Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Apr. 2007 - VIII ZB 109/05

bei uns veröffentlicht am04.04.2007
vorgehend
Amtsgericht Offenbach am Main, 350 C 44/05, 30.06.2005
Landgericht Darmstadt, 6 S 193/05, 11.10.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZB 109/05
vom
4. April 2007
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Erteilt das Gericht einen schriftlichen Hinweis oder stellt es schriftlich eine Frage mit
dem Ziel der Ergänzung ungenügender Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen
, ohne dass der Partei eine Frist zur Stellungnahme gesetzt wird, ist diese
gehalten, darauf so rechtzeitig zu reagieren, wie es nach der Prozesslage einer sorgfältigen
und auf die Förderung des Verfahrens bedachten Prozessführung entspricht.
Welcher Zeitraum der Partei danach zuzubilligen ist, richtet sich nach den Umständen
des Einzelfalls.
BGH, Beschluss vom 4. April 2007 - VIII ZB 109/05 - LG Darmstadt
AG Offenbach am Main
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. April 2007 durch den Vorsitzenden
Richter Ball, die Richter Wiechers und Dr. Wolst sowie die Richterinnen
Hermanns und Dr. Milger

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Darmstadt - 6. Zivilkammer - vom 11. Oktober 2005 wird verworfen. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen. Beschwerdewert: 4.195 €

Gründe:

I.

1
Die beklagte Rechtsanwältin erwirkte gegen die Kläger einen Titel über eine Forderung aus einem früher zwischen den Parteien bestehenden Mietverhältnis in Höhe von 1.595 € nebst Zinsen und Kosten. Zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus diesem Titel zahlten die Kläger an die Beklagte 1.678 €. Im vorliegenden Rechtsstreit fordern sie von der Beklagten die Rückzahlung dieses Betrages nebst Zinsen und vorprozessualer Anwaltskosten sowie die Herausgabe des Titels. Sie machen geltend, die titulierte Forderung sei durch Verrechnung mit einer Leistung der F. eG an die Beklagte auf eine von ihnen anstelle einer Mietkaution gestellte Bürgschaft bereits zuvor getilgt gewesen. Die Beklagte hat Hilfswiderklage erhoben auf Zahlung von 1.678 € nebst Zinsen zum Zwecke der Wiederauffüllung der Kaution.
2
Das Amtsgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Gegen dieses ihr am 22. Juli 2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 16. September 2005 Berufung eingelegt. Gleichzeitig hat sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt mit der Begründung, die Berufung sei erstmals schon am 8. August 2005 an das Landgericht Darmstadt versandt worden. Ihre Mitarbeiterin habe die Berufung geschrieben, postfertig gemacht und den Brief um 17.30 Uhr in einen Postbriefkasten in der F. straße in O. eingeworfen, der noch am gleichen Abend geleert worden sei. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb der Brief beim Landgericht nicht angekommen sei.
3
Mit Schreiben vom 22. September 2005, bei der Beklagten eingegangen am 29. September 2005, hat die Vorsitzende der Berufungskammer um Mitteilung gebeten, wann die Beklagte davon erfahren habe, dass die Berufung nicht beim Landgericht Darmstadt eingegangen sei. Darauf hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 14. November 2005 geantwortet, sie habe "ca. am 8. September 2005" auf telefonische Rückfrage beim Landgericht erfahren, dass die Berufung dort nicht vorliege. In der Zwischenzeit hatte das Berufungsgericht durch Beschluss vom 11. Oktober 2005 - der Beklagten zugestellt am 24. November 2005 - den Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist als unzulässig zurückgewiesen und die Berufung der Beklagten verworfen. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Rechtsbeschwerde.

II.

4
1. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt : Die Berufung sei unzulässig, weil sie erst am 16. September 2005 und damit nicht innerhalb der mit der Zustellung des angefochtenen Urteils beginnenden einmonatigen Berufungsfrist des § 517 ZPO eingelegt worden sei. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsfrist sei unzulässig, weil in dem Antrag nicht alle tatsächlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit und Begründetheit des Wiedereinsetzungsantrages angeführt seien. Es fehle an der Darlegung, wann das Hindernis für die Einhaltung der Frist weggefallen sei, das heißt, wann die Beklagte davon Kenntnis erlangt habe, dass die von ihr eingelegte Berufung nicht beim Landgericht Darmstadt eingegangen sei. Die Anfrage der Kammer vom 22. September 2005 sei unbeantwortet geblieben.
5
2. Die dagegen gerichtete, gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 ZPO). Die angefochtene Entscheidung beruht insbesondere nicht auf einer Verletzung der Verfahrensgrundrechte der Beklagten auf effektiven Rechtschutz und auf ein faires, willkürfreies Verfahren (Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip ) sowie auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG).
6
a) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde war das Berufungsgericht nicht gehalten, bei seiner Entscheidung den Schriftsatz der Beklagten vom 14. November 2005 abzuwarten. Zwar macht ein Hinweis gemäß § 139 ZPO - selbstverständlich - nur dann Sinn, wenn der Partei zugleich Gelegenheit gegeben wird, auf den Hinweis zu reagieren und den ihr mitgeteilten Bedenken durch eine Ergänzung ihres Sachvortrags und gegebenenfalls durch Beibringung weiterer Unterlagen Rechnung zu tragen (BGH, Urteil vom 18. September 2006 - II ZR 10/05, WM 2006, 2328, unter II 1; Urteil vom 27. November 1996 - VIII ZR 311/95, NJW-RR 1997, 441, unter II 2 b). Das Gericht ist jedoch weder in jedem Falle verpflichtet, der Partei dafür eine Frist zu setzen, noch hat es bei einer Hinweisverfügung ohne Fristsetzung beliebig lange zuzuwarten, bis sich die betroffene Partei auf den ihr erteilten Hinweis äußert, oder muss es, solange es an einer Reaktion der Partei fehlt, eine beabsichtigte Entscheidung „vorankündigen“ , wie die Rechtsbeschwerde meint.
7
Eine Fristsetzung ist gemäß § 139 Abs. 5 ZPO für einen nachgelassenen Schriftsatz geboten, wenn der Partei zu einem (erst in der mündlichen Verhandlung erteilten) gerichtlichen Hinweis eine sofortige Erklärung nicht möglich ist. Erfolgt der Hinweis oder - wie hier - eine gerichtliche Frage mit dem Ziel der Ergänzung ungenügender Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen im schriftlichen (Vor-)Verfahren, ohne dass der Partei eine Frist zur Stellungnahme gesetzt wird oder gesetzt werden muss, ist diese nach der § 282 Abs. 1 ZPO zugrunde liegenden gesetzgeberischen Wertung gehalten, darauf so rechtzeitig zu reagieren, wie es nach der Prozesslage einer sorgfältigen und auf die Förderung des Verfahrens bedachten Prozessführung entspricht. Welcher Zeitraum ihr danach zuzubilligen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und hängt unter anderem davon ab, ob es um eine einfach gelagerte Fragestellung oder um ein komplexes Geschehen geht, ob der Prozessbevollmächtigte zunächst bei der Partei nachfragen muss oder ob von der Partei weitere Erkundigungen eingeholt werden müssen.
8
Im vorliegenden Fall konnte die Beklagte die vom Berufungsgericht erbetene Angabe, die sich in einem Satz erschöpfte, ohne weitere Rückfrage aus eigener Kenntnis mitteilen. Es spricht deshalb viel dafür, dass das Berufungsgericht , das seinerseits die Information nur wenige Tage nach dem Eingang der Berufungsschrift und des Wiedereinsetzungsantrags angefordert hatte, deren Eingang innerhalb eines Zeitraums von ein bis zwei Wochen nach Zugang des Schreibens vom 22. September 2005 bei der Beklagten erwarten durfte und dass die Beklagte, die das Schreiben nach ihren eigenen Angaben am 29. September 2005 erhalten hat, nicht darauf vertrauen konnte, das Berufungsgericht werde nach seiner Hinweisverfügung - auch unter Berücksichtigung der für die Absendung und den Zugang bei der Beklagten zu veranschlagenden Zeitspanne - länger als zweieinhalb Wochen mit der Entscheidung warten. Letztlich bedarf dies jedoch keiner Entscheidung.
9
Denn jedenfalls durfte die Beklagte sich mit einer Reaktion nicht - wie geschehen - mehr als sieben Wochen Zeit lassen. Selbst wenn das Berufungsgericht (allenfalls geringfügig) verfrüht über die Berufung und den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten entschieden haben sollte, würde seine Entscheidung deshalb auf einem solchen Fehler nicht beruhen, weil eine verfahrensfehlerfreie Entscheidung zumindest weit vor dem 14. November 2005, dem Tag des Eingangs der Stellungnahme der Beklagten, hätte ergehen können.
10
b) Es kommt deshalb nicht mehr darauf an, ob sich die Entscheidung des Berufungsgerichts im Ergebnis auch deshalb als richtig darstellt, weil der Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten entgegen § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO überhaupt keinen Sachvortrag enthielt, aus dem sich entnehmen ließ, dass der Wiedereinsetzungsantrag rechtzeitig nach Behebung des Hindernisses (§ 234 Abs. 1 und 2 ZPO) gestellt war, und deshalb eine bloße Ergänzung unvollständiger Angaben, die auch nach Ablauf der Frist für den Wiedereinsetzungsantrag erfolgen kann, ohnehin nicht in Betracht kam (vgl. BGH, Beschluss vom 16. September 2003 - X ZR 37/03, NJW-RR 2004, 282, unter II 2 a; Beschluss vom 18. Oktober 2000 - XII ZB 163/00, FamRZ 2001, 416, unter II 1 a). Ball Wiechers Dr. Wolst Hermanns Dr. Milger
Vorinstanzen:
AG Offenbach am Main, Entscheidung vom 30.06.2005 - 350 C 44/05 -
LG Darmstadt, Entscheidung vom 11.10.2005 - 6 S 193/05 -

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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

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(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über

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Die Berufungsfrist beträgt einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.

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(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschw

Zivilprozessordnung - ZPO | § 236 Wiedereinsetzungsantrag


(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten. (2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragste

Zivilprozessordnung - ZPO | § 282 Rechtzeitigkeit des Vorbringens


(1) Jede Partei hat in der mündlichen Verhandlung ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel, insbesondere Behauptungen, Bestreiten, Einwendungen, Einreden, Beweismittel und Beweiseinreden, so zeitig vorzubringen, wie es nach der Prozesslage einer sorgfä

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(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

Die Berufungsfrist beträgt einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

(1) Jede Partei hat in der mündlichen Verhandlung ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel, insbesondere Behauptungen, Bestreiten, Einwendungen, Einreden, Beweismittel und Beweiseinreden, so zeitig vorzubringen, wie es nach der Prozesslage einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozessführung entspricht.

(2) Anträge sowie Angriffs- und Verteidigungsmittel, auf die der Gegner voraussichtlich ohne vorhergehende Erkundigung keine Erklärung abgeben kann, sind vor der mündlichen Verhandlung durch vorbereitenden Schriftsatz so zeitig mitzuteilen, dass der Gegner die erforderliche Erkundigung noch einzuziehen vermag.

(3) Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen, hat der Beklagte gleichzeitig und vor seiner Verhandlung zur Hauptsache vorzubringen. Ist ihm vor der mündlichen Verhandlung eine Frist zur Klageerwiderung gesetzt, so hat er die Rügen schon innerhalb der Frist geltend zu machen.

(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten.

(2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Prozesshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZR 37/03
vom
16. September 2003
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Verspätete Berufungsbegründung
Wird Unkenntnis vom wahren Zeitpunkt der Berufungseinlegung geltend gemacht
, muß zur Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist
innerhalb der Zwei-Wochen-Frist dargelegt werden, warum nicht bereits vor
dem Zugang der gerichtlichen Mitteilung über den Zeitpunkt der Berufungseinlegung
der wahre Zeitpunkt hätte erkannt werden können.
BGH, Beschluß vom 16. September 2003 - X ZR 37/03 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden
Richter Dr. Melullis und die Richter Scharen, Keukenschrijver, Dr. Meier-Beck
und Asendorf
am 16. September 2003

beschlossen:
Die Berufung gegen das am 16. Januar 2003 verkündete Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten als unzulässig verworfen.

Gründe:


I. Die beklagte Patentinhaberin hat gegen das am 16. Januar 2003 verkündete und ihrem prozeßbevollmächtigten Patentanwalt am 3. März 2003 zugestellte Urteil des Bundespatentgerichts in einer Patentnichtigkeitssache am 31. März 2003 Berufung beim Bundesgerichtshof eingelegt. Mit Schriftsatz vom 5. Mai 2003 hat sie "zu unserer am 31. März 2003 eingelegten Berufung ... gebeten , die Frist zur Einreichung einer Begründung um 14 Tage zu verlängern". Am 8. Mai 2003 hat der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten eine Mitteilung des Senats vom 6. Mai 2003 erhalten, daß die Berufungsbegründungsfrist versäumt sei.

Mit an diesem Tage beim Bundesgerichtshof eingegangenem Schriftsatz vom 21. Mai 2003 hat die Beklagte die Berufung begründet und Wiedereinset- zung in die Berufungsbegründungsfrist beantragt. Zur Rechtfertigung dieses Antrags hat die Beklagte dabei geltend gemacht, die bei ihrem Prozeßbevollmächtigten mit der Berechnung und Überwachung von Fristen betraute, stichprobenartig überprüfte und bisher zuverlässige Kanzleiangestellte M. habe die Berufungsbegründungsfrist mit zwei Monaten ab Zustellung des angefochtenen Urteils berechnet und notiert, obwohl sie von allen Gesetzesänderungen, die Auswirkungen auf die Fristenberechnung hätten, unverzüglich in Kenntnis gesetzt worden sei. In einem Schriftsatz vom 10. Juni 2003 hat die Beklagte dann noch ergänzend geltend gemacht, ihr Prozeßbevollmächtigter sei bei der Unterzeichnung des Schriftsatzes vom 5. Mai 2003 davon ausgegangen und habe davon ausgehen dürfen, daß die Berufungsschrift vom 31. März 2003 erst am 3. April 2003 per Fax an den Bundesgerichtshof gesendet worden sei, weil fristwahrende Schriftstücke in der Kanzlei des Prozeßbevollmächtigten generell erst am letzten Tag der zu beachtenden Frist herausgingen.
II. Die Berufung ist unzulässig und deshalb gemäß § 113 Abs. 1 PatG zu verwerfen.
1. Gemäß § 111 Abs. 2 Satz 2 PatG war die Berufung in einer Frist von einem Monat zu begründen, die mit der Einlegung der Berufung, also am 31. März 2003 begann. Innerhalb dieser Frist ist eine Berufungsbegründung nicht erfolgt. Die Berufungsbegründung der Beklagten ist erst am 21. Mai 2003 beim Bundesgerichtshof eingegangen.
2. Der Beklagten darf wegen der versäumten Berufungsbegründungsfrist keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Auch die Antragsfrist für die Wiedereinsetzung ist nicht gewahrt.

a) Im Falle der Berufung in Patentnichtigkeitssachen muß das Wiedereinsetzungsgesuch in entsprechender Anwendung von § 234 Abs. 1 und 2 ZPO (Sen.Urt. v. 31.05.2000 - X ZR 154/99, GRUR 2000, 1010 - Schaltmechanismus ) bei dem Bundesgerichtshof innerhalb einer Frist von zwei Wochen angebracht werden, die mit dem Tage beginnt, an dem das Hindernis behoben ist, das der rechtzeitigen Begründung der Berufung entgegenstand. Der Antrag muß die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten (§ 236 Abs. 2 ZPO in entsprechender Anwendung). Hierzu gehört auch der Sachvortrag, aus dem sich entnehmen läßt, daß der Wiedereinsetzungsantrag rechtzeitig nach Behebung des Hindernisses gestellt ist (BGH, Beschl. v. 18.10.2000 - XII ZB 163/00, FamRZ 2001, 416 m.w.N.). Da nach ständiger Rechtsprechung (z.B. Sen.Beschl. v. 12.06.2001 - X ZB 14/01, BGHReport 2001, 982) die Nachholung von die Wiedereinsetzung rechtfertigenden Angaben oder ein Nachschieben neuer Begründung nach Ablauf der Frist grundsätzlich nicht möglich ist, steht auch hierzu - wenn es sich nicht um bloße Ergänzungen ergänzungsbedürftiger Angaben handelt - nur die Frist von zwei Wochen zur Verfügung.
Diesen Anforderungen genügt der Schriftsatz vom 21. Mai 2003 nicht.
Ursache der Verhinderung der Beklagten, die Berufung rechtzeitig zu begründen, war im Streitfall - wie die Beklagte geltend macht - ihre Unkenntnis, daß die Berufung bereits am 31. März 2003 eingelegt war und die Berufungsbegründungsfrist einen Monat ab diesem Zeitpunkt beträgt. Der Sachvortrag
der Beklagten im Schriftsatz vom 21. Mai 2003 befaßt sich demgegenüber vor- nehmlich im Hinblick auf die Voraussetzung des § 233 ZPO, daß eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten , mit der Frage, warum es zu dieser Unkenntnis gekommen ist. Zu dem für die Fristberechnung maßgeblichen Wegfall der Verhinderung heißt es dort nur, durch den am 8. Mai 2003 eingegangenen Gerichtsbescheid vom 6. Mai 2003 sei man von dem Fristversäumnis in Kenntnis gesetzt worden. Das allein vermag die Wahrung der Frist jedoch nicht darzutun. Denn ein Hindernis ist nicht erst bei Kenntnis des wahren Sachverhalts entfallen; ein Hindernis ist im Sinne von § 234 Abs. 2 ZPO auch behoben, sobald das Fortbestehen der Ursache der Verhinderung nicht mehr unverschuldet ist (BGH, Beschl. v. 18.10.2000 - XII ZB 163/00, FamRZ 2001, 416; Beschl. v. 13.12.1999 - II ZR 225/98, NJW 2000, 592 m.w.N.). Das hätte im Streitfall ein Eingehen innerhalb der Zwei-Wochen-Frist darauf erforderlich gemacht, warum die Beklagte nicht bereits vor dem Zugang der Mitteilung des Senats vom 6. Mai 2003 hätte erkennen können, daß die Berufung bereits am 31. März 2003 eingelegt war und die Berufungsbegründungsfrist einen Monat beträgt. Hiermit befaßt sich jedoch erst der ergänzende Schriftsatz vom 10. Juni 2003.

b) Aber auch dann, wenn man die dortigen Angaben der Beklagten mitberücksichtigt , verbleibt es bei der Unzulässigkeit des Wiedereinsetzungsgesuchs.
Nach ständiger Rechtsprechung muß ein Rechtsanwalt bei fristwahrenden Prozeßhandlungen selbständig und eigenverantwortlich überprüfen, ob die betreffende Frist richtig ermittelt und eingetragen ist (z.B. BGH, Beschl. v. 05.03.2002 - VI ZR 286/01, MDR 2002, 841; Urt. v. 04.05.2001 - V ZR 434/00, NJW 2001, 2336). Zu diesen Prozeßhandlungen gehört auch der Antrag auf
Verlängerung der betreffenden Frist. An einen Patentanwalt, der in einem Nichtigkeitsberufungsverfahren als Prozeßbevollmächtigter auftritt, sind dieselben Anforderungen zu stellen (Sen.Beschl. v. 19.12.2000 - X ZR 128/00, GRUR 2001, 411 - Wiedereinsetzung V). Der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten hätte sich mithin bei der Unterzeichnung des Verlängerungsantrags vom 5. Mai 2003 nicht auf eine geübte Praxis verlassen dürfen, daß Fristen bis zum letzten Tag genutzt worden sind, sondern selbst überprüfen müssen, wann die Berufung eingelegt war und die Berufungsbegründungsfrist ablief.
Danach hätte der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten bereits am 5. Mai 2003 erkennen müssen, daß die Berufungsbegründungsfrist bereits abgelaufen war. Das muß sich die Beklagte zurechnen lassen (Senat aaO). Innerhalb der damit ab dem 5. Mai 2003 laufenden Zwei-Wochen-Frist ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist jedoch nicht gestellt worden.
3. Angesichts dieser Umstände kommt auch eine Wiedereinsetzung nach § 236 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz ZPO nicht in Betracht.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, § 121 Abs. 2 PatG.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Meier-Beck Asendorf

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 163/00
vom
18. Oktober 2000
in der Familiensache
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Oktober 2000 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die Richter Dr. Krohn, Dr. Hahne,
Gerber und Prof. Dr. Wagenitz

beschlossen:
Der Antrag der Landesversicherungsanstalt Niederbayern-Oberpfalz auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der weiteren Beschwerde gegen den Beschluß des 26. Zivilsenats - zugleich Familiensenat - des Oberlandesgerichts München vom 26. Juni 2000 wird zurückgewiesen. Die weitere Beschwerde gegen den genannten Beschluß wird auf Kosten der Landesversicherungsanstalt Niederbayern-Oberpfalz als unzulässig verworfen. Wert: 1.000 DM.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat durch Verbundurteil unter anderem den Versorgungsausgleich durch Rentensplitting zu Lasten des Antragstellers durchgeführt und dabei bei der Dynamisierung betrieblicher Versorgungsanwartschaften Ersatzwerte für die Barwertverordnung (nach Glockner/Gutdeutsch FamRZ
2000, 270) herangezogen. Hiergegen hat die Landesversicherungsanstalt Niederbayern -Oberpfalz (LVA) als weitere Beteiligte Beschwerde eingelegt. Diese ist durch Beschluß des Oberlandesgerichts vom 26. Juni 2000 zurückgewiesen worden. Der Beschluß ist der LVA am 7. Juli 2000 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 4. August 2000, adressiert an das Oberlandesgericht München, hat die LVA gegen den genannten Beschluß weitere Beschwerde eingelegt, die am 8. August 2000 bei dem Oberlandesgericht eingegangen ist. Durch Verfügung vom 18. August 2000 (abgegangen am 21. August 2000) hat der Vorsitzende des Beschwerdesenats beim Oberlandesgericht die LVA darauf hingewiesen , daß die Beschwerdeschrift den Eingangsstempel des Oberlandesgerichts vom 8. August 2000 trage, so daß sich die Frage der Rechtzeitigkeit des Rechtsmittels stelle; außerdem sei die - zugelassene - weitere Beschwerde gemäß § 621e Abs. 3 ZPO beim Bundesgerichtshof einzulegen; die Frist hierfür dürfte abgelaufen sein. Am 5. September 2000 hat die LVA beim Oberlandesgericht eine Begründung der weiteren Beschwerde eingereicht. Daraufhin hat das Oberlandesgericht den Vorgang dem Bundesgerichtshof vorgelegt, bei dem er am 8. September 2000 eingegangen ist. Mit Schriftsatz vom 20. September 2000, per Telefax an diesem Tag eingegangen, hat die LVA unter Beifügung der Beschwerdebegründung bei dem Bundesgerichtshof "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 ZPO" beantragt und zur Begründung dieses Antrags ausgeführt: Sie habe mit Schreiben vom 4. August 2000 gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts vom 26. Juni 2000 weitere Beschwerde eingelegt. Aufgrund von durch Urlaubsund Krankheitszeiten bedingten personellen Engpässen in der Registratur sei das Schreiben des Oberlandesgerichts vom 21. August 2000 - welches die Mitteilung enthalte, daß die Beschwerdeschrift vom 4. August 2000 dort am 8. August 2000 eingegangen sei - erst jetzt zur Akte und in die Sachbearbei-
tung gelangt. Das Schreiben vom 4. August 2000 sei noch am selben Tag zum Expedieren gegeben worden mit dem beigefügten Hinweis, daß als Adressat der Bundesgerichtshof anstelle des Oberlandesgerichts anzugeben sei. Diese Verfahrensweise sei üblich und habe bislang nie zu Problemen geführt. Es sei davon auszugehen gewesen, daß der Brief mit neuer Adresse noch am 4. August 2000 abgesandt werden und somit noch vor Fristende am 7. August 2000 sein Ziel erreichen würde. Aus welchen Gründen im konkreten Fall Schwierigkeiten aufgetaucht seien, lasse sich im Hinblick auf die Vielzahl von Schriftstücken, die in einer Massenverwaltung wie der LVA täglich zu bearbeiten und zu versenden seien, nicht klären.

II.

1. Die Voraussetzungen für eine Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der weiteren Beschwerde gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts vom 26. Juni 2000 sind nicht erfüllt.
a) Der Wiedereinsetzungsantrag ist unzulässig. Es ist nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, daß die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 ZPO gewahrt ist. Zu der Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen (§ 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO) und damit zum notwendigen Inhalt eines Wiedereinsetzungsgesuchs gehört grundsätzlich Sachvortrag, aus dem sich ergibt, daß der Wiedereinsetzungsantrag rechtzeitig nach Behebung des Hindernisses (§ 234 Abs. 2 ZPO) gestellt wird (vgl. Senatsbeschluß vom 18. September 1991 - XII ZB 51/91 = BGHR ZPO § 234 Abs. 2 Fristbeginn 5
m.w.N.). Davon kann nur abgesehen werden, wenn die Frist nach Lage der Akten offensichtlich eingehalten ist, was hier nicht der Fall ist. Das Hindernis, nach dessen Behebung die Wiedereinsetzungsfrist zu laufen begann, bestand im vorliegenden Fall in der Unkenntnis des zuständigen Sachbearbeiters der LVA davon, daß die Beschwerdeschrift vom 4. August 2000 erst am 8. August 2000 (Dienstag) und damit nach Ablauf der Rechtsmittelfrist am 7. August 2000 und darüber hinaus - entgegen dem nach der Behauptung der LVA erteilten Hinweis beim Expedieren - nicht mit neuer Anschrift an den Bundesgerichtshof versehen worden, sondern gemäß der in dem Schreiben enthaltenen Adresse bei dem Oberlandesgericht als unzuständigem Gericht eingegangen war. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs , auch des Senats, ist ein Hindernis im Sinne des § 234 Abs. 2 ZPO behoben, sobald die bisherige Ursache der Verhinderung beseitigt oder ihr Fortbestehen nicht mehr unverschuldet ist (vgl. Senatsbeschluß vom 18. September 1991 aaO; BGH, Beschlüsse vom 14. Juli 1988 - III ZB 40/87 = BGHR ZPO § 234 Abs. 1 Fristbeginn 1, und vom 12. Oktober 1989 - I ZB 3/89 = BGHR ZPO § 234 Abs. 2 Fristbeginn 1, jeweils m.w.N.). Das war hier jedenfalls zu dem Zeitpunkt der Fall, als der zuständige Sachbearbeiter der LVA bei Anwendung der unter den gebotenen Umständen von der LVA - als zur Einlegung und Durchführung der weiteren Beschwerde vor dem Bundesgerichtshof ohne Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts befugten Rechtsmittelführerin (§ 78 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 n.F. ZPO) - zu erwartenden Sorgfalt von der Verfügung des Oberlandesgerichts vom 18./21. August 2000 hätte Kenntnis nehmen können (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Oktober 1989 aaO; vom 24. Oktober 1996 - VII ZB 25/96 und vom 15. Oktober 1997 - IV ZB 15/97 = BGHR ZPO § 234 Abs. 2 Fristbeginn 8 und 10, jeweils m.N.).
Hierzu enthält das Wiedereinsetzungsgesuch keinen - ausreichenden - Sachvortrag. Der Hinweis auf urlaubs- und krankheitsbedingte Engpässe in der Registratur genügt den Anforderungen des § 234 Abs. 2 ZPO nicht und rechtfertigt nicht die Annahme, daß bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt der zuständige Sachbearbeiter nicht vor dem 6. September 2000 (d.h. zwei Wochen vor Eingang des Wiedereinsetzungsantrags am 20. September 2000) Kenntnis von dem Hinweis auf die Versäumung der Frist des § 621 e Abs. 3 ZPO hätte nehmen können. Bei Zugrundelegung der üblichen Postlaufzeit von München nach Landshut ist die am 21. August 2000 hinausgegangene Verfügung des Senatsvorsitzenden wenige Tage später bei der LVA eingegangen und damit in deren Verantwortungsbereich gelangt. Hier gebot die erforderliche Sorgfalt im Hinblick auf die Fristwahrung in gerichtlichen Verfahren die Schaffung und Überprüfung organisatorischer Maßnahmen, durch welche sichergestellt wurde , daß Schriftstücke, die ein gerichtliches Verfahren betrafen, nach ihrem Eingang in der Registratur ohne Verzug dem zuständigen Bearbeiter vorgelegt wurden. Dem Wiedereinsetzungsgesuch sind keine Angaben dazu zu entnehmen , daß derartige organisatorische Maßnahmen und Anordnungen bei der LVA getroffen seien, und gegebenenfalls aus welchem Grund die Verfügung vom 18./21. August 2000 gleichwohl nach ihrem Eingang in der Registratur "erst jetzt" (20. September 2000), das heißt nach mehreren Wochen, zur Akte und in die Sachbearbeitung gelangte.
b) Unter den dargelegten Umständen bedarf es keiner näheren Ausführungen dazu, daß das Wiedereinsetzungsgesuch im übrigen auch unbegründet wäre, weil nach seinem weiteren Inhalt auch ein Verschulden der LVA an der Versäumung der Frist zur Einlegung der weiteren Beschwerde nicht ausgeräumt ist. Weder genügen die Angaben zum Zeitpunkt der Absendung der Beschwerdeschrift vom 4. August 2000 den insoweit nach § 233 ZPO zu stellen-
den Anforderungen, noch vermag der beim "Expedieren beigefügte Hinweis" auf die Notwendigkeit einer Ä nderung der Anschrift und Bezeichnung des Bundesgerichtshofs als des richtigen Rechtsmittelgerichts ein Verschulden des zuständigen Sachbearbeiters der LVA auszuräumen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 2. Mai 1990 - XII ZB 17/90 = BGHR ZPO § 233, Büropersonal 3, vom 14. November 1990 - XII ZB 141/90 = BGHR ZPO § 234 Abs. 2 Fristbeginn 4 unter 2). Dieser mußte vielmehr vor der Unterzeichnung der Rechtsmittelschrift dafür Sorge tragen, daß diese an das richtige Gericht adressiert war (vgl. BGH, Beschlüsse aaO). 2. Die am 5. September 2000 bei dem Bundesgerichtshof eingegangene weitere Beschwerde gegen den der LVA am 7. Juli 2000 zugestellten Beschluß des Oberlandesgerichts vom 26. Juni 2000 ist unzulässig, da sie nicht innerhalb der Monatsfrist des § 621e Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit § 516 ZPO eingelegt worden - und die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung dieser Frist aus den dargelegten Gründen zu versagen - ist. Blumenröhr Krohn Hahne Gerber Wagenitz