Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Dez. 2011 - 4 StR 477/11

bei uns veröffentlicht am21.12.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 477/11
vom
21. Dezember 2011
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 21. Dezember 2011
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Verfahren im Fall 33 der Urteilsgründe nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels und die im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen der Nebenklägerin trägt der Angeklagte.

Gründe:


1
1. Soweit der Angeklagte im Fall 33 der Urteilsgründe wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 Abs. 2 StGB zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt worden ist, ist das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts nach § 154 Abs. 2 StPO einzustellen, weil die bisher getroffenen Feststellungen die Verurteilung nicht tragen und eine Zurückverweisung mit Rücksicht auf das geringe Gewicht des Tatvorwurfes nicht angezeigt ist.
2
Der geständige Angeklagte geriet nach dem Konsum von Kokain mit seinem Pkw in einen Verkehrsunfall. Eine zwei Stunden nach dem Unfallereignis entnommene Blutprobe enthielt Benzoylecgonin in einer Konzentration von 387 ng/ml und Kokain in einer Konzentration von 14,6 ng/ml. Bei der Blutentnahme schien der Angeklagte „leicht beeinflusst“ zu sein. Das Landgericht hat den Nachweis einer rauschmittelbedingten Fahruntüchtigkeit schon deshalb als erbracht angesehen, weil der von der Grenzwertekommission empfohlene Grenzwert für Benzoylecgonin von 75 ng/ml um das Fünffache überschritten war.
3
Anders als bei Alkohol kann der Nachweis einer rauschmittelbedingten Fahrunsicherheit gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a., § 316 StGB auch weiterhin nicht allein durch einen bestimmten Blutwirkstoffbefund geführt werden. Gesicherte Erfahrungswerte, die es erlauben würden, bei Blutwirkstoffkonzentrationen oberhalb eines bestimmten Grenzwertes ohne Weiteres auf eine rauschmittelbedingte Fahrunsicherheit zu schließen, bestehen nach wie vor nicht (BGH, Beschluss vom 3. November 1998 – 4 StR 395/98, BGHSt 44, 219, 222; Beschluss vom 7. Oktober 2008 – 4 StR 272/08, StV 2009, 359, 360; Maatz BA 2004, Suppl. I. 9, 10; SSW-Ernemann § 316 Rn. 30; Fischer, StGB 59. Aufl., § 316 Rn. 39 mwN.). Es bedarf daher neben dem positiven Blutwirkstoffbefund noch weiterer aussagekräftiger Beweisanzeichen, die im konkreten Einzelfall belegen, dass die Gesamtleistungsfähigkeit des betreffenden Kraftfahrzeugführers soweit herabgesetzt war, dass er nicht mehr fähig gewesen ist, sein Fahrzeug im Straßenverkehr eine längere Strecke, auch bei Eintritt schwieriger Verkehrslagen, sicher zu steuern (BGH, Urteil vom 15. April 2008 – 4 StR 639/07, NZV 2008, 528, 529). Das ohne eine phänomengebundene Schilde- rung mitgeteilte Erscheinungsbild des Angeklagten („leicht beeinflusst“) reicht dazu nicht aus.
4
Die vom Landgericht herangezogenen Empfehlungen der Gemeinsamen Arbeitsgruppe für Grenzwertfragen und Qualitätskontrolle (hier zu Ben- zoylecgonin im Beschluss vom 22. Mai 2007, BA 2007, 311) bezeichnen lediglich Messwerte, die mindestens erreicht sein müssen, damit eine Blutwirkstoffkonzentration bei Anwendung der Richtlinien der Gesellschaft für Toxikologische und Forensische Chemie als qualitativ sicher nachgewiesen und quantitativ richtig bestimmt gelten kann (sog. Analytische Grenzwerte). Sie beruhen auf einer Übereinkunft der in der Kommission versammelten Experten und versuchen Richtlinien für den Nachweis berauschender Mittel und Substanzen im Blut im Sinne von § 24a Abs. 2 Satz 2 StVG vorzugeben (Ergebnisbericht der Gemeinsamen Arbeitsgruppe für Grenzwertfragen und Qualitätskontrolle, BA 1998, 372, 374; BA 2007, 311; Geppert, DAR 2008, 125, 127; Eisenmenger, NZV 2006, 24, 26; vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht 41. Aufl., StVG § 24a Rn. 21a und 21b mwN.). Da diese Grenzwerte keine Aussage über eine Dosis-Blutkonzentrations-Wirkungs-Beziehung enthalten, lässt ihre Überschreitung für sich genommen noch keinen zuverlässigen Rückschluss auf eine im konkreten Fall gegebene, eine Strafbarkeit nach § 316 StGB begründende rauschmittelbedingte Fahrunsicherheit zu (vgl. Möller, BA 2004, Suppl. I. 16,

17).


5
2. Die weiter gehende Revision ist offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht bei einem Wegfall der im Fall 33 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafe auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte. Gegen den Angeklagten wurden in den verbleibenden Fällen jeweils zwei Freiheitsstrafen von einem Jahr und sechs Monaten (Fälle 26 und 28 der Urteilsgründe), einem Jahr (Fälle 6 und 8 der Urteilsgründe), neun Monaten (Fälle 5 und 7 der Urteilsgründe) und sechs Monaten (Fälle 4 und 27) sowie 20 Geldstrafen von jeweils 90 Tagessätzen (Fälle 9 bis 24 und 29 bis 32 der Urteilsgründe) festgesetzt. Ernemann Roggenbuck Franke Bender Quentin

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Bundesgerichtshof Urteil, 15. Apr. 2008 - 4 StR 639/07

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Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Juni 2015 - 4 StR 111/15

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Landgericht Waldshut-Tiengen Beschluss, 04. Juni 2012 - 4 Qs 12/12

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Tenor 1. Auf die Beschwerde des Angeklagten wird der Beschluss des Amtsgerichts Waldshut-Tiengen vom 14.05.2012 – ... Hw. – aufgehoben.2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeklagten in diesem entstandenen notwendigen Auslagen trägt d

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Wer im Verkehr (§§ 315 bis 315e) ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 315a oder § 315c mit Strafe bedroht ist.

(2) Nach Absatz 1 wird auch bestraft, wer die Tat fahrlässig begeht.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Wer im Verkehr (§§ 315 bis 315e) ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 315a oder § 315c mit Strafe bedroht ist.

(2) Nach Absatz 1 wird auch bestraft, wer die Tat fahrlässig begeht.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 639/07
vom
15. April 2008
in der Strafsache
gegen
wegen fahrlässiger Körperverletzung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 15. April
2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 6. Juni 2007 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen [vorsätzlicher] Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung und mit [vorsätzlichem] Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt und bestimmt, dass dem Angeklagten vor Ablauf von vier Jahren keine Fahrerlaubnis erteilt werden darf. Gegen dieses Urteil wenden sich der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft mit ihren Revisionen, mit denen sie die Verletzung sachlichen Rechts rügen; die Staatsanwaltschaft beanstandet darüber hinaus auch das Verfahren. Während der Angeklagte sich gegen die Verurteilung wegen Gefährdung des Straßenverkehrs wendet, erstrebt die Staatsanwaltschaft eine Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung und wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und wendet sich darüber hinaus auch gegen die unterbliebene Verurteilung des Angeklagten wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort. Beide Rechtsmittel haben Erfolg.

I.


2
1. Das Landgericht hat festgestellt:
3
Der heroinabhängige Angeklagte wollte sich am Morgen des Tattages mit Heroin versorgen und fuhr deshalb mit dem Pkw seiner Lebensgefährtin, obwohl er keine Fahrerlaubnis besaß, nach S. Auf . dem Wege dorthin versuchte er im G. -Markt in V. DVD's zu entwenden, um sie später gegen Heroin einzutauschen. Dabei wurde er von dem Kaufhausdetektiv J. beobachtet, der ihn auf der Weiterfahrt mit seinem eigenen Pkw bis S. verfolgte. Als der Angeklagte dort an einem Taxistand anhielt, stellte sich der Zeuge mit seinem Pkw schräg vor den des Angeklagten, um ihn an der Weiterfahrt zu hindern. Der zunehmend unter körperlichem Entzug stehende Angeklagte sah sein Vorhaben, sich möglichst schnell wieder Heroin zuzuführen, gefährdet, wollte sich aber auf Grund des bestehenden Suchtdrucks nicht aufhalten lassen. Er lenkte deshalb seinen Pkw um den des Zeugen herum und bog nach rechts in die dreispurig ausgebaute D. ein. Dort beschleunigte er seinen Pkw und fuhr auf die Lichtzeichenanlage vor dem "Sa. " zu, an der zu diesem Zeitpunkt auf dem äußerst rechten sowie auf dem äußerst linken Fahrstreifen Fahrzeuge hielten, weil die Ampel Rotlicht zeigte. Dagegen war der mittlere Fahrstreifen frei. Dies nutzte der Angeklagte aus, um seine Fahrt ungehindert fortzusetzen. Er fuhr deshalb mit einer Geschwindigkeit von 40 bis 60 km/h zwischen den an der Ampel haltenden Fahrzeugen hindurch. Dabei sah er sich nach hinten um, um festzustellen, ob der Zeuge J. ihn weiter verfolgte. Zu diesem Zeitpunkt überquerte der später Geschädigte de F. die ca. 15 m hinter der Haltelinie für Kraftfahrzeuge befindliche, ebenfalls mit einer Lichtzeichenanlage versehene Fußgängerfurt bei "Grün". Der Angeklagte erfasste den Geschädigten mit dem Pkw vorne links. Der Geschädigte wurde durch den Aufprall über die Motorhaube in die Windschutzscheibe des Pkw geschleudert, die zersplitterte und nach innen in den Fahrgastraum gedrückt wurde. Der Angeklagte "realisierte" die Situation zunächst nicht. Erst nachdem er die Glassplitter aus seinem Gesicht gewischt hatte, bemerkte er, dass sich der Geschädigte auf der Motorhaube befand. In diesem Moment fiel der Geschädigte auch bereits vom Fahrzeug herunter und blieb am Fahrbahnrand schwer verletzt liegen. Bis dahin waren seit der Kollision drei bis fünf Sekunden vergangen und hatte der Angeklagte ca. 50 m zurückgelegt. Obwohl er zwischenzeitlich bemerkt hatte, dass er eine Person angefahren hatte, hielt er nicht an, da er sich möglichst schnell mit Heroin versorgen wollte.
4
2. Das Landgericht hat eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen - tateinheitlich mit fahrlässiger Körperverletzung (§ 229 StGB) und vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis (§ 21 Abs. 1 StVG) verwirklichter - vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315 c Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) und Nr. 2 Buchst. c) StGB angenommen. Der Angeklagte sei auf Grund der von seiner Heroinsucht ausgehenden massiven körperlichen Entzugserscheinungen "absolut fahruntüchtig" gewesen. Das Unfallgeschehen belege auch, dass der Angeklagte in Folge dieses körperlichen Mangels in seiner Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit stark beeinträchtigt gewesen sei. Darüber hinaus sei der Angeklagte grob verkehrswidrig und rücksichtslos an einem Fußgängerüberweg falsch gefahren, indem er, um so schnell wie möglich an Rauschgift zu kommen, auf seiner Flucht vor dem ihn verfolgenden Zeugen J. sich unter Missachtung des für ihn geltenden Rotlichts den "Fußgängerüberweg" überfahren und dabei den Geschädigten erfasst habe. Der Angeklagte habe sowohl hinsichtlich der Tathandlung als auch hinsichtlich der Gefährdung vorsätzlich gehandelt (sog. Vorsatz-Vorsatz-Kombination); indem er, obwohl er vor der Ampel haltende Fahrzeuge wahrgenommen habe, nach hinten geschaut und nicht auf die Lichtzeichenanlage geachtet habe, habe er zumindest billigend in Kauf genommen, dass er "eine rote Ampel überfährt“ und die auf dem dahinter liegenden Fußgängerüberweg die Fahrbahn überquerenden Passanten gefährdet.
5
Eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen versuchten Mordes hat das Schwurgericht verneint, weil dem Angeklagten ein Tötungsvorsatz nicht nachzuweisen sei. Er habe den Geschädigten nicht wahrgenommen, weil er sich nach hinten umgesehen habe; ihm sei beim "Überfahren der roten Ampel" auch nicht bewusst gewesen, dass eine Person die dahinter liegende Fußgängerfurt überquert. Mangels entsprechenden Vorsatzes hat das Landgericht auch eine gefährliche Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB) verneint.
6
Eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142 Abs. 1 StGB) hat das Landgericht nicht erörtert, nachdem die Staatsanwaltschaft mit der Anklage das Verfahren gemäß den §§ 154, 154 a StPO auf die angeklagten Tatbestände des versuchten Mordes, des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und der gefährlichen Körperverletzung beschränkt hatte.

II.


7
Revision des Angeklagten
8
Der Schuldspruch hält auf die Revision des Angeklagten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand, soweit das Landgericht den Angeklagten wegen Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315 c StGB) verurteilt hat. Wie der Generalbundesanwalt bereits in seiner Zuschrift an den Senat vom 12. Dezember 2007 zutreffend ausgeführt hat, belegen die getroffenen Feststellungen nicht, dass der Angeklagte den Tatbestand des § 315 c StGB in den beiden vom Landgericht angenommenen Tatbestandsalternativen verwirklicht hat.
9
1. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe den Tatbestand des § 315 c Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB erfüllt, weil er infolge seiner körperlichen Entzugserscheinungen "absolut" fahrunsicher gewesen sei, begegnet rechtlichen Bedenken.
10
Da sich die "absolute" von der "relativen" Fahruntüchtigkeit allein in ihrem Nachweis unterscheidet (BGHSt 31, 42, 44), erscheint bereits fraglich, ob außerhalb des Bereichs der unwiderlegbaren Vermutung der Fahruntüchtigkeit auf Grund eines Blutalkoholgrenzwerts der Begriff der "absoluten" Fahruntüchtigkeit überhaupt Verwendung finden kann. In Extremfällen (z.B. der blinde Fahrzeugführer) mag dies zutreffen; ein solcher Extremfall lag hier aber jedenfalls nicht vor. Relative Fahruntüchtigkeit (genauer: Fahrunsicherheit), wie sie hier allein in Betracht zu ziehen ist, setzt voraus, dass die Gesamtleistungsfähigkeit des Fahrzeugführers infolge geistiger und/oder körperlicher Mängel soweit herabgesetzt ist, dass er nicht mehr fähig ist, sein Fahrzeug im Straßenverkehr eine längere Strecke, auch bei Eintritt schwieriger Verkehrslagen, sicher zu steuern (BGHSt 13, 83, 90; 44, 219, 221). Zwar ist - wie bei rauschmittelbedingter Fahrunsicherheit - nicht unbedingt erforderlich, dass sich die körperlichen bzw. geistigen Mängel in Fahrfehlern ausgewirkt haben. Vielmehr können unter Umständen zum Nachweis der Fahrunsicherheit auch sonstige Auffälligkeiten im Verhalten des Fahrzeugführers genügen, sofern sie konkrete Hinweise auf eine schwerwiegende Beeinträchtigung seiner psychophysischen Leistungsfähigkeit, insbesondere seiner Wahrnehmungsund Reaktionsfähigkeit geben (vgl. BGHSt 31, 42, 44 f.; 44, 221 f.).
11
Dass es sich hier so verhält, belegen die bislang festgestellten Entzugssymptome des Angeklagten aber nicht. Die Ausführungen des Landgerichts erschöpfen sich vielmehr in der allgemein gehaltenen Aufzählung verschiedener Entzugserscheinungen wie Händezittern, Übelkeit, Schweißausbrüche, gestörtes Temperaturempfinden und Konzentrationsschwierigkeiten , ohne sich damit auseinanderzusetzen, ob sich diese körperlichen Mängel auch auf die Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit oder die Risikobereitschaft des Angeklagten ausgewirkt haben. Dies versteht sich hier nicht von selbst. Der Angeklagte lenkte nämlich nicht nur sein Fahrzeug offenbar beanstandungsfrei über V. nach S. und dort durch den innerstädtischen Verkehr, sondern er zeigte auch anlässlich seines Aufenthalts im "G. -Markt" in Unterbrechung dieser Fahrt keine körperlichen oder geistigen Auffälligkeiten; vielmehr verhielt er sich in dem Geschäft beim Versuch, einen Ladendiebstahl zu begehen, umsichtig und unternahm sogar Maßnahmen, um den versuchten Diebstahl zu vertuschen.
12
Das Landgericht hätte deshalb nach den Maßstäben der Rechtsprechung zur "relativen" Fahrunsicherheit prüfen müssen, ob weitere aussagekräftige Beweisanzeichen, insbesondere der unfallursächliche Fahrfehler, den sicheren Nachweis der entzugsbedingten Fahrunsicherheit des Angeklagten begründen konnten. Dies ist nicht geschehen. Zwar hat das Landgericht ein außergewöhnlich fehlerhaftes und risikoreiches Fahrverhalten des Angeklagten festgestellt. Dieser drehte sich beim Herannahen an die geschaltete Lichtzeichenanlage um und übersah deshalb den später Geschädigten. Gleichwohl bedurfte es näherer Darlegung, dass dieser Fahrfehler seine Ursache auch in den körperlichen Entzugserscheinungen des Angeklagten hatte. Dagegen könnte nämlich sprechen, dass das Streben des Angeklagten in dem Augenblick seines Herannahens an die Lichtzeichenanlage auf Flucht vor dem Zeugen J. ausgerichtet war. Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass sich der Angeklagte bewusst unter Inkaufnahme eines Unfalls der Verfolgung durch den Zeugen entziehen wollte.
13
Ob die extrem waghalsige Fahrweise des Angeklagten durch den Heroinentzug bedingt war, bedarf deshalb neuer tatrichterlicher Prüfung, wobei die Hinzuziehung eines Sachverständigen geboten erscheint. Dieser wird Gelegenheit haben darzulegen, ob unter Berücksichtigung der langjährigen Heroinabhängigkeit des Angeklagten die festgestellten und/oder weitere typische Entzugserscheinungen Auswirkungen auf die Wahrnehmungsund /oder Reaktionsfähigkeit des Angeklagten haben konnten oder etwa zu einer erhöhten Risikobereitschaft oder Selbstüberschätzung geführt haben.
14
2. Auch die Bejahung der Tatbestandsalternative der Nr. 2 Buchst. c) des § 315 c Abs. 1 StGB hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Regelung wurde durch das Zweite Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs in den Katalog der sog. "Todsünden" aufgenommen, weil die Unsitte, links an einem vor einem Fußgängerüberweg haltenden Fahrzeug, das den Fußgängern den Weg freimachen will, vorbeizufahren, zu schweren Unfällen geführt hatte (BT-Drucks. IV/651 S. 29; LK-König StGB 11. Aufl. § 315 c Rdn. 101). Sie erfasst ein Falschfahren aber nur an Fußgängerüberwegen im Sinne des § 26 StVO. Das sind die durch Zeichen 293 zu § 41 StVO i.V.m. mit dem Hinweiszeichen 350 zu § 42 StVO markierten Zebrastreifen. Der Senat hätte indes Bedenken, die Vorschrift des § 315 c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c) StGB von vornherein dann nicht eingreifen zu lassen, wenn der "Fußgängerüberweg" zusätzlich durch eine in Betrieb befindliche Lichtzeichenanlage gesichert ist (so aber OLG Düsseldorf VRS 66 (1984), 135; OLG Hamm NJW 1969, 440; OLG Stuttgart NJW 1969, 889; Fischer StGB 55. Aufl. § 315 c Rdn. 7; Hentschel Straßenverkehrsrecht 38. Aufl. StGB § 315 c Rdn. 35; Jagow/Burmann/Heß Straßenverkehrsrecht 20. Aufl. StGB § 315 c Rdn. 23; Lackner/Kühl StGB 26. Aufl. § 315 c Rdn. 15; LK-König aaO Rdn. 102; a.A. mit beachtlichen Gründen OLG Koblenz VM 1976, 12; Cramer/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder StGB 27. Aufl. § 315 c Rdn. 21; Horn/Wolters in SK StGB 67. Lieferung [Oktober 2006] § 315 c Rdn. 12). Dies bedarf hier jedoch keiner Entscheidung. Denn das Landgericht hat nicht festgestellt, dass die Unfallstelle ein Fußgängerüberweg im Sinne des § 26 StVO (Zebrastreifen) war.

III.


15
Revision der Staatsanwaltschaft
16
1. Die Verfahrensbeschwerden, mit denen die Staatsanwaltschaft eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht sowie des Beweisantragsrechts beanstandet, greifen aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift an den Senat genannten Gründen nicht durch.
17
2. Jedoch hat die Revision der Staatsanwaltschaft mit der Sachrüge Erfolg.
18
Im Ergebnis zu Recht beanstandet die Beschwerdeführerin, dass das Landgericht den Angeklagten nicht auch wegen gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB), ggfls. tateinheitlich mit einem versuchten Tötungsdelikt, verurteilt hat.
19
a) Das Urteil hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand, weil die Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite im ersten Tatabschnitt bis zur Kollision lückenhaft ist. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe, indem er den Geschädigten mit seinem Pkw erfaßte und lebensgefährlich verletzte, nur fahrlässig gehandelt, wird den Besonderheiten des Falles nicht gerecht und ist auch nicht ohne weiteres vereinbar mit der rechtlichen Würdigung, mit der das Schwurgericht im Zusammenhang mit § 315 c Abs. 1 StGB einen – bedingten – Gefährdungsvorsatz (sog. Vorsatz-VorsatzKombination ) bejaht hat. Nach den Feststellungen nahm der ortskundige Angeklagte wenigstens billigend in Kauf, dass die Lichtzeichenanlage für den Fahrzeugverkehr Rotlicht zeigte und die dahinter befindliche Fußgängerampel "grün" war, so dass sich Fußgänger auf der Fahrbahn befinden konnten, um die Straße zu überqueren. Diese Gefährdung der die Fahrbahn überquerenden Passanten nahm er, um so schnell wie möglich an Heroin zu kommen, billigend in Kauf. Bei dieser Sachlage hätte sich das Schwurgericht nicht damit begnügen dürfen, einen Tötungs- und ebenso einen Körperverletzungsvorsatz in diesem Tatabschnitt allein mit der Begründung zu verneinen, der Angeklagte habe den später Geschädigten zunächst nicht wahrgenommen, weil er sich nach hinten umgesehen hatte. Denn diese Erwägung trägt lediglich den Ausschluss direkten Vorsatzes, lässt aber eine – hier gebotene – Auseinandersetzung mit der naheliegenden Frage jedenfalls bedingten Vorsatzes vermissen. Dieser Prüfung war die Schwurgerichtskammer auch nicht etwa deshalb enthoben, weil sie gemeint haben mag, einen - zumindest bedingten - Tötungsvorsatz wegen der hohen Hemmschwelle gegenüber der Tötung eines Menschen von vornherein nicht nachweisen zu können. Unter den hier gegebenen besonderen Umständen erscheint vielmehr denkbar, dass dem unter starkem Suchtdruck befindlichen Angeklagten – wenn er schon die Anwesenheit von Passanten im Bereich der Fußgängerfurt und deren Gefährdung in Kauf nahm – auch deren mögliche Verletzung gleichgültig war (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 51).
20
b) Die Sache bedarf deshalb auch auf die Revision der Staatsanwaltschaft insgesamt neuer tatrichterlicher Prüfung und Entscheidung durch das Landgericht. Dort besteht auch Gelegenheit, den Vorwurf des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142 Abs. 1 StGB) gemäß § 154 a Abs. 3 StPO wieder in das Verfahren einzubeziehen. Einem entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft ist zu entsprechen (§ 154 a Abs. 3 Satz 2 StPO).
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3. Darauf, dass die Revision der Staatsanwaltschaft auch zu Gunsten des Angeklagten wirkt (§ 301 StPO), kommt es nicht an, weil die Gründe, die Rechtsfehler des angefochtenen Urteils zum Nachteil des Angeklagten aufdecken, auf dessen Revision zu berücksichtigen sind (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 9 a.E.).
Tepperwien Maatz Ri'inBGHSolin-Stojanovi ć istinfolgeUrlaubsgehindertzu unterschreiben Tepperwien Ernemann Sost-Scheible

(1) Ordnungswidrig handelt, wer im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt, obwohl er 0,25 mg/l oder mehr Alkohol in der Atemluft oder 0,5 Promille oder mehr Alkohol im Blut oder eine Alkoholmenge im Körper hat, die zu einer solchen Atem- oder Blutalkoholkonzentration führt.

(2) Ordnungswidrig handelt, wer unter der Wirkung eines in der Anlage zu dieser Vorschrift genannten berauschenden Mittels im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt. Eine solche Wirkung liegt vor, wenn eine in dieser Anlage genannte Substanz im Blut nachgewiesen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn die Substanz aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt.

(3) Ordnungswidrig handelt auch, wer die Tat fahrlässig begeht.

(4) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu dreitausend Euro geahndet werden.

(5) Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit und dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz mit Zustimmung des Bundesrates die Liste der berauschenden Mittel und Substanzen in der Anlage zu dieser Vorschrift zu ändern oder zu ergänzen, wenn dies nach wissenschaftlicher Erkenntnis im Hinblick auf die Sicherheit des Straßenverkehrs erforderlich ist.

(1) Wer im Verkehr (§§ 315 bis 315e) ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 315a oder § 315c mit Strafe bedroht ist.

(2) Nach Absatz 1 wird auch bestraft, wer die Tat fahrlässig begeht.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.