Bundesgerichtshof Urteil, 07. Dez. 2017 - 1 StR 320/17

bei uns veröffentlicht am07.12.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 320/17
vom
7. Dezember 2017
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:071217U1STR320.17.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. Dezember 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Jäger, Bellay und die Richterinnen am Bundesgerichtshof Cirener, Dr. Hohoff,
Richterin am Landgericht als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten A. , Rechtsanwalt - in der Verhandlung - als Verteidiger des Angeklagten O. ,
Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten A. gegen das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 18. Januar 2017 wird verworfen. Der Angeklagte A. hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Die sofortige Beschwerde gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung im vorbezeichneten Urteil wird kostenpflichtig als unbegründet verworfen. 2. Auf die Revision des Angeklagten O. wird das vorgenannte Urteil mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben, soweit die Anordnung der Unterbringung in der Entziehungsanstalt unterblieben ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten O. – an eine andere Strafkammer des Landgerichts Tübingen zurückverwiesen. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen „gemeinschaftlichen uner- laubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“ verurteilt und deswegen gegen den Angeklagten A. auf eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten, gegen den Angeklagten O. auf eine solche von fünf Jahren und sechs Monaten erkannt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte A. mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Er macht geltend, es läge eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation vor, die schon zu einem Verfahrenshindernis führe. Der Angeklagte O. beanstandet allgemein die Verletzung sachlichen Rechts.

I.

2
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
Der nicht revidierende Mitangeklagte An. , der nicht vorbestraft war und in Ma. /Spanien lebte, traf im Zeitraum zwischen Ende Januar bis Anfang Februar 2016 auf eine ihm zuvor schon bekannte Person. Hierbei handelte es sich um eine Vertrauensperson (VP) des Landeskriminalamtes BadenWürttemberg. Die VP zeigte Interesse an der Lieferung einer größeren Menge Amphetamin nach Deutschland und gab an, dort Abnehmer für eine solche Lie- ferung zu haben. „Zu Gunsten des Angeklagten An. “ ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die VP den Tatentschluss bei diesem Angeklagten „wesentlich mitbestimmt bzw. mithervorgerufen hat“.
4
Anfang Februar 2016 sicherte der Mitangeklagte An. der VP zu, sich wegen des Geschäfts mit seinem sich in K. aufhaltenden Freund, dem Angeklagten A. in Verbindung zu setzen. Letzterer erklärte sich gegenüber An. bereit, das Rauschgiftgeschäft in Deutschland durchzuführen. In einem Chat vom 8. Februar 2016 kamen der Angeklagte A. und der Mitangeklagte An. überein, dass es bei dem Geschäft um eine Menge von 50 kg gehen solle. Die weitere Abwicklung des Geschäfts sollte in Deutschland erfolgen. In Umsetzung dieses Plans kam es am 2. März 2016 zu einem ersten Treffen zwischen An. , der VP und den von dieser als angeblichen Kaufinteressenten, VE 1, und dessen Begleiter, VE 2, vorgestellten verdeckten Ermittlern. An. und VE 1 übernahmen die Verkaufsverhandlungen , in deren Rahmen An. in Aussicht stellte, zunächst 25 kg und in Kürze weitere 25 kg liefern zu können und hierfür den zuvor mit dem Angeklagten A. ausgehandelten Preis von 2.100 Euro je Kilogramm forderte. Als VE 1 sich mit dem Preis nicht einverstanden erklärte, sagte An. , über den Preis könne man sicher noch verhandeln. Ihm sei an einer dauerhaften und zuverlässigen Geschäftsverbindung gelegen, dann könnten auch weitaus größere Mengen geliefert werden.
5
Im Anschluss an das Treffen stimmte sich An. mit dem Angeklagten A. per Chat dahingehend ab, dass man mit dem Kaufinteressenten eine dauerhafte Geschäftsbeziehung eingehen wolle und nach dem ersten erfolgreichen Geschäft weitere folgen sollten. Der Angeklagte A. stellte in Aussicht, bei künftigen Geschäften einen niedrigeren Preis zu fordern.
6
Der Angeklagte A. setzte sich zur Beschaffung des Amphetamins wiederum mit dem nichtrevidierenden Mitangeklagten P. in Verbindung. Dieser handelte zwar mit Marihuana und Ecstasy, konnte aber kein Amphetamin in der gewünschten Größenordnung besorgen. Deshalb wandte sich P. an den ihm aus früheren Geschäften bekannten Angeklagten O. , der das Rauschgift beschaffen konnte. P. musste sich in der Folge den Weisungen des Angeklagten O. unterwerfen.
7
Am 4. März 2016 fand ein weiteres Treffen in Deutschland statt. Hieran nahmen An. , die Angeklagten A. und P. sowie VE 1 und VE 2 teil. Nun führte P. die Verhandlungen mit VE 1, wobei er sich aber an die telefonisch erteilten Weisungen des Angeklagten O. hielt. Er erklärte, derzeit 20 bis 30 kg Amphetamin zu haben und bei einer Liefermenge von 50 kg eine Vorauszahlung von 30.000 Euro zu benötigen. Bei Folgegeschäften könne bis zu 300 kg geliefert werden. Während man sich auf einen Preis von 100.000 Euro für 50 kg Amphetamin einigte, blieb die Frage der Vorauszahlung ungeklärt. Bei diesem Treffen gab sich der Angeklagte A. gegenüber VE 1 als Garant für die Durchführung des Geschäfts aus.
8
Am 6. März 2016 traf man sich erneut; an dem Treffen nahmen neben VE 1 noch P. und die Angeklagten A. und O. teil. P. erklärte gegenüber VE 1, dass O. derjenige sei, der die Entscheidungen treffe und er schon viele Jahre für ihn tätig sei. Der Preis von 2.000 Euro pro Kilogramm wurde nicht mehr verhandelt, nachdem der Angeklagte O. erklärt hatte, schließlich müssten alle etwas verdienen. Im Mittelpunkt der Verhandlungen stand die Frage der Vorauszahlung. Schließlich einigte man sich auf den Vorschlag von VE 1, dass am Tag der Übergabe des Rauschgifts in M. eine Person mit den 100.000 Euro nach K. zu dem Angeklagten P. kommen und dort vor der Übergabe des Rauschgifts das Geld zeigen solle. Der Angeklagte O. bestätigte die früheren Angaben von P. , dass bei späteren Geschäften größere Mengen möglich seien und es nach oben keine Grenze gebe. VE 1 und der An- geklagte O. einigten sich schließlich noch auf die Entlohnung des Kuriers.
9
Am 11. März 2016 wurde das Geschäft schließlich durchgeführt. Während VE 1 und der neu auftretende verdeckte Ermittler VE 3 nach K. zu P. und dem Angeklagten O. fuhren, warteten VE 2 und die aus Ma. und K. anreisenden An. und A. in M. auf die Ankunft des als Rauschgiftkurier eingesetzten, nichtrevidierenden Mitangeklagten S. . Jener war zuvor von dem niederländischen Lieferanten des Angeklagten O. , dem gesondert Verfolgten Ö. , für diese Fahrt mit dem Amphetamin von den Niederlanden nach M. angeworben worden. P. und der Angeklagte A. hielten untereinander telefonischen Kontakt. Verabredungsgemäß zeigten VE 1 und VE 3 dem P. das Geld auf dem Parkplatz eines Cafés. P. fertigte hiervon ein Foto und sandte dieses an den Angeklagten O. . VE 3 wartete am Parkplatz mit dem Geld, VE 1 und P. fuhren in dessen Wohnung, wo er VE 1 von seinen Geschäften mit von dem Angeklagten O. bezogenem Rauschgift berichtete. Später traf auch der Angeklagte O. selbst ein. Er war sehr nervös und erklärte, schon seit zwei Tagen nicht mehr geschlafen zu haben. Um durchzuhalten, habe er „zwei bis drei Nasen“ ge- nommen. Auch in der Wohnung konsumierte er Rauschgift. Er hatte P. eine neue SIM-Karte für künftige Geschäfte besorgt, denn schon im Vorfeld hatte er darauf bestanden, dass P. ihn mit einer anderen Nummer als VE 1 anrufen solle. Der Angeklagte O. klärte ab, wann der Kurier in M. eintreffen werde. Zu dieser Zeit fuhren VE 1 und P. zum Parkplatz. Der Angeklagte O. hatte – entgegen dem Ansinnen der VE 1 – es abgelehnt, mitzukommen; er zog es vor, in der Wohnung zu bleiben, falls etwas „schieflaufen sollte“. Bevor P. aufbrechen konnte, musste er noch den Porsche des Angeklagten O. auf einen zuvor arrangier- ten Garagenparkplatz umparken. Darauf hatte dieser bestanden, damit der Wagen nicht auf der Straße gesehen werden konnte.
10
Gegen 18.50 Uhr traf der Kurier S. am vereinbarten Treffpunkt in M. ein, wo An. und der Angeklagte A. auf ihn warteten. Er führte drei Pakete mit insgesamt 50 kg Amphetamingemisch im Kofferraum seines Fahrzeugs mit sich. Nachdem das erste Paket in den Kofferraum der VE 2 umgeladen worden war, erfolgte die Festnahme aller Angeklagten.
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Von den 50 kg feuchtem Amphetamingemisch verblieben nach der Trocknung noch 30,505 kg. In dem ersten Paket waren 1.875,099 g (14,99 %), in den beiden anderen Paketen befanden sich zusammen 2.990,935 g (16,62 %) Amphetaminbase. Bei einem von dem Angeklagten O. verhandelten Ankaufspreis von 1,30 Euro pro Gramm und dem Weiterverkaufspreis von 2 Euro pro Gramm, wollten die Angeklagten An. , A. , P. und O. einen Gewinn von 35.000 Euro erzielen. Hiervon sollte An. 10.000 Euro bekommen, der Rest sollte zu unklar gebliebenen Teilen aufgeteilt werden.
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2. Das Landgericht hat sich von dem festgestellten Sachverhalt vor allem anhand der geständigen Angaben der Angeklagten An. und P. sowie der Angaben der VE 1 bis 3 und den weiteren Ermittlungsbeamten, aber auch anhand des Inhalts von Chatprotokollen überzeugt. Die Einlassung des Angeklagten O. , der angegeben hat, sich bei diesem Geschäft noch keinen Gewinn versprochen zu haben, hat es ebenso für widerlegt erachtet wie die Äußerungen des Angeklagten A. , es sei um den Kauf von Kleidern in M. oder einen Autokauf gegangen.
13
An. hat insbesondere angegeben, von einem Bekannten von früher zur Tat animiert worden zu sein. Er habe dessen Drängen nachgegeben, obwohl er bisher noch nichts mit Betäubungsmittelgeschäften zu tun gehabt habe, weil sein Baugeschäft schlecht gelaufen sei und er seine frühere Lebensgefährtin und seine Tochter habe unterstützen wollen. Weil das Rauschgift nach Deutschland geliefert werden sollte, habe er sich mit dem ihm bekannten Angeklagten A. in Verbindung gesetzt. Der Führungsbeamte der VP hat angegeben, dass die VP mit der Information an das Landeskriminalamt herangetreten sei, dass der später identifizierte An. 50 kg Amphetamingemisch in Deutschland zum Kauf anbieten würde.
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3. Das Landgericht hat den Verkauf des Amphetamingemischs durch die Angeklagten an VE 1 als gemeinschaftliches unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit gemeinschaftlicher Anstiftung des Angeklagten S. zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gewertet.
15
Bei der Strafzumessung hat das Landgericht zu Gunsten aller Angeklagten gewertet, dass es sich um eine von einer VP des Landeskriminalamtes inszenierte Tat gehandelt habe, welche überwacht gewesen sei und bei welcher nicht die Gefahr bestanden habe, dass das eigens für die Tat hergestellte Amphetamingemisch in den Verkehr gelange. Da die VP nicht vernommen werden konnte, hat es zu Gunsten des An. angenommen, dass dieser in einem Maße zur Tatbegehung animiert worden sei, welches bei der Strafzumessung berücksichtigt werden müsse, weswegen die Strafe dieses Angeklagten niedriger festzusetzen sei als die der Angeklagten A. und O. .

II.

16
Ein die Verurteilung der Angeklagten A. und O. ausschließendes Verfahrenshindernis aufgrund rechtsstaatswidriger Tatprovokation liegt nicht vor.
17
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK aufgrund polizeilicher Tatprovokation vor, wenn eine unverdächtige und zunächst nicht tatgeneigte Person durch eine von einem Amtsträger geführte Vertrauensperson in einer dem Staat zurechenbaren Weise zu einer Straftat verleitet wird und dies zu einem Strafverfahren führt (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2016 – 4 StR 252/15, NStZ 2016, 232 Rn. 3; Urteil vom 10. Juni 2015 – 2 StR 97/14, BGHSt 60, 276 Rn. 24; Beschluss vom 19. Mai 2015 – 1 StR 128/15, BGHSt 60, 238 Rn. 24 f.). Ein in diesem Sinne tatprovozierendes Verhalten ist gegeben, wenn eine polizeiliche Vertrauensperson in Richtung auf das Wecken der Tatbereitschaft oder eine Intensivierung der Tatplanung mit einiger Erheblichkeit stimulierend auf den Täter einwirkt. Auch bei anfänglich bereits bestehendem Anfangsverdacht kann eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation vorliegen, soweit die Einwirkung im Verhält- nis zum Anfangsverdacht „unvertretbar übergewichtig“ ist (vgl.BGH, Beschluss vom 19. Januar 2016 – 4 StR 252/15, NStZ 2016, 232 Rn. 3; Urteil vom 10. Juni 2015 – 2 StR 97/14, BGHSt 60, 276 Rn. 24; Beschluss vom 19. Mai 2015 – 1 StR 128/15, BGHSt 60, 238 Rn. 24 f.; Urteil vom 11. Dezember 2013 – 5 StR 240/13, NStZ 2014, 277, 279 Rn. 34 mwN). Im Rahmen der erforderlichen Abwägung sind insbesondere Grundlage und Ausmaß des gegen den Betroffenen bestehenden Verdachts, Art, Intensität und Zweck der Einflussnahme sowie die eigenen, nicht fremdgesteuerten Aktivitäten des Betroffenen in den Blick zu nehmen (BGH, Urteil vom 10. Juni 2015 – 2 StR 97/14, BGHSt 60, 276 Rn. 24; Urteil vom 23. Mai 1984 – 1 StR 148/84, BGHSt 32, 345, 346 f.). Spricht eine polizeiliche Vertrauensperson eine betroffene Person lediglich ohne sonstige Einwirkung darauf an, ob diese Betäubungsmittel beschaffen könne, handelt es sich nicht um eine Tatprovokation (BGH, Beschluss vom 19. Januar 2016 – 4 StR 252/15, NStZ 2016, 232 Rn. 3; Beschluss vom 19. Mai 2015 – 1 StR 128/15, BGHSt 60, 238 Rn. 24 f.; Urteile vom 30. Mai 2001 – 1 StR 42/01, BGHSt 47, 44, 47 und vom 18. November 1999 – 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 338).
18
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte liegt eine Art. 6 Abs. 1 EMRK verletzende polizeiliche Provokation vor, wenn sich die Ermittlungsperson nicht auf eine „weitgehend passive“ Straf- ermittlung beschränkt hat. Der Gerichtshof prüft dabei, ob es objektive Anhaltspunkte für den Verdacht gab, dass der Täter an kriminellen Aktivitäten beteiligt oder tatgeneigt war (vgl. BGH, Urteil vom 19. Mai 2015 – 1 StR 128/15, BGHSt 60, 238 Rn. 27 mwN). Bei der Frage, ob eine Person tatgeneigt war, hält der Gerichtshof nach Maßgabe des konkreten Einzelfalls u.a. die erwiesene Vertrautheit des Betroffenen mit aktuellen Preisen von Betäubungsmitteln, dessen Fähigkeit, solche kurzfristig zu beschaffen, sowie seine Gewinnbeteiligung für bedeutsam (vgl. EGMR, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 54648/09, NStZ 2015, 412, 414 Rn. 49 ff. mwN). Bei der Differenzierung zwischen einer rechtmäßigen Infiltrierung durch eine Ermittlungsperson und der (konventionswidrigen) Provokation einer Straftat befasst sich der Gerichtshof mit der Frage, ob Druck ausgeübt wurde, die Straftat zu begehen. Dabei hat der Gerichtshof unter anderem darauf abgestellt, ob die Ermittlungsperson von sich aus Kontakt zu dem Täter aufgenommen, ihr Angebot trotz anfänglicher Ablehnung erneuert oder den Täter mit den Marktwert übersteigenden Preisen geködert hat (vgl. EGMR, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 54648/09, NStZ 2015, 412, 414 Rn. 52 mwN).
19
b) Nach diesen Maßstäben – wobei die die Rechtsprechung des EGMR in der Auslegung des Art. 6 Abs. 1 EMRK prägenden Voraussetzungen der Tatprovokation in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abgebildet werden (BGH, Beschluss vom 19. Januar 2016 – 4 StR 252/15, NStZ 2016,232 Rn. 3; Urteil vom 19. Mai 2015 – 1 StR 128/15, BGHSt 60, 238 Rn. 29) – liegt eine den Grundsatz des fairen Verfahrens und das Rechtsstaatsprinzip verletzende Tatprovokation in Bezug auf die Angeklagten A. und O. nicht vor. Losgelöst von dem Umstand, dass die polizeiliche Vertrauensperson ohnehin nur auf den Entschluss des An. unmittelbar eingewirkt hat, waren diese beiden Angeklagten tatgeneigt in dem oben dargelegten Sinne. Es bedurfte schon keiner massiven aktiven Einwirkung auf sie und sei es auch nur durch ein Drängen ihrer Ansprechpartner, welches auf eine solche Einwirkung der Vertrauensperson zurückzuführen wäre, z.B. durch Insistieren trotz anfänglicher Ablehnung, Ködern mit den Marktwert übersteigenden Preisen oder die Schilderung einer bedrohlichen Situation (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 10. Juni 2015 – 2 StR 97/14, BGHSt 60, 276 Rn. 30). Eine im Übrigen unvertretbar übergewichtige Einwirkung auch mittelbarer Art durch die polizeiliche Vertrauensperson war nicht gegeben.
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aa) Hierfür war in den Blick zu nehmen, dass der AngeklagteA. bereits zweimal wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu Freiheitsstrafen verurteilt worden war. Die letzte Verurteilung erfolgte im Juni 2011. Der Angeklagte O. war neben einer Verurteilung wegen Handelns mit und Besitz von Betäubungsmitteln ebenfalls zweifach wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden, zuletzt im November 2008 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten. Zwar begründen Vorstrafen für sich allein keinen ausreichenden Anhalt für die Annahme möglicher Tatgeneigtheit (BGH, Urteil vom 10. Juni 2015 – 2 StR 97/14, BGHSt 60, 276 Rn. 27). Diese wird aber für beide Angeklagte aus der Zusammenschau mit der tatsächlichen Einbindung in die Betäubungsmittelhändlerszene belegt.
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So waren beide ohne weiteres bereit, bei dem Betäubungsmittelgeschäft gegen Gewinnbeteiligung mitzumachen. Sie hatten jeweils Kontakte, die eine kurzfristige Beschaffung von Amphetamingemisch in einer beachtlichen Größenordnung ermöglichte. Dabei zeigten sie sich mit den aktuellen Gepflogenheiten im Rahmen eines solchen Geschäfts vertraut.
22
(1) Ausweislich der Feststellungen war der Angeklagte A. schon am 8. Februar 2016 bereit, ein Geschäft über 50 kg Rauschgift in Deutschland durchzuführen, obwohl der ihm bekannte An. erst Anfang Februar, mithin wenige Tage zuvor, eine Kontaktaufnahme zu ihm in Aussicht gestellt hatte. Für ein über die Anfrage An. s hinausgehendes Einwirken auf diese Bereitschaft gibt es keine Anhaltspunkte und solches wird auch von dem Revisionsführer A. nicht behauptet. In dem am 8. Februar 2016 festgestellten Chatverkehr zwischen An. und dem Angeklagten A. wurde zudem auch schon mit Begriffen zur Verschleierung des Geschäftsgegenstands kommuniziert, was ebenfalls eine gewisse gedankliche Vorbefassung im Sinne eines übereinstimmenden Verständnisses der Kommunikationspartner von den verschleiernden Begriffen voraussetzt. Nach dem ersten Treffen zwischen den angeblichen Kaufinteressenten und An. am 2. März 2016 erklärte der Angeklagte A. auch sofort seine Absicht, eine dauerhafte Geschäftsbeziehung einzugehen – sich also nicht etwa nur auf das einmalige, von der VP angeregte Geschäft beschränken zu wollen – und stellte für diesen Fall niedrigere Preise für Folgegeschäfte in Aussicht.
23
(2) Der Angeklagte O. war ebenfalls in dem oben aufgezeigten Sinne tatgeneigt. Dies findet darin Ausdruck, dass er in ständigen Rauschgiftgeschäftsbeziehungen zu P. stand und auf dessen Anfrage zur Beschaffung des Rauschgifts bereit war, ohne dass es weiterer Einwirkung bedurft hätte. Dies konnte er, da er die nötigen Kontakte zu einem Hersteller des Amphetamingemischs in den Niederlanden besaß. Er übernahm mit seiner Zusage maßgeblich die Ausgestaltung der konkreten Geschäftsabwicklung und wirkte planerisch auf sie ein, etwa im Hinblick auf die Preisgestaltung, die Vorauszahlung , den Kurierlohn, seine Anwesenheit am Geldübergabeort und die konspirative Kommunikationsform. Dabei handelte er jedenfalls auch, um von folgenden Geschäften zu profitieren, die er dahingehend umschrieb, dass es nach oben keine Grenzen gebe.
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bb) Eine unvertretbar übergewichtige staatlich veranlasste Einwirkung auf das konkrete Betäubungsmittelgeschäft im Übrigen – etwa vermittelt durch den Mittäter An. , dessen Entschluss ausweislich der Feststellungen durch die polizeiliche Vertrauensperson mitverursacht worden war – liegt nicht vor.
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Auch gegenüber dem nicht revidierenden Mitangeklagten An. sind die durch die Grundsätze des fairen Verfahrens oder das Rechtsstaatsprinzip gezogenen Grenzen des zulässigen polizeilichen Lockspitzeleinsatzes nicht überschritten worden. Daher kommt es auf die Frage nicht an, inwieweit eine unzulässige Tatprovokation nur gegenüber einem Täter innerhalb einer Kette von nacheinander hinzugezogenen Mittätern das gesamte Strafverfahren überhaupt derart bemakeln könnte, dass es gegen alle Tatbeteiligte, auch solche, die tatgeneigt und auf die nicht unvertretbar übergewichtig eingewirkt worden war, einzustellen wäre.
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(1) Zwar ist insoweit in Rechnung zu stellen, dass An. nicht vorbestraft war. Für seine Tatgeneigtheit spricht aber, dass seine Einbindung in den Betäubungsmittelhandel durch sein ziel- und gewinnorientiertes Handeln belegt wird. So hatte er mit dem Angeklagten A. in kürzester Zeit einen potenten Ansprechpartner für die Beschaffung der in Aussicht genommenen Größenordnung zur Hand und er selbst behielt 10.000 Euro von auf vier Personen aufzuteilenden 35.000 Euro für sich. Auch auf der Grundlage der Feststellungen lag eine unverhältnismäßige Einwirkung der späteren Vertrauensperson auf An. nicht vor. Dass Letztgenannter sich aus finanziellen Gründen für die Zusage gegenüber der späteren Vertrauensperson entschieden hat, begründet eine solche Annahme nicht, sondern dürfte vielmehr bei Betäubungsmittelgeschäften das vorherrschende Motiv sein. Für eine irgendwie geartete massive Einwirkung, sei es durch Insistieren trotz anfänglicher Ablehnung, das Vorspiegeln einer Notlage der Vertrauensperson (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 10. Juni 2015 – 2 StR 97/14, BGHSt 60, 276 Rn. 27) oder das Ködern durch überzogene Gewinnerwartungen fehlen Anhaltspunkte. Spricht aber eine polizeiliche Vertrauensperson eine betroffene Person ohne sonstige Einwirkung darauf an, ob diese Betäubungsmittel beschaffen könne, handelt es sich nicht um eine Tatprovokation (BGH, Beschlüsse vom 19. Januar 2016 – 4 StR 252/15, NStZ 2016, 232 Rn. 3 und vom 19. Mai 2015 – 1 StR 128/15, BGHSt 60, 238 Rn. 24 f.).
27
(2) Auch aus den Angaben des An. und dem Hinweis auf ein nicht näher spezifiziertes „Drängen“ ergibt sich solches nicht. Allein der Umstand, dass das Ansinnen der späteren Vertrauensperson den Entschluss zur konkreten Tat bei An. „wesentlich mitbestimmt bzw. mithervorgerufen hat“, stellt angesichts seiner zu Tage getretenen Tatgeneigtheit keine rechtsstaatswidrige Tatprovokation dar.
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(3) Dass das Landgericht die Mitwirkung des verdeckten Ermittlers bei der Strafzumessung berücksichtigt hat, belegt gleichfalls nicht, dass es von einer rechtsstaatswidrigen Tatprovokation ausgegangen ist. Denn es ist nicht gehindert , eine solche Mitwirkung auch dann strafmildernd einzustellen, wenn sich diese in rechtstaatlichen Grenzen hält (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juni 1992 – 4 StR 99/92, NStZ 1992, 488).
29
c) Aus den Verfahrensakten ergeben sich keine weiter gehenden Anhaltspunkte für eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation. Der Senat war daher nicht zu weiterer freibeweislicher Aufklärung gedrängt.
30
d) Da danach eine das Recht der Angeklagten auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 6 Abs. 1 EMRK) verletzende Tatprovokation nicht vorliegt, kommt es nicht mehr darauf an, ob und unter welchen Bedingungen daraus ein Verfahrenshindernis resultiert (vgl. hierzu BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 18. Dezember 2014 – 2 BvR 209/14, NJW 2015, 1083 Rn. 43; BGH, Urteil vom 10. Juni 2015 – 2 StR 97/14, BGHSt 60, 276 Rn. 24; Beschluss vom 19. Mai 2015 – 1 StR 128/15, BGHSt 60, 238 Rn. 24 f.). Dabei wäre aber zu beachten, dass aus dem Rechtsstaatsgedanken herzuleitende Verfahrenshindernisse eine seltene Ausnahme darstellen, weil das Rechtsstaatsgebot nicht nur die Belange des Beschuldigten, sondern auch das Interesse an einer der materiellen Gerechtigkeit dienenden Strafverfolgung schützt (BVerfG, Beschluss vom 18. Dezember 2014 – 2 BvR 209/14, NJW 2015, 1083, 1084 ff.; BGH, Beschluss vom 26. Juli 2017 – 3 StR 52/17, ZInsO 2017, 2314).

III.

31
Die weiteren, vom Angeklagten A. erhobenen Verfahrensrügen führen nicht zum Erfolg der Revision.
32
1. Die Rüge einer Verletzung des § 338 Nr. 8 StPO durch die Sitzordnung in der Hauptverhandlung ist unzulässig. Dies gilt bereits deswegen, weil von dem Zwischenrechtsbehelf des § 238 Abs. 2 StPO kein Gebrauch gemacht wurde; dies wäre aber erforderlich gewesen, da eine auf die Sachleitung bezogene Anordnung beanstandet wird (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom 20. September 2016 – 3 StR 84/16, NJW 2017, 181, 182 und vom 20. Januar 2016 – 4 StR 376/15, StV 2016, 771). Die Rüge würde aber auch nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügen. Denn es wird weder vorgetragen , dass der Platz neben dem Angeklagten für seinen Wahlverteidiger freigehalten worden war, der aber nicht erschien, noch, dass der Angeklagte mehrfach in der Hauptverhandlung zum Ausdruck gebracht hatte, mit seiner entfernt sitzenden Pflichtverteidigerin nicht zusammen arbeiten zu wollen. Dies wäre aber erforderlich gewesen, um beurteilen zu können, ob der geltend gemachte Verfahrensfehler vorliegt, da der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 8 StPO nur dann gegeben ist, wenn die Möglichkeit eines kausalen Zusammenhangs zwischen dem Verfahrensverstoß und dem Urteil konkret besteht (vgl. Nachweise bei Gericke in KK-StPO, 7. Aufl., § 338 Rn. 101).
33
2. Soweit von der Revision die „Verletzung von Beweiserhebungspflichten“ beanstandet wird, richtet sich dies einerseits gegen das Unterlassen des Gerichts einem Beweisantrag nachzugehen, andererseits gegen das Unterlassen einer weiteren Aufklärung.
34
a) Der mit der Angriffsrichtung Verletzung des § 244 Abs. 3 StPO erhobenen Rüge liegt ein Antrag des Mitangeklagten An. zugrunde.
35
aa) Jener hatte in der Hauptverhandlung beantragt, die VP namens „R. “, zu der ein früherer Aufenthaltsort in Ma. mitgeteilt wird, zu ver- nehmen. Jene werde bekunden, dass sie dem An. den Vorschlag unterbreitet habe, mit Amphetamingeschäften viel Geld verdienen zu können. Auf den Einwand des An. , in Spanien keine entsprechenden Kontakte zu haben , habe die VP auf Deutschland als Durchführungsort verwiesen. Sie habe dann „drängend“ gefragt, ob An. nicht in Deutschland jemanden für ein solches Amphetamingeschäft kenne, woraufhin An. versprochen habe, sich danach umzuhören. Dadurch werde bewiesen, dass es sich anders abgespielt habe, als in einem Aktenvermerk eines Ermittlungsbeamten niedergelegt. Der Beweisantrag schließt mit dem Bemerken, die „Beweistatsache mag als wahr unterstellt werden“.
36
Nachdem sich das Landgericht vergeblich um die Namhaftmachung bzw. Ladung des Zeugen – auch in Spanien – und die Benennung durch das BadenWürttembergische Innen- und Justizministerium bemüht hatte, lehnte es den Antrag, den es als auf Beweisermittlung zielend angesehen hat, ab. Dabei hat es zum einen darauf abgestellt, dass es in dem Ersuchen um Benennung der VP an das Ministerium bereits sämtliche Gründe dargelegt habe, warum eine Sperrung der VP nicht für notwendig erachtet werde. Dennoch sei trotz Angebots einer Vernehmung unter Ausschluss der Öffentlichkeit oder einer audiovisuellen Vernehmung durch das Innenministerium eine Sperrerklärung erteilt worden. Deswegen sei „ein weiteres – nochmaliges – Zugehen auf das Ministerium“ nicht Erfolg versprechend. Zum anderen sei die Ermittlung der Persona- lien und einer ladungsfähigen Anschrift der VP nach Auskünften des Grundbuchamtes in Ma. und des spanischen Einwohnermeldeamtes sowie der spanischen Polizei gescheitert, so dass keine erfolgversprechenden weiteren Ansatzpunkte zur Ermittlung der Personalien vorlägen.
37
bb) Der Revisionsführer ist der Ansicht, es habe sich um einen Beweisantrag gehandelt, der nicht mit der gegebenen Begründung habe abgelehnt werden dürfen. Vielmehr hätte das Landgericht dem Antrag mit einer Gegenvorstellung gegen die Sperrerklärung des Innenministeriums BadenWürttemberg nachgehen müssen.
38
cc) Losgelöst von der Frage der Rügeberechtigung (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 4. Mai 2011 – 5 StR 124/11, StV 2011, 458; Urteil vom 16. Juni 1983 – 2 StR 837/82, BGHSt 32, 10, 12), erweist sich die Rüge schon aus anderen Gründen als unzulässig. Denn der in dem Beweisantrag des Mitangeklagten in Bezug genommene Aktenvermerk wird nicht vorgetragen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 17. Juli 2014 – 4 StR 78/14, NStZ 2014, 604). Zudem wird die Sperrerklärung für die eingesetzten verdeckten Ermittler nicht vorgetragen, obwohl darauf in der Sperrerklärung betreffend die VP verwiesen wird. Hierdurch wird dem Senat entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht ermöglicht, allein auf der Grundlage des Revisionsvortrags ohne Rückgriff auf die Akten zu prüfen, ob der Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden.
39
b) Aus den aufgezeigten Gründen erweist sich auch die Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht wegen unzureichenden Vortrags als unzulässig.

IV.

40
Die sachlich-rechtliche Überprüfung des Urteils weist zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler auf. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts verwiesen. Keinen Bestand haben kann das Urteil allein insoweit als von der Anordnung der Un- terbringung des Angeklagten O. in der Entziehungsanstalt abgesehen worden ist.
41
1. Das Landgericht hat angenommen, dass der Angeklagte zwar betäubungsmittelabhängig sei, mithin ein Hang im Sinne des § 64 StGB vorliege, aber die Tat nicht auf diesen Hang zurückgehe. Hierzu hat sie darauf abgestellt, dass der Angeklagte im Rotlichtmilieu jederzeit die Möglichkeit gehabt habe, sich Drogen zu beschaffen und erhebliche Geldmittel zur Verfügung gehabt habe. Die Tat sei ein reines Mittel zur Geldbeschaffung und zur Bestreitung des Lebensunterhaltes bzw. der Anhäufung von Gewinnen gewesen.
42
2. Diese Ablehnung eines symptomatischen Zusammenhangs zwischen dem Hang und der Tat begegnet durchgreifenden Bedenken. Die Anordnung einer Maßregel nach § 64 StGB kommt in Betracht, wenn es sich um eine rechtswidrige Tat handelt, die der Täter im Rausch begangen hat oder die auf seinen Hang zurückgeht. Dabei ist die erste Alternative nur ein Unterfall der zweiten, so dass diese den Oberbegriff darstellt. In beiden Fällen muss zwischen der Tat und dem Hang ein ursächlicher Zusammenhang bestehen (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 28. August 2013 – 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75). Dieser Zusammenhang liegt vor, wenn die Tat in dem Hang ihre Wurzel findet. Die konkrete Tat muss also Symptomwert für den Hang des Täters zum Missbrauch von Rauschmitteln haben, indem sich in ihr seine hangbedingte Gefährlichkeit äußert.
43
Ob der Angeklagte die Tat im Rausch begangen hat, nimmt das Landgericht aber bei der Prüfung des symptomatischen Zusammenhangs nicht in den Blick. Zwar hat es – sachverständig beraten – rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit nicht erheblich beeinträchtigt war. Jedoch lassen die Ausführungen, insbesondere die Verweisung auf den entsprechenden Abschnitt der Urteilsgründe, besorgen, dass es rechtsirrig davon ausgegangen ist, ein Rausch im Sinne des § 64 StGB setze eine erhebliche Verminderung des Hemmungsvermögens im Sinne des § 21 StGB voraus. Für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt kommt es aber nicht darauf an, dass zumindest verminderte Schuldfähigkeit des Täters im Sinne des § 21 StGB feststeht. Entscheidend ist allein, dass im Einzelfall im Rausch der Anreiz für die Begehung der Tat liegt (BGH, Urteil vom 12. September 1990 – 1 StR 293/90, NJW 1990, 3282). Das ist vorliegend vom Landgericht nicht geprüft worden und lässt sich angesichts der festgestellten Konsummengen des Angeklagten O. auch nicht ohne weiteres ausschließen. Da sich auch die übrigen Voraussetzungen des § 64 StGB anhand der Urteilsfeststellungen nicht ausschließen lassen, beruht das Urteil auf diesem Fehler. Insbe- sondere ist das Fehlen eines „nachhaltigen Effekts“ einer im Jahre 2008 durch- laufenen viermonatigen Drogenentzugstherapie für sich genommen kein Anlass , das Fehlen einer hinreichenden Erfolgsaussicht zu konstatieren. Denn aus einem einmaligen Rückfall ergibt sich nicht ohne weiteres, dass der Angeklagte auch dieses Mal wieder rückfällig wird (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Oktober 1996 – 4 StR 473/96, NStZ-RR 1997, 131).
44
Die Frage der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bedarf daher – wiederum unter Hinzuziehung eines Sachverständigen – neuer tatrichterlicher Prüfung.

V.

45
Die Kostenentscheidung des Landgerichts betreffend den Angeklagten A. entspricht der Sach- und Rechtslage, weswegen seine Kostenbeschwerde zu verwerfen war.
Raum Jäger Bellay Cirener Hohoff

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

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(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

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Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafprozeßordnung - StPO | § 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen


(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

Strafprozeßordnung - StPO | § 338 Absolute Revisionsgründe


Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen, 1. wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswid

Strafprozeßordnung - StPO | § 238 Verhandlungsleitung


(1) Die Leitung der Verhandlung, die Vernehmung des Angeklagten und die Aufnahme des Beweises erfolgt durch den Vorsitzenden. (2) Wird eine auf die Sachleitung bezügliche Anordnung des Vorsitzenden von einer bei der Verhandlung beteiligten Person

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a) Der Bundesgerichtshof nimmt eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK aufgrund polizeilicher Tatprovokation an, wenn eine unverdächtige und zu- nächst nicht tatgeneigte Person durch eine von einem Amtsträger geführte Vertrauensperson in einer dem Staat zurechenbaren Weise zu einer Straftat verleitet wird und dies zu einem Strafverfahren führt (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 2015 – 2 StR 97/14, NStZ 2016, 52, 54 f., Rn. 24; Beschluss vom 19. Mai 2015 – 1 StR 128/15, NStZ 2015, 541, 544, Rn. 24 f.; Urteil vom 30. Mai 2001 – 1 StR 42/01, BGHSt 47, 44, 47; Urteil vom 18. November 1999 – 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 335). Ein in diesem Sinne tatprovozierendes Verhalten ist gegeben, wenn eine polizeiliche Vertrauensperson in Richtung auf das Wecken der Tatbereitschaft oder eine Intensivierung der Tatplanung mit einiger Erheblichkeit stimulierend auf den Täter einwirkt. Auch bei anfänglich bereits bestehendem Anfangsverdacht kann eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation vorliegen, soweit die Einwirkung im Verhältnis zum Anfangsverdacht „unvertret- bar übergewichtig“ ist(vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 2015 – 2 StR 97/14, NStZ 2016, 52, 54 f., Rn. 24; Beschluss vom 19. Mai 2015 – 1 StR 128/15, NStZ 2015, 541, 544, Rn. 24 f., Urteil vom 11. Dezember 2013 – 5 StR 240/13, NStZ 2014, 277, 279 Rn. 34 mwN). Spricht eine polizeiliche Vertrauensperson eine betroffene Person lediglich ohne sonstige Einwirkung darauf an, ob diese Betäubungsmittel beschaffen könne, handelt es sich nicht um eine Tatprovokation. Ebenso fehlt es an einer Provokation, wenn die Vertrauensperson nur die offen erkennbare Bereitschaft zur Begehung oder Fortsetzung von Straftaten ausnutzt (BGH, Beschluss vom 19. Mai 2015 – 1 StR 128/15, NStZ 2015, 541, 544, Rn. 24 f., Urteil vom 30. Mai 2001 – 1 StR 42/01, BGHSt 47, 44, 47; Urteil vom 18. November 1999 – 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 338). In der Judikatur des Bundesgerichtshofes sind die Kriterien, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte an eine Art. 6 Abs. 1 EMRK verletzende Tatprovokation stellt, berücksichtigt (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 2015 – 1 StR 128/15, NStZ 2015, 541, 544, Rn. 29). Danach liegt eine Art. 6 Abs. 1 EMRK verletzende polizeiliche Provokation vor, wenn sich die Ermittlungsperson nicht mehr auf eine „weitgehend passive“ Strafermittlung beschränkt hat. Der Gerichtshof prüft dabei, ob es objektive Anhaltspunkte für den Verdacht gab, dass der Täter an kriminellen Aktivitäten beteiligt oder tatgeneigt war. Dabei können nach den konkreten Umständen des Einzelfalls die erwiesene Vertrautheit mit aktuellen Preisen von Betäubungsmitteln, die Fähigkeit zu deren kurzfristiger Beschaffung und eine Gewinnbeteiligung des Täters von Bedeutung sein (vgl. EGMR, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 54648/09, NStZ 2015, 412, 414, Rn. 49 ff. mwN). Bei der Differenzierung zwischen einer rechtmäßigen Infiltrierung durch eine Ermittlungsperson und der (konventionswidrigen) Provokation einer Straftat befasst sich der Gerichtshof mit der Frage, ob Druck ausgeübt wurde, die Straftat zu begehen. Dabei hat der Gerichtshof unter anderem darauf abgestellt, ob die Ermittlungsperson von sich aus Kontakt zu dem Täter aufgenommen, ihr Angebot trotz anfänglicher Ablehnung erneuert oder den Täter mit den Marktwert übersteigenden Preisen geködert hat (vgl. EGMR, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 54648/09, NStZ 2015, 412, 414, Rn. 52 mwN).
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2. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt eine staatliche Tatprovokation vor, wenn ein Verdeckter Ermittler (oder eine von einem Amtsträger geführte Vertrauensperson) über das bloße „Mitmachen“ hinaus in Richtung auf eine Weckung der Tatbereitschaft oder eine Intensivierung der Tatplanung mit einiger Erheblichkeit stimulierend auf den Täter einwirkt. Sie ist nur zulässig, wenn diese gegen eine Person eingesetzt wird, die in einem den § 152 Abs. 2, § 160 StPO vergleichbaren Grad verdächtig ist, an einer bereits begangenen Straftat beteiligt gewesen oder zu einer zukünftigen Straftat bereit zu sein (vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 2001 – 1 StR 42/01, BGHSt 47, 44, 47 f.; Urteil vom 18. November 1999 – 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 336 f.). Eine unverdächtige und zunächst nicht tatgeneigte Person darf hingegen nicht in einer dem Staat zurechenbaren Weise zu einer Straftat verleitet werden. Auch bei anfänglich bereits bestehendem Anfangsverdacht kann eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation vorliegen, wenn die Einwirkung auf die Zielperson im Verhältnis zum Anfangsverdacht „unvertretbar übergewichtig“ ist (vgl. BGH, Ur- teil vom 11. Dezember 2013 – 5 StR 240/13, NStZ 2014, 277, 279; Urteil vom 23. Mai 1984 – 1 StR 148/84, BGHSt 32, 345, 346 f.; Senat, Urteil vom 21. September 1983 – 2 StR 370/83, NStZ 1984, 78, 79); im Rahmen der erforderlichen Abwägung sind insbesondere Grundlage und Ausmaß des gegen den Betroffenen bestehenden Verdachts, Art, Intensität und Zweck der Einflussnahme sowie die eigenen, nicht fremdgesteuerten Aktivitäten des Betroffenen in den Blick zu nehmen (vgl. BGH, Urteil vom 23. Mai 1984 - 1 StR 148/84, BGHSt 32, 345, 346 f.; Senat, Urteil vom 21. September 1983 - 2 StR 370/83, NStZ 1984, 78, 79).
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a) Der Bundesgerichtshof nimmt eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK aufgrund polizeilicher Tatprovokation dann an, wenn eine unverdächtige und zunächst nicht tatgeneigte Person durch eine von einem Amtsträger geführte Vertrauensperson in einer dem Staat zurechenbaren Weise zu einer Straftat verleitet wird und dies zu einem Strafverfahren führt (BGH, Urteile vom 30. Mai 2001 – 1 StR 42/01, BGHSt 47, 44, 47; vom 18. November 1999 – 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 335). Ein tatprovozierender Lockspitzel ist ge- geben, wenn eine polizeiliche Vertrauensperson in Richtung auf das Wecken der Tatbereitschaft oder eine Intensivierung der Tatplanung mit einiger Erheb- lichkeit stimulierend auf den Täter einwirkt. Auch bei anfänglich bereits bestehendem Anfangsverdacht kann eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation vorliegen , soweit die Einwirkung im Verhältnis zum Anfangsverdacht "unvertretbar übergewichtig" ist (vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 2013 – 5 StR 240/13, NStZ 2014, 277, 279 Rn. 34 mwN). Spricht eine polizeiliche Vertrauensperson eine betroffene Person lediglich ohne sonstige Einwirkung darauf an, ob diese Betäubungsmittel beschaffen könne, handelt es sich nicht um eine Tatprovokation. Ebenso fehlt es an einer Provokation, wenn die Vertrauensperson nur die offen erkennbare Bereitschaft zur Begehung oder Fortsetzung von Straftaten ausnutzt (BGH, Urteile vom 30. Mai 2001 - 1 StR 42/01, BGHSt 47, 44, 47; vom 18. November 1999 - 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 338).
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a) Der Bundesgerichtshof nimmt eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK aufgrund polizeilicher Tatprovokation an, wenn eine unverdächtige und zu- nächst nicht tatgeneigte Person durch eine von einem Amtsträger geführte Vertrauensperson in einer dem Staat zurechenbaren Weise zu einer Straftat verleitet wird und dies zu einem Strafverfahren führt (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 2015 – 2 StR 97/14, NStZ 2016, 52, 54 f., Rn. 24; Beschluss vom 19. Mai 2015 – 1 StR 128/15, NStZ 2015, 541, 544, Rn. 24 f.; Urteil vom 30. Mai 2001 – 1 StR 42/01, BGHSt 47, 44, 47; Urteil vom 18. November 1999 – 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 335). Ein in diesem Sinne tatprovozierendes Verhalten ist gegeben, wenn eine polizeiliche Vertrauensperson in Richtung auf das Wecken der Tatbereitschaft oder eine Intensivierung der Tatplanung mit einiger Erheblichkeit stimulierend auf den Täter einwirkt. Auch bei anfänglich bereits bestehendem Anfangsverdacht kann eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation vorliegen, soweit die Einwirkung im Verhältnis zum Anfangsverdacht „unvertret- bar übergewichtig“ ist(vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 2015 – 2 StR 97/14, NStZ 2016, 52, 54 f., Rn. 24; Beschluss vom 19. Mai 2015 – 1 StR 128/15, NStZ 2015, 541, 544, Rn. 24 f., Urteil vom 11. Dezember 2013 – 5 StR 240/13, NStZ 2014, 277, 279 Rn. 34 mwN). Spricht eine polizeiliche Vertrauensperson eine betroffene Person lediglich ohne sonstige Einwirkung darauf an, ob diese Betäubungsmittel beschaffen könne, handelt es sich nicht um eine Tatprovokation. Ebenso fehlt es an einer Provokation, wenn die Vertrauensperson nur die offen erkennbare Bereitschaft zur Begehung oder Fortsetzung von Straftaten ausnutzt (BGH, Beschluss vom 19. Mai 2015 – 1 StR 128/15, NStZ 2015, 541, 544, Rn. 24 f., Urteil vom 30. Mai 2001 – 1 StR 42/01, BGHSt 47, 44, 47; Urteil vom 18. November 1999 – 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 338). In der Judikatur des Bundesgerichtshofes sind die Kriterien, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte an eine Art. 6 Abs. 1 EMRK verletzende Tatprovokation stellt, berücksichtigt (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 2015 – 1 StR 128/15, NStZ 2015, 541, 544, Rn. 29). Danach liegt eine Art. 6 Abs. 1 EMRK verletzende polizeiliche Provokation vor, wenn sich die Ermittlungsperson nicht mehr auf eine „weitgehend passive“ Strafermittlung beschränkt hat. Der Gerichtshof prüft dabei, ob es objektive Anhaltspunkte für den Verdacht gab, dass der Täter an kriminellen Aktivitäten beteiligt oder tatgeneigt war. Dabei können nach den konkreten Umständen des Einzelfalls die erwiesene Vertrautheit mit aktuellen Preisen von Betäubungsmitteln, die Fähigkeit zu deren kurzfristiger Beschaffung und eine Gewinnbeteiligung des Täters von Bedeutung sein (vgl. EGMR, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 54648/09, NStZ 2015, 412, 414, Rn. 49 ff. mwN). Bei der Differenzierung zwischen einer rechtmäßigen Infiltrierung durch eine Ermittlungsperson und der (konventionswidrigen) Provokation einer Straftat befasst sich der Gerichtshof mit der Frage, ob Druck ausgeübt wurde, die Straftat zu begehen. Dabei hat der Gerichtshof unter anderem darauf abgestellt, ob die Ermittlungsperson von sich aus Kontakt zu dem Täter aufgenommen, ihr Angebot trotz anfänglicher Ablehnung erneuert oder den Täter mit den Marktwert übersteigenden Preisen geködert hat (vgl. EGMR, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 54648/09, NStZ 2015, 412, 414, Rn. 52 mwN).
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2. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt eine staatliche Tatprovokation vor, wenn ein Verdeckter Ermittler (oder eine von einem Amtsträger geführte Vertrauensperson) über das bloße „Mitmachen“ hinaus in Richtung auf eine Weckung der Tatbereitschaft oder eine Intensivierung der Tatplanung mit einiger Erheblichkeit stimulierend auf den Täter einwirkt. Sie ist nur zulässig, wenn diese gegen eine Person eingesetzt wird, die in einem den § 152 Abs. 2, § 160 StPO vergleichbaren Grad verdächtig ist, an einer bereits begangenen Straftat beteiligt gewesen oder zu einer zukünftigen Straftat bereit zu sein (vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 2001 – 1 StR 42/01, BGHSt 47, 44, 47 f.; Urteil vom 18. November 1999 – 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 336 f.). Eine unverdächtige und zunächst nicht tatgeneigte Person darf hingegen nicht in einer dem Staat zurechenbaren Weise zu einer Straftat verleitet werden. Auch bei anfänglich bereits bestehendem Anfangsverdacht kann eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation vorliegen, wenn die Einwirkung auf die Zielperson im Verhältnis zum Anfangsverdacht „unvertretbar übergewichtig“ ist (vgl. BGH, Ur- teil vom 11. Dezember 2013 – 5 StR 240/13, NStZ 2014, 277, 279; Urteil vom 23. Mai 1984 – 1 StR 148/84, BGHSt 32, 345, 346 f.; Senat, Urteil vom 21. September 1983 – 2 StR 370/83, NStZ 1984, 78, 79); im Rahmen der erforderlichen Abwägung sind insbesondere Grundlage und Ausmaß des gegen den Betroffenen bestehenden Verdachts, Art, Intensität und Zweck der Einflussnahme sowie die eigenen, nicht fremdgesteuerten Aktivitäten des Betroffenen in den Blick zu nehmen (vgl. BGH, Urteil vom 23. Mai 1984 - 1 StR 148/84, BGHSt 32, 345, 346 f.; Senat, Urteil vom 21. September 1983 - 2 StR 370/83, NStZ 1984, 78, 79).
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a) Der Bundesgerichtshof nimmt eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK aufgrund polizeilicher Tatprovokation dann an, wenn eine unverdächtige und zunächst nicht tatgeneigte Person durch eine von einem Amtsträger geführte Vertrauensperson in einer dem Staat zurechenbaren Weise zu einer Straftat verleitet wird und dies zu einem Strafverfahren führt (BGH, Urteile vom 30. Mai 2001 – 1 StR 42/01, BGHSt 47, 44, 47; vom 18. November 1999 – 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 335). Ein tatprovozierender Lockspitzel ist ge- geben, wenn eine polizeiliche Vertrauensperson in Richtung auf das Wecken der Tatbereitschaft oder eine Intensivierung der Tatplanung mit einiger Erheb- lichkeit stimulierend auf den Täter einwirkt. Auch bei anfänglich bereits bestehendem Anfangsverdacht kann eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation vorliegen , soweit die Einwirkung im Verhältnis zum Anfangsverdacht "unvertretbar übergewichtig" ist (vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 2013 – 5 StR 240/13, NStZ 2014, 277, 279 Rn. 34 mwN). Spricht eine polizeiliche Vertrauensperson eine betroffene Person lediglich ohne sonstige Einwirkung darauf an, ob diese Betäubungsmittel beschaffen könne, handelt es sich nicht um eine Tatprovokation. Ebenso fehlt es an einer Provokation, wenn die Vertrauensperson nur die offen erkennbare Bereitschaft zur Begehung oder Fortsetzung von Straftaten ausnutzt (BGH, Urteile vom 30. Mai 2001 - 1 StR 42/01, BGHSt 47, 44, 47; vom 18. November 1999 - 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 338).
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2. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt eine staatliche Tatprovokation vor, wenn ein Verdeckter Ermittler (oder eine von einem Amtsträger geführte Vertrauensperson) über das bloße „Mitmachen“ hinaus in Richtung auf eine Weckung der Tatbereitschaft oder eine Intensivierung der Tatplanung mit einiger Erheblichkeit stimulierend auf den Täter einwirkt. Sie ist nur zulässig, wenn diese gegen eine Person eingesetzt wird, die in einem den § 152 Abs. 2, § 160 StPO vergleichbaren Grad verdächtig ist, an einer bereits begangenen Straftat beteiligt gewesen oder zu einer zukünftigen Straftat bereit zu sein (vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 2001 – 1 StR 42/01, BGHSt 47, 44, 47 f.; Urteil vom 18. November 1999 – 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 336 f.). Eine unverdächtige und zunächst nicht tatgeneigte Person darf hingegen nicht in einer dem Staat zurechenbaren Weise zu einer Straftat verleitet werden. Auch bei anfänglich bereits bestehendem Anfangsverdacht kann eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation vorliegen, wenn die Einwirkung auf die Zielperson im Verhältnis zum Anfangsverdacht „unvertretbar übergewichtig“ ist (vgl. BGH, Ur- teil vom 11. Dezember 2013 – 5 StR 240/13, NStZ 2014, 277, 279; Urteil vom 23. Mai 1984 – 1 StR 148/84, BGHSt 32, 345, 346 f.; Senat, Urteil vom 21. September 1983 – 2 StR 370/83, NStZ 1984, 78, 79); im Rahmen der erforderlichen Abwägung sind insbesondere Grundlage und Ausmaß des gegen den Betroffenen bestehenden Verdachts, Art, Intensität und Zweck der Einflussnahme sowie die eigenen, nicht fremdgesteuerten Aktivitäten des Betroffenen in den Blick zu nehmen (vgl. BGH, Urteil vom 23. Mai 1984 - 1 StR 148/84, BGHSt 32, 345, 346 f.; Senat, Urteil vom 21. September 1983 - 2 StR 370/83, NStZ 1984, 78, 79).
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a) Der Bundesgerichtshof nimmt eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK aufgrund polizeilicher Tatprovokation an, wenn eine unverdächtige und zu- nächst nicht tatgeneigte Person durch eine von einem Amtsträger geführte Vertrauensperson in einer dem Staat zurechenbaren Weise zu einer Straftat verleitet wird und dies zu einem Strafverfahren führt (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 2015 – 2 StR 97/14, NStZ 2016, 52, 54 f., Rn. 24; Beschluss vom 19. Mai 2015 – 1 StR 128/15, NStZ 2015, 541, 544, Rn. 24 f.; Urteil vom 30. Mai 2001 – 1 StR 42/01, BGHSt 47, 44, 47; Urteil vom 18. November 1999 – 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 335). Ein in diesem Sinne tatprovozierendes Verhalten ist gegeben, wenn eine polizeiliche Vertrauensperson in Richtung auf das Wecken der Tatbereitschaft oder eine Intensivierung der Tatplanung mit einiger Erheblichkeit stimulierend auf den Täter einwirkt. Auch bei anfänglich bereits bestehendem Anfangsverdacht kann eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation vorliegen, soweit die Einwirkung im Verhältnis zum Anfangsverdacht „unvertret- bar übergewichtig“ ist(vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 2015 – 2 StR 97/14, NStZ 2016, 52, 54 f., Rn. 24; Beschluss vom 19. Mai 2015 – 1 StR 128/15, NStZ 2015, 541, 544, Rn. 24 f., Urteil vom 11. Dezember 2013 – 5 StR 240/13, NStZ 2014, 277, 279 Rn. 34 mwN). Spricht eine polizeiliche Vertrauensperson eine betroffene Person lediglich ohne sonstige Einwirkung darauf an, ob diese Betäubungsmittel beschaffen könne, handelt es sich nicht um eine Tatprovokation. Ebenso fehlt es an einer Provokation, wenn die Vertrauensperson nur die offen erkennbare Bereitschaft zur Begehung oder Fortsetzung von Straftaten ausnutzt (BGH, Beschluss vom 19. Mai 2015 – 1 StR 128/15, NStZ 2015, 541, 544, Rn. 24 f., Urteil vom 30. Mai 2001 – 1 StR 42/01, BGHSt 47, 44, 47; Urteil vom 18. November 1999 – 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 338). In der Judikatur des Bundesgerichtshofes sind die Kriterien, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte an eine Art. 6 Abs. 1 EMRK verletzende Tatprovokation stellt, berücksichtigt (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 2015 – 1 StR 128/15, NStZ 2015, 541, 544, Rn. 29). Danach liegt eine Art. 6 Abs. 1 EMRK verletzende polizeiliche Provokation vor, wenn sich die Ermittlungsperson nicht mehr auf eine „weitgehend passive“ Strafermittlung beschränkt hat. Der Gerichtshof prüft dabei, ob es objektive Anhaltspunkte für den Verdacht gab, dass der Täter an kriminellen Aktivitäten beteiligt oder tatgeneigt war. Dabei können nach den konkreten Umständen des Einzelfalls die erwiesene Vertrautheit mit aktuellen Preisen von Betäubungsmitteln, die Fähigkeit zu deren kurzfristiger Beschaffung und eine Gewinnbeteiligung des Täters von Bedeutung sein (vgl. EGMR, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 54648/09, NStZ 2015, 412, 414, Rn. 49 ff. mwN). Bei der Differenzierung zwischen einer rechtmäßigen Infiltrierung durch eine Ermittlungsperson und der (konventionswidrigen) Provokation einer Straftat befasst sich der Gerichtshof mit der Frage, ob Druck ausgeübt wurde, die Straftat zu begehen. Dabei hat der Gerichtshof unter anderem darauf abgestellt, ob die Ermittlungsperson von sich aus Kontakt zu dem Täter aufgenommen, ihr Angebot trotz anfänglicher Ablehnung erneuert oder den Täter mit den Marktwert übersteigenden Preisen geködert hat (vgl. EGMR, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 54648/09, NStZ 2015, 412, 414, Rn. 52 mwN).
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a) Der Bundesgerichtshof nimmt eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK aufgrund polizeilicher Tatprovokation dann an, wenn eine unverdächtige und zunächst nicht tatgeneigte Person durch eine von einem Amtsträger geführte Vertrauensperson in einer dem Staat zurechenbaren Weise zu einer Straftat verleitet wird und dies zu einem Strafverfahren führt (BGH, Urteile vom 30. Mai 2001 – 1 StR 42/01, BGHSt 47, 44, 47; vom 18. November 1999 – 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 335). Ein tatprovozierender Lockspitzel ist ge- geben, wenn eine polizeiliche Vertrauensperson in Richtung auf das Wecken der Tatbereitschaft oder eine Intensivierung der Tatplanung mit einiger Erheb- lichkeit stimulierend auf den Täter einwirkt. Auch bei anfänglich bereits bestehendem Anfangsverdacht kann eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation vorliegen , soweit die Einwirkung im Verhältnis zum Anfangsverdacht "unvertretbar übergewichtig" ist (vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 2013 – 5 StR 240/13, NStZ 2014, 277, 279 Rn. 34 mwN). Spricht eine polizeiliche Vertrauensperson eine betroffene Person lediglich ohne sonstige Einwirkung darauf an, ob diese Betäubungsmittel beschaffen könne, handelt es sich nicht um eine Tatprovokation. Ebenso fehlt es an einer Provokation, wenn die Vertrauensperson nur die offen erkennbare Bereitschaft zur Begehung oder Fortsetzung von Straftaten ausnutzt (BGH, Urteile vom 30. Mai 2001 - 1 StR 42/01, BGHSt 47, 44, 47; vom 18. November 1999 - 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 338).
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a) Der Bundesgerichtshof nimmt eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK aufgrund polizeilicher Tatprovokation an, wenn eine unverdächtige und zu- nächst nicht tatgeneigte Person durch eine von einem Amtsträger geführte Vertrauensperson in einer dem Staat zurechenbaren Weise zu einer Straftat verleitet wird und dies zu einem Strafverfahren führt (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 2015 – 2 StR 97/14, NStZ 2016, 52, 54 f., Rn. 24; Beschluss vom 19. Mai 2015 – 1 StR 128/15, NStZ 2015, 541, 544, Rn. 24 f.; Urteil vom 30. Mai 2001 – 1 StR 42/01, BGHSt 47, 44, 47; Urteil vom 18. November 1999 – 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 335). Ein in diesem Sinne tatprovozierendes Verhalten ist gegeben, wenn eine polizeiliche Vertrauensperson in Richtung auf das Wecken der Tatbereitschaft oder eine Intensivierung der Tatplanung mit einiger Erheblichkeit stimulierend auf den Täter einwirkt. Auch bei anfänglich bereits bestehendem Anfangsverdacht kann eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation vorliegen, soweit die Einwirkung im Verhältnis zum Anfangsverdacht „unvertret- bar übergewichtig“ ist(vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 2015 – 2 StR 97/14, NStZ 2016, 52, 54 f., Rn. 24; Beschluss vom 19. Mai 2015 – 1 StR 128/15, NStZ 2015, 541, 544, Rn. 24 f., Urteil vom 11. Dezember 2013 – 5 StR 240/13, NStZ 2014, 277, 279 Rn. 34 mwN). Spricht eine polizeiliche Vertrauensperson eine betroffene Person lediglich ohne sonstige Einwirkung darauf an, ob diese Betäubungsmittel beschaffen könne, handelt es sich nicht um eine Tatprovokation. Ebenso fehlt es an einer Provokation, wenn die Vertrauensperson nur die offen erkennbare Bereitschaft zur Begehung oder Fortsetzung von Straftaten ausnutzt (BGH, Beschluss vom 19. Mai 2015 – 1 StR 128/15, NStZ 2015, 541, 544, Rn. 24 f., Urteil vom 30. Mai 2001 – 1 StR 42/01, BGHSt 47, 44, 47; Urteil vom 18. November 1999 – 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 338). In der Judikatur des Bundesgerichtshofes sind die Kriterien, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte an eine Art. 6 Abs. 1 EMRK verletzende Tatprovokation stellt, berücksichtigt (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 2015 – 1 StR 128/15, NStZ 2015, 541, 544, Rn. 29). Danach liegt eine Art. 6 Abs. 1 EMRK verletzende polizeiliche Provokation vor, wenn sich die Ermittlungsperson nicht mehr auf eine „weitgehend passive“ Strafermittlung beschränkt hat. Der Gerichtshof prüft dabei, ob es objektive Anhaltspunkte für den Verdacht gab, dass der Täter an kriminellen Aktivitäten beteiligt oder tatgeneigt war. Dabei können nach den konkreten Umständen des Einzelfalls die erwiesene Vertrautheit mit aktuellen Preisen von Betäubungsmitteln, die Fähigkeit zu deren kurzfristiger Beschaffung und eine Gewinnbeteiligung des Täters von Bedeutung sein (vgl. EGMR, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 54648/09, NStZ 2015, 412, 414, Rn. 49 ff. mwN). Bei der Differenzierung zwischen einer rechtmäßigen Infiltrierung durch eine Ermittlungsperson und der (konventionswidrigen) Provokation einer Straftat befasst sich der Gerichtshof mit der Frage, ob Druck ausgeübt wurde, die Straftat zu begehen. Dabei hat der Gerichtshof unter anderem darauf abgestellt, ob die Ermittlungsperson von sich aus Kontakt zu dem Täter aufgenommen, ihr Angebot trotz anfänglicher Ablehnung erneuert oder den Täter mit den Marktwert übersteigenden Preisen geködert hat (vgl. EGMR, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 54648/09, NStZ 2015, 412, 414, Rn. 52 mwN).
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2. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt eine staatliche Tatprovokation vor, wenn ein Verdeckter Ermittler (oder eine von einem Amtsträger geführte Vertrauensperson) über das bloße „Mitmachen“ hinaus in Richtung auf eine Weckung der Tatbereitschaft oder eine Intensivierung der Tatplanung mit einiger Erheblichkeit stimulierend auf den Täter einwirkt. Sie ist nur zulässig, wenn diese gegen eine Person eingesetzt wird, die in einem den § 152 Abs. 2, § 160 StPO vergleichbaren Grad verdächtig ist, an einer bereits begangenen Straftat beteiligt gewesen oder zu einer zukünftigen Straftat bereit zu sein (vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 2001 – 1 StR 42/01, BGHSt 47, 44, 47 f.; Urteil vom 18. November 1999 – 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 336 f.). Eine unverdächtige und zunächst nicht tatgeneigte Person darf hingegen nicht in einer dem Staat zurechenbaren Weise zu einer Straftat verleitet werden. Auch bei anfänglich bereits bestehendem Anfangsverdacht kann eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation vorliegen, wenn die Einwirkung auf die Zielperson im Verhältnis zum Anfangsverdacht „unvertretbar übergewichtig“ ist (vgl. BGH, Ur- teil vom 11. Dezember 2013 – 5 StR 240/13, NStZ 2014, 277, 279; Urteil vom 23. Mai 1984 – 1 StR 148/84, BGHSt 32, 345, 346 f.; Senat, Urteil vom 21. September 1983 – 2 StR 370/83, NStZ 1984, 78, 79); im Rahmen der erforderlichen Abwägung sind insbesondere Grundlage und Ausmaß des gegen den Betroffenen bestehenden Verdachts, Art, Intensität und Zweck der Einflussnahme sowie die eigenen, nicht fremdgesteuerten Aktivitäten des Betroffenen in den Blick zu nehmen (vgl. BGH, Urteil vom 23. Mai 1984 - 1 StR 148/84, BGHSt 32, 345, 346 f.; Senat, Urteil vom 21. September 1983 - 2 StR 370/83, NStZ 1984, 78, 79).
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a) Der Bundesgerichtshof nimmt eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK aufgrund polizeilicher Tatprovokation an, wenn eine unverdächtige und zu- nächst nicht tatgeneigte Person durch eine von einem Amtsträger geführte Vertrauensperson in einer dem Staat zurechenbaren Weise zu einer Straftat verleitet wird und dies zu einem Strafverfahren führt (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 2015 – 2 StR 97/14, NStZ 2016, 52, 54 f., Rn. 24; Beschluss vom 19. Mai 2015 – 1 StR 128/15, NStZ 2015, 541, 544, Rn. 24 f.; Urteil vom 30. Mai 2001 – 1 StR 42/01, BGHSt 47, 44, 47; Urteil vom 18. November 1999 – 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 335). Ein in diesem Sinne tatprovozierendes Verhalten ist gegeben, wenn eine polizeiliche Vertrauensperson in Richtung auf das Wecken der Tatbereitschaft oder eine Intensivierung der Tatplanung mit einiger Erheblichkeit stimulierend auf den Täter einwirkt. Auch bei anfänglich bereits bestehendem Anfangsverdacht kann eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation vorliegen, soweit die Einwirkung im Verhältnis zum Anfangsverdacht „unvertret- bar übergewichtig“ ist(vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 2015 – 2 StR 97/14, NStZ 2016, 52, 54 f., Rn. 24; Beschluss vom 19. Mai 2015 – 1 StR 128/15, NStZ 2015, 541, 544, Rn. 24 f., Urteil vom 11. Dezember 2013 – 5 StR 240/13, NStZ 2014, 277, 279 Rn. 34 mwN). Spricht eine polizeiliche Vertrauensperson eine betroffene Person lediglich ohne sonstige Einwirkung darauf an, ob diese Betäubungsmittel beschaffen könne, handelt es sich nicht um eine Tatprovokation. Ebenso fehlt es an einer Provokation, wenn die Vertrauensperson nur die offen erkennbare Bereitschaft zur Begehung oder Fortsetzung von Straftaten ausnutzt (BGH, Beschluss vom 19. Mai 2015 – 1 StR 128/15, NStZ 2015, 541, 544, Rn. 24 f., Urteil vom 30. Mai 2001 – 1 StR 42/01, BGHSt 47, 44, 47; Urteil vom 18. November 1999 – 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 338). In der Judikatur des Bundesgerichtshofes sind die Kriterien, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte an eine Art. 6 Abs. 1 EMRK verletzende Tatprovokation stellt, berücksichtigt (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 2015 – 1 StR 128/15, NStZ 2015, 541, 544, Rn. 29). Danach liegt eine Art. 6 Abs. 1 EMRK verletzende polizeiliche Provokation vor, wenn sich die Ermittlungsperson nicht mehr auf eine „weitgehend passive“ Strafermittlung beschränkt hat. Der Gerichtshof prüft dabei, ob es objektive Anhaltspunkte für den Verdacht gab, dass der Täter an kriminellen Aktivitäten beteiligt oder tatgeneigt war. Dabei können nach den konkreten Umständen des Einzelfalls die erwiesene Vertrautheit mit aktuellen Preisen von Betäubungsmitteln, die Fähigkeit zu deren kurzfristiger Beschaffung und eine Gewinnbeteiligung des Täters von Bedeutung sein (vgl. EGMR, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 54648/09, NStZ 2015, 412, 414, Rn. 49 ff. mwN). Bei der Differenzierung zwischen einer rechtmäßigen Infiltrierung durch eine Ermittlungsperson und der (konventionswidrigen) Provokation einer Straftat befasst sich der Gerichtshof mit der Frage, ob Druck ausgeübt wurde, die Straftat zu begehen. Dabei hat der Gerichtshof unter anderem darauf abgestellt, ob die Ermittlungsperson von sich aus Kontakt zu dem Täter aufgenommen, ihr Angebot trotz anfänglicher Ablehnung erneuert oder den Täter mit den Marktwert übersteigenden Preisen geködert hat (vgl. EGMR, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 54648/09, NStZ 2015, 412, 414, Rn. 52 mwN).

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

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2. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt eine staatliche Tatprovokation vor, wenn ein Verdeckter Ermittler (oder eine von einem Amtsträger geführte Vertrauensperson) über das bloße „Mitmachen“ hinaus in Richtung auf eine Weckung der Tatbereitschaft oder eine Intensivierung der Tatplanung mit einiger Erheblichkeit stimulierend auf den Täter einwirkt. Sie ist nur zulässig, wenn diese gegen eine Person eingesetzt wird, die in einem den § 152 Abs. 2, § 160 StPO vergleichbaren Grad verdächtig ist, an einer bereits begangenen Straftat beteiligt gewesen oder zu einer zukünftigen Straftat bereit zu sein (vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 2001 – 1 StR 42/01, BGHSt 47, 44, 47 f.; Urteil vom 18. November 1999 – 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 336 f.). Eine unverdächtige und zunächst nicht tatgeneigte Person darf hingegen nicht in einer dem Staat zurechenbaren Weise zu einer Straftat verleitet werden. Auch bei anfänglich bereits bestehendem Anfangsverdacht kann eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation vorliegen, wenn die Einwirkung auf die Zielperson im Verhältnis zum Anfangsverdacht „unvertretbar übergewichtig“ ist (vgl. BGH, Ur- teil vom 11. Dezember 2013 – 5 StR 240/13, NStZ 2014, 277, 279; Urteil vom 23. Mai 1984 – 1 StR 148/84, BGHSt 32, 345, 346 f.; Senat, Urteil vom 21. September 1983 – 2 StR 370/83, NStZ 1984, 78, 79); im Rahmen der erforderlichen Abwägung sind insbesondere Grundlage und Ausmaß des gegen den Betroffenen bestehenden Verdachts, Art, Intensität und Zweck der Einflussnahme sowie die eigenen, nicht fremdgesteuerten Aktivitäten des Betroffenen in den Blick zu nehmen (vgl. BGH, Urteil vom 23. Mai 1984 - 1 StR 148/84, BGHSt 32, 345, 346 f.; Senat, Urteil vom 21. September 1983 - 2 StR 370/83, NStZ 1984, 78, 79).
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a) Der Bundesgerichtshof nimmt eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK aufgrund polizeilicher Tatprovokation dann an, wenn eine unverdächtige und zunächst nicht tatgeneigte Person durch eine von einem Amtsträger geführte Vertrauensperson in einer dem Staat zurechenbaren Weise zu einer Straftat verleitet wird und dies zu einem Strafverfahren führt (BGH, Urteile vom 30. Mai 2001 – 1 StR 42/01, BGHSt 47, 44, 47; vom 18. November 1999 – 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 335). Ein tatprovozierender Lockspitzel ist ge- geben, wenn eine polizeiliche Vertrauensperson in Richtung auf das Wecken der Tatbereitschaft oder eine Intensivierung der Tatplanung mit einiger Erheb- lichkeit stimulierend auf den Täter einwirkt. Auch bei anfänglich bereits bestehendem Anfangsverdacht kann eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation vorliegen , soweit die Einwirkung im Verhältnis zum Anfangsverdacht "unvertretbar übergewichtig" ist (vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 2013 – 5 StR 240/13, NStZ 2014, 277, 279 Rn. 34 mwN). Spricht eine polizeiliche Vertrauensperson eine betroffene Person lediglich ohne sonstige Einwirkung darauf an, ob diese Betäubungsmittel beschaffen könne, handelt es sich nicht um eine Tatprovokation. Ebenso fehlt es an einer Provokation, wenn die Vertrauensperson nur die offen erkennbare Bereitschaft zur Begehung oder Fortsetzung von Straftaten ausnutzt (BGH, Urteile vom 30. Mai 2001 - 1 StR 42/01, BGHSt 47, 44, 47; vom 18. November 1999 - 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 338).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 52/17
vom
26. Juli 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
ECLI:DE:BGH:2017:260717B3STR52.17.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 26. Juli 2017 einstimmig beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil desLandgerichts Duisburg vom 16. August 2016 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Ergänzend bemerkt der Senat: Die Rüge, § 97 Abs. 1 Satz 3 InsO sei verletzt, greift nicht durch. Entgegen der Auffassung der Revision, die sich insoweit auf eine Entscheidung des Landgerichts Potsdam stützt (Beschluss vom 24. April 2007 - 27 Ns 23/06, StV 2014, 407), hat ein Verstoß gegen das in dieser Vorschrift geregelte Verwendungsverbot kein Verfahrenshindernis zur Folge. Vielmehr ist ein solcher Verfahrensfehler in der Revision mit der Verfahrensrüge geltend zu machen. Eine zulässige Verfahrensrüge liegt indessen nicht vor. Im Einzelnen: 1. Ein Verfahrenshindernis nimmt die Rechtsprechung nur unter solchen Umständen an, die es ausschließen, dass über einen Prozessgegenstand mit dem Ziel einer Sachentscheidung verhandelt werden darf. Diese müssen in Ansehung der im Rahmen des Rechtsstaatsprinzips zu beachtenden Funktionsfähigkeit der Strafrechtspflege so schwer wiegen, dass von ihrem (Nicht-)Vorhandensein die Zulässigkeit des gesamten Verfahrens abhängt. Das ist bei Verfahrensfehlern in der Regel nicht der Fall. Aus dem Rechtsstaatsgedanken herzuleitende Verfahrenshindernisse stellen vielmehr eine seltene Ausnahme dar, weil das Rechtsstaatsgebot nicht nur die Belange des Beschuldigten , sondern auch das Interesse an einer der materiellen Gerechtigkeit dienenden Strafverfolgung schützt (BVerfG, Beschluss vom 18. Dezember 2014 - 2 BvR 209/14, NJW 2015, 1083, 1084 ff.).
Hiernach hat auch ein Verstoß gegen das Verwendungsverbot nach § 97 Abs. 1 Satz 3 InsO kein Verfahrenshindernis zur Folge. Auch wenn dieses weiter reicht als das - vom Gesetzgeber ursprünglich vorgesehene - Verwertungsverbot , da nach dem Willen des Gesetzgebers eine Auskunft des Schuldners auch nicht Ansatz für weitere Ermittlungen sein darf (vgl. BT-Drucks. 12/2443 S. 142; BT-Drucks. 12/7302 S. 166), führt eine Verletzung der Regelung nicht zu einem Verfahrenshindernis. Dies gilt selbst dann, wenn das Verwendungsverbot eine Fernwirkung hinsichtlich der Verwertung aller aufgrund von Auskünften des Schuldners nach § 97 Abs. 1 Sätze 1 und 2 InsO gewonnener Erkenntnisse entfalten sollte (so die überwiegende Literatur: MüKoInsO/Stephan, 3. Aufl., § 97 Rn. 16; FK-InsO/Wimmer-Amend, 8. Aufl., § 97 Rn. 16; KPB/Lüke, InsO, 71. Lfg., § 97 Rn. 4 f.; HK-InsO/Schmidt, 8. Aufl., § 97 Rn. 16; Schilken in Jäger, InsO, § 97 Rn. 23; HambKomm/Herchen, 6. Aufl., § 97 InsO Rn. 15; vgl. auch Landgericht Stuttgart, Beschluss vom 21. Juli 2000 - 11 Qs 46/2000, wistra 2000, 439; krit. Uhlenbruck/Zipperer, 14. Aufl., § 97 InsO Rn. 10; vgl.
auch Rogall in Festschrift Kohlmann, 2003, S. 465, 481 ff.). Denn mögliche Verletzungen anderer Beweisverwertungsverbote, bei denen die Rechtsprechung eine Fernwirkung bejaht hat, sind ebenfalls nur auf eine Verfahrensrüge hin zu prüfen (vgl. BGH, Urteil vom 18. April 1980 - 2 StR 731/79, BGHSt 29, 244, juris Rn. 4 ff.). Auch Verletzungen der ähnlich ausgestalteten und dieselben Schutzzwecke verfolgenden Regelung des § 393 Abs. 2 AO, wonach Tatsachen oder Beweismittel, die den Strafverfolgungsbehörden aus Steuerakten bekannt werden , dann nicht für die Verfolgung anderer als Steuerstraftaten "verwendet" werden dürfen, wenn der Steuerpflichtige sie vor Einleitung des Strafverfahrens oder in dessen Unkenntnis in Erfüllung steuerrechtlicher Pflichten offenbart hat, sind nach ganz herrschender Meinung mit der Verfahrensrüge geltend zu machen (vgl. BGH, Urteile vom 16. April 2014 - 1 StR 516/13, juris Rn. 32 ff.; vom 13. Oktober 1992 - 5 StR 253/92, NStZ 1993, 87 f.; ferner Beschluss vom 16. Juni 2006 - 5 StR 118/05, NJW 2005, 2723, 2725; Erbs/Kohlhaas/Hadamitzky/Senge, 200. EL, AO, § 393 Rn. 11; HilgersKlautzsch in Kohlmann, Steuerstrafrecht, 48. Lfg., § 393 AO Rn. 227).
Schließlich wiegt eine Verletzung des § 97 Abs. 1 Satz 3 InsO auch dann nicht so schwer, dass von ihr die Zulässigkeit des Verfahrens im Ganzen abhängen muss, wenn das Gewicht der Verwendung selbstbelastender Angaben des Insolvenzschuldners mit den Fällen des § 136a StPO gleichzusetzen wäre, da diese Vorschrift ausdrücklich lediglich ein Verwertungsverbot vorsieht (§ 136a Abs. 3 Satz 2 StPO). Auch sonst folgt aus einer Verletzung des Nemotenetur -Prinzips kein Verfahrenshindernis, sondern allenfalls ein Verwertungsverbot , welches mit einer Verfahrensrüge geltend gemacht werden muss (vgl. Rogall in Festschrift Kohlmann, 2003, S. 465, 485 f.; SK-StPO/Rogall, 5. Aufl., Vor § 133 Rn. 162 ff.). Entsprechend hat die Rechtsprechung selbst bei schwerwiegenden Verstößen gegen Verfahrensvorschriften grundsätzlich kein Verfahrenshindernis, sondern ein Verwertungsverbot angenommen (vgl. zum Ganzen auch BGH, Urteile vom 6. September 2016 - 1 StR 104/15, wistra 2017, 193, 195; vom 18. November 1999 - 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 334; vom 23. Mai 1984 - 1 StR 148/84, BGHSt 32, 345, 350 f., jeweils mwN).
2. Soweit die Revision eine Verletzung des § 97 Abs. 1 Satz 3 InsO mit der Verfahrensrüge geltend macht, ist diese aus den zutreffenden Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts unzulässig.
Becker RiBGH Dr. Schäfer befindet Spaniol sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Berg Hoch

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

(1) Die Leitung der Verhandlung, die Vernehmung des Angeklagten und die Aufnahme des Beweises erfolgt durch den Vorsitzenden.

(2) Wird eine auf die Sachleitung bezügliche Anordnung des Vorsitzenden von einer bei der Verhandlung beteiligten Person als unzulässig beanstandet, so entscheidet das Gericht.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 84/16
vom
20. September 2016
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: nein
BGHR: ja
Veröffentlichung: ja
§ 247a Abs. 1 StPO gestattet die einzig zulässige Art und Weise der Videovernehmung
eines Zeugen in der Hauptverhandlung (sog. Englisches Modell). Andere
Formen der audiovisuellen Zeugenvernehmung, insbesondere solche, bei
denen der Vorsitzende des Gerichts sich mit dem Zeugen außerhalb des
Sitzungszimmers befindet und diesen dort befragt (sog. Mainzer Modell), sind
nicht zulässig.
BGH, Beschluss vom 20. September 2016 - 3 StR 84/16 - LG Lüneburg
ECLI:DE:BGH:2016:200916B3STR84.16.0

in der Strafsache gegen

alias: alias:

wegen Mordes
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 20. September 2016 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 17. September 2015 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in zwei Fällen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt und die besondere Schwere der Schuld bejaht. Nach den von der Strafkammer getroffenen Feststellungen tötete der Angeklagte, ein Kurde jesidischen Glaubens , seine Ehefrau und deren Freundin jeweils mit zahlreichen Messerstichen. Hintergrund der Tat war der Umstand, dass der Angeklagte einen Religionswechsel seiner Ehefrau zum Christentum und die Beendigung der Beziehung mit ihm nicht hinnehmen wollte.
2
Mit seiner Revision beanstandet der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
3
1. Der Rüge liegt folgendes Prozessgeschehen zugrunde:
4
Auf Antrag der Nebenklägervertreterin vernahm das Landgericht die zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung zwölf Jahre alte Tochter des Angeklagten und seiner Ehefrau als Zeugin. Die Strafkammer ordnete unter Hinweis auf § 247a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 StPO an, dass sich die Zeugin während der Vernehmung an einem anderen Ort aufhalten solle, da die Vernehmung in Gegenwart des Angeklagten einen schwerwiegenden Nachteil für ihr Wohl mit sich zu bringen drohe. Der Vorsitzende der Strafkammer und die Zeugin begaben sich sodann in einen gesonderten Video-Vernehmungsraum. Dort belehrte und befragte der Vorsitzende die Zeugin. Die entsprechenden Vorgänge wurden per Wort und Bild in den eigentlichen Sitzungssaal übertragen, wo ein beisitzender Richter mit dem Vorsitzenden telefonisch verbunden war. Auf diesem Wege erhielten die Verfahrensbeteiligten Gelegenheit, nach der Befragung der Zeugin durch den Vorsitzenden auf ergänzende Fragen hinzuwirken.
5
2. Die Beanstandung der Revision, der Vorsitzende sei gesetzeswidrig nicht im eigentlichen Sitzungssaal anwesend gewesen und habe nicht dort die Verhandlung geleitet, dringt durch; sie ist nicht ausgeschlossen bzw. präkludiert , in zulässiger Weise erhoben und begründet.
6
a) Der Angeklagte kann den gerügten Rechtsverstoß im Revisionsverfahren geltend machen.
7
aa) Die Beanstandung ist nicht gemäß § 247a Abs. 1 Satz 2, § 336 Satz 2 StPO ausgeschlossen. Danach ist die Anordnung der audiovisuellen Vernehmung eines Zeugen unanfechtbar. Hieraus folgt, dass sie auch im Revisionsverfahren nicht mehr geprüft wird. Dies gilt jedoch nur für die Überprüfung der Entscheidung nach § 247a Abs. 1 Satz 1 StPO als solcher; das Fehlen ei- nes Gerichtsbeschlusses (BGH, Beschluss vom 6. Februar 2008 - 5 StR 597/07, NStZ 2008, 421) oder die Verletzung sonstiger Vorschriften bei Gelegenheit einer audiovisuellen Zeugenvernehmung, wie etwa § 241a StPO, § 247 StPO oder wie hier der Anwesenheitspflicht des Vorsitzenden während der Hauptverhandlung gemäß § 226 Abs. 1 StPO, kann mit der Revision geltend gemacht werden (vgl. LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 247a Rn. 36; KMR/Lesch, § 247a Rn. 36).
8
bb) Die Rüge ist nicht deshalb präkludiert, weil der Angeklagte in der Hauptverhandlung die Art und Weise der Durchführung der audiovisuellen Vernehmung der Zeugin nicht gemäß § 238 Abs. 2 StPO beanstandet hat. Der Senat hält an der Rechtsprechung fest, wonach Fehler bei der Prozessleitung in der Hauptverhandlung jedenfalls dann ohne Beanstandung nach § 238 Abs. 2 StPO mit der Revision geltend gemacht werden können, wenn der Beschwerdeführer einen Verstoß gegen zwingende, dem Vorsitzenden keinen Beurteilungs - oder Ermessensspielraum belassende Verfahrensvorschriften rügt (BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2011 - 3 StR 315/11, NStZ 2012, 585, 586 mwN; vgl. zum Meinungsstand auch KK-Schneider, StPO, 7. Aufl., § 238 Rn. 28 ff.; LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 238 Rn. 47 jew. mwN). Hieraus folgt, dass die von dem Angeklagten erhobene Beanstandung nicht präkludiert ist; denn im Rahmen des § 247a StPO besteht für das Tatgericht ein Ermessen lediglich bei der Frage, ob die audiovisuelle Vernehmung eines Zeugen nach § 247a Abs. 1 Satz 1 StPO angeordnet werden soll. Bei der hier gerügten Art und Weise der Durchführung der Zeugenvernehmung und insbesondere bei der Frage der Anwesenheitspflicht des Vorsitzenden ist diesem demgegenüber weder ein Beurteilungs- noch ein Ermessensspielraum eröffnet.
9
b) Die Rüge ist in zulässiger Weise erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Zwar sind die Anlagen der per Fax innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO übermittelten Revisionsbegründung ganz überwiegend nicht lesbar. Dies betrifft im Rahmen der hiesigen Rüge aber nur solche Schriftstücke, wie etwa den Beweisantrag auf Vernehmung der Zeugin und Stellungnahmen der Verfahrensbeteiligten , deren Inhalt für die rechtliche Beurteilung des Rügevorbringens ohne Bedeutung ist. Der wesentliche Inhalt des Beschlusses der Strafkammer nach § 247a StPO ist der Revisionsbegründung zu entnehmen; die Stoßrichtung der Rüge zielt im Übrigen nicht darauf ab, dass die Voraussetzungen für eine audiovisuelle Vernehmung der Zeugin nicht vorgelegen hätten oder der Beschluss des Landgerichts unzureichend begründet gewesen wäre, sondern darauf, dass die Art und Weise der Durchführung der Vernehmung nicht mit dem Gesetz in Einklang stehe.
10
c) Die Beanstandung hat auch in der Sache Erfolg, denn das Vorgehen der Strafkammer ist nicht von § 247a Abs. 1 Satz 1 StPO gedeckt und begründet einen absoluten Revisionsgrund nach § 226 Abs. 1 i.V.m. § 338 StPO. Es bedarf dabei keiner Entscheidung, ob in der vorliegenden Fallgestaltung die Voraussetzungen des § 338 Nr. 1 StPO oder diejenigen des § 338 Nr. 5 StPO gegeben sind. Im Einzelnen:
11
aa) Die Verfahrensweise des Tatgerichts entspricht nicht den gesetzlichen Vorgaben. Nach § 250 Satz 1 StPO muss ein Zeuge grundsätzlich in der Hauptverhandlung körperlich anwesend sein und ist dort vom Tatgericht zu vernehmen. Von diesem Unmittelbarkeitsgrundsatz macht § 247a Abs. 1 Satz 1 StPO eine Ausnahme. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht unter bestimmten Voraussetzungen anordnen, dass der Zeuge sich während der Vernehmung an einem anderen Ort aufhält. § 247a Abs. 1 Satz 3 StPO bestimmt, dass die Aussage des Zeugen zeitgleich in Bild und Ton in das Sitzungszimmer übertragen wird.
12
Nach seinem Wortlaut gestattet § 247a Abs. 1 Satz 1 StPO folglich nur, dass der Zeuge sich nicht in dem Sitzungszimmer aufhält, in dem die eigentliche Hauptverhandlung stattfindet. Sie legitimiert es dagegen nicht, dass ein sonstiger Verfahrensbeteiligter, wie hier der Vorsitzende der Strafkammer, dessen ununterbrochene Gegenwart in der Hauptverhandlung nach § 226 Abs. 1 StPO vorgesehen ist, das Sitzungszimmer verlässt, um den Zeugen anderswo zu vernehmen.
13
Dieser eindeutige Regelungsgehalt des § 247a Abs. 1 Satz 1 StPO beruht auf einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers. Die Vorschrift wurde mit dem Ziel einer schonenden Vernehmung besonders schutzbedürftiger Zeugen durch Art. 1 Nr. 4 ZSchG in die Strafprozessordnung eingefügt, trat am 1. Dezember 1998 in Kraft und wurde in der Folgezeit mehrfach modifiziert. Zuvor hatten die Tatgerichte es teilweise für zulässig erachtet, dass insbesondere kindliche Zeugen in Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs außerhalb des Gerichtssaals durch den Vorsitzenden vernommen werden und diese Vernehmung in den Sitzungssaal übertragen wird (sog. Mainzer Modell, vgl. LG Mainz, Beschluss vom 26. Juni 1995 - 302 Js 21307/94 jug. 3 A Kls, NJW 1996, 208). Diese Praxis wurde kontrovers diskutiert (vgl. etwa Dahs, NJW 1996, 178; Laubenthal, JZ 1996, 335; Seitz, JR 1998, 309, 311; Caesar, NJW 1998, 2313, 2315). In Kenntnis der unterschiedlichen Auffassungen und nach mehreren Regelungsvorschlägen (vgl. BT-Drucks. 13/3128, 13/4983, 13/7165) entschied sich der Gesetzgeber sodann auf einen Vorschlag des Vermittlungsausschusses (BT-Drucks. 13/10001) hin dafür, dem in Großbritannien bereits praktizierten sog. Englischen Modell den Vorzug zu geben, bei dem der Vorsit- zende und die übrigen Verfahrensbeteiligten den Sitzungssaal nicht verlassen und der Zeuge, der sich an einem anderen Ort aufhält, mittels einer Bild-TonDirektübertragung vernommen wird. Eine erneute Gesetzesinitiative mit dem Ziel, das sog. Mainzer Modell für die Vernehmung von Opferzeugen einzuführen , die unter 16 Jahre alt sind (vgl. BT-Drucks. 15/814 S. 4, 8), hatte keinen Erfolg (zur Entstehungsgeschichte vgl. etwa SK-StPO/Frister, 4. Aufl., § 247a Rn. 1 ff.; Rieß, StraFo 1999, 1).
14
Vor diesem Hintergrund verbietet sich in Übereinstimmung mit der soweit ersichtlich einhelligen Auffassung im Schrifttum (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 247a Rn. 1; KK-Diemer, StPO, 7. Aufl., § 247a Rn. 1; LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 247a Rn. 2 f.; KMR/Lesch, § 247a Rn. 4; HKStPO -Julius, 5. Aufl., § 247a Rn. 3; Rieß, StraFo 1999, 1, 5; Diemer, NJW 1999, 1667, 1668; vgl. auch BGH, Urteil vom 15. September 1999 - 1 StR 286/99, BGHSt 45, 188, 196) ein weites Verständnis des als Ausnahmevorschrift ohnehin eng auszulegenden § 247a StPO dahin, dass die vom Landgericht hier praktizierte Verfahrensweise einer "gespaltenen Hauptverhandlung", bei welcher der Vorsitzende den Zeugen außerhalb des Sitzungssaales vernimmt und die Befragung dorthin übertragen wird, noch von der Norm legitimiert ist. Auch eine entsprechende Anwendung der Vorschrift kommt nicht in Betracht. § 247a Abs. 1 Satz 1 StPO regelt vielmehr die einzig zulässige Art und Weise der Videovernehmung eines Zeugen in der Hauptverhandlung; daneben sind andere Formen nicht statthaft. Die gegenteilige Auffassung des Landgerichts würde zu Ende gedacht bedeuten, dass auch ohne entsprechende gesetzliche Regelung die Abwesenheit eines sonstigen Verfahrensbeteiligten , der nach prozessrechtlichen Bestimmungen während der gesamten Hauptverhandlung anwesend zu sein hat (§ 140 Abs. 1 und 2, § 226 Abs. 1, § 230 Abs. 1, § 231 Abs. 1 Satz 1 StPO), schon dann zu verneinen wäre, wenn er sich zwar an einem anderen Ort außerhalb des Sitzungssaales aufhält, der Hauptverhandlung aber durch Videokonferenztechnik zugeschaltet ist. Diese Möglichkeit zu eröffnen, wäre indes Sache des Gesetzgebers, der vor einer Gesetzesänderung auch die Nachteile zu erwägen hätte, die mit einer derartigen Form der Verfahrensgestaltung verbunden wären.
15
bb) Die Abwesenheit des Strafkammervorsitzenden im Sitzungssaal während der Vernehmung der Zeugin und somit während eines wesentlichen Teils der Hauptverhandlung stellt einen absoluten Revisionsgrund nach § 338 StPO dar. Es bedarf dabei keiner abschließenden Entscheidung, ob diese Fälle mit der bisherigen Rechtsprechung und der überwiegenden Auffassung in der Literatur als vorschriftswidrige Gerichtsbesetzung zu bewerten sind und deshalb § 338 Nr. 1 StPO anzuwenden ist (vgl. etwa BGH, Urteil vom 11. Februar 1999 - 4 StR 657/98, BGHSt 44, 361, 365; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 338 Rn. 10; KK-Gericke, StPO, 7. Aufl., § 338 Rn. 71, jew. mwN) oder ob - wozu der Senat neigt - Fallkonstellationen der vorliegenden Art unter § 338 Nr. 5 StPO zu subsumieren sind, weil die Hauptverhandlung teilweise in Abwesenheit einer Person stattgefunden hat, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt. Dies kann insbesondere deshalb dahinstehen, weil die Revisionsrüge auch bei Anwendung des § 338 Nr. 1 StPO nicht präkludiert ist. Die - in § 338 Nr. 5 StPO nicht enthaltenen - Präklusionsregelungen des § 338 Nr. 1 StPO finden dann keine Anwendung, wenn wie hier der Grund für die fehlerhafte Gerichtsbesetzung erst während der Hauptverhandlung entsteht (BGH, Urteil vom 11. Februar 1999 - 4 StR 657/98, BGHSt 44, 361, 364; Beschlüsse vom 8. Dezember 2004 - 3 StR 422/04, BGHR GVG § 76 Abs. 2 Besetzungsbeschluss 4; vom 8. Januar 2009 - 5 StR 537/08, NJW 2009, 931, 932). Ein Verständnis des Normengefüges dahin, dass der Angeklagte in der Hauptverhandlung eine Entscheidung nach § 238 Abs. 2 StPO herbeiführen muss, um sich die entsprechende Revisionsrüge zu erhalten (offen gelassen für Fälle der fehlerhaften Gerichtsbesetzung bei BGH, Beschluss vom 8. Januar 2009 - 5 StR 537/08, NJW 2009, 931, 932), kommt wie dargelegt nicht in Betracht.
16
3. Die Sache bedarf aufgrund des Vorliegens eines absoluten Revisionsgrundes insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung, ohne dass es auf die weiteren von der Revision geltend gemachten verfahrens- und materiellrechtlichen Beanstandungen ankommt. Soweit die Revision darauf anträgt, die Sache an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen, besteht hierfür keine Veranlassung. Weder aus dem zur Aufhebung des Urteils führenden Rechtsfehler noch aus dem sonstigen, vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend beantworteten Vortrag der Revision ergeben sich Umstände, welche die Besorgnis rechtfertigen würden, das Verfahren werde nach Zurückverweisung durch eine andere Strafkammer des Landgerichts Lüneburg nicht sachgemäß geführt werden.
Becker Schäfer Spaniol
Tiemann Berg

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 376/15
vom
20. Januar 2016
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
ECLI:DE:BGH:2016:200116B4STR376.15.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 20. Januar 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stendal vom 30. März 2015, soweit es die Angeklagten betrifft, im Ausspruch über die Verfallsanordnungen dahin geändert, dass sich die Anordnungen des Verfalls von Wertersatz in Höhe von 8.000 € – gegen die Angeklagten P. und L. N. jeweils als Gesamtschuldner in Höhe von 7.000 € mit dem Angeklagten Q. N. und in weiterer Gesamtschuldnerschaft in Höhe von 1.000 € mit dem Angeklagten D. , – gegen den Angeklagten D. als Gesamtschuldner mit dem Angeklagten Q. N. und in weiterer Gesamtschuldnerschaft in Höhe von 1.000 € jeweils mit den Angeklagten P. und L. N. sowie – gegen den Angeklagten Q. N. als Gesamtschuldner mit dem Angeklagten D. und in weiterer Gesamtschuldnerschaft in Höhe von 7.000 € jeweils mit den Angeklagten P. und L. N.
richten.
2. Die weiter gehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.
3. Die Angeklagten tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten D. unter Freisprechung im Übrigen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Freiheitsstrafe von vier Jahren und die Angeklagten Q. N. , P. und L. N. jeweils wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen von sechs Jahren (Q. N. ), vier Jahren und sechs Monaten (P. ) und fünf Jahren und sechs Monaten (L. N. ) verurteilt. Des Weiteren hat es gegen alle Angeklagten jeweils den Verfall von Wertersatz in Höhe von 8.000 € angeordnet. Hiergegen richten sich die auf Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde gestützten Revisionen der Angeklagten. Die Rechtsmittel führen lediglich zu einer Änderung der Verfallsanordnungen.
2
1. Hinsichtlich der Schuld- und Strafaussprüche sind die Revisionen der Angeklagten unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, weil die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen insoweit keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat. Zu den Verfahrensrügen ist ergänzend zum Verwerfungsantrag des Generalbundesanwalts anzumerken:
3
Entgegen der Auffassung der Revisionen ist die Strafkammer durch den Umstand, dass die beiden Übersetzer im Ermittlungsverfahren bei der Übertragung aufgezeichneter Telefongespräche in die deutsche Sprache als Sachverständige tätig waren, nicht gehindert gewesen, sie in der Hauptverhandlung ausschließlich als Zeugen zum Gegenstand ihrer sinnlichen Wahrnehmung zu vernehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2002 – 5 StR 42/02, NJW 2003, 150, 151; Trück in MüKo-StPO, § 85 Rn. 15; vgl. auch BGH, Urteil vom 7. Mai 1965 – 2 StR 92/65, BGHSt 20, 222, 223 f.; Beschlüsse vom 15. August 2001 – 3 StR 225/01, NStZ 2002, 44; vom 18. März 2010 – 3 StR 426/09, NStZ-RR 2010, 210 [Ls]).
4
Die Rüge, mit welcher der Angeklagte P. beanstandet, dass die beiden Übersetzer vor ihrer zweiten Zeugenvernehmung in der Hauptverhandlung auf Veranlassung des Gerichts einzelne Telefongespräche erneut anhörten, ist nicht ordnungsgemäß ausgeführt (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Dabei kann da- hinstehen, ob der pauschale Verweis der Revision auf eine Vorgabe „des Gerichts“ den Darlegungsanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt, weil sich aus den Urteilsgründen, die der Senat aufgrund der gleichfalls erhobenen Sachrüge zur Kenntnis nimmt, ergibt, dass die Aufforderung zum erneuten Abhören einiger Telefongespräche durch den Vorsitzenden der Strafkammer am 16. Hauptverhandlungstag erfolgte. Die Rüge ist aber unzulässig, weil dem Revisionsvorbringen nicht zu entnehmen ist, dass der Beschwerdeführer die Aufforderung des Vorsitzenden, bei der es sich um eine auf die Sachleitung bezogene Anordnung handelte (vgl. Schneider in KK-StPO, 7. Aufl., § 238 Rn. 11), nach § 238 Abs. 2 StPO beanstandet hat. Der Senat braucht daher nicht zu entscheiden, ob die Grundsätze, die für die Vorbereitung von Zeugenvernehmungen zu in amtlicher Eigenschaft gemachten Wahrnehmungen gelten (vgl. BGH, Urteile vom 28. November 1950 – 2 StR 50/50, BGHSt 1, 4, 8; vom 11. November 1952 – 1 StR 465/52, BGHSt 3, 281, 283; vom 21. März 2012 – 1 StR 43/12, NStZ 2012, 521, 522 f.; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 69 Rn. 8; Ignor/Bertheau in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 69 Rn. 9; Franke in Satzger/Schluckebier/Widmaier, StPO, 2. Aufl., § 69 Rn. 4), auf von der Polizei im Ermittlungsverfahren hinzugezogene sachverständige Hilfspersonen übertragen werden können.
5
2. Die im angefochtenen Urteil getroffenen Verfallsanordnungen halten dagegen einer rechtlichen Prüfung insoweit nicht stand, als das Landgericht die zum Teil bestehende gesamtschuldnerische Haftung der Angeklagten nicht berücksichtigt hat.
6
Nach den Feststellungen veräußerten die Angeklagten Q. . N. und D. jeweils Teile des geernteten Marihuanas, wobei der Angeklagte Q. N. insgesamt 160.000 € und der Angeklagte D. 5.500 € erlangten. Von diesen Beträgen kehrten die Angeklagten Q. N. jeweils 7.000 € und der Angeklagte D. jeweils 1.000 € an die jeweiligen anderen Tatgenossen aus. Da die Angeklagten Q. N. und D. mithin zunächst (Mit-)Verfügungsmacht an den an die jeweils anderen Angeklagten ausgekehrten Erlösanteilen hatten, haften die Angeklagten beim Verfall von Wertersatz in diesem Umfang als Gesamtschuldner (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. Juli 2013 – 4 StR 144/13 Rn. 7; vom 23. November 2011 – 4 StR 516/11, NStZ 2012, 382, 383; vom 25. September 2012 – 4 StR 137/12, NStZ 2013, 401). Der Umstand, dass das Landgericht bei den Angeklagten Q. N. und D. nach § 73c StGB von einer den Betrag des ihnen jeweils verbleibenden Erlösanteils übersteigenden Verfallsanordnung abgesehen hat, lässt das Gesamtschuldverhältnis unberührt (vgl. BGH, Beschluss vom 25. September 2012 – 4 StR 137/12 aaO). Die Aussprüche über die Anordnungen des Wertersatzverfalls sind daher entsprechend zu ergänzen.
7
3. Der geringfügige Teilerfolg der Rechtsmittel rechtfertigt es nicht, die Angeklagten teilweise von den durch ihre Rechtsmittel veranlassten Kosten und Auslagen freizustellen (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Franke Bender

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

5 StR 124/11

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 4. Mai 2011
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. Mai 2011

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten H. wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 13. Juli 2010, soweit es diesen Angeklagten betrifft, nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten H. und den nicht revidierenden Mitangeklagten K. jeweils der gefährlichen Körperverletzung schuldig gesprochen. Gegen den Angeklagten hat es eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten, gegen den Mitangeklagten eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verhängt. Beide wurden darüber hinaus zur Zahlung von Schmerzensgeld an den Nebenkläger verurteilt. Die gegen das Urteil gerichtete, mit Verfahrensrügen und der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten hat – dem Antrag des Generalbundesanwalts entsprechend – vollen Erfolg, allerdings mit der Sachrüge.
2
1. Nach den Feststellungen der Schwurgerichtskammer versetzte der Angeklagte dem Mitgefangenen und Nebenkläger S. am Vormittag des 15. März 2009 in einem Kraftsportraum der Justizvollzugsanstalt Hamburg -Fuhlsbüttel mit seiner Gehstütze mehrere kräftige Schläge gegen den Oberkörper. Der Nebenkläger lag dabei auf dem Boden und kämpfte mit dem Mitangeklagten, der ihm mit einer Hantel gegen den Kopf schlug bzw. dies versuchte.
3
Das Landgericht stützt die Feststellungen zur Tat des Angeklagten maßgebend auf die Aussage des Mitgefangenen W. und auf medizinische Befunde, die darauf hindeuten können, dass der Nebenkläger eine Rippenprellung und eine Nierenverletzung mit leichten inneren Blutungen erlitten hat. Hingegen hatte der Nebenkläger die Schläge nicht wahrgenommen. Erstmals am Nachmittag des Tattages hatte er den Mitgefangenen W. und R. über rechtsseitig aufgetretene Rückenschmerzen berichtet (UA S. 16).
4
Die Bekundungen des Zeugen W. hält das Landgericht für glaubhaft. Er habe die Tat bei einer polizeilichen Vernehmung und in der Hauptverhandlung konstant geschildert; soweit „geringe Widersprüche zu früheren Aussagen aufgetreten“ seien, beträfen sie nicht den Kernbereich der Ereignisse und seien „angesichts des Zeitablaufs sowie des sehr kurzen und dynamischen Tatgeschehens nachvollziehbar und natürlich“ (UA S. 33).
5
2. Die durch das Landgericht vorgenommene Beweiswürdigung begegnet auch eingedenk des beschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabes (BGH, Urteil vom 16. November 2006 – 3 StR 139/06, NJW 2007, 384, 387 mwN, insoweit in BGHSt 51, 144 nicht abgedruckt) durchgreifenden sachlichrechtlichen Bedenken.
6
Namentlich steht die Wertung der Schwurgerichtskammer zur Konstanz der Aussage des Zeugen W. betreffend das Kerngeschehen in deutlichem Widerspruch zum Inhalt einer durch den Zeugen R. (zu einem im Urteil überdies nicht näher bezeichneten Zeitpunkt nach der Tat) gefertigten (UA S. 28) und für das vollzugliche Disziplinarverfahren bestimmten „Aktennotiz“. Darin ist – notwendig aus Anlass von Angaben des Zeugen W. – festgehalten, der Angeklagte habe „eine Krücke geworfen“ (UA S. 29). Das Landgericht spricht diesen Umstand zwar – wenngleich eher beiläufig , aber in Bezug auf den diese Tat nicht selbst wahrnehmenden Nebenkläger als Hilfserwägung nachvollziehbar – hinsichtlich der Glaubhaftigkeit der Angaben des Nebenklägers an, würdigt ihn jedoch nicht in Bezug auf die Aussage des Zeugen W. . Es verhält sich insbesondere nicht dazu, ob und gegebenenfalls wie der Zeuge diesen Widerspruch im Disziplinarverfahren und bei seinen weiteren Vernehmungen erklärt hat. Dessen Bekundungen bei der ersten polizeilichen Vernehmung vom 27. Mai 2009 (vgl. UA S. 16) bleiben im Urteil gänzlich unerwähnt (vgl. UA S. 31).
7
Mit der Entwicklung des Aussageverhaltens des Zeugen W. hätte sich das Landgericht zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit von dessen Angaben im Einzelnen auseinandersetzen müssen. Dies gilt umso mehr, als die allein durch diesen Zeugen beobachtete Tat auch keine unumstößliche Bestätigung in den medizinischen Untersuchungsbefunden und deren rechtsmedizinischer Begutachtung findet (vgl. UA S. 22, 23). Die Verurteilung des Angeklagten ruht damit nicht auf einer hinreichend fundierten Grundlage und kann keinen Bestand haben.
8
3. Eine Revisionserstreckung nach § 357 StPO auf den Mitangeklagten kommt nicht in Betracht. Denn das Urteil weist ihn betreffend nicht dieselbe rechtsfehlerhafte Beweiswürdigung auf.
9
4. Weil die Revision bereits mit der Sachrüge durchdringt, kann offenbleiben , ob sie in Einklang mit der Auffassung des Generalbundesanwalts aufgrund der erhobenen Beweisantragsrügen zum Erfolg geführt hätte. Bedenklich erscheint insoweit, dass der Beschwerdeführer Ablehnungsbeschlüsse der Schwurgerichtskammer beanstandet, die auf Beweisanträge des Mitangeklagten hin ergangen sind und denen er sich nicht angeschlossen hat. Der Senat muss nicht entscheiden, ob er der in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung folgen könnte, wonach allein schon bei übereinstimmender Interessenlage einem die Beweiserhebung nicht selbst beantragen- den Mitangeklagten gleichwohl eine umfassende Rügeberechtigung zugebilligt wird (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juni 1983 – 2 StR 837/82, BGHSt 32, 10, 12; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 244 Rn. 84 mwN). Es liegt näher, ihn in diesem Fall auf die Möglichkeit der Aufklärungsrüge zu verweisen, die je nach Fallgestaltung weitergehenden Vortrags im Sinne von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO bedarf und nicht notwendig aufgrund einer Verletzung der Regeln aus § 244 Abs. 3 bis 6 StPO zum Erfolg führt.
10
5. Es steht kein die Zuständigkeit des Schwurgerichts begründender Tatvorwurf mehr in Frage. Der Senat verweist die Sache deshalb entsprechend § 354 Abs. 3 StPO an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurück (vgl. BGH, Urteil vom 7. September 1994 – 2 StR 264/94, NJW 1994, 3304, 3305, insoweit in BGHSt 40, 251 nicht abgedruckt; Meyer-Goßner aaO § 354 Rn. 42).
11
Für das weitere Verfahren weist er darauf hin, dass die vom Nichtrevidenten begangene Tat im Vergleich zu der durch den Beschwerdeführer verübten durch einen deutlich höheren Unrechts- und Schuldgehalt geprägt ist, was sich – sofern es in einer neuen Hauptverhandlung abermals zu einem Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung kommen sollte – auch in der konkret verhängten Strafe und in der Bemessung der Schmerzensgeldforderung niederschlagen sollte.
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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 78/14
vom
17. Juli 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Bestimmens einer Person unter 18 Jahren, mit Betäubungsmitteln unerlaubt
Handel zu treiben u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17. Juli 2014,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt in der Verhandlung,
Richterin am Landgericht bei der Verkündung
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Pflichtverteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 26. November 2013 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten des „Bestimmens einer Person unter 18 Jahren, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, in Tateinheit mit gewerbsmäßiger unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren, der gewerbsmäßigen unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren in 14 Fällen, des vorsätzlichen unerlaubten Besitzes einer verbotenen Waffe und des vorsätzlichen Besitzes von Arzneimitteln in nicht geringer Menge zu Dopingzwecken im Sport“ schuldig gesprochen und ihn hierwegen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Ferner hat es den Verfall von Wertersatz in Höhe von 15.770 € angeordnet. Die hiergegen gerichtete, auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten ist unbegründet.

I.


2
Nach den Feststellungen veranlasste der Angeklagte Ende August 2011 den, wie er wusste, 16-jährigen P. , 20 Gramm Haschisch, 20 Gramm Marihuana, 20 Gramm Amphetamingemisch und 20 Ecstasy-Tabletten zu von ihm vorab festgelegten Verkaufspreisen gewinnbringend zu veräu- ßern. Nachdem P. dies gelungen war und er die ebenfalls vom Angeklagten festgelegten Einkaufspreise an diesen erstattet hatte, verkaufte P. anschließend bis Ende Februar 2012 (UA 8) in 14 weiteren Fällen sich sukzessive erhöhende Rauschgiftmengen gewinnbringend für den Angeklagten. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung am 7. Februar 2013 wurde der Angeklagte im Besitz eines silberfarbenen Schlagrings und 196 Tabletten, die insgesamt 691,88 mg des verschreibungspflichtigen anabolen Steroids Metandienon enthielten , angetroffen.

II.


3
Keine der Verfahrensrügen greift durch.
4
1. Vergeblich rügt der Beschwerdeführer, das Gericht habe seine Überzeugung entgegen § 261 StPO nicht aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung geschöpft.
5
a) Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
6
Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung die Verstöße gegen das Waffen- und das Arzneimittelgesetz eingeräumt, die ihm vorgeworfenen 15 Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz indes pauschal bestritten. Der Zeuge P. hat in der Hauptverhandlung „auf konkreten – wortwörtlichen – Vorhalt“ (UA 9) seiner Beschuldigtenvernehmungen vom 14. Mai und 25. Juni 2012 bestätigt, die Angaben gegenüber der Vernehmungsbeamtin jeweils so wie protokolliert gemacht zu haben. Im angefochtenen Urteil hat das Landgericht die polizeilichen Angaben, die in den Niederschriften insgesamt knapp 13 Seiten einnehmen, von den jeweiligen Belehrungen abgesehen, in wörtlicher Rede wiedergegeben. Diese Darstellung nimmt im Urteil – mit textlichen Überleitungen – annähernd neun Seiten ein. Der Beschwerdeführer trägt vor, die polizeilichen Niederschriften seien in der Hauptverhandlung nicht verlesen worden ; durch Vorhalt an den Zeugen P. hätten sie schon wegen ihres Umfangs nicht eingeführt werden können.
7
b) Die Rüge ist unzulässig, weil sie nicht in einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Form begründet worden ist.Diese Vorschrift verlangt eine so genaue Angabe der die Rüge begründenden Tatsachen , dass das Revisionsgericht auf ihrer Grundlage prüfen kann, ob der geltend gemachte Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden (BGH, Urteil vom 14. Oktober 1952 – 2 StR 306/52, BGHSt 3, 213, 214; Beschluss vom 8. November 2000 – 3 StR 282/00 mwN; KK-StPO/ Gericke, 7. Aufl., § 344 Rn. 38 f.). Wird beanstandet, das Tatgericht habe den Inhalt in der Hauptverhandlung nicht verlesener Urkunden verwertet, so gehört zur ordnungsgemäßen Begründung der Verfahrensrüge nicht nur die Behauptung , dass die Urkunde nicht verlesen worden, sondern auch – verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG, NJW 2005, 1999, 2001 f.) – die Darlegung, dass der Inhalt der Urkunde nicht in sonst zulässiger Weise eingeführt worden sei (BGH, Urteil vom 11. April 2001 – 3 StR 503/00, NJW 2001, 2558 f.; OLG Düsseldorf, StV 1995, 120; Gericke, aaO, § 344 Rn. 58; Sander inLöwe/ Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 261 Rn. 185).
8
Daran fehlt es hier: Der Beschwerdeführer hat versäumt, das Urteil des Amtsgerichts Wittlich vom 6. November 2012 vorzutragen, mit dem der Zeuge P. wegen der nämlichen Betäubungsmitteldelikte verurteilt worden ist. Dieses Urteil wurde nicht nur dem Angeklagten vorgehalten (Teilprotokoll vom 21. November 2013, S. 5), sondern auch urkundenbeweislich verlesen (Teilprotokoll vom 26. November 2013, S. 2). Ohne Vorlage dieses Urteils kann der Senat nicht prüfen, ob die Angaben des Zeugen P. in den beiden polizeilichen Beschuldigtenvernehmungen durch Verlesung im Strengbeweis eingeführt worden sind. Denn P. hat in der tatrichterlichen Hauptverhandlung bekundet, er habe vor dem Amtsgericht Wittlich den Sachverhalt dem Gericht gegenüber „sinngemäß“ so geschildert wie in den Vernehmungen vor der Poli- zei (UA 18). Der möglicherweise gesondert zu beurteilende Fall, dass das Tatgericht den Wortlaut der Urkunden verwertet hat, liegt hier ersichtlich nicht vor; das Landgericht hat lediglich den Inhalt der polizeilichen Vernehmungen P. s bei seiner Beweisführung herangezogen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. August 1987 – 5 StR 162/87, BGHR StPO § 261 Inbegriff der Verhandlung 5, und vom 5. April 2000 – 5 StR 226/99, BGHR StPO § 249 Abs. 1 Verlesung , unterbliebene 1 sowie zur Abgrenzung, wenn – anders als hier – eine bestätigende Erklärung der Auskunftsperson fehlt, BGH, Beschluss vom 13. April 1999 – 1 StR 107/99, StV 1999, 359 f.; Urteile vom 30. August 2000 – 2 StR 85/00, NStZ 2001, 161, und vom 6. September 2000 – 2 StR 190/00, NStZ-RR 2001, 18).
9
Die Revision unterlässt es außerdem, zum Ablauf der Einvernahme der Kriminalkommissarin F. , die P. vernommen hatte, näher vorzutragen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 1995 – 3 StR 99/95, BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Verwertungsverbot 4; Beschluss vom 23. Oktober 2012 – 1 StR 377/12). Denn es liegt nahe anzunehmen, dass Polizeibeamte, die sich erfahrungsgemäß im Wege der vorherigen Durchsicht ihrer Ermittlungsunterlagen auf ihre Vernehmung intensiv vorbereiten, sich an Einzelheiten erinnern können und ihnen die entscheidenden Passagen wörtlich präsent sind (BGH, Beschluss vom 9. Mai 2001 – 2 StR 111/01, BGHR StPO § 261 Inbegriff der Verhandlung

39).


10
Da die Rüge bereits unzulässig ist, braucht der Senat nicht zu entscheiden , ob der Inhalt einer Vernehmungsniederschrift durch abschnittsweisen Vorhalt und die jeweilige Bestätigung des Zeugen ordnungsgemäß in die Hauptverhandlung eingeführt werden kann (vgl. auch zur Beruhensfrage BGH, Urteil vom 6. Juni 1957 – 4 StR 165/57; Beschluss vom 22. September 2006 – 1 StR 298/06, NStZ 2007, 235; OLG Düsseldorf StV 1995, 120, 121 mwN; Diemer in KK, 7. Aufl., § 249 Rn. 52).
11
2. Unzulässig ist ferner die Rüge, das Landgericht habe den Antrag, „Frau R. B. , W. und Herrn J. R. , Se. , Adressen zu erfragen über das AG Wittlich, …“ zu vernehmen, zu Unrecht wegen Bedeutungslosigkeit abgelehnt (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Im Beweisantrag ist der Zeuge als Beweismittel grundsätzlich mit vollständigem Namen und genauer Anschrift zu benennen; nur wenn der Antragsteller dazu nicht in der Lage ist, genügt es, im Einzelnen den Weg zu beschreiben, auf dem dies zuverlässig ermittelt werden kann (BGH, Urteil vom 8. Dezember 1993 – 3 StR 446/93, BGHSt 40, 3, 7; Becker in LR-StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 105). Der Beschwerdeführer hat nicht vorgetragen, was ihn gehindert haben könnte, die vollständige Adresse der von ihm benannten Zeugen anzugeben (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2013 – 5 StR 313/13).
12
Ferner zielt der Antrag darauf, der Zeuge P. habe in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Wittlich „lediglich die Taten der Anklageschrift (eingeräumt)“, ohne dass nachgefragt worden sei und ohne dass (er) dazu ausführlich Stellung genommen habe. Die Revision sieht hierin einen Widerspruch zu der Annahme des Landgerichts, der Zeuge habe in der gegen ihn gerichteten Gerichtsverhandlung den Sachverhalt sinngemäß so geschildert wie in seinen polizeilichen Beschuldigtenvernehmungen. Um dies nachvollziehen zu können, hätte es der Vorlage der in dem Verfahren gegen den Zeugen erhobenen Anklage bedurft. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen nämlich – verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG, Beschluss vom 10. März 2009 – 2 BvR 49/09) – die im Beweisantrag in Bezug genommenen Aktenbestandteile mit der Begründungsschrift vorgelegt oder jedenfalls inhaltlich vorgetragen werden (vgl. BGH, Urteile vom 25. November 2003 – 1 StR 182/03, StV 2004, 305, 306, und vom 25. November 2004 – 5 StR 401/04, NStZ-RR 2006, 33, 34 bei Sander; Beschlüsse vom 7. Januar 2008 – 5 StR 390/07, vom 25. Mai 2011 – 4 StR 87/11, und vom 12. März 2013 – 2 StR 34/13, NStZ-RR 2013, 222 [Ls.]; Becker in LR-StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 372; vgl. auch BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 – 3 StR 269/04, NJW 2005, 2322, 2323).
13
3. Als unzulässig erweist sich auch die Rüge, das Landgericht habe den Antrag, „StA S. , StA Magdeburg, zu hören zu der Behauptung, dass er die Aussage des Zeugen P. für so unglaubwürdig hielt, dass er keinerlei Anfangsverdacht in diesen Angaben sah, um ein Ermittlungsverfahren gegen Herrn A. einzuleiten (…)“, zu Unrecht wegen Bedeutungslosigkeit abgelehnt. Bei diesem Zitat handelt es sich um einen kurzen Auszug aus dem zwei Seiten umfassenden Beweisantrag; insbesondere lässt der Revisionsführer die von ihm im Beweisantrag bezeichnete Aussage P. s weg. Er trägt auch seine im Beweisantrag aufgestellte Schlussfolgerung nicht vor, als glaubhaft eingeschätzte Angaben P. s hätten Maßnahmen nach „§§ 100 ff. StPO“ gegen A. nach sich ziehen müssen, „um sich nicht dem Verdacht auszusetzen, Strafvereitelung im Amt zu begehen“. Diese Auslassun- gen führen zur Unzulässigkeit der Rüge gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO (vgl. BGH, Urteile vom 11. Juni 1986 – 3 StR 10/86, BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO 1, vom 14. April 1999 – 3 StR 22/99, NJW 1999, 2683, 2684, und vom 30. April 1999 – 3 StR 215/98, NStZ 1999, 396, 399; Beschlüsse vom 9. Mai 2000 – 4 StR 115/00, NStZ-RR 2001, 6, 7 bei Miebach/Sander, vom 12. März 2013 – 2 StR 34/13, aaO, und vom 23. Oktober 2013 – 5 StR 313/13; Becker in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 372).
14
Der Unzulässigkeit dieser von Rechtsanwalt Bo. erhobenen Verfahrensrüge steht nicht entgegen, dass Rechtsanwalt Fu. , der diese Rüge nicht erhoben hat, im Rahmen einer anderen Verfahrensrüge das gesamte Hauptverhandlungsprotokoll nebst Anlagen vorgelegt hat und sich in diesem Konvolut auch eine Ablichtung des Staatsanwalt S. betreffenden Beweisantrags findet (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 1986 – 4 StR 370/86, NStZ 1987, 221 bei Pfeiffer/Miebach; Beschlüsse vom 25. September 1986 – 4 StR 496/86, NStZ 1987, 36, und vom 14. April 2010 – 2 StR 42/10).
15
4. Jedenfalls unbegründet ist die Rüge, das Landgericht habe den Antrag auf Verlesung der die Observation des Angeklagten betreffenden Urkunden zu Unrecht wegen Bedeutungslosigkeit – ersichtlich: aus tatsächlichen Gründen – abgelehnt. Denn die Strafkammer hat im Urteil (UA 25) die unter Beweis gestellte Tatsache, „dass die Observationsmaßnahmen gem. obigem Beschluss ohne Erfolg waren“, als – durchdie Vernehmung des Observationsbeamten – erwiesen behandelt (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 1991 – 3 StR 115/91, NStZ 1991, 547, 548; Beschlüsse vom 7. Februar 2002 – 1 StR 222/01, NStZ 2003, 417 bei Becker, und vom 5. Dezember 2012 – 1 StR 531/12; Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 244 Rn. 86; KK-Krehl, StPO, 7. Aufl., § 244 Rn. 234; Güntge in Alsberg/Nüse/Meyer, Der Beweisantrag im Strafprozess, 6. Aufl., Rn. 1676 f.). Von weiteren Bedenken gegen die Zulässigkeit und Begründetheit der Rüge abgesehen bedarf es daher auch keiner Entscheidung, ob das Landgericht durch die Vernehmung des Observationsbeamten, zu der die Revision nichts vorträgt, die angebotenen Beweismittel (Urkunden) wirksam ausgetauscht hat (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, Rn. 47).
16
5. Schon unzulässig ist die Rüge, das Landgericht habe den Beweisantrag auf Vernehmung des Vorsitzenden des Jugendschöffengerichts bei dem Amtsgericht Wittlich zu Unrecht wegen Bedeutungslosigkeit abgelehnt. Unter Beweis gestellt war, dass P. in der gegen ihn gerichteten Hauptverhand- lung „die ihm gem. Anklageschrift zur Last gelegten Taten zwar einräumte, ohne jedoch nähere Angaben, insbesondere Details zu dem Lieferanten seiner BtM zu machen“, ferner, dass der Verhandlung ein informelles Gespräch zwischen den Verfahrensbeteiligten vorausgegangen sei. Diesen Antrag hat das Landgericht wegen Bedeutungslosigkeit abgelehnt und zur Begründung u.a. ausgeführt: „Selbst wenn der damalige Angeklagte P. in der Hauptverhand- lung vor dem Amtsgericht Wittlich am 06.11.2012 den ihn betreffenden Anklagevorwurf pauschal bestätigt hätte, ohne ausführlich zu seinem Lieferanten Stellung zu nehmen, ist hieraus nicht notwendig der Schluss zu ziehen, dass die ausführlichen und detaillierten Angaben des damaligen Beschuldigten P. in Bezug auf den Angeklagten We. in seinen Beschuldigtenver- nehmungen vom 14.05.2012 und 25.06.2012 nicht der Wahrheit entsprechen.“
17
Der Rügevortrag genügt nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Der Beschwerdeführer hat im Beweisantrag ausdrücklich auf die im damaligen Verfahren gegen P. erhobene Anklageschrift Bezug genommen. Wie unter Ziffer II.2 ausgeführt, ist die Vorlage der Anklageschrift hier schon wegen der – nach dem Inhalt der Beweisbehauptung – vorgenommenen Inbezugnahme der Aussage P. s auf die Anklageschrift unverzichtbar.
18
Es trifft auch nicht zu, dass die Strafkammer in ihrem Ablehnungsbeschluss die Beweiswürdigung in unzulässiger Weise vorweggenommen hätte (Revisionsbegründung von Rechtsanwalt Bo. S. 24). Der Tatrichter hat nach den – in der Revision nur auf Rechtsfehler nachprüfbaren – Grundsätzen der freien Beweiswürdigung gemäß § 261 StPO zu beurteilen, ob der vom Antragsteller intendierte Schluss gerechtfertigt wäre. Hierzu hat er die unter Beweis gestellte Indiz- oder Hilfstatsache so, als sei sie erwiesen, in das bisherige Beweisergebnis einzustellen und prognostisch zu prüfen, ob hierdurch seine bisherige Überzeugung vom Beweiswert des anderen Beweismittels – evtl. in Anwendung des Zweifelssatzes – in einer für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch bedeutsamen Weise erschüttert würde (vgl. Becker in LR-StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 220 mwN). So ist die Strafkammer hier mit noch ausreichender Begründung rechtsfehlerfrei verfahren.
19
6. Auch die Rüge, das Landgericht habe die als wahr unterstellten Äußerungen P. s in einer früheren Beschuldigtenvernehmung vom 12. April 2012 zu Lasten des Angeklagten verwertet, greift nicht durch. Das Landgericht hat sich auf UA 21 mit den Darstellungen P. s zu seinen verschiedenen Schwarzfahrten auseinandergesetzt. Es hat aus der als wahr unterstellten Tatsache , P. habe eingeräumt, öfter bzw. „fast jedes Mal“ beim Schwarzfahren auf der Strecke von C. nach T. „erwischt“ worden zu sein, allerdings nicht den vom Angeklagten gewünschten Schluss auf fehlende Konstanz zur Angabe weiterer Schwarzfahrten in der späteren polizeilichen Vernehmung gezogen. Hierzu war es nicht gehalten. Das Gericht braucht aus einer als wahr unterstellten Indiztatsache nicht die Schlussfolgerungen zu ziehen, die der Antrag- steller gezogen wissen will (BGH, Urteile vom 6. August 1986 – 3 StR 234/86, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Wahrunterstellung 1, und vom 7. Februar 2008 – 4 StR 502/07, Tz. 27, insoweit in NJW 2008, 1093 nicht abgedruckt).
20
7. Die beiden mit der Revision vorgetragenen Aufklärungsrügen (§ 244 Abs. 2 StPO) sind ebenfalls unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
21
a) Soweit die Revision die unterbliebene Vernehmung des Staatsanwalts S. als Zeugen beanstandet, unterlässt sie es, eine bestimmte Beweistatsache zu bezeichnen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 244 Rn. 81 mwN). Eine solche ergibt sich auch nicht aus ihrem Vorbringen, die Strafkammer habe den „Beweis des Gegenteils, mithin der Tatsache, dass der Zeuge P. gerade keine glaubhaften Angaben machte, … nicht zugelassen“.
22
b) Nicht anders liegt es, soweit die Revision beanstandet, das Landgericht hätte die Mitglieder des Jugendschöffengerichts bei dem Amtsgericht Wittlich vernehmen müssen. Der Beschwerdeführer hätte sich insoweit nicht mit einer pauschalen negativen Bewertung des Aussageverhaltens P. s begnü- gen dürfen („keine Tatsachen für einen Tathergang“).

III.


23
Die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf die Sachrüge hat keinen materiellen-rechtlichen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Soweit die Revision sich – mit zum Teil urteilsfremdem Vorbringen – gegen die Beweiswürdigung wendet, vermag sie keinen Rechtsfehler aufzuzeigen; die Beweiswürdigung ist insbesondere nicht widersprüchlich oder lückenhaft. Im Übrigen bedarf nur Folgendes der Erörterung:
24
Die Feststellungen tragen die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe P. im Fall II.2 der Urteilsgründe zu dessen Handeltreiben bestimmt. Der Umstand, dass P. die Möglichkeit, für den Angeklagten Drogen zu verkaufen , bereitwillig ergriff, steht dem nicht entgegen. Jedenfalls hatte sich die Tatbereitschaft P. s noch nicht auf ein bestimmtes Geschäft konkretisiert (vgl. BGH, Urteil vom 20. Januar 2000 – 4 StR 400/99, BGHSt 45, 373, 374 ff.; Beschlüsse vom 30. Januar 2001 – 4 StR 557/00, StV 2001, 406, und vom 23. Mai 2007 – 2 StR 569/06, NStZ 2008, 42 mwN).
25
Die Feststellungen zur Häufigkeit der weiteren Betäubungsmittelstraftaten tragen den Schluss der Strafkammer auf 14 Fälle des Verstoßes gegen § 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG. Deren konkurrenzrechtliche Bewertung durch die Strafkammer ist rechtsfehlerfrei.
26
Es beschwert den Angeklagten nicht, dass das Landgericht ihn in den Fällen II.2 bis 5 (Taten 1 bis 15) nicht auch wegen (gewerbsmäßigen) Handeltreibens verurteilt hat (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juli 1997 – 4 StR 222/97, StV 1997, 636, 637; Beschluss vom 23. Mai 2007, aaO, S. 42 f.).
27
Die Anordnung des Wertersatzverfalls weist ebenfalls keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
Mutzbauer Roggenbuck Cierniak
Bender Quentin

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 277/13
vom
28. August 2013
in der Strafsache
gegen
wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 28. August 2013 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 7. Februar 2013 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt entfällt. 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen. Jedoch wird die Gebühr für das Rechtsmittelverfahren um die Hälfte ermäßigt. Die Staatskasse hat die Hälfte der insoweit entstandenen Auslagen sowie der notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in drei Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Berufungsurteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 27. März 2012 und Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Vom Vorwurf der Vergewaltigung hat es ihn freigesprochen. Weiterhin hat es die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hält einer rechtlichen Prüfung schon deshalb nicht stand, weil ein symptomatischer Zusammenhang zwischen dem Hang des Angeklagten, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und den Anlasstaten nicht belegt ist.
3
a) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt setzt gemäß § 64 Satz 1 StGB – neben dem Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen – voraus, dass die Anlasstat im Rausch begangen wurde oder – zumindest mitursächlich – auf den Hang zurückgeht, wobei die erste dieser Alternativen ein Unterfall der zweiten Alternative ist (BGH, Urteil vom 18. Februar 1997 – 1 StR 693/96, NStZ 1998, 130 mwN). Die konkrete Tat muss in dem Hang ihre Wurzel finden, also Symptomwert für den Hang des Täters zum Missbrauch von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln haben (BGH, Urteil vom 11. September 1990 – 1 StR 293/90, NStZ 1991, 128).
4
Eine Tatbegehung „im Rausch“ hat das Landgericht nicht festgestellt, sondern lediglich, dass der Angeklagte im Jahr 2011, in dem die verfahrensgegenständlichen Taten begangen wurden, generell Amphetamin und gelegentlich Marihuana konsumierte (UA S. 5, 16).
5
Anhaltspunkte dafür, dass die Taten, obwohl nicht im Rausch begangen, doch auf einen Hang zum Alkohol- oder Drogenmissbrauch zurückgingen, bestehen nicht. Typisch sind hierfür Delikte, die begangen werden, um Rauschmit- tel selbst oder Geld für ihre Beschaffung zu erlangen (BGH, Urteil vom 18. Februar 1997 – 1 StR 693/96 aaO). Derartige Delikte liegen hier nicht vor. Andere Delikte kommen als Hangtaten nur dann in Betracht, wenn besondere Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie gerade in dem Hang ihre Wurzeln finden, sich darin die hangbedingte besondere Gefährlichkeit des Täters zeigt (BGH, Urteil vom 18. Februar 1997 – 1 StR 693/96 aaO). Solche Anhaltspunkte sind hier nicht ersichtlich. Der Angeklagte hat die Fahrten ohne Fahrerlaubnis jeweils aus Anlass seiner Beziehung zu einer Frau unternommen, ohne dass seine Betäubungsmittelabhängigkeit eine erkennbare Rolle gespielt hätte.
6
Soweit das Landgericht in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen angenommen hat, die Taten seien auf den Hang zurückzuführen, weil „bei dem Angeklagten durch den jahrelangen übermäßigen Betäubungsmittelkonsum bereits eine deutliche und dauernde Verantwortungslosigkeit unter Missachtung sozialer Normen, Regeln und Verpflichtungen eingetreten“ (UA S. 18) sei, kann dem nicht gefolgt werden. Auch damit ist ein ursächlicher Zusammenhang zwi- schen den Taten und dem Hang nicht dargetan (vgl. zur „Enthemmung“ BGH, Urteil vom 20. September 2011 – 1 StR 120/11, NStZ-RR 2012, 72, 74 f.). Die Urteilsfeststellungen enthalten keinen Beleg dafür, dass der Angeklagte die ausgeurteilten Taten wegen einer aufgrund jahrelangen Betäubungsmittelkonsums herabgesetzten Hemmschwelle begangen hat. Dagegen spricht, dass er bereits seit 2004 mit Straftaten in Erscheinung getreten ist, seine Straffälligkeit also zu einer Zeit einsetzte, als er mit dem Konsum von Betäubungsmitteln gerade begonnen hatte.
7
b) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem rechtskräftigen Berufungsurteil des Landgerichts Frankenthal vom 27. März 2012, das vier der Beschaffungskriminalität zuzuordnende Taten des (in einem Fall versuchten) Diebstahls zum Gegenstand hatte. Im Rahmen einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 StGB kann das Gericht zwar erstmals auf eine Maßregel erkennen, wenn sich entweder aufgrund der neu abzuurteilenden Tat allein oder in Verbindung mit der schon abgeurteilten Tat die Erforderlichkeit der Maßregel ergibt (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 1954 – 3 StR 189/54, BGHSt 7, 180, 182; Rissing-van Saan in LK-StGB, 12. Aufl., § 55 Rn. 53; Stree/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 55 Rn. 55; Bringewat, Die Bildung der Gesamtstrafe, 1987, Rn. 305). Die erstmalige Verhängung der Maßregel kann aber nicht allein mit dem Symptomcharakter der bereits rechtskräftig abgeurteilten Taten begründet werden. Diese bilden deshalb im vorliegenden Verfahren keine Grundlage für die Anordnung der Maßregel gemäß § 64 StGB.
8
2. Der Senat kann sicher ausschließen, dass eine neue Verhandlung Feststellungen ergeben könnte, die eine Unterbringungsanordnung rechtfertigen würden. Daher ist in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO auf den Wegfall der Maßregel zu erkennen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 354 Rn. 26f).
9
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 Satz 1 StPO. Im vorliegenden Fall ist durch den Wegfall der Anordnung gemäß § 64 StGB das Gewicht des Rechtsfolgenausspruchs so gemindert, dass es unbillig wäre, dem Angeklagten die gesamten Rechtsmittelkosten aufzubürden. Angemessen ist es vielmehr, die Hälfte der Rechtsmittelkosten der Staatskasse aufzuerlegen und die Revisionsgebühr um die Hälfte zu ermäßigen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. Oktober 1986 – 4 StR 553/86, BGHR StPO § 473 Abs. 4 Quotelung 1; vom 11. Februar 1983 – 3 StR 484/82 (S)).
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.