Bundesgerichtshof Urteil, 08. Nov. 2016 - 1 StR 492/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:081116U1STR492.15.0
bei uns veröffentlicht am08.11.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 492/15
vom
8. November 2016
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
zu 2.: unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:081116U1STR492.15.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung vom 27. Oktober 2016 in der Sitzung am 8. November 2016, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf, Prof. Dr. Jäger, Prof. Dr. Radtke und die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Fischer,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung vom 27. Oktober 2016 – als Verteidiger des Angeklagten U. ,
Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten G. ,
Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten G. wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 18. Juni 2015 im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben.
Die weitergehende Revision des Angeklagten G. wird verworfen.
2. Auf die Revision des Angeklagten U. wird das vorgenannte Urteil
a) im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte der Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln schuldig ist und
b) im gesamten Strafausspruch aufgehoben.
Die weitergehende Revision des Angeklagten U. wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten G. wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen vorsätzlichen Besitzes einer verbotenen Waffe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sowie den Vorwegvollzug eines Teils der Strafe angeordnet. Den Angeklagten U. hat es wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Im Übrigen wurden die Angeklagten freigesprochen.
2
Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten G. beanstandet insbesondere die Bestimmung der nicht geringen Menge des Wirkstoffgehalts von Schlafmohnkapseln „analog“ zu Opium. Der Angeklagte U. hat die nicht ausgeführte Sachrüge erhoben.
3
Die Revisionen der Angeklagten haben den aus dem Urteilstenor ersichtlichen Erfolg.

I.

4
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts erwarb der Angeklagte G. im Januar 2014 in einem Geschäft in Wien (Österreich) etwa 48 kg Schlafmohnkapseln, die dort zu dekorativen Zwecken verkauft wurden. Der Angeklagte U. hatte ihm 1.000 € mitgegeben und gebeten, auch für ihn solche Kapseln mitzubringen. Er war davon ausgegangen, mindestens 10 kg zu erhalten , hatte aber auch eine Menge bis zu 15 kg billigend in Kauf genommen und es für möglich gehalten, dass der Angeklagte G. eine ähnlich große Menge für sich selbst erwerben würde; mit mehr als 30 kg hatte er jedoch nicht gerechnet.
5
Der Angeklagte G. bewahrte die Kapseln und – absprachegemäß auch den etwa 15 kg betragenden Anteil des Angeklagten U. – in seiner Wohnung und in der Garage auf. Üblicherweise konsumierte er morgens und abends je zwei Teelöffel gemahlener Kapseln mit warmem Wasser. Verlangte der Angeklagte U. Mohnkapseln, händigte ihm G. (gemahlene) Kapseln aus.
6
Am 4. April 2014 wurde die Garage des Angeklagten G. durchsucht. Es wurden 32,4 kg Schlafmohnkapseln sichergestellt. Eine Durchsuchung des Anwesens selbst am 23. Oktober 2014 führte zur Sicherstellung von knapp 16 kg – zum Teil gemahlener – Kapseln und eines Schlagringmessers.
7
In der Wohnung des Angeklagten U. wurden 42,4 g gemahlene Kapseln sichergestellt.
8
Der Wirkstoffgehalt der Mohnkapseln lag zwischen 0,19 % und 1,55 % Morphinbase und 0,017 % und 0,27 % Codeinbase.
9
2. Die „nicht geringe Menge“ im Sinne von § 29a Abs. 1 Nr. 2, § 30 Abs. 1 BtMG hat die Kammer – sachverständig beraten – „analog“ zu Opium bestimmt. Schlafmohnkapseln seien opiumähnlich. Opium werde im Regelfall im Gegensatz zu Morphintabletten geraucht und die nicht geringe Menge deshalb mit 6 g Morphinhydrochlorid und 15 g Codeinphosphat angesetzt. Die orale Aufnahme des Opiums über den Magen sei gefährlicher, da beim Rauchen der Substanz ein erheblicher Teil verbrenne. Deshalb könne auch daran gedacht werden, den Grenzwert zur nicht geringen Menge „analog“ zu Morphin bei 4,5 g Morphinhydrochlorid anzusetzen. Allerdings hätten die Angeklagten die Substanz mit Wasser stark verdünnt. Dadurch trete ein Resorptionsverlust ein und die bioverfügbare Menge sei geringer. Die Wirkung sei daher vergleichbar mit (gerauchtem) Opium.
10
Die Schlafmohnkapseln enthielten 569 g Morphinhydrochlorid und 97,8 g Codeinphosphat, so dass die nicht geringe Menge an Morphinhydrochlorid um das 94-fache und an Codeinphosphat um das 6,4-fache überschritten worden sei.
11
3. Der Angeklagte U. habe sich nicht nur der Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gemacht, sondern auch des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Er habe zu den vom Angeklagten G. absprachegemäß für ihn verwahrten Mohnkapseln aufgrund ihrer Freundschaft und ihrer Einkaufsgemeinschaft einen so sicheren Zugang gehabt, dass er ohne Schwierigkeiten darüber habe verfügen können. Dem stehe nicht entgegen, dass er den genauen Lagerort nicht gekannt hätte, denn er hätte diesen jederzeit von G. erfahren können.

II.

12
Die Revision des Angeklagten G. ist im Schuldspruch unbegründet, im Rechtsfolgenausspruch begründet.
13
1. Der Senat setzt den Grenzwert der nicht geringen Menge des Morphinhydrochlorids in Schlafmohnkapseln (Papaver somniferum) auf 70 g fest.
14
Bei der Festlegung der nicht geringen Menge ist nur auf das Hauptalkaloid Morphin als dem quantitativ und in der Gefährlichkeit dominierenden Wirkstoff in Schlafmohnkapseln abzustellen. Codein bleibt außer Betracht, da es nicht wirkungsbestimmend ist.
15
2. Nach der in ständiger Rechtsprechung vom Bundesgerichtshof angewandten Methode zur Bestimmung des Grenzwerts eines Betäubungsmittels (vgl. BGH, Urteile vom 3. Dezember 2008 – 2 StR 86/08, BGHSt 53, 89 ff.; vom 17. November 2011 – 3 StR 315/10, BGHSt 57, 60 ff.; vom 14. Januar 2015 – 1 StR 302/13, BGHSt 60, 134, 136 und vom 5. November 2015 – 4 StR 124/14, StraFo 2016, 37, 38) ist dieser stets in Abhängigkeit von der konkreten Wirkungsweise und Wirkungsintensität des Betäubungsmittels festzulegen.
16
Maßgeblich ist zunächst die äußerst gefährliche, gar tödliche Dosis des Wirkstoffs (vgl. BGH, Beschluss vom 7. November 1983 – 1 StR 721/83, BGHSt 32, 162, 164; Urteil vom 22. Dezember 1987– 1 StR 612/87, BGHSt 35, 179, 183). Fehlen hierzu gesicherte Erkenntnisse, so errechnet sich der Grenzwert als ein Vielfaches der durchschnittlichen Konsumeinheit eines nicht an den Genuss dieser Droge gewöhnten Konsumenten. Ist auch die zur Erzielung eines Rauschzustands durch einen nicht an den Genuss dieser Droge gewöhnten Konsumenten adäquate Dosis nicht feststellbar, ist die maßgebliche Einzelmenge am Tagesbedarf zu bemessen (BGH, Urteil vom 2. November 2010 – 1 StR 581/09, BGHSt 56, 52). Das Vielfache ist nach Maßgabe der Gefährlichkeit des Stoffes, insbesondere seines Abhängigkeiten auslösenden oder sonst die Gesundheit schädigenden Potentials zu berechnen (BGH, Urteil vom 3. Dezember 2008 – 2 StR 86/08, BGHSt 53, 89). Die Dosis ist hierbei von der Darreichungsform abhängig. Lassen sich auch zum Konsumverhalten keine ausreichenden Erkenntnisse gewinnen, so entscheidet ein Vergleich mit verwandten Wirkstoffen (vgl. BGH, Urteile vom 24. April 2007 – 1 StR 52/07, BGHSt 51, 318, 322 und vom 17. November 2011 – 3 StR 315/10, BGHSt 57, 60, 64).
17
3. Zur Wirkung und Gefährlichkeit von Schlafmohnkapseln hat der Senat , sachverständig beraten durch die Sachverständigen A. und S. , nach deren Anhörung in der Hauptverhandlung Folgendes festgestellt :
18
a) Opium aus dem Milchsaft der Schlafmohnkapsel enthält zu 3 bis 18 % (im Mittel ca. 10 %) Morphin als Hauptalkaloid sowie weitere Alkaloide. Darunter ist an zweiter Stelle der wirksamen Inhaltsstoffe Codein mit einem Gehalt von 0,2 bis 6 % (im Mittel ca. 5 %).
19
Hohe Dosierungen von Morphin führen aufgrund der zentral dämpfenden Wirkung zu einer Atemdepression, also einer das Atemzentrum lähmenden Wirkung, die tödlich sein kann. Da Opium und Mohnstroh – getrocknete Schlafmohnkapseln ohne Samenkapseln – weitere Alkaloide enthalten, die zum Teil einen stimulierenden Effekt auf die Atmung haben, ist es möglich, dass eine Atemdepression im Vergleich zur Applikation reinen Morphins erst bei höherer Dosierung eintritt. Auch Codein kann die Morphinwirkung modifizieren oder modulieren. Gesicherte Erkenntnisse, ob überhaupt und ggf. inwieweit die atemdepressiven Effekte des Morphins durch opiumtypische Begleitsubstanzen abgeschwächt werden können, fehlen.
20
b) Getrocknete Schlafmohnkapseln enthalten (neben weiteren Alkaloiden ) durchschnittlich 1 bis 1,5 % Morphin.
21
c) Der Konsum von Schlafmohnkapseln führt u.a. zu einer entspannenden , euphorisierenden, tendenziell schlaffördernden Wirkung. Eine Abhängigkeit entwickelt sich nur langsam und weniger als bei anderen Konsumformen. Bei an den Konsum gewöhnten Konsumenten treten acht bis zehn Stunden nach dem Konsum Entzugserscheinungen auf (z.B. Knochenschmerzen, Speichelfluss , Juckreiz u.a.). Organische Schäden verursacht der Konsum von Schlafmohnkapseln nicht.
22
Die akute Gefährlichkeit von Schlafmohnkapseln beruht auf der Atemdepression , die bei Konsum größerer Mengen eintreten kann. Atemdepressive Effekte wurden schon bei Konsum von Kapseln mit Wirkstoffmengen zwischen 200 und 250 mg Morphinhydrochlorid berichtet, auch wenn diese Mengen eine letale Dosis noch nicht erreichen.
23
Da der Wirkstoffgehalt getrockneter Schlafmohnkapseln stark schwankt, kann es bei Aufnahme gleicher Mengen gemahlener Kapseln leichter zu unbeabsichtigten Fehldosierungen kommen. Schlafmohnkapseln sind ohne aufwändige Verarbeitung und Aufreinigung nur für die orale Aufnahme geeignet.
24
Im Vergleich zu injiziertem Morphin sind Schlafmohnkapseln weniger gefährlich , weil deren orale Aufnahme eine langsamere Resorption zur Folge hat und die primäre Leberpassage zu einem First-Pass-Effekt führt; d.h. der Wirkstoff steht dem Körper nach Abschluss des Leberstoffwechsels nicht mehr in vollem Umfang zur Verfügung (sog. reduzierte Bioverfügbarkeit). Die Bioverfügbarkeit bei oraler Aufnahme gemahlener Kapseln mit Hilfe von Flüssigkeit beträgt ca. 20 %, d.h. nur etwa 20 % des Wirkstoffs erreichen nach Passage von Darm und Leber den Wirkort. Die parenterale Applikation von Morphin (intravenös , subkutan oder intramuskulär injiziert) ist gefährlicher als die orale Applikation , weil sie nicht zu einem Wirkstoffverlust führt und einen schnellen Wirkeintritt hat („Kick“). Intravenösangewendete Opiate/Opinoide werden deshalb als mindestens doppelt so gefährlich eingeschätzt wie oral applizierte.
25
Bei Rauchopium tritt keine Minderung der Bioverfügbarkeit ein, weil die Passage über den Magen-Darm-Trakt und die Leber umgangen wird; der Wirkstoff flutet schnell an. Allerdings verbrennt ein schwer zu beziffernder Anteil.
26
Die Gefährlichkeit von Schlafmohnkapseln ist im Vergleich zu Heroin, das den gleichen Wirkmechanismus hat, wesentlich geringer einzustufen, da Schlafmohnkapseln nur oral aufgenommen werden können, ein deutlich geringeres suchterzeugendes Potential haben und es nicht wie bei Heroin zu einer extrem schnellen Wirkstoffanflutung kommt.
27
Kokain und Methamphetamin sind im Vergleich zu oral applizierten Opiaten gefährlicher.
28
Der Konsum von Cannabis kann unabhängig von der Dosierung keine letalen Folgen haben, aber Drogenpsychosen auslösen. Gerauchtes Cannabis kann die Lungenfunktion beeinträchtigen. Cannabis besitzt nur ein gering ausgeprägtes Abhängigkeitspotential.
29
Für Cannabisprodukte hat der BGH einen Grenzwert von 7,5 g Tetrahydrocannabinol (500 Konsumeinheiten zu je 15 mg, vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 1984 – 3 StR 183/84, BGHSt 33, 8, 14) festgesetzt, aber darauf hingewiesen, dass „die hohe Zahl von 500 durchschnittlichen Konsumeinheiten wegen der berücksichtigten Unsicherheitsfaktoren nicht ohne weiteres auch für die Berechnung der nicht geringen Menge anderer Betäubungsmittel angewendet werden kann“. Cannabisund Opium sind auch deshalb kaum miteinander vergleichbar , da sie unterschiedliche Wirkmechanismen haben.
30
Unter den Betäubungsmitteln bietet sich deshalb am ehesten ein Vergleich des oralen Konsums von Schlafmohnkapseln mit Morphin an, da hier vom gleichen Wirkmechanismus ausgegangen werden kann.
31
d) Eine als äußerst gefährlich zu bezeichnende, potentiell einen Atemstillstand auslösende Menge kann nicht exakt angegeben werden, weil die Bioverfügbarkeit bei oraler Aufnahme von verschiedenen Faktoren, insbesondere auch der Konstitution des Konsumenten abhängt, und daher unterschiedlich ist. Hinzu kommt der geringe Wirkstoffgehalt von Schlafmohnkapseln, der eine exakte Bestimmung der letalen Dosis weiter erschwert.
32
Bei oral in Tabletten aufgenommenem Morphin liegt die äußerst gefährliche Dosis zwischen 250 und 1000 mg Morphinhydrochlorid. In der Annahme einer verzögerten und unvollständigen Freisetzung des Morphins, das mittels getrockneter, gemahlener und mit Wasser versetztem Pulver eingenommen wurde, erhöht sich die „äußerst gefährliche“ Menge weiter. Eine weitere Erhö- hung würde sich ergeben, wenn Codein und andere in den Kapseln enthaltene Alkaloide den Effekt von Morphin teilweise ausgleichen könnten. Verlässliche Grenzen für eine letale Dosis existieren nicht.
33

e) Auch die durchschnittliche Konsumeinheit bei oral konsumierten Schlafmohnkapseln lässt sich nicht ausreichend exakt bestimmen. Der Wirkstoffgehalt getrockneter Schlafmohnkapseln schwankt stark, abhängig von Größe, Anbaugebiet, Erntezeitpunkt und anderen Faktoren. Auch bei der Art und Menge der oralen Applikation gibt es unterschiedliche Konsumgewohnheiten , beginnend mit der verwendeten Flüssigkeit (kaltes oder heißes Wasser, Alkohol, Zugabe von Essig u.a.), die die Wasserlöslichkeit des Wirkstoffs beeinflusst. Die von den Konsumenten eingenommenen Wirkstoffmengen sind ebenfalls unterschiedlich, da sie sich am kulturellen Hintergrund, an medizinischen Erwartungen, an erwünschten betäubenden u.a. Effekten ausrichten.
34
f) In Ermangelung gesicherter Erkenntnisse zu einer äußerst gefährlichen oder gar tödlichen Dosis, zur Darreichungsform und zum Konsumverhalten orientiert sich der Senat bei der Bestimmung des Grenzwerts der nicht geringen Menge des Wirkstoffs in Schlafmohnkapseln an der Festsetzung der nicht geringen Menge für Morphinzubereitungen bei intravenöser Injektion (BGH, Urteil vom 22. Dezember 1987 – 1 StR 612/87 – BGHSt 35, 179 - 183). Hier besteht eine hohe Vergleichbarkeit, da Morphin das Hauptalkaloid von Opium ist und mithin im Grundsatz identische Wirkmechanismen vorliegen.
35
Die "nicht geringe Menge" wurde für Morphinzubereitungen bei intravenöser Injektion unter der Annahme von 45 äußerst gefährlichen Dosen (je 100 mg Morphinhydrochlorid intravenös injiziert) auf 4,5 g Morphinhydrochlorid festgesetzt.
36
Der Wert kann allerdings nicht ohne Korrektur übernommen werden, da sich für intravenös injiziertes Morphinhydrochlorid eine letale Dosis für den Morphinungewohnten (100 mg – intravenös injiziert – als äußerst gefährliche Einzeldosis) festlegen ließ, während bei gemahlenen und oral aufgenommenen Schlafmohnkapseln eine als äußerst gefährlich zu bezeichnende, potentiell einen Atemstillstand auslösende und daher letale Dosis nicht exakt angegeben werden kann. Zudem ist die intravenöse Applikation von Morphinhydrochlorid mindestens doppelt so gefährlich wie die orale Applikation. Weiter ist zu berücksichtigen , dass die Bioverfügbarkeit beim Konsum von gemahlenen Schlafmohnkapseln nur 10 bis 20 % beträgt.
37
Der Senat hält es deshalb für angemessen, den Grenzwert für intravenös injiziertes Morphinhydrochlorid von 4,5 g Morphinhydrochlorid mit dem Faktor 2 zu multiplizieren, um die geringere Gefährlichkeit bei oraler Applikation auszugleichen und mit dem Faktor 10 zu multiplizieren, um die geringe Bioverfügbarkeit bei Schlafmohnkapseln zu erfassen. Der stark schwankende Wirkstoffgehalt der Schlafmohnkapseln wird durch einen Abschlag berücksichtigt.
38
4. Der Angeklagte G. wusste, dass die Schlafmohnkapseln die Eigenschaften eines Rauschgifts aufwiesen. So war ihm bekannt, dass das Absetzen der Kapseln zu Entzugserscheinungen führt. Ein Tatbestandsirrtum nach § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB scheidet daher aus, weil der Angeklagte auch in seiner Laienspähre erkannt hat, dass es sich um Betäubungsmittel handelte. Sein Irrtum bezog sich deshalb allein darauf, ob das von ihm erworbene Betäubungsmittel in Deutschland verboten ist. Dies berührt aber – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – nur die Frage eines etwaigen Verbotsirrtums (§ 17 StGB), lässt aber den Vorsatz unberührt.
39
5. Der Angeklagte handelte auch schuldhaft.
40
Soweit das Landgericht einen Verbotsirrtum des Angeklagten als vermeidbar gemäß § 17 StGB angesehen hat, hält dies rechtlicher Überprüfung stand.
41
Zwar hatte der Angeklagte G. vorgetragen, er sei davon ausgegangen , dass die Kapseln in Deutschland legal seien, da er sie in Österreich habe legal erwerben können. Allerdings hatte die Beweisaufnahme ergeben, dass die Kapseln in Österreich nur zu Dekorationszwecken erlaubt sind und hierauf – wie der polizeiliche Ermittlungsbeamte berichtet hatte – in dem Geschäft hingewiesen worden war. In Deutschland wurden sie überhaupt nicht verkauft, was Anlass für die Einkaufsfahrt gewesen war. Die Kammer hat deshalb ohne Rechtsfehler in ihre Überzeugungsbildung eingestellt, dass dies den Angeklagten hätte misstrauisch machen und zur Einholung weiterer Informationen hätte veranlassen müssen.
42
6. Die (Neu)Festsetzung der nicht geringen Menge durch den Senat lässt den Schuldspruch unberührt. Das Landgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass das in den Schlafmohnkapseln enthaltene Morphinhydrochlorid die Grenze zur nicht geringen Menge i.S.v. § 29a Abs. 1 Nr. 2, § 30 Abs. 1 BtMG überschritten hat.
43
7. Jedoch hat der Strafausspruch angesichts dessen, dass der Grenzwert bei weitem nicht um das 94-fache überschritten worden ist, keinen Bestand. Eine starke Überschreitung der nicht geringen Menge ist bestimmender Strafschärfungsgrund (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. Februar 2016 – 2 StR 39/16, NStZ-RR 2016, 141; vom 30. Juni 2016 – 2 StR 476/15 und vom 27. September 2016 – 2 StR 41/16).
44
Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass sich das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht bei der Prüfung einer Strafrahmenverschiebung nach § 17 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB eingehender als bisher damit zu befassen haben wird, ob der Irrtum tatsächlich „auf einfachste Weise“ zu vermeiden war.
45
8. Der Senat hebt mit Rücksicht auf die seit dem Urteil des Landgerichts verstrichene Zeit und die deutlich abweichende Einstufung der Gefährlichkeit oral applizierter Schlafmohnkapseln durch den Senat auch die Maßregel (einschließlich des Vorwegvollzugs) auf, da im Rahmen der (neuen) Prüfung des § 64 StGB eine andere Beurteilung des Hangs und eine andere Gefährlichkeitsprognose möglich erscheinen.

III.

46
1. Der Schuldspruch des Angeklagten U. wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ist frei von Rechtsfehlern.
47
2. Die Verurteilung wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hat keinen Bestand.
48
Besitz im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes setzt ein tatsächliches Innehaben, ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis und Besitzwillen voraus, der darauf gerichtet ist, sich die Möglichkeit ungehinderter Einwirkung auf die Sache zu erhalten (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 3. März 1978 – 2 StR 717/77, BGHSt 27, 380, 382 und vom 22. Januar 1998 – 4 StR 393/97, NStZ-RR 1998, 148 f.; Beschlüsse vom 2. September 1994 – 2 StR 429/94, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 3 Besitz 2; vom 15. Oktober 1997 – 2 StR 393/97, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 3 Besitz 4 und vom 27. Juli 2004 – 3 StR 71/04, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 3 Besitz 5 mwN). Die den Besitz von Betäubungsmitteln begründende tatsächliche Verfügungsmacht über das Rauschgift hat es dem Täter zu ermöglichen , mit den Betäubungsmitteln nach Belieben zu verfahren, insbesondere sie zu verbrauchen, abzugeben, zu verstecken oder zu vernichten. Aus dieser Sicht begründet es keinen sachlichen Unterschied, ob der Täter selbst „unmittelbar besitzt“ oder ob er anderweit einen so sicheren Zugang zu dem an irgendeiner Stelle verwahrten Rauschgift hat, dass er ohne Schwierigkeit tatsächlich darüber verfügen kann (BGH, Urteil vom 3. März 1978 – 2 StR 717/77, BGHSt 27, 380, 382). Solches belegen die Feststellungen nicht.
49
a) Der Angeklagte U. hatte keinen ungehinderten Zugang und damit auch keine sichere Zugriffsmöglichkeit auf den ihm zustehenden Anteil von etwa 15 kg, den der Angeklagte G. in seinem Anwesen an einem ihm nicht bekannten Ort verwahrte. Er war auf dessen Anwesenheit und Kooperation angewiesen , ihm entweder den Zutritt zum Haus und seinem Anteil zu gewähren oder ihm diesen auszuhändigen.
50
Der aufgezeigte Mangel zwingt nicht zur Aufhebung der für sich gesehen rechtlich nicht zu beanstandenden Verurteilung wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Lediglich die tateinheitliche Verurteilung wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge entfällt.
51
b) Unmittelbaren Besitz hatte der Angeklagte U. jedoch an den in seiner Wohnung sichergestellten 42,4 g gemahlener Schlafmohnkapseln. Diesen unmittelbaren Besitz hatte er in dem Moment begründet, als ihm der Angeklagte G. diese oder eine diese Teilmenge umfassende größere Menge ausgehändigt hat. Damit hat er sich des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln schuldig gemacht, der mit der Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tatmehrheit (§ 53 StGB) steht.
52
c) Diese Tat in der Anklageschrift nach Tatzeit, Tatort und Betäubungsmittelmenge – als unmittelbarer Besitz zur Zeit der Durchsuchung – konkretisiert. In der rechtlichen Würdigung wird dem Angeklagten U. sein zunächst vollständig bei dem Angeklagten G. verwahrter, einschließlich der später ausgehändigten Teilmenge von 42,4 g, Anteil als unerlaubter („mittelbarer“) Besitz von etwa 15 kg Betäubungsmitteln zugerechnet. Aus rechtlichen Gründen kann ihm jedoch nur die bei ihm selbst sichergestellte Teilmenge zugerechnet werden.
53
Die umfassende Kognitionspflicht (§ 264 Abs. 1 StPO) des Gerichts gebietet es jedoch, die Anklage, wie sie im Eröffnungsbeschluss zugelassen ist, vollständig zu erschöpfen, also die den Untersuchungsgegenstand bildende angeklagte Tat restlos nach allen tatsächlichen (§ 244 Abs. 2 StPO) und denkbaren rechtlichen (§ 265 StPO) Gesichtspunkten aufzuklären und abzuurteilen ohne Rücksicht auf die der Anklage und dem Eröffnungsbeschluss zugrunde gelegte rechtliche Bewertung (vgl. z.B. BGH, Urteile vom 12. Juli 2016 – 1 StR 595/15 und vom 11. November 2015 – 1 StR 235/15, NStZ-RR 2016, 47 - 49; Beschluss vom 24. September 2009 – 3 StR 280/09, StV 2010, 131 f.; LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 264 Rn. 37 mwN).
54
d) Soweit der Angeklagte U. auch an weiteren Tagen durch die Entgegennahme der ihm wunschgemäß von dem Angeklagten G. ausgehändigten Mengen an Schlafmohnkapseln Besitz an Betäubungsmitteln begründet und damit jeweils den Tatbestand des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln erfüllt hat, waren diese als selbständige prozessuale Taten zu wertende Geschehen nicht Gegenstand der Anklage. Eine Ergänzung des Schuldspruchs ist daher nicht möglich.
55
Der Gegenstand der gerichtlichen Untersuchung und Entscheidung reicht nur soweit wie der aus der Anklageschrift erkennbare Verfolgungswille der Anklagebehörde. Enthält die Anklageschrift mehrere Taten, sind nur diejenigen angeklagt, auf die sich der aus der Anklageschrift zu entnehmende Ver- folgungswille der Staatsanwaltschaft bezieht. Wichtiger Hinweis ist dabei die Aufnahme des tatsächlichen Geschehens in den Anklagesatz. Ob aus der Schilderungeines konkreten Geschehens im Anklagesatz der Verfolgungswille der Staatsanwaltschaft entnommen werden kann, ist mit Blick auf sämtliche vom Gesetz in § 200 Abs. 1 StPO vorgeschriebenen Bestandteile des Anklagesatzes und die nach § 200 Abs. 2 StPO vorgesehenen Ausführungen zum wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen zu entscheiden (vgl. BGH, Urteil vom 15. Mai 1997 – 1 StR 233/96, BGHSt 43, 96, 99 f.; vgl. LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 264 Rn. 35 mwN).
56
Danach erfasste die Anklage den Vorwurf weiterer Delikte des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln nicht. Im Anklagesatz fehlen insoweit die nach § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO erforderlichen Angaben zu den gesetzlichen Merkmalen der Straftaten und zu der anzuwendenden Strafvorschriften. In der Anklageschrift sind weitere Taten des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln weder nach Zeit, Ort noch Menge konkretisiert. Es wird lediglich mitgeteilt , dass der Angeklagte G. dem Angeklagten U. , wenn dieser Bedarf an Kapseln hatte, ihm (gemahlene) Kapseln mit in den von beiden besuchten Si. -Tempel in N. brachte oder sie der Angeklagte U. bei ihm abholte. Auch wird der Sachverhalt im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen nicht unter dem Gesichtspunkt weiterer (selbständiger) Straftaten beleuchtet.
57
3. Der Strafausspruch beruht auf dem mitabgeurteilten unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 BtMG, da das Landgericht die festzusetzende Strafe gemäß § 52 Abs. 2 StGB aus diesem Tatbestand und nicht dem des über § 27 Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs. 1 Nr. 3 StGB gemilderten Strafrahmen des § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG entnommen hat. Aus diesem Grund ist auch die festgesetzte Einzelstrafe und damit der Strafausspruch mitaufzuheben.

IV.


58
Die bisherigen Feststellungen können bestehen bleiben, nachdem es sich lediglich um Wertungsfehler handelt. Das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht darf – dies betrifft insbesondere die Prüfung einer Strafrahmenverschiebung nach § 17 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB bei dem AngeklagtenG. – ergänzende Feststellungen treffen, soweit sie den bisher getroffenen nicht widersprechen. Raum Graf Jäger Radtke Fischer

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Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

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(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

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(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes: 1. An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.2. Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf hö

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 29 Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer1.Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt,

Strafgesetzbuch - StGB | § 52 Tateinheit


(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt. (2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie d

Strafgesetzbuch - StGB | § 27 Beihilfe


(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat. (2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu milde

Strafgesetzbuch - StGB | § 53 Tatmehrheit


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Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 29a Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer1.als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder2.

Strafprozeßordnung - StPO | § 264 Gegenstand des Urteils


(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt. (2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde l

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 30 Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer1.Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung s

Strafgesetzbuch - StGB | § 17 Verbotsirrtum


Fehlt dem Täter bei Begehung der Tat die Einsicht, Unrecht zu tun, so handelt er ohne Schuld, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte. Konnte der Täter den Irrtum vermeiden, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafprozeßordnung - StPO | § 200 Inhalt der Anklageschrift


(1) Die Anklageschrift hat den Angeschuldigten, die Tat, die ihm zur Last gelegt wird, Zeit und Ort ihrer Begehung, die gesetzlichen Merkmale der Straftat und die anzuwendenden Strafvorschriften zu bezeichnen (Anklagesatz). In ihr sind ferner die Bew

Strafgesetzbuch - StGB | § 16 Irrtum über Tatumstände


(1) Wer bei Begehung der Tat einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört, handelt nicht vorsätzlich. Die Strafbarkeit wegen fahrlässiger Begehung bleibt unberührt. (2) Wer bei Begehung der Tat irrig Umstände annimmt, welche den

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(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat,
2.
im Falle des § 29a Abs. 1 Nr. 1 gewerbsmäßig handelt,
3.
Betäubungsmittel abgibt, einem anderen verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt und dadurch leichtfertig dessen Tod verursacht oder
4.
Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt einführt.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 315/10
vom
17. November 2011
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
___________________________________
Für Methamphetaminracemat - (RS)-(methyl)(1-phenylpropan-2-yl)azan - beginnt die
nicht geringe Menge im Sinne von § 29a Abs. 1 Nr. 2, § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG bei
10 g der wirkungsbestimmenden Base.
BGH, Urteil vom 17. November 2011 - 3 StR 315/10 - LG Verden
in der Strafsache
gegen
wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17. November
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
von Lienen,
Mayer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Menges
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Verden vom 18. März 2010 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der Strafausspruch hat keinen Bestand.
3
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
a) Der an der Chemie interessierte Angeklagte betrieb ab 1995 ein häusliches Labor und forschte dort unter anderem an (legalen) Amphetaminderivaten. In einem später eingestellten Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Zuwiderhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz stellte die Staatsanwaltschaft im November 1999 die Laboreinrichtung kurzzeitig sicher. Nach anschließender Pfändung durch einen privaten Gläubiger nahm der Angeklagte sie 2001 wieder in Besitz und lagerte sie zunächst im Hause seiner Eltern ein.
5
Nach einem Umzug im Jahre 2009 beschloss der Angeklagte, der sich zwischenzeitlich einer operativen Behandlung wegen eines Prostatakarzinoms unterzogen und als Dauerfolge u.a. eine erektile Dysfunktion davongetragen hatte, sein Labor wieder aufzubauen. Beim Sichten der eingelagerten Bestände fiel ihm ein Glaskolben mit einer kristallinen Substanz auf, deren Herkunft das Landgericht nicht hat klären können. Nach seinen früheren Forschungen hielt es der Angeklagte zumindest für möglich, dass es sich dabei um Methamphetamin -Hydrochlorid handelte. Er erwärmte eine Probe, inhalierte diese und empfand die Wirkung wie erhofft als "angenehm, blutdruck- und sinnsteigernd und vor allem … erektionsfördernd". Für den beabsichtigten weiteren Konsum verpackte er die Substanz in Klemmtüten, die er - nebst der Erwärmung dienender Folienstreifen - versteckt in seinem Schlafzimmer verwahrte. Bei einer Durchsuchung am 13. Mai 2009 fanden sich dort neun Klemmtüten, die insgesamt 915,8 g Methamphetamin-Hydrochlorid-Gemisch mit einem Reinheitsgrad von 99,5 % enthielten. Die Base bestand stereochemisch aus Methamphetaminracemat - (RS)-(methyl)(1-phenylpropan-2-yl)azan - mit gleichen Anteilen der Enantiomere des Methamphetamins, also des "rechtsdrehenden" (2S)-N- Methyl-1-phenylpropan-2-amin (auch d-Methamphetamin; gemäß Anl. II zu § 1 BtMG: Methamphetamin), und des "linksdrehenden" (R)-(methyl)(1phenylpropan -2-yl)azan (auch l-Methamphetamin; gemäß Anl. II zu § 1 BtMG: Levmethamphetamin).
6
b) Das Landgericht hat das Gewicht des in dem Gemisch enthaltenen Hydrochlorid-Salzes mit 911 g und die Menge der Base hiernach mit 731,96 g errechnet (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 3. Dezember 2008 - 2 StR 86/08, BGHSt 53, 89, 90). Den Grenzwert der nicht geringen Menge der Base im Sinne von § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG hat es, beraten durch den Sachverständigen Dr. D. , Apotheker für experimentelle Pharmakologie und Toxikologie beim Bundeskriminalamt Wiesbaden, wie bei (2S)-Methamphetamin (vgl. hierzu BGH aaO) mit 5 g angenommen. Im Hinblick auf das besondere Gefährdungspotential aller drei der in Anlage II zu § 1 Abs. 1 BtMG als verkehrsfähig, aber nicht verschreibungsfähig aufgeführten stereochemischen Erscheinungsformen sei es nicht angezeigt, das Methamphetamin-Racemat wegen seines Levmethamphetamin -Anteils insoweit anders zu behandeln, zumal die Stoffe nicht auf getrennten Märkten gehandelt würden. Zwar liege die Wirksamkeit von Levmethamphetamin unter der von (2S)-Methamphetamin, was damit zu erklären sei, dass letzteres in höherem Maße geeignet sei, an die maßgeblichen Rezeptoren im Gehirn anzudocken und damit das Zentralnervensystem zu beeinflussen. Jedoch könne Levmethamphetamin leichter über Rezeptoren etwa in Herz und Nieren aufgenommen werden und wirke damit stärker auf das periphersympathische Nervensystem. Im Vergleich zum (2S)-Methamphetamin liege der Wirkungsgrad des Racemats damit jedenfalls bei "deutlich mehr als 50 %". Letztlich sei dieser Unterschied zu vernachlässigen, denn bei rechtsmissbräuchlichem Konsum werde in allen Fällen die therapeutisch wirksame Dosis um ein Vielfaches und die Grenze zur Risikodosis bei weitem überschritten.
7
c) Davon ausgehend hat das Landgericht bei der Bemessung der Strafe zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt, dass das in seinem Besitz befindliche Gemisch den Grenzwert der nicht geringen Menge "um das 146,329fache" überschritten habe.
8
2. Der Senat ermittelt den Grenzwert der nicht geringen Menge von Methamphetamin-Racemat - anders als das Landgericht - mit 10 g der wirkungsbestimmenden Base. Nach Anhörung der Sachverständigen Dr. D. und Prof. Dr. Da. , Institut für Rechtsmedizin im Universitätsklinikum Düsseldorf, kann der Senat keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse feststellen, die es rechtfertigen, den Grenzwert für dieses Amphetaminderivat zu Lasten des Angeklagten anders zu beurteilen als für den Grundstoff Amphetamin. Im Einzelnen:
9
a) Durchgreifende rechtliche Bedenken bestehen gegen den methodischen Ansatz des Landgerichts, den Grenzwert der nicht geringen Menge von Methamphetamin-Racemat ungeachtet im Raum stehender Unterschiede im Wirkungsgrad deshalb an den für (2S)-Methamphetamin anzugleichen, weil bei rechtsmissbräuchlichem Konsum ohnehin stets die Grenze zur Risikodosis überschritten werde. Zu Ende gedacht würde dies die Bedeutung des Wirkstoffgehalts für die Bemessung des Unrechtsgehalts der Tat relativieren, denn die präzise Ermittlung eines Vielfachen der nicht geringen Menge hätte vor einem Hintergrund möglicher nicht unerheblicher Unterschiede im Wirkungsgrad der einzelnen Substanzen nur noch eine begrenzte Aussagekraft.
10
Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 2. November 2010 - 1 StR 581/09, NJW 2011, 1462, 1464 f.) ist der Grenzwert der nicht geringen Menge eines Betäubungsmittels vielmehr stets in Abhängigkeit von dessen konkreter Wirkungsweise und Wirkungsintensität festzulegen. Maßgeblich ist zunächst die äußerst gefährliche, gar tödliche Dosis des Wirkstoffs. Fehlen hierzu gesicherte Erkenntnisse, so errechnet sich der Grenzwert als ein Vielfaches der durchschnittlichen Konsumeinheit eines nicht an den Genuss dieser Droge gewöhnten Konsumenten, das zu bemessen ist nach Maßgabe der Gefährlichkeit des Stoffes, insbesondere seines Abhängigkeiten auslösenden oder sonst die Gesundheit schädigenden Potentials. Lassen sich auch zum Konsumverhalten keine ausreichenden Erkenntnisse gewinnen, so entscheidet ein Vergleich mit verwandten Wirkstoffen (BGH, Urteil vom 24. April 2007 - 1 StR 52/07, BGHSt 51, 318, 321 ff.). Nicht zu verkennen ist, dass sich - etwa wegen des Fehlens getrennter Märkte - ein praktisches Bedürfnis ergeben kann, zwei oder mehrere Substanzen mit gleicher Wirkungsweise, aber unterschiedlicher Wirkungsintensität einheitlich zu behandeln. Dem müsste indes dadurch Rechnung getragen werden, dass insgesamt der Wert für diejenige Erscheinungsform zugrunde gelegt wird, welche die geringste Wirkungsintensität aufweist (vgl. zu den Amphetaminderivaten MDA, MDMA und MDE BGH, Urteil vom 9. Oktober 1996 - 3 StR 220/96, BGHSt 42, 255, 267 f.).
11
b) Nach diesen Maßstäben hat der Bundesgerichtshof den Grenzwert der nicht geringen Menge für Amphetamin mit 10 g Amphetamin-Base bestimmt (Urteil vom 11. April 1985 - 1 StR 507/84, BGHSt 33, 169; vgl. auch Urteil vom 1. September 1987 - 1 StR 191/87, BGHSt 35, 43, 48). Amphetamin ist nach Anl. III zu § 1 Abs. 1 BtMG das Racemat (RS)-1-phenylpropan-2-ylazan, bestehend aus dem "rechtsdrehenden" Dexamphetamin [(S)-1-phenylpropan-2ylazan; Anl. III zu § 1 Abs. 1 BtMG] und dem "linksdrehenden" Levamphetamin [(R)-1-phenylpropan-2-ylazan; Anl. II zu § 1 Abs. 1 BtMG]. Im Einzelnen hat sich der Bundesgerichtshof davon leiten lassen, dass die hohe Dosis für den nicht Amphetamingewohnten bei 50 mg anzunehmen sei, indes Toleranzent- wicklung und der Wunsch, stärkere Effekte zu erleben, zu immer stärkeren Dosen führten. Bei intravenöser Verabreichung könnten so Einzeldosen von 160 mg bis zu zehnmal täglich oder von 1.000 mg in Abständen von wenigen Stunden erreicht werden. Bei oraler Einnahme könne es zu Einzeldosen von 200 mg Amphetamin und mehr kommen. Der Missbrauch führe zu psychischer, wenn auch nicht zu körperlicher Abhängigkeit. Er könne indes nicht nur psychische , sondern auch schwerwiegende physische Folgeschäden nach sich ziehen. Zu beobachten seien überwache Zustände, ängstliche Getriebenheit, Aggressivität , Depressionen, illusionäre Verkennungen, Störungen des Urteilsvermögens , Depersonalisationserscheinungen, Hyperthermie, Kreislaufkollaps oder Herzversagen sowie Gehirnschädigungen. Persönlichkeitsveränderungen gingen mit beruflichem und sozialem Abstieg einher. "Amphetamin-Psychosen" träten nicht nur als Folge eines chronischen Missbrauchs, sondern auch als akutes Vergiftungssymptom auf. Als psychisches Stimulans erweise sich Amphetamin häufig als Schrittmacher für eine Polytoxikomanie. Die Gefahr einer Wiederaufnahme der Missbrauchsgewohnheiten nach einer Entzugsperiode sei hoch. Todesfälle seien andererseits eher selten. In Abwägung dieser Umstände hat der Bundesgerichtshof die nicht geringe Menge schließlich beim 200-fachen der Einzeldosis von 50 mg als erreicht angesehen (vgl. Urteil vom 1. September 1987 - 1 StR 191/87, BGHSt 35, 43, 48).
12
c) Für (2S)-Methamphetamin hat der Bundesgerichtshof den Grenzwert der nicht geringen Menge mit 5 g Methamphetamin-Base festgelegt (Urteil vom 3. Dezember 2008 - 2 StR 86/08, BGHSt 53, 89). Ausgehend von einer Wirkungsweise sowie von physischen und psychischen Missbrauchsfolgen, die denen des Amphetamins ähneln, hat er für ausschlaggebend erachtet, dass die pharmakodynamische Wirkung von (2S)-Methamphetamin bei oraler Aufnahme etwa eineinhalb- bis zweimal so stark sei wie die von Amphetamin; in der Kon- sumform des Rauchens - die bei Amphetamin nicht möglich sei - wirke es mindestens doppelt so stark und vor allem erheblich schneller, weil aufgrund höherer Lipophilie die Blut-Hirn-Schranke schneller überwunden werde. Auch gelange beim Rauchen das gesamte aufgenommene Rauschgift unmittelbar zum Gehirn, während beim oralen Konsum mehrere Stunden bis zur vollständigen Resorption im Körper vergehen könnten. Für diese gefährlichste und heute gängigste Konsumform sei daher eine Gleichsetzung in der Wirkung mit "Crack" (Kokain-Base) gerechtfertigt; sie falle für die Festlegung des Grenzwerts erheblich ins Gewicht. Zu demselben Ergebnis führe es, wenn man die nicht geringe Menge - wie bei Amphetamin - beim 200-fachen einer Konsumeinheit als erreicht annehme, denn für den an Methamphetamin nicht Gewohnten sei eine Einzeldosis von 25 mg bereits sehr hoch.
13
d) Der Senat gelangt jedenfalls für das hier in Frage stehende Methamphetamin-Racemat wie beim Amphetamin-Racemat (Amphetamin) zu einem Grenzwert der nicht geringen Menge von 10 g Base. Nach gegenwärtigem Forschungsstand finden sich keine Belege dafür, dass die Wirkungsintensität und die Gefährlichkeit dieser Substanz signifikant höher liegen als beim Ausgangsstoff Amphetamin.
14
aa) Wie schon in den oben genannten Urteilen des Bundesgerichtshofs beschrieben, sind sich Amphetamin und dessen methyliertes Derivat in ihrer Wirkung weitestgehend ähnlich. Unter anderem in den USA werden beide Stoffe medizinisch zur Behandlung von Narkolepsie, Aufmerksamkeitsdefiziten, Hyperaktivitätsstörungen (ADHS) und Adipositas eingesetzt. Wegen ihrer stimmungsanhebenden, das Selbstvertrauen, die Konzentrationsfähigkeit, die Energie und die Wachheit steigernden Wirkung werden sie nicht selten missbräuchlich verwendet. Dauerkonsum und Überdosierung können dabei zu Ver- wirrung, Aggressivität, paranoiden Halluzinationen und Panikzuständen führen. In unmittelbarem Zusammenhang mit der durch eine Dauerstimulation hervorgerufenen körperlichen Erschöpfung ist auch mit Herzkreislaufbeschwerden bis hin zu lebensbedrohlichen Rhythmusstörungen zu rechnen. Namentlich Methamphetamin gilt - bei einer geschätzten Jahresproduktion von 290 Tonnen - als die weltweit zweitpopulärste illegale Droge nach Cannabis, wenngleich es in Deutschland neben Amphetamin bislang nur eine untergeordnete Rolle spielt. Trotz der hohen Zahl der Konsumenten dieser Droge sind indes Todesfälle weltweit eher selten zu beobachten.
15
bb) Zu folgen ist dem Landgericht insoweit, als unterschiedliche Grenzwerte für (2S)- und (RS)-Methamphetamin auch bei Betrachtung der konkreten Wirkintensität nicht gerechtfertigt erscheinen. Wie der Sachverständige Prof. Dr. Da. dargelegt hat, erbrachten Tierversuche den Nachweis, dass Methamphetamin nach der körperlichen Aufnahme größtenteils zu Amphetamin metabolisiert, welches dann insbesondere im frontalen Cortex kumuliert. Danach ist zu vermuten, dass bei chronischem Missbrauch von Methamphetamin die Gesamtwirkung ohnehin wesentlich von der zentralen Wirkung des im Zentralnervensystem angereicherten Amphetamins bestimmt wird. Zwar dürfte, wie ebenfalls aus Tierversuchen abzuleiten ist, die Toxizität des (RS)- Methamphetamins nur etwa 30 bis 50 % derjenigen des (2S)- Methamphetamins betragen. Eine Studie an Konsumenten (Mendelson J. et al., Human Pharmacology of the Methamphetamine Stereoisomers, Clin Pharmacol Ther 80:403-420; 2006) zeigt jedoch auf, dass gleiche Dosen des Racemats und des (2S)-Methamphetamins insbesondere in Bezug auf das Herzkreislaufsystem vergleichbare pharmakodynamische Wirkungen hervorrufen; die entsprechende Dosis des (R)-Methamphetamins blieb demgegenüber wirkungslos. Als Ursache wird vermutet, dass das im Racemat vorhandene (R)- Methamphetamin die beschriebene Metabolisierung des Anteils an (2S)- Methamphetamin in (S)-Amphetamin fördert.
16
cc) Indes sieht der Senat nach Anhörung der Sachverständigen keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse, die es rechtfertigen könnten, den Grenzwert der nicht geringen Menge jedenfalls bei (RS)-Methamphetamin niedriger anzusetzen als bei (RS)-Amphetamin.
17
(1) Für die Gleichbehandlung von Amphetamin und Methamphetamin spricht zunächst die in den USA zu beobachtende weitgehend unterschiedslose medizinische Applikation beider Wirkstoffe. Unabhängig davon, ob Amphetamin oder Methamphetamin zur Anwendung kommt, beträgt die übliche Dosis 5 mg alle 4 bis 6 Stunden. Die Dosierung für die Langzeitbehandlung von Kindern mit ® ADHS ab 6 Jahren wird für Methamphetamin (Desoxyn ) mit 20 bis 25 mg pro ® Tag und für Amphetamin (ADDERALL XR ) mit maximal 30 mg pro Tag empfohlen.
18
(2) Unter Berücksichtigung des meist erheblich geringeren Körpergewichts von Kindern ergeben sich hieraus zugleich Bedenken dagegen, 20 bis 30 mg Methamphetamin im Falle missbräuchlicher Einnahme der Substanz bereits als eine die Bestimmung des Grenzwerts der nicht geringen Menge maßgeblich beeinflussende hohe Dosis anzusehen. Der Wirkstoffgehalt der in Deutschland bislang sichergestellten illegalen Methamphetamin-Tabletten beträgt demgegenüber durchschnittlich 25 bis 60 mg; in dieser Bandbreite bewegen sich nach bisherigen Erkenntnissen auch die Dosen, die schon Erstkonsumenten zum Erreichen des gewünschten Rauschzustandes einnehmen. In der medizinischen Fachliteratur werden Mengen zwischen 5 und 30 mg als niedrige , auch für die klinische Erprobung der Substanz am Menschen verwendete Dosen bezeichnet (Cruickshank et Dyer, A Review of the Clinical Pharmacology of Methamphetamine, Addiction 104:1085-1099, 1088; 2009). Hart et al. (Acute Physiological and Behavioral Effects of Intranasal Methamphetamine in Humans , Neuropsychopharmacology 33, 1847-1855, 1848 f; 2008) berichten über eine klinische Untersuchung der Wirkung von Methamphetamin auf den Menschen , bei der Einzeldosen von bis zu 50 mg/70 kg Körpergewicht verabreicht wurden; die aus Sicherheitsgründen festgelegte Höchstdosis betrug 60 mg.
19
(3) Auch sonst finden sich in der Fachliteratur keine Belege dafür, dass Methamphetamin im Vergleich zu Amphetamin einen höheren Wirkungsgrad und eine erhöhte Gefährlichkeit aufweist.
20
Die Überlegung, Methamphetamin verfüge auf Grund der veränderten chemischen Strukturen über eine verbesserte Lipophilie mit der Folge gesteigerter Bioverfügbarkeit und Wirkung, erweist sich letztlich nicht als tragfähig. Zwar stimmten beide vom Senat angehörten Sachverständigen darin überein, dass die weitere Methylgruppe des Methamphetamins dessen gegenüber Amphetamin gesteigerte Lipophilie aus organisch-chemischer Sicht geradezu aufdrängt. Die Aussagekraft der von Prof. Dr. Da. benannten experimentellen Studien, welche diese auf theoretischen Grundannahmen beruhende Erwartung nicht bestätigten, sondern für beide Substanzen ein annähernd gleiches Verteilungsvolumen - ca. 3,7 bis 4 l/kg - ergaben (Cook et al., Pharmacokinetiks of Methamphetamine self-administered to human subjects by smoking S-(+)- methamphetamine hydrochloride, Drug Metabolism Disposition 21:717-723; 1993; de la Torre et al., Clinical Pharmacokinetics of amfetamine and related substances, Clinical Pharmacokinetics 43:157-185; 2004), hat indes auch der Sachverständige Dr. D. , der den Wirkungsgrad von Methamphetamin bis zu zweimal höher einschätzt, nicht in Frage gestellt.
21
Ebenso wenig lässt sich eine erhöhte Gefährlichkeit von Methamphetamin überzeugend mit der bei dieser Substanz verbreiteten Konsumform des Rauchens begründen. Im Vergleich zur oralen Aufnahme kommt es hier - wie bei der intravenösen Applikation - zwar zu einem bis zu zehnfach schnelleren Wirkungseintritt, jedoch liegt die dadurch erreichbare maximale Wirkstoffkonzentration im Körper durchschnittlich um etwa die Hälfte niedriger (Cruickshank et Dyer aaO 1087). Gleichermaßen kann die Bioverfügbarkeit von Methamphetamin beim Rauchen belastbar lediglich mit 67 % der vom Konsumenten verwendeten Dosis angenommen werden; dieser Wert entspricht im Wesentlichen dem bei der oralen Aufnahme erzielten und liegt deutlich unter dem bei intranasaler Anwendung erreichbaren Wert (Cruickshank et Dyer aaO; Hart et al., Acute Physiological and Behavioral Effects of Intranasal Methamphetamine in Humans , Neuropsychopharmacology 33, 1847-1855, 1848; 2008). Im Übrigen dürfte auch die Annahme, bei Amphetamin scheide eine solche die Anflutung beschleunigende - und damit möglicherweise das Suchtverhalten beeinflussende - Konsumform mangels genügender Flüchtigkeit des Stoffes aus, in dieser Allgemeinheit nicht zutreffen. Jedenfalls bei Amphetaminhydrochlorid steht die Höhe des Siedepunkts dem Rauchen nicht entgegen (vgl. http://www.suchtmittel.de/info/amphetamin/000292.php). Aber auch beim Rauchen von Gemischen des Sulfatsalzes wurden im Kondensat teils nicht unerhebliche Wirkstoffkonzentrationen nachgewiesen (Pawlik et Mahler, Smoke analysis of adulterated illicit drug preparations, Toxichem Krimtech 78:200-210;

2011).


22
Schließlich ergeben sich auch Bedenken, die durch die einzelnen Konsumformen von Methamphetamin einerseits und Kokain andererseits erzielbaren Anflutungseffekte gleichzusetzen. Nach der Untersuchung von Hart et al. (aaO 1847, 1850 f.) erreichen bei intranasaler Aufnahme (der jedenfalls in den USA weitaus häufigsten Konsumform), intravenöser Verabreichung und Inhalieren (Rauchen) von Methamphetamin gleichermaßen sowohl die kardiovaskulären Wirkungen als auch das subjektive Rauschempfinden durchschnittlich innerhalb von 15 Minuten ihren Höhepunkt. Dies entspricht im Wesentlichen auch den Werten, welche die Studie von Fowler et al. (J Nucl Med 48:17241732 , 1729; 2007) zur Auswirkung intravenös verabreichten d- und l- Methamphetamins auf das Verhalten von Primaten ermittelt hat. Die von Fowler et al. darüber hinaus angestellten vergleichenden Untersuchungen mit Kokain ergaben demgegenüber einen Durchschnittswert von 4 Minuten (aaO 1729 f.).
23
(4) Der Senat sieht sich bei seinem Ergebnis im Einklang auch mit der Rechtslage in der Republik Österreich. Die Untergrenze der die einzelnen Begehungsweisen des unerlaubten Umgangs mit Suchtstoffen jeweils qualifizierenden tatbezogenen Menge, die geeignet ist, in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen (§§ 28b, 31b ÖstSMG), wird dort für Amphetamin und seine Derivate ohne weitere Differenzierung ebenfalls einheitlich bestimmt und bei 10 g der Reinsubstanz angesetzt (Anhang 3 zur ÖStSuchtgift-Grenzmengenverordnung; vgl. auch Oberster Gerichtshof , Urteil vom 20. Dezember 1995 - 13 Os 126/95 unter Verweis auf das Gutachten des Beirats zur Bekämpfung des Missbrauchs von Alkohol und anderen Suchtmitteln vom 10. Mai 1985 [abgedruckt in Foregger/Litzka, Suchtgiftgesetz , 2. Aufl., S. 105 ff.]).
24
In der Schweiz wird zwar bei der Bestimmung der Menge, welche die Gesundheit vieler Menschen in Gefahr bringen kann (Art. 19 Ziff. 2 Buchst. a SchwBetmG), nunmehr für Methamphetamin mit 12 g MethamphetaminHydrochlorid (= 9,68 g Base) ein noch schärferer Grenzwert vorgeschlagen als für Kokain (18 g; Stellungnahme der Schweizerischen Gesellschaft für Rechts- medizin vom Juni 2010 zur Gefährlichkeit von Methamphetamin). Dieser Vorschlag orientiert sich aber im Wesentlichen nur am Urteil des (deutschen) Bundesgerichtshofs vom 3. Dezember 2008 (2 StR 86/08, BGHSt 53, 89) und an der darin mitgeteilten Auffassung der angehörten Gutachter. Weiterreichende Forschungsergebnisse liegen ihm nicht zugrunde.
25
(5) Die vom Sachverständigen Dr. D. im Weiteren als Beleg für eine bessere Bioverfügbarkeit von Methamphetamin herangezogenen Veröffentlichungen sind für die zu treffende Entscheidung nicht ergiebig. Nichols (in: Cho et Segal, Amphetamine and its Analogs, 1994, S. 6) greift zwar die These auf, Methamphetamin weise fast die zweifache Potenz von Amphetamin auf, lässt aber wiederum nicht erkennen, worauf diese Annahme beruht. Die Abhandlung von Li et al. (Br J Clin Pharmacol 69: 187-192; 2010) enthält keine aussagekräftigen Hinweise auf eine höhere Bioverfügbarkeit von Methamphetamin im Vergleich zu Amphetamin, sondern befasst sich in erster Linie mit den Metaboliten, die in Abhängigkeit von der jeweiligen stereochemischen Beschaffenheit des verabreichten Methamphetamins beim Abbau typischerweise entstehen. Im Übrigen haben weder Hart et al. noch Fowler et al. in ihren oben angesprochenen Studien Vergleiche zwischen Methamphetamin und Amphetamin angestellt.
26
3. Ob danach für (2S)-Methamphetamin weiterhin der Auffassung gefolgt werden kann, es wirke bis zu zweimal stärker als Amphetamin (BGH, Urteil vom 3. Dezember 2008 - 2 StR 86/08, BGHSt 53, 89), kann offen bleiben, denn der Senat hat nur über den Grenzwert bei (RS)-Methamphetamin zu entscheiden.
Becker Pfister von Lienen Mayer Menges

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 S t R 3 0 2 / 1 3
vom
14. Januar 2015
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
_________________________
1. Die nicht geringe Menge der synthetischen Cannabinoide JWH-018 und CP
47,497-C8-Homologes beginnt bei zwei Gramm.
2. Die nicht geringe Menge der synthetischen Cannabinoide JWH-073 und CP
47,497 beginnt bei sechs Gramm.
BGH, Urteil vom 14. Januar 2015 - 1 StR 302/13 - LG Landshut
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
3. Dezember 2014, in der Sitzung am 14. Januar 2015, an denen teilgenommen
haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Raum,
die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Prof. Dr. Jäger,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Cirener
und der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Radtke,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Landshut vom 11. Januar 2013, soweit es ihn betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Komplex C.III.1. der Urteilsgründe,
b) im gesamten Strafausspruch,
c) im Ausspruch über den Verfall von Wertersatz.
2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es den Angeklagten betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) in den Komplexen C.III.1. und C.III.3. der Urteilsgründe,
b) im gesamten Strafausspruch,
c) im Ausspruch über den Verfall von Wertersatz.
3. Die weitergehenden Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft werden verworfen.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen
2
Inverkehrbringens bedenklicher Arzneimittel in Tateinheit mit Inverkehrbringen von Arzneimitteln mit irreführender Bezeichnung in Tateinheit mit Inverkehrbringen von Arzneimitteln minderer Qualität (Komplex C.II.),
3
versuchten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in drei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Inverkehrbringen bedenklicher Arzneimittel in Tateinheit mit Inverkehrbringen von Arzneimitteln mit irreführender Bezeichnung in Tateinheit mit Inverkehrbringen von Arzneimitteln minderer Qualität (Komplexe C.III.1. und C.III.5.),
4
unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Komplex C.III.2.),
5
unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen (Komplexe C.III.3. und C.III.4.)
6
zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Zudem hat es den Verfall von Wertersatz in Höhe von 193.300,87 Euro angeordnet.
7
Hiergegen wenden sich sowohl der Angeklagte mit seiner auf eine Verfahrensrüge und die Sachrüge gestützten Revision als auch die Staatsanwaltschaft , die mit ihrem Rechtsmittel die Verletzung materiellen Rechts rügt.
8
Der Senat hat das Verfahren, soweit es den Angeklagten betrifft, auf Antrag des Generalbundesanwalts hinsichtlich der Komplexe C.II. und C.III.5. der Urteilsgründe gemäß § 154 Abs. 2 StPO i.V.m. § 154 Abs. 1 StPO eingestellt und es im Übrigen mit Zustimmung des Generalbundesanwalts gemäß § 154a Abs. 2 StPO i.V.m. § 154a Abs. 1 StPO auf Tatbestände des Betäubungsmittelgesetzes beschränkt.
9
Die Revisionen erzielen jeweils den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen sind sie unbegründet und waren daher zu verwerfen.

A.

10
I. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
11
Der Angeklagte betrieb in D. einen Handel mit Gewürz- und Kräutermischungen und vertrieb die Produkte über den Internetshop „www.b. .de“. Er erwarb von Händlern aus dem Inland und dem europäi- schen Ausland Kräutermischungen, die synthetische Cannabinoide - namentlich die Wirkstoffe JWH-018, JWH-073, CP 47,497 bzw. CP 47,497-C8Homologes - enthielten, um diese gewinnbringend weiterzuverkaufen und sich dadurch eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang zu eröffnen.
12
Dem Angeklagten war bekannt, dass die Kräutermischungen zum Konsum durch Rauchen verwendet wurden und dass diese eine bewusstseinsverändernde Wirkung hatten, sofern sie synthetische Cannabinoide enthielten. Er rechnete damit, dass derartige Wirkstoffe in den Mischungen enthalten waren und nahm dies zumindest billigend in Kauf. Auf den Verpackungen der Kräutermischungen war weder angegeben, dass diese synthetische Cannabinoide enthielten, noch war eine Dosierungsanleitung beigefügt. Die Wirkstoffe waren in den Kräutermischungen nicht gleichmäßig verteilt.
13
Im Einzelnen handelte es sich um folgende Fälle, soweit sie nach Teileinstellung des Verfahrens noch Gegenstand des Revisionsverfahrens sind:
14
1. Der Angeklagte erwarb im April 2009 aus Österreich jeweils 300 Päckchen mit je 3 Gramm der Kräutermischungen „SenCation Vanilla“ bzw. „SenCation Blackberry“, die entweder den Wirkstoff JHW-073oder den Wirkstoff CP 47,497-C8-Homologes enthielten, und verkaufte diese an zahlreiche Abnehmer weiter (Komplex C.III.1.).
15
2. Im Mai und Juni 2009 kaufte der Angeklagte aus Belgien in fünf Fällen die Kräutermischungen „Dream“ bzw. „69“ an, die jeweils den Wirkstoff JWH- 018 enthielten. Ausgehend von einem Gewicht pro Päckchen von mindestens 2 Gramm und einem Wirkstoffgehalt von mindestens 1,1 Prozent für „Dream“ bzw. von einem Gewicht pro Päckchen von mindestens 1,2 Gramm und einem Wirkstoffgehalt von mindestens 1,8 Prozent für „69“ belief sich die Gesamtmenge JWH-018 bei den Einfuhren am 20. Mai 2009 (Fall 1: 1.000 Päckchen „Dream“) auf 22 Gramm, am 25. Mai 2009 (Fall 2: 1.500 Päckchen „Dream“) auf 33 Gramm, am 12. Juni 2009 (Fall 3: 800 Päckchen „Dream“) auf 17,6 Gramm, am 19. Juni 2009 (Fall 4: 150 Päckchen „69“ sowie 800 Päckchen „Dream“) auf 20,84 Gramm und am 22. Juni 2009 (Fall 5: 1.000 Päckchen „69“) auf 21,6 Gramm. Auch diese Kräutermischungen verkaufte der Angeklagte in der Folgezeit an zahlreiche Abnehmer weiter (Komplex C.III.2.).
16
3. Am 1. März 2009 verkaufte der Angeklagte 25 Päckchen der Kräuter- mischung „Chill X“, die den Wirkstoff CP 47,497-C8-Homologes enthielten (Komplex C.III.3.).
17
4. Am 10. März 2009 verkaufte der Angeklagte 25 Päckchen der Kräu- termischung „Dream“, die den Wirkstoff JWH-018 enthielten (Komplex C.III.4.).
18
II. Das Landgericht hat folgende Wertungen vorgenommen:
19
1. a) Im Komplex C.III.1. der Urteilsgründe hat das Landgericht den Angeklagten neben Verstößen gegen das Arzneimittelgesetz auch wegen tateinheitlich begangenen versuchten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt. Es hat sich nicht davon überzeugen können, dass die vom Angeklagten gehandelten Kräutermischungen „SenCation Vanilla“ bzw. „Sen- Cation Blackberry“ tatsächlich den im Tatzeitraum in Anlage II zum Betäu- bungsmittelgesetz aufgeführten Wirkstoff CP 47,497-C8-Homologes enthielten, da bei Untersuchungen von bei dem Angeklagten aufgefundenen gleichnamigen Kräutermischungen teils dieser Wirkstoff, teils der erst nach dem Tatzeitraum in Anlage II zum Betäubungsmittelgesetz aufgenommene Wirkstoff JWH073 festgestellt worden sei. Der Angeklagte habe aber jedenfalls billigend in Kauf genommen, dass die Kräutermischungen Wirkstoffe enthalten, die unter das Betäubungsmittelgesetz fallen. Feststellungen zum Wirkstoffgehalt der Kräutermischungen bzw. zu dem Vorstellungsbild des Angeklagten davon hat das Landgericht nicht getroffen.
20
b) Im Komplex C.III.2. der Urteilsgründe hat sich der Angeklagte nach Auffassung des Landgerichts durch den Ankauf der Kräutermischungen „Dream“ bzw. „69“ im Mai und Juni 2009 aus Belgien wegen unerlaubter Ein- fuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge strafbar gemacht. Den Grenzwert für die nicht geringe Menge des Wirkstoffs JWH-018 hat das Landgericht sachverständig beraten auf 1,75 Gramm Wirkstoffmenge - entsprechend 350 Konsumeinheiten zu je 5 Milligramm - festgesetzt. Eine äußerst gefährliche oder tödliche Dosis vermochte es mangels Datengrundlage nicht zu bestimmen. Bei der Festlegung der Maßzahl auf 350 Konsumeinheiten hat es insbesondere berücksichtigt, dass JWH-018 im Vergleich zu Tetrahydrocannabinol eine deutlich stärkere Wirkung und eine höhere akute Toxizität aufweise, MDE/MDA/MDMA bzw. Amphetamin/ Methamphetamin andererseits aber eine noch stärkere akute Toxizität innewohne. Entsprechend dieser Einordnung sei die Maßzahl für JWH-018 als Mittelwert zwischen den für Amphetamin/Methamphetamin und THC von der Rechtsprechung angenommenen Maßzahlen von 200 bzw. 500 Konsumeinheiten festzulegen.
21
c) Die Komplexe C.III.3. und C.III.4. der Urteilsgründe hat das Landgericht jeweils als unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln gewertet. Es hat lediglich festgestellt, dass sechs von 29 bei dem Angeklagten aufgefundenen Päckchen „Chill X“ im Durchschnitt 2,9 Gramm der Kräutermischung enthielten. Weitergehende Feststellungen zum Wirkstoffgehalt der im Fall C.III.3. gehandelten Kräutermischung bzw. zu dem Vorstellungsbild des Angeklagten davon hat es nicht getroffen.
22
2. a) Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht im Komplex C.III.1. den Regelstrafrahmen des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG zur Anwendung gebracht. Die Indizwirkung des angenommenen Regelbeispiels des gewerbsmäßigen Handelns (§ 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG) hat es mit der Begründung als entkräftet angesehen, dem Angeklagten sei nicht bekannt gewesen, ob in den von ihm gehandelten Kräutermischungen tatsächlich betäubungsmittelrechtlich relevante Wirkstoffe enthalten gewesen seien. Zudem stehe nicht fest, ob überhaupt und ggfs. in welcher Quantität in den Kräutermischungen tatsächlich der Wirkstoff CP 47,497-C8-Homologes enthalten gewesen sei. Den so gefundenen Strafrahmen hat das Landgericht gemäß § 23 Abs. 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB gemildert und auf eine Einzelfreiheitsstrafe von sechs Monaten erkannt.
23
b) Hinsichtlich des Komplexes C.III.2. der Urteilsgründe hat das Landgericht jeweils minder schwere Fälle i.S.v. § 30 Abs. 2 BtMG angenommen. Eine positive Kenntnis des Angeklagten, dass die von ihm eingeführten Kräutermi- schungen „Dream“ und „69“ unter das Betäubungsmittelgesetz fallende Wirk- stoffe enthielten, habe nicht nachgewiesen werden können. Vielmehr habe er lediglich mit Eventualvorsatz gehandelt. Strafmildernd hat es zudem gewertet, dass die synthetischen Cannabinoide den „weichen Drogen“ zuzuordnen und im Tatzeitraum das Problembewusstsein hinsichtlich der Strafbarkeit im Zu- sammenhang mit Kräutermischungen „noch nicht allzu ausgeprägt“ gewesen sei. Auch sei der Grenzwert für die nicht geringe Menge an JWH-018 noch nicht bekannt gewesen. Daher sei trotz des Umstands, dass der Angeklagte erheblich einschlägig vorbestraft und die nicht geringe Menge in jedem Fall um ein Vielfaches überschritten sei, die Anwendung des Strafrahmens des § 30 Abs. 2 BtMG geboten. Es hat unter nochmaliger Berücksichtigung des nur bedingten Vorsatzes auf Einzelfreiheitsstrafen von einem Jahr und drei Monaten, dreimal je einem Jahr sowie von zehn Monaten erkannt.
24
c) In den Komplexen C.III.3. und C.III.4. ist das Landgericht vom Regelstrafrahmen des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG ausgegangen, nachdem es die durch das gewerbsmäßige Handeln (§ 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG) ausgelöste Indizwirkung für einen besonders schweren Fall wegen des nur bedingten Vorsatzes des Angeklagten und der Einstufung von synthetischen Cannabinoiden als „weiche Droge“ als entkräftet angesehen hat. Es hat auf Geldstrafen von jeweils 60 Tagessätzen erkannt, die Tagessatzhöhe hat es auf 30 € festgesetzt.
25
3. Bei der Entscheidung über die Anordnung des Verfalls von Wertersatz ist das Landgericht bei der Bestimmung des aus der Tat Erlangten von den aus dem Verkauf der Kräutermischungen erzielten Erlösen ausgegangen. Die in den Urteilsgründen mit dem Zusatz „mit MWSt“ bzw. „ohne MWSt“ mitgeteilten Verkaufspreise hat es den Verkaufsrechnungen entnommen. Sofern in den Rechnungen die Mehrwertsteuer (Umsatzsteuer) nicht gesondert ausgewiesen war, hat es diese von den Verkaufspreisen in Abzug gebracht.

B.

26
Das Rechtsmittel des Angeklagten erzielt den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet.
27
I. Die Verfahrensrüge, mit der die Revision die vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts aufgrund der rechtfehlerhaften Entbindung eines Schöffen von der Dienstleistung geltend macht (§ 338 Nr. 1 StPO), bleibt aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts zutreffend dargelegten Gründen ohne Erfolg.
28
II. Die Sachrüge hat teilweise Erfolg.
29
Das Landgericht hat rechtlich zutreffend seiner Wertung zugrunde gelegt , dass die Wirkstoffe JWH-018 und CP 47,497 bzw. CP 47,497-C8Homologes ab dem 22. Januar 2009, der Wirkstoff JWH-073 erst ab dem 22. Januar 2010 den Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes unterfielen.
30
1. Die Schuldsprüche in den Komplexen C.III.2. (a.), C.III.3. und C.III.4. (b.) weisen keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Dagegen kann der Schuldspruch im Komplex C.III.1. (c.) keinen Bestand haben.
31
a) Die Verurteilung im Komplex C.III.2. wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, hält revisionsgerichtlicher Überprüfung stand (vgl. zur konkurrenzrechtlichen Beurteilung BGH, Urteile vom 28. Februar 2007 - 2 StR 516/06, NStZ 2007, 338 und vom 19. Juli 2006 - 2 StR 162/06, NStZ 2007, 101; BGH, Beschlüsse vom 2. Juni 2006 - 2 StR 150/06, NStZ-RR 2006, 277 und vom 5. März2013 - 1 StR 35/13, NStZ 2013, 662).
32
Das Landgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass in den abgeurteilten Fällen der in den Kräutermischungen „Dream“ und „69“ ent- haltene Wirkstoff JWH-018 jeweils die Grenze der nicht geringen Menge i.S.v. § 29a Abs. 1 Nr. 2, § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG erreicht hat.
33
Die Berechnung der Mengen und des Wirkstoffgehalts der betroffenen Kräutermischungen „Dream“ und „69“ ist revisionsrechtlich nicht zu beanstan- den.
34
Der Senat setzt jedoch - insoweit abweichend vom Landgericht - den Grenzwert der nicht geringen Menge an JWH-018 auf eine Wirkstoffmenge von 2 Gramm fest.
35
Hierbei bezieht sich der Senat auf die in ständiger Rechtsprechung vom Bundesgerichtshof angewandte Methode (vgl. nur BGH, Urteile vom 3. Dezember 2008 - 2 StR 86/08, BGHSt 53, 89 und vom 17. November 2011 - 3 StR 315/10, BGHSt 57, 60). Danach ist der Grenzwert der nicht geringen Menge eines Betäubungsmittels stets in Abhängigkeit von dessen konkreter Wirkungsweise und -intensität festzulegen. Maßgeblich ist zunächst die äußerst gefährliche, gar tödliche Dosis des Wirkstoffs (BGH, Urteil vom 22. Dezember 1987 - 1 StR 612/87, BGHSt 35, 179). Fehlen hierzu gesicherte Erkenntnisse, so errechnet sich der Grenzwert als ein Vielfaches der durchschnittlichen Konsumeinheit eines nicht an den Genuss dieser Droge gewöhnten Konsumenten. Das Vielfache ist nach Maßgabe der Gefährlichkeit des Stoffes, insbesondere seines Abhängigkeiten auslösenden oder sonst die Gesundheit schädigenden Potentials zu bemessen (BGH, Urteil vom 3. Dezember 2008 - 2 StR 86/08, BGHSt 53, 89). Lassen sich auch zum Konsumverhalten keine ausreichenden Erkenntnisse gewinnen, so entscheidet ein Vergleich mit verwandten Wirkstoffen (vgl. BGH, Urteile vom 24. April 2007 - 1 StR 52/07, BGHSt 51, 318 und vom 17. November 2011 - 3 StR 315/10, BGHSt 57, 60).
36
Zur Wirkung und zur Gefährlichkeit von JWH-018 hat der Senat Gutachten des Laborleiters Forensische Toxikologie der Universität Freiburg A. sowie des Apothekers für experimentelle Pharmakologie und Toxikologie Da. vom Bundeskriminalamt eingeholt. Danach ergibt sich Folgendes:
37
aa) Seit etwa dem Jahr 2005 entwickelte sich ein Markt für mit synthetischen Cannabinoiden versetzte Kräutermischungen, Räuchermischungen, Ba- desalze u.ä. (sog. „Legal Highs“ oder auch „Neue psychoaktive Substanzen“), die zur Herbeiführung eines Rauschzustandes - häufig als Ersatz für Cannabis - mit dem Ziel der Entspannung, der Stimmungsregulation oder der Intensivierung von Sinneseindrücken konsumiert wurden. Diese Stoffe zeichnen sich dadurch aus, dass sie in chemischen Syntheselaboren ohne großen technischen Aufwand mit Hilfe leicht zu beschaffender Bestandteile kostengünstig hergestellt werden können und zum Verkauf mit Pflanzenmaterial vermischt werden. Charakteristisch für solche Produkte ist die ungleichmäßige Verteilung der synthetischen Cannabinoide innerhalb der pflanzlichen Trägermasse. Auch die Wirkstoffkonzentration ist großen Schwankungen unterworfen. Waren in den ersten Jahren noch Produkte mit Wirkstoffkonzentrationen im einstelligen Prozentbereich auf dem Markt, so sind heute Wirkstoffanteile von bis zu 30 Prozent zu finden. Der Wirkstoffgehalt ist dem Produkt nicht anzusehen. Der Wirkstoff JWH-018 war - neben dem Wirkstoff CP 47,497-C8-Homologes - als Hauptwirkstoff in den sog. „Spice“-Produktender ersten Generation enthalten, bis er nach seiner Aufnahme in Anlage II zum Betäubungsmittelgesetz durch andere synthetische Cannabinoide, so z.B. JWH-073, aber auch weitere, teilweise hochpotente Wirkstoffe, ersetzt wurde.
38
bb) Bei JWH-018 [chemische Bezeichnung: (Naphthalin-1-yl)(1-pentyl1H -indol-3-yl)methanon] handelt es sich um ein nach dem amerikanischen Chemiker John W. Huffman benanntes vollsynthetisches Aminoalkylindol, das bisher nicht in klinischen Studien am Menschen getestet wurde. Die Erkenntnismöglichkeiten zur pharmakologischen Wirkung der Substanz beschränken sich auf einzelne wissenschaftliche Selbstversuche und Fallberichte, in denen neben einer ausführlichen klinischen Beschreibung auch eine umfassende toxikologische Analytik durchgeführt wurde, die einen kausalen Zusammenhang zwischen Wirkstoffaufnahme und Symptomatik belegen. Zudem stehen Daten aus Rezeptorbindungsstudien sowie Ergebnissen aus in vivo-Studien (vor allem am Mausmodell) zur Verfügung, wobei eine Übertragung der daraus gezogenen Schlüsse auf den Menschen nur eingeschränkt möglich ist.
39
cc) Nach derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnissen wird die Wirkung der synthetischen Cannabinoide wie bei dem Wirkstoff der Cannabispflanze über das Endocannabinoidsystem vermittelt. Diese vergleichbare Wirkungsweise hat trotz unterschiedlicher chemischer Zusammensetzung zur Sammelbe- zeichnung als synthetische „Cannabinoide“ geführt. DasEndocannabinoidsys- tem ist nicht nur beim Menschen, sondern auch bei Wirbeltieren und Fischen vorhanden und an verschiedensten, teilweise sehr komplexen Prozessen beteiligt. Der Wirkstoff bindet an die Cannabinoid-Rezeptoren CB1, der in hoher Dichte im zentralen Nervensystem vorhanden ist, und CB2, der sich vorwiegend in Zellen des Immunsystems findet. Aufgrund der lipophilen Eigenschaften der Substanzen können sie die Blut-Hirn-Schranke ungehindert passieren. Durch die Bindung an den Rezeptor wird die Signalübermittlung in der zugehörigen Zelle aktiviert. Anhand des Ausmaßes der Aktivierung kann zwischen einem vollen Agonisten und einem nur partiellen Agonisten unterschieden werden.
40
Anders als der Wirkstoff Tetrahydrocannabinol, der am CB1-Rezeptor nur als partieller Agonist bindet, wirken JWH-018 und CP 47,497-C8Homologes dort als volle Agonisten. Dies führt dazu, dass sie wesentlich stärkere Effekte, auch solche lebensbedrohlicher Art, erzeugen können. Es tritt - anders als bei Tetrahydrocannabinol - keine Sättigung ein, vielmehr werden die Wirkungen, also auch die unerwünschten Nebenwirkungen durch eine höhere Dosierung verstärkt. JWH-073 ist hingegen eher wie Tetrahydrocannabinol als partieller Agonist anzusehen.
41
Im Zusammenhang mit diesen Unterschieden der Substanzen JWH-018 einerseits und Tetrahydrocannabinol andererseits bei der sog. intrinsischen Aktivität ist auch zu sehen, dass JWH-018 gegenüber Tetrahydrocannabinol eine höhere Potenz aufweist. Das heißt, dass das Maß der Wirkstärke in Abhängigkeit von der Dosis oder Konzentration deutlich höher anzusiedeln ist. Entsprechend ist bei JWH-018 zur Erzielung einer Wirkung eine gegenüber Tetrahydrocannabinol wesentlich geringere Dosis erforderlich. Dies steht auch in Übereinstimmung mit Berichten von Konsumenten, die ebenfalls für JWH018 bei gleicher Dosierung eine deutlich stärkere Wirkung im Vergleich zu Tetrahydrocannabinol beschreiben. An Tieren durchgeführte Studien, im Rahmen derer Potenz und Rezeptoraffinität verschiedener synthetischer Cannabinoide im Vergleich zu Tetrahydrocannabinol getestet wurden, lassen den wissenschaftlich belegten Schluss zu, dass der Wirkstoff JWH-018 mindestens um den Faktor 3 potenter als Tetrahydrocannabinol ist. Die insoweit erhobenen pharmakodynamischen Parameter ließen auch die Annahme eines höheren Faktors zu. Um aber dem Umstand, dass es sich um die Übertragung von am Tiermodell gewonnenen Daten auf den Menschen handelt und anderen möglichen Messunsicherheiten ausreichend Rechnung zu tragen, ist nicht auf diesen höheren Faktor, sondern auf die jedenfalls gesicherte Abschätzung der Potenz, nämlich dem Faktor 3 zurückzugreifen.
42
Die möglichen Unterschiede in der sog. intrinsischen Aktivität der synthetischen Cannabinoide, aber auch ihre damit zusammenhängende unterschiedliche Potenz führen dazu, dass man Feststellungen zur Gefährlichkeit eines dieser synthetischen Cannabinoide nicht ohne weiteres auf andere Stoffe übertragen kann. So gibt es innerhalb der Gruppe der synthetischen Cannabinoide deutliche Potenzunterscheide.
43
Betäubungsmittel wie Heroin, Kokain oder Amphetamin weisen hingegen einen komplett anderen Wirkungsmechanismus auf.
44
dd) Neben potentiell therapeutisch nutzbaren Effekten - wie Schmerzlinderung , Neuroprotektion, Hemmung gastrointestinaler Motilität, Linderung von Spastizität, antiemetische Wirkung, Senkung des Augeninnendrucks, Erleichterung des Schlafes und appetitanregende Wirkung - zeigt sich nach dem Konsum von synthetischen Cannabinoiden eine berauschende Wirkung, gekennzeichnet durch Stimmungssteigerung, Euphorie, Redseligkeit, veränderter Wahrnehmung (z.B. in Bezug auf Farben, Musik, Geschmack und Zeitgefühl) oder Gefühle erhöhter Einsicht und Bedeutung. Zu den häufigsten unerwünschten Nebenwirkungen nach dem Konsum synthetischer Cannabinoide gehören solche, die auch nach Cannabiskonsum häufig auftreten, wie Beeinträchtigung des Denk-, Lern-, Erinnerungs- und Konzentrationsvermögens und der psychomotorischen Leistung, Gefühle von Unwirklichkeit, Depersonalisation und Distanziertheit, Unterbrechung von Gedankengängen, Angstzustände, Paranoia , erhöhte Herzfrequenz, Pupillenweitung, Bindehautrötung, verminderter Tränenfluss, Mundtrockenheit sowie Wirkungen auf endokrine und reproduktive Funktionen und die Thermoregulation. Daneben zeigen sich aber auch Symptome , die untypisch für Cannabisintoxikationen sind, wie lange anhaltendes Erbrechen, Bewusstlosigkeit, Wirkung auf die Atmung und Krampfanfälle. Das Erbrechen kann im Zusammenhang mit der Bewusstseinstrübung und der damit verbundenen Aspirationsgefahr genauso eine lebensgefährliche Situation begründen wie Krampfanfälle. Gerade diese Effekte führen zur Annahme einer gegenüber Tetrahydrocannabinol gesteigerten Gefährlichkeit für die Gesundheit des Konsumenten.
45
Die berauschende Wirkung von JWH-018 hält etwa ein bis zwei Stunden an, wobei die tatsächliche Wirkungsdauer, die davon abhängt, wie schnell die Substanzen metabolisiert und ausgeschieden werden, immer auch von der Dosis und der Art der Aufnahme, aber maßgeblich auch von der aktuellen Verfassung des Konsumenten und den Umgebungsbedingungen beeinflusst wird.
46
ee) Auch wenn die Wirkungen synthetischer Cannabinoide in erster Linie über das Endocannabinoidsystem vermittelt werden, gibt es Hinweise darauf, dass die Substanzen auf weitere physiologischen Systeme einwirken. So zeigt das Wirkungsprofil dieser Substanzen im Vergleich zu dem von Cannabis ähnliche Symptome, aber auch markante Unterschiede. Derartige Systeme konnten aber bisher nicht identifiziert werden, weshalb diese nur möglichen, derzeit nicht belegbaren Effekte nach dem heutigen wissenschaftlichen Kenntnisstand nicht Grundlage der rechtlich relevanten Beurteilung der Wirkung und Gefährlichkeit der Substanz sein können. Auch die Frage von Langzeittoxizität, krebserzeugenden Wirkungen, Beeinträchtigungen des Erbguts oder der Fertilität durch synthetische Cannabinoide - auf deren mögliches Vorliegen als Risiko insbesondere der Sachverständige Da. hingewiesen hat - kann anhand der mangelhaften Datenlage derzeit nicht beurteilt werden.
47
ff) Zur äußerst gefährlichen, gar tödlichen Dosis des Wirkstoffs JWH-018 liegen derzeit keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse vor. Zwar können Vergiftungen mit synthetischen Cannabinoiden zu lebensbedrohlichen Zuständen führen, wobei Erbrechen mit der Gefahr der Aspiration bei Bewusstseinseintrübungen , negative Wirkungen auf die Atmung und Krampfanfälle im Vordergrund stehen. Die begrenzte Anzahl klinisch und analytisch dokumentierter Vergiftungsfälle bieten aber für eine Festlegung einer äußerst gefährlichen, gar tödlichen Dosis keine valide Grundlage, da zuverlässige Daten zu Konsumzeitpunkt und -menge fehlen und neben den synthetischen Cannabinoiden zumeist weitere Betäubungsmittel konsumiert wurden.
48
gg) Die Festlegung des Grenzwerts der nicht geringen Menge auf Grundlage der durchschnittlichen Konsumeinheit eines nicht an den Genuss der Droge gewöhnten Konsumenten kommt ebenfalls nicht in Betracht. Auch zum Konsumverhalten fehlt es an wissenschaftlich gesicherten Daten.
49
(1) Zwar lässt sich allgemein feststellen, dass die Dosierung des Wirkstoffs maßgeblich von der Konsumform sowie von der Anwendungsart abhängt.
50
Die gebräuchlichste Konsumform für synthetische Cannabinoide sind sog. Räuchermischungen, wobei das mit dem Wirkstoff versetzte pflanzliche Material als Tabakmischung in einem Joint oder in einer Wasserpfeife („Bong“) geraucht wird. Die Wirkung setzt bei dieser Konsumart aufgrund der Aufnahme des Wirkstoffs über die Lunge innerhalb weniger Minuten ein. Anders als bei Cannabis muss der Wirkstoff nicht erst aus der pflanzlichen Matrix freigesetzt werden, sondern steht sofort zur Verfügung. Da der Konsument in der Regel nicht wissen kann, wieviel Wirkstoff enthalten ist, wird er so lange rauchen, bis die gewünschte Wirkung eingetreten ist, er „titriert“. Dies beinhaltet das Risiko einer Überdosierung, da schon mit den ersten Zügen so viel aufgenommen worden sein kann, dass unerwünschte Nebenwirkungen auftreten. Derzeit weniger verbreitet ist noch das Verdampfen der Wirksubstanz - meist unter Einsatz des reinen Wirkstoffes - in einem „Vaporizer“ oder unter Einsatz des Wirk- stoffs in gelöster Form als „E-Liquid“ in einer E-Zigarette. Dies erfordert im Ver- gleich zum Rauchen niedrigere Temperaturen, was mit einer höheren Bioverfügbarkeit aufgrund geringerer Verluste durch Verbrennung einhergeht. Da bei den Verdampfungstechniken im Unterschied zum Rauchen in der Regel auch keine Verluste durch Seitenstromrauch auftreten, reichen geringere Substanzmengen aus, um eine Wirkung zu erzielen. Sowohl für das Rauchen als auch für das Verdampfen gilt, dass sich der Anteil des über die Lunge aufgenomme- nen Wirkstoffs je nach konkreter Durchführung (z.B. „paffen“ oder inhalieren) stark unterscheiden kann. Ein geringer Teil der Konsumenten nimmt die Substanzen oral - z.B. nach Herstellung eines Aufgusses - zu sich. Die Wirkung tritt bei oraler Aufnahme mit einer erheblichen Verzögerung von einer halben bis zu mehreren Stunde(n) ein, was dem Konsumenten die Dosierung erschwert. Aufgrund des sog. First-Pass-Effekts (Metabolisierung der Substanz bei der ersten Leberpassage) und der langsameren Resorption werden bei dieser Art der Applikation bei gleicher Dosierung im Vergleich zum Rauchen bzw. Verdampfen wesentlich geringere Blutkonzentrationen erreicht, so dass bei oraler Aufnahme der Substanz eine wesentlich höhere Dosierung zur Erzielung gleicher Wirkung erforderlich ist.
51
(2) Zur konkreten Dosierung von JWH-018 stehen jedoch neben Daten aus vereinzelten wissenschaftlichen Selbstversuchen, die eine zu schmale Tatsachenbasis bieten, lediglich Angaben von Konsumenten in einschlägigen Internetforen zur Verfügung. Zwar finden sich dort Dosierungsempfehlungen, die - bezogen auf den reinen Wirkstoff in Pulverform - von 1 Milligramm bis maximal 5 Milligramm reichen. Diese Angaben erweisen sich aber für die Bestimmung der durchschnittlichen Konsumeinheit, die zur Erreichung eines Rausch- zustands bei einem nicht an den Genuss dieser Droge gewöhnten Konsumenten erforderlich ist, als nicht geeignet. Zum einen gehen diese Angaben häufig auf erfahrene Konsumenten zurück, bei denen bereits mit einer Toleranzentwicklung zu rechnen ist. Zum anderen ist angesichts der fehlenden Angabe, welches synthetische Cannabinoid in welcher Konzentration in den Räuchermischungen enthalten ist, nicht gesichert, dass die Angaben sich tatsächlich auf den genannten Wirkstoff beziehen und die Substanzmengen zutreffend bezeichnet sind.
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(3) Hinzu tritt, dass insbesondere die synthetischen Cannabinoide aus der Gruppe der Aminoalkylindole, wie JWH-018 und JWH-073, extensiv metabolisiert werden und viele der Abbauprodukte ebenfalls pharmakologische Aktivität zeigen. Dies lässt erhebliche interindividuelle Unterschiede in der Reaktion auf den Wirkstoff erwarten.
53
hh) Nachdem eine Festsetzung des Grenzwerts der nicht geringen Menge weder an einer äußerst gefährlichen, gar tödlichen Dosis, noch an einer valide abgesicherten Konsumeinheit ausgerichtet werden konnte, war entscheidend ein Vergleich mit anderen, vergleichbar wirkenden Substanzen. Im Hinblick auf die dargelegten verwandten chemisch-toxikologischen Wirkungen erscheint es dem Senat angebracht, den Grenzwert für JWH-018 im Vergleich zu Tetrahydrocannabinol zu bestimmen. Beide Substanzen wirken auf das Endocannabinoidsystem , weisen ähnliche Wirkungsbilder auf und werden mit dem Ziel der Entspannung, der Stimmungsregulation oder der Intensivierung von Sinneseindrücken konsumiert.
54
Ein Vergleich mit den Grenzwerten der nicht geringen Menge anderer Betäubungsmittel - wie Heroin (vgl. BGH, Urteil vom 7. November 1983 - 1 StR 721/83, BGHSt 32, 162), Kokain (vgl. BGH, Urteil vom 1. Februar 1985 - 2 StR 685/84, BGHSt 33, 133), Amphetamin (vgl. BGH, Urteil vom 11. April 1985 - 1 StR 507/84, BGHSt 33, 169), Methamphetamin (vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 2008 - 2 StR 86/08, BGHSt 53, 89), MDE/MDMA/MDA (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 1996 - 3 StR 220/96, BGHSt 42, 255) oder LSD (vgl. BGH, Urteil vom 1. September 1987 - 1 StR 191/87, BGHSt 35, 43) - kam dagegen aufgrund ihrer unterschiedlichen chemischen Grundstrukturen, der abweichenden Konsummotivation, vor allem aber des vollkommen abweichenden Wirkungsmechanismus nicht in Betracht. Zwar ist zu konstatieren, dass u.a. Heroin oder Kokain noch gefährlichere Wirkungen entfalten als synthetische Cannabinoide. Aufgrund der ganz unterschiedlichen Wirkungsweise, die erst bei vergleichsweise hohen Dosen einsetzt, kann dies aber nicht im losgelösten Vergleich der Grenzwerte zum Ausdruck gebracht werden.
55
ii) Der Senat hat im Anschluss an den Sachverständigen A. den Grenzwert der nicht geringen Menge für JWH-018 aufgrund eines Vergleichs mit Tetrahydrocannabinol auf zwei Gramm Wirkstoffmenge festgesetzt. Dies erscheint angebracht, um dem auf der Grundlage heutiger wissenschaftlicher Erkenntnisse feststehenden Gefährdungspotential dieses Wirkstoffs im Vergleich zu anderen Betäubungsmitteln gerecht zu werden.
56
Maßgeblich ist hierfür die im Vergleich zu Tetrahydrocannabinol, für das der Grenzwert der nicht geringen Menge bei 7,5 Gramm Tetrahydrocannabinol - entsprechend 500 Konsumeinheiten à 15 Milligramm - angenommen wird (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 1984 - 3 StR 183/84, BGHSt 33, 8), höhere Potenz des Wirkstoffs, seine gesteigerte Gefährlichkeit aufgrund weitergehender unerwünschter Nebenwirkungen, die sogar lebensbedrohlich wirken können, und die wesentlich höhere Auftretenswahrscheinlichkeit von starken unerwünschten Nebenwirkungen. Bei dieser Einordnung ist stets von den für den Angeklagten günstigsten relevanten Parametern ausgegangen worden; nach derzeitigem wissenschaftlichen Kenntnisstand nicht valide belegte Hinweise auf ein noch erheblicheres Gefährlichkeitsniveau, insbesondere im Hinblick auf die chronische Toxizität, also solchen Folgen, die erst nach wiederholtem Konsum auftreten , sind dabei nicht eingestellt worden.
57
(1) Zum einen weist JWH-018 im Vergleich zu Tetrahydrocannabinol eine um mindestens den Faktor 3 erhöhte Potenz auf (vgl. unter cc).
58
(2) Auch in Bezug auf die akute Toxizität, also solcher Folgen, die bereits nach einem einmaligen Konsum auftreten können, erweist sich JWH-018 im Vergleich zu Tetrahydrocannabinol als gefährlicher für die Gesundheit der Konsumenten. Beim Konsum von JWH-018 treten neben den auch beim Konsum von Cannabis bekannten unerwünschten Nebenwirkungen die beschriebenen erheblichen weiteren Nebenwirkungen auf. Die Wirkungen auf das HerzKreislauf -System, wie Herzrasen und erhöhter Blutdruck, stellen insbesondere für Konsumenten mit Vorschädigungen ein Risiko dar. Während Todesfälle durch den Konsum von Cannabis nicht bekannt sind, kann es bei Vergiftungen mit synthetischen Cannabinoiden zu lebensbedrohlichen Zuständen, wie Erbrechen verbunden mit der Gefahr der Aspiration bei Bewusstseinseintrübungen, Wirkungen auf die Atmung und Krampfanfällen, kommen.
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(3) Ähnlich wie bei Cannabis wurde bei einigen Konsumenten die Auslösung psychotischer Symptome bzw. die Verschlechterung einer bereits bestehenden psychischen Erkrankung beschrieben, wobei jedoch meist keine klare Zuordnung zu einer bestimmten Wirksubstanz möglich war.
60
(4) Das Abhängigkeitspotential von JWH-018 ist dem von Cannabis jedenfalls gleichzusetzen. Die in der Kasuistik dokumentierten Entzugszeichen und die von Konsumenten beschriebene, mit einer Steigerung der Dosis verbundene vergleichsweise schnelle Toleranzentwicklung, die anhand von Zell- modellen nachzuvollziehen ist, deuten sogar darauf hin, dass synthetische Cannabinoide schneller abhängig machen können als Cannabis. Mangels valider Datengrundlage kann dies allerdings nicht zugrunde gelegt werden. Für die Frage der suchterzeugenden Wirkung kommt auch der im Vergleich zu Tetrahydrocannabinol , welches zwei bis drei Stunden wirkt, kürzeren Dauer der berauschenden Wirkung von lediglich ein bis zwei Stunden Bedeutung zu, die eine erhöhte Gefahr des zeitnahen wiederholten Konsums („Nachlegen“) birgt.
61
(5) Bei der Konsumform des Rauchens haben synthetische Cannabinoide eine vergleichbare karzinogene Wirkung wie Cannabisprodukte.
62
(6) Die Gefahr einer Überdosierung ist bei JWH-018 höher einzustufen als bei Cannabis, was die Gefährlichkeit steigert. Während bei dem Konsum von Cannabis eine Sättigung dergestalt eintritt, dass eine Erhöhung der Dosis nicht mehr zu einer Steigerung der Wirksamkeit führt, ist eine derartige Wirkungsdeckelung bei als Vollagonisten an den Rezeptor bindenden JWH-018 nicht vorhanden. Zudem führt die ungleichmäßige Verteilung des Wirkstoffs innerhalb der Trägermasse bei gleichbleibender Dosierung der Kräutermischung zu einer variierenden Wirkstoffdosis, die die Gefahr einer Überdosierung in stärkerem Maße erhöht, als dies bei Cannabisprodukten aufgrund schwankender Wirkstoffgehalte der Fall ist. Hinzu kommt, dass der Wirkstoffgehalt in den Kräutermischungen insgesamt sehr großen Schwankungen unterliegt. Während die Wirkstoffgehalte in den frühen Produkten meist - wie hier - im unteren Prozentbereich lagen, werden inzwischen nicht selten Wirkstoffgehalte von zehn bis 20 Prozent festgestellt. All dies birgt die gegenüber dem Konsum von Cannabisprodukten erhöhte Gefahr einer starken Ausprägung der unerwünschten Nebenwirkungen, was sich z.B. bei der Beeinträchtigung des Herz-Kreislauf-Systems, aber auch bei den Nebenwirkungen, die bei Can- nabiskonsum nicht auftreten, sehr belastend, sogar lebensbedrohlich auswirken kann.
63
jj) Eine die praktische Handhabung erleichternde Festlegung des Grenzwerts nach der Menge der Päckchen mit Kräutermischungen, ähnlich wie sie ergänzend zum Wirkstoffmengenwert bei LSD vorgenommen wurde (vgl. BGH, Urteil vom 1. September 1987 - 1 StR 191/87, BGHSt 35, 43), ist nicht möglich. Die Schwankungen im Wirkstoffgehalt der unterschiedlichen Kräutermischungen sowie selbst zwischen einzelnen Päckchen von unter derselben Bezeichnung vertriebenen Kräutermischungen lassen eine ausreichend sichere Feststellung einer Mindestkonzentration des Wirkstoffs nicht zu.
64
kk) Soweit der Sachverständige Da. darauf hingewiesen hat, dass die für die Gefährlichkeit des Wirkstoffs maßgeblichen Aspekte wie Langzeittoxizität , Teratogenität, Zytotoxizität oder Kazerogenität derzeit noch nicht hinreichend beurteilt werden können und aus präventiven Erwägungen die Festsetzung des Grenzwerts der nicht geringen Menge auf 0,75 Gramm - entsprechend 150 Konsumeinheiten à 5 Milligramm - angeregt hat, sieht der Senat jedenfalls derzeit mangels gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse keine Basis, die eine für den Angeklagten nachteilige niedrigere Festsetzung des Grenzwerts der nicht geringen Menge rechtfertigen würde.
65
ll) Auch bei Zugrundlegung eines Grenzwerts der nicht geringen Menge von 2 Gramm statt 1,75 Gramm ist in allen fünf Fällen des Komplexes C.III.2. die nicht geringe Menge deutlich überschritten, so dass der Schuldspruch Bestand hat.
66
b) Die Schuldsprüche in den Komplexen C.III.3. und C.III.4. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln weisen keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Das Landgericht hat jeweils keine nicht geringe Menge angenommen.
67
c) Dagegen hält der nach Beschränkung des Verfahrens gemäß § 154a Abs. 2 i.V.m. § 154a Abs. 1 StPO auf Tatbestände des Betäubungsmittelgesetzes allein maßgebliche Schuldspruch wegen versuchten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln im Komplex C.III.1. revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand.
68
Das Landgericht konnte sich angesichts der Untersuchungsergebnisse betreffend der beim Angeklagten aufgefundenen Kräutermischungen, wonach in den Kräutermischungen „SenCation Vanilla“ bzw. „SenCation Blackberry“ teils der Wirkstoff CP 47,497-C8-Homologes, teils der Wirkstoff JWH-073 festgestellt wurde, nicht davon überzeugen, dass in den vom Angeklagten gehandelten Kräutermischungen ein unter das Betäubungsmittelgesetz fallender Wirkstoff enthalten war. Jedoch fehlt es an Feststellungen dazu, welche Vorstellungen sich der Angeklagte vom Wirkstoffgehalt im Zeitpunkt des Ankaufs und der Einfuhr der insgesamt 600 Päckchen Kräutermischungen gemacht hat.
69
Auf konkrete Feststellungen zum (vorgestellten) Wirkstoffgehalt kann bei Verurteilung von Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz regelmäßig nicht verzichtet werden. Denn der Wirkstoffgehalt wirkt sich entscheidend auf die rechtliche Beurteilung der begangenen Betäubungsmitteldelikte, auf deren konkurrenzrechtliches Verhältnis und auf den Schuldumfang der Taten aus (vgl. BGH, Urteil vom 3. April 2008 - 3 StR 60/08, NStZ 2008, 471; Weber, BtMG, 4. Aufl., Vor § 29ff. Rn. 915 ff. mwN).
70
Da Feststellungen zum Vorstellungsbild des Angeklagten bezogen auf den Zeitpunkt des Ankaufs und der Einfuhr der Kräutermischungen „SenCation Vanilla“ bzw. „SenCation Blackberry“ fehlen, kann der Schuldspruch auf die Revision des Angeklagten keinen Bestand haben.
71
2. Der Strafausspruch unterliegt insgesamt der Aufhebung.
72
Im Komplex C.III.1. erfasst die Aufhebung des Schuldspruchs den zugehörigen Strafausspruch. Auch in den Komplexen C.III.2. bis C.III.4. hat der Ausspruch über die jeweiligen Einzelstrafen keinen Bestand.
73
a) In den Komplexen C.III.2. und C.III.4. ergibt sich dies daraus, dass das Landgericht der Strafzumessung durch Annahme des Grenzwerts der nicht geringen Menge von JWH-018 von 1,75 Gramm statt 2 Gramm einen unzutreffenden Maßstab zugrunde gelegt hat. Auch im Komplex C.III.3. hebt der Senat die Einzelstrafen auf, um dem neuen Tatrichter eine an der Festlegung der nicht geringen Menge des betroffenen Wirkstoffs (vgl. hierzu C.I.1.a.) orientierte , in sich stimmige Strafzumessung zu ermöglichen.
74
b) Der Wegfall bzw. die Aufhebung der Einzelstrafen zieht die Aufhebung des Gesamtstrafausspruchs nach sich.
75
3. Die Anordnung des Verfalls von Wertersatz hat insgesamt keinen Bestand.
76
Bereits die Teileinstellung des Verfahrens hinsichtlich der Komplexe C.II. und C.III.5. sowie die Aufhebung der Verurteilung im Komplex C.III.1. führen zur Aufhebung des angeordneten Wertersatzverfalls.
77
Eine Aufrechterhaltung hinsichtlich des aus den Taten der Komplexe C.III.2. bis C.III.4. Erlangten kommt hier nicht in Betracht. Dem Senat ist es auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht möglich, zu bestimmen, in welcher Höhe der Verfall von Wertersatz zu Recht angeordnet ist.
78
Das Landgericht ist bei der Bestimmung des aus den Taten Erlangten zutreffend von den Erlösen aus dem Verkauf der Kräutermischungen ausgegangen. Jedoch begegnet die Kürzung der Beträge um die Umsatzsteuer durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Zwar können steuerliche Belastungen zur Vermeidung einer Doppelbelastung bei der Anwendung der Härtevorschrift des § 73c StGB zu berücksichtigen sein (vgl. BGH, Urteil vom 21. März2002 - 5 StR 138/01, BGHSt 47, 260). Das Landgericht übersieht jedoch, dass bei der unerlaubten Lieferung von Betäubungsmitteln innerhalb eines Mitgliedstaates keine Umsatzsteuerschuld entsteht. Zwar verbietet der Grundsatz der steuerlichen Wertneutralität bei der Erhebung der Umsatzsteuer grundsätzlich eine allgemeine Differenzierung zwischen erlaubten und unerlaubten Geschäften. Dies gilt jedoch nicht für die unerlaubte Lieferung von Erzeugnissen wie Betäubungsmitteln , die schon ihrem Wesen nach - mit engen Ausnahmen - einem vollständigen Verkehrsverbot unterliegen. In einer derartigen besonderen Situation , in der jeder Wettbewerb zwischen einem legalen und einem illegalen Wirtschaftssektor ausgeschlossen ist, kann die Freistellung von der Mehrwertbesteuerung den Grundsatz der steuerlichen Wertneutralität nicht berühren (EuGH, Urteil vom 5. Juli 1988 - Rechtssache C-289/86, Slg. 1988, 3655; vgl. zur Einfuhrumsatzsteuer EuGH, Urteil vom 28. Februar 1984 - Rechtssache C-294/82, EuGRZ 1984, 261). Der Angeklagte würde allerdings nach § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG für dennoch unrichtig in Rechnungen offen ausgewiesene Umsatzsteuerbeträge haften. Aber auch insoweit käme eine Berücksichtigung dieser Haftung nur in Betracht, wenn die Steuern tatsächlich gezahlt oder jedenfalls bestandskräftig festgesetzt worden wären (vgl. BGH, Urteile vom 21. März 2002 - 5 StR 138/01, BGHSt 47, 260 und vom 27. Oktober 2011 - 5 StR 14/11, NJW 2012, 92; BGH, Beschlüsse vom 18. Februar 2004 - 1 StR 296/03, wistra 2004, 227 und vom 25. März 2014 - 3 StR 314/13).
79
Eine Prüfung, inwieweit der für das aus den Taten der Komplexe C.III.2. bis C.III.4. Erlangte anzuordnende Wertersatzverfall hinter dem vom Landgericht dem Verfall von Wertersatz zugrunde gelegten Betrag von 193.300,87 Euro zurückbleibt oder diesen übersteigt, ist dem Senat nicht möglich. Zum einen hat das Landgericht keine Feststellungen zum Stand des Besteuerungsverfahrens getroffen. Zum anderen hat es die Berechnungsgrundlagen nicht nachvollziehbar dargelegt. Soweit das Landgericht die Verkaufspreise jeweils mit dem Zusatz „mit MwSt“ bzw. „ohne MwSt“ mitteilt, fehlt es an einer Klarstellung, ob es sich insoweit um die bereits um die Umsatzsteuer gekürzten Beträge handelt oder ob von den genannten Beträgen noch eine Korrektur um die Umsatzsteuer durchgeführt wurde.

C.

80
Das auf die Sachrüge gestützte Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft erzielt den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet.
81
I. Die Schuldsprüche in den Komplexen C.III.1. und C.III.3. halten revisionsgerichtlicher Nachprüfung nicht stand. Dagegen weisen die Schuldsprüche in den Komplexen C.III.2. und C.III.4. keine Rechtsfehler zu Gunsten des Angeklagten auf.
82
1. Der nach Beschränkung gemäß § 154a Abs. 2 i.V.m. § 154a Abs. 1 StPO auf Tatbestände des Betäubungsmittelgesetzes allein maßgebliche Schuldspruch wegen versuchten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln im Komplex C.III.1. begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
83
a) Wie bereits unter B.II.c. dargelegt, fehlt es an konkreten Feststellungen dazu, welche Vorstellungen sich der Angeklagte bei Ankauf und Einfuhr über den Wirkstoffgehalt der insgesamt 600 Päckchen der Kräutermischungen „SenCation Vanilla“ bzw. „SenCation Blackberry“ gemacht hat. Dem Senat ist aufgrund der fehlenden Feststellungen die Prüfung nicht möglich, ob nach dem Vorstellungsbild des Angeklagten der Grenzwert der nicht geringen Menge erreicht ist und damit eine Strafbarkeit nach § 30 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG möglich wäre.
84
Nach Auffassung des Senats ist der Grenzwert der nicht geringen Menge für den Wirkstoff CP 47,497-C8-Homologes ebenfalls bei 2 Gramm anzusetzen.
85
Den Ausführungen der Sachverständigen A. und Da. entnimmt der Senat, dass sich die für einen Wirkstoff gewonnenen Erkenntnisse nicht auf alle synthetischen Cannabinoide übertragen lassen. Allein der Umstand, dass andere Wirkstoffe ebenfalls über das Endocannabinoidsystem wirken und an die CB-Rezeptoren binden, sagt nichts über deren Potenz und Wirkungsintensität aus. Diese Werte sind vielmehr für jeden Wirkstoff experimentell zu ermitteln. Entsprechend ist der Grenzwert der nicht geringen Menge für jeden Wirkstoff gesondert festzusetzen.
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Soweit der Sachverständige Da. angeregt hat, dennoch den Grenzwert der nicht geringen Menge für alle synthetischen Cannabinoide einheitlich zu bestimmen und diesen im Hinblick darauf, dass deren Gefährlichkeit noch nicht hinreichend beurteilt werden könne, aus präventiven Erwägungen auf 0,75 Gramm - entsprechend 150 Konsumeinheiten à 5 Milligramm - festzulegen , sieht der Senat hierfür jedenfalls derzeit keine wissenschaftlich hinreichend gesicherte Grundlage.
87
Der Senat hat die Sachverständigen auch zur Wirkung und zur Gefährlichkeit der in den vom Angeklagten gehandelten Kräutermischungen enthaltenen Wirkstoffe CP 47,497, CP 47,497-C8-Homologes und JWH-073 befragt. Hierzu ergibt sich Folgendes:
88
(1) Bei dem Wirkstoff CP 47,497-C8-Homologes - 5-(1,1-Dimethyloctyl)- 2-[(1RS,3SR)-3-hydroxycyclohexyl]-phenol - handelt es sich um einen Vertreter der sog. Cyclohexylphenole, eine Gruppe stickstofffreier Verbindungen, die in den 80er Jahren von Pharmaunternehmen erforscht wurde. Auch dieser Wirkstoff wurde bisher nicht in klinischen Studien am Menschen getestet, so dass für die Beurteilung seiner Gefährlichkeit ebenfalls nur die für den Wirkstoff JWH-018 beschriebenen Erkenntnisquellen zur Verfügung stehen.
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Auf Basis dieser eingeschränkten Datengrundlage weist der Wirkstoff CP 47,497-C8-Homologes, der als voller Agonist am CB1-Rezeptor anzusehen ist, eine vergleichbare Potenz wie JWH-018 auf, wobei die berauschende Wirkung mit vier bis sechs Stunden wesentlich länger andauert (zum Vergleich JWH-018: ein bis zwei Stunden; Tetrahydrocannabinol: zwei bis drei Stunden). Auch beim Konsum von CP 47,497-C8-Homologes treten neben den auch vom Konsum von Cannabis bekannten Nebenwirkungen weitere für Cannabisintoxikationen untypische Symptome auf, die denen nach dem Konsum von JWH018 entsprechen.
90
Die vergleichbare Potenz und Wirkungsintensität der beiden Wirkstoffe sowie die im Vergleich zu Tetrahydrocannabinol weitergehenden unerwünschten , auch potentiell lebensgefährlichen Nebenwirkungen und die erhöhte Auftretenswahrscheinlichkeit von starken Nebenwirkungen rechtfertigen es nach Auffassung des Senats, den Grenzwert der nicht geringen Menge auch für den Wirkstoff CP 47,497-C8-Homologes auf der Basis der derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisgrundlagen auf 2 Gramm festzusetzen.
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(2) Demgegenüber weisen die Wirkstoffe JWH-073 - (Naphtalin-1-yl) (1-butyl-1H-indol-3-yl)methanon - und CP 47,497 - (5-(1,1-Dimethylheptyl)-2 [(1RS,3SR)-3-hydroxycyclohexyl]-phenol) -, die sich von JWH-018 bzw. CP 47,497-C8-Homologes chemisch-strukturell nur geringfügig unterscheiden, nach bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen eine eher dem Tetrahydrocannabinol vergleichbare Potenz auf. Aber auch beim Konsum dieser Wirkstoffe treten neben den auch vom Konsum von Cannabis bekannten Nebenwirkungen weitere unerwünschte Effekte auf.
92
Auf dieser Grundlage hält der Senat den Grenzwert der nicht geringen Menge für den in den gehandelten Kräutermischungen enthaltenen, aber im Tatzeitraum noch nicht unter das Betäubungsmittelgesetz fallenden Wirkstoff JWH-073 sowie für den Wirkstoff CP 47,497 aufgrund seiner mit Tetrahydrocannabinol vergleichbaren Potenz, aber den im Vergleich zum Konsum von Cannabis schwerwiegenderen unerwünschten Nebenwirkungen und der demgegenüber erhöhten Auftretenswahrscheinlichkeit solcher Nebenwirkungen bei einer Wirkstoffmenge von jedenfalls 6 Gramm für erreicht.
93
b) Schon auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen erweist sich aber die Wertung als nur versuchtes Handeltreiben als fehlerhaft. Die Tathandlung des Handeltreibens umfasst jede eigennützige auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit (BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2005 - GSSt 1/05, BGHSt 50, 252). Daher liegt bereits im Ankauf von Betäubungsmitteln zum gewinnbringenden Weiterverkauf ein vollendetes Handeltreiben. Sollten die tatsächlich gehandelten Kräutermischungen entgegen der Vorstellung des Täters keine unter das Betäubungsmittelgesetz fallenden Wirkstoffe enthalten haben - wie es das Landgericht nach den bisherigen Feststellungen nicht ausschließen konnte -, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Denn es kommt nicht darauf an, dass der Umsatz durch die Tathandlung tatsächlich gefördert wird oder dazu überhaupt geeignet war (BGH, Urteil vom 2. Oktober 2013 - 1 StR 75/13). Maßgeblich ist die Vorstellung des Täters von Art und Wirkstoffgehalt der Betäubungsmittel im Zeitpunkt der Abrede über den Ankauf; auf nachträgliche Abweichungen bei der Lieferung kommt es nicht an (BGH, Beschluss vom 25. Juli 2006 - 1 StR 297/06, NStZ-RR 2006, 350 [Ls.]).
94
2. Der Schuldspruch wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln im Komplex C.III.3. hat gleichfalls keinen Bestand. Das Landgericht hat keine Feststellungen zum Wirkstoffgehalt des in der Kräutermischung „Chill X“ enthaltenen Wirkstoffs CP 47,497-C8-Homologes bzw. den Vorstellun- gen des Angeklagten davon getroffen. Auch wenn es sich lediglich um 25 Päckchen der Kräutermischung handelt, kann der Senat nicht sicher ausschließen , dass der Grenzwert der nicht geringen Menge von 2 Gramm erreicht ist und eine Verurteilung wegen § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG in Betracht kommt.
95
3. Die Schuldsprüche im Komplex C.III.2. wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und im Komplex C.III.4. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln weisen keine Rechtsfehler zu Gunsten des Angeklagten auf. Insbesondere erreicht im Komplex C.III.4. die in den veräußerten 25 Päckchen der Kräutermischung „Dream“ enthaltene Wirkstoffmenge JWH-018 bei Zugrundelegung der im Komplex C.III.2. rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zu Gewicht der Päckchen (2 Gramm) und Wirkstoffgehalt (1,1 Prozent) mit 0,55 Gramm nicht den Grenzwert der nicht geringen Menge von 2 Gramm.
96
II. Der Strafausspruch unterliegt insgesamt der Aufhebung.
97
1. Die Aufhebung der Schuldsprüche in den Komplexen C.III.1. und C.III.3. erfasst die jeweils zugehörigen Strafaussprüche.
98
2. Auch in den Komplexen C.III.2. und C.III.4. hat der Ausspruch über die jeweiligen Einzelstrafen keinen Bestand. Die Strafzumessungserwägungen des Landgerichts sind - auch unter Berücksichtigung des nur eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. nur BGH, Urteil vom 7. Februar 2012 - 1 StR 525/11, BGHSt 57, 123) - nicht frei von Rechtsfehlern zu Gunsten des Angeklagten.
99
Im Komplex C.III.2. wird hinsichtlich der Einfuhr am 19. Juni 2009 die Annahme bedingten Vorsatzes schon nicht von den Feststellungen getragen. Danach hatte der Angeklagte spätestens seit dem 16. Juni 2009 aufgrund eines positiven Untersuchungsbefunds Kenntnis davon, dass in der Kräutermi- schung „Dream“ der Wirkstoff JWH-018 enthalten war.
100
Zudem hat das Landgericht sowohl bei der Strafrahmenwahl als auch bei der konkreten Festsetzung der Strafhöhe maßgeblich zu Gunsten des Angeklagten gewertet, dass dieser lediglich mit bedingtem Vorsatz gehandelt habe. Es bestehen bereits Bedenken, dass das Landgericht bei der Strafrahmenwahl schematisch allein an die Vorsatzform angeknüpft hat, ohne die erforderliche Würdigung der Umstände des Einzelfalls vorzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 1992 - 1 StR 708/91; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl., Rn. 618 mwN). Jedenfalls aber führt die maßgebliche Berücksichtigung des bedingten Vorsatzes zu Gunsten des Angeklagten bei der Strafrahmenwahl dazu, dass dieser Umstand bei der konkreten Strafbestimmung nur noch mit eingeschränktem Gewicht erneut berücksichtigt werden durfte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. April 1987 - 2 StR 91/87, BGHR StGB § 50 Strafhöhenbemessung 2 und vom 18. September 2013 - 5 StR 375/13, NStZ 2014, 41). Das Urteil lässt nicht erkennen, dass sich das Landgericht dessen bewusst war.
101
3. Der Wegfall bzw. die Aufhebung der Einzelstrafen ziehen die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.
102
III. Die Anordnung des Verfalls von Wertersatz hält revisionsgerichtlicher Prüfung ebenfalls nicht stand.
103
Die vom Landgericht vorgenommene Bestimmung des dem Verfall von Wertersatz zugrunde zu legenden Betrags begegnet - wie bereits unter B.II.4. dargelegt - durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Der Senat kann mangels Feststellungen zum Besteuerungsverfahren und aufgrund fehlender nachvollziehbarer Darlegung der Berechnungsgrundlagen nicht ausschließen, dass sich dieser Rechtsfehler zu Gunsten des Angeklagten ausgewirkt hat.

D.

104
I. Die jeweilige Aufhebung erfasst hier auch die zugrunde liegenden Feststellungen. Im Umfang der Aufhebung war die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen , da dem Senat insoweit eine abschließende Prüfung nicht möglich ist.
105
II. Der neue Tatrichter hat auch über die Kosten der Rechtsmittel des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft zu entscheiden, soweit diese nicht die eingestellten Verfahrensteile betreffen. Raum Rothfuß Jäger Cirener Radtke

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 124/14
vom
5. November 2015
in der Strafsache
gegen
wegen fahrlässigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 5. November
2015, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Mutzbauer,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof – in der Verhandlung –,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof – bei der Verkündung –
als Vertreterinnen des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung –
als Verteidiger,
Prof. Dr. rer. nat. A. – in der Verhandlung –
als Sachverständiger ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hagen vom 1. August 2013 aufgehoben
a) im Strafausspruch mit den Feststellungen,
b) soweit gegen den Beschwerdeführer der Verfall von Wertersatz in Höhe von mehr als 616 € angeordnet worden ist; die weiter gehende Verfallsanordnung entfällt.
2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorgenannte Urteil dahin geändert, dass 50 Tütchen „Jamaican Gold Extreme“ und zwei Tütchen „VIP“ eingezogen wer- den.
3. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.
4. Im Umfang der Aufhebung zu Ziffer 1. a) wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an das Amtsgericht – Strafrichter – Iserlohn zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen fahrlässigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 190 Tagessätzen zu je 25 € verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Es hat ferner den Verfall von Wertersatz in Höhe von 1.452 € und die Einzie- hung von zwölf Tütchen „Jamaican Gold Extreme“ und zwei Tütchen „VIP“ an- geordnet. Die gegen dieses Urteil gerichteten Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft sind jeweils auf die Sachrüge gestützt. Während der Angeklagte seinen Freispruch auch in den Verurteilungsfällen anstrebt, begehrt die Staatsanwaltschaft diesbezüglich eine Verurteilung u.a. wegen vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Insoweit wird das Rechtsmittel vom Generalbundesanwalt nicht vertreten. Die Revisionen erzielen jeweils den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen sind sie unbegründet.

I.


2
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
Der Angeklagte betreibt in I. ein Ladengeschäft, in dem er unter anderem Zubehör für den Konsum von Cannabis vertreibt.Spätestens im Jahr 2010 beschloss der Angeklagte, der nicht über eine Erlaubnis zum Umgang mit Betäubungsmitteln verfügt, gewinnbringend Kräutermischungen anzubieten, die synthetische Cannabinoide enthielten. Wegen der cannabisähnlichen Wirkung werden diese Kräutermischungen in Szenekreisen als Rauschmittel konsumiert, hauptsächlich geraucht. Die Kräutermischungen enthalten getrocknetes Pflanzenmaterial , auf das synthetische Cannabinoide wie JWH-018, JWH-019 und JWH-073 aufgesprüht werden. Die Wirkstoffe sind üblicherweise in den Kräutermischungen nicht gleichmäßig verteilt. Der Konsument kann weder erkennen , welches der in der Wirkungsweise unterschiedlich starken synthetischen Cannabinoide aufgesprüht wurde, noch dessen Menge.
4
Dem Angeklagten war bekannt, dass die Kräutermischungen zum Konsum durch Rauchen verwendet wurden und dass diese eine bewusstseinsverändernde Wirkung hatten, sofern sie synthetische Cannabinoide enthielten. Mit den jeweiligen Lieferungen wurden ihm von seinem Lieferanten Analysenbefunde übersandt, die auswiesen, dass weder synthetische noch pflanzliche Cannabinoide in dem untersuchten Probematerial gefunden werden konnten. Die von den Herstellern dem Labor übersandten Proben enthielten nämlich – wasder Angeklagte nicht wusste – im Gegensatz zu den tatsächlich vertriebenen Produkten keine synthetischen Cannabinoide.
5
Am 5. Oktober 2011 erwarb der Angeklagte bei einer belgischen Firma 30 Tütchen der Kräutermischung „VIP“ zu jeweils drei Gramm (Fall 1). Die Tütchen enthielten das zum Tatzeitpunkt noch nicht dem Betäubungsmittelgesetz unterfallende JWH-210 und 10,2 % des dem Betäubungsmittelgesetz unterfallenden JWH-019, mithin bezogen auf die Gesamtmenge 9,18 Gramm JWH-019. Am 17. Oktober 2011 erwarb der Angeklagte bei demselben Lieferanten 50 Tütchen der Kräutermischung „Jamaican Gold Extreme“ zu jeweils drei Gramm (Fall 2). Auch diese Kräutermischung enthielt JWH-210 und JWH-019. Bei einem Wirkstoffgehalt von 9,9 % JWH-019 betrug die reine Wirkstoffmenge der Gesamtlieferung 14,85 Gramm JWH-019. Der Angeklagte hielt es zum Zeitpunkt der Bestellungen für möglich, dass die Kräutermischungen „Jamaican Gold Extreme“ und „VIP“ Stoffe enthielten, die dem Betäubungsmit- telgesetz unterfallen, nahm dies aber nicht billigend in Kauf. Von der Kräuter- mischung „VIP“ verkaufte der Angeklagte mit Gewinn 28 Tütchen für jeweils 22 €, so dass er 616 € einnahm. Zu Verkäufen der Kräutermischung „Jamaican Gold Extreme“ kam es nicht. Bei einer Durchsuchung am 20. Oktober 2011 wurden aus den vorgenannten Lieferungen im Ladengeschäft des Angeklagten zwei Tütchen „VIP“ und zwölf Tütchen „Jamaican Gold Extreme“ sichergestellt. Weitere 38 Tütchen „Jamaican Gold Extreme“ aus dem Geschäft vom 17. Oktober 2011 wurden in der Privatwohnung des Angeklagten gefunden.
6
2. Das Landgericht hat den Sachverhalt wie folgt bewertet:
7
Der Angeklagte habe bewusst fahrlässig gehandelt. Er habe es für möglich gehalten, dass die am 5. und 17. Oktober 2011 erworbenen Kräuter- mischungen „VIP“ und „Jamaican Gold Extreme“ dem Betäubungsmittelgesetz unterfallende Stoffe enthielten und es pflichtwidrig unterlassen, eigene tragfähige Erkundungen über die vorgenannten Produkte einzuholen. Eine am 11. Oktober 2010 wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz erfolgte Durchsuchung des Ladengeschäfts und der Privaträume des Angeklagten, die Kenntnis von der Nutzung der Kräutermischungen als Rauschmittel und der Hinweis in den Analysebefunden, dass diese sich jeweils nur auf die eingesandten Proben bezögen, hätten das Vertrauen in die Redlichkeit der Hersteller erschüttert und ihm Anlass für eigene Nachforschungen gegeben.
8
Das Landgericht hat – sachverständig beraten – den Grenzwert der nicht geringen Menge von JWH-019 mit 2,62 Gramm (350 Konsumeinheiten zu je 7,5 Milligramm) angesetzt. Die Gefährlichkeit von JWH-019 sei höher als die von Cannabis, aber geringer als jene von Amphetamin. Bei der Strafzumessung hat das Landgericht maßgeblich berücksichtigt, dass die nicht geringe Menge in beiden Fällen in erheblicher Weise überschritten sei und hat für das fahrlässige Handeltreiben mit der Kräutermischung „VIP“ eine Einzelgeldstrafe von 90 Ta- gessätzen und für das fahrlässige Handeltreiben mit „Jamaican Gold Extreme“ eine solche von 150 Tagessätzen verhängt. Bei der Anordnung des Wertersatzverfalls ist die Strafkammer ausweislich der Urteilsgründe versehentlich davon ausgegangen, dass der Angeklagte nicht nur 28 Tütchen „VIP“ zu je 22 €, sondern auch 38 Tütchen „Jamaican Gold Extreme“ zum Preis von je 22 € verkauft habe.

II.


9
Das Rechtsmittel des Angeklagten erzielt den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet.
10
1. Der Schuldspruch weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Der Wirkstoff JWH-019 wurde durch die 24. BtMÄndV vom 18. Dezember 2009 (BGBl. I 2009, 3944) mit Wirkung vom 22. Januar 2010 in die Liste der Anlage II des Betäubungsmittelgesetzes aufgenommen und war deshalb zum jeweiligen Tatzeitpunkt Betäubungsmittel.
11
Das Landgericht hat zu Recht einen Sorgfaltspflichtverstoß des Angeklagten angenommen. Derjenige, der am Handel teilnimmt, muss sich darum kümmern, ob seine Stoffe Betäubungsmittel sind (Weber, BtMG, 4. Aufl., § 29 Rn. 2043). Die dem Angeklagten vom Lieferanten überlassenen Laborbefunde bezogen sich ausweislich der Urteilsgründe für den Angeklagten erkennbar jeweils nur auf die vom Lieferanten eingereichte und untersuchte Einzelprobe. Dass die zum Verkauf angebotenen Kräutermischungen „weder synthetische noch pflanzliche Cannabinoide“ (UA 7) enthielten, war angesichts ihrer dem Angeklagten bekannten und bezweckten Verwendung in der Konsumentenszene als Cannabis ersetzendes Rauschmittel fernliegend. Besondere Umstände , warum der Angeklagte auf ein redliches Verhalten seines Lieferanten bei der Einsendung der Proben an das Labor vertrauen konnte, hat das Landgericht nicht festgestellt, insbesondere hat er in keinem Fall eine eigene Kontrolluntersuchung der erworbenen Stoffe veranlasst.
12
2. Hingegen hält der Strafausspruch der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
13
a) Das Landgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass in den abgeurteilten Fällen der in den Kräutermischungen „VIP“ und „Jamaican Gold Extreme“ enthaltene Wirkstoff JWH-019 jeweils die Grenze der nicht geringen Menge i.S.v. § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG erreicht hat. Der Senat setzt jedoch – insoweit abweichend vom Landgericht – den Grenzwert der nicht geringen Menge für JWH-019 auf eine Wirkstoffmenge von 6 Gramm fest.
14
Hierbei bezieht sich der Senat auf die in ständiger Rechtsprechung vom Bundesgerichtshof angewandte Methode (vgl. nur BGH, Urteile vom 3. Dezember 2008 – 2 StR 86/08, BGHSt 53, 89, und vom 17. November 2011 – 3 StR 315/10, BGHSt 57, 60). Danach ist der Grenzwert der nicht geringen Menge eines Betäubungsmittels stets in Abhängigkeit von dessen konkreter Wirkungsweise und -intensität festzulegen. Maßgeblich ist zunächst die äußerst gefährliche , gar tödliche Dosis des Wirkstoffs (BGH, Urteil vom 22. Dezember 1987 – 1 StR 612/87, BGHSt 35, 179). Fehlen hierzu gesicherte Erkenntnisse, so errechnet sich der Grenzwert als ein Vielfaches der durchschnittlichen Konsumeinheit eines nicht an den Genuss dieser Droge gewöhnten Konsumenten. Das Vielfache ist nach Maßgabe der Gefährlichkeit des Stoffes, insbesondere sei- nes Abhängigkeiten auslösenden oder sonst die Gesundheit schädigenden Potentials zu bemessen (BGH, Urteil vom 3. Dezember 2008 – 2 StR 86/08, BGHSt 53, 89). Lassen sich auch zum Konsumverhalten keine ausreichenden Erkenntnisse gewinnen, so entscheidet ein Vergleich mit verwandten Wirkstoffen (vgl. BGH, Urteile vom 24. April 2007 – 1 StR 52/07, BGHSt 51, 318, 322, und vom 17. November 2011 – 3 StR 315/10, BGHSt 57, 60, 64).
15
aa) Zur Wirkung und zur Gefährlichkeit von JWH-019 hat der Senat ein Gutachten des Prof. Dr. rer. nat. A. eingeholt. Danach ergibt sich Folgendes:
16
(1) Die Wirkstoffe JWH-018 und CP 47,497-C8 waren als Hauptwirkstoffe in den sog. „Spice“-Produkten der ersten Generation enthalten. Nach deren Aufnahme in Anlage II zum Betäubungsmittelgesetz wurden sie in den Nachfolgeprodukten sehr schnell durch JWH-073 ersetzt. Im weiteren Verlauf wurde eine Vielzahl teils geringfügig, teils stärker modifizierter Substanzen in entsprechenden Produkten gefunden. JWH-019 [chemische Bezeichnung: (Naphthalin1 -yl)(1-hexyl-1H-indol-3-yl)methanon] wurde erstmals im Oktober 2010 in einer Kräutermischung nachgewiesen. Es handelt sich wie bei JWH-018 um ein nach dem amerikanischen Chemiker H. benanntes vollsynthetisches Aminoalkylindol, das bisher nicht in klinischen Studien am Menschen getestet wurde. Die Erkenntnismöglichkeiten zur pharmakologischen Wirkung der synthetischen Cannabinoide beschränken sich auf einzelne wissenschaftliche Selbstversuche und Fallberichte, in denen neben einer ausführlichen klinischen Beschreibung auch eine umfassende toxikologische Analytik durchgeführt wurde , die einen kausalen Zusammenhang zwischen Wirkstoffaufnahme und Symptomatik belegen. Zudem stehen Daten aus Rezeptorbindungsstudien sowie Ergebnissen aus in vivo-Studien (vor allem am Mausmodell) zur Verfügung, wobei eine Übertragung der daraus gezogenen Schlüsse auf den Menschen nur eingeschränkt möglich ist.
17
(2) Nach derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnissen wird die Wirkung der synthetischen Cannabinoide wie bei dem Wirkstoff der Cannabispflanze über das Endocannabinoidsystem vermittelt. Diese vergleichbare Wirkungsweise hat trotz unterschiedlicher chemischer Zusammensetzung zur Sammel- bezeichnung als synthetische „Cannabinoide“ geführt. Das Endocannabinoid- system ist nicht nur beim Menschen, sondern auch bei Wirbeltieren und Fischen vorhanden und an verschiedensten, teilweise sehr komplexen Prozessen beteiligt. Der Wirkstoff bindet an die Cannabinoid-Rezeptoren CB1, der in hoher Dichte im zentralen Nervensystem vorhanden ist, und CB2, der sich vorwiegend in Zellen des Immunsystems findet. Aufgrund der lipophilen Eigenschaften der Substanzen können sie die Blut-Hirn-Schranke ungehindert passieren. Durch die Bindung an den Rezeptor wird die Signalübermittlung in der zugehörigen Zelle aktiviert. Anhand des Ausmaßes der Aktivierung („intrinsische Aktivität“) kann zwischen einem vollen Agonisten und einem nur partiellen Agonisten unterschieden werden.
18
Anders als der Wirkstoff Tetrahydrocannabinol, der am CB1-Rezeptor nur als partieller Agonist bindet, wirkt JWH-018 dort als voller Agonist. Dies führt dazu, dass dieser Wirkstoff wesentlich stärkere Effekte, auch solche lebensbedrohlicher Art, erzeugen kann. Es tritt – anders als bei Tetrahydrocannabinol – keine Sättigung ein, vielmehr werden die Wirkungen, also auch die unerwünschten Nebenwirkungen durch eine höhere Dosierung verstärkt. JWH-073 hat nicht so starke Wirkungen und ist deshalb ein Teilagonist. Für JWH-019 liegen keine gesicherten Daten vor, der Wirkstoff scheint sich tendenziell ähnlich wie JWH-073 zu verhalten.
19
(3) Ein weiterer Unterschied zwischen synthetischen Cannabinoiden einerseits und Tetrahydrocannabinol andererseits liegt in der Potenz, d.h. im Maß der für die zum Erzielen einer Wirkung erforderlichen Dosis. JWH-018 weist gegenüber Tetrahydrocannabinol eine deutlich – etwa drei- bis vierfach – höhere Potenz auf, d.h., dass das Maß der Wirkstärke etwa drei- bis viermal so hoch anzusiedeln ist. Demgegenüber weist der Wirkstoff JWH-073, der sich von JWH-018 chemisch-strukturell nur geringfügig unterscheidet, nach bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen, insbesondere aufgrund einer Studie an Rhesusaffen , eine eher dem Tetrahydrocannabinol vergleichbare Potenz auf. Mit Blick auf die identische Rezeptoraffinität sowie angesichts des strukturell vergleichbaren Molekülaufbaus von JWH-073 und JWH-019 und des Umstands, dass beide Teilagonisten sind, dürfte JWH-019 eine ähnliche oder gleiche Potenz wie JWH-073 haben.
20
bb) Der 1. Strafsenat hat in seinem Urteil vom 14. Januar 2015 – 1 StR 302/13, zur Veröffentlichung in BGHSt 60, 134 vorgesehen – die nicht geringe Menge für das synthetische Cannabinoid JWH-073 auf eine Wirkstoffmenge von sechs Gramm festgesetzt. Dabei hat der 1. Strafsenat die Festsetzung des Grenzwerts der nicht geringen Menge weder an einer äußerst gefährlichen Dosis noch an einer durchschnittlichen Konsumeinheit ausgerichtet, weil zu beiden Mengeneinheiten derzeit keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen. Er hat die nicht geringe Menge vielmehr aus den in jenem Urteil näher dargelegten Gründen durch den Vergleich mit Tetrahydrocannabinol bestimmt (Urteil vom 14. Januar 2015 aaO Rn. 47 ff.).
21
Maßgeblich waren hierfür im Vergleich zu Tetrahydrocannabinol, für das der Grenzwert der nicht geringen Menge bei 7,5 Gramm Tetrahydrocannabinol – entsprechend 500 Konsumeinheiten à 15 Milligramm – angenommen wird (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 1984 – 3 StR 183/84, BGHSt 33, 8), die höhere bzw. vergleichbare Potenz des jeweiligen Wirkstoffs, die gesteigerte Gefährlichkeit aufgrund weiter gehender unerwünschter Nebenwirkungen und deren wesentlich höhere Auftretenswahrscheinlichkeit (Urteil vom 14. Januar 2015 aaO Rn. 56 ff., 92 ff.).
22
cc) Der Senat hat sich bei der Bestimmung der nicht geringen Menge des Wirkstoffs JWH-019 der Vorgehensweise des 1. Strafsenats angeschlossen und den Grenzwert der nicht geringen Menge durch einen Vergleich mit JWH-073 auf dieselbe Menge wie bei dieser Substanz festgelegt.
23
b) Der Strafausspruch unterliegt danach der Aufhebung. Das Landgericht hat ausdrücklich strafschärfend gewertet, dass im Fall der Kräutermischung „VIP“ die nicht geringe Menge um das 3,5-fache und im Fall der Kräutermischung „Jamaican Gold Extreme“ um das 5,5-fache überschritten ist. Dies trifft bei einem Grenzwert von 6 Gramm nicht zu.
24
3. Auch die über den Betrag von 616 € hinausgehende Anordnung von Wertersatzverfall hat keinen Bestand.
25
Die Höhe des nach § 73a Satz 1 StGB für verfallen zu erklärenden Geldbetrages bestimmt sich nach dem Wert des nach § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB aus der Tat Erlangten, dessen Verfall aus den in § 73a Satz 1 StGB genannten Gründen nicht mehr angeordnet werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 10. September 2002 – 1 StR 281/02, NStZ 2003, 198, 199; MüKo-StGB/Joecks, 2. Aufl., § 73a Rn. 14 mwN). Die Wertbestimmung erfolgt nach dem Bruttoprinzip , sodass bei Rauschgiftgeschäften, wie sie hier in Rede stehen, der tatsächlich erzielte Verkaufserlös – ohne Abzug von Einkaufspreis, Transportkos- ten etc. – anzusetzen ist (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 1999 – 4 StR 135/99, NStZ-RR 2000, 57, 58 mwN).
26
Nach den Feststellungen hat der Angeklagte von der von ihm zu Han- delszwecken angekauften Kräutermischung „VIP“ lediglich 28 Tütchen zu je 22 € veräußert, so dass ihm 616 € zugeflossen sind. Der vom Landgericht angeordnete Wertersatzverfall von 1.452 € beruhte, wie die Strafkammer in den Urteilsgründen ausgeführt hat, auf der irrigen Annahme, der Angeklagte habe auch 38 Tütchen der Kräutermischung „Jamaican Gold Extreme“ zu je 22 € verkauft. Der Senat ändert den Rechtsfolgenausspruch entsprechend ab.

III.


27
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft führt lediglich zur Abänderung der Einziehungsentscheidung. Darauf, dass Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft auch zu Gunsten der Angeklagten wirken (§ 301 StPO), kommt es nach dem Erfolg der Revision des Angeklagten nicht mehr an (BGH, Urteil vom 14. August 2014 – 4 StR 163/14, NJW 2014, 3382, 3384 mwN). Im Übrigen ist das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft unbegründet.
28
1. Der Schuldspruch des angefochtenen Urteils wegen fahrlässigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
29
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Abgrenzung von bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit handelt der Täter vorsätzlich, wenn er den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt und damit in der Weise einverstanden ist, dass er die Tatbestandsverwirklichung billigend in Kauf nimmt oder sich um des erstrebten Zieles willen wenigstens mit ihr abfindet, mag ihm auch der Erfolgseintritt an sich unerwünscht sein. Bewusste Fahrlässigkeit liegt hingegen dann vor, wenn der Täter mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft – nicht nur vage – darauf vertraut, der tatbestandliche Erfolg werde nicht eintreten (u.a. BGH, Urteile vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, und vom 4. November 1988 – 1 StR 262/88, BGHSt 36, 1, 9 f.). Vertraut der Täter darauf, die für möglich gehaltene Folge werde nicht eintreten, so kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an, ob er das ernsthaft konnte. Da beide Schuldformen im Grenzbereich eng beieinander liegen, ist bei der Prüfung, ob der Täter vorsätzlich gehandelt hat, eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände geboten (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699 mwN); sowohl das Wissens- als auch das Willenselement muss grundsätzlich in jedem Einzelfall geprüft und durch tatsächliche Feststellungen belegt werden.
30
b) Den sich hieraus ergebenden Anforderungen wird das landgerichtliche Urteil gerecht. Die Strafkammer hat die rechtlichen Grundlagen für die Abgrenzung des bedingten Vorsatzes von bewusster Fahrlässigkeit zutreffend gesehen und beachtet und eine entsprechende Gesamtwürdigung vorgenommen. Ihre Bewertung, bedingter Vorsatz sei insbesondere aufgrund der offenen Vertriebsstruktur nicht erwiesen, weist keinen Rechtsfehler auf. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin erschöpft sich demgegenüber in einer eigenen Bewertung der festgestellten Tatsachen.
31
2. Die Anordnung der Einziehung hält revisionsgerichtlicher Prüfung nicht stand. Das Landgericht hat bei der Anordnung der Einziehung ersichtlich – wie bei der Anordnung des Wertersatzverfalls – übersehen, dass der Angeklagte 38 Tütchen „Jamaican Gold Extreme“ nicht verkauft, sondern in seiner Privatwohnung aufbewahrt hat. Der Senat schließt aus, dass die Strafkammer, wenn sie sich dieses Umstandes bewusst gewesen wäre, nach ihrem Ermessen von der Einziehung abgesehen hätte, denn eine Freigabe der Betäubungsmittel wäre rechtsfehlerhaft gewesen. Er hat deshalb die Einziehungsanordnung entsprechend geändert.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 581/09
vom
2. November 2010
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
BGHR: ja
Veröffentlichung: ja
Zur nicht geringen Menge von Benzodiazepinen und Zolpidem
BGH, Urteil vom 2. November 2010 – 1 StR 581/09 – LG München I
in der Strafsache
gegen
wegen bandenmäßiger Ausfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
2. November 2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten,
Justizangestellte und
Justizangestellte
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 20. Mai 2009
a) im Schuldspruch zu den Taten unter B II 2. („Versand durch S. “) dahingehend geändert, dass der Angeklagte der unerlaubten Ausfuhr von Betäubungsmitteln in 18.995 Fällen schuldig ist;
b) im Schuldspruch zu den Taten unter B II 4. („Versand durch Ke. “) dahingehend geändert, dass der Angeklagte der bandenmäßigen Ausfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 69 Fällen und der unerlaubten Ausfuhr von Betäubungsmitteln in zwei Fällen schuldig ist;
c) im Schuldspruch zu den Taten unter B II 3. („Versand durch St. “) aufgehoben;
d) im Strafausspruch aufgehoben aa) hinsichtlich der Einzelstrafen, mit Ausnahme - der in den Fällen B II 4. („Versand durch Ke. “) für die Lieferungen Nrn. 1 bis 13, 15 bis 21 und 23 bis 71 verhängten Einzelstrafen, - der in den Fällen B II 2. („Versand durch S. “) verhängten Einzelstrafen, bei denen das Landgericht nicht von einer Strafbarkeit nach § 30a BtMG ausgegangen ist, bb) hinsichtlich der Gesamtstrafe. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

I.

1
1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
2
Im Jahr 2004 beschlossen die gesondert verfolgten W. und B. sowie der Angeklagte M. , über das Internet Benzodiazepine (wie z.B. Valium) und sog. Non-Benzodiazepine (Zolpidem) an Kunden aus dem Ausland zu vertreiben, ohne jedoch über die für die Ausfuhr dieser Medikamente nach dem Betäubungsmittelgesetz erforderlichen Erlaubnisse zu verfügen. Der Versandhandel wurde maßgeblich über die von dem Angeklagten M. gegründete Medikamentengroßhandelsfirma „G. “ abgewickelt, deren faktischer Geschäftsführer seit dem Jahr 2002 der gesondert verfolgte B. war. W. war ebenfalls bei der Firma „G. “ beschäftigt, zunächst ab dem Jahr 2003 als ein in die Geschäftsleitung eingebundener Angestellter und ab August 2005 als weiterer Geschäftsführer. Nach dem von B. und W. sowie von dem Angeklagten ersonnenen Geschäftsmodell wurden die Medikamentenbestellungen von Kunden aus dem Ausland über diverse Internetplattformen erlangt, die von der von dem Angeklagten gegründeten Firma „N. “ betrieben wurden. Nach der Prüfung der Kreditkartendaten und der Kreditwürdigkeit des jeweiligen Bestellers wurden die Bestellungen an einen in das Geschäftsmodell eingeweihten Arzt übermittelt, der gegen ein zuvor festgelegtes Entgelt „online“ ein entsprechendes Rezept ausstellte, um so nach außen hin den Anschein einer ordnungsgemäßen ärztlichen Untersuchung zu erwecken. Das Rezept und die Bestellung wurden schließlich an einen ebenfalls eingeweihten Apotheker weitergeleitet, der gegen eine zuvor bestimmte Vergütung die bestellten Medikamente über die Firma „G. “ bezog, diese anschließend versandfertig verpackte und - ohne über die hierfür erforderliche betäubungsmittelrechtliche Erlaubnis zu verfügen - in das Ausland an die jeweiligen Kunden verschickte.
3
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts kam es auf diese Weise im ersten Tatkomplex (unter B II 2. „Versand durch S. “) in dem Tatzeitraum vom 7. Oktober 2004 bis zum 15. März 2006 durch den - von B. und W. sowie von dem Angeklagten M. gemeinsam eingesetzten - Apotheker S. zu mindestens 18.995 Versendungen an Kunden im Ausland , die Medikamente mit den Wirkstoffen Alprazolam, Clonazepam, Diazepam , Lorazepam oder Zolpidem enthielten.
4
b) Im Mai 2005 stellte der Angeklagte die gesondert verfolgte K. als freie Mitarbeiterin ein, die sowohl für die Firma „N. “ als auch für die Firma „G. “ tätig war. Zu ihrem Aufgabenbereich gehörten unter anderem die Erfassung der Bestellungen und der Kundendaten sowie die Erstellung von Versandlisten. Außerdem stand sie als „rechte Hand“ des Angeklagten M. , der sich überwiegend im Ausland aufhielt, ständig in Kontakt mit diesem und informierte ihn über die Geschäftsentwicklung.
5
Ab April 2006 übernahm der Apotheker St. die Tätigkeit des Apothekers S. und verschickte für den Angeklagten sowie für die gesondert verfolgten W. , B. und K. die über das Internet bestellten Medikamente in das Ausland, ohne über die erforderlichen betäubungsmittelrechtlichen Erlaubnisse zu verfügen. In diesem zweiten Tatkomplex (in den Urteilsgründen unter B II 3. „Versand durch St. “) kam es in dem Tatzeitraum von April 2006 bis Dezember 2006/Januar 2007 zu insgesamt 5.399 Versendungen an Kunden im Ausland, die Medikamente mit den Wirkstoffen Alprazolam , Clonazepam, Diazepam, Lorazepam oder Zolpidem enthielten.
6
c) Im Januar 2007 vereinbarten B. und W. sowie der Angeklagte M. mit der gesondert verfolgten Ke. , die in Polen und Deutschland mehrere Medikamentengroßhandelsunternehmen betrieb, dass von der Firma „G. “ Benzodiazepine bzw. Non-Benzodiazepine wie Zolpidem von Deutschland aus zu dieser nach Polen geliefert werden sollten, damit sie diese an die jeweiligen Besteller weiter verschicken konnte. In diese Geschäfte war auch die gesondert verfolgte K. eingebunden. Ihr kam unter anderem die Aufgabe zu, aus den eingehenden Bestellungen täglich Versandlisten zu erstellen und diese nach Polen zu übermitteln. Im dritten Tatkomplex (unter B II 4. „Versand durch Ke. “) kam es in dem Tatzeitraum von Januar 2007 bis Oktober 2007 zu insgesamt 71 Lieferungen an diegesondert verfolgte Ke. in Polen, die Medikamente mit den Wirkstoffen Alprazolam, Clonazepam, Diazepam, Lorazepam , Lormetazepam (im Urteil fälschlich als Lormelazepam bezeichnet, wobei es sich um ein offensichtliches Schreibversehen handelt, da es einen Wirkstoff mit diesem Namen nicht gibt), Midazolam, Oxazepam, Temazepam, Triazolam, Tetrazepam oder Zolpidem enthielten. Auf Anweisung des W. wurden die Medikamente vor dem Versand nach Polen falsch deklariert und auf den Lieferscheinen als Kosmetika oder Fußbalsam ausgewiesen.
7
2. Rechtlich hat das Landgericht den festgestellten Sachverhalt wie folgt bewertet:
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a) Hinsichtlich der Versendungen von Medikamenten mit den Wirkstoffen Alprazolam, Clonazepam, Diazepam, Lorazepam, Lormetazepam, Midazolam, Oxazepam, Temazepam, Triazolam, Tetrazepam und Zolpidem ins Ausland ist das Landgericht davon ausgegangen, dass es sich hierbei jeweils um ausgenommene Zubereitungen i.S.v. § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 3 BtMG i.V.m. Anlage III zu § 1 Abs. 1 BtMG gehandelt habe. Die Strafbarkeit der Ausfuhr solcher Zubereitungen ergebe sich als „Ausnahme von der Ausnahme“ aus der Anlage III zweiter Gedankenstrich lit. b Satz 2, wonach für ausgenommene Zubereitungen (außer solchen mit Codein oder Dihydrocodein) die betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften über die Einfuhr, Ausfuhr und Durchfuhr gelten. Das Landgericht hat daher die Versendungen der Medikamente mit den oben bezeichneten Wirkstoffen jeweils als gewerbsmäßige unerlaubte Ausfuhr von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 BtMG und - soweit es den Grenzwert zur nicht geringen Menge als überschritten angesehen hat - als bandenmäßig begangene Ausfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30a Abs. 1, § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG bewertet. Einen Verbotsirrtum des Angeklagten, der in Unkenntnis der Genehmigungserfordernisse gehandelt habe, hat das Landgericht als vermeidbar erachtet.
9
b) Gestützt auf die Ausführungen von drei Sachverständigen hat es dabei die nicht geringe Menge der vertriebenen Wirkstoffe wie folgt festgesetzt:
10
600 mg Diazepam:
11
Alprazolam: 60 mg
12
Clonazepam: 90 mg
13
Lorazepam: 90 mg
14
Midazolam: 450mg
15
Oxazepam: 1.800 mg
16
Temazepam: 1.200 mg
17
Tetrazepam: 3.000 mg
18
Triazolam: 15 mg
19
Zolpidem: 1.200 mg.
20
Einen Grenzwert für den Wirkstoff Lormetazepam (Fall 71 im dritten Tatkomplex „Versand durch Ke. “) hat das Landgericht nicht festgesetzt.
21
3. Ausgehend von dieser rechtlichen Bewertung hat das Landgericht den Angeklagten wegen bandenmäßig begangener uner laubter Ausfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 4.357 Fällen und wegen vorsätzlicher unerlaubter Ausfuhr von Betäubungsmitteln in 19.708 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Daneben hat das Landgericht den Ersatz von Wertverfall in Höhe von 3.200.000 Euro angeordnet.
22
4. Der Angeklagte hat gegen dieses Urteil Revision eingelegt. Mit seinem auf die Sachrüge gestützten Rechtsmittel beanstandet er, dass das Landgericht ihn zu Unrecht wegen der unerlaubten Ausfuhr von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG bzw. § 30a Abs. 1 BtMG verurteilt habe. Die vom Landgericht bei seiner rechtlichen Würdigung herangezogene Bestimmung gemäß Anlage III zweiter Gedankenstrich lit. b Satz 2 zu § 1 Abs. 1 BtMG habe nicht den Zweck, neben der Anwendbarkeit der betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften über die Einfuhr, Ausfuhr und Durchfuhr zugleich auch die Strafvorschriften des § 29 ff. BtMG für anwendbar zu erklären. Im Übrigen habe das Landgericht zu Unrecht einen vermeidbaren Verbotsirrtum nach § 17 StGB angenommen. Tatsächlich liege ein den Vorsatz ausschließender Tatbestandsirrtum vor.

II.

23
Die Revision des Angeklagten hat nur den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg.
24
1. Nicht zu beanstanden ist jedoch die rechtliche Würdigung des Landgerichts insoweit, als es davon ausgegangen ist, dass die Versendung von Medikamenten mit den Wirkstoffen Alprazolam, Clonazepam, Diazepam, Lorazepam , Lormetazepam, Midazolam, Oxazepam, Temazepam, Triazolam, Tetrazepam und Zolpidem ins Ausland den Tatbestand der unerlaubten Ausfuhr von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG bzw. § 30a Abs. 1 BtMG erfüllt.
25
a) Bei den ins Ausland versendeten Medikamenten handelt es sich jeweils um - verkehrs- und verschreibungsfähige - Betäubungsmittel, da sämtliche der darin enthaltenen oben genannten Wirkstoffe in der Anlage III zu § 1 Abs. 1 BtMG aufgeführt sind.
26
b) Das Versenden dieser Medikamente ins Ausland ohne die erforderliche Erlaubnis (§ 3 Abs. 1 BtMG) und Genehmigung (§ 11 Abs. 1 BtMG) stellt eine unerlaubte Ausfuhr von Betäubungsmitteln i.S.v. § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG bzw. § 30a Abs. 1 BtMG dar. Nach den in der Anlage III zu § 1 Abs. 1 BtMG enthaltenen Bestimmungen sind die darin aufgeführten Wirkstoffe zwar als Zubereitungen i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 2 BtMG, d.h. als Stoffgemische oder als Lösungen aus einem oder mehreren Stoffen, grundsätzlich von den betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften ausgenommen, soweit sie - wie vorliegend - ohne Beimengung eines anderen Wirkstoffes die in der Anlage im Einzelnen festgelegten Wirkstoffmengen nicht überschreiten (sog. ausgenommene Zubereitungen ; vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 3 BtMG; Körner, BtMG, 6. Aufl., § 2 Rn. 64). Nach der Regelung in der Anlage III zweiter Gedankenstrich lit. b Satz 2 zu § 1 Abs. 1 BtMG gilt dies jedoch nicht für die Handlungen der Einfuhr, Ausfuhr und Durchfuhr derartiger Zubereitungen, da in diesen Fällen die betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften auch weiterhin Anwendung finden sollen. Werden daher - wie im vorliegenden Fall - Medikamente, mit den in Anlage III zu § 1 Abs. 1 BtMG aufgeführten Wirkstoffen, ohne die erforderliche Erlaubnis und Genehmigung über die deutsche Hoheitsgrenze ins Ausland verbracht, erfüllt eine solche Handlung den (Grund)Tatbestand des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG (vgl. Körner , BtMG, 6. Aufl., § 2 Rn. 66).
27
Der Umstand, dass die Tathandlungen des Angeklagten nicht bloß auf die Ausfuhr der Medikamente beschränkt waren, sondern auch deren gewinnbringenden Verkauf mit umfassten, steht dieser Bewertung nicht entgegen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehen zwar nicht nur der Erwerb, der Besitz und die Veräußerung, sondern auch die Ausfuhr als rechtlich unselbständige Teilakte des Gesamtgeschehens in der Tatbestandsalternative des Handeltreibens auf, wenn die Tathandlungen - wie hier - insgesamt auf einen Güterumsatz mit Betäubungsmitteln gerichtet sind (st. Rspr., vgl.
BGH, Beschluss vom 7. Januar 1981 - 2 StR 618/80, BGHSt 30, 28, 31; BGH, Urteil vom 24. November 1982 - 3 StR 384/82, BGHSt 31, 163, 165; BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2005 - GSSt 1/05, BGHSt 50, 252; BGH, Urteil vom 3. Dezember 2008 - 2 StR 86/08, BGHSt 53, 89; BGH, Beschluss vom 26. Mai 2000 - 3 StR 162/00, NStZ 2000, 540; Weber, BtMG, 3. Aufl., § 29 Rn. 449 mwN). Nach dem Wortlaut der in der Anlage III zweiter Gedankenstrich lit. b Satz 2 zu § 1 Abs. 1 BtMG enthaltenen Regelung knüpft die Anwendbarkeit der betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften auf sog. ausgenommene Zubereitungen jedoch nicht an die Tathandlung des Handeltreibens, sondern ausschließlich an die Tathandlungen der Einfuhr, Ausfuhr und Durchfuhr derartiger Zubereitungen an. Daraus schließt der Senat, dass das Verbringen von ausgenommenen Zubereitungen ins Ausland als eine unerlaubte Ausfuhr von Betäubungsmitteln und nicht als Handeltreiben mit Betäubungsmitteln bewertet werden und auch im Schuldspruch zum Ausdruck kommen muss, selbst wenn die Ausfuhr lediglich ein Teilakt bei der Durchführung von Außenhandelsgeschäften mit sog. ausgenommenen Zubereitungen ist (vgl. BGH, Urteil vom 24. November 1982 - 3 StR 384/82, BGHSt 31, 163, 165 zur Einfuhr als Teilakt des Handeltreibens).
28
Der Angeklagte, der bei der Tatbegehung mit den gesondert verfolgten B. und W. , sowie später auch mit den gesondert verfolgten K. und Ke. als Bande i.S.v. § 30a Abs. 1 BtMG zusammengeschlossen war (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 2009 - 3 StR 83/09, BGHR BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 1 Bande 9), ist daher, soweit die Grenzwerte zur nicht geringen Menge (siehe unten II 2.) überschritten waren, wegen bandenmäßiger Ausfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30a Abs. 1 BtMG und, soweit die Grenzwerte nicht überschritten waren, wegen der unerlaubten Ausfuhr von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG schuldig zu sprechen gewesen, da das Gesetz insoweit keine Strafschärfung für die bandenmäßige unerlaubte Ausfuhr von „Normalmengen“ vorsieht.
29
c) Die von der Revision des Angeklagten vorgebrachten Bedenken hinsichtlich der Anwendbarkeit der im BtMG enthaltenen Strafvorschriften auf die Ausfuhr von ausgenommenen Zubereitungen teilt der Senat nicht. Für eine generelle Anwendbarkeit der §§ 29 ff. BtMG in Fällen der vorliegenden Art spricht bereits der - insoweit eindeutige - Wortlaut der in Anlage III zweiter Gedankenstrich lit. b Satz 2 zu § 1 Abs. 1 BtMG enthaltenen Regelung, da dort ohne jegliche Einschränkung auf sämtliche betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften verwiesen wird. Entgegen der von der Revision des Angeklagten vertretenen Ansicht ergibt sich dies auch aus dem erkennbar mit der Regelung verfolgten Zweck. Im Hinblick auf einen umfassenden weltweiten Gesundheitsschutz soll die Sicherheit und die Kontrolle des grenzüberschreitenden Betäubungsmittelverkehrs - zu dem nach der grundsätzlichen Wertung des Gesetzgebers auch die Ausfuhr von Medikamenten gehört, die als verkehrsfähige und verschreibungspflichtige Betäubungsmittel in Anlage III zum BtMG aufgelistet sind - sichergestellt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 6. September 1995 - 2 StR 378/95, BGHR BtMG § 30 Strafzumessung 1; MüKoStGB/Kotz, § 29 BtMG Rn. 579). Dieser Schutzzweck kommt in zahlreichen Vorschriften der internationalen Suchtstoffübereinkommen, die den Regelungen des BtMG zugrunde liegen, deutlich zum Ausdruck (so z.B. in Art. 36 Abs. 1a des Einheitsübereinkommens von 1961 über Suchtstoffe in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. Februar 1977 [BGBl. II S. 111], in Art. 5, Art. 7 lit. b und Art. 22 Abs. 1a des Übereinkommens über psychotrope Stoffe vom 21. Februar 1971 [BGBl. 1976 II S. 1477] sowie in Art. 3 Abs. 1a des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen vom 20. Dezember 1988 [BGBl. 1993 II S. 1136]; vgl. auch die Aufzählung der völkerrechtlichen Regelungen bei Weber, BtMG, 3. Aufl., § 29 Rn. 891). Dies zeigt, dass die in Anlage III zweiter Gedankenstrich lit. b Satz 2 zu § 1 Abs. 1 BtMG enthaltene generelle Verweisung auf die betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften auch die Strafvorschriften gemäß §§ 29 ff. BtMG umfasst, da ansonsten die von den internationalen Abkommen angesichts der Gefährlichkeit der Stoffe für die Gesundheit geforderte Kontrolle und Sicherheit des grenzüberschreitenden Warenverkehrs nicht in dem erforderlichen Maß gewährleistet wäre (vgl. hierzu auch BT-Drucks. 9/500 S. 4, wo von „Verschärfungen“ im Hinblick auf die Kontrolle der Einfuhr, Durchfuhr und Ausfuhr ausgenommener Zubereitungen die Rede ist). Bedenken hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Bestimmtheit der in Anlage III zweiter Gedankenstrich lit. b Satz 2 zu § 1 Abs. 1 BtMG enthaltenen Regelung bestehen insoweit nicht.
30
2. Nicht zutreffend sind jedoch die vom Landgericht angenommenen Grenzwerte für die nicht geringe Menge der ins Ausland verbrachten Wirkstoffe, da sie unter Berücksichtigung ihrer Gefährlichkeit und im Vergleich zu anderen Betäubungsmitteln zu niedrig angesetzt worden sind. Der Senat hat daher die Grenzwerte wie folgt neu ermittelt (a) und festgesetzt (b):
31
a) Zur Wirkung und Gefährlichkeit von Benzodiazepinen, zu denen die Wirkstoffe Alprazolam, Clonazepam, Diazepam, Lorazepam, Lormetazepam, Midazolam, Oxazepam, Temazepam, Triazolam und Tetrazepam gehören, und von Zolpidem hat der Senat Gutachten des Apothekers für experimentelle Pharmakologie und Toxikologie Dr. D. vom Bundeskriminalamt und des Facharztes für Pharmakologie und Toxikologie Prof. Dr. Sc. eingeholt. Nach diesen Gutachten ergibt sich zur Wirkungsweise und Gefährlichkeit dieser Wirkstoffe folgendes:
32
aa) Bei Benzodiazepinen handelt es sich um Wirkstoffe, die in einzeldosierbaren Zubereitungen als zugelassene Arzneimittel mit medizinischer Indikation allgemein verbreitet im Gesundheitsmarkt eingesetzt werden. Die Jahresproduktion von Benzodiazepinen lag im Jahr 2008 weltweit bei mindestens 195 Tonnen. Die vollständige Bezeichnung für das Benzodiazepin-Kerngerüst lautet nach der systematischen Nomenklatur (IUAPC) 2,3-Diaza-bicyclo[5.4.0] undeca-3,5,7,9,11-pentaen. Benzo-1,4-diazepine bilden die wichtigste Wirkstoffgruppe der sog. Tranquilizer. Als erste Verbindung dieser Substanzklasse wurde Chlordiazepoxid im Jahr 1960 eingeführt. 1963 folgte das in seiner Wirkungsweise verbesserte Diazepam. Die Benzodiazepine wirken angstlösend, beruhigend, erregungs- und spannungslösend sowie Muskelverspannung und cerebrale Krämpfe lösend. Sie werden in der medizinischen Therapie zur Behandlung von Angsterkrankungen, Schlafstörungen, Panikattacken, Epilepsie, Muskelspasmen, Alkoholentzug und zur Prämedikation operativer Eingriffe eingesetzt. Die einzelnen Benzodiazepine unterscheiden sich bezüglich der Geschwindigkeit ihrer Metabolisierung zu pharmakologisch wirksamen Formen und ihrer Plasmahalbwertzeiten. Die Halbwertzeit liegt bei kurz wirksamen Stoffen (z.B. Midazolam) unter sechs Stunden, bei mittellang wirksamen (z.B. Nitrazepam ) bis 24 Stunden, während lang wirksame Benzodiazepine Halbwertzeiten über 24 Stunden aufweisen. Benzodiazepine sind in der Regel gut verträglich. Relativ häufig wird von Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Schläfrigkeit, Schwindel und Benommenheit berichtet. Selten kommt es zu Kopfschmerzen, Gangunsicherheit , verlängerter Reaktionszeit, Verwirrtheit und Gedächtnisverlust. Bei hohen Dosierungen können reversible Störungen der Motorik wie Artikulationsstörungen und Gangunsicherheiten auftreten. Aufgrund der geringen Toxizität von Benzodiazepinen kommen akute Monointoxikationen, die in Ausnahmefällen auch zum Tod führen können, eher selten vor. Wenn sie aber gemeinsam mit Alkohol eingenommen werden, kann dies zu einer Enthemmung führen, die http://de.wikipedia.org/wiki/Benzodiazepin - 16 - unter Umständen mit aggressivem oder feindseligem Verhalten einhergehen kann. Außerdem ist das Risiko tödlicher Überdosierungen erhöht, da sowohl Alkohol als auch die Benzodiazepine zentral dämpfend wirken. Ähnliche tödlich verlaufende Interaktionen können auftreten, wenn im Rahmen einer Mehrfachdrogenabhängigkeit Opiate und Benzodiazepine gemeinsam angewendet werden , etwa um die euphorisierende Wirkung der Opiate zu steigern oder die unangenehmen Wirkungen der Psychostimulantien zu vermindern. Die weitaus größte Gefahr, die mit der regelmäßigen Einnahme von Benzodiazepinen einhergeht , ist die Entwicklung einer Abhängigkeitserkrankung schon bei geringen therapeutischen Dosierungen ohne Dosissteigerung (sog. Low-DoseDependency ). Benzodiazepine dürfen daher nur zur kurzfristigen Behandlung von schwerwiegenden Angst- oder Schlafstörungen eingesetzt werden, denn Toleranzentwicklung und Abhängigkeit können sich bereits einige Wochen nach Beginn der Einnahme einstellen. Bei einem Absetzen der Benzodiazepine kann es - wie bei Alkoholerkrankungen auch - zu schweren Entzugserscheinungen wie Wahrnehmungsstörungen, Psychosen und Krampfanfällen kommen. Wegen der Toleranzentwicklung und der Gefahr der Abhängigkeit wird in keiner der einschlägigen medizinischen Leitlinien eine Einnahmedauer von mehr als acht Wochen empfohlen (Holzbach, Fortschritte der Neurologie · Psychiatrie 2010, 425).
33
bb) Zolpidem ist ein Vertreter der sog. Z-Drogen (Zolpidem, Zopiclon, Zaleplon). In seiner chemischen Struktur unterscheidet es sich zwar von den Benzodiazepinen, es weist aber ähnliche pharmakodynamische Eigenschaften auf. Seine Bezeichnung lautet nach der systematischen Nomenklatur (IUAPC) N,N-Dimethyl-2-(6-methyl-2-p-tolylimidazo[1,2-a]pyridin-3-yl)acetamid. Zolpidem vermindert die Schlaflatenz, verlängert die Schlafdauer und Schlaftiefe ohne eine Beeinflussung des Schlafrhythmus. Im Vergleich zu den Benzodiazepinen kommt es nur geringfügig zu einer Angst, Muskelverspannung und Krämpfe lösenden Wirkung. Zolpidem wird daher als Hypnotikum zur Kurzzeitbehandlung bei schwerwiegenden Schlafstörungen angewandt und üblicherweise in Form von festen oralen Darreichungsformen abends unmittelbar vor dem Schlafengehen eingenommen. Es wird nach oraler Gabe rasch resorbiert. Aufgrund einer kurzen Halbwertszeit von etwa zweieinhalb Stunden und einer Wirkdauer von sechs Stunden weist es am nächsten Morgen praktisch keine Wirkung mehr auf. Als zentrale Nebenwirkungen können Schwindel, Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen , erhöhte Lichtempfindlichkeit, Depression, Ängstlichkeit und Reizbarkeit auftreten. Zolpidem vermindert zudem die psychomotorische Leistung und führt zu Gedächtnisschwächen. Bei Monointoxikationen mit extrem hohen Dosierungen kann es zu einem Koma mit Atemdepression kommen. Mischintoxikationen, insbesondere in Kombination mit Alkohol, sind bezüglich ihrer überadditiven Wirkungen ebenso gefährlich wie eine Benzodiazepin-Mischintoxikation (oben unter aa). Die dauerhafte Einnahme von Zolpidem über mehrere Wochen hinaus kann wie bei den Benzodiazepinen ebenfalls zu einer schwerwiegenden Abhängigkeitserkrankung führen.
34
cc) Bei einem Vergleich der Gefährlichkeit von Benzodiazepinen und Zolpidem mit anderen Betäubungsmitteln ist nach den Ausführungen der Sachverständigen festzuhalten, dass bei der Einnahme von Heroin, Opioiden und Kokain eine weitaus größere Gefahr besteht, an einer Überdosis zu sterben. Auch Barbiturate sind in ihrer Wirkungsweise als gefährlicher einzustufen, da ihre Toxizität im Rahmen einer Abhängigkeit sehr viel höher ist als die der Benzodiazepine und Zolpidem. Cannabis ist dagegen weniger gefährlich. Der chronische Cannabiskonsum kann zwar zu einer psychischen Abhängigkeit führen oder erhebliche Psychosen bei dem Konsumenten verursachen. Bei dem Konsum von Cannabis kommt es aber nicht zu tödlich verlaufenden Intoxikationen , zu bedrohlich verlaufenden Überdosierungsfällen oder zu schwerwiegenden Entzugserscheinungen, die eine internistische Behandlung erfordern. Das Verlangen nach Cannabis ist zudem in aller Regel weniger stark als bei einer Abhängigkeit von Heroin, Opioiden, Kokain oder Barbituraten. Von ihrer Gefährlichkeit her sind Benzodiazepine und Zolpidem daher hinter den Opioiden, aber noch deutlich gefährlicher als Cannabis einzustufen.
35
b) Bei der Festlegung des Grenzwertes der nicht geringen Menge von Diazepam, Alprazolam, Clonazepam, Lorazepam, Lormetazepam, Midazolam, Oxazepam, Temazepam, Tetrazepam und Triazolam und Zolpidem hat sich der Senat - wie auch schon zu Recht das Landgericht - auf die nach ständiger Rechtsprechung vorrangig anzuwendende Methode gestützt (BGH, Urteil vom 24. April 2007 - 1 StR 52/07, Urteil vom 3. Dezember 2008 - 2 StR 86/08 jew. mwN). Danach ist in Ermangelung gesicherter Erkenntnisse zu einer äußerst gefährlichen oder gar tödlichen Dosis - nach den Ausführungen der Sachverständigen ist die Gefahr von Überdosierungen gering und kommen tödliche Intoxikationen (meist in Zusammenhang mit Alkohol) nur selten vor - die nicht geringe Menge der von den Angeklagten vertriebenen Wirkstoffe anhand der durchschnittlichen Konsumeinheit - hier: Tagesbedarf - und einer an der Gefährlichkeit orientierten Maßzahl zu bestimmen.
36
aa) Obwohl Zolpidem und Benzodiazepine eine gewisse euphorisierende Wirkung haben, bleibt ein typischer Rauschzustand, wie er z.B. mit dem Konsum von sog. harten Drogen wie etwa Heroin einhergeht, aus. Wegen dieser Besonderheit kann daher die für die Bestimmung der nicht geringen Menge erforderliche Konsumeinheit nicht - wie in der Rechtsprechung sonst üblich - anhand der adäquaten Dosis zur Erzielung einer stofftypischen Rauschwirkung ermittelt werden (BGH, Urteil vom 24. April 2007 - 1 StR 52/07 mwN). Es ist vielmehr - wie dies auch das sachverständig beratene Landgericht zu Recht getan hat - auf den regelmäßigen Tagesbedarf eines durchschnittlichen Benzodiazepin - bzw. Zolpidem-Konsumenten abzustellen. Bei der Eingrenzung des Tagesbedarfs hat daher zunächst die Gruppe der Konsumenten sog. harter Drogen wie Heroin (ca. 150.000 Personen) außer Betracht zu bleiben. Diese Gruppe kommt als Vergleichsmaßstab schon deshalb nicht in Betracht, weil die Benzodiazepine von dieser Gruppe in besonders hohen Dosierungen eingenommen werden, um eine Wirkungsverstärkung der illegal erworbenen Opiate und Opioide zu erreichen. Gegenüber den etwa 1,2 Millionen Benzodiazepinabhängigen erweist sich die Gruppe der Drogenabhängigen, die Benzodiazepine als Beikonsum zu anderen Drogen gebrauchen, zudem als verhältnismäßig klein. Die Bestimmung eines regelmäßigen Tagesbedarfs hat sich daher vornehmlich nach den Gebrauchsgewohnheiten der Konsumentengruppe zu richten , die ausschließlich Benzodiazepine oder Zolpidem regelmäßig einnehmen, zumal diese Gruppe - anders als die der Drogenabhängigen - einer wesentlich besseren ärztlichen Kontrolle unterliegt und somit eine verlässlichere und breitere Basis für die Risikoeinschätzung der Wirkstoffe bietet. Bei der Bestimmung des Tagesbedarfs ist weiterhin die übliche Darreichungsform zu berücksichtigen. Benzodiazepine und Zolpidem werden nicht als pulverförmige Substanzen oder als „gestreckte“ Pulverzubereitung gehandelt, wie etwa Heroin, sondern als Fertigarzneimittel in Tablettenform mit bestimmt definierten Wirkstoffmengen. Da diese Wirkstoffmengen nach Art des Wirkstoffs in den Zubereitungen - zum Teil erheblich - differieren, bietet es sich vorliegend an, die Bestimmung des Tagesbedarfs an dem Wirkstoff Diazepam zu orientieren, da hinsichtlich dessen Wirkungsweise umfassende medizinische und pharmakologische Erkenntnisse vorliegen und es sich daher besonders als sog. Leitsubstanz eignet. Für die übrigen hier zu betrachtenden Benzodiazepine und Zolpidem kann anschließend auf die in der Forschung bekannten Äquivalenzdosierungen zurückgegriffen werden, die in ihrer Wirkungsweise der zugrunde zu legenden Menge an Diazepam entsprechen.
37
Nach den Ausführungen der Sachverständigen gilt bei der Bestimmung des Tagesbedarfs an Diazepam Folgendes: Die übliche therapeutische Dosierung beträgt in der Regel fünf bis zehn Milligramm Diazepam am Abend (dies entspricht je nach Medikament einer Tablette), sofern auch am Folgetag noch eine beruhigende Wirkung erforderlich sein soll. Abgesehen von psychiatrischen Erkrankungen mit pathologischen Erregungs- und Panikzuständen wird eine solche Medikation etwa bei der Behandlung von Angst- und Unruhezuständen sowie von Schlafstörungen als ausreichend angesehen. Bereits diese Dosierung birgt bei einem Langzeitgebrauch die Gefahr einer Abhängigkeit, deshalb sollten therapeutisch erforderliche Dosissteigerungen auf 20 Milligramm am Tag besonders sorgfältig ärztlich kontrolliert werden. Dosierungen von 40 Milligramm Diazepam werden als mögliche Höchstdosis nur für besondere Indikationen (z.B. als Antiepileptikum) angesehen und sind nicht für Langzeitdosierungen geeignet. Hieraus ergibt sich, dass die Einnahme von mehr als 40 Milligramm Diazepam am Tag medizinisch nicht mehr indiziert ist und deshalb einen Missbrauch darstellt. Der - noch - übliche Tagesbedarf ist daher auf eine Menge von 40 Milligramm festzusetzen.
38
Ausgehend von 40 Milligramm Diazepam ergeben sich für die übrigen zu betrachtenden Benzodiazepine und Zolpidem folgende Äquivalenzdosierungen:
39
Alprazolam: 4 mg
40
Clonazepam: 8 mg
41
Lorazepam: 8 mg
42
Lormetazepam: 6 mg 30mg Midazolam:
43
Oxazepam: 120mg
44
Temazepam: 80 mg
45
Tetrazepam: 80 mg
46
Triazolam: 2 mg
47
Zolpidem: 80 mg.
48
bb) Bei der Bestimmung der Maßzahl sind die Eigenarten des jeweiligen Wirkstoffes und seine Gefährlichkeit im generalisierenden Vergleich zu anderen Betäubungsmitteln zu berücksichtigen. Weitere in die Betrachtung mit einzubeziehende Aspekte sind auch hier die übliche Darreichung in Tablettenform und die Art und Dauer der Anwendung. Da das hauptsächliche Gefahrenpotential bei einem Missbrauch von Benzodiazepinen und Zolpidem aber nicht - wie etwa bei der Einnahme von Heroin - in einer unmittelbaren, im ungünstigsten Fall sogar tödlich verlaufenden Gesundheitsschädigung liegt, sondern in der Entwicklung einer Abhängigkeitserkrankung und der damit einhergehenden chronischen Beeinträchtigungen für den menschlichen Organismus bei einem längerfristigen Gebrauch, ist die Maßzahl vornehmlich an der Art und Dauer des Gebrauchs zu orientieren. Dies hat das Landgericht in seiner Entscheidung nicht in ausreichendem Maß berücksichtigt, indem es auf einen Zeitraum von lediglich 15 Tagen abgestellt hat. Um die Gefahr der Abhängigkeit zu verringern , darf die Einnahmedauer von Benzodiazepinen und Zolpidem nach den einschlägigen medizinischen Leitlinien nicht mehr als acht Wochen betragen. Wird dieser Zeitraum überschritten, liegt die Gefahr eines Missbrauchs nahe. Der Senat hält es unter Berücksichtigung der oben genannten Aspekte, insbesondere der Gefährlichkeit der hier zu betrachtenden Wirkstoffe in Bezug auf eine Abhängigkeitserkrankung, deshalb für erforderlich, diesen Zeitraum von acht Wochen bei der Bestimmung der Maßzahl zugrunde zu legen. Diese ist daher auf 60 (entsprechend einem Zeitraum von acht Wochen oder 60 Tagen) festzusetzen.
49
cc) Die Grenzwerte für die nicht geringe Menge der hier zu betrachtenden Benzodiazepine und Zolpidem sind somit nach der oben dargestellten, in der Rechtsprechung bewährten Methode (Konsumeinheit/Tagesbedarf multipliziert mit der Maßzahl 60) wie folgt festzulegen:
50
Diazepam: 2.400 mg (40 mg * 60)
51
Alprazolam: 240 mg (4 mg * 60)
52
Clonazepam: 480 mg (8 mg * 60)
53
Lorazepam: 480 mg (8 mg * 60)
54
Lormetazepam: 360 mg (6 mg * 60)
55
Midazolam: 1.800 mg (30 mg * 60)
56
Oxazepam: 7.200 mg (120 mg * 60)
57
Temazepam: 4.800 mg (80 mg * 60)
58
Tetrazepam: 4.800 mg (80 mg * 60)
59
Triazolam: 120 mg (2 mg * 60)
60
Zolpidem: 4.800 mg (80 mg * 60).
61
3. Die (Neu)Festsetzung der nicht geringen Menge durch den Senat hat sich im vorliegenden Fall wie folgt auf den Schuldspruch ausgewirkt:
62
a) Soweit das Landgericht im ersten Tatkomplex („Versand durch S. “) eine Überschreitung des Grenzwerts zur nicht geringen Menge in drei Fällen angenommen hat, kann die Verurteilung nicht bestehen bleiben. Das Landgericht hat mangels anderweitiger Feststellungen zu Gunsten des Angeklagten angenommen, dass sich in jeder der erfolgten Medikamentenversendungen ins Ausland jeweils nur eine Packung Tabletten befunden hat. Im Hinblick auf die festgestellten Verpackungsgrößen der Medikamente Lorazepam (Wirkstoff: Lorazepam; Wirkstoffgehalt pro Tablette: 2,5 mg; Verpackungsgröße : 60 Tabletten; Gesamtwirkstoffgehalt pro Packung: 150 mg), Valium (Wirkstoff : Diazepam; Wirkstoffgehalt pro Tablette: 10 mg; Verpackungsgröße: höchstens 90 Tabletten; Gesamtwirkstoffgehalt pro Packung: höchstens 900 mg) und Xanax (Wirkstoff: Alprazolam; Wirkstoffgehalt pro Trablette: 1 mg; Verpackungsgröße: höchstens 90 Tabletten; Gesamtwirkstoffgehalt pro Packung : höchstens 90 mg) ist es davon ausgegangen, dass zumindest bei je einer Versendung eines dieser drei Medikamente der von ihm jeweils zugrunde gelegte Grenzwert zur nicht geringen Menge überschritten gewesen ist. Dies ist unter Berücksichtigung der vom Senat festgelegten Grenzwerte (oben unter II 2.) jedoch nicht zutreffend. Der in den jeweiligen Packungen enthaltene Gesamtwirkstoffgehalt der Medikamente Lorazepam, Valium und Xanax liegt jeweils deutlich unter den vom Senat für die jeweiligen Wirkstoffe (Lorazepam, Diazepam und Alprazolam) bestimmten Grenzwerten, so dass - unter Zugrundelegung der Annahme des Landgerichts, dass sich in jeder Versendung nur jeweils eine Packung befunden hat - bei keiner der festgestellten Versendungen der Grenzwert zur nicht geringen Menge überschritten gewesen ist. Da hinsichtlich des ersten Tatkomplexes weitergehende Feststellungen über den Inhalt der jeweiligen Medikamentenversendungen nicht zu erwarten sind (UA S. 277), ist der Schuldspruch entsprechend abzuändern. § 265 StPO steht dem nicht entgegen.
63
b) Soweit der Angeklagte im zweiten Tatkomplex („Versand durch St. “) wegen der unerlaubten Ausfuhr von Betäubungsmitteln in 1.116 Fällen und wegen der unerlaubten Ausfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 4.283 Fällen verurteilt worden ist, kann der Schuldspruch - unabhängig von der fehlerhaften Bestimmung des Grenzwerts zur nicht geringen Menge - schon deshalb keinen Bestand haben, da dem Senat eine sachlich-rechtliche Überprüfung der Urteilsgründe aufgrund unzureichender Feststellungen nicht zuverlässig möglich gewesen ist. Das Landgericht hat die einzelnen Versendungen in Tabellenform wiedergegeben. Diese Tabelle erstreckt sich über 233 Seiten der Urteilsgründe und weist pro Seite in der Regel mehr als 20 Zeilen auf. Die einzelnen Fälle werden lediglich allgemein nach dem Aussteller des jeweiligen Rezepts und daran anschließend alphabetisch nach dem Namen des jeweiligen Bestellers aufgezählt. Aus der Tabelle selbst ist die Anzahl der Einzeltaten nicht ohne weiteres ersichtlich, da eine Nummerierung gänzlich fehlt und nicht erkennbar ist, bei welchen der weit über 5.000 Versendungen das Landgericht von einer tateinheitlichen Begehung ausgegangen ist. Auf dieser Grundlage ist dem Senat eine revisionsgerichtliche Überprüfung , in welchen der vom Landgericht festgestellten Versendungen die Grenzwerte zur nicht geringen Menge überschritten gewesen sind, nicht mehr möglich (vgl. hierzu auch BGH, Beschluss vom 10. November 2009 - 1 StR 162/09 mwN). Dies führt aus sachlich-rechtlichen Gründen im zweiten Tatkomplex („Versand durch St. “) zur Aufhebung des Schuldspruchs.
64
c) Im dritten Tatkomplex („Versand durch Ke. “) ist eine sachlichrechtliche Überprüfung der Urteilsgründe hingegen möglich. Die ebenfalls in Tabellenform aufgeführten Lieferungen sind nummeriert und lassen die jeweiligen Einzeltaten sowie die jeweils versendeten Wirkstoffmengen erkennen. Die gebotene sachlich-rechtliche Überprüfung ergibt danach, dass entgegen der Annahme des Landgerichts in zwei der 71 Fälle (Lieferung Nr. 14: 250 mg Clo- nazepam; Lieferung Nr. 22: 2.000 mg Zolpidem) die Grenze zur nicht geringen Menge nicht überschritten gewesen ist. Der Schuldspruch war dementsprechend abzuändern. § 265 StPO steht dem auch hier nicht entgegen.
65
In den übrigen Fällen überstiegen die gelieferten Wirkstoffmengen in der Regel deutlich die vom Senat festgelegten Grenzwerte, so dass insoweit ein durchgreifender Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht gegeben ist und der Schuldspruch in diesen Fällen dementsprechend Bestand hat.
66
d) Der Angeklagte handelte auch schuldhaft. Soweit das Landgericht einen Verbotsirrtum des Angeklagten als vermeidbar gemäß § 17 StGB angesehen hat, hält dies rechtlicher Überprüfung stand.
67
aa) Entgegen der Ansicht der Revision liegt vorliegend kein den Vorsatz ausschließender Tatbestandsirrtum vor. In den Fällen, in denen ein Täter über ein Genehmigungserfordernis irrt, ist jeweils nach dem in Betracht kommenden Verbotstatbestand zu differenzieren. Dient die Genehmigung - wie hier im Betäubungsmittelrecht - dazu, ein grundsätzlich wertwidriges Verhalten im Einzelfall zu erlauben, so handelt es sich bei einem Irrtum über ein solches Genehmigungserfordernis , wovon das Landgericht auch zu Recht ausgegangen ist, nicht um einen Tatbestands-, sondern um einen Verbotsirrtum (BGH, Urteil vom 11. September 2002 - 1 StR 73/02, NStZ-RR 2003, 55, 56).
68
bb) Zweifelhaft ist jedoch, ob hier überhaupt ein Verbotsirrtum gemäß § 17 StGB gegeben ist. Nach den landgerichtlichen Feststellungen war gegen den gesondert verfolgten B. schon vor Beginn des verfahrensgegenständlichen Tatzeitraums ein Ermittlungsverfahren wegen der unerlaubten Ausfuhr von Benzodiazepinen durchgeführt worden, von dem auch der Angeklagte Kenntnis erlangt hatte. Zudem wurden die Medikamentenlieferungen im dritten Tatkomplex an die gesondert verfolgte Ke. falsch als Fußbalsam bzw. als Kosmetika deklariert, um ihren wahren Inhalt zu verschleiern. Dies legt nahe, dass der Angeklagte bei den Versendungen der Medikamente ins Ausland zumindest mit der Möglichkeit rechnete, Unrecht zu tun, was gegen das Vorliegen eines Verbotsirrtums spricht (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 1995 - 3 StR 514/95, NStZ 1996, 236, 237).
69
cc) Letztlich kann diese Frage jedoch offen bleiben, da es jedenfalls - wovon auch das Landgericht zu Recht ausgegangen ist - an einer Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums fehlt. Zwar wird diese durch die Rechtsauskunft einer verlässlichen Person in der Regel ausgeschlossen. Verlässlich in diesem Sinne ist aber nur eine zuständige, sachkundige, unvoreingenommene Person, die mit der Erteilung der Auskunft kein Eigeninteresse verfolgt und die Gewähr für eine objektive, sorgfältige, pflichtgemäße und verantwortungsbewusste Auskunftserteilung bietet (BGH, Urteil vom 13. September 1994 - 1 StR 357/94, BGHSt 40, 257, 264). Diese Kriterien erfüllen weder der gesondert verfolgte B. , der dem Angeklagten nach einer Rücksprache mit Rechtsanwälten mitgeteilt haben soll, dass „alles legal sei“, noch der Apotheker S. , der dem Angeklagten gesagt haben soll, dass eine Versendeerlaubnis der Regierung von Oberbayern für die Versendung der Medikamente ausreichend sei. Denn beide hatten als Tatbeteiligte ein erhebliches Eigeninteresse an der Tat und konnten daher nicht unvoreingenommen sein. Der Angeklagte durfte sich deshalb auf die Auskünfte von B. und S. nicht verlassen. Angesichts des von ihm maßgeblich mitgestalteten komplexen Geflechts aus mehreren Unternehmen mit unterschiedlichen Betätigungsfeldern, wie Internetauftritt, Medikamentengroßhandel und Abrechnung mit den Kreditkartenunternehmen, traf ihn vielmehr eine eigene, erhöhte Erkundigungspflicht bei den hierfür in Betracht kommenden unabhängigen Stellen (z.B. des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte) hinsichtlich der Zulässigkeit der Medikamentenversen- dungen ins Ausland. Dieser Pflicht ist der Angeklagte schuldhaft nicht nachgekommen.

III.

70
1. Hinsichtlich des Ausspruchs über die Einzelstrafen und die Gesamtstrafe wirken sich die Abänderung der Schuldsprüche im ersten und dritten Tatkomplex („Versand durch S. “, „Versand durch Ke. “) sowie die Aufhebung der Schuldsprüche im zweiten Tatkomplex („Versand durch St. “) wie folgt aus:
71
a) Im ersten Tatkomplex („Versand durch S. “) führt die Schuldspruchänderung in den drei Fällen, in denen das Landgericht rechtsfehlerhaft die Überschreitung der Grenzwerte zur nicht geringen Menge angenommen hat (siehe oben unter II 3. a) zu einer Aufhebung der hierfür verhängten Einzelstrafen. In den übrigen - 18.992 - Fällen können die verhängten Einzelstrafen dagegen bestehen bleiben.
72
b) Im zweiten Tatkomplex („Versand durch St. “) zieht die Aufhebung der Schuldsprüche die Aufhebung der hierfür verhängten Einzelstrafen nach sich.
73
c) Im dritten Tatkomplex führt die Abänderung der Schuldsprüche in den Fällen II 4. („Versand durch Ke. “), Lieferungen Nrn. 14 und 22, zur Aufhebung der hierfür verhängten Einzelfreiheitsstrafen (jeweils ein Jahr und acht Monate). In den übrigen 69 Fällen können die Einzelstrafen bestehen bleiben, da sich der Strafrahmen hierdurch nicht verändert hat. Da das Landgericht bei der Strafzumessung im Einzelnen nicht auf die jeweilige Höhe der versendeten Wirkstoffmengen abgestellt hat, kann der Senat zudem ausschließen, dass es bei der Zugrundelegung der vom Senat zutreffend erachteten höheren Grenzwerte geringere Freiheitsstrafen verhängt hätte.
74
d) Die - teilweise - Aufhebung der Einzelstrafen zieht die Aufhebung der gegen den Angeklagten verhängten Gesamtstrafe nach sich.
75
2. Der Verfall von Wertersatz hat Bestand. Die vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen belegen die Vermögenswerte, die der Angeklagte aus seiner Beteiligung an den Medikamentenlieferungen ins Ausland i.S.v. § 33 Abs. 1 BtMG, § 73 Abs. 1 Satz 1, § 73a Satz 1 StGB erlangt hat. Das Landgericht hat zudem das ihm nach § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB eingeräumte Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt. Die Aufhebung der Schuldsprüche im zweiten Tatkomplex („Versand durch St. “) steht dem nicht entgegen, da die Aufhebung lediglich aufgrund von Wertungsfehlern erfolgt ist und danach auf jeden Fall feststeht, dass sich der Angeklagte auch in diesem Tatkomplex wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln strafbar gemacht hat.

IV.

76
Da die Feststellungen zum Schuld- und Rechtsfolgenausspruch insgesamt rechtsfehlerfrei getroffen sind, können diese bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende weitere Feststellungen, die hierzu nicht in Widerspruch stehen, sind möglich.
77
Im Umfang der Aufhebung bedarf die Sache daher der erneuten Verhandlung und Entscheidung.

Nack Wahl Graf Jäger Sander

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 52/07
vom
24. April 2007
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
____________________
Für Buprenorphin beginnt die "nicht geringe Menge" im Sinne von § 29a Abs. 1
Nr. 2 sowie § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG bei 450 mg Buprenorphin-Hydrochlorid.
BGH, Urteil vom 24. April 2007 - 1 StR 52/07 - Landgericht München I
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 24. April
2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Kolz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 29. August 2006 wird verworfen. 2. Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, jeweils in nicht geringer Menge, zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und seinen Pkw eingezogen. Die Staatsanwaltschaft greift das Urteil mit der zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten, auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten und auf die Sachrüge gestützten Revision an. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.

2
Festgestellt ist, dass der Angeklagte als Rauschgiftkurier in Paris 3801 Subutex-8 mg-Tabletten mit einem Wirkstoffgehalt von 32,8 g BuprenorphinHydrochlorid bzw. 30,4 g Buprenorphin übernahm, um sie auftragsgemäß nach Georgien zu verbringen. In München wurde er am 21. Oktober 2005 einer poli- zeilichen Kontrolle unterzogen, anlässlich der das Rauschgift in seinem Pkw sichergestellt wurde.
3
Der rechtlichen Würdigung und der Strafzumessung hat das Landgericht die Annahme zugrunde gelegt, die nicht geringe Menge an Betäubungsmitteln im Sinne von § 29a Abs. 1 Nr. 2, § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG beginne für Buprenorphin und Buprenorphin-Hydrochlorid jeweils bei 450 mg (0,45 g).

II.

4
1. Die Beschwerdeführerin beanstandet, dass das Landgericht von einem zu hohen Grenzwert für die nicht geringe Menge ausgegangen sei; denn diese sei bereits bei 50 mg Buprenorphin (250 Konsumeinheiten zu 0,2 mg) erreicht.
5
Bei der Strafzumessung habe das Landgericht zwar zu Lasten des Angeklagten die vielfache Überschreitung des Grenzwerts für die nicht geringe Menge gewertet. Der Grenzwert sei allerdings nicht nur, wie das Landgericht angenommen habe, um das 67,55-fache (bezogen auf Buprenorphin) bzw. 72,88-fache (bezogen auf Buprenorphin-Hydrochlorid), sondern um das 608fache überschritten.
6
2. Die sachlich-rechtliche Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung ergibt keinen durchgreifenden Rechtsfehler zu Gunsten - oder, was der Senat gemäß § 301 StPO zu beachten hat, zu Ungunsten - des Angeklagten. Das Landgericht hat den Grenzwert für die nicht geringe Menge zutreffend mittels eines Vergleichs zwischen Buprenorphin und Morphin ermittelt. Die Annahme, die nicht geringe Menge beginne für Buprenorphin und Buprenorphin-Hydrochlorid gleichermaßen bei jeweils 450 mg, trifft allerdings nicht zu. Der Grenzwert ist vielmehr bei 450 mg Buprenorphin-Hydrochlorid anzusetzen.
7
a) Buprenorphin - chemische Bezeichnung: (5R,6R,7R,14S)-17-Cyclopropylmethyl -4,5-epoxy-7-[(S)-2-hydroxy-3,3-dimethylbutan-2-yl]-6-methoxy6 ,14-ethanomorphinan-3-ol - wurde durch die 1. BtMÄndV vom 6. August 1984 (BGBl I 1081) als verkehrs- und verschreibungsfähiges Betäubungsmittel der Anlage III zu § 1 Abs. 1 BtMG unterstellt. § 2 Abs. 1 Nr. 2 BtMVV legt nach der letzten Änderung durch die 19. BtMÄndV vom 10. März 2005 (BGBl I 757) die Höchstmenge für Buprenorphin, die ein Arzt für seinen Praxisbedarf pro Patient innerhalb von 30 Tagen verschreiben darf, auf 800 mg fest. Hinsichtlich Beschaffenheit , Wirkung und Gefährlichkeit von Buprenorphin kann der Senat auf die vom Landgericht eingeholten schriftlichen Gutachten der Sachverständigen Dr. S. , öffentlich bestellter und beeidigter Sachverständiger für Forensische Toxikologie, Dr. U. , stellvertretender Sachgebietsleiter Chemie am Bayerischen Landeskriminalamt, sowie Dr. G. , Chemieoberrat am Bayerischen Landeskriminalamt, zurückgreifen. Unter Berücksichtigung weiterer Literatur (Benos Der Nervenarzt 1983, 259 ff.; Geschwinde, Rauschdrogen 6. Aufl. Rdn. 2922 ff.; Groß/Soyka Suchtmed 1999, 5 ff.; Körner, BtMG 5. Aufl. Teil C 1 Rdn. 126 f.; Pallenbach DAZ 2000, 4838 ff.) ergibt sich folgendes:
8
Buprenorphin ist ein halbsynthetisches Opioid, das aus dem Opiumalkaloid Thebain gewonnen werden kann. Es ist anders als etwa Morphin, Heroin und Methadon kein voller, sondern nur ein partieller Opioid-Agonist. Buprenorphin wurde zunächst als Analgetikum entwickelt; seine Zulassung in Deutschland erfolgte erstmals im Jahr 1980. Im Jahr 2000 wurde es auch zur Substitutionstherapie bei Opiatabhängigkeit zugelassen. Der Wirkstoff ist unter den Handelsnamen Subutex, Temgesic und Transtec erhältlich. Temgesic und Transtec werden in der Schmerztherapie bei akuten und chronischen Schmer- zen (bei postoperativen Schmerzen, zur Krebsbehandlung) verabreicht. Subutex wird hingegen in der Substitutionstherapie verwendet. Seine Einnahme erfolgt sublingual; das heißt, eine Tablette wird unter der Zunge belassen, bis sie sich allmählich auflöst.
9
Obwohl bei der Einnahme von Buprenorphin der für volle Opioid-Agonisten typische Rauschzustand ("Kick") ausbleibt, hat es gewisse von Süchtigen gewünschte euphorisierende Effekte. Es unterdrückt zudem das Opioid-Entzugssyndrom. Die häufige Einnahme von Buprenorphin führt jedoch auch zur Toleranzentwicklung und seinerseits zur Suchtentwicklung. Als Nebenwirkungen werden unter anderem Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen , Tränen- und Nasenfluss, Benommenheit, Frösteln, körperliche Schwäche sowie Atemdepression beschrieben.
10
Das therapeutische Spektrum von Buprenorphin ist breit. In der Schmerztherapie werden gewöhnlich Einzeldosen zwischen 0,2 und 0,4 mg verabreicht; die Einzeldosen in der Substitutionstherapie reichen von 0,8 mg als Einstiegsdosis bei leichter Opiatabhängigkeit bis hin zu 8 mg. 8 mg Buprenorphin stellen dementsprechend den höchsten in einer Tablette derzeit auf dem Arzneimarkt erhältlichen Wirkstoffgehalt dar; hierbei handelt es sich um - auch in diesem Verfahren sichergestellte - Subutex-8 mg-Tabletten. Erhebliche Überdosierungen werden regelmäßig ohne wesentliche Nebenwirkungen vertragen. Akzidentielle Überdosierungen durch Verschlucken sind unwahrscheinlich , da die orale - anstelle der sublingualen - Einnahme weitgehend wirkungslos ist.
11
Die Angaben zum Verhältnis der analgetischen Wirkungsstärke von Morphin zu Buprenorphin reichen von 1:10 bis zu 1:40 (nach Geschwinde aaO Rdn. 2924 und Körner aaO Rdn. 126 sogar bis maximal 1:50). In den Richtli- nien zur Substitutionstherapie wird angenommen, dass Buprenorphin gegenüber Methadon eine etwa zehnmal stärkere Wirkung hat; 8 mg Buprenorphin entsprechen damit einer Dosis von etwa 80 mg Methadon (nach Pallenbach aaO 4846 von "ungefähr" 45 mg; nach Groß/Soyka aaO 8 von 40 bis 60 mg). Im Vergleich zu Methadon weist Buprenorphin ein geringeres Risiko von Nebenwirkungen und auch ein kleineres Missbrauchs- und Abhängigkeitspotential auf.
12
b) Aufgrund der Eigenheiten des Betäubungsmittels Buprenorphin scheidet die nach ständiger Rechtsprechung vorrangig anzuwendende Methode zur Festlegung des Grenzwerts der nicht geringen Menge, nämlich diesen mittels einer äußerst gefährlichen Dosis oder durchschnittlichen Konsumeinheit und einer an der Gefährlichkeit orientierten Maßzahl zu bestimmen (vgl. BGHSt 32, 162, 164; 33, 8, 14; 35, 43, 49; 42, 1, 3 ff.; 42, 255, 265; 49, 306, 312), hier aus.
13
aa) Zur äußerst gefährlichen Dosis liegen keine gesicherten Erkenntnisse vor. Zwar scheinen schwere Intoxikationen selbst mit tödlichem Ausgang möglich (Geschwinde, Rauschdrogen 6. Aufl. Rdn. 2932). Nach den dem Senat vorliegenden Sachverständigengutachten ist die Gefahr von Überdosierungen jedoch gering. Auch hat sich in Frankreich, wo bei der Behandlung Opiatabhängiger mit Buprenorphin langjährige Erfahrungen bestehen, gezeigt, dass bei der Obduktion sämtlicher Drogentoter, deren Tod in Zusammenhang mit der Einnahme von Buprenorphin stand, ein Beikonsum von illegal erworbenen Betäubungsmitteln und/oder stark wirksamen Psychopharmaka festgestellt wurde (vgl. auch Pallenbach DAZ 2000, 4838, 4844).
14
bb) Eine Festlegung des Grenzwerts auf der Grundlage einer durchschnittlichen Konsumeinheit für einen Drogenunerfahrenen, welche die Beschwerdeführerin mit der in der Schmerztherapie üblichen Mindestdosis von 0,2 mg gleichsetzt, kommt ebenfalls nicht in Betracht. Unter der durchschnittlichen Konsumeinheit versteht die Rechtsprechung grundsätzlich die adäquate Dosis zur Erzielung einer stofftypischen Rauschwirkung (BGHSt 33, 169, 170; 35, 43, 49; 49, 306, 312), wobei prinzipiell, um nicht die mit dem regelmäßigen Konsum vieler Betäubungsmittel einhergehende Toleranzentwicklung zu prämieren , auf den Konsumanfänger abzustellen ist (Cassardt NStZ 1995, 257, 261; Hügel/Junge/Lander/Winkler, Deutsches Betäubungsmittelrecht 8. Aufl. 4. Lfg. § 29a BtMG Rdn. 4.3.5). Eine derartige Bestimmung der Konsumeinheit kommt hier aus mehreren Gründen nicht in Betracht:
15
Zum einen bleibt bei der Einnahme von Buprenorphin, obwohl es gewisse euphorisierende Effekte hat, der etwa für Heroin, Morphin und Methadon typische Rauschzustand ("Kick") aus. Zum anderen fehlen praktische Erkenntnisse über den illegalen Markt; es liegt nicht nahe, dass Buprenorphin überhaupt von einer nennenswerten Anzahl Drogenunerfahrener konsumiert wird. Im Hinblick darauf, dass die Rauschwirkung eher gering ist, jedoch das Opioid-Entzugssyndrom unterdrückt wird, kommt vielmehr der illegale Erwerb insbesondere durch Opiatabhängige in Betracht. Schließlich ist es verfehlt, die Konsumeinheit bei verkehrs- und verschreibungsfähigen Betäubungsmitteln allein an einer möglichen legalen Anwendung auszurichten (Hügel/Junge/Lander/Winkler aaO Rdn. 4.3.4, 4.3.6 a.E.).
16
cc) Die Konsumeinheit kann auch nicht dadurch hinreichend sicher bestimmt werden, dass - unter Zugrundelegung der in der Substitutionstherapie verabreichten Einzeldosen - auf durchschnittliche Konsumgewohnheiten abgestellt wird (vgl. BGHSt 49, 306, 313). Jedenfalls die große Bandbreite medizinisch indizierter Einzeldosen ermöglicht ein derartiges Vorgehen nicht (ähnlich für Kokain BGHSt 33, 133, 136 ff.; hierzu Cassardt NStZ 1995, 257, 258); denn die Höhe dieser Dosen schwankt je nach Einzelfall - insbesondere dem Grad der Abhängigkeit - stark, wie oben ausgeführt zwischen 0,8 und 8 mg. Nach Geschwinde (Rauschdrogen 6. Aufl. Rdn. 2932) stellt die Verabreichung von 2 mg-Einheiten bei der Suchtbehandlung eine niedrige Dosierung dar. Das breite Spektrum wird zudem daraus ersichtlich, dass die in der Substitutionstherapie verwendeten Subutex-Tabletten derzeit mit einem sehr unterschiedlichen Wirkstoffgehalt von 0,4 mg bis hin zu 8 mg Buprenorphin auf dem Arzneimarkt angeboten werden.
17
c) Der Grenzwert für die nicht geringe Menge an Buprenorphin ist daher - wovon auch das Landgericht zutreffend ausgegangen ist - mittels eines Vergleichs mit verwandten Wirkstoffen festzulegen. Der Bundesgerichtshof hat bereits in der Vergangenheit bei der Grenzwertbestimmung einen solchen Wirkstoffvergleich herangezogen (vgl. BGHSt 35, 179, 182; 49, 306, 312 ff.; BGH NJW 2001, 3641, 3642). Neben Methadon, für das - soweit ersichtlich - eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur nicht geringen Menge noch aussteht, kommt hier insbesondere Morphin in Betracht. Für Zubereitungen von Morphin hat der Senat entschieden, dass die nicht geringe Menge bei 4,5 g MorphinHydrochlorid beginnt (BGHSt 35, 179).
18
Da die Wirkung von Buprenorphin mindestens zehnmal so stark ist wie von Morphin, ist der Grenzwert der nicht geringen Menge zugunsten des Angeklagten (vgl. BGHSt 33, 8, 14; 49, 306, 313; Cassardt NStZ 1995, 257, 259) auf den zehnten Teil der nicht geringen Menge für Morphin, die bei 4,5 g MorphinHydrochlorid beginnt, anzusetzen; er ist damit auf 450 mg BuprenorphinHydrochlorid festzulegen. Auch wenn es im vorliegenden Fall nicht von Bedeutung sein mag, kommt für Buprenorphin und Buprenorphin-Hydrochlorid entgegen der Ansicht des Landgerichts kein einheitlicher Grenzwert in Betracht. Nach den vorliegenden Gutachten übersteigt nämlich das Gewicht von BuprenorphinHydrochlorid (Salz) dasjenige der Grundform Buprenorphin (Base) um acht Prozentpunkte. Dieser - wenngleich nur - "äußerst geringe Unterschied" hinsichtlich Wirkung und Gefährlichkeit (UA S. 15) kann nicht vernachlässigt werden. Denn der - der Rechtsprechung obliegenden - zahlenmäßigen Festlegung des Grenzwerts für die nicht geringe Menge im Sinne von § 29a Abs. 1 Nr. 2, § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG ist immanent, dass auch marginale pharmakologische und toxikologische Unterschiede in Grenzfällen die Strafrahmenwahl bestimmen und damit das Strafmaß beeinflussen können (vgl. BGHSt 42, 1, 11).
19
Als Vergleichsmaßstab dient hier der Wirkstoff Morphin, bei dem sich der Grenzwert an einer bestimmten Menge des Salzes Morphin-Hydrochlorid - und nicht der Base - bemisst. Daher ist bei der Umrechnung ebenfalls das Salz Buprenorphin-Hydrochlorid zugrunde zu legen. 450 mg Buprenorphin-Hydrochlorid entsprechen dabei 416,67 mg Buprenorphin.
20
d) Da für die Kammer "die genannten geringen Unterschiede auch für das Strafmaß ohne Bedeutung" (UA S. 16) waren, kann der Senat ausschließen , dass sie eine höhere Freiheitsstrafe verhängt hätte. Nack Wahl Kolz Elf Graf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 315/10
vom
17. November 2011
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
___________________________________
Für Methamphetaminracemat - (RS)-(methyl)(1-phenylpropan-2-yl)azan - beginnt die
nicht geringe Menge im Sinne von § 29a Abs. 1 Nr. 2, § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG bei
10 g der wirkungsbestimmenden Base.
BGH, Urteil vom 17. November 2011 - 3 StR 315/10 - LG Verden
in der Strafsache
gegen
wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17. November
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
von Lienen,
Mayer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Menges
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Verden vom 18. März 2010 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der Strafausspruch hat keinen Bestand.
3
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
a) Der an der Chemie interessierte Angeklagte betrieb ab 1995 ein häusliches Labor und forschte dort unter anderem an (legalen) Amphetaminderivaten. In einem später eingestellten Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Zuwiderhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz stellte die Staatsanwaltschaft im November 1999 die Laboreinrichtung kurzzeitig sicher. Nach anschließender Pfändung durch einen privaten Gläubiger nahm der Angeklagte sie 2001 wieder in Besitz und lagerte sie zunächst im Hause seiner Eltern ein.
5
Nach einem Umzug im Jahre 2009 beschloss der Angeklagte, der sich zwischenzeitlich einer operativen Behandlung wegen eines Prostatakarzinoms unterzogen und als Dauerfolge u.a. eine erektile Dysfunktion davongetragen hatte, sein Labor wieder aufzubauen. Beim Sichten der eingelagerten Bestände fiel ihm ein Glaskolben mit einer kristallinen Substanz auf, deren Herkunft das Landgericht nicht hat klären können. Nach seinen früheren Forschungen hielt es der Angeklagte zumindest für möglich, dass es sich dabei um Methamphetamin -Hydrochlorid handelte. Er erwärmte eine Probe, inhalierte diese und empfand die Wirkung wie erhofft als "angenehm, blutdruck- und sinnsteigernd und vor allem … erektionsfördernd". Für den beabsichtigten weiteren Konsum verpackte er die Substanz in Klemmtüten, die er - nebst der Erwärmung dienender Folienstreifen - versteckt in seinem Schlafzimmer verwahrte. Bei einer Durchsuchung am 13. Mai 2009 fanden sich dort neun Klemmtüten, die insgesamt 915,8 g Methamphetamin-Hydrochlorid-Gemisch mit einem Reinheitsgrad von 99,5 % enthielten. Die Base bestand stereochemisch aus Methamphetaminracemat - (RS)-(methyl)(1-phenylpropan-2-yl)azan - mit gleichen Anteilen der Enantiomere des Methamphetamins, also des "rechtsdrehenden" (2S)-N- Methyl-1-phenylpropan-2-amin (auch d-Methamphetamin; gemäß Anl. II zu § 1 BtMG: Methamphetamin), und des "linksdrehenden" (R)-(methyl)(1phenylpropan -2-yl)azan (auch l-Methamphetamin; gemäß Anl. II zu § 1 BtMG: Levmethamphetamin).
6
b) Das Landgericht hat das Gewicht des in dem Gemisch enthaltenen Hydrochlorid-Salzes mit 911 g und die Menge der Base hiernach mit 731,96 g errechnet (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 3. Dezember 2008 - 2 StR 86/08, BGHSt 53, 89, 90). Den Grenzwert der nicht geringen Menge der Base im Sinne von § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG hat es, beraten durch den Sachverständigen Dr. D. , Apotheker für experimentelle Pharmakologie und Toxikologie beim Bundeskriminalamt Wiesbaden, wie bei (2S)-Methamphetamin (vgl. hierzu BGH aaO) mit 5 g angenommen. Im Hinblick auf das besondere Gefährdungspotential aller drei der in Anlage II zu § 1 Abs. 1 BtMG als verkehrsfähig, aber nicht verschreibungsfähig aufgeführten stereochemischen Erscheinungsformen sei es nicht angezeigt, das Methamphetamin-Racemat wegen seines Levmethamphetamin -Anteils insoweit anders zu behandeln, zumal die Stoffe nicht auf getrennten Märkten gehandelt würden. Zwar liege die Wirksamkeit von Levmethamphetamin unter der von (2S)-Methamphetamin, was damit zu erklären sei, dass letzteres in höherem Maße geeignet sei, an die maßgeblichen Rezeptoren im Gehirn anzudocken und damit das Zentralnervensystem zu beeinflussen. Jedoch könne Levmethamphetamin leichter über Rezeptoren etwa in Herz und Nieren aufgenommen werden und wirke damit stärker auf das periphersympathische Nervensystem. Im Vergleich zum (2S)-Methamphetamin liege der Wirkungsgrad des Racemats damit jedenfalls bei "deutlich mehr als 50 %". Letztlich sei dieser Unterschied zu vernachlässigen, denn bei rechtsmissbräuchlichem Konsum werde in allen Fällen die therapeutisch wirksame Dosis um ein Vielfaches und die Grenze zur Risikodosis bei weitem überschritten.
7
c) Davon ausgehend hat das Landgericht bei der Bemessung der Strafe zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt, dass das in seinem Besitz befindliche Gemisch den Grenzwert der nicht geringen Menge "um das 146,329fache" überschritten habe.
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2. Der Senat ermittelt den Grenzwert der nicht geringen Menge von Methamphetamin-Racemat - anders als das Landgericht - mit 10 g der wirkungsbestimmenden Base. Nach Anhörung der Sachverständigen Dr. D. und Prof. Dr. Da. , Institut für Rechtsmedizin im Universitätsklinikum Düsseldorf, kann der Senat keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse feststellen, die es rechtfertigen, den Grenzwert für dieses Amphetaminderivat zu Lasten des Angeklagten anders zu beurteilen als für den Grundstoff Amphetamin. Im Einzelnen:
9
a) Durchgreifende rechtliche Bedenken bestehen gegen den methodischen Ansatz des Landgerichts, den Grenzwert der nicht geringen Menge von Methamphetamin-Racemat ungeachtet im Raum stehender Unterschiede im Wirkungsgrad deshalb an den für (2S)-Methamphetamin anzugleichen, weil bei rechtsmissbräuchlichem Konsum ohnehin stets die Grenze zur Risikodosis überschritten werde. Zu Ende gedacht würde dies die Bedeutung des Wirkstoffgehalts für die Bemessung des Unrechtsgehalts der Tat relativieren, denn die präzise Ermittlung eines Vielfachen der nicht geringen Menge hätte vor einem Hintergrund möglicher nicht unerheblicher Unterschiede im Wirkungsgrad der einzelnen Substanzen nur noch eine begrenzte Aussagekraft.
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Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 2. November 2010 - 1 StR 581/09, NJW 2011, 1462, 1464 f.) ist der Grenzwert der nicht geringen Menge eines Betäubungsmittels vielmehr stets in Abhängigkeit von dessen konkreter Wirkungsweise und Wirkungsintensität festzulegen. Maßgeblich ist zunächst die äußerst gefährliche, gar tödliche Dosis des Wirkstoffs. Fehlen hierzu gesicherte Erkenntnisse, so errechnet sich der Grenzwert als ein Vielfaches der durchschnittlichen Konsumeinheit eines nicht an den Genuss dieser Droge gewöhnten Konsumenten, das zu bemessen ist nach Maßgabe der Gefährlichkeit des Stoffes, insbesondere seines Abhängigkeiten auslösenden oder sonst die Gesundheit schädigenden Potentials. Lassen sich auch zum Konsumverhalten keine ausreichenden Erkenntnisse gewinnen, so entscheidet ein Vergleich mit verwandten Wirkstoffen (BGH, Urteil vom 24. April 2007 - 1 StR 52/07, BGHSt 51, 318, 321 ff.). Nicht zu verkennen ist, dass sich - etwa wegen des Fehlens getrennter Märkte - ein praktisches Bedürfnis ergeben kann, zwei oder mehrere Substanzen mit gleicher Wirkungsweise, aber unterschiedlicher Wirkungsintensität einheitlich zu behandeln. Dem müsste indes dadurch Rechnung getragen werden, dass insgesamt der Wert für diejenige Erscheinungsform zugrunde gelegt wird, welche die geringste Wirkungsintensität aufweist (vgl. zu den Amphetaminderivaten MDA, MDMA und MDE BGH, Urteil vom 9. Oktober 1996 - 3 StR 220/96, BGHSt 42, 255, 267 f.).
11
b) Nach diesen Maßstäben hat der Bundesgerichtshof den Grenzwert der nicht geringen Menge für Amphetamin mit 10 g Amphetamin-Base bestimmt (Urteil vom 11. April 1985 - 1 StR 507/84, BGHSt 33, 169; vgl. auch Urteil vom 1. September 1987 - 1 StR 191/87, BGHSt 35, 43, 48). Amphetamin ist nach Anl. III zu § 1 Abs. 1 BtMG das Racemat (RS)-1-phenylpropan-2-ylazan, bestehend aus dem "rechtsdrehenden" Dexamphetamin [(S)-1-phenylpropan-2ylazan; Anl. III zu § 1 Abs. 1 BtMG] und dem "linksdrehenden" Levamphetamin [(R)-1-phenylpropan-2-ylazan; Anl. II zu § 1 Abs. 1 BtMG]. Im Einzelnen hat sich der Bundesgerichtshof davon leiten lassen, dass die hohe Dosis für den nicht Amphetamingewohnten bei 50 mg anzunehmen sei, indes Toleranzent- wicklung und der Wunsch, stärkere Effekte zu erleben, zu immer stärkeren Dosen führten. Bei intravenöser Verabreichung könnten so Einzeldosen von 160 mg bis zu zehnmal täglich oder von 1.000 mg in Abständen von wenigen Stunden erreicht werden. Bei oraler Einnahme könne es zu Einzeldosen von 200 mg Amphetamin und mehr kommen. Der Missbrauch führe zu psychischer, wenn auch nicht zu körperlicher Abhängigkeit. Er könne indes nicht nur psychische , sondern auch schwerwiegende physische Folgeschäden nach sich ziehen. Zu beobachten seien überwache Zustände, ängstliche Getriebenheit, Aggressivität , Depressionen, illusionäre Verkennungen, Störungen des Urteilsvermögens , Depersonalisationserscheinungen, Hyperthermie, Kreislaufkollaps oder Herzversagen sowie Gehirnschädigungen. Persönlichkeitsveränderungen gingen mit beruflichem und sozialem Abstieg einher. "Amphetamin-Psychosen" träten nicht nur als Folge eines chronischen Missbrauchs, sondern auch als akutes Vergiftungssymptom auf. Als psychisches Stimulans erweise sich Amphetamin häufig als Schrittmacher für eine Polytoxikomanie. Die Gefahr einer Wiederaufnahme der Missbrauchsgewohnheiten nach einer Entzugsperiode sei hoch. Todesfälle seien andererseits eher selten. In Abwägung dieser Umstände hat der Bundesgerichtshof die nicht geringe Menge schließlich beim 200-fachen der Einzeldosis von 50 mg als erreicht angesehen (vgl. Urteil vom 1. September 1987 - 1 StR 191/87, BGHSt 35, 43, 48).
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c) Für (2S)-Methamphetamin hat der Bundesgerichtshof den Grenzwert der nicht geringen Menge mit 5 g Methamphetamin-Base festgelegt (Urteil vom 3. Dezember 2008 - 2 StR 86/08, BGHSt 53, 89). Ausgehend von einer Wirkungsweise sowie von physischen und psychischen Missbrauchsfolgen, die denen des Amphetamins ähneln, hat er für ausschlaggebend erachtet, dass die pharmakodynamische Wirkung von (2S)-Methamphetamin bei oraler Aufnahme etwa eineinhalb- bis zweimal so stark sei wie die von Amphetamin; in der Kon- sumform des Rauchens - die bei Amphetamin nicht möglich sei - wirke es mindestens doppelt so stark und vor allem erheblich schneller, weil aufgrund höherer Lipophilie die Blut-Hirn-Schranke schneller überwunden werde. Auch gelange beim Rauchen das gesamte aufgenommene Rauschgift unmittelbar zum Gehirn, während beim oralen Konsum mehrere Stunden bis zur vollständigen Resorption im Körper vergehen könnten. Für diese gefährlichste und heute gängigste Konsumform sei daher eine Gleichsetzung in der Wirkung mit "Crack" (Kokain-Base) gerechtfertigt; sie falle für die Festlegung des Grenzwerts erheblich ins Gewicht. Zu demselben Ergebnis führe es, wenn man die nicht geringe Menge - wie bei Amphetamin - beim 200-fachen einer Konsumeinheit als erreicht annehme, denn für den an Methamphetamin nicht Gewohnten sei eine Einzeldosis von 25 mg bereits sehr hoch.
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d) Der Senat gelangt jedenfalls für das hier in Frage stehende Methamphetamin-Racemat wie beim Amphetamin-Racemat (Amphetamin) zu einem Grenzwert der nicht geringen Menge von 10 g Base. Nach gegenwärtigem Forschungsstand finden sich keine Belege dafür, dass die Wirkungsintensität und die Gefährlichkeit dieser Substanz signifikant höher liegen als beim Ausgangsstoff Amphetamin.
14
aa) Wie schon in den oben genannten Urteilen des Bundesgerichtshofs beschrieben, sind sich Amphetamin und dessen methyliertes Derivat in ihrer Wirkung weitestgehend ähnlich. Unter anderem in den USA werden beide Stoffe medizinisch zur Behandlung von Narkolepsie, Aufmerksamkeitsdefiziten, Hyperaktivitätsstörungen (ADHS) und Adipositas eingesetzt. Wegen ihrer stimmungsanhebenden, das Selbstvertrauen, die Konzentrationsfähigkeit, die Energie und die Wachheit steigernden Wirkung werden sie nicht selten missbräuchlich verwendet. Dauerkonsum und Überdosierung können dabei zu Ver- wirrung, Aggressivität, paranoiden Halluzinationen und Panikzuständen führen. In unmittelbarem Zusammenhang mit der durch eine Dauerstimulation hervorgerufenen körperlichen Erschöpfung ist auch mit Herzkreislaufbeschwerden bis hin zu lebensbedrohlichen Rhythmusstörungen zu rechnen. Namentlich Methamphetamin gilt - bei einer geschätzten Jahresproduktion von 290 Tonnen - als die weltweit zweitpopulärste illegale Droge nach Cannabis, wenngleich es in Deutschland neben Amphetamin bislang nur eine untergeordnete Rolle spielt. Trotz der hohen Zahl der Konsumenten dieser Droge sind indes Todesfälle weltweit eher selten zu beobachten.
15
bb) Zu folgen ist dem Landgericht insoweit, als unterschiedliche Grenzwerte für (2S)- und (RS)-Methamphetamin auch bei Betrachtung der konkreten Wirkintensität nicht gerechtfertigt erscheinen. Wie der Sachverständige Prof. Dr. Da. dargelegt hat, erbrachten Tierversuche den Nachweis, dass Methamphetamin nach der körperlichen Aufnahme größtenteils zu Amphetamin metabolisiert, welches dann insbesondere im frontalen Cortex kumuliert. Danach ist zu vermuten, dass bei chronischem Missbrauch von Methamphetamin die Gesamtwirkung ohnehin wesentlich von der zentralen Wirkung des im Zentralnervensystem angereicherten Amphetamins bestimmt wird. Zwar dürfte, wie ebenfalls aus Tierversuchen abzuleiten ist, die Toxizität des (RS)- Methamphetamins nur etwa 30 bis 50 % derjenigen des (2S)- Methamphetamins betragen. Eine Studie an Konsumenten (Mendelson J. et al., Human Pharmacology of the Methamphetamine Stereoisomers, Clin Pharmacol Ther 80:403-420; 2006) zeigt jedoch auf, dass gleiche Dosen des Racemats und des (2S)-Methamphetamins insbesondere in Bezug auf das Herzkreislaufsystem vergleichbare pharmakodynamische Wirkungen hervorrufen; die entsprechende Dosis des (R)-Methamphetamins blieb demgegenüber wirkungslos. Als Ursache wird vermutet, dass das im Racemat vorhandene (R)- Methamphetamin die beschriebene Metabolisierung des Anteils an (2S)- Methamphetamin in (S)-Amphetamin fördert.
16
cc) Indes sieht der Senat nach Anhörung der Sachverständigen keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse, die es rechtfertigen könnten, den Grenzwert der nicht geringen Menge jedenfalls bei (RS)-Methamphetamin niedriger anzusetzen als bei (RS)-Amphetamin.
17
(1) Für die Gleichbehandlung von Amphetamin und Methamphetamin spricht zunächst die in den USA zu beobachtende weitgehend unterschiedslose medizinische Applikation beider Wirkstoffe. Unabhängig davon, ob Amphetamin oder Methamphetamin zur Anwendung kommt, beträgt die übliche Dosis 5 mg alle 4 bis 6 Stunden. Die Dosierung für die Langzeitbehandlung von Kindern mit ® ADHS ab 6 Jahren wird für Methamphetamin (Desoxyn ) mit 20 bis 25 mg pro ® Tag und für Amphetamin (ADDERALL XR ) mit maximal 30 mg pro Tag empfohlen.
18
(2) Unter Berücksichtigung des meist erheblich geringeren Körpergewichts von Kindern ergeben sich hieraus zugleich Bedenken dagegen, 20 bis 30 mg Methamphetamin im Falle missbräuchlicher Einnahme der Substanz bereits als eine die Bestimmung des Grenzwerts der nicht geringen Menge maßgeblich beeinflussende hohe Dosis anzusehen. Der Wirkstoffgehalt der in Deutschland bislang sichergestellten illegalen Methamphetamin-Tabletten beträgt demgegenüber durchschnittlich 25 bis 60 mg; in dieser Bandbreite bewegen sich nach bisherigen Erkenntnissen auch die Dosen, die schon Erstkonsumenten zum Erreichen des gewünschten Rauschzustandes einnehmen. In der medizinischen Fachliteratur werden Mengen zwischen 5 und 30 mg als niedrige , auch für die klinische Erprobung der Substanz am Menschen verwendete Dosen bezeichnet (Cruickshank et Dyer, A Review of the Clinical Pharmacology of Methamphetamine, Addiction 104:1085-1099, 1088; 2009). Hart et al. (Acute Physiological and Behavioral Effects of Intranasal Methamphetamine in Humans , Neuropsychopharmacology 33, 1847-1855, 1848 f; 2008) berichten über eine klinische Untersuchung der Wirkung von Methamphetamin auf den Menschen , bei der Einzeldosen von bis zu 50 mg/70 kg Körpergewicht verabreicht wurden; die aus Sicherheitsgründen festgelegte Höchstdosis betrug 60 mg.
19
(3) Auch sonst finden sich in der Fachliteratur keine Belege dafür, dass Methamphetamin im Vergleich zu Amphetamin einen höheren Wirkungsgrad und eine erhöhte Gefährlichkeit aufweist.
20
Die Überlegung, Methamphetamin verfüge auf Grund der veränderten chemischen Strukturen über eine verbesserte Lipophilie mit der Folge gesteigerter Bioverfügbarkeit und Wirkung, erweist sich letztlich nicht als tragfähig. Zwar stimmten beide vom Senat angehörten Sachverständigen darin überein, dass die weitere Methylgruppe des Methamphetamins dessen gegenüber Amphetamin gesteigerte Lipophilie aus organisch-chemischer Sicht geradezu aufdrängt. Die Aussagekraft der von Prof. Dr. Da. benannten experimentellen Studien, welche diese auf theoretischen Grundannahmen beruhende Erwartung nicht bestätigten, sondern für beide Substanzen ein annähernd gleiches Verteilungsvolumen - ca. 3,7 bis 4 l/kg - ergaben (Cook et al., Pharmacokinetiks of Methamphetamine self-administered to human subjects by smoking S-(+)- methamphetamine hydrochloride, Drug Metabolism Disposition 21:717-723; 1993; de la Torre et al., Clinical Pharmacokinetics of amfetamine and related substances, Clinical Pharmacokinetics 43:157-185; 2004), hat indes auch der Sachverständige Dr. D. , der den Wirkungsgrad von Methamphetamin bis zu zweimal höher einschätzt, nicht in Frage gestellt.
21
Ebenso wenig lässt sich eine erhöhte Gefährlichkeit von Methamphetamin überzeugend mit der bei dieser Substanz verbreiteten Konsumform des Rauchens begründen. Im Vergleich zur oralen Aufnahme kommt es hier - wie bei der intravenösen Applikation - zwar zu einem bis zu zehnfach schnelleren Wirkungseintritt, jedoch liegt die dadurch erreichbare maximale Wirkstoffkonzentration im Körper durchschnittlich um etwa die Hälfte niedriger (Cruickshank et Dyer aaO 1087). Gleichermaßen kann die Bioverfügbarkeit von Methamphetamin beim Rauchen belastbar lediglich mit 67 % der vom Konsumenten verwendeten Dosis angenommen werden; dieser Wert entspricht im Wesentlichen dem bei der oralen Aufnahme erzielten und liegt deutlich unter dem bei intranasaler Anwendung erreichbaren Wert (Cruickshank et Dyer aaO; Hart et al., Acute Physiological and Behavioral Effects of Intranasal Methamphetamine in Humans , Neuropsychopharmacology 33, 1847-1855, 1848; 2008). Im Übrigen dürfte auch die Annahme, bei Amphetamin scheide eine solche die Anflutung beschleunigende - und damit möglicherweise das Suchtverhalten beeinflussende - Konsumform mangels genügender Flüchtigkeit des Stoffes aus, in dieser Allgemeinheit nicht zutreffen. Jedenfalls bei Amphetaminhydrochlorid steht die Höhe des Siedepunkts dem Rauchen nicht entgegen (vgl. http://www.suchtmittel.de/info/amphetamin/000292.php). Aber auch beim Rauchen von Gemischen des Sulfatsalzes wurden im Kondensat teils nicht unerhebliche Wirkstoffkonzentrationen nachgewiesen (Pawlik et Mahler, Smoke analysis of adulterated illicit drug preparations, Toxichem Krimtech 78:200-210;

2011).


22
Schließlich ergeben sich auch Bedenken, die durch die einzelnen Konsumformen von Methamphetamin einerseits und Kokain andererseits erzielbaren Anflutungseffekte gleichzusetzen. Nach der Untersuchung von Hart et al. (aaO 1847, 1850 f.) erreichen bei intranasaler Aufnahme (der jedenfalls in den USA weitaus häufigsten Konsumform), intravenöser Verabreichung und Inhalieren (Rauchen) von Methamphetamin gleichermaßen sowohl die kardiovaskulären Wirkungen als auch das subjektive Rauschempfinden durchschnittlich innerhalb von 15 Minuten ihren Höhepunkt. Dies entspricht im Wesentlichen auch den Werten, welche die Studie von Fowler et al. (J Nucl Med 48:17241732 , 1729; 2007) zur Auswirkung intravenös verabreichten d- und l- Methamphetamins auf das Verhalten von Primaten ermittelt hat. Die von Fowler et al. darüber hinaus angestellten vergleichenden Untersuchungen mit Kokain ergaben demgegenüber einen Durchschnittswert von 4 Minuten (aaO 1729 f.).
23
(4) Der Senat sieht sich bei seinem Ergebnis im Einklang auch mit der Rechtslage in der Republik Österreich. Die Untergrenze der die einzelnen Begehungsweisen des unerlaubten Umgangs mit Suchtstoffen jeweils qualifizierenden tatbezogenen Menge, die geeignet ist, in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen (§§ 28b, 31b ÖstSMG), wird dort für Amphetamin und seine Derivate ohne weitere Differenzierung ebenfalls einheitlich bestimmt und bei 10 g der Reinsubstanz angesetzt (Anhang 3 zur ÖStSuchtgift-Grenzmengenverordnung; vgl. auch Oberster Gerichtshof , Urteil vom 20. Dezember 1995 - 13 Os 126/95 unter Verweis auf das Gutachten des Beirats zur Bekämpfung des Missbrauchs von Alkohol und anderen Suchtmitteln vom 10. Mai 1985 [abgedruckt in Foregger/Litzka, Suchtgiftgesetz , 2. Aufl., S. 105 ff.]).
24
In der Schweiz wird zwar bei der Bestimmung der Menge, welche die Gesundheit vieler Menschen in Gefahr bringen kann (Art. 19 Ziff. 2 Buchst. a SchwBetmG), nunmehr für Methamphetamin mit 12 g MethamphetaminHydrochlorid (= 9,68 g Base) ein noch schärferer Grenzwert vorgeschlagen als für Kokain (18 g; Stellungnahme der Schweizerischen Gesellschaft für Rechts- medizin vom Juni 2010 zur Gefährlichkeit von Methamphetamin). Dieser Vorschlag orientiert sich aber im Wesentlichen nur am Urteil des (deutschen) Bundesgerichtshofs vom 3. Dezember 2008 (2 StR 86/08, BGHSt 53, 89) und an der darin mitgeteilten Auffassung der angehörten Gutachter. Weiterreichende Forschungsergebnisse liegen ihm nicht zugrunde.
25
(5) Die vom Sachverständigen Dr. D. im Weiteren als Beleg für eine bessere Bioverfügbarkeit von Methamphetamin herangezogenen Veröffentlichungen sind für die zu treffende Entscheidung nicht ergiebig. Nichols (in: Cho et Segal, Amphetamine and its Analogs, 1994, S. 6) greift zwar die These auf, Methamphetamin weise fast die zweifache Potenz von Amphetamin auf, lässt aber wiederum nicht erkennen, worauf diese Annahme beruht. Die Abhandlung von Li et al. (Br J Clin Pharmacol 69: 187-192; 2010) enthält keine aussagekräftigen Hinweise auf eine höhere Bioverfügbarkeit von Methamphetamin im Vergleich zu Amphetamin, sondern befasst sich in erster Linie mit den Metaboliten, die in Abhängigkeit von der jeweiligen stereochemischen Beschaffenheit des verabreichten Methamphetamins beim Abbau typischerweise entstehen. Im Übrigen haben weder Hart et al. noch Fowler et al. in ihren oben angesprochenen Studien Vergleiche zwischen Methamphetamin und Amphetamin angestellt.
26
3. Ob danach für (2S)-Methamphetamin weiterhin der Auffassung gefolgt werden kann, es wirke bis zu zweimal stärker als Amphetamin (BGH, Urteil vom 3. Dezember 2008 - 2 StR 86/08, BGHSt 53, 89), kann offen bleiben, denn der Senat hat nur über den Grenzwert bei (RS)-Methamphetamin zu entscheiden.
Becker Pfister von Lienen Mayer Menges

(1) Wer bei Begehung der Tat einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört, handelt nicht vorsätzlich. Die Strafbarkeit wegen fahrlässiger Begehung bleibt unberührt.

(2) Wer bei Begehung der Tat irrig Umstände annimmt, welche den Tatbestand eines milderen Gesetzes verwirklichen würden, kann wegen vorsätzlicher Begehung nur nach dem milderen Gesetz bestraft werden.

Fehlt dem Täter bei Begehung der Tat die Einsicht, Unrecht zu tun, so handelt er ohne Schuld, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte. Konnte der Täter den Irrtum vermeiden, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat,
2.
im Falle des § 29a Abs. 1 Nr. 1 gewerbsmäßig handelt,
3.
Betäubungsmittel abgibt, einem anderen verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt und dadurch leichtfertig dessen Tod verursacht oder
4.
Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt einführt.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 39/16
vom
25. Februar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
ECLI:DE:BGH:2016:250216B2STR39.16.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts , zu 3. auf dessen Antrag, und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 25. Februar 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 9. Oktober 2015
a) im Schuldspruch dahin neu gefasst, dass der Angeklagte des bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist,
b) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten nach einer Verfahrensbeschrän1 kung wegen „unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht gerin- ger Menge, wobei er sonstige Gegenstände mit sich führte, die ihrer Art nach
zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind,“ zu einer Freiheits- strafe von zwei Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten, bei der die Nichtanordnung einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt vom Rechtsmittelangriff ausgenommen wurde. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.

I.

Nach den Feststellungen des Landgerichts versuchte der Angeklagte
2
am 21. November 2014 eine Teilmenge von 200 g aus einem im Übrigen für den Eigenkonsum bestimmten Vorrat von 385,15 g Amphetamingemisch mit einem Gesamtwirkstoffgehalt von 49,1 g Amphetaminbase an einen unbekannten Abnehmer zu verkaufen. Dabei führte er zwei Dolche, ein Jagdmesser, ein Bajonett und eine Machete sowie einen nicht funktionstüchtigen Revolver mit sich, die er an eine andere Person verkaufen wollte. Bei der Strafzumessung ist das Landgericht vom Vorliegen eines min3 der schweren Falls im Sinne von § 30a Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 BtMG ausgegangen. Dabei und bei der Strafzumessung im engeren Sinne hat es zulasten des Angeklagten gewertet, dass sich das Handeltreiben auf Amphetamin be- zog, welches „rund das 2,5-fache der nicht geringen Menge“ umfasste. Ferner hat es ihm angelastet, dass „er während des laufenden Verfahrens weiter – wenn auch reduziert – Betäubungsmittel konsumiert hat.“

II.

1. Die Revision des Angeklagten ist unbegründet, soweit sie sich gegen
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den Schuldspruch richtet. Dieser ist zur Klarstellung neu zu fassen (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2010 – 3 StR 353/10). 2. Die Strafzumessungsentscheidung des Landgerichts begegnet
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durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
a) Eine geringe Überschreitung der Untergrenze zur nicht geringen
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Menge ist ein Strafmilderungsgrund (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juli 2012 – 2 StR166/12, BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 39). Das Zweieinhalbfache der nicht geringen Menge an Betäubungsmitteln ist auch noch derart gering, dass dies jedenfalls nicht als bestimmender Strafschärfungsgrund gewertet werden kann.
b) Die weitere Bemerkung des Landgerichts, dass auch die Fortsetzung
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des Betäubungsmittelkonsums als Strafschärfungsgrund bewertet wurde, ist ebenfalls rechtsfehlerhaft. Nach den Feststellungen „raucht der Angeklagte gelegentlich Joints und konsumierte jedenfalls zweimal Amphetamin“, seit er aus der Untersuchungshaft wegen der vorliegenden Tat entlassen wurde. Um den Marihuanakonsum zu vermeiden, nimmt er zudem Beruhigungsmittel. Bei dieser Sachlage ist der für sich genommen straflose Eigenkonsum von (zuletzt nur noch weichen) Drogen als Nachtatverhalten kein bestimmender Strafschär- fungsgrund. Die Urteilsgründe lassen auch nicht erkennen, aus welchem strafzumessungsrechtlichen Gesichtspunkt – der Schuld (§ 46 Abs. 1 Satz 1), der Spezialprävention (§ 46 Abs. 1 Satz 2 StGB) oder der Generalprävention – das Landgericht diesen Aspekt hervorgehoben hat. Fischer Appl Eschelbach Ott Zeng

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 476/15
vom
30. Juni 2016
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:300616B2STR476.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 30. Juni 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gießen vom 24. Juni 2015 im Schuldspruch berichtigt, dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen schuldig ist. 2. Die Einzelstrafaussprüche in den Fällen II.1-4 der Urteilsgründe sowie die Gesamtstrafe und die Verfallsentscheidung werden aufgehoben; der Einzelstrafausspruch im Fall II.1 der Urteilsgründe entfällt. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 4. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen unter Einbeziehung von Einzelstrafen aus einer anderen Entscheidung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt und eine Anordnung über Wertersatzverfall getroffen. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge in dem aus dem Tenor befindlichen Antrag Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet.
2
1. Nach den Feststellungen zu den Taten II.1 und II.2/3 hatte der Angeklagte zum einen zwischen Juli und September 2013 ca. 100 g Kokain und zum anderen im Februar 2014 500 g bzw. 3 kg Marihuana erworben und in der Folge in mehreren Einzelakten an Abnehmer gewinnbringend weiterverkauft. Dieses Verhalten hat das Landgericht als drei zueinander in Tatmehrheit stehende Bewertungseinheiten angesehen.
3
Die Annahme von Tatmehrheit ist zwar insofern nicht zu beanstanden, als der Besitz verschiedener von vornherein zu unterschiedlichem Handel bestimmter Betäubungsmittel, die niemals zu einem Depot verbunden worden sind, nicht bereits aufgrund zeitlicher Überschneidung eine Bewertungseinheit zu begründen vermag (vgl. BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 9). Das Landgericht hat aber die bestehende Besonderheit übersehen, dass der Angeklagte am 29. Juli 2014 an einen nicht offen ermittelnden Polizeibeamten im Rahmen eines Geschäfts gleichzeitig Kokain aus dem ersten Geschäft und Marihuana aus dem zweiten oder dritten Geschäft verkauft hat. Wegen der damit gegebenen Identität der tatbestandlichen Ausführungshandlung bestand somit zwischen den Taten II.1 und II.2 oder II.3 richtigerweise Tateinheit (vgl. BGH, Beschluss vom 25. März 1998 - 1 StR 80/98). Dies führt zum Entfallen einer Straftat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.
4
Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil nicht ersichtlich ist, wie der Angeklagte sich hätte anders verteidigen können.
5
2. a) Die Änderung des Schuldspruchs führt zum Wegfall der Einzelstrafe im Fall II.1 der Urteilsgründe. Die an sich beanstandungsfreien Einzelstrafen in den Fällen II.2 und II.3 der Urteilsgründe sind aufzuheben und müssen unter Berücksichtigung des Tatunrechts aus dem Fall II.1 der Urteilsgründe, das entweder zum Fall II.2 oder Fall II.3 der Urteilsgründe gehört, neu bemessen werden.
6
Das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 StPO) steht einer höheren als der bisherigen Einzelstrafe nicht grundsätzlich entgegen. Eine vom Landgericht als selbständig erachtete Tat ist als solche entfallen (mit der zugehörigen Einzelstrafe); sie ist jetzt mit einer anderen Tat zur Tateinheit verbunden. Der Unrechtsgehalt dieser nun zur Tateinheit zusammen gefassten Tat ist damit erhöht. Das Verschlechterungsverbot, welches grundsätzlich auch für Einzelstrafen gilt, gebietet bei dieser Sachlage deshalb nur, dass die Summe der jeweils betroffenen bisherigen Einzelstrafen bei der Bemessung der jeweils neu festzusetzenden Einzelstrafe nicht überschritten wird. Überdies darf auch die neue Gesamtstrafe nicht höher als bisher ausfallen (vgl. BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 3, 7).
7
b) Die Strafzumessungsentscheidung des Landgerichts im Fall II.4 der Urteilsgründe begegnet rechtlichen Bedenken.
8
Eine geringe Unterschreitung der Untergrenze zur nicht geringen Menge ist ein Strafmilderungsgrund. Das 2,6-fache der nicht geringen Menge an Betäubungsmitteln ist auch noch derart gering, dass dies jedenfalls nicht als bestimmender Strafschärfungsgrund gewertet werden kann (BGH NStZ-RR 2016, 141).
9
c) Die Aufhebung der Einzelstrafen entzieht der Gesamtstrafe ihre Grundlage.
10
3. Die Entscheidung über die Anordnung von Wertersatzverfall hat keinen Bestand. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift im Einzelnen dargelegt hat, hätte die Strafkammer die Voraussetzungen des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB erörtern und bei deren Vorliegen das ihr nach dieser Vorschrift eingeräumte Ermessen ausüben müssen. Fischer Krehl Eschelbach Zeng RinBGH Dr. Bartel ist wegen Urlaubs verhindert. Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 41/16
vom
27. September 2016
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter bewaffneter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:270916B2STR41.16.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 27. September 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gera vom 28. Oktober 2015 im Einzelstrafausspruch im Fall II.2 der Urteilsgründe sowie im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen bewaffneter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, Besitz sowie Abgabe von Betäubungsmitteln unter Einbeziehung von zwei in früheren Urteilen verhängten Einzelstrafen (20 Tagessätze zu je 40 Euro sowie Freiheitsstrafe von drei Monaten ) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die auf die Verurteilung in den Fällen II.2 und 4 der Urteilsgründe, den Gesamtstrafen- ausspruch und die Unterbringungsanordnung beschränkte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg ; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet.
2
1. Während die Schuldsprüche und die Maßregelanordnung keine Rechtsfehler aufweisen, ist die Einzelstrafe im Fall II.2 der Urteilsgründe rechtsfehlerhaft zugemessen. Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte in Tschechien 14,56 Gramm Methamfetamin (Crystal) mit einem Wirkstoffanteil von 10,63 Gramm Methamfetaminbase zum Eigengebrauch erworben und in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt.
3
Im Rahmen der Strafzumessung hat die Strafkammer die Annahme eines minder schweren Falles nach § 30 Abs. 2 BtMG u.a. mit der Erwägung abgelehnt, zu Lasten des Angeklagten wirke sich aus, dass die Wirkstoffmenge den Grenzwert der nicht geringen Menge um das Zweifache überschritten habe. Dies begegnet rechtlichen Bedenken. Bereits wiederholt hat der Senat entschieden , dass eine geringe Überschreitung der Untergrenze zur nicht geringen Menge ein Strafmilderungsgrund ist. Das Zweifache der nicht geringen Menge an Betäubungsmitteln ist auch noch derart gering, dass dies jedenfalls nicht als bestimmender Strafschärfungsgrund gewertet werden kann (vgl. für das 2,5-fache Senatsbeschluss vom 25. Februar 2016 - 2 StR 39/16, NStZ-RR 2016, 141 sowie für das 2,6-fache Senatsbeschluss vom 30. Juni 2016 - 2 StR 476/15).
4
2. Die Aufhebung der Einsatzstrafe entzieht der Gesamtfreiheitsstrafe ihre Grundlage.
5
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass es sich bei der Sicherstellung des eingeführten Rauschgifts einerseits und bei den Vorstrafen des Angeklagten sowie der Gefährlichkeit von Crystal andererseits um Umstände handelt, die bereits bei Prüfung des minder schweren Falles und nicht erst ausschließlich bei der Strafzumessung im engeren Sinne Berücksichtigung finden müssen. Zudem ist, wenn frühere Einzelstrafen in eine zu bildende Gesamtfreiheitsstrafe einbezogen werden, deren Vollstreckungsstand mitzuteilen.
Fischer Appl Krehl
Eschelbach Bartel

Fehlt dem Täter bei Begehung der Tat die Einsicht, Unrecht zu tun, so handelt er ohne Schuld, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte. Konnte der Täter den Irrtum vermeiden, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft,
2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt,
3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein,
4.
(weggefallen)
5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt,
6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel
a)
verschreibt,
b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt,
6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht,
7.
entgegen § 13 Absatz 2
a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke,
b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
abgibt,
8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt,
9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen,
10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet,
11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt,
12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind,
13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt,
14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
Die Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Betäubungsmittelabhängige und die öffentliche Information darüber sind kein Verschaffen und kein öffentliches Mitteilen einer Gelegenheit zum Verbrauch nach Satz 1 Nr. 11.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt,
2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.

(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.

(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.

(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.

(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 595/15
vom
12. Juli 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Geldwäsche u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:120716U1STR595.15.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Juli 2016, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Jäger, Prof. Dr. Radtke, Prof. Dr. Mosbacher, Dr. Bär,
Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger,
Justizangestellte – in der Verhandlung –, Justizangestellte – bei der Verkündung – als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 5. März 2015 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit die Angeklagte vom Vorwurf der Geldwäsche freigesprochen worden ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte vom Vorwurf der Geldwäsche in 232 Fällen und der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei in drei Fällen aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer zuungunsten der Angeklagten eingelegten und auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das vom Generalbundesanwalt nur hinsichtlich des Freispruchs vom Vorwurf der Geldwäsche vertretene Rechtsmittel hat insoweit Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet.

I.

2
1. Die zugelassene Anklage legt der Angeklagten folgende Taten zur Last:
3
a) Sie habe sich als Angehörige einer aus mehreren Personen bestehenden Zigarettenhändlergruppierung spätestens im Januar 2006 bereit erklärt, gewerbsmäßig Gewinne aus dem Handel mit unversteuerten Zigaretten über Bankkonten in den legalen Geldkreislauf einzuschleusen.
4
Im Zeitraum vom 4. März 2008 bis zum 30. September 2011 habe die Angeklagte jeweils Geldbeträge von 15 Euro bis zu 35.000 Euro, insgesamt 379.638,35 Euro, auf ihre Girokonten und Sparkonten bei der Sparkasse S. und der Postbank eingezahlt. Die Geldbeträge seien ihr zuvor von in ihrem Auftrag handelnden Straßenhändlern oder von anderen unbekannten Mitgliedern der Gruppierung übergeben worden. Von den Konten habe die Angeklagte in den Jahren 2008 bis 2011 zudem Beträge in Höhe von insgesamt 317.055,10 Euro in bar abgehoben, die sie entweder an Gruppenmitglieder ausgereicht, für den Ankauf von Zigaretten verwendet oder nach Vietnam verbracht habe.
5
b) Die Angeklagte habe es darüber hinaus innerhalb der Tätergruppe übernommen, gewerbsmäßig vietnamesische Straßenhändler mit illegal in das Bundesgebiet verbrachten Zigaretten zu beliefern. Zu diesem Zweck habe sie in folgenden drei Fällen unversteuerte und unverzollte Zigaretten von unbekannten Tätern entgegengenommen und an vietnamesische Straßenhändler weiterveräußert:
6
Anfang Oktober 2011 habe sie 127 Stangen solcher Zigaretten, die sie zuvor von einem unbekannten Täter erhalten habe, mit ihrem PKW nach N.
in C. gefahren und an den zwischenzeitlich verstorbenen Straßenhändler V. für einen Preis von 17 Euro je Stange Zigarette veräußert. Bereits bei der Übergabe habe sie eine Anzahlung auf den Kaufpreis von 500 Euro entgegengenommen; der Restbetrag sei innerhalb von zwei Tagen an die Angeklagte zu zahlen gewesen.
7
Kurz danach im Oktober 2011 habe eine unbekannte Person namens „H. “ im Auftrag der Angeklagten 50 Stangen unversteuerte und unverzollte Zigaretten auf einem Parkplatz in der Nähe der Stadthalle in C. einem namentlich nicht bekannten Straßenhändler übergeben. Den hierfür vereinbarten Kaufpreis von 850 Euro habe dieser Straßenhändler zu einem späteren Zeitpunkt persönlich an die Angeklagte in der von ihr betriebenen Imbissgaststätte bezahlt.
8
Schließlich habe die Angeklagte im September 2012 auf einem Parkplatz in C. 200 Stangen unversteuerte und unverzollte Zigaretten an den Straßenhändler V. geliefert. Der Erwerber habe von dem hierfür vereinbarten Kaufpreis von 3.300 Euro gegenüber der Angeklagten unmittelbar einen Betrag von 1.400 Euro angezahlt.
9
2. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
10
Die Angeklagte betrieb von Dezember 2009 bis Ende 2011 als Einzelunternehmerin eine Imbissgaststätte. Nach ihren Steuererklärungen und den Aus- künften der Sozialbehörden erzielte sie in den Jahren 2007 bis 2011 „Legaleinkünfte“ von insgesamt 94.737,85 Euro. Sie nutzte zwei Girokonten und sieben Sparkonten. Auf diese Konten zahlte sie im Zeitraum von März 2008 bis September 2011 in 232 Fällen Beträge in einer Gesamtsumme von 365.638,37 Euro ein. Diesen Einzahlungen standen in den Jahren 2008 bis 2011 insgesamt 92 Barauszahlungen in einer Gesamthöhe von 331.696,10 Euro und eine Überweisung nach Vietnam zu Gunsten ihres Ehemanns von 14.780 Euro gegenüber. In den Summen der Ein- und Auszahlungen sind Beträge in einer Gesamtsumme von 113.000 Euro enthalten, die zeitnah nach Abhebung auf ein anderes Konto wieder eingezahlt wurden. Mit Ausnahme einer Einzahlung von 300 Euro auf ein Girokonto am 4. März 2008 wurden während urlaubsbedingter Abwesenheit der Angeklagten auf ihren Konten keine Ein- oder Auszahlungen vorgenommen.
11
In dem von der Anklage erfassten Zeitraum hatte die Angeklagte Kontakte zur vietnamesischen Straßenhändlerszene für unversteuerte und unverzollte Zigaretten in C. . Sie beherbergte in ihrer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus teilweise bis zu zehn Personen vietnamesischer Herkunft. Bei Observationen im Jahr 2009 beobachtete die Zollfahndung, wie drei Personen vietnamesischer Abstammung mehrfach dieses Haus betraten und mit Rucksäcken wieder verließen. Sie wurden später wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei (§ 374 Abs. 2 AO) bzw. Steuerhehlerei (§ 374 Abs. 1 AO) verurteilt. Einer dieser Straßenhändler trug bei seiner Festnahme eine auf den Namen der Angeklagten ausgestellte EC-Karte bei sich. Im Oktober 2009 beobachtete die Zollfahndung , dass zwei Kartons mit insgesamt 10.600 unversteuerten Zigaretten vor diesem Haus an Vietnamesen übergeben und anschließend in den Keller des Hauses verbracht wurden.
12
Bei einer Durchsuchung im Juni 2013 wurden in der Wohnung der Angeklagten mehrere Personen vietnamesischer Herkunft angetroffen. Die Ermittlungsbeamten des Zolls fanden dort auch ein von der Angeklagten genutztes Mobiltelefon. Auf diesem befanden sich einzelne Kurzmitteilungen aus den Monaten November und Dezember 2012 sowie Mai und Juni 2013, die mit einem polnischen Anschluss gewechselt worden waren und Absprachen zum Ankauf von Zigaretten enthielten.
13
Ende Januar 2013 wurde durch einen Zollbeamten ein dem Gericht un- bekannter und als Vertrauensperson „K. “ bezeichneter männlicher Infor- mant vernommen, der mit der C. Zigarettenhändlerszene in Kontakt stand. Dieser Informant, dem Vertraulichkeit zugesichert worden war, bezeichnete die Angeklagte als langjährige Chefin einer C. Zigarettenhändlergruppierung , die den Ankauf der Zigaretten und die Abgabe an die Straßenhändler organisiere. Einige dieser Händler lebten gemeinsam mit der Angeklagten in deren damaliger Wohnung. Die Gewinne lasse sie über vietnamesische Kuriere nach Vietnam bringen. Die Vertrauensperson „K. “ berichtete dem Zollbeamten von drei ihm bekannten Zigarettenübergaben an Straßenhändler. Er teilte aber nicht mit, was er bezüglich der Übergabe von Zigaretten und Geld selbst wahrgenommen habe.
14
3. Das Landgericht hat die Angeklagte vom Vorwurf der Geldwäsche (§ 261 StGB) und der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei (§ 374 Abs. 2 AO) aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.
15
a) Es konnte sich nicht zweifelsfrei davon überzeugen, bei welchen der festgestellten 232 Einzahlungen – und gegebenenfalls in welchem Anteil – die in bar eingezahlten Gelder aus einer Katalogtat der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei stammten. Möglich sei, dass zumindest Anteile, aber auch ganze Einzahlungen , aus anderen Quellen stammten. Zumindest für die Zeit nach der Eröffnung der Imbissgaststätte liege nicht fern, dass auch Bareinnahmen dieser Gaststätte von der Angeklagten eingezahlt worden seien. Auch zur Schätzung eines „Mindestanteils“ von Einzahlungen aus gewerbsmäßiger Steuerhehlerei sah sich das Landgericht nicht in der Lage. Zudem sei nicht festgestellt worden, dass die Angeklagte von anderen Personen Gelder erhalten habe, um sie „zu waschen“. Schließlich ist das Landgerichtder Auffassung, dass, soweit in den Bareinzahlungen Geldbeträge aus dem gewerbsmäßigen An- und Verkauf un- versteuerter und unverzollter Zigaretten enthalten gewesen seien, die Angeklagte selbst Täterin dieser Vortaten gewesen und daher gemäß § 261 Abs. 9 Satz 2 StGB nicht zu bestrafen sei (UA S. 4, 36).
16
b) Von der Begehung der drei Taten der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei , deren die Vertrauensperson „K. “ die Angeklagte bezichtigte, konnte sich die Strafkammer ebenfalls keine ausreichende Überzeugung verschaffen (UA S. 34). Zwar liege es nahe, dass die Angeklagte ihren Lebensunterhalt jedenfalls zum Teil mit dem Zigarettenhandel bestritten habe (UA S. 4). Denn alle bekannten Umstände sprächen dafür, dass die Angeklagte auf eigene Rechnung gehandelt habe und, soweit sie Einnahmen aus dem An- und Verkauf von Zigaretten erzielt habe, selbst Täterin einer gewerbsmäßigen Steuerhehlerei gewesen sei. Angesichts der besonderen Beweissituation bei der mittelbaren Vernehmung einer Vertrauensperson reichten der Strafkammer die als lückenhaft angesehenen Angaben des dem Gericht unbekannten Informanten für eine Überzeugung von der Begehung konkret feststellbarer Taten gleichwohl nicht aus.

II.


17
Hinsichtlich des Freispruchs vom Vorwurf der Geldwäsche hat die Revision der Staatsanwaltschaft mit der Sachrüge Erfolg.
18
1. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit Recht, dass das Landgericht bezogen auf den Tatvorwurf der Geldwäsche gegen die ihm obliegende Kognitionspflicht verstoßen hat. Diese Pflicht verlangt vom Tatrichter, das von der Anklage erfasste Tatgeschehen unter allen tatsächlichen und strafrechtlichen Gesichtspunkten zu würdigen. Daran fehlt es hier.
19
a) Die Tat als Gegenstand der Urteilsfindung (§ 264 Abs. 1 StPO) ist der geschichtliche Vorgang, auf den Anklage und Eröffnungsbeschluss hinweisen und innerhalb dessen die Angeklagte einen Straftatbestand verwirklicht haben soll. Hierbei handelt es sich um einen eigenständigen Begriff; er ist weiter als derjenige der Handlung im Sinne des sachlichen Rechts. Zur Tat im prozessualen Sinn gehört – unabhängig davon, ob Tateinheit (§ 52 StGB) oder Tatmehrheit (§ 53 StGB) vorliegt – das gesamte Verhalten des Täters, soweit es nach der Auffassung des Lebens einen einheitlichen Vorgang darstellt. Somit umfasst der Lebensvorgang, aus dem die zugelassene Anklage einen strafrechtlichen Vorwurf herleitet, alle damit zusammenhängenden und darauf bezüglichen Vorkommnisse, selbst wenn diese Umstände in der Anklageschrift nicht ausdrücklich erwähnt sind. Bei der Beurteilung des Tatumfangs kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an. Entscheidend ist, ob zwischen den in Betracht kommenden Verhaltensweisen – unter Berücksichtigung ihrer strafrechtlichen Bedeutung – ein enger sachlicher Zusammenhang besteht; selbst zeitliches Zusammentreffen der einzelnen Handlungen ist weder erforderlich noch ausreichend (vgl. BGH, Urteil vom 7. Februar 2012 – 1 StR 542/11, NStZRR 2012, 355 mwN).
20
b) Ausgehend von diesen Maßstäben hält der Freispruch vom Vorwurf der Geldwäsche rechtlicher Nachprüfung nicht stand; denn das Landgericht hat das von der Anklage erfasste Tatgeschehen rechtsfehlerhaft nur unvollständig gewürdigt.
21
aa) Das Landgericht hat lediglich die in der Anklageschrift näher bezeichneten 232 Einzahlungen der Angeklagten auf eigene Konten in den Blick genommen. Dabei ist es nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ davon ausge- gangen, dass es schon an einem tauglichen Tatobjekt einer Geldwäsche gemäß § 261 StGB fehle, weil nicht zweifelsfrei festgestellt werden könne, bei welchen der in den Urteilsgründen festgestellten 232 Einzahlungen tatsächlich Gelder aus Katalogtaten der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei (§ 261 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StGB i.V.m. § 374 Abs. 2 AO) stammten (UA S. 32).
22
bb) Von der Anklage waren jedoch auch die Nutzung dieser Konten durch die Angeklagte, um die aus solchen Katalogtaten stammenden Erlöse verfügbar zu behalten, sowie von ihr von diesen Konten vorgenommene Abhebungen und Überweisungen erfasst. In solchen Handlungen, die das Landgericht ausdrücklich festgestellt hat (UA S. 7 ff.), konnte ein Verwahren oder Verwenden (§ 261 Abs. 2 Nr. 2 StGB) eines für eine Geldwäsche tauglichen Gegenstands im Sinne des § 261 Abs. 1 Satz 2 StGB liegen. Das Landgericht hätte daher auch diese Handlungen auf ihre strafrechtliche Relevanz hin überprüfen müssen.
23
(1) „Verwahren“ im Sinne von § 261Abs. 2 Nr. 2 StGB bedeutet, einen geldwäschetauglichen Gegenstand in Gewahrsam zu nehmen oder zu halten, um ihn für einen Dritten oder für eigene spätere Verwendung zu erhalten (vgl. Eschelbach in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 261 StGB Rn. 53; Ruhmannseder in BeckOK-StGB [Stand: 1. Juni 2016] § 261 Rn. 32; jeweils mwN; vgl. auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 10. März 2005 – 2 Ws 66/04, NJW 2005, 1727, 1733). Darunter ist bei Sachen die bewusste Ausübung der tatsächlichen Sachherrschaft zu verstehen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Januar 2012 – 5 StR 461/11, NStZ 2012, 321; BGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 – VIII ZR 302/11, NJW 2013, 1158). Taugliche Tatobjekte der Geldwäsche sind aber nicht nur Sachen, sondern alle Vermögensgegenstände , also auch Forderungen und sonstige Rechte (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 – VIII ZR 302/11, NJW 2013, 1158; Stree/Hecker in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 261 Rn. 4). Für das Verwahren von Forderungen (Buchgeld) kommt es dabei darauf an, ob der Täter eine der unmit- telbaren Sachherrschaft entsprechende tatsächliche Verfügungsgewalt über die Forderung hat (BGH aaO NJW 2013, 1158). Bei Konten genügt hierfür das alleinige Recht des Kontoinhabers, über das Geld zu verfügen (vgl. Neuheuser, NStZ 2008, 492, 496 mwN; ders. in MüKo-StGB, 2. Aufl., § 261 Rn. 69).
24
Unter das Tatbestandsmerkmal „Verwenden“ fällt jeder bestimmungs- gemäße Gebrauch des inkriminierten Gegenstandes (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Mai 2015 – 1 StR 33/15, NZWiSt 2016, 157, 158; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 261 Rn. 26; Neuheuser aaO; Ruhmannseder aaO Rn. 33). Erfasst werden daher bei Bargeld oder Buchgeld Geldgeschäfte aller Art (vgl. BT-Drucks. 12/989 S. 27; Eschelbach in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht , § 261 StGB Rn. 53 mwN), bei Konten mithin auch Verfügungen über das jeweilige Guthaben auf dem Konto in Gestalt des Tätigens von Überweisungen (vgl. BGH aaO, NZWiSt 2016, 157, 158).
25
(2) Ausgehend von den vom Landgericht getroffenen Feststellungen stellten die Kontoguthaben der Angeklagten jeweils in Gänze einen tauglichen Gegenstand für eine Geldwäsche durch Verwahren oder Verwenden (§ 261 Abs. 2 Nr. 2 StGB) dar. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird die Geldwäschetauglichkeit eines Gegenstandes nicht dadurch aufgehoben , dass er mit legalen Finanzmitteln vermengt oder vermischt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Mai 2015 – 1 StR 33/15, NZWiSt 2016, 157). Damit ist das nach den Urteilsfeststellungen jedenfalls zum Teil aus Katalogtaten der Geldwäsche (§ 261 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StGB) und im Übrigen aus legalen Quellen stammende Buchgeld insgesamt ein aus Straftaten nach § 261 Abs. 1 Satz 2 StGB herrührender und damit geldwäschetauglicher Gegenstand. In Fällen der Vermischung ist dies lediglich dann nicht der Fall, wenn der aus Vortaten herrührende Anteil bei wirtschaftlicher Betrachtung völlig unerheblich ist (vgl. BGH aaO).
26
(3) Die Nutzung der eigenen Konten für die aus Katalogtaten stammenden Geldbeträge sowie die vorgenommenen Abhebungen und Überweisungen kommen bei der Angeklagten als Tathandlungen einer Geldwäsche in Betracht. Denn wer einen Gegenstand, der aus einer Katalogtat im Sinne von § 261 Abs. 1 Satz 2 StGB herrührt, mindestens vorübergehend auf seinem Konto belässt , verwahrt ihn im Sinne von § 261 Abs. 2 Nr. 2 StGB (vgl. Neuheuser, NStZ 2008, 492, 496). Bei Auszahlungen setzt sich das Verwahren an dem abgehobenen Geldbetrag, an dem der Kontoinhaber Sachherrschaft hat, fort. Vorge- nommene Überweisungen können die Tatbestandsvariante des „Verwendens“ erfüllen (vgl. Neuheuser aaO mwN). Rechtlich sind diese Handlungen als natürliche Handlungseinheit zu werten (vgl. Neuheuser aaO).
27
2. Das Urteil beruht auch auf der Verletzung der Kognitionspflicht durch das Tatgericht. Denn entgegen der Auffassung des Landgerichts stünde auch der persönliche Strafausschließungsgrund der Beteiligung an der Vortat gemäß § 261 Abs. 9 Satz 2 StGB einer Verurteilung der Angeklagten wegen Geldwäsche nicht entgegen.
28
Mit Streichung des Zusatzes „eines anderen“ als einschränkendem Er- fordernis für eine Vortat hat der Gesetzgeber im Jahr 1998 den Tatbestand der Geldwäsche gemäß § 261 StGB so geändert (Art. 1 Nr. 2 und 5 des Gesetzes zur Verbesserung der Organisierten Kriminalität vom 4. Mai 1998, BGBl. I S. 845), dass er auch Handlungen der Geldwäsche erfasst, die der Selbstbegünstigung dienen. Um in Fällen, in denen sowohl die Vortat als auch die nachfolgende Geldwäschehandlung nachgewiesen werden kann, eine Doppelbestrafung zu vermeiden, hat der Gesetzgeber gleichzeitig in § 261 Abs. 9 Satz 2 StGB einen persönlichen Strafausschließungsgrund für die Strafbarkeit wegen Geldwäsche geschaffen, der auf dem Gedanken der mitbestraften Nachtat beruht (BT-Drucks. 13/8651 S. 11; vgl. dazu Neuheuser, NZWiSt 2016, 265). Die- ser Strafausschließungsgrund greift jedoch nur dann ein, wenn die Beteiligung an der Vortat sicher festgestellt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 26. August 2005 – 2 StR 225/05, BGHSt 50, 224, 230). Daran fehlt es, wenn – wiehier – das Tatgericht zwar vom Vorliegen einer Vortat ausgeht, diese sich aber nicht hinreichend konkretisieren lässt und der Täter deshalb insoweit nicht verurteilt werden kann (vgl. auch Eschelbach in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 261 StGB Rn. 73; Neuheuser in MüKo-StGB, 2. Aufl., § 261 Rn. 112). Denn auch dann droht dem Täter keine Doppelbestrafung wegen Beteiligung an der Vortat und anschließender Geldwäsche zur Selbstbegünstigung.
29
3. Die Sache bedarf daher hinsichtlich des Tatvorwurfs der Geldwäsche neuer Verhandlung und Entscheidung.
30
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass eine Bestrafung nach dem Auffangtatbestand (vgl. BT-Drucks.12/3533 S. 13) des § 261 Abs. 2 StGB nur dann in Betracht kommt, wenn und soweit eine – etwa wegen Gefährdung der Sicherstellung des inkriminierten Gegenstandes (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 10. März 2005 – 2 Ws 66/04, NJW 2005, 1727, 1733) in Betracht kommende – Verurteilung gemäß § 261 Abs. 1 StGB nicht erfolgen kann. Soweit aber, etwa durch Vermischung inkriminierter Geldbeträge mit „legalen“ Geldmit- teln, ein neuer Gegenstand entstanden ist, der aus einer Katalogtat im Sinne von § 261 Abs. 1 Satz 2 StGB herrührt und nicht von den Tatbestandsvarianten des § 261 Abs. 1 Satz 1 StGB erfasst wird, besteht dieser Vorrang nicht. Der neue Tatrichter wird daher aufgrund der neu zu treffenden Feststellungen gegebenenfalls sowohl die Tatbestandsvarianten aus Absatz 1 als auch die aus Absatz 2 des § 261 StGB in den Blick zu nehmen haben.

III.

31
Der Freispruch vom Vorwurf der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei (§ 374 Abs. 2 AO) in drei Fällen aus tatsächlichen Gründen hält rechtlicher Nachprüfung stand. Die Beweiswürdigung ist insoweit rechtsfehlerfrei.
32
a) Das Revisionsgericht muss es grundsätzlich hinnehmen, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an dessen Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Vielmehr hat es die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung nähergelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2015 – 5 StR 521/14, NStZ-RR 2015, 178). Dem Tatrichter obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148 mwN). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 11. November 2015 – 1 StR 235/15, wistra 2016, 78; vom 1. Juli 2008 – 1 StR 654/07 und vom 23. Juli 2008 – 2 StR 150/08, wistra 2008, 398; jeweils mwN).
33
Voraussetzung für die Überzeugung des Tatrichters von einem bestimmten Sachverhalt ist nicht eine absolute, das Gegenteil ausschließende Gewiss- heit. Vielmehr genügt ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige Zweifel nicht aufkommen lässt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 29. Oktober 2009 – 4 StR 368/09, NStZ 2010, 292). Dabei ist der Tatrichter gehalten, sich mit den von ihm festgestellten Tatsachen unter allen für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkten auseinanderzusetzen, wenn sie geeignet sind, das Beweisergebnis zu beeinflussen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148 mwN).
34
b) Ausgehend von diesen Maßstäben hält die Beweiswürdigung betreffend die der Angeklagten in der Anklageschrift zur Last gelegten Taten der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei rechtlicher Nachprüfung stand.
35
Insbesondere hat das Landgericht beachtet, dass Feststellungen nur dann auf die Angaben einer Vertrauensperson gestützt werden können, wenn diese durch andere wichtige Beweisanzeichen gestützt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Juni 1996 – 5 StR 220/96, StV 1996, 583). Es hat dabei nicht verkannt, dass zahlreiche Beweisanzeichen für eine Tatbegehung durch die Angeklagte sprechen. Dies hat es jedoch aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls nicht als ausreichend gewichtige Bestätigung angesehen (UA S. 35). Aus rechtlichen Gründen ist dies nicht zu beanstanden; denn das Landgericht hat seine Wertung nachvollziehbar und ohne Lücken begründet. Es durfte entscheidend darauf abstellen, dass eine konfrontative Befragung der Vertrauensperson nicht möglich war, lediglich wenige Umstände zum Zustandekommen der Vernehmung der Vertrauensperson durch den ermittelnden Zollbeamten bekannt waren, die Vertrauensperson möglicherweise selbst nur Zeuge vom Hörensagen war und zudem keine Erkenntnisse zur Zuverlässigkeit und der Aussagemotivation der Vertrauensperson vorgelegen haben (UA S. 34 f.).
36
c) Auch die von der Staatsanwaltschaft geltend gemachte Verletzung der Kognitionspflicht seitens des Tatgerichts liegt insoweit nicht vor. Denn das Landgericht hat die mögliche Beteiligung der Angeklagten an den im Raum stehenden Vortaten der von der Anklage erfassten Taten der Geldwäsche in den Blick genommen. Es ist hierbei aber auf der Grundlage einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung zum Schluss gelangt, dass eine Verurteilung der Angeklagten wegen Beteiligung an den Vortaten deshalb nicht erfolgen könne, weil eine hinreichende Konkretisierung der Vortaten „in Ermangelung von Beweismitteln“ (UA S. 36) nicht möglich sei. Dies hält rechtlicher Nachprüfung stand.
Graf Jäger Radtke Mosbacher Bär

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 235/15
vom
11. November 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen gewerbs- und bandenmäßigen Schmuggels u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
10. November 2015, in der Sitzung vom 11. November 2015, an denen teilgenommen
haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Graf
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Mosbacher,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Fischer
und der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Bär,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung vom
10. November 2015 -,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung vom
10. November 2015 -
als Verteidiger des Angeklagten G. ,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung vom
10. November 2015 -,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung vom
10. November 2015 -
als Verteidiger des Angeklagten M. ,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung vom
10. November 2015 -,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung vom
10. November 2015 -
als Verteidiger des Angeklagten K. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 15. September 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten vom Vorwurf des gewerbs- und bandenmäßigen Schmuggels und der Hinterziehung von Umsatzsteuer in insgesamt 216 Fällen bzw. beim Angeklagten K. in 181 Fällen, darunter eine versuchte Tat, aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen wenden sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft, die gestützt auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts die Beweiswürdigung des Landgerichts beanstanden. Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Rechtsmittel haben bereits mit der Sachrüge Erfolg, so dass es auf die von der Staatsanwaltschaft erhobenen verfahrensrechtlichen Beanstandungen nicht mehr ankommt.

I.


2
1. In der zugelassenen Anklage werden den Angeklagten in den Jahren 2010 bis 2012 zugunsten der S. K. GmbH (im Folgenden: S. GmbH) und der G. GmbH begangene Steuerstraftaten zur Last gelegt.
3
Die S. GmbH, deren Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter der gesondert Verurteilte P. gewesen sei, habe ab dem Jahr 2010 umfangreiche Importe von Metallen durchgeführt, die nahezu vollständig an die G. GmbH weiterverkauft worden seien. Der Angeklagte G. sei Geschäftsführer und Alleingesellschafter und die Angeklagten M. und K. Angestellte dieser Gesellschaft gewesen.
4
Aufgrund einer gemeinsamen Besprechung Ende Juni 2010 in den Räumen der G. GmbH hätten die Angeklagten mit P. und den früheren Mitangeklagten S. und St. vereinbart, sich durch die Zwischenschaltung der S. GmbH in den Warenbezug einen Wettbewerbsvorteil am Markt zu verschaffen. Anders als bei der zuvor durch die G. GmbH selbst eingeführten Ware sollte es nun möglich sein, aufgrund generierter Vorsteuerabzüge eine Kaufpreisminderung und damit eine Gewinnmaximierung zu erreichen. Hierzu sollte die S. GmbH in den Rechnungen an die G. GmbH jeweils Umsatzsteuer ausweisen, diese aber gegenüber den Finanzbehörden nicht erklären und auch nicht abführen. Auf diese Weise sollte der G. GmbH die Geltendmachung von Vorsteuern ermöglicht werden, ohne dass diese zuvor abgeführt worden seien.
5
Die aus Osteuropa nach Deutschland verbrachten Waren hätten im Jahr 2010 allein aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union, insbesondere den baltischen Staaten, gestammt. Ab Anfang 2011 seien dann von den Angeklagten G. und M. zusammen mit den früheren Mitangeklagten S. und St. auch Einfuhren aus Drittstaaten, namentlich aus Russland und der Ukraine , vorgenommen worden. Hierbei sei der Wert der eingeführten Waren gegenüber dem Zoll in der Regel mit weniger als einem Zehntel des tatsächlichen Werts angegeben worden. Zudem sei für die inländischen Verkäufe der S. GmbH an die G. GmbH keine Umsatzsteuer erklärt worden, obwohl die Umsatzsteuer bei den jeweiligen Rechnungen an die G. GmbH ausgewiesen worden sei. Hierdurch seien jeweils Abgaben verkürzt worden. Im Einzelnen:
6
a) Fälle 1 bis 184 der Anklageschrift (gewerbs- und bandenmäßiger Schmuggel)
7
In den die Jahre 2011 und 2012 betreffenden Fällen 1 bis 184 bzw. hinsichtlich des Angeklagten K. 24 bis 184 der Anklageschrift wirft die Staatsanwaltschaft den Angeklagten vor, sie hätten gewerbs- und bandenmäßig ge- genüber dem Zollamt E. falsche Angaben zum Warenwert bei der Einfuhr von Kupfererzeugnissen aus osteuropäischen Staaten in das Gebiet der Europäischen Union gemacht. Infolge der falschen Angaben seien nahezu vier Millionen Euro an Einfuhrumsatzsteuer und mehr als 300.000 Euro an Zoll nicht festgesetzt und damit verkürzt worden.
8
b) Fälle 185 bis 199 der Anklageschrift (Umsatzsteuerhinterziehung zugunsten der S. GmbH)
9
In den Fällen 185 bis 199 bzw. hinsichtlich des Angeklagten K. 191 bis 199 der Anklageschrift wirft die Staatsanwaltschaft den Angeklagten jeweils die Hinterziehung von Umsatzsteuer zugunsten der S. GmbH vor. Entsprechend dem gemeinsamen Tatplan mit P. seien für die S. GmbH für das Jahr 2010 wahrheitswidrig ein Umsatz von null Euro angemeldet und für die Monate Februar 2011 bis März 2012 pflichtwidrig keine Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben worden. Hierdurch sei insgesamt Umsatzsteuer in Höhe von mehr als 4,7 Mio. Euro verkürzt worden.
10
c) Fälle 200 bis 216 der Anklageschrift (Umsatzsteuerhinterziehung zugunsten der G. GmbH)
11
In den Fällen 200 bis 216 bzw. hinsichtlich des Angeklagten K. 206 bis 216 der Anklageschrift wirft die Staatsanwaltschaft den Angeklagten jeweils die Hinterziehung von Umsatzsteuer zugunsten der G. GmbH vor. Entsprechend dem gemeinsamen Tatplan seien für die G. GmbH in der Umsatzsteuerjahreserklärung 2010 und den Umsatzsteuervoranmeldungen für Februar 2011 bis März 2012 sowie Mai und November 2012 zu Unrecht Vorsteuerbeträge aus den Rechnungen der S. GmbH geltend gemacht worden. Den Angeklagten sei dabei bewusst gewesen, dass ein Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der S. GmbH nicht in Betracht kam. Hierdurch seien in den Fällen 200 bis 215 der Anklageschrift insgesamt nahezu fünf Mio. Euro an Umsatzsteuer verkürzt worden. Im Fall 216 sei es beim Versuch geblieben.
12
2. Das Landgericht hat im Wesentlichen Folgendes festgestellt:
13
a) Die G. GmbH stand etwa zehn Jahre lang in laufender Geschäftsbeziehung zur A. AG. Diese produzierte aus Kupferkonzentraten, Kupferschrott und anderen kupferhaltigen Legierungen hochreines Kupfer. Für ihre Kupferöfen benötigte die A. AG kupferhaltige Rohstoffe. Kupfer wird weltweit zu Preisen gehandelt, die an der Börse London Metal Exchange (LME) nach börsenmäßigen Preisfindungsmechanismen gebildet werden. Der Preis unterliegt dabei erheblichen Schwankungen. Für andere kupferhaltige Materialien werden Abschläge zu den LME-Preisen verhandelt.
14
Bis zum Ende des Jahres 2010 bezog die G. GmbH selbst Kupferraffiniermaterial aus Osteuropa. Die Einfuhren in den Jahren 2003 bis 2010 waren Gegenstand von zwei Betriebsprüfungen, die jeweils zu Beanstandungen führten , weil die Gesellschaft das Benennungsverlangen gemäß § 160 AO für die ausländischen Zahlungsempfänger nicht erfüllen konnte. Zur Vermeidung gleichartiger Probleme wurden mit den steuerlichen Beratern der Gesellschaft zahlreiche Maßnahmen erörtert, darunter die Einholung von steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigungen über Vertragspartner bei den Finanzbehörden.
15
b) Im Oktober 2006 hatte der frühere Mitangeklagte S. für den gesondert Verurteilten P. die S. GmbH gegründet, die ebenfalls im Metallhandel tätig werden sollte. Bei einem Treffen mit P. im Juli 2010 unter Beteiligung der Angeklagten G. und M. sowie der früheren Mitangeklagten S. und St. wurde vereinbart, dass die S. GmbH zukünftig die G. GmbH mit Buntmetallen beliefern sollte. S. und St. sollten P. unterstützen, insbesondere Aufgaben in Deutschland wahrnehmen, wenn sich P. im Ausland aufhält.
16
c) Ab September 2010 erfolgten dann Bestellungen der G. GmbH bei der S. GmbH und Lieferungen im Wege des Streckengeschäfts direkt an die G. GmbH. Der Angeklagte G. ließ sich für diese Geschäfte regelmäßig Unbedenklichkeitsbescheinigungen des Finanzamts über die S. GmbH vorlegen. Für den Einkauf in den baltischen Staaten führte der Zeuge P. dort mit den Lieferanten die Vertragsverhandlungen. Die letzte Lieferung aus den baltischen Staaten erfolgte Anfang Dezember 2010. Danach kam es zu einem Wechsel der Bezugsquellen. Ab Februar 2011 kamen die Kupferprodukte aus nicht der Europäischen Union angehörenden Staaten Osteuropas. Die S. GmbH lieferte dann bis zum Ende der Geschäftsbeziehung infolge der Festnahme des Zeugen P. im Mai 2012 an die G. GmbH sogenanntes Halbzeug, das sie von Lieferanten aus Russland und der Ukraine bezog.
17
d) Die Geschäfte der S. GmbH in Deutschland wurden weitgehend von den früheren Mitangeklagten S. und St. abgewickelt. Für die Verzollung der LKW-Lieferungen mit Kupfer tauschten sie die Kaufunterlagen gegen solche mit niedrigeren, manipulierten Werten aus, die stets nur zehn Prozent des tatsächlichen Werts betrugen. Infolgedessen wurden jeweils der Zoll und die Einfuhrumsatzsteuer zu niedrig festgesetzt. Bei den insgesamt 184 Einfuhren entstand insgesamt ein Einfuhrumsatzsteuerschaden von mehr als 3,9 Mio. Euro und ein Zollschaden von mehr als 307.000 Euro (UA S. 29 f.).
18
e) Beim anschließenden Weiterverkauf an die G. GmbH akzeptierte und bezahlte diese sämtliche Rechnungen einschließlich der dort ausgewiese- nen Umsatzsteuer. Da das aus Osteuropa gelieferte Halbzeug von minderer Qualität war, wurde allerdings beim Weiterverkauf an die A. AG nach Erörterung mit deren Vertretern gemäß § 13b Abs. 2 Nr. 7 UStG das ReverseCharge -Verfahren angewendet, so dass die Ausgangsrechnungen der G. GmbH im Gegensatz zu den Eingangsrechnungen keine Umsatzsteuer enthielten.
19
f) Zum Zwecke der Umsatzsteuerhinterziehung verschwieg die S. GmbH in der Umsatzsteuerjahreserklärung 2010 und den Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Februar 2011 bis März 2012 die Umsätze aus den inländischen Metallverkäufen. Insgesamt wurde hierdurch Umsatzsteuer in Höhe von mehr als 4,7 Mio. Euro hinterzogen.
20
g) Wer letztlich von den Zoll- und Steuerverkürzungen der S. GmbH profitierte, konnte das Landgericht nicht feststellen (UA S. 32).
21
h) Der Angeklagte G. brachte für die G. GmbH die Vorsteuern aus den Rechnungen der S. GmbH in der Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 2010 und in den Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Februar 2011 bis März 2012 sowie Mai und November 2012 in Ansatz. Hierdurch wurde die Umsatzsteuerzahllast im Umfang von insgesamt mehr als 4,9 Mio. Euro vermindert; für November 2012 wurde zudem eine Auszahlung eines Umsatzsteuerguthabens von mehr als 141.000 Euro erstrebt.
22
3. Das Landgericht hat die Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Es konnte sich von einer Tatbegehung bzw. Tatbeteiligung der Angeklagten nicht überzeugen.
23
a) Der Angeklagte G. hatte die Tatvorwürfe bestritten (UA S. 33 ff.); die Angeklagten M. und K. hatten sich nicht zur Sache eingelassen (UA S. 35).
24
b) Hinsichtlich der Tatvorwürfe des Schmuggels und der Hinterziehung von Umsatzsteuer zugunsten der S. GmbH (Fälle 1 bis 199 der Anklageschrift ) hat sich das Landgericht zwar die Überzeugung gebildet, dass diese Straftaten tatsächlich begangen worden sind. Eine Beteiligung der drei Angeklagten an diesen Straftaten hält es jedoch nicht für erwiesen.
25
Bezüglich des Vorwurfs der Hinterziehung von Umsatzsteuer zugunsten der G. GmbH (Fälle 200 bis 216 der Anklageschrift) hat sich das Landgericht davon überzeugt, dass die Angeklagten bei den Handelsgeschäften der G. GmbH mit der S. GmbH gutgläubig gewesen seien; ihnen sei auch keine Leichtfertigkeit vorzuwerfen. Der G. GmbH habe deshalb jeweils ein Vorsteuererstattungsanspruch zugestanden, so dass Steuern nicht verkürzt worden seien.
26
c) Im Einzelnen konnte sich das Landgericht von folgenden Behauptungen der Staatsanwaltschaft keine Überzeugung verschaffen:
27
aa) Hinsichtlich der im Juli 2010 mit dem Zeugen P. geführten Unterredung konnte das Landgericht nicht zweifelsfrei klären, ob die Beteiligten des Gesprächs vereinbart hatten, dass die S. GmbH bei der Einfuhr zu geringe Werte angeben sollte, um zu erreichen, dass Zölle und Einfuhrumsatzsteuer zu niedrig festgesetzt werden. Auch konnte das Landgericht nicht zweifelsfrei klären, ob Gegenstand der Gespräche war, dass die S. GmbH bei den Weiterverkäufen an die G. GmbH im Streckengeschäft Umsatzsteuer gegen- über der G. GmbH in ihren Rechnungen ausweist, ohne sie beim Finanzamt anzumelden und abzuführen, und die G. GmbH sodann die Vorsteuer aus den Rechnungen beim Finanzamt geltend macht. Schließlich konnte das Landgericht nicht zweifelsfrei klären, ob in dem Gespräch vereinbart wurde, dass sich der Zeuge P. aus der Geschäftsführung zurückziehen und die S. GmbH faktisch den Angeklagten überlassen sollte (UA S. 26 f.).
28
bb) Das Landgericht konnte sich auch nicht davon überzeugen, dass die Angeklagten Kenntnis davon hatten oder zumindest die Möglichkeit hatten zu erkennen, dass beim Zoll zu niedrige Warenwerte für die Kupferwaren angegeben wurden und dass die S. GmbH in ihren Ausgangsrechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer bei den Finanzbehörden nicht anmeldete und auch nicht abführte. Der Angeklagte G. habe versucht, alle steuerlichen Verpflichtungen zu erfüllen und die von seinen Steuerberatern empfohlenen Maßnahmen, um nicht in ein Umsatzsteuerkarussell eingebunden zu werden, umzusetzen.
29
d) Der Angeklagte G. hatte sich eingelassen, die Geschäftsanbahnung mit der S. GmbH sei in völlig üblichem Rahmen verlaufen (UA S. 34). Die Geschäftsbeziehung habe sich positiv entwickelt; außerdem habe er alle sechs Monate vom Finanzamt für diese Gesellschaft Unbedenklichkeitsbescheinigungen angefordert und erhalten. Für ihn sei es daher überraschend, dass der Zeuge P. die Handelsgeschäfte mit dem Ziel betrieben habe, Umsatzsteuer zu hinterziehen.
30
e) Das Landgericht ist der Auffassung, die Einlassung des Angeklagten G. sei nicht zu widerlegen. Die Behauptung der Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift, es habe einen gemeinsamen Tatplan gegeben, sei auf die Einlassung des Zeugen P. im vorangegangenen gegen ihn geführten Strafverfahren gestützt gewesen. Dieser habe in der gegen ihn gerichteten Hauptverhandlung seine eigene Tatbeteiligung eingeräumt und behauptet, es habe im Juni 2010 ein Treffen mit den Angeklagten G. und M. sowie den gesondert Verfolgten S. und St. gegeben. Bei diesem Treffen sei vereinbart worden, die bereits bestehende S. GmbH zwecks Hinterziehung von Einfuhrabgaben und inländischer Umsatzsteuer sowie zur Erschleichung von Vorsteuererstattungen zu nutzen, um Metallschrott aus dem Ausland für die G. GmbH einzuführen. Wesentliche Funktion des P. sei dabei der Kontakt zu den ausländischen Lieferanten und das „Schreiben von Rechnungen“ gewesen (UA S. 40).
31
Im Zuge seiner mehrtägigen Vernehmung vor der erkennenden Strafkammer habe der Zeuge P. aber bestritten, sich im vorangegangenen Verfahren in diesem Sinne geäußert zu haben, und habe den Sachverhalt abweichend dargestellt. Gegenstand eines Gesprächs im Juli 2010 seien nur sein beruflicher Hintergrund und seine Fachkenntnisse im Metallhandel, die Möglichkeit einer Belieferung der G. GmbH durch die S. GmbH und technische Details gewesen. Über geplante Abgabenverkürzungen sei dagegen weder ausdrücklich noch stillschweigend gesprochen worden. Erst im August 2011 habe er von den gesondert Verfolgten S. und St. erfahren, dass in den Zollanmeldungen die Warenwerte manipulativ herabgesetzt worden seien. Unter dem Eindruck ihrer Drohung, als Geschäftsführer der S. GmbH andernfalls finanziell einstehen zu müssen, habe er sich bereitgefunden, an der Fortführung dieser illegalen Praktiken mitzuwirken. Von der Hinterziehung der inländischen Umsatzsteuer habe er hingegen keine Kenntnis gehabt. Seine Verurteilung wegen Abgabenhinterziehung habe er akzeptiert, weil er als formeller Geschäftsführer unabhängig von seiner Unkenntnis einstandspflichtig gewesen sei (UA S. 41).

32
Das Landgericht hält die Angaben des Zeugen P. in weiten Teilen für unglaubhaft und widerlegt. Auch gestützt auf die Angaben der früheren Mitangeklagten S. und St. hat sich das Landgericht vielmehr die Überzeugung gebildet, dass die Tatherrschaft über die Einfuhrabgabenverkürzung und die Verkürzung der inländischen Umsatzsteuer der S. GmbH allein bei dem Zeugen P. lag (UA S. 43).
33
Das Landgericht hat „keineVeranlassung gesehen, aufzuklären, ob der Zeuge P. in der früheren Hauptverhandlung in eigener Sache die von der Staatsanwaltschaft behaupteten belastenden Angaben betreffend die Angeklagten G. , M. und K. tatsächlich gemacht hat.“ Denn es bleibe nicht nur zweifelhaft, ob P. die Angeklagten in der früheren Hauptver- handlung überhaupt in dieser Weise belastet hat. „Vielmehr wären entspre- chende frühere Angaben im Lichte seiner aktuellen zeugenschaftlichen Bekundungen und nach dem persönlichen Eindruck der Kammer unglaubhaft.“ Die Bekundungen des Zeugen P. seien daher nicht geeignet, den Nachweis einer kollusiven Einbindung der Angeklagten in die Abgabenhinterziehungen der S. GmbH zu führen (UA S. 44).
34
Auch nach einer Gesamtwürdigung mit weiteren Umständen, darunter die Höhe der Preise, Teilzahlungen an Drittempfänger, die Anwendung des Reverse -Charge-Verfahrens gegenüber der A. AG, die vorangegangene Versagung des Betriebskostenabzugs gemäß § 160 AO, der E-Mail-Verkehr unter den Angeklagten und die steuerliche Beratung des Angeklagten G. , verblieben beim Landgericht „unüberwindbare Zweifel“ an der Tatbeteiligung der Angeklagten.

II.


35
Die Freisprüche haben keinen Bestand; denn die Beweiswürdigung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
36
1. Allerdings muss es das Revisionsgericht grundsätzlich hinnehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Vielmehr hat es die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2015 – 5 StR 521/14, NStZ-RR 2015, 178). Dem Tatrichter obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt , dass sie möglich sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – 4StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148 mwN). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 23. Juli 2007 – 2 StR 150/08, NJW 2008, 2792 mwN).
37
2. Solche Rechtsfehler liegen hier vor.
38
a) Die Beweiswürdigung zur Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen P. ist lückenhaft. Denn die Urteilsgründe enthalten keine nachvollzieh- bare Begründung für die Annahme des Landgerichts, die von P. in der Hauptverhandlung des gegen ihn selbst gerichteten Strafverfahrens gemachten Angaben seien jedenfalls unglaubhaft (UA S. 44).
39
aa) Zwar können und müssen die Gründe auch eines freisprechenden Urteils nicht jeden irgendwie beweiserheblichen Umstand ausdrücklich würdigen. Das Maß der gebotenen Darlegung hängt vielmehr von der jeweiligen Beweislage und insoweit von den Umständen des Einzelfalls ab; dieser kann so beschaffen sein, dass sich die Erörterung bestimmter einzelner Beweisumstände erübrigt. Insbesondere dann, wenn das Tatgericht auf Freispruch erkennt, obwohl gegen den Angeklagten ein ganz erheblicher Tatverdacht besteht, muss es jedoch in seine Beweiswürdigung und deren Darlegung die ersichtlich möglicherweise gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und Erwägungen einbeziehen und in einer Gesamtwürdigung betrachten (vgl. BGH, Urteile vom 8. September 2011 – 1 StR 38/11, wistra 2011, 465, vom 6. September 2006 – 5 StR 156/06, wistra 2007, 18, 19 und vom 22. August 2002 – 5 StR 240/02, wistra 2002, 430 mwN).
40
bb) Diesen Anforderungen genügt die Beweiswürdigung zu den Angaben des Zeugen P. nicht.
41
Ausweislich der Urteilsgründe beruht die Anklage entscheidend auf der Tatschilderung dieses Zeugen, die er in dem gegen ihn gerichteten Strafverfahren in der Hauptverhandlung gemacht hatte (UA S. 40). Weshalb das Landgericht diese Angaben für unglaubhaft hält, hat es indes nicht nachvollziehbar und für das Revisionsgericht nachprüfbar begründet. Als Beleg für diese Annahme hat das Landgericht lediglich die Bekundungen des Zeugen P. im vorliegenden Verfahren und dessen persönlichen Eindruck aus der Hauptverhand- lung angeführt. Den Inhalt der früheren Aussage des Zeugen hat das Landgericht hingegen nicht mitgeteilt. Damit fehlt es an einer ausreichenden Grundlage für die Glaubhaftigkeitsbeurteilung. Um die Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen P. beurteilen zu können, durfte das Landgericht nicht offen lassen , von welchem Inhalt der früheren Aussage es ausgeht. Auch hat das Landgericht nicht erörtert, welches Motiv der Zeuge für Falschangaben zum damaligen Zeitpunkt gehabt haben könnte. Umgekehrt hat das Landgericht auch nicht in den Blick genommen, dass die Aussage des Zeugen P. in der Hauptverhandlung gegen die Angeklagten eine Gefälligkeitsaussage zu deren Gunsten gewesen sein konnte. Mit dieser Möglichkeit musste sich das Landgericht schon deshalb auseinandersetzen, weil es als naheliegend ansah, dass der Tatplan des Zeugen P. von vornherein auf die Verkürzung der Einfuhrabgaben , des Zolls und der Umsatzsteuer gerichtet war (UA S. 44).
42
b) Die Beweiswürdigung des Landgerichts lässt zudem besorgen, das Landgericht habe belastende Indizien fehlerhaft einzeln sowie anhand eines falschen Maßstabs gewürdigt und nicht in die Gesamtwürdigung eingestellt.
43
aa) Das Tatgericht ist gehalten, sich mit den von ihm festgestellten Tatsachen unter allen für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkten auseinanderzusetzen , wenn sie geeignet sind, das Beweisergebnis zu beeinflussen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148 mwN). Dabei muss sich aus den Urteilsgründen auch ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 23. Juli 2007 – 2 StR 150/08, NJW 2008, 2792 mwN). Die Anforderungen an eine umfassende Würdigung der festgestellten Tatsachen sind bei einem Freispruch nicht geringer als im Fall der Verurteilung (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 2009 – 1 StR 479/08, wistra 2009, 315). Auch wenn keine der Indiztatsachen für sich allein zum Nachweis der Täterschaft des Angeklagten ausreichen würde, besteht die Möglichkeit, dass sie in ihrer Gesamtheit dem Tatrichter die entsprechende Überzeugung vermitteln können (vgl. BGH, Urteil vom 30. März2004 – 1 StR 354/03, NStZ-RR 2004, 238).
44
bb) Rechtsfehlerhaft ist hier bereits der rechtliche Ansatz des Landgerichts bei der Würdigung belastender Einzelindizien.
45
Statt die Indizien mit ihrem jeweiligen Beweiswert in die Gesamtwürdigung einzustellen, spricht das Landgericht einzelnen Umständen jeglichen belastenden Beweiswert mit der Begründung ab, diese seien „nicht zwangsläufig“ nur mit einer Abgabenverkürzung zu erklären (UA S. 46), seien „nicht zweifelsfrei“ (UA S. 50) oder ließen „keinen zweifelsfreien Rückschluss“ auf Kenntnisse oder eine Tatbeteiligung der Angeklagten (UA S. 47, 52, 53) zu. Damit hat das Landgericht rechtsfehlerhaft einzelne Beweisergebnisse lediglich isoliert und nicht im Zusammenhang mit anderen Beweisanzeichen gewürdigt.
46
cc) Schließlich hält auch die vom Landgericht vorgenommene Gesamtwürdigung (UA S. 57 ff.) rechtlicher Nachprüfung nicht stand; denn sie beschränkt sich im Wesentlichen auf die Würdigung entlastender Indizien. Belastende Indizien wurden hingegen nicht in die Gesamtwürdigung einbezogen, die damit unvollständig ist. Hierauf beruht das Urteil schon deshalb, weil auch dann, wenn keine der Indiztatsachen für sich allein zum Nachweis der Täterschaft der Angeklagten ausreichen würde, die Möglichkeit besteht, dass sie in ihrer Gesamtheit dem Tatgericht die entsprechende Überzeugung vermitteln können (vgl. BGH, Urteil vom 30. März 2004 – 1 StR 354/03, NStZ-RR 2004,

238).



47
3. Die Freisprüche einschließlich der ihnen zugrunde liegenden Feststellungen haben daher wegen rechtsfehlerhafter Beweiswürdigung keinen Bestand. Die Sache ist zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen. Auf die weiteren von der Staatsanwaltschaft erhobenen sachlich- und verfahrensrechtlichen Beanstandungen kommt es nicht mehr an.

III.


48
Für die neue Hauptverhandlung bemerkt der Senat im Hinblick auf die insoweit unzutreffenden Ausführungen des Landgerichts auf UA S. 61:
49
Die Kognitionspflicht des Gerichts bezieht sich auf die Tat im prozessualen Sinn (§ 264 StPO). Zur Tat als Prozessgegenstand gehört das gesamte Verhalten des Angeklagten, soweit es mit dem durch die Anklage bezeichneten geschichtlichen Vorkommnis nach der Auffassung des Lebens einen einheitlichen Vorgang bildet. Dies kann nicht unabhängig von der verletzten Strafbestimmung beurteilt werden. Im Steuerstrafrecht werden der Umfang und die Reichweite der prozessualen Tat neben der einschlägigen Blankettvorschrift maßgeblich durch die sie ausfüllenden Normen des Steuerstrafrechts bestimmt (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Mai 2009 – 1 StR 665/08, wistra 2009, 465 mwN). Hierbei ist in den Blick zu nehmen, dass es sich bei der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 AO um ein Erklärungs- und zugleich um ein Erfolgsdelikt handelt (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2009 – 1 StR 718/08, BGHR StPO § 267 Abs. 1 StPO Steuerhinterziehung 1). Deshalb ist beim Tatvorwurf der Steuerhinterziehung auch bei einem freisprechenden Urteil festzustellen und in den Urteilsgründen darzulegen, wann der Angeklagte welche Steuererklärun- gen mit welchem Inhalt abgegeben hat (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2009 – 1 StR 718/08, BGHR StPO § 267 Abs. 1 Steuerhinterziehung 1 mwN). Die Urteilsgründe müssen zudem in einer für das Revisionsgericht nachprüfbaren Weise erkennen lassen, ob die in den verfahrensgegenständlichen Steuererklärungen enthaltenen Angaben unrichtig oder unvollständig waren und ob sie gegebenenfalls zu einer Steuerverkürzung oder einem nicht gerechtfertigten Steuervorteil geführt haben. Dies beinhaltet, dass das Tatgericht nicht nur die in der Anklageschrift als Beleg für fehlerhafte Angaben angeführten Umstände in den Blick zu nehmen hat. Vielmehr muss es sich dann, wenn nach dem Gang der Hauptverhandlung hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für andere Geschehnisse bestehen, aus denen sich die Unrichtigkeit der verfahrensgegenständlichen Steuererklärungen ergeben kann, auch mit diesen Umständen auseinandersetzen. Gegebenenfalls hat das Tatgericht entsprechend § 265 StPO auf diese Veränderung hinzuweisen. Denn der Strafklageverbrauch eines Freispruchs würde einer neuen, auf solche Umstände gestützten Strafverfolgung entgegenstehen. Ein Freispruch kommt schließlich auch dann nicht in Betracht, wenn das vom Tatgericht festgestellte Verhalten eines Angeklagten den Ordnungswidrigkeitentatbestand der leichtfertigen Steuerverkürzung (§ 378 AO) erfüllt (vgl. BGH, Urteil vom 8. September 2011 – 1 StR 38/11, wistra 2011, 465 mwN). Graf Jäger Mosbacher Fischer Bär

(1) Die Anklageschrift hat den Angeschuldigten, die Tat, die ihm zur Last gelegt wird, Zeit und Ort ihrer Begehung, die gesetzlichen Merkmale der Straftat und die anzuwendenden Strafvorschriften zu bezeichnen (Anklagesatz). In ihr sind ferner die Beweismittel, das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll, und der Verteidiger anzugeben. Bei der Benennung von Zeugen ist nicht deren vollständige Anschrift, sondern nur deren Wohn- oder Aufenthaltsort anzugeben. In den Fällen des § 68 Absatz 1 Satz 3, Absatz 2 Satz 1 genügt die Angabe des Namens des Zeugen. Wird ein Zeuge benannt, dessen Identität ganz oder teilweise nicht offenbart werden soll, so ist dies anzugeben; für die Geheimhaltung des Wohn- oder Aufenthaltsortes des Zeugen gilt dies entsprechend.

(2) In der Anklageschrift wird auch das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen dargestellt. Davon kann abgesehen werden, wenn Anklage beim Strafrichter erhoben wird.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat,
2.
im Falle des § 29a Abs. 1 Nr. 1 gewerbsmäßig handelt,
3.
Betäubungsmittel abgibt, einem anderen verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt und dadurch leichtfertig dessen Tod verursacht oder
4.
Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt einführt.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

Fehlt dem Täter bei Begehung der Tat die Einsicht, Unrecht zu tun, so handelt er ohne Schuld, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte. Konnte der Täter den Irrtum vermeiden, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.