seinen Rechten aus § 903 BGB nicht beeinträchtigt, da ihm diese im Hinblick auf die Verbotsvorschriften des BtMG nicht zustehen (Schmitz aaO). Dabei bleibt unberücksichtigt, dass die Strafvorschriften zum Schutz des Eigentums nach § 242, § 259 StGB für den Begriff der fremden Sache allein auf die formale Eigentumsposition, nicht aber auf die tatsächliche oder rechtliche Verfügbarkeit abstellen. Auch ein Eigentümer , der infolge Beschlagnahme, Insolvenz, Verpfändung o. ä. über sein Eigentum nicht mehr verfügen kann, wird durch diese Bestimmungen uneingeschränkt geschützt (vgl. Ruß, aaO Rdn. 7). Im Übrigen trifft es nicht zu, dass die Rechte eines Eigentümers aus § 903 BGB durch die Vorschriften des BtMG völlig beseitigt werden. Zu diesen zählt das - durch diese Vorschriften unberührte - Recht auf Eigentumsaufgabe und Vernichtung (vgl. Palandt, BGB 62. Aufl. § 903 Rdn. 5). Auch der Verbrauch selbst wird durch das BtMG nicht verboten , strafbar wäre insoweit nur der diesem vorausgehende Besitz.

Diese Auffassung steht in Übereinstimmung mit der Rechtslage bei einer Entziehung illegaler Drogen durch eine räuberische Erpressung. Hätten die Angeklagten bei dem Überfall die Filmdose nicht selbst weggenommen, sondern sich von der durch ein Messer bedrohten Geschädigten herausgeben lassen , wäre deren Vermögen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Nachteil zugefügt worden, was die Annahme eines Verbrechens der schweren räuberischen Erpressung gerechtfertigt hätte (BGHR StGB § 253 Abs. 1 Vermögenswert 3 m. w. N.).

c) Soweit Engel (aaO) darauf abstellt, ein Strafbedürfnis wegen der Verletzung fremden Eigentums entfalle schon deswegen, weil die Strafvorschriften des Betäubungsmittelgesetzes eine ausreichende Ahndung ermöglichten, ist diese Argumentation bereits für sich dogmatisch fragwürdig und übersieht zudem , dass damit der Täter eines Drogendiebstahls oder gar eines Drogenraubes mit einem Käufer, der sich seinen Bedarf aus eigenen Geldmitteln kauft, auf eine Stufe gestellt wird, obgleich der Schuldgehalt nicht vergleichbar ist. Besonders augenfällig wird dies im hier zu entscheidenden Fall, in dem - ohne Berücksichtigung einer Strafmilderung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB - der Strafdrohung wegen schweren Raubes nach § 250 Abs. 2 StGB mit einem Strafrahmen von fünf bis fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe nur eine Strafdrohung nach § 29 Abs. 1 BtMG von Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren gegen-überstehen würde.
Winkler Miebach von Lienen Becker Hubert

Nachschlagewerk: ja BGHSt: nein Veröffentlichung: ja __________________

StGB § 242 Abs. 1, § 259 Abs. 1
Illegal erworbene Drogen können tauglicher Gegenstand eines Eigentumsdeliktes sein.
BGH, Beschl. vom 20. September 2005 - 3 StR 295/05 - LG Flensburg

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 27/16
vom
22. September 2016
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
u.a.
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja - [S.6/7 - Fall 87 der Anklageschrift] u. [S. 13-15]
BGHR: ja " " "
Veröffentlichung: ja
1. Eine Sitzgruppe eines anfragenden Senats ist nicht gehindert, während der Dauer
des von einer anderen Sitzgruppe desselben Senats beschlossenen Anfrageverfahrens
auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung zu entscheiden.
2. Eine Bindungswirkung entsteht erst durch den Antwortbeschluss des angefragten
Senats, wenn dieser seine Zustimmung zu einer Änderung der bisherigen Rechtsprechung
erteilt.
BGH, Urteil vom 22. September 2016 - 2 StR 27/16 - LG Aachen
ECLI:DE:BGH:2016:220916U2STR27.16.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 31. August 2016 in der Sitzung am 22. September 2016, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl, Dr. Eschelbach, Zeng, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Bartel, Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als Verteidiger für den Angeklagten C. - in der Verhandlung -, Rechtsanwalt als Verteidiger für den Angeklagten C. - in der Verhandlung -, Rechtsanwalt als Verteidiger für den Angeklagten T. - in der Verhandlung -, Rechtsanwalt als Verteidiger für den Angeklagten G. - in der Verhandlung -, Justizhauptsekretärin - in der Verhandlung -, Justizangestellte - bei der Verkündung - als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Aachen vom 19. Juni 2015 werden mit der Maßgabe verworfen, dass die von dem Angeklagten G. in dieser Sache in den Niederlanden erlittene Auslieferungshaft im Verhältnis 1:1 anzurechnen ist. Die Kosten der Rechtsmittel und die den Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last. 2. Die Revision des Angeklagten C. gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten C. wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 48 Fällen, davon in 36 Fällen in Tateinheit mit Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen Anstiftung zur räuberischen Erpressung unter Freispruch im Übrigen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Mona- ten verurteilt sowie einen Geldbetrag in Höhe von 100.000 Euro für verfallen erklärt. Den Angeklagten T. hat es unter Freisprechung im Übrigen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen unter Einbeziehung von früheren Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen den Angeklagten G. hat es wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmittel in nicht geringer Menge in 19 Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verhängt und ihn im Übrigen freigesprochen.
2
Die auf eine Formalrüge und die Sachrüge gestützten Revisionen der Staatsanwaltschaft sowie die auf Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten C. bleiben ohne Erfolg.

I.

3
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts erwarben der Angeklagte C. in acht und der Angeklagte T. in sieben Fällen im Zeitraum Sommer 2007 bis Ende 2008 in den Niederlanden Marihuana in einer Menge von jeweils 500 Gramm bis 4 kg, das sie von ihrem Kurier, dem Zeugen S. , nach Deutschland einführen ließen, wo sie es gewinnbringend veräußerten (Fälle 1-8 der Anklageschrift).
4
Im Zeitraum Juli 2009 bis April 2010 veräußerte C. in fünf Fällen unter Mithilfe des Kuriers S. jeweils zwischen 4 und 10 kg Amphetamin an den Zeugen Ma. bzw. an von diesem vermittelte Abnehmer im Saarland (Fälle 16, 17, 19-21 der Anklageschrift).
5
Im Frühjahr 2010 ging der Angeklagte C. eine Geschäftsbeziehung mit dem Zeugen Gl. ein, der mit dem -Auslieferungsfahrer H. über einen Rauschgiftkurier verfügte, der Betäubungsmittel unauffällig unter "Legalpaketen" aus den Niederlanden einführen konnte. Ein direkter Kontakt zwischen C. und H. kam dabei nicht zustande. C. übermittelte seine Anweisungen betreffend die Einfuhr und Verteilung des von ihm erworbenen Rauschgifts an Gl. , der sie an H. weiterleitete. C. und Gl. verfügten jeweils über einen eigenen Abnehmerkreis und handelten auf eigene Rechnung. Sie kooperierten insoweit, dass Gl. H. als Kurier zur Verfügung stellte und C. im Gegenzug seine Bezugsquelle in den Niederlanden für Gl. zugänglich machte. Auf diese Weise lieferte C. bis Ende 2010 in sechs Fällen Marihuana und Amphetamin in einer Größenordnung bis jeweils 4-5 kg (Fälle 22-25, 32 und 33 der Anklageschrift) an seine inländischen Abnehmer.
6
Im Zeitraum Februar bis April 2011 lieferte C. in zwei Fällen durch den Zeugen S. jeweils 5 kg Marihuana an seine saarländischen Abnehmer (Fälle 34 und 35 der Anklageschrift).
7
Zwischen Juni 2011 und Januar 2012 übernahm der Zeuge H. auf Weisung des Angeklagten C. in den Niederlanden 27 kg Amphetamin, das er zunächst in seiner Wohnung zwischenlagerte und auf Weisung des C. in der Folgezeit in sechs Teilmengen zu je 5 kg und einer letzten Teilmenge von 2 kg am 7. März 2012 an den Zeugen W. auslieferte (Fall 43 der Anklageschrift , Einsatzstrafe von sechs Jahren).
8
Im Zeitraum April 2011 bis Februar 2012 übergab der Mitangeklagte G. in den Niederlanden im Auftrag unbekannt gebliebener Drogenhändler in zwei Fällen jeweils mindestens 5 kg Marihuana an den als Kurier für den An- geklagten C. tätigen Zeugen H. , der das Rauschgift dann in das Bundesgebiet einschleuste. Der Kurierlohn G. ' betrug 25 Euro je transportiertes Kilo (Fälle 48 und 49 der Anklageschrift).
9
In demselben Zeitraum und bis Sommer 2012 bezog der Angeklagte C. in 19 weiteren Fällen jeweils bis zu 5 kg Marihuana und 10 kg Amphetamin bei seinen holländischen Lieferanten (Fälle 50-53, 64-78 der Anklageschrift ) unter Mitwirkung der Kuriere H. und S. sowie des Mitangeklagten G. (Fälle 64-77 der Anklageschrift) und verkaufte das Rauschgift im Bundesgebiet.
10
In drei Fällen (März bis Juli 2012) hatte der Angeklagte G. jeweils mindestens 2,5 kg Marihuana zur Abholung an den Kurier H. übergeben , wobei nicht aufgeklärt werden konnte, ob Auftraggeber insoweit der Angeklagte C. oder der Zeuge Gl. war (Fälle 81-83 der Anklageschrift

).

11
Am 13. September 2012 ließ der Angeklagte C. importierte 2,5 kg Marihuana und 4 kg Amphetamin im Verkaufswert von insgesamt 30.000 Euro an den für die Käufer handelnden Kurier S. übergeben mit dem Auftrag, das Rauschgift nach Sa. zu transportieren, wo es jedoch aus ungeklärten Gründen nicht ankam (Fall 86 der Anklageschrift). Die Abnehmer, die davon ausgingen, S. habe das Rauschgift unterschlagen, wandten sich an C. , damit dieser S. unter Druck setze, um so die unterschlagenen Betäubungsmittel oder jedenfalls einen deren Wert entsprechenden Geldbetrag einzutreiben. Der Angeklagte C. , Vizepräsident des Rockerclubs MC B. , beauftragte entsprechend das Clubmitglied A. , wobei er davon ausging, dass es gegenüber dem Zeugen S. zu Drohungen und Gewaltanwendungen kommen könne. Am 22. September 2012 suchte A.
gemeinsam mit einem unbekannten Dritten den Zeugen S. auf, bedrohte ihn mit einer Schusswaffe und forderte entweder die Rückgabe der Betäubungsmittel oder die Zahlung von 60.000 Euro, die Hälfte des Betrages als Wertersatz, die andere Hälfte für die Bemühungen des Angeklagten C. bei der Eintreibung. Unter dem Eindruck der Drohung gab S. jedenfalls 1 kg bei ihm gefundenes Amphetamin heraus (Fall 87 der Anklageschrift).
12
Zwischen Oktober 2012 und Februar 2013 kam es zu vier weiteren Betäubungsmittellieferungen des Angeklagten C. an seine saarländischen Abnehmer in einer Größenordnung von bis zu 2 kg Marihuana und 5 kg Amphetamin je Geschäft. Von der letzten Lieferung konnten am 6. Februar 2013 noch 4 kg Amphetamin mit einem Wirkstoffgehalt von 13,1% Amphetaminbase sichergestellt werden (Fälle 88-91 der Anklageschrift).
13
2. Von weiteren Anklagepunkten hat das Landgericht die Angeklagten freigesprochen.
14
Was die Anklagepunkte 9-15 anbelangt, konnte sich die Strafkammer allein aufgrund der Angaben des Kurierfahrers S. nicht von der Täterschaft der Angeklagten C. und T. - die ihre Tatbeteiligung im Übrigen in allen abgeurteilten Fällen eingeräumt haben - überzeugen.
15
Hinsichtlich der Anklagepunkte 18, 26-31, 36-42, 44-47, 54-62, 81-84 und 92 konnte das Landgericht nicht ausschließen, dass den von H. in Holland übernommenen Rauschgiftlieferungen ein Auftrag des Zeugen Gl. oder eines Dritten und nicht ein solcher des Angeklagten C. zugrunde lag.
16
Vom Vorwurf des unerlaubten Handeltreibens im Fall 63 der Anklageschrift hat die Strafkammer den Angeklagten C. aus rechtlichen Gründen freigesprochen, weil es sich bei der Rückgabe von schon gelieferten (minderwertigen ) Betäubungsmitteln um keine selbständige neue Tat im Verhältnis zu den vorangegangenen Lieferungen handele.
17
Den Angeklagten G. hat das Landgericht in den Anklagepunkten 22, 25-27, 32, 33, 36-47, 50-63 und 84 freigesprochen. In diesen Fällen habe es sich entweder ausschließlich oder zumeist auch um Amphetaminlieferungen gehandelt, in die der Angeklagte G. - anders als bei Marihuanageschäften - nicht eingebunden gewesen sei.

II.

18
1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft bleiben ohne Erfolg.
19
Die Staatsanwaltschaft wendet sich ausweislich ihrer Revisionsbegründungsschrift dagegen, dass die Angeklagten C. in den Fällen 9-15, 18, 2631 , 36-42, 44-47, 54-63, 81-84 und 92 der Anklageschrift, T. in den Fällen 9-14 der Anklageschrift und G. in den Fällen 32, 33, 36-47, 50-63 und 84 der Anklageschrift freigesprochen worden sind. Soweit die Staatsanwaltschaft darüber hinaus die Freisprüche des Angeklagten C. in den Fällen 23, 24, 32 und 43 beanstandet, ist dies unverständlich, weil der Angeklagte insoweit verurteilt wurde. Ähnliches gilt für die Erwähnung der Fälle 79 und 80 der Anklageschrift , hinsichtlich derer das Verfahren auf Antrag der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist.
20
Darüber hinaus beanstandet die Staatsanwaltschaft, die Strafkammer habe den Verurteilungen in den Fällen 1-8, 16, 17, 19-21, 23-25, 32, 43, 48-53, 64-70, 75-77, 86, 89 und 90 der Anklageschrift eine zu geringe Menge Rauschgift zugrunde gelegt, in den Fällen 22, 33-35, 71-74, 78, 81-83 zu niedrige Ein- zelstrafen verhängt und die Anordnung von Wertersatzverfall nicht ausreichend begründet.
21
a) Die erhobene Formalrüge, die Strafkammer habe ihre Aufklärungspflicht verletzt, weil sie den Zeugen M. und Ma. ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO zugebilligt habe, ist jedenfalls unbegründet.
22
Beide Zeugen waren als Abnehmer bzw. als Vermittler in den Betäubungsmittelhandel der Angeklagten eingebunden. Der Zeuge Ma. war zur Zeit der Hauptverhandlung bereits rechtskräftig verurteilt, ohne dass die Revision - im Hinblick auf die Zulässigkeit der Verfahrensrüge bedenklich (vgl. Senatsurteil vom 8. Juni 2016 - 2 StR 539/15) - den Umfang seiner Verurteilung mitteilt. Die Strafkammer hat erwogen, dass noch nicht alle Drogengeschäfte zwischen Ma. und den Angeklagten bekannt seien und ihm deshalb ebenso ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht zugebilligt wie dem Zeugen M. . Dieser war wegen seiner Beteiligung an einigen Taten der Angeklagten - noch nicht rechtskräftig - verurteilt, zudem war noch ein Ermittlungsverfahren wegen einer ihm zur Last gelegten Mitwirkung im Fall 18 der Anklageschrift anhängig.
23
Dagegen ist von Rechts wegen nichts zu erinnern. Die tatsächliche Beurteilung der Verfolgungsgefahr obliegt dem Tatrichter und kann nicht zur Nachprüfung durch das Revisionsgericht gestellt werden (BGH, Urteil vom 28. November 1997 - 3 StR 114/97, BGHSt 43, 321, 326). Dass der Strafkammer Rechtsfehler dahingehend unterlaufen sind, dass es den Umfang des Auskunftsverweigerungsrechts verkannt haben könnte (vgl. BGH, Urteil vom 15. Januar 1957 - 5 StR 390/56, BGHSt 10, 104, 105), lässt sich auch nach dem Revisionsvorbringen nicht erkennen.
24
b) Der Freispruch der Angeklagten C. und G. hinsichtlich des Falles 63 der Anklageschrift ist tragfähig begründet. Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Rückabwicklung eines Betäubungsmittelgeschäfts wegen mangelhafter Qualität gegenüber dem in aller Regel vorangegangenen Erwerbsvorgang nicht als eigenständige Tat des Handeltreibens verfolgt werden kann, weil insoweit ein einheitliches Geschäft vorliegt (vgl. Senatsbeschluss vom 23. September 2009 - 2 StR 325/09, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 9, NStZ-RR 2010, 24). Tragfähige Anhaltspunkte dafür, welche der vorangegangenen Lieferung(en) dem behaupteten Rückgabegeschäft zugrunde gelegen haben, bestanden nicht, weshalb das Landgericht keine Veranlassung zu Erörterungen eventueller Bewertungseinheiten hatte. Dass die Rückabwicklung des Rauschgiftgeschäfts zu einem "Umtausch" der minderwertigen Betäubungsmittel in mangelfreie Ware geführt hätte, ist weder festgestellt noch Gegenstand der Anklage.
25
c) Gegen die Beweiswürdigung der Strafkammer bestehen keine rechtlichen Bedenken.
26
Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt , dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind; dies gilt auch, soweit der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. In sachlich-rechtlicher Hinsicht liegt ein Rechtsfehler vor, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Insbesondere sind die Beweise erschöpfend zu würdigen. Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen , erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Aus den Urteilsgründen muss sich ferner ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden. Rechtsfehlerhaft ist eine Beweiswürdigung schließlich dann, wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt worden sind. Dabei ist es weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (vgl. etwa BGH, Urteil vom 26. April 2012 - 4 StR 599/11 mwN).
27
Diesen Anforderungen wird das Urteil gerecht.
28
Soweit die Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Fälle 1-15 der Anklageschrift eine Auseinandersetzung mit Angaben des Zeugen Wa. vermisst, verkennt sie, dass sachlich-rechtliche Beanstandungen gegen die Beweiswürdigung nicht auf urteilsfremdes Vorbringen gestützt werden können. Im Übrigen hat sich die Strafkammer mit den Einlassungen der Angeklagten C. und T. einerseits und den Angaben des Belastungszeugen S. andererseits auseinandergesetzt. Die von ihr gezogenen Schlussfolgerungen sind jedenfalls möglich und damit im Rahmen der revisionsgerichtlichen Prüfung hinzunehmen.
29
Was die übrigen Freisprüche des Angeklagten C. anbelangt, genügen die Urteilsausführungen ebenfalls den an ein freisprechendes Urteil zu stellenden Anforderungen. Dass der Kurier H. neben den von dem Angeklagten C. eingeräumten Drogentransporten gleichzeitig auch für den Zeugen Gl. tätig war, ist hinreichend belegt (vgl. UA 34, 35, 64, 117 ff., 138).
30
Auf urteilsfremdes Vorbringen zu Einlassungen des Angeklagten G. können sachlich-rechtliche Beanstandungen gegen die den Teilfreisprüchen dieses Angeklagten zugrundeliegende Beweiswürdigung nicht gestützt werden. Soweit das Landgericht dem Angeklagten G. glaubt, nur Marihuana , niemals aber Amphetamin übergeben zu haben, findet diese Annahme eine hinreichende Stütze darin, dass die Zeugen Ba. und Ma. in ihren polizeilichen Vernehmungen übereinstimmend angegeben haben, das Amphetamin stamme aus einer anderen Bezugsquelle als das Marihuana. Bei letzterem habe G. eine Rolle gespielt (UA 105, 127).
31
Was die den Verurteilungen in den jeweiligen Fällenzugrunde gelegten Handelsmengen anbelangt, zeigt die Revision ebenfalls keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf. Zwar rügt die Staatsanwaltschaft zutreffend, dass die in den einzelnen Fällen festgestellten Handelspreise für Amphetamin und Marihuana extreme Schwankungen aufweisen und in dieser Form praktisch nicht nachvollziehbar sind. Von diesen Unzulänglichkeiten unberührt bleiben jedoch die - von späteren Verkaufspreisen unabhängigen - Feststellungen zu den eingeführten Drogenmengen, die im Wesentlichen auf den insoweit geständigen Einlassungen der Angeklagten beruhen. Dass die Strafkammer in Anwendung des Zweifelssatzes in einzelnen Fällen nicht die von Zeugen lediglich geschätzte höhere Handelsmenge zugrunde gelegt hat, stellt keinen Rechtsfehler dar.
32
d) Da die Feststellungen der Strafkammer zum Schuldumfang nach alledem auf einer tragfähigen Beweiswürdigung beruhen und die Strafzumessungserwägungen im Übrigen für sich nicht zu beanstanden sind, bleibt die Revision auch insoweit ohne Erfolg.
33
e) Die Anordnung des Verfalls von Wertersatz in Höhe von 100.000 € gegen den Angeklagten C. lässt ebenfalls keinen Rechtsfehler erkennen. Die Strafkammer hat bedacht, dass der Wert des Erlangten nach dem Bruttoprinzip zu bestimmen und gegebenenfalls durch Schätzung zu ermitteln ist. Außerdem hat es gemäß § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB berücksichtigt, dass der Angeklagte den größten Teil seiner erzielten Erlöse "verjubelt" hat. Vor diesem Hintergrund ist die Wertersatzverfallsanordnung - auch wenn das Landgericht seine Berechnungen im Einzelnen nicht mitteilt - noch hinnehmbar.
34
f) Die hinsichtlich des Angeklagten G. unterbliebene Entscheidung zum Anrechnungsmaßstab für die in den Niederlanden erlittene Auslieferungshaft (§ 51 Abs. 4 Satz 2 StGB) hat der Senat entsprechend § 354 Abs. 1 StPO selbst bestimmt, da eine andere Anrechnung als im Verhältnis 1 : 1 nicht in Betracht kommt.
35
2. Auch die Revision des Angeklagten C. , mit der er im Wesentlichen seine Verurteilung im Fall 87 der Anklageschrift sowie im Übrigen die Strafzumessung beanstandet, bleibt ohne Erfolg.
36
a) Der Angeklagte C. , dem die Strafkammer im Fall 87 der Anklageschrift den Einsatz der Schusswaffe durch den von ihm beauftragten "Geldbzw. Betäubungsmitteleintreiber" A. nicht zugerechnet hat, ist rechtsfehlerfrei wegen Anstiftung zur räuberischen Erpressung verurteilt worden. Wer - wie hier der deswegen noch nicht rechtskräftig verurteilte A. - einen Rauschgifthändler oder -kurier mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Herausgabe von Drogen nötigt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, macht sich der räuberischen Erpressung schuldig. Die Rechtsordnung kennt im Bereich der Vermögensdelikte kein wegen seiner Herkunft, Entstehung oder Verwendung schlechthin schutzunwürdiges Vermögen. Auch an Sachen wie Rauschgift, die jemand aufgrund einer strafbaren Handlung besitzt und als Tatmittel zur Begehung geplanter Straftaten bereitstellt, kann unbeschadet ihrer Zweckbestimmung oder Bemakelung, Erpressung und Betrug begangen werden. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 4. September 2001 - 1 StR 167/01, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Vermögenswert 3 mwN; Beschluss vom 20. September 2005 - 3 StR 295/05, NJW 2006, 72).
37
Eine vom Generalbundesanwalt beantragte Aussetzung des Verfahrens war nicht veranlasst.
38
Zwar hat der erkennende Senat - in anderer Besetzung - in derSache 2 StR 335/15 mit Beschluss vom 1. Juni 2016 die Revisionshauptverhandlung unterbrochen und, verbunden mit einer Anfrage an die übrigen Strafsenate des Bundesgerichtshofs, ob an bisheriger Rechtsprechung festgehalten werde, ausgeführt, er beabsichtige zu entscheiden: "Die Nötigung zur Herausgabe von Betäubungsmitteln richtet sich nicht gegen das Vermögen des Geschädigten und erfüllt daher nicht den Tatbestand der Erpressung."
39
Jedoch hindert ein solches Anfrageverfahren nach § 132 GVG nicht eine Sachentscheidung auf Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Dass ein Anfragebeschluss die angefragten Senate, die an der bisherigen Rechtsprechung festhalten wollen, nicht hindert, auf dieser Grundlage weiter zu entscheiden, hat der Bundesgerichtshof unter Hinweis auf eine fehlende Sperrwirkung bereits entschieden (BGH, Beschluss vom 24. August 2000 - 1 StR 349/00, BGHR GVG § 132 Anfrageverfahren 1; Beschluss vom 19. Oktober 2004 - 1 StR 427/04 mwN; sowie wenn die Rechtsfrage dem Großen Senat zur Entscheidung vorgelegt ist: BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2009 - 2 StR 433/09, NStZ 2010, 227). Ebenso wenig ist ein anfragender Senat gehindert, bei Vorliegen einer Binnendivergenz zwischen verschiedenen Sitzgruppen abweichend von seiner eigenen Anfrage zu entscheiden. Der Anfragebeschluss entfaltet keine Sperrwirkung. Er dient lediglich der Vorbereitung der Herbeiführung einer Rechtsprechungsänderung, ist aber selbst keine bindende Entscheidung, von der nicht abgewichen werden könnte. Eine Bindungswirkung entsteht erst durch den Antwortbeschluss des angefragten Senats, der seine Zustimmung zu einer Änderung der bisherigen Rechtsprechung erteilt (BGH, Beschluss vom 24. August 2000 - 1 StR 349/00, aaO). Dann kann der anfragende Senat nicht mehr zu seiner ursprünglichen Rechtsprechung zurückkehren , ohne den Großen Senat für Strafsachen anzurufen; dies deshalb, weil die Entschließung über die Antwort des angefragten Senats, er halte an der früheren Rechtsauffassung nicht mehr fest, die gleiche Bedeutung hat wie eine Revisionsentscheidung , in der er seine frühere Auffassung aufgibt (vgl. Heußner, DRiZ 1972, 119 ff.). Eine Binnendivergenz führt auch nicht zu der Verpflichtung, eine Entscheidung des - in der Sache unzuständigen - Senatsplenums herbeizuführen. Eine solche "Entscheidung" hätte für die zuständige Sitzgruppe keine rechtliche Bindungswirkung.
40
b) Die Strafzumessungsentscheidung bezüglich des Angeklagten C. ist rechtsfehlerfrei erfolgt. Die Annahme minder schwerer Fälle nur in den Fällen 1-8 und 22 der Anklageschrift ist auch in Anbetracht der unterschiedlichen Mengen des gehandelten Rauschgifts ausreichend begründet und nicht zu beanstanden. Gleiches gilt für die jeweils verhängten Einzelstrafen und die daraus gebildete Gesamtfreiheitsstrafe. Die Verfallsanordnung hat ebenfalls Bestand (vgl. oben II. 1e)). Fischer Appl Eschelbach Zeng Bartel

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 522/15
vom
7. Dezember 2016
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:071216U2STR522.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. Dezember 2016, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer, die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl, Zeng, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Bartel, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Grube, Erster Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwältin als Verteidigerin des Angeklagten H. , Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten A. , Rechtsanwalt als Vertreter des Nebenklägers S. , Justizamtsinspektorin in der Verhandlung, Justizangestellte bei der Verkündung als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten A. wird
a) das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 19. Mai 2015 aufgehoben, soweit die in dem Strafbefehl des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 7. November 2014 angeordnete Entziehung der Fahrerlaubnis und die Einziehung des Führerscheins aufrechterhalten worden sind; die Aufrechterhaltung dieser Entscheidungen entfällt ;
b) der Urteilstenor dahin klargestellt, dass der Angeklagte A. der tateinheitlich in zwei Fällen begangenen besonders schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer Schusswaffe, in einem Fall in weiterer Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig ist.
2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten A. wird verworfen.
3. Die Revision des Angeklagten H. wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Angeklagte des versuchten Wohnungseinbruchsdiebstahls, des Wohnungseinbruchsdiebstahls sowie der tateinheitlich in zwei Fällen begangenen besonders schweren räuberischen Erpressung, in einem Fall in weiterer Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie des Besitzes eines verbotenen Gegenstands (Butterflymesser) schuldig ist.
4. Die Angeklagten tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel und die dem Nebenkläger entstandenen notwendigen Auslagen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten A. wegen „schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit einer weiteren schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer Schusswaffe in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die Einzelgeldstrafen von 60 Tagessätzen und 80 Tagessätzen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 7. November 2014 – 971 Cs 860 Js 33305/14 – in Verbindung mit dem Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 23. Februar 2015 hat es gesondert bestehen lassen und auf eine Gesamtgeldstrafe von 110 Tagessätzen zu jeweils 25 EUR zurückgeführt; ferner hat es die in dem Strafbefehl angeordnete Entziehung der Fahrerlaubnis, die Einziehung des Führerscheins sowie die Fahrerlaubnissperre von elf Monaten aufrecht erhalten. Den Angeklagten H. hat das Landgericht wegen „Wohnungseinbruchsdiebstahls in zwei Fällen , wobei es in einem Fall beim Versuch geblieben ist, wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit einer weiteren schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Besitzes eines unerlaubten Gegenstandes (Butterflymesser)“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es die Unter- bringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt sowie den Vorwegvollzug von zwei Jahren und drei Monaten der Gesamtfreiheitsstrafe angeordnet sowie eine Einziehungsentscheidung getroffen.
2
Gegen diese Verurteilung wenden sich die Angeklagten A. und H. mit ihren unbeschränkt eingelegten, auf eine Formalrüge (H. ) sowie auf sachlich-rechtliche Einwendungen (A. und H. ) gestützten Revisionen.
3
Die Revision des Angeklagten A. führt zu dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen geringen Teilerfolg und erweist sich im Übrigen als unbegründet. Die Revision des Angeklagten H. hat keinen Erfolg. Der Senat sah Veranlassung , den Schuldspruch hinsichtlich beider Angeklagter dahin klarzustellen, dass sie der tateinheitlich in zwei Fällen begangenen besonders schweren räuberischen Erpressung schuldig sind.

I.


4
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
5
1. Der Angeklagte H. versuchte am 19. Februar 2014 gegen 18.45 Uhr in Begleitung eines unbekannt gebliebenen Mittäters, bei dem es sich möglicherweise um den Angeklagten A. handelte, in die Souterrainwohnung des Zeugen S. einzubrechen, um Bargeld, Wertgegenstände und möglicherweise auch Drogen zu entwenden. In Ausführung dieses Tatentschlusses begab er sich zu der rückwärtigen Seite des Wohnanwesens, hebelte mit einem unbekannt gebliebenen Werkzeug den Rollladen auf und schlug mit einem Stein ein Loch in die Wohnzimmerscheibe, um in die Wohnung einzu- dringen. Der Angeklagte gab die weitere Tatausführung auf und floh, nachdem er sich entdeckt glaubte und sein Vorhaben als gescheitert ansah. Durch die Tat entstand ein Sachschaden in Höhe von rund 2.600 EUR.
6
2. Die Angeklagten A. und H. beschlossen am 28. Februar 2014, den Zeugen S. , der mit Drogen handelte und damit prahlte, große Bargeldbeträge zu besitzen, gemeinsam in seiner Wohnung zu überfallen und auszurauben. Sie beabsichtigten, sich durch eine List Zutritt zur Wohnung zu verschaffen und sich als Polizeibeamte auszugeben; eine mögliche Verletzung des Zeugen S. oder zufällig anwesender Dritter war von ihrem Tatplannicht umfasst.
7
Nachdem sie die Wohnung ausgekundschaftet und dabei festgestellt hatten , dass der Zeuge S. sich gemeinsam mit zwei weiteren Personen in seiner Wohnung aufhielt, entfernten sie sich zunächst vom Tatort und liehen sich von einem Bekannten des Angeklagten A. eine ungeladene Schreckschusspistole Walther P 22, Kaliber 9 Millimeter, um sie bei der Tatbegehung als Drohmittel einzusetzen. Der Angeklagte A. nahm die Pistole an sich, obwohl er – wie er wusste – nicht über die hierzu erforderliche Erlaubnis verfügte. Nach dem gemeinsamen Konsum eines Gramms Kokain begaben sie sich erneut zur Wohnung des Zeugen S. , klingelten gegen 20.40 Uhr an der Haustüre, gaben sich als Polizeibeamte aus und begehrten Einlass. Der Zeuge S. veranlasste die in seiner Wohnung anwesenden Zeugen Ho. und B. dazu, das auf dem Wohnzimmertisch liegende Bargeld in Höhe von 1.735 EUR sowie eine Tupperdose mit 70 Gramm Marihuana zu verstecken. Während der Zeuge Ho. sich im Bad verbarg, öffnete der Zeuge S. die Tür. Die Angeklagten drängten den Zeugen S. in die Wohnung, bedrohten ihn mit einem Messer mit einer Klingenlänge von vier Zentimetern (H. ) sowie der ungeladenen Schreckschusspistole (A. ), die der Zeuge S.
ebenso wie der Zeuge B. für eine echte Schusswaffe hielt, und forderten die Herausgabe von Bargeld. Der Zeuge S. behauptete, kein Geld zu haben und händigte den Angeklagten unter dem Eindruck der Drohung mit Messer und Schreckschusswaffe schließlich die Tupperdose mit 70 Gramm Marihuana aus. Anschließend durchsuchte der Angeklagte H. das Wohnzimmer nach Bargeld und Wertgegenständen, während er dem ZeugenS. das Messer weiterhin an den Hals hielt; dabei fügte er ihm eine oberflächliche, rund acht Zentimeter lange Verletzung im Bereich des Halses zu. Währenddessen drängte der Angeklagte A. den Zeugen B. in das Schlafzimmer und nötigte ihn unter Vorhalt der Schreckschusspistole zur Herausgabe eines Bargeldbetrags in Höhe von 30 EUR. Der Angeklagte H. verbrachte den Zeugen S. ebenfalls in das Schlafzimmer, wo er von dem Angeklagten A. mit der Pistole bedroht wurde, während der Angeklagte H. die Wohnung erneut erfolglos nach Bargeld durchsuchte. Nachdem der Zeuge S. auf die neuerliche Frage des Angeklagten H. , wo er „das Geld“ versteckt habe, behauptete, kein Geld zu haben, versetzte der Angeklagte H. ihm einen Faustschlag ins Gesicht und brachte ihm schließlich im Verlaufe des sich nach Hilferufen des Zeugen entwickelnden Handgemenges vorsätzlich mit dem Messer eine Stichverletzung an der rechten Halsseite bei, die stark blutete und neben einer Durchtrennung der äußeren „Hals-/Schlüsselbeinblutader“ zur Eröffnung der Luftröhre führte. Anschließend flohen die Angeklagten aus der Wohnung.
8
Der Zeuge S. wurde in ein Krankenhaus eingeliefert und die Verletzung operativ versorgt. Der Heilungsverlauf gestaltete sich komplikationslos; der Zeuge konnte jedoch für mehrere Monate nur flüssige Nahrung zu sich nehmen und leidet noch immer in psychischer Hinsicht unter dem Tatgeschehen. Auch der Zeuge B. leidet seit dem Tatgeschehen unter Angstzuständen.
9
3. Der Angeklagte H. brach zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt zwischen dem 22. und dem 23. März 2014 in das Einfamilienhaus der Familie K. in Sc. ein, indem er die Terrassentür mit einem Stein einschlug und auf diesem Wege ins Innere des Hauses gelangte. Dort entwendete er Uhren, Schmuck und weitere Wertgegenstände im Wert von rund 4.500 EUR. Der durch die Tat entstandene Sachschaden betrug rund 1.100 EUR.
10
4. Der Angeklagte H. war am 3. Juni 2014 im Besitz einesButterflymessers mit einer Klingenlänge von sechs Zentimetern, obwohl er wusste, dass es sich dabei um einen verbotenen Gegenstand handelte.

II.


11
Die Revision des Angeklagten A. :
12
1. Die Revision des Angeklagten A. bleibt zum Schuldspruch ohne Erfolg. Die Feststellungen tragen die Annahme, dass der Angeklagte – auch – der vollendeten besonders schweren räuberischen Erpressung zum Nachteil des Zeugen S. schuldig ist, weil er ihn zur Herausgabe von Marihuana nötigte.
13
a)Wer – wie hier der Angeklagte A. – einen Rauschgifthändler oder -kurier mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Herausgabe von Drogen nötigt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern , macht sich der räuberischen Erpressung schuldig. Die Rechtsordnung kennt im Bereich der Vermögensdelikte kein wegen seiner Herkunft, Entstehung oder Verwendung schlechthin schutzunwürdiges Vermögen. Auch an Sa- chen wie Rauschgift, die jemand aufgrund einer strafbaren Handlung besitzt und als Tatmittel zur Begehung geplanter Straftaten bereitstellt, kann unbeschadet ihrer Zweckbestimmung oder Bemakelung Erpressung und Betrug begangen werden. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der Auffassung des Senats (BGH, Urteil vom 4. September 2001 – 1 StR 167/01, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Vermögenswert 3 mwN; Beschluss vom 20. September 2005 – 3 StR 295/05, NJW 2006, 72; Senat, Beschluss vom 22. September 2016 – 2 StR 27/16, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt

).

14
Zwar hat der erkennende Senat – in anderer Besetzung – in der Sache 2 StR 335/15 mit Beschluss vom 1. Juni 2016 die Revisionshauptverhandlung unterbrochen und, verbunden mit einer Anfrage an die übrigen Strafsenate des Bundesgerichtshofs, ob an bisheriger Rechtsprechung festgehalten werde, ausgeführt, er beabsichtige zu entscheiden: „Die Nötigungzur Herausgabe von Betäubungsmitteln richtet sich nicht gegen das Vermögen des Geschädigten und erfüllt daher nicht den Tatbestand der Erpressung.“
15
Jedoch hindert ein solches Anfrageverfahren nach § 132 GVG nicht eine Sachentscheidung auf Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Senat, Urteil vom 22. September 2016 – 2 StR 27/16, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt).
16
b) Der Senat sah jedoch Anlass, den Schuldspruch dahin klarzustellen, dass der Angeklagte A. der tateinheitlich in zwei Fällen begangenen besonders schweren räuberischen Erpressung schuldig ist.
17
2. Auch der Strafausspruch ist rechtsfehlerfrei. Zwar hat das Landgericht im Rahmen der nachträglichen Gesamtstrafenbildung (§§ 55, 53 Abs. 2 StGB) nicht bedacht, dass die im Strafbefehl des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 7. November 2014 – 971 Cs 860 Js 33305/14 – enthaltenen Entscheidungen über die Entziehung der Fahrerlaubnis sowie die Einziehung des Führerscheins bereits vollstreckt sind; ihrer Aufrechterhaltung bedurfte es daher – anders als hinsichtlich der isolierten Fahrerlaubnissperre, die zum Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung noch nicht abgelaufen war – nicht (vgl. Senat, Beschlüsse vom 29. Juli 2009 – 2 StR 264/09 und vom 28. Oktober 2009 – 2 StR 351/09, NStZ-RR 2010, 58; Meyer-Goßner/Appl, Die Urteile in Strafsachen, 29. Aufl., Rn. 86b). Der Senat hat daher den Urteilstenor entsprechend neu gefasst und die bereits vollstreckten Anordnungen entfallen lassen.

III.


18
Die Revision des Angeklagten H. :
19
1. Die Formalrüge einer Verletzung des § 265 StPO bleibt aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift genannten Gründen ohne Erfolg.
20
2. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten H. ergeben.
21
Der Schuldspruch hält rechtlicher Überprüfung stand; insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen unter II. 1. Bezug genommen. Insoweit bedurfte es lediglich einer Klarstellung des Urteilstenors, dass der Angeklagte der tateinheitlich in zwei Fällen begangenen besonders schweren räuberischen Erpressung schuldig ist.
22
Auch der Rechtsfolgenausspruch ist frei von Rechtsfehlern. Fischer Krehl Zeng Bartel Grube

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Erpressung verbunden hat.

Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen, so ist der Täter gleich einem Räuber zu bestrafen.

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
eine Schwangere zum Schwangerschaftsabbruch nötigt oder
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft,
2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt,
3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein,
4.
(weggefallen)
5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt,
6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel
a)
verschreibt,
b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt,
6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht,
7.
entgegen § 13 Absatz 2
a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke,
b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
abgibt,
8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt,
9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen,
10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet,
11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt,
12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind,
13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt,
14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
Die Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Betäubungsmittelabhängige und die öffentliche Information darüber sind kein Verschaffen und kein öffentliches Mitteilen einer Gelegenheit zum Verbrauch nach Satz 1 Nr. 11.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt,
2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.

(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.

(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR92/15
vom
21. April 2015
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 21. April 2015 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten V. wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 1. Juli 2014 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit bewaffnetem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, schwerem Raub, gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr und Fahren ohne Fahrerlaubnis (II. 3 der Urteilsgründe) verurteilt worden ist,
b) im Gesamtstrafen- und Maßregelausspruch.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Rechtsmittels – an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitführung von Waffen (II. 1 und 2 der Urteilsgründe) sowie wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge mit Waffen, schwerem Raub, gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr und Fahren ohne Fahrerlaubnis (II. 3 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und sichergestelltes Marihuana eingezogen. Dazu hat es bestimmt , dass drei Jahre der Freiheitsstrafe vor der Unterbringung zu vollziehen sind und die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von drei Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf zwei Verfahrensrügen und die ausgeführte Sachrüge gestützten Revision.

I.


2
Das Landgericht hat die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
1. Im Vorfeld des 22. Juli 2013 vereinbarte der Angeklagte mit dem unbekannt gebliebenen späteren Geschädigten den Verkauf von ca. drei Kilogramm Marihuana zu einem Preis von 18.000 Euro. Die Übergabe sollte am 22. Juli 2013 um 19.00 Uhr auf dem Parkplatz eines Baumarktes in E. erfolgen. Am frühen Abend des 22. Juli 2013 fuhr der Angeklagte mit einem Pkw zu dem verabredeten Treffpunkt. Dabei führte er neben dem zu übergebenden Marihuana (2937 Gramm mit einem THC-Anteil von 399,45 Gramm) auch ein Pfefferspray griffbereit mit sich. Bei dem vereinbarten Treffen, an dem neben dem Angeklagten und dem Geschädigten noch weitere Personen teilnahmen , gelangte der Geschädigte auf eine nicht mehr aufklärbare Weise in den Besitz des in drei Tüten verpackten Marihuanas und konnte damit ohne Bezahlung des Kaufpreises zu Fuß flüchten (Fälle II. 1 und 2 der Urteilsgründe).
4
Der Angeklagte wollte den Verlust des Rauschgiftes nicht hinnehmen. Er beschloss daher, den Geschädigten mit dem Pkw zu suchen und zu verfolgen, um sich wieder in den Besitz des Marihuanas zu bringen und dieses anschließend erneut gewinnbringend zu verkaufen. In der Folge befuhr der keine Fahrerlaubnis besitzende Angeklagte verschiedene öffentliche Straßen, ehe er den Geschädigten auf dem linksseitigen Gehweg der F. Straße in gleicher Bewegungsrichtung gehend entdeckte. Der Angeklagte beschleunigte sein Fahrzeug, lenkte dieses plötzlich über die Gegenfahrbahn hinweg auf den linksseitigen Gehweg und fuhr dem Geschädigten mit etwa 39,6 km/h hinterher. Nach seinem Tatplan wollte er den Geschädigten durch ein An- oder Umfahren mit dem Pkw an der weiteren Flucht hindern. Dabei stellte er sich vor, dass er den Geschädigten auf diese Weise zu Fall bringen könne, um sodann auszusteigen und das Marihuana wieder in seinen Besitz zu bringen. In der Folge fuhr der Angeklagte gezielt auf den infolge seiner Lauf- und Blickrichtung in seinen Reaktionsmöglichkeiten stark eingeschränkten Geschädigten zu und nahm dabei auch ein Überfahren und damit den Tod des Geschädigten billigend in Kauf. Der Geschädigte bemerkte erst im letzten Moment das hinter ihm fahrende Fahrzeug und sprang/stürzte nach rechts in Richtung der Fahrbahn. Der Angeklagte lenkte seinen Pkw ebenfalls nach rechts, um den Geschädigten zu erfassen , wobei er auch weiterhin dessen Tod in Kauf nahm. Das Fahrmanöver endete abrupt, indem der Angeklagte frontal mit seinem Pkw gegen einen Baum prallte. Dabei entstand an dem Pkw – wie der Angeklagte auch wahrnahm – ein Totalschaden. Die Airbags waren ausgelöst, die Frontscheibe gebrochen und die Fahrzeugfront stark eingedrückt. Der Angeklagte zog sich blutende Verletzungen am linken Arm und im Gesicht zu. Der Geschädigte konnte sich nach einem Sturz auf die Fahrbahn aufrappeln und rannte mit dem Marihuana davon. Der Angeklagte stieg trotz seiner Verletzungen unmittelbar nach dem Anprall aus seinem Fahrzeug aus und rannte dem Geschädigten hinterher. Es gelang ihm, den Geschädigten einzuholen und ihn in eine körperliche Auseinandersetzung zu verwickeln, bei der er auch das mitgeführte Pfefferspray einsetzte. Im Verlauf der Auseinandersetzung brachte der Angeklagte die drei Tüten mit dem Marihuana wieder an sich, wobei nicht geklärt werden konnte, ob der Geschädigte das Rauschgift infolge der Gewalteinwirkung durch den Einsatz des Pfeffersprays fallen ließ oder ihm die Tüten von dem Angeklagten im Verlauf der Auseinandersetzung entrissen wurden (Fall II. 3 der Urteilsgründe).
5
2. Das Landgericht hat in der Vereinbarung des Geschäftes über drei Kilogramm Marihuana und dem Verbringen des Rauschgiftes zum Übergabeort unter Mitführung eines Pfeffersprays ein bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG gesehen. Die sich anschließende Verfolgungsfahrt, den Versuch den Geschädigten zum Zwecke der Wiederbeschaffung des Rauschgifts anzufahren und die abschließende gewaltsame Beibringung des Marihuanas, um dieses erneut zu verkaufen , hat es als zur Ermöglichung einer Straftat begangenen versuchten Mord (§§ 211, 22, 23 StGB) und (hierzu jeweils in Tateinheit stehend) bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG), schweren Raub (§ 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB), gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr (§ 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB) und (vorsätzliches) Fahren ohne Fahrerlaubnis (§ 21 Abs. 1 StVG) gewertet.

II.


6
Die Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg.
7
1. Die tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Mordes gemäß §§ 211, 23 Abs. 1, § 22 StGB im Fall II. 3 der Urteilsgründe kann nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht einen strafbefreienden Rücktritt mit nicht tragfähigen Erwägungen verneint hat.
8
a) Das Landgericht hat einen Rücktritt vom versuchten Mord mit der Begründung abgelehnt, es liege ein fehlgeschlagener Versuch vor. Dem Angeklagten sei bewusst gewesen, dass er mit anderen Mitteln (als durch einen Zusammenstoß mit dem Pkw) keine Chance gehabt hätte, den Unbekannten einzuholen und aufzuhalten. Dies stehe aufgrund seiner ausgeprägt adipösen Statur fest. Durch den Anprall an den Baum habe der Pkw einen Totalschaden erlitten , sodass der Angeklagte seinen Tatplan mit dem eingesetzten Pkw nicht mehr habe weiterverfolgen können. Insofern sei „eine Zäsur eingetreten“. Der Angeklagte habe „nach seinem Rücktrittshorizont“ erkannt, dass er die Tat des- halb nicht mehr so wie vorgestellt vollenden konnte (UA 54).
9
b) Diese Begründung trägt die Annahme eines fehlgeschlagenen Versuchs nicht.
10
aa) Ein Versuch ist fehlgeschlagen, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt. Maßgeblich dafür ist nicht der ursprüngliche Tatplan, dem je nach Fallgestaltung allenfalls Indizwirkung für den Erkenntnishorizont des Täters zukommen kann, sondern dessen Vorstellung nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung (BGH, Beschluss vom 15. Januar 2015 – 4 StR 560/14, Rn. 6; Beschluss vom 22. März 2012 – 4 StR 541/11, NStZ-RR 2012, 239, 240; Beschluss vom 2. November 2007 – 2 StR 336/07, NStZ 2008, 393). Ein Fehlschlag liegt nicht bereits darin, dass der Täter die Vorstellung hat, er müsse von seinem Tatplan abweichen, um den Erfolg herbeizuführen. Hält er die Vollendung der Tat im unmittelbaren Handlungsfortgang noch für möglich, wenn auch mit anderen Mitteln, so ist der Verzicht auf ein Weiterhandeln als freiwilliger Rücktritt vom unbeendeten Versuch zu bewerten (BGH, Beschluss vom 22. März 2012 – 4 StR 541/11, NStZ-RR 2012, 239, 240; Beschluss vom 26. September 2006 – 4 StR 347/06, NStZ 2007, 91). Fehlgeschlagen ist der Versuch erst, wenn der Täter erkennt oder die subjektive Vorstellung hat, dass es zur Herbeiführung des Erfolgs eines erneuten Ansetzens bedürfte, etwa mit der Folge einer zeitlichen Zäsur und einer Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs, sodass sich das Geschehen aus der Perspektive eines Dritten nicht mehr als ein einheitlicher Lebenssachverhalt darstellen würde (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 – GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 232; Urteil vom 8. Februar 2007 – 3 StR 470/06, NStZ 2007, 399; Urteil vom 30. November 1995 – 5 StR 465/95, BGHSt 41, 368, 369).
11
bb) Zu der Vorstellung des Angeklagten nach dem Misslingen des zunächst ins Auge gefassten Tatablaufs – nach dem Anprall an den Baum und dem Totalschaden des Fahrzeugs – enthält das Urteil keine konkreten Feststellungen. Soweit das Landgericht in der rechtlichen Würdigung anführt, dem An- geklagten sei aufgrund seiner „ausgeprägten adipösen Statur“ bewusst gewe- sen, dass er keine Chance gehabt hätte, den Unbekannten mit anderen Mitteln (als dem Einsatz des Fahrzeugs) einzuholen und aufzuhalten, lässt sich dies nicht mit der Feststellung in Einklang bringen, dass er nach dem Anprall sofort dem Geschädigten zu Fuß nachsetzte und es ihm tatsächlich gelang, das Marihuana gewaltsam wieder an sich zu bringen. Dabei kann der Beweiswürdigung (Auswertung der Videoaufzeichnungen) entnommen werden, dass zwischen dem Aufspringen des Geschädigten nach dem Anprall des Pkw (19:30:04 Uhr Systemzeit) und dem Wiedererscheinen des Angeklagten mit dem (wiedererlangten ) Marihuana (19:32:16 Uhr Systemzeit) nur etwas mehr als zwei Minuten lagen (UA 36). Die weitere Erwägung der Strafkammer, der Totalschaden an dem Fahrzeug habe zu einer „Zäsur“ geführt, weil der Angeklagte erkannt habe, dass er die Tat nicht mehr wie vorgestellt vollenden konnte (UA 54), lässt besorgen, dass das Landgericht allein in der Vorstellung des Angeklagten, er müsse zur Erreichung des Erfolgs vom Tatplan abweichen, einen ausreichenden Gesichtspunkt für die Annahme eines Fehlschlags gesehen hat.
12
c) Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Die Aufhebung betrifft auch die tateinheitlich erfolgten Verurteilungen wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge , schweren Raubes, gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und Fahrens ohne Fahrerlaubnis (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2011 – 3 StR 231/11, BGHSt 57, 14, Rn. 25; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 353 Rn. 7a mwN). Sie zieht zudem die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs und der auf § 69a StGB gestützten Maßregelanordnung nach sich.
13
2. Die an die von der Teilaufhebung im Schuldspruch nicht betroffene Verurteilung wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall II. 1 und 2 der Urteilsgründe) anknüpfende Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) kann nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht das Vorliegen eines symptomatischen Zusammenhangs mit unzureichenden Erwägungen bejaht hat. Auch die Annahme einer hinreichenden Erfolgsaussicht ist nicht rechtsfehlerfrei begründet.
14
a) Die sachverständig beratene Strafkammer hat einen symptomatischen Zusammenhang zwischen dem rechtsfehlerfrei festgestellten Hang (psychische Cannabisabhängigkeit, beginnende Kokainabhängigkeit) und dem „angeklagten Drogengeschäft“ allein damit begründet, dass „eine solche Tat ohne diezuvor geschilderte Suchtentwicklung und ohne Kenntnisse des Drogenmilieus nicht zustande gekommen“ wäre (UA 67). Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Ein symptomatischer Zusammenhang ist zu bejahen, wenn der Hang allein oder zusammen mit anderen Umständen dazu beigetragen hat, dass der Täter eine erhebliche rechtswidrige Tat begangen hat und dies bei unverändertem Suchtverhalten auch für die Zukunft zu besorgen ist (BGH, Beschluss vom 6. November 2013 – 5 StR 432/13, Rn. 4; Beschluss vom 30. Juli 2013 – 2 StR 174/13, NStZ-RR 2013, 340; Beschluss vom 25. Mai 2011 – 4 StR 27/11, NStZ-RR 2011, 309; Beschluss vom 19. Mai 2009 – 3 StR 191/09, BGHR StGB § 64 Zusammenhang, symptomatischer 5 mwN). Dabei kann es zwar auch ausreichend sein, dass sich der Täter nur wegen seines übermäßigen Konsums berauschender Substanzen in dem „sozialen Milieu" aufgehalten hat, in dem es zu der Tat kam (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Januar 2014 – 1 StR 531/13, NStZ 2014, 107; zum sog. indirekten symptomatischen Zusammenhang Schöch in Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 64 Rn. 40; SSW-StGB/Kaspar, 2. Aufl., § 64 Rn. 27). Hierzu bedarf es aber konkreter Feststellungen und einer am Fall orientierten Bewertung (vgl. Fischer, StGB, 62. Aufl., § 64 Rn. 13). Dafür reicht die lediglich allgemein gehaltene und nicht durch bestimmte Tatsachen belegte Erwägung des Landgerichts nicht aus.
15
b) Zur Begründung seiner Annahme einer hinreichend konkreten Aussicht auf einen Behandlungserfolg (§ 64 Satz 2 StGB) hat das Landgericht lediglich ausgeführt, dass der Angeklagte Krankheits- und Behandlungseinsicht gezeigt und in der Hauptverhandlung eine ausreichende Therapiemotivation zu erkennen gegeben habe (UA 68). Damit wird die Strafkammer den rechtlichen Anforderungen, die an die Bejahung einer konkreten Erfolgsaussicht zu stellen sind, nicht gerecht. Zwar handelt es sich bei den angeführten Gesichtspunkten um prognosegünstige Umstände (vgl. van Gemmeren in MüKoStGB, 2. Aufl., § 64 Rn. 67 mwN). Sie allein vermögen die Annahme einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht aber nicht zu belegen, wenn nach den Feststellungen – wie hier – auch gewichtige prognoseungünstige Faktoren bestehen (vgl. BGH, Urteil vom 10. April 2014 – 5 StR 37/14, NStZ 2014, 315; Beschluss vom 21. Januar 2014 – 2 StR 650/13, Rn. 5 ff.). In einem solchen Fall bedarf es einer Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit und aller sonstigen prognoserelevanten Umstände (BGH, Beschluss vom 25. Mai 2011 – 4 StR 27/11, NStZ-RR 2011, 309; Urteil vom 21. Juli 2000 – 1 StR 263/00, NJW 2000, 3015, 3016). Hieran fehlt es. Der vielfach vorbestrafte Angeklagte ist berufslos und hat lediglich „Gelegenheitsjobs“ ausgeübt.Seit seinem 16. Lebensjahr konsumiert er täglich Betäubungsmittel. Von dem Sachverständigen wird er als unreife und unselbstständige Persönlichkeit mit dependenten Zügen und dissozial krimineller Prägung beschrieben. Im Jahr 2012 brach er eine stationäre Drogentherapie nach drei Monaten wegen eines Trauerfalls ab. Eine sich anschließende ambulante Therapie scheiterte. Eine ihm am 1. Dezember 2012 gewährte Rückstellung nach § 35 BtMG musste widerrufen werden. Alle genannten Umstände sind prognoseungünstig (vgl. BGH, Urteil vom 10. April 2014 – 5 StR 37/14, NStZ 2014, 315; Schalast in Kröber/Dölling/Leygraf/Sass, Handbuch der Forensischen Psychiatrie, Bd. 3, S. 341; van Gemmeren in MüKoStGB, 2. Aufl., § 64 Rn. 65 mwN) und hätten daher der Erörterung bedurft.
16
3. Die weitere Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Das Landgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass das in der Vereinbarung des Betäubungsmittelgeschäftes über drei Kilogramm Marihuana zu einem Preis von 18.000 Euro und dem anschließenden Transport des Rauschgiftes zum Übergabeort liegende (bewaffnete) Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge mit dem Besitzverlust des Angeklagten und der in der Flucht des Geschädigten liegenden endgültigen Verweigerung einer Bezahlung beendet war (vgl. BGH, Urteil vom 1. Oktober 1997 – 2 StR 520/96, NJW 1998, 168, 170).

III.


17
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf das Folgende hin:
18
1. Ein vollendeter gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr im Sinne des § 315b Abs. 1 StGB liegt erst dann vor, wenn durch eine der in § 315b Abs. 1 Nr. 1 bis 3 StGB genannten Tathandlungen eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs herbeigeführt worden ist und sich diese abstrakte Gefahrenlage zu einer konkreten Gefährdung von Leib und Leben eines anderen Menschen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert verdichtet hat (BGH, Beschluss vom 9. September 2014 – 4 StR 251/14, NStZ 2015, 278; Beschluss vom 18. Juni 2013 – 4 StR 145/13, Rn. 7; SSW-StGB/Ernemann, 2. Aufl., § 315b Rn. 5, 17). Hierzu sind konkrete Feststellungen erforderlich, aus denen sich ergibt, dass durch die Tathandlung ein so hohes Verletzungsoder Schädigungsrisiko begründet worden ist, dass es nur noch vom Zufall abhängt , ob es zu einer Rechtsgutsverletzung kommt (BGH, Beschluss vom 26. Juli 2011 – 4 StR 340/11, BGHR StGB § 315b Abs. 1 Gefährdung 6; Urteil vom 30. März 1995 – 4 StR 725/94, NJW 1995, 3131; SSW-StGB/Ernemann, 2. Aufl., § 315b Rn. 16). Die Gefährdung des dem Täter nicht gehörenden, aber als Tatwerkzeug benutzten Fahrzeugs genügt dazu nicht (BGH, Urteil vom 16. Januar 1992 – 4 StR 509/91, NStZ 1992, 233, 234). Der neue Tatrichter wird diese Grundsätze – näher als bisher geschehen – in den Blick zu nehmen haben.
19
2. Nicht verkehrsfähige Betäubungsmittel, wie das in Anlage I zu § 1 Abs. 1 BtMG gelistete Marihuana, können nach ständiger Rechtsprechung fremde bewegliche Sachen und damit Tatobjekt eines Raubes oderDiebstahls sein (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 2015 – 4 StR 538/14, StraFo 2015, 216 [schwerer Raub von Marihuana]; Urteil vom 29. Oktober 2009 – 4 StR 239/09, NStZ 2010, 222, 223 [Diebstahl von Haschisch]; Urteil vom 4. September 2008 – 1 StR 383/08, NStZ-RR 2009, 22, 23 [Diebstahl von Marihuana]; Beschluss vom 20. September 2005 – 3 StR 295/05, NJW 2006, 72 [Raub von Heroin]; Urteil vom 20. Januar 1982 – 2 StR 593/81, BGHSt 30, 359, 360 [Diebstahl von Haschisch]; Beschluss vom 4. Dezember 1981 – 3 StR 408/81, BGHSt 30, 277, 278 [versuchter Diebstahl von Haschisch]; Oglakcioglu, ZJS 2010, 340, 344 f.; Vitt, NStZ 1992, 221; Kotz in MüKoStGB, 2. Aufl., § 29 BtMG Rn. 1084; SSWStGB /Kudlich, 2. Aufl., § 242 Rn. 16; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 242 Rn. 5; a.A. Wolters in Festschrift Samson, 2010, S. 495, 500 ff.; Schmitz in MüKoStGB, 2. Aufl., § 242 Rn. 14; Engel, NStZ 1991, 520; krit. in Bezug auf den Gewahrsamsbegriff Hillenkamp in Festschrift für Achenbach, 2011, S. 189, 205). Sollte der neue Tatrichter (wiederum) zu der Feststellung gelangen, dass der Angeklagte dem Geschädigten das Marihuana gewaltsam abgenommen hat, wäre diese Tat auch dann nicht nach § 859 Abs. 2 BGB (Besitzkehr) gerechtfertigt, wenn – gegebenenfalls in Anwendung des Zweifelsgrundsatzes – davon ausgegangen werden müsste, dass ihm der Besitz zuvor von dem Geschädigten durch verbotene Eigenmacht entzogen und der Geschädigte danach von dem Angeklagten „auf frischer Tat verfolgt wurde“. Die Besitzschutzrechte und damit auch die Besitzkehr nach § 859 Abs. 2 BGB sind Ausdruck eines allgemeinen Friedensschutzes, indem sie die auf dem Besitz beruhende vorläufige Güterzuordnung aufrecht erhalten (vgl. BGH, Urteil vom 23. Februar 2001 – V ZR 389/99, NJW 2001, 1865, 1867; Urteil vom 23. Februar 1979 – V ZR 133/76, NJW 1979, 1359, 1360; Sosnitza, Besitz und Besitzschutz, 2003, S. 37 f.). Für ihre Anwendung ist aber kein Raum, wenn der konkrete Besitz als solcher bei Strafe verboten ist (zum Besitzschutz bei lediglich fehlerhaftem, nicht strafbewehrtem Besitz vgl. RG, Urteil vom 11. Juni 1926 – I 159/26, RGSt 60, 273, 277 f.) und eine im Anschluss an eine Besitzentziehung geübte Besitzkehr deshalb – wie hier – erneut zu einer strafrechtswidrigen Besitzlage führen würde. Aus dem gleichen Grund kann für den Verlust des Besitzes an Betäubungsmitteln auch kein Schadensersatz durch Wiedereinräumung des Besitzes im Wege einer Naturalrestitution nach § 249 Abs. 1 BGB verlangt werden (BGH, Urteil vom 7. August 2003 – 3 StR 137/03, BGHSt 48, 322, 326 f.; vgl. Hillenkamp in Festschrift für Achenbach, 2011, S. 189, 205).
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3. Sollte der neue Tatrichter wiederum die DNA-analytische Untersuchung des Hessischen Landeskriminalamts vom 10. September 2013 als Beweismittel heranziehen, wird er die für derartige Gutachten bestehenden Darstellungsanforderungen zu beachten haben (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2014 – 1 StR 364/14, NStZ-RR 2015, 87; Urteil vom 5. Juni 2014 – 4 StR 439/13, NJW 2014, 2454).
Sost-Scheible Cierniak Franke
Mutzbauer Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 295/05
vom
20. September 2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen schweren Raubes
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 20. September 2005
einstimmig beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Flensburg vom 11. April 2005 werden als unbegründet verworfen. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Das Landgericht hat die Angeklagten wegen "gemeinschaftlichen" schweren Raubes zu Freiheitsstrafen verurteilt. Hiergegen richten sich ihre auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen. Die Rechtsmittel bleiben erfolglos. Nach den Feststellungen des Landgerichts nahmen die drogenabhängigen Angeklagten der Geschädigten, die ebenfalls Heroinkonsumentin war, unter Einsatz eines Messers ca. 4 bis 6 g Heroin weg. Die Überprüfung des Urteils zum Schuld- und Strafausspruch hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Insbesondere hält die rechtliche Bewertung des Tatgeschehens als schwerer Raub der Nachprüfung stand. Anlass zu näherer Erörterung gibt lediglich die Beanstandung der Revision des Angeklagten P. , eine Verurteilung wegen eines Eigentumsdelikts sei nicht möglich, weil es sich bei dem weggenommenen Betäubungsmittel
nicht um eine fremde Sache handele. Diese Rüge ist nicht begründet; die weggenommenen Drogen waren für die Angeklagten fremd. Der Bundesgerichtshof hat auch illegal besessene Drogen in seiner bisherigen Rechtsprechung ohne nähere Begründung als taugliche Objekte für Eigentumsdelikte wie Diebstahl nach § 242 StGB oder Raub nach § 249 StGB angesehen (vgl. BGH NJW 1982, 708; 1982, 1337 f.). Eine Überprüfung unter Berücksichtigung der hiergegen erhobenen Einwände gibt keinen Anlass zu einer Än derung dieser Auffassung. Fremd ist eine Sache wenn sie verkehrsfähig ist, das heißt überhaupt in jemandes Eigentum stehen kann, nicht herrenlos ist und nicht im Alleineigentum des Täters steht (vgl. Ruß in LK 11. Aufl. § 242 Rdn. 6 ff.). Nach dem festgestellten Sachverhalt war das weggenommene Heroin weder derelinquiert noch im Eigentum der Täter. Es handelte sich aber auch um eine verkehrsfähige Sache, die im Eigentum eines anderen stand:
1. Als verkehrsunfähig werden allgemein Sachen angesehen, die nach ihrer Beschaffenheit nicht im Eigentum eines anderen stehen können, etwa die Luft in der Atmosphäre, frei fließendes Wasser u. ä. (vgl. Ruß aaO Rdn. 8); dies trifft für Betäubungsmittel ersichtlich nicht zu.
2. Das Merkmal der Verkehrsfähigkeit illegaler Drogen wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass das Eigentum an ihnen nach den Verbotsvorschriften des Betäubungsmittelgesetzes in Verbindung mit § 134 BGB nicht rechtsgeschäftlich übertragen werden kann.

a) Eine Mindermeinung vertritt demgegenüber die Auffassung, dass zwar ein ursprüngliches - etwa durch Produktion - erlangtes Eigentum trotz der
Nichtigkeit etwaiger Übertragungsakte formal fortbestehe, aber nicht mehr feststellbar und vom Vorsatz eines Täters nicht umfasst sei (so Engel, NStZ 1991, 520 ff.), bzw. auf eine "leere Begriffshülse" reduziert sei und deshalb kein Grund für einen strafrechtlichen Schutz bestehe (so Schmitz in MüKo § 242 Rdn. 14).

b) Dem folgt der Senat in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung nicht (vgl. Ruß aaO Rdn. 8; Eser in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 242 Rdn. 19; Kindhäuser in Nomos Kommentar zum StGB § 242 Rdn. 21; Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl. § 242 Rdn. 9; Maurach/Schroeder/Maiwald § 32 Rdn. 25; Mitsch BT II/1 § 1 Rdn. 34; Wessels/Hillenkamp Rdn. 62; Marcelli NStZ 1992, 220; Vitt, NStZ 1992, 221).
aa) Soweit Engel (aaO) illegal besessene Drogen für "eigentumsunfähig" hält, übersieht er, dass die Vorschriften des BtMG in Verbindung mit § 134 BGB wohl die rechtsgeschäftliche Begründung neuen Eigentums hindern, aber ohne Auswirkung auf bestehende Eigentumsverhältnisse sind. So verliert der Produzent von Marihuana das Eigentum nicht allein dadurch, dass der Anbau und der Besitz von Betäubungsmitteln ohne Erlaubnis verboten sind. Im Übrigen haben Marcelli und Vitt (aaO) im Einzelnen nachgewiesen, dass Konstellationen möglich sind, in denen Eigentum an illegalen Drogen auch auf nicht rechtsgeschäftliche Weise erlangt werden kann, die nicht von § 134 BGB erfasst ist, was insbesondere für die Produktion und Bearbeitung gilt. Zudem haben sie zu Recht darauf hingewiesen, dass illegale Drogen ganz überwiegend aus dem Ausland kommen und somit ein etwaiger Eigentumserwerb nach den möglicherweise nach Land und Drogenart unterschiedlichen ausländischen Rechtsordnungen beurteilt werden müsste.

Im Übrigen vermengt Engel (aa0) Fragen der dogmatischen Einordnung in unzulässiger Weise mit Fragen der Beweisbarkeit von objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmalen. Für die Verurteilung wegen eines Eigentumsdeliktes genügt jedoch die Feststellung, dass fremdes Eigentum verletzt ist; nicht notwendig ist die Ermittlung der Person des Eigentümers. Dementsprechend ist es auch belanglos, welche Vorstellungen der Täter über die Person des Eigentümers hat; es genügt, dass er weiß, dass die Drogen nicht in seinem Alleineigentum stehen und nicht herrenlos sind.
bb) Demgegenüber räumt Schmitz (aaO) zwar ein, dass auch an illegalen Drogen Eigentum bestehen könne. Er stellt jedoch darauf ab, dass der Eigentümer - etwa nach einem Verkauf - nicht mehr betroffen ist. Selbst wenn die Sache bei ihm gestohlen werden würde, wäre er in seinen Rechten aus § 903 BGB nicht beeinträchtigt, da ihm diese im Hinblick auf die Verbotsvorschriften des BtMG nicht zustehen (Schmitz aaO). Dabei bleibt unberücksichtigt, dass die Strafvorschriften zum Schutz des Eigentums nach § 242, § 259 StGB für den Begriff der fremden Sache allein auf die formale Eigentumsposition, nicht aber auf die tatsächliche oder rechtliche Verfügbarkeit abstellen. Auch ein Eigentümer , der infolge Beschlagnahme, Insolvenz, Verpfändung o. ä. über sein Eigentum nicht mehr verfügen kann, wird durch diese Bestimmungen uneingeschränkt geschützt (vgl. Ruß, aaO Rdn. 7). Im Übrigen trifft es nicht zu, dass die Rechte eines Eigentümers aus § 903 BGB durch die Vorschriften des BtMG völlig beseitigt werden. Zu diesen zählt das - durch diese Vorschriften unberührte - Recht auf Eigentumsaufgabe und Vernichtung (vgl. Palandt, BGB 62. Aufl. § 903 Rdn. 5). Auch der Verbrauch selbst wird durch das BtMG nicht verboten , strafbar wäre insoweit nur der diesem vorausgehende Besitz.

Diese Auffassung steht in Übereinstimmung mit der Rechtslage bei einer Entziehung illegaler Drogen durch eine räuberische Erpressung. Hätten die Angeklagten bei dem Überfall die Filmdose nicht selbst weggenommen, sondern sich von der durch ein Messer bedrohten Geschädigten herausgeben lassen , wäre deren Vermögen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Nachteil zugefügt worden, was die Annahme eines Verbrechens der schweren räuberischen Erpressung gerechtfertigt hätte (BGHR StGB § 253 Abs. 1 Vermögenswert 3 m. w. N.).

c) Soweit Engel (aaO) darauf abstellt, ein Strafbedürfnis wegen der Verletzung fremden Eigentums entfalle schon deswegen, weil die Strafvorschriften des Betäubungsmittelgesetzes eine ausreichende Ahndung ermöglichten, ist diese Argumentation bereits für sich dogmatisch fragwürdig und übersieht zudem , dass damit der Täter eines Drogendiebstahls oder gar eines Drogenraubes mit einem Käufer, der sich seinen Bedarf aus eigenen Geldmitteln kauft, auf eine Stufe gestellt wird, obgleich der Schuldgehalt nicht vergleichbar ist. Besonders augenfällig wird dies im hier zu entscheidenden Fall, in dem - ohne Berücksichtigung einer Strafmilderung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB - der Strafdrohung wegen schweren Raubes nach § 250 Abs. 2 StGB mit einem Strafrahmen von fünf bis fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe nur eine Strafdrohung nach § 29 Abs. 1 BtMG von Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren gegen-überstehen würde.
Winkler Miebach von Lienen Becker Hubert

Nachschlagewerk: ja BGHSt: nein Veröffentlichung: ja __________________

StGB § 242 Abs. 1, § 259 Abs. 1
Illegal erworbene Drogen können tauglicher Gegenstand eines Eigentumsdeliktes sein.
BGH, Beschl. vom 20. September 2005 - 3 StR 295/05 - LG Flensburg

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.