Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR111/15
vom
2. Juni 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 2. Juni 2015 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO, § 354 Abs. 1 StPO analog beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten K. und S. gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 21. November 2014 werden als unbegründet verworfen, das Rechtsmittel der Angeklagten K. jedoch mit der Maßgabe, dass hinsichtlich der in den Fällen II. 3 und II. 4 verhängten Einzelstrafen die Tagessatzhöhe auf 1,-- Euro festgesetzt wird. Jeder Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte K. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und Maßnahmen nach §§ 69, 69a StGB angeordnet. Den Angeklagten S. hat es wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
2
Die dagegen gerichteten Revisionen der Angeklagten, die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützt sind, bleiben erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO). Das Rechtsmittel der Angeklagten K. führt lediglich zur Nachholung der Festsetzung der Tagessatzhöhe für die in den Fällen II. 3 und II. 4 der Urteilsgründe verhängten Einzelgeldstrafen. Der Erörterung bedarf – in Ergänzung der Ausführungen des Generalbundesanwalts in seinen Antragsschriften vom 29. April 2015 – lediglich Folgendes:

I.


3
Zur Revision der Angeklagten K. :
4
1. Mit der Verfahrensrüge beanstandet die Revision die Zurückweisung des Antrags auf Ladung und Vernehmung des Zeugen M. zum Beweis der Tatsache, der Zeuge A. sei „bei dessen Straftaten nach dem BtMG im Jahre 2007 bis 2009“ von dem gesondert verfolgten Kr. beliefert worden.
5
Die Rüge greift nicht durch.
6
a) Ob dem Antrag des Beschwerdeführers angesichts der pauschal auf einen Zeitraum von mehreren Jahren bezogenen, allgemein gehaltenen Beweisbehauptung überhaupt die Qualität eines Beweisantrags im Sinne von § 244 Abs. 3 StPO zukommt, kann der Senat offen lassen. Die Ablehnung des Antrags, den die Strafkammer als Beweisantrag aufgefasst hat, lässt jedenfalls keinen durchgreifenden Rechtsfehler erkennen.
7
b) Zwar ist dem Beschwerdeführer zuzugeben, dass die Begründung der Ablehnung des Beweisantrags rechtlich nicht unbedenklich war. Das Landgericht hat die Beweisbehauptung als wahr unterstellt und in der Beschlussbegründung weiter ausgeführt, dass die behaupteten (Indiz-)Tatsachen für die Entscheidung ohne Bedeutung seien, weil die Strafkammer im Falle ihres Erwiesenseins daraus nicht den zwingenden Schluss ziehen werde, das bei dem Angeklagten sichergestellte Rauschgift sei vollständig für den Zeugen A. oder eine unbekannte Person namens „Ma. “und deshalb nicht für die Angeklagte K. bestimmt gewesen. Der Ablehnungsgrund der Wahrunterstellung , der nur bei erheblichen Tatsachen in Betracht kommt, und der Ablehnungsgrund der Bedeutungslosigkeit schließen einander aber aus (BGH, Beschluss vom 30. November 2005 – 2 StR 431/05, StV 2007, 18, 19; Urteil vom 28. Mai 2003 – 2 StR 486/02, NStZ-RR 2003, 268). Die für den revisionsgerichtlichen Prüfungsumfang allein maßgebliche Angriffsrichtung dieser Verfahrensrüge (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 14. Juli 1998 – 4 StR 253/98, NStZ 1998, 636 sowie jüngst BGH, Urteil vom 14. April 2015 – 5 StR 20/15, Tz. 19) geht indes nicht auf den in der fehlerhaften Ablehnung des Beweisantrags liegenden Verfahrensmangel. Die Revision sieht diesen vielmehr in der fehlenden Auseinandersetzung des Urteils mit den als wahr unterstellten Tatsachen im Hinblick auf eine mögliche Erschütterung der Glaubhaftigkeit der die Angeklagte belastenden Angaben des Mitangeklagten S. , nachdem dieser zunächst einen „Ma. “ als Empfängerder Rauschgiftlieferung benannt hatte (RB S. 6, 10 oben). Wegen der Widersprüchlichkeit der Beschlussbegründung ist aber schon fraglich, ob in ihr überhaupt die Zusage einer Wahrunterstellung gesehen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 28. Mai 2003 aaO). Jedenfalls übersieht der Beschwerdeführer, dass nicht jede Nichterwähnung einer als wahr unterstellten Beweistatsache im Urteil gleichbedeutend ist mit einem Erörterungsmangel. Vielmehr bedarf es einer Auseinandersetzung mit den als wahr unterstellten Tatsachen in den Urteilsgründen nur, wenn sie sich angesichts der im Übrigen gegebenen Beweislage aufdrängt und die Beweiswürdigung sich sonst als lückenhaft erwiese (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 28. Mai 2003 aaO; Beschluss vom 6. Juni 2002 – 1 StR 33/02, StV 2002, 641). Die Möglichkeit einer Falschbezichtigung der Angeklagten durch den Mitangeklagten hat die Strafkammer auch im Hinblick auf einen möglichen alternativen Adressaten der Betäubungsmittel -Lieferung namens „Ma. “ im Urteil im erforderlichen Umfang erörtert. Die Ausführungen stehen ersichtlich nicht im Widerspruch zur Begründung des Ablehnungsbeschlusses. Einer weiter gehenden Erörterung bedurfte es nicht. Denn die Vernehmung des Zeugen M. war, worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hinweist, auf den Nachweis gerichtet, der Zeuge A. sei in früheren, nicht näher gekennzeichneten Fällen Abnehmer des Zeugen Kr. gewesen.
8
Das angefochtene Urteil würde auf einer fehlerhaften Handhabung der Ablehnungsgründe durch die Strafkammer auch nicht beruhen. Der Angeklagte war über die tatrichterliche Bewertung der Beweistatsache bereits durch die Begründung des Ablehnungsbeschlusses umfassend informiert. Er konnte sein Verteidigungsverhalten danach darauf einstellen, dass das Landgericht den ihm durch den Antragsinhalt angesonnenen Schluss auf die Unglaubwürdigkeit des Mitangeklagten allein auf der Grundlage der Beweisbehauptung voraussichtlich nicht ziehen würde, die endgültige Bewertung indes der abschließenden Gesamtwürdigung der Beweise vorbehalten bleiben würde. Schon damit waren seine Verteidigungsinteressen umfassend gewahrt; das Fehlen eines – hier nicht erforderlichen – Hinweises auf eine etwaige abweichende Beurteilung durch das Gericht im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung (vgl. dazu LRStPO /Becker, 26. Aufl., § 244 Rn. 310 mwN) wird von der Revision folglich auch nicht beanstandet.
9
2. Soweit das Landgericht die Angeklagte wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr verurteilt hat, weist der Senat auf seine ständige Rechtsprechung hin, wonach der Nachweis einer rauschmittelbedingten Fahrunsicherheit nicht allein durch einen bestimmten Blutwirkstoffbefund geführt werden kann (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 3. November 1998 – 4 StR 395/98, BGHSt 44, 219, 222 und vom 21. Dezember 2011 – 4 StR 477/11, NStZ 2012, 324). Gesicherte Erfahrungswerte, die es erlauben würden, bei Blutwirkstoffkonzentrationen oberhalb eines bestimmten Grenzwertes ohne weiteres auf eine rauschmittelbedingte Fahrunsicherheit zu schließen, bestehen nach wie vor nicht (Senatsbeschlüsse vom 3. November 1998 und vom 21. Dezember 2011, jeweils aaO; vgl. auch SSW-StGB/Ernemann, 2. Aufl., § 316 Rn. 30). Es bedarf daher neben dem positiven Blutwirkstoffbefund noch weiterer aussagekräftiger Beweisanzeichen, die im konkreten Einzelfall belegen, dass die Gesamtleistungsfähigkeit des betreffenden Kraftfahrzeugführers soweit herabgesetzt war, dass er nicht mehr fähig gewesen ist, sein Fahrzeug im Straßenverkehr eine längere Strecke, auch bei Eintritt schwieriger Verkehrslagen, sicher zu steuern (Senatsurteil vom 15. April 2008 – 4 StR 639/07, NZV 2008, 528, 529).
10
Zwar hat das Landgericht konkrete Feststellungen zu einem Fahrfehler nicht getroffen. Über die – nicht unerheblichen – Blutwirkstoffkonzentrationen hinaus entnimmt der Senat den Urteilsgründen aber weitere gewichtige Anzeichen für die Fahruntüchtigkeit der Angeklagten. Danach litt die Angeklagte bei der polizeilichen Kontrolle insbesondere unter Konzentrationsstörungen, verlangsamter Koordination und verwaschener Sprache; sie befand sich in einem schläfrigen Zustand. In Zusammenschau mit dem bei der anschließenden ärztlichen Untersuchung festgestellten auffällig stark gestörten Zeitempfinden ist die rauschmittelbedingte Fahruntüchtigkeit daher noch hinreichend dargelegt.
11
3. Die Strafkammer hat es in den Fällen II. 3 und II. 4 der Urteilsgründe unterlassen, die Tagessatzhöhe festzusetzen. Dieser Festsetzung bedarf es aber auch dann, wenn – wie hier – aus einer Einzelgeldstrafe und Einzelfreiheitsstrafen eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 27. April 2010 – 1 StR 122/10 mwN). In entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 8. August 2008 – 2 StR 292/08; Beschluss vom 16. Dezember 2008 – 3 StR 503/08) setzt der Senat die Tagessatzhöhe auf den Mindestsatz von einem Euro (§ 40 Abs. 2 Satz 3 StGB) fest.

II.


12
Zur Revision des Angeklagten S. :
13
Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils hat auch unter Berücksichtigung der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
14
Es beschwert den Angeklagten nicht, dass das Landgericht den Strafrahmen des § 29a Abs. 2 BtMG im Fall II. 2 der Urteilsgründe nicht nur gemäß § 31 Satz 1, Nr. 1 BtMG, § 49 Abs. 1 StGB, sondern zusätzlich auch wegen Beihilfe gemildert hat. Trifft, wie hier, täterschaftlicher Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge tateinheitlich zusammen, entfällt die Strafmilderung wegen Beihilfe (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Mai 2000 – 1 StR 146/00, NStZ-RR 2000, 312).
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

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(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so entzieht ihm das Gericht die Fahrerlaubnis, wenn sich aus der Tat ergibt, daß er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Einer weiteren Prüfung nach § 62 bedarf es nicht.

(2) Ist die rechtswidrige Tat in den Fällen des Absatzes 1 ein Vergehen

1.
der Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c),
1a.
des verbotenen Kraftfahrzeugrennens (§ 315d),
2.
der Trunkenheit im Verkehr (§ 316),
3.
des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142), obwohl der Täter weiß oder wissen kann, daß bei dem Unfall ein Mensch getötet oder nicht unerheblich verletzt worden oder an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist, oder
4.
des Vollrausches (§ 323a), der sich auf eine der Taten nach den Nummern 1 bis 3 bezieht,
so ist der Täter in der Regel als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen.

(3) Die Fahrerlaubnis erlischt mit der Rechtskraft des Urteils. Ein von einer deutschen Behörde ausgestellter Führerschein wird im Urteil eingezogen.

(1) Entzieht das Gericht die Fahrerlaubnis, so bestimmt es zugleich, daß für die Dauer von sechs Monaten bis zu fünf Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf (Sperre). Die Sperre kann für immer angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, daß die gesetzliche Höchstfrist zur Abwehr der von dem Täter drohenden Gefahr nicht ausreicht. Hat der Täter keine Fahrerlaubnis, so wird nur die Sperre angeordnet.

(2) Das Gericht kann von der Sperre bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen ausnehmen, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, daß der Zweck der Maßregel dadurch nicht gefährdet wird.

(3) Das Mindestmaß der Sperre beträgt ein Jahr, wenn gegen den Täter in den letzten drei Jahren vor der Tat bereits einmal eine Sperre angeordnet worden ist.

(4) War dem Täter die Fahrerlaubnis wegen der Tat vorläufig entzogen (§ 111a der Strafprozeßordnung), so verkürzt sich das Mindestmaß der Sperre um die Zeit, in der die vorläufige Entziehung wirksam war. Es darf jedoch drei Monate nicht unterschreiten.

(5) Die Sperre beginnt mit der Rechtskraft des Urteils. In die Frist wird die Zeit einer wegen der Tat angeordneten vorläufigen Entziehung eingerechnet, soweit sie nach Verkündung des Urteils verstrichen ist, in dem die der Maßregel zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(6) Im Sinne der Absätze 4 und 5 steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.

(7) Ergibt sich Grund zu der Annahme, daß der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr ungeeignet ist, so kann das Gericht die Sperre vorzeitig aufheben. Die Aufhebung ist frühestens zulässig, wenn die Sperre drei Monate, in den Fällen des Absatzes 3 ein Jahr gedauert hat; Absatz 5 Satz 2 und Absatz 6 gelten entsprechend.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 486/02
vom
28. Mai 2003
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. Mai 2003,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Rissing-van Saan
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. h. c. Detter,
Dr. Bode,
die Richterinnen am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
Roggenbuck,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kassel vom 27. Juni 2002 wird verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Der Angeklagte war durch Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 2. Juni 1999 wegen sexueller Nötigung in einem besonders schweren Fall zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Das angefochtene Urteil, das nach Anordnung der Wiederaufnahme des Verfahrens ergangen ist, hat die Verurteilung durch das Landgericht Darmstadt aufrechterhalten. Dagegen wendet sich die Revision des Angeklagten mit Verfahrensrügen und der Sachrüge.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.


Das Landgericht hat folgendes festgestellt:
Der Angeklagte lernte Ende 1996 die Zeugin H.-P., das spätere Tatopfer kennen und bezog mit ihr im August 1997 eine gemeinsame Wohnung. Da sich das Zusammenleben aber nicht befriedigend gestaltete, trennte sich die Zeugin von ihm nach ca. drei bis vier Monaten und suchte sich eine eigene Wohnung. Der Angeklagte akzeptierte die Trennung nicht. Er verfolgte die Zeugin mit Anrufen , suchte sie in ihrer neuen Wohnung auf und drohte ihr, sie und ihre Tochter umzubringen. Er belästigte die Zeugin auch, wenn sie sich in der Wohnung ihrer Schwester aufhielt. Dennoch verbrachte die Zeugin mit ihm im April/Mai 1998 einen Urlaub in der Türkei. Während sie anschließend für einige Monate ihr Heimatland Iran besuchte, befreundete sich der Angeklagte mit seiner jetzigen Lebensgefährtin, einer Niederländerin, bei der er auch den Juli 1998 verbrachte. Trotz dieser neuen Beziehung rief er die Schwester der Zeugin mehrfach an, um sich nach der Rückkehr der Zeugin zu erkundigen, und nach deren Rückkehr am 10. August 1998 auch diese selbst, um mit ihr zu reden und sich mit ihr zu verabreden. Am 24. August 1998 ließ er der Zeugin, die sich zu diesem Zeitpunkt in der Wohnung ihrer Schwester aufhielt, durch diese ausrichten, daß sie herunterkommen solle. Als sie daraufhin das Fenster der Wohnung öffnete und heraussah, beschimpfte er sie und drohte ihr, sie umzubringen , wenn sie nicht komme. Zwei Tage später suchte er die Wohnung der Zeugin auf und forderte sie auf, zu einem letzten Gespräch herunterzukommen. Um Aufsehen in der Nachbarschaft zu vermeiden, folgte die Zeugin der Aufforderung und setzte sich in das Auto des Angeklagten. Unvermittelt fuhr der Angeklagte los. Er drohte ihr, sie umzubringen, wenn sie nicht mit zu ihm nach Hause komme. In der von ihm gemeinsam mit dem Zeugen H. bewohnten Wohnung ging er mit der Zeugin in sein Zimmer, wo man sich zunächst unterhielt. Der Angeklagte drückte plötzlich die auf dem Bett des Angeklagten sitzende Zeugin nach hinten, hielt ihre Hände mit der linken Hand fest, zog ihr mit
Gewalt Leggings und Slip herunter und vollzog gegen ihren Willen mit ihr den Geschlechtsverkehr. Als die Zeugin die Leggings danach wieder anziehen wollte, zerriß er diese, um sie am Weggehen zu hindern, auch nahm er der Zeugin die von ihr mitgebrachten 50,-- DM weg, um ihr kein Geld für die Heimfahrt zu lassen. Der Zeugin gelang jedoch die Flucht, als der Angeklagte ins Bad ging. Er folgte ihr noch, erreichte sie aber nicht mehr. Die Zeugin berichtete unmittelbar danach ihrer Schwester von dem Geschehenen, die ihr zur Anzeige riet. Da die Zeugin aber Angst vor dem Angeklagten hatte, ging sie erst fünf Tage später zur Polizei, als der Angeklagte sie weiterhin nicht in Ruhe ließ.
Der Angeklagte hat die Tat bestritten. Nicht er, sondern die Zeugin habe die Trennung nicht akzeptiert und ihn des öfteren angerufen. So habe sie ihn auch am Tattag angerufen und sich mit ihm zum Essen verabredet. Während des Essens habe er ihr erklärt, daß er neu liiert und die Beziehung mit ihr beendet sei. Sie habe dies hingenommen und sei dann mit in seine Wohnung gegangen, um noch Kleidungsstücke aus seiner Wohnung zu holen. Dort sei es auf ihre Initiative zum einverständlichen Geschlechtsverkehr gekommen. Sie sei dann noch eine Stunde geblieben und habe bei ihm übernachten wollen, was er abgelehnt habe. Sie sei dann gegen 19.00 Uhr gegangen. Er sei ihr nach 10 bis 15 Minuten gefolgt und habe sie an der S-Bahn stehen sehen. Sie habe ihn auch danach mehrfach angerufen und ihm erklärt, als er auf der Trennung beharrte, daß das Folgen haben werde.
Diese Einlassung hat das Landgericht insbesondere auf Grund der glaubhaften Aussage der Zeugin als widerlegt angesehen und das Geschehen als Vergewaltigung nach § 177 Abs. 1 Nr. 1 und 3, Abs. 2 Nr. 1 StGB gewertet.

II.


1. Die Verfahrensrügen sind, soweit sie nicht unzulässig sind, jedenfalls unbegründet. Näherer Erörterung bedarf nur die Rüge, daß das Landgericht sich in den Urteilsgründen nicht mit Tatsachen auseinandergesetzt habe, die es aufgrund eines Beweisantrags der Verteidigung als wahr unterstellt habe, was hier im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit der Zeugin H.-P. erforderlich gewesen wäre.
Auch diese Rüge hat keinen Erfolg.
Allerdings war die Ablehnung des Beweisantrags nicht rechtsbedenkenfrei. Das Landgericht hatte die Beweisbehauptungen als wahr unterstellt und in der Beschlußbegründung weiter ausgeführt, daß davon abgesehen die behaupteten Tatsachen für die Entscheidung nicht von Bedeutung seien. Der Ablehnungsgrund der Wahrunterstellung, der nur bei einer erheblichen Tatsache in Betracht kommt, und der Ablehnungsgrund der Bedeutungslosigkeit schließen einander aber aus. Die Angriffsrichtung der Rüge (vgl. auch BGH NStZ 1998, 636 f.) geht aber nicht auf den in der fehlerhaften Ablehnung des Beweisantrags liegenden Verfahrensmangel, sondern sieht einen Verfahrensfehler in der fehlenden Auseinandersetzung des Urteils mit den als wahr unterstellten Tatsachen im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit der Zeugin H.-P. Dabei erscheint schon zweifelhaft, ob angesichts der Widersprüchlichkeit der Beschlußbegründung hier überhaupt von der Zusage einer Wahrunterstellung ausgegangen werden konnte. Jedenfalls liegt der von der Revision beanstandete Erörterungsmangel nicht vor. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, daß es einer Auseinandersetzung mit den als wahr unter-
stellten Tatsachen in den Urteilsgründen nur dann bedarf, wenn sie sich angesichts der im übrigen gegebenen Beweislage aufdrängt und die Beweislage sich sonst als lückenhaft erwiese (BGH BGHR StPO § 244 Abs. 3). Ein solcher Fall war hier entgegen der Auffassung der Revision nicht gegeben, denn zur Glaubwürdigkeit der Zeugin H.-P. brachten die von dem Zeugen K. zu bekundenden Tatsachen, soweit sie nicht diese Zeugin sondern deren Schwester betrafen, keine weitergehenden Erkenntnisse. Soweit sie eine allgemeine Warnung des Zeugen K. vor der ganzen Familie der Zeugin H.-P. einschließlich dieser Zeugin selbst zum Inhalt hatten, handelte es sich um eine durch keine Tatsachen belegte Meinungsäußerung.
2. Auch die Sachrüge ist unbegründet, insbesondere weist die Beweiswürdigung keine den Bestand des Urteils gefährdende Rechtsfehler auf. Zu erörtern ist auch hier nur folgendes:
Das Landgericht hat die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten auf die ausführlich gewürdigte Aussage der Zeugin H.-P. gestützt, die jedenfalls in Randbereichen von der Schwester der Zeugin bestätigt worden ist. Eine Beweissituation, in der Aussage gegen Aussage steht, lag daher nicht vor. Die Abweichungen in der Aussage der Zeugin vor der Kammer gegenüber ihren Angaben in der früheren Hauptverhandlung vor dem Landgericht Darmstadt, teilweise auch vor der Polizei, die sämtlich nicht das Kerngeschehen betreffen, hat das Landgericht gesehen und erörtert. Seine Auffassung, daß es sich dabei zum Teil um nur scheinbare Abweichungen (Telefonat nach Iran, das die Zeugin auch nach den Angaben des Angeklagten von seiner Wohnung aus geführt hat), teilweise um Mißverständnisse in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Darmstadt (Sprechanlage am Haus der Schwester) und teilweise um Erin-
nerungsfehler - Farbe des am Tattag getragenen Shirts, Tragen einer kleinen Handtasche oder Mitsichführen des Geldes lose in einer Tasche des Shirts, Begrüßung durch den Zeugen H. - gehandelt habe, ist nachvollziehbar. Unter diesen Umständen ist die Würdigung des Landgerichts, daß die Abweichungen in den Aussagen der Zeugin nicht geeignet seien, ihre Glaubwürdigkeit zu erschüttern, nicht zu beanstanden.
Frau Vors.RiinBGH Detter Bode Dr. Rissing-van Saan ist aufgrund Urlaubs verhindert, ihre Unterschrift zu leisten. Detter Otten Roggenbuck

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR20/15
vom
14. April 2015
in der Strafsache
gegen
wegen ausbeuterischer Zuhälterei u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. April
2015, an der teilgenommen haben:
Richter Prof. Dr. Sander
als Vorsitzender,
Richter Prof. Dr. König,
Richter Dr. Berger,
Richter Bellay,
Richter Dr. Feilcke
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt L.
als Verteidiger,
Rechtsanwältin G.
als Vertreterin der Nebenklägerin K. ,
Rechtsanwältin C.
als Vertreterin der Nebenklägerinnen A. , Be. , D.
und Ko. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bremen vom 21. Februar 2014 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens und die hierdurch den Nebenklägerinnen entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen ausbeuterischer Zuhälterei in fünf tateinheitlich zusammentreffenden Fällen und wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Ferner hat es eine Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO getroffen. Die auf Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.

I.


2
Nach den Feststellungen des Landgerichts ließen der Angeklagte und seine mitangeklagte Ehefrau sowie seine gleichfalls mitangeklagte Tochter über mehrere Jahre hinweg die Nebenklägerinnen – fünf bulgarische Prostituierte – für sich arbeiten. Sie nahmen ihnen sämtliche Prostitutionseinnahmen ab und verbrauchten diese für ihren Lebensbedarf. Die Nebenklägerinnen erhielten entgegen vorab erteilten Zusicherungen, die Einnahmen hälftig aufzuteilen, über den gesamten Zeitraum ihrer Tätigkeit hinweg neben Kost und Logis nur kleinere Beträge.
3
Nach einem gemeinsamen Diskothekenbesuch schlug der Angeklagte die Nebenklägerin Ko. in angetrunkenem Zustand mit den Handflächen sowie Fäusten und dann mit einer vereisten Wasserflasche ins Gesicht, weil sie mit einem Albaner getanzt hatte. Er fügte ihr hierdurch eine blutende Platzwunde unter der linken Augenbraue zu. Es blieb eine Narbe zurück.

II.


4
Das Urteil des Landgerichts hält rechtlicher Prüfung stand.
5
1. Die Revision beanstandet eine Verletzung der „§§ 257c, 243 Abs. 4, 273 Abs. 1a Satz 2 StPO“, weil der Vorsitzende das Stattfinden und den Inhalt eines am 14. Februar 2014 mit dem Ziel der Verständigung geführten Gesprächs nicht in der Hauptverhandlung mitgeteilt und dokumentiert hat. Damit vermag sie letztlich nicht durchzudringen.
6
a) Im Wesentlichen folgendes Verfahrensgeschehen liegt zugrunde:
7
Nach einem außerhalb der Verhandlung zwischen einem beisitzenden Richter und einem Verteidiger zustande gekommenen Kontakt zur Frage einer Verständigung erkundete das Gericht am 33. Hauptverhandlungstag (14. Februar 2014) in öffentlicher Hauptverhandlung, ob bei der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft Interesse an Verständigungsgesprächen bestehe. Dies wurde bejaht. Daraufhin wurde im Gerichtssaal ein Gespräch geführt, an dem mit Ausnahme der Angeklagten alle Verfahrensbeteiligten teilnahmen. Die Ver- teidiger stellten den Aspekt weiterer Inhaftierung ihrer Mandanten in den Vordergrund. Der Verteidiger der nicht revidierenden Tochter des Angeklagten sprach die Möglichkeit der Strafaussetzung zur Bewährung hinsichtlich seiner Mandantin an. Die Staatsanwältin bewertete die Rechtslage zur Strafbarkeit wegen Menschenhandels nach dem Stand der Beweisaufnahme. Ferner wurden namentlich von den Vertretern der Nebenklägerinnen Schadensersatzzahlungen thematisiert. Strafvorstellungen wurden weder vom Gericht noch von anderer Seite verlautbart. Nach Beendigung des Gesprächs wurde der Angeklagte durch seinen Verteidiger ohne Mitteilung von Details darüber informiert, dass das Gespräch ohne Ergebnis geendet habe.
8
Am 34. Verhandlungstag (18. Februar 2014) unterbreitete das Gericht für den Fall einer geständigen Einlassung der Angeklagten einen umfangreichen Verständigungsvorschlag. Dem Beschwerdeführer wurde eine Verurteilung zu Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten bis zu vier Jahren und sechs Monaten in Aussicht gestellt. Gegenstand des Vorschlags war weiterhin ein Schuldanerkenntnis der drei Angeklagten, in dem sie sich gesamtschuldne- risch zur Zahlung von je 7.500 € an die fünf Nebenklägerinnen verpflichten soll- ten. Bei Zustimmung der Staatsanwaltschaft sollten in Bezug auf eine Reihe von Anklagevorwürfen Verfahrensbeschränkungen nach §§ 154, 154a StPO erfolgen. Die Belehrung gemäß § 257c Abs. 4 StPO wurde erteilt. Darüber hinaus brachte der Vorsitzende zum Ausdruck, er gehe davon aus, dass der Vorschlag nur bei Beteiligung aller drei Angeklagten Bestand haben könne. Stattfinden , Ablauf und Inhalt des Gesprächs vom 14. Februar 2014 gab das Gericht an diesem Tag wie auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung nicht bekannt. Dementsprechend wurde diesbezüglich auch keine Mitteilung protokolliert.
9
Noch am 18. Februar 2014 machte der Verteidiger des Angeklagten schriftsätzlich geltend, dass die Bedingung der Zustimmung aller Angeklagten unzulässig sei. Am 35. Verhandlungstag (19. Februar 2014) stellte der Vorsitzende in öffentlicher Hauptverhandlung klar, dass die Zustimmung aller Angeklagten keine Bedingung des Gerichts sei. Er gehe aber davon aus, dass die Staatsanwaltschaft diese Bedingung stelle. Dies wurde von der Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft bestätigt. Die Frage des Gerichts, ob dem Verständigungsvorschlag zugestimmt werde, verneinte der Angeklagte. Die Sitzung wurde unterbrochen.
10
Der Verteidiger befragte den Vorsitzenden, ob eine „Ausschöpfung des Strafrahmens nach unten“ denkbar sei. Der Vorsitzende verwies auf den in der Hauptverhandlung unterbreiteten gerichtlichen Vorschlag, dem der Angeklagte zustimmen könne oder eben nicht. Nach Unterrichtung durch den Verteidiger, dass es keine (weitere) Äußerung des Gerichts gebe, erklärte der Angeklagte dem Verteidiger, nunmehr zustimmen zu wollen. Der Verteidiger erkundigte sich beim Vorsitzenden, welchen Geständnisinhalt das Gericht erwarte, worauf der Vorsitzende in Anwesenheit der Berufsrichter bekundete, das Gericht sei bei dem Verständigungsvorschlag davon ausgegangen, dass der Angeklagte den Nebenklägerinnen die Hälfte der Prostitutionseinnahmen zugesichert, ihnen jedoch dann nur kleinere Beträge und an eine Nebenklägerin einmal 1.500 € bezahlt sowie dass er die Nebenklägerin Ko. geschlagen habe. Ein Geständnis dieses Inhalts sei mithin die Basis des Verständigungsvorschlags. Dies teilte der Verteidiger dem Angeklagten mit.
11
Nach Wiedereintritt in die Hauptverhandlung stimmten alle Angeklagten dem Verständigungsvorschlag zu. Der Angeklagte ließ sich zur Sache ein und räumte die vorgenannten Umstände ein. Sämtliche Angeklagten erklärten ein Schuldanerkenntnis im Sinne des Vorschlags.
12
b) Bei dem geschilderten Verfahrensablauf ist eine Verletzung des § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO gegeben. Nach dieser Bestimmung hat der Vorsitzende das Stattfinden und den wesentlichen Inhalt von während des Verlaufs der Hauptverhandlung geführten Erörterungen (§§ 212 i.V.m. 202a StPO) mitzuteilen, sofern deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung gewesen ist. Dies war bei dem Gespräch vom 14. Februar 2014 der Fall.
13
Das Gespräch erfolgte in Unterbrechung der Hauptverhandlung auf die ausdrückliche Frage des Gerichts nach etwaigem Verständigungsinteresse hin. In dessen Verlauf wurden in Anwesenheit aller Verfahrensbeteiligten mit Ausnahme der Angeklagten unter anderem mit dem Gesichtspunkt der Haft, der Strafaussetzung zur Bewährung in Bezug auf die Tochter des Angeklagten und von Schadensersatzzahlungen aller Angeklagten Themen aufgeworfen, die einer Verständigung zugänglich sind (vgl. KK-StPO/Moldenhauer/Wenske, 7. Aufl., § 257c Rn. 15 mwN). Dies überschreitet – anders als der erste Kontakt zwischen dem beisitzenden Richter und einem Verteidiger – sowohl nach den äußeren Umständen als auch dem Inhalt der Unterredung den Bereich einer „unverbindlichen Fühlungsaufnahme“ (hierzu Schmitt, StraFo 2012, 386, 391; Sander, Karlsruher Strafrechtsdialog 2013, S. 53, 55). Dass die Besprechung zum Inhalt einer Verständigung wenig konkret war, namentlich von keinem Beteiligten Strafvorstellungen zur Diskussion gestellt wurden, vermag daran nichts zu ändern.
14
c) Der Senat kann unter den hier gegebenen Umständen jedoch ein Beruhen des Urteils auf dem Rechtsverstoß (§ 337 Abs. 1 StPO) sicher ausschließen. Dass ein Ausschluss des Beruhens bei Verletzung der Mitteilungs- und Dokumentationspflichten, die einem Unterlaufen des Schutzkonzepts entgegenwirken sollen, in Ausnahmefällen möglich ist, entspricht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 133, 168, 223 f. Rn. 98; BVerfG [Kammer], Beschluss vom 15. Januar 2015 – 2 BvR 878/14 Rn. 28 f.; siehe auch BGH, Beschluss vom 15. Januar 2015 – 1 StR 315/14 [zum Abdruck in BGHSt bestimmt], NJW 2015, 645 Rn. 14, 17 ff.). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor.
15
aa) Allerdings ist dem Landgericht mit dem völligen Unterlassen der gebotenen Mitteilung unter dem Blickwinkel des Transparenzgebots in Verbindung mit dem Gebot des fairen Verfahrens (vgl. BVerfG [Kammer], Beschluss vom 15. Januar 2015 – 2 BvR 878/14 Rn. 19 ff. mwN) eine gewichtige Rechtsverletzung unterlaufen. Das Schutzkonzept der strafprozessualen Verständigungsregelungen erfordert es, dass Erörterungen mit dem Ziel der Verständigung stets in öffentlicher Hauptverhandlung zur Sprache kommen, um einem informellen und unkontrollierbaren Verhalten unter Umgehung strafprozessualer Grundsätze möglichst keinen Raum zu lassen (vgl. BVerfGE 133, 168, 223 f. Rn. 98; BVerfG [Kammer], Beschluss vom 15. Januar 2015 – 2 BvR 878/14 Rn. 28).
16
Indessen sind hier bei der gebotenen wertenden Gesamtbetrachtung (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2015 – 1 StR 315/14, aaO Rn. 19) Umstände vorhanden, die die Rechtsverletzung letztlich in einem milderen Licht erscheinen lassen. Insbesondere erfolgte die Initiative für das Gespräch von Seiten des Gerichts in öffentlicher Hauptverhandlung. Damit war sowohl für die Öffentlichkeit als auch für sämtliche Verfahrensbeteiligten offenkundig, dass Verständigungsgespräche durchgeführt werden würden. Ferner kann nach dem Revisionsvortrag zum Verlauf des Gesprächs, der in dienstlichen Stellungnahmen des Vorsitzenden und der Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft seine Bestätigung gefunden hat, mit Gewissheit ausgeschlossen werden, dass das Gespräch auf eine gesetzwidrige Absprache gerichtet war. Es handelte sich auch nicht etwa um einen Verständigungsversuch, der aufgrund widerstreitender Interessen fehlgeschlagen war. Vielmehr wurden einige Positionen lediglich eher abstrakt thematisiert. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass sich die Strafkammer durch das Gespräch einen Eindruck verschaffen wollte, um in der Verhandlungspause einen umfassenden Verständigungsvorschlag entwickeln zu können. Dieser wurde am darauffolgenden 34. Verhandlungstag in öffentlicher Verhandlung bekanntgegeben, ohne dass Verlauf und Inhalt des Vorgesprächs in irgendeiner Weise für das öffentliche Verständnis der Absprache Bedeutung erlangen konnten. Demgemäß hat sich die Verständigung trotz der Mitteilungs- und Dokumentationsverletzung in ihrer entscheidenden Gestalt letztlich doch „im Lichte der öffentlichen Hauptverhandlung offenbart“ (vgl. BVerfGE 133, 168, 215 Rn. 82). Vor diesem Hintergrund kann dahingestellt bleiben, ob nicht sogar – was durchaus nicht fernliegt, wozu aber die Revision nicht vorträgt – der Gerichtssaal während des Gesprächs vom 14. Februar 2014 der Öffentlichkeit zugänglich gewesen ist.
17
bb) Aufgrund dieser Besonderheiten kann der Senat darüber hinaus sicher ausschließen, dass infolge der unterlassenen gerichtlichen Mitteilung sowie Dokumentation die Selbstbelastungsfreiheit des Angeklagten in relevanter Weise beeinträchtigt worden ist und das Gericht bei ordnungsgemäßer Bekanntgabe sowie deren Protokollierung zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Der Angeklagte war durch die am 33. Verhandlungstag in öffentlicher Hauptverhandlung erfolgte gerichtliche Anfrage und die von den anderen Verfahrensbeteiligten bekundete Verständigungsbereitschaft darüber informiert, dass es sogleich zu durch das Gericht initiierten Verständigungsgesprächen kommen werde. Er wurde nach dem Gespräch durch seinen Verteidiger (zutref- fend) darüber unterrichtet, dass es (noch) kein Ergebnis gegeben habe. Der inhaltlich nicht etwa auf bestimmten im Gespräch vom 14. Februar 2014 vertretenen Positionen fußende Verständigungsvorschlag wurde am 18. Februar 2014 in der Hauptverhandlung bekanntgegeben und mit ihm erörtert, woraufhin am 19. Februar 2014 nach ordnungsgemäßer Belehrung die Verständigung zustande kam. Unter diesen Vorzeichen bestand nicht im Ansatz die Gefahr eines dem Angeklagten abträglichen Interessengleichlaufs von Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung (vgl. BVerfGE 133, 168, 232 Rn. 114). Genauso wenig kann angenommen werden, dass das beim Angeklagten bestehende Informationsdefizit über Inhalt und Verlauf des Gesprächs vom 14. Februar 2014 dessen Fähigkeit zu autonomer Willensbildung vor allem in Richtung der Begebung seiner Selbstbelastungsfreiheit (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2015 – 1 StR 315/14, aaO Rn. 21 f. mwN) in irgendwie fassbarer Weise beeinträchtigt haben könnte. Das gilt im Besonderen für die durch die Revision hervorgehobene „Position der Staatsanwaltschaft“, die sich lediglich in einer vorläufigen rechtlichen Bewertung zum (dann ausgeschiedenen) Anklagevorwurf des Menschenhandels erschöpfte.
18
d) Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung der Protokollierungspflicht aus § 273 Abs. 1a Satz 2 i.V.m. § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO rügt, liegt bereits nach seinem Vortrag ein Rechtsfehler nicht vor. Denn das zu einer – tatsächlich nicht erfolgten – Mitteilung schweigende Protokoll gibt den Gang der Hauptverhandlung gerade zutreffend wieder (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2015 – 1 StR 315/14, aaO Rn. 12 mwN).
19
e) Der Senat muss nicht die – naheliegend zu verneinende – Frage entscheiden , ob die ersichtlich auf dem Ergebnis der zuvor über 30 Verhandlungstage andauernden Hauptverhandlung und dabei vor allem der Vernehmung von zwei Nebenklägerinnen fußende Auskunft des Vorsitzenden über den Gegen- stand des vom Angeklagten erwarteten Geständnisses als „Erörterung“ im Sin- ne von § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO gelten und damit Mitteilungs- und Dokumentationspflichten auszulösen geeignet sein könnte. Denn eine solche Rechtsverletzung macht die Revision nicht geltend. Die Angriffsrichtung bestimmt aber den Prüfungsumfang des Revisionsgerichts (vgl. BGH, Urteil vom 3. September 2013 – 5 StR 318/13, NStZ 2013, 671; Beschluss vom 20. Oktober 2014 – 5 StR 176/14 [zum Abdruck in BGHSt bestimmt], NJW 2015, 265, 266 Rn. 14; jeweils mwN). Entsprechendes gilt für die Frage, ob die Verständigung sämtlichen Anforderungen des § 257c StPO genügt hat.
20
2. Der Beschwerdeführer rügt weiter eine Verletzung der „§§ 257c, 136a, 261 StPO“. Er beanstandet insoweit, dass die Staatsanwaltschaft ihre Zustim- mung zur Verständigung gesetzwidrig von einer Zustimmung aller Angeklagten abhängig gemacht habe. Hierdurch sei für den Beschwerdeführer eine psychische Drucksituation entstanden, weil er um die Belange seiner mitangeklagten Ehefrau und seiner gleichfalls mitangeklagten Tochter besorgt gewesen sei. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Vortrag den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO in jeder Hinsicht genügt. Die Rüge ist jedenfalls unbegründet.
21
a) Weder dem gesetzlichen Schutzkonzept zur Verständigung noch übergeordneten Grundsätzen lässt sich ein an Gericht oder Staatsanwaltschaft gerichtetes Verbot entnehmen, in einem gegen mehrere Angeklagte gerichteten Strafverfahren nur an einer „Gesamtverständigung“ mitzuwirken. Ein subjekti- ves Recht eines Angeklagten auf Verständigung existiert nicht (vgl. auch Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 257c Rn. 6; OLG Celle NStZ 2012, 285, 286). Gerade in Umfangsverfahren wie dem vorliegenden kann eine Verständigung mit nur einzelnen Angeklagten unter dem Aspekt der Verfah- rensökonomie im Wesentlichen wertlos sein, im Gegenteil sogar gewisse Gefahren für den Bestand des Urteils in sich bergen (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Oktober 2013 − 1 StR 386/13, NStZ 2014, 168 mwN; vgl. KK-StPO/Moldenhauer/Wenske, aaO, § 257c Rn. 11; Schneider, NStZ 2014, 252, 261). Dies gilt zumal dann, wenn die Tatbeiträge der Angeklagten – wie hier – in besonderer Weise miteinander verwoben sind. Die drei Angeklagten verübten die ausbeuterische Zuhälterei in arbeitsteiliger Organisation. Ihnen flossen die Prostitutionseinnahmen der Nebenklägerinnen auch gemeinsam zu. Dementsprechend war Gegenstand der Verständigung ein von allen Angeklagten abgegebenes Schuldanerkenntnis zu gesamtschuldnerischer Schadenser- satzzahlung an die Nebenklägerinnen. Für die Ablehnung einer „Partikularlösung“ können danach im Einzelfall sachgemäße Gründe von Gewicht sprechen.
22
b) An der Gesetzmäßigkeit der durch die Staatsanwaltschaft konkret abgegebenen Erklärung vermag auch eine in der Revisionsbegründung freilich eher abstrakt benannte „psychische Drucksituation“ des Angeklagten aufgrund seiner familiären Bindungen zu den in den Verständigungsversuch eingebundenen Mitangeklagten nichts zu ändern. Allein hierdurch wird nicht eine Beeinträchtigung der Freiheit der Willensentschließung und -betätigung des Angeklagten ausgelöst, die der in § 136a StPO bezeichneten entsprechen oder nahekommen und eine eingegangene Verständigung deswegen vielleicht unwirksam machen könnte. Auch sind Anhaltspunkte für einen irgendwie gearteten „Missbrauch“ von Seiten der Staatsanwaltschaft oder gar des Gerichts nicht vorhanden. Dass die Staatsanwaltschaft die Lage des Angeklagten auch nur durch entsprechende Hinweise instrumentalisiert hätte, um ihn zu einer Zustimmung zu drängen, trägt die Revision nicht vor. Dem Umstand, dass die ty- pischerweise gegebene „Anreiz- und Verlockungssituation“ des Angeklagten (vgl. BVerfGE 133, 168, 208 Rn. 68) in Konstellationen wie der vorliegenden unter Umständen verstärkt wird, kann das Tatgericht vor allem im Rahmen der Aufklärung und dann gegebenenfalls der Beweiswürdigung Rechnung tragen.
23
3. Auch der Rüge der Verletzung „der §§ 240, 265 StPO, Art.6 Abs. 1, 3d MRK“ bleibt der Erfolg versagt.
24
a) Ihr liegt im Wesentlichen folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
25
Nach einer sich über mehrere Tage erstreckenden Vernehmung der Zeugin und Nebenklägerin D. regte der Verteidiger des Angeklagten an, wegen massiver Widersprüche zwischen ihrer Aussage vor Gericht und in früheren polizeilichen Vernehmungen von einer weiteren Befragung abzusehen, weil ihre Aussage zur Überprüfung der Anklagevorwürfe nicht geeignet sei. Nach einer Besprechung zwischen den Verfahrensbeteiligten gab der Vorsitzende in der Hauptverhandlung den Hinweis (§§ 257b, 273 Abs. 1a Satz 2 StPO), dass die weitere Befragung der Zeugin aus Sachaufklärungsgründen nicht geboten sei. Die Aussageschwächen wie fehlende Konstanz und Genauigkeit seien so eklatant, dass das Anerbieten der Verteidiger zur verkürzten Zeugenbefragung zu sachlich gebotener Verfahrensbeschleunigung führen werde. Die Zeugin wurde vor einer eingehenden Befragung durch die Verteidigung entlassen und im weiteren Verlauf nicht mehr vernommen. Der Verteidiger widersprach bei der Entlassung der Verwertung der Aussage der Zeugin. Er begründete dies mit (behaupteten) rechtsstaatswidrigen Vernehmungen bulgarischer Staatsorgane.
26
In der Beweiswürdigung zog die Strafkammer die Angaben der Zeugin D. zum Anklagevorwurf der durch den Angeklagten verübten gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil der Nebenklägerin Ko. insofern heran, als sie die Glaubhaftigkeit des hierzu abgegebenen Geständnisses des Ange- klagten indiziell bestätigten; die Zeugin habe dieses Geschehen trotz des ansonsten geringen Beweiswerts ihrer Aussage detailliert, schlüssig und anschaulich beschrieben, wobei sich ihre Bekundungen mit denen des Angeklagten deckten (UA S. 13). Hinsichtlich des Vorwurfs der durch die Angeklagten über mehrere Jahre hinweg verübten ausbeuterischen Zuhälterei verwertete das Landgericht die Aussage nicht.
27
b) Die Rüge entspricht nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Denn die Revision hat die Niederschriften über die polizeilichen Vernehmungen der Zeugin nicht vorgelegt, auf die sie sich zur Begründung ihrer Anregung der Nichtweitervernehmung tragend gestützt hat. Der Senat kann deshalb nicht prüfen, ob die Bekundungen der Zeugin auch zu diesem gegenüber dem Vorwurf langjähriger Ausbeutung mehrerer Prostituierter leicht fassbaren Teilaspekt im Vergleich zu ihrer Aussage vor Gericht Inkonstanzen gravierender Art aufwiesen. Allenfalls unter dieser Voraussetzung könnte an einen durch die Verfahrensweise der Strafkammer geschaffenen Vertrauenstatbestand gedacht werden, dass sie die hierzu erfolgte und sich mit der geständigen Einlassung des Angeklagten im Detail deckende Aussage nicht als Indiz für deren Glaubhaftigkeit in Ansatz bringen würde.
28
4. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Sachbeschwerde deckt keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
29
a) Die Beweiswürdigung ist tragfähig vorgenommen. Das Landgericht hat die geständige Einlassung des Angeklagten und die sich damit deckenden geständigen Aussagen der Mitangeklagten hinreichend mit den Ergebnissen der mehr als 30 Tagen dauernden Verhandlung abgeglichen und auf ihren Wahrheitsgehalt untersucht. Ausweislich der Sitzungsniederschrift über die Hauptverhandlung vom 19. Februar 2014, die dem Senat aufgrund der unter Ziffer 1 erörterten Verfahrensrüge zugänglich gewesen ist, hat sich der Angeklagte da- bei nicht auf ein „Formalgeständnis“ etwa in Form einer von ihm bestätigten Erklärung seines Verteidigers beschränkt. Vielmehr hat er mindestens 40 Minuten bis maximal eine knappe Stunde lang zur Sache ausgesagt und dabei Fragen beantwortet. Dies hat auch in den Urteilsgründen seinen Niederschlag gefunden (UA S. 11 ff.).
30
Besonderen Stellenwert im Rahmen der Beweiswürdigung nahmen die Aussagen der Nebenklägerinnen A. und K. ein. Entgegen der Auf- fassung der Revision hat sich die Strafkammer dabei nicht nur „floskelhaft“ mit einem denkbaren Falschbelastungsmotiv wegen in Aussicht stehenden Schadensersatzes befasst (UA S. 11 f.). Auch die Aussage der Zeugin D. ist mit der gebotenen Zurückhaltung gewürdigt (UA S. 12 f.). Dass sich das Landgericht nicht ausdrücklich mit der Frage befasst hat, ob der Angeklagte (wie dann auch die mitangeklagte Ehefrau und die mitangeklagte Tochter) möglich- erweise in dem Bestreben ein „Falschgeständnis“ abgelegt hat, die Verkürzung der Haft seiner Ehefrau und seiner Tochter zu erreichen, begründet schon angesichts der hier gegebenen klaren Beweislage keinen durchgreifenden Darstellungsmangel (vgl. auch BGH, Beschluss vom 23. Mai 2012 – 1 StR 208/12 Rn. 7).
31
b) Die Entscheidung nach § 111i StPO ist noch hinreichend begründet. Soweit das Landgericht bei der Berechnung des (auch) durch den Angeklagten aus der Straftat der ausbeuterischen Zuhälterei Erlangten (UA S. 19) möglicherweise Zeiten einbezogen hat, die vor Inkrafttreten des § 111i StPO am 1. Januar 2007 liegen (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 10. April 2013 – 1StR 22/13, NStZ-RR 2013, 254, 255 mwN), würde das Urteil hierauf nicht beruhen. Denn auch die nach diesem Zeitpunkt gemäß der durch die Straf- kammer vorgenommenen, ansonsten rechtsfehlerfreien „Hochrechnung“ erlang- ten Beträge übersteigen die durch sie letztlich angenommene Summe von 37.500 € bei weitem. Angesichts der dem Angeklagten überaus günstigen Schätzung schließt der Senat ferner aus, dass die Festsetzung des Verfallsbetrags noch niedriger ausgefallen wäre, wenn das Landgericht die Härtefallvorschrift des § 73c Abs. 1 StGB explizit erörtert hätte.
Sander König Berger
Bellay Feilcke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 33/02
vom
6. Juni 2002
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Juni 2002 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 24. September 2002 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

I.


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von mehreren Ausländern in zehn Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge (§ 261 StPO) Erfolg.
Nach den Feststellungen des Landgerichts vermittelte der Angeklagte im Rahmen einer vielköpfigen Schleuserorganisation zusammen mit seiner Ehefrau gegen Bezahlung von seiner Bar in S. /Schweiz aus Ausländer, die nicht die für einen Aufenthalt in Deutschland erforderlichen Papiere hatten, an Fahrer, welche die Einreisewilligen von Italien nach Deutschland brachten.
Dazu gewann der Angeklagte C. , St. und J. . In der Zeit vom 19. Mai 1999 bis zum 5. Juni 1999 führte C. zwei Schleusungsfahrten durch mit fünfzehn bzw. sieben Ausländern. Am 2. Juli 1999 transportierten C. und St. dreiundzwanzig Jugoslawen über den Grenzübergang Kiefersfelden-Autobahn illegal nach Deutschland. Zwischen dem 30. September und dem 18. November 1999schleuste J. sechsmal jeweils mindestens vier Ausländer und am 28. November 1999 drei Jugoslawen und vier Iraner. Die geständigen Fahrer wurden wegen ihrer Taten - J. bislang nur wegen der Tat vom 28. November 1999 - bereits rechtskräftig zu vergleichsweise geringen Freiheitsstrafen verurteilt.

II.


Das angefochtene Urteil hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist lückenhaft, wie die zulässig erhobene Verfahrensrüge aufweist. Die Revision beanstandet mit Erfolg, daû das Landgericht ein wesentliches Ergebnis der Beweisaufnahme - hier eine als wahr unterstellte Behauptung - nicht in die Beweiswürdigung eingestellt und nicht erwogen hat.
aa) Die Verurteilung des Angeklagten beruht ausschlieûlich auf den Angaben der drei oben genannten Fahrer, die den Angeklagten jeweils als Auftraggeber identifizierten. Den Urteilsgründen ist zwar nicht zu entnehmen, ob und ggf. wie sich der Angeklagte eingelassen hat. Der Gesamtzusammenhang ergibt jedoch, daû geständige Einlassungen je-
denfalls nicht vorlagen. Die Feststellungen zur Tatbeteiligung der Ehefrau des Angeklagten, die sich noch in Italien in Auslieferungshaft befindet, basieren vor allem auf Angaben des C. . In der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten konnte nur der Zeuge St. als Zeuge vernommen werden. C. und J. erschienen nicht, obgleich beide die Ladung in der Schweiz erhalten hatten. Deren „polizeiliche und richterliche Aussagen“ (in den gegen diese gerichteten Verfahren) wurden verlesen.
bb) Der Angeklagte beantragte während der Hauptverhandlung, Rechtsanwalt Ce. aus Lugano zu vernehmen, zum Beweis der Tatsache, daû C. am 12. März 2001 bei Rechtsanwalt Ce. erschienen ist und folgende - schriftliche und von C. unterschriebene - Erklärung abgegeben hat: „Mit heutigem Datum werde ich von Fräulein G. Da. , Tochter der G. Sl. , in Kenntnis gesetzt, dass letztere von den italienischen Behörden auf Anweisung der deutschen Behörden wegen Verletzung des deutschen Bundesgesetzes über die Einwanderung festgenommen worden ist. Für dieses Vorgehen haben die Behörden auch von Protokollen Gebrauch gemacht, die angeblich von mir diktiert und unterschrieben worden sind. Aus diesem Grund erkläre ich hiermit, dass meine Bekanntschaft mit Frau G. Sl. sich allein auf die Tatsache beschränkt, dass ich seit über 10 Jahren Kunde des Cafés bin, das dem Ehemann der oben genannten Person gehört. Ich erkläre daher, dass die Protokolle, die meine persönlichen Daten angeben, nicht der Wirklichkeit entsprechen, da die Vergehen, für die mich die deutschen Behörden zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten verurteilt haben, ohne Beihilfe der oben erwähnten G. SL. , bosnische Staatsbürgerin, 1956, wohnhaft in S. Schweiz begangen wurden, und ich bestätige , dass ich nie davon Kenntnis hatte, dass G. Sl. diese
Arten illegaler Aktivitäten ausgeübt hätte.“ (So der Wortlaut der Übersetzung des ebenfalls übergebenen Originals in italienischer Sprache.)
Die Vernehmung des Zeugen hat die Strafkammer gemäû § 244 Abs. 3 Satz 2 letzte Alt. StPO abgelehnt. ¹Das Beweisthema wird als wahr unterstellt.“
In den Urteilsgründen findet sich zu der als wahr unterstellten Tatsache kein Wort. Die Erklärung wird nicht erwähnt.
cc) Dies ist nicht frei von Rechtsfehlern.
Der Beweiswürdigung sind alle in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise zugrunde zu legen (§ 261 StPO). In den schriftlichen Urteilsgründen muû sich dies widerspiegeln unter Darlegung der wesentlichen Aspekte der Beweisführung, soweit dies zu deren Verständnis und zur Überprüfung des Urteils notwendig ist (§ 267 Abs. 1 Satz 2 StPO). Beweiserhebungen, die sich für die Beweisführung als bedeutungslos herausstellen, bedürfen keiner Erwähnung. Dies gilt auch für - zunächst als erheblich angesehene - entlastende Tatsachen, deren Vorhandensein nach einem entsprechenden Beweisantrag als wahr unterstellt wurde.
Die Urteilsgründe müssen sich somit nicht stets mit einer als wahr unterstellten Behauptung auseinandersetzen. Eine Stellungnahme ist aber dann erforderlich, wenn nicht ohne weiteres zu ersehen ist, wie die Beweiswürdigung mit der Wahrunterstellung in Einklang gebracht werden kann, oder wenn aus sonstigen Gründen ohne ausdrückliche Erörterung
der als wahr unterstellten Tatsache die Überlegungen des Gerichts zur Beweisführung lückenhaft bleiben (BGHSt 28,310,311; BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung, unzureichende, 11; BGH NStZ-RR 2001,261).
Hier war zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit des ¹Zeugenª C. eine Auseinandersetzung mit seiner bei Rechtsanwalt Ce. in Lugano am 12. März 2001 abgegebenen schriftlichen Erklärung im Rahmen der Beweiswürdigung unverzichtbar.
Die Strafkammer stützte nicht nur den Schuldspruch im ersten Tatkomplex ausschlieûlich auf diesen Zeugen. Sie sah durch seine Angaben zudem die Glaubwürdigkeit des Zeugen St. bestätigt und meinte deshalb einem Alibibeweis für die -gewichtigste- Tat am 2. Juli 2001 durch Vernehmung eines Auslandszeugen gemäû § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO nicht nachgehen zu müssen. Demgegenüber bezichtigte sich C. in seiner schriftlichen Erklärung nunmehr der Lüge, er habe die Ehefrau des Angeklagten mit seinen Angaben in Deutschland zu Unrecht belastet. Darüber hinaus distanzierte sich C. von seinen früheren Angaben insgesamt. Dies hätte eingehender Erörterung bedurft. In diese wäre einzubeziehen gewesen, daû C. es vorgezogen hatte, in der Hauptverhandlung nicht zu erscheinen, deshalb auf die Verlesung seiner früheren Aussagen bei Polizei und Richter zurückgegriffen werden muûte und daû es sich dabei lediglich um Beschuldigtenvernehmungen handelte.
Die Lücke in der Beweiswürdigung wird nicht durch die Verweisung in den Urteilsgründen ¹auf den Beschluû der Kammer in der Hauptver-
handlung zu diesem Beweisantragª im Zusammenhang mit den Darlegungen zum Verzicht auf die Ladung des als Alibizeuge benannten Professor Dr. Jo. , Belgrad. Eine Verweisung auf andere Dokumente ist in den Urteilsgründen nur im Umfang des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO, d.h. bei Abbildungen , statthaft. Hinweise auf Schriften sind in den Urteilsgründen für das Revisionsgericht grundsätzlich unbeachtlich (vgl. LR-Gollwitzer StPO 25. Aufl. § 267 Rdn. 9). Zwar teilt hier die Revisionsbegründung mit einer der Verfahrensrügen den Inhalt des Ablehnungsbeschlusses mit, so daû der Senat von dessen Inhalt Kenntnis hat. Doch genügen auch die darin enthaltenen knappen Ausführungen zur Glaubwürdigkeit des C. nicht. Der Satz, ¹Dessen Glaubwürdigkeit wird trotz der vorgelegten Erklärung von ihm bezüglich einer falschen Mittäterschaft von Frau G. vom Gericht bezüglich seiner Aussage gegen G. nicht bezweifeltª, mag ein mögliches Ergebnis der gebotenen Erörterung wiedergeben, ersetzt diese aber nicht.
Der Senat vermag nicht auszuschlieûen, daû die Strafkammer bei Einbeziehung der Erklärung des C. in die Beweiswürdigung dessen Angaben auch hinsichtlich des Angeklagten anders beurteilt hätte. Damit ist auch eine andere Bewertung der Aussagen der Zeugen St. und J. nicht auszuschlieûen. Auf den Angaben dieser drei Personen beruht das Urteil. Die Sache muû deshalb insgesamt neu verhandelt und entschieden werden.

b) Auf die weiteren Rügen kommt es deshalb nicht mehr an, insbesondere nicht auf die ebenfalls beanstandete Ablehnung der Vernehmung des Zeugen Professor Dr. Jo. , Belgrad, zum Beweis dafür,
daû sich der Angeklagte vom 15. Juni bis zum 8. Juli 1999 -also auch während der Haupttat am 2. Juli 1999- im ¹Serbischen Klinikzentrumª in Belgrad befand gemäû § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO. Ob der dazu vorgelegte ¹Entlassungsscheinª echt ist bzw. ob der Angeklagte während der angegebenen Zeit tatsächlich in der Klink in Belgrad lag, wird die nunmehr mit der Sache befaûte Strafkammer sinnvollerweise schon vor der Hauptverhandlung im Freibeweis herauszufinden versuchen. Denn zur Klärung der Voraussetzungen des § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO steht auch das Freibeweisverfahren zur Verfügung (BGHR StPO § 244 Abs. 5 Satz 2, Auslandszeuge , 5 und 6).
Herr RiBGH Nack ist erkrankt. Schäfer Schäfer Boetticher Schluckebier Hebenstreit

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 477/11
vom
21. Dezember 2011
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 21. Dezember 2011
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Verfahren im Fall 33 der Urteilsgründe nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels und die im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen der Nebenklägerin trägt der Angeklagte.

Gründe:


1
1. Soweit der Angeklagte im Fall 33 der Urteilsgründe wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 Abs. 2 StGB zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt worden ist, ist das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts nach § 154 Abs. 2 StPO einzustellen, weil die bisher getroffenen Feststellungen die Verurteilung nicht tragen und eine Zurückverweisung mit Rücksicht auf das geringe Gewicht des Tatvorwurfes nicht angezeigt ist.
2
Der geständige Angeklagte geriet nach dem Konsum von Kokain mit seinem Pkw in einen Verkehrsunfall. Eine zwei Stunden nach dem Unfallereignis entnommene Blutprobe enthielt Benzoylecgonin in einer Konzentration von 387 ng/ml und Kokain in einer Konzentration von 14,6 ng/ml. Bei der Blutentnahme schien der Angeklagte „leicht beeinflusst“ zu sein. Das Landgericht hat den Nachweis einer rauschmittelbedingten Fahruntüchtigkeit schon deshalb als erbracht angesehen, weil der von der Grenzwertekommission empfohlene Grenzwert für Benzoylecgonin von 75 ng/ml um das Fünffache überschritten war.
3
Anders als bei Alkohol kann der Nachweis einer rauschmittelbedingten Fahrunsicherheit gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a., § 316 StGB auch weiterhin nicht allein durch einen bestimmten Blutwirkstoffbefund geführt werden. Gesicherte Erfahrungswerte, die es erlauben würden, bei Blutwirkstoffkonzentrationen oberhalb eines bestimmten Grenzwertes ohne Weiteres auf eine rauschmittelbedingte Fahrunsicherheit zu schließen, bestehen nach wie vor nicht (BGH, Beschluss vom 3. November 1998 – 4 StR 395/98, BGHSt 44, 219, 222; Beschluss vom 7. Oktober 2008 – 4 StR 272/08, StV 2009, 359, 360; Maatz BA 2004, Suppl. I. 9, 10; SSW-Ernemann § 316 Rn. 30; Fischer, StGB 59. Aufl., § 316 Rn. 39 mwN.). Es bedarf daher neben dem positiven Blutwirkstoffbefund noch weiterer aussagekräftiger Beweisanzeichen, die im konkreten Einzelfall belegen, dass die Gesamtleistungsfähigkeit des betreffenden Kraftfahrzeugführers soweit herabgesetzt war, dass er nicht mehr fähig gewesen ist, sein Fahrzeug im Straßenverkehr eine längere Strecke, auch bei Eintritt schwieriger Verkehrslagen, sicher zu steuern (BGH, Urteil vom 15. April 2008 – 4 StR 639/07, NZV 2008, 528, 529). Das ohne eine phänomengebundene Schilde- rung mitgeteilte Erscheinungsbild des Angeklagten („leicht beeinflusst“) reicht dazu nicht aus.
4
Die vom Landgericht herangezogenen Empfehlungen der Gemeinsamen Arbeitsgruppe für Grenzwertfragen und Qualitätskontrolle (hier zu Ben- zoylecgonin im Beschluss vom 22. Mai 2007, BA 2007, 311) bezeichnen lediglich Messwerte, die mindestens erreicht sein müssen, damit eine Blutwirkstoffkonzentration bei Anwendung der Richtlinien der Gesellschaft für Toxikologische und Forensische Chemie als qualitativ sicher nachgewiesen und quantitativ richtig bestimmt gelten kann (sog. Analytische Grenzwerte). Sie beruhen auf einer Übereinkunft der in der Kommission versammelten Experten und versuchen Richtlinien für den Nachweis berauschender Mittel und Substanzen im Blut im Sinne von § 24a Abs. 2 Satz 2 StVG vorzugeben (Ergebnisbericht der Gemeinsamen Arbeitsgruppe für Grenzwertfragen und Qualitätskontrolle, BA 1998, 372, 374; BA 2007, 311; Geppert, DAR 2008, 125, 127; Eisenmenger, NZV 2006, 24, 26; vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht 41. Aufl., StVG § 24a Rn. 21a und 21b mwN.). Da diese Grenzwerte keine Aussage über eine Dosis-Blutkonzentrations-Wirkungs-Beziehung enthalten, lässt ihre Überschreitung für sich genommen noch keinen zuverlässigen Rückschluss auf eine im konkreten Fall gegebene, eine Strafbarkeit nach § 316 StGB begründende rauschmittelbedingte Fahrunsicherheit zu (vgl. Möller, BA 2004, Suppl. I. 16,

17).


5
2. Die weiter gehende Revision ist offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht bei einem Wegfall der im Fall 33 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafe auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte. Gegen den Angeklagten wurden in den verbleibenden Fällen jeweils zwei Freiheitsstrafen von einem Jahr und sechs Monaten (Fälle 26 und 28 der Urteilsgründe), einem Jahr (Fälle 6 und 8 der Urteilsgründe), neun Monaten (Fälle 5 und 7 der Urteilsgründe) und sechs Monaten (Fälle 4 und 27) sowie 20 Geldstrafen von jeweils 90 Tagessätzen (Fälle 9 bis 24 und 29 bis 32 der Urteilsgründe) festgesetzt. Ernemann Roggenbuck Franke Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 639/07
vom
15. April 2008
in der Strafsache
gegen
wegen fahrlässiger Körperverletzung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 15. April
2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 6. Juni 2007 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen [vorsätzlicher] Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung und mit [vorsätzlichem] Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt und bestimmt, dass dem Angeklagten vor Ablauf von vier Jahren keine Fahrerlaubnis erteilt werden darf. Gegen dieses Urteil wenden sich der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft mit ihren Revisionen, mit denen sie die Verletzung sachlichen Rechts rügen; die Staatsanwaltschaft beanstandet darüber hinaus auch das Verfahren. Während der Angeklagte sich gegen die Verurteilung wegen Gefährdung des Straßenverkehrs wendet, erstrebt die Staatsanwaltschaft eine Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung und wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und wendet sich darüber hinaus auch gegen die unterbliebene Verurteilung des Angeklagten wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort. Beide Rechtsmittel haben Erfolg.

I.


2
1. Das Landgericht hat festgestellt:
3
Der heroinabhängige Angeklagte wollte sich am Morgen des Tattages mit Heroin versorgen und fuhr deshalb mit dem Pkw seiner Lebensgefährtin, obwohl er keine Fahrerlaubnis besaß, nach S. Auf . dem Wege dorthin versuchte er im G. -Markt in V. DVD's zu entwenden, um sie später gegen Heroin einzutauschen. Dabei wurde er von dem Kaufhausdetektiv J. beobachtet, der ihn auf der Weiterfahrt mit seinem eigenen Pkw bis S. verfolgte. Als der Angeklagte dort an einem Taxistand anhielt, stellte sich der Zeuge mit seinem Pkw schräg vor den des Angeklagten, um ihn an der Weiterfahrt zu hindern. Der zunehmend unter körperlichem Entzug stehende Angeklagte sah sein Vorhaben, sich möglichst schnell wieder Heroin zuzuführen, gefährdet, wollte sich aber auf Grund des bestehenden Suchtdrucks nicht aufhalten lassen. Er lenkte deshalb seinen Pkw um den des Zeugen herum und bog nach rechts in die dreispurig ausgebaute D. ein. Dort beschleunigte er seinen Pkw und fuhr auf die Lichtzeichenanlage vor dem "Sa. " zu, an der zu diesem Zeitpunkt auf dem äußerst rechten sowie auf dem äußerst linken Fahrstreifen Fahrzeuge hielten, weil die Ampel Rotlicht zeigte. Dagegen war der mittlere Fahrstreifen frei. Dies nutzte der Angeklagte aus, um seine Fahrt ungehindert fortzusetzen. Er fuhr deshalb mit einer Geschwindigkeit von 40 bis 60 km/h zwischen den an der Ampel haltenden Fahrzeugen hindurch. Dabei sah er sich nach hinten um, um festzustellen, ob der Zeuge J. ihn weiter verfolgte. Zu diesem Zeitpunkt überquerte der später Geschädigte de F. die ca. 15 m hinter der Haltelinie für Kraftfahrzeuge befindliche, ebenfalls mit einer Lichtzeichenanlage versehene Fußgängerfurt bei "Grün". Der Angeklagte erfasste den Geschädigten mit dem Pkw vorne links. Der Geschädigte wurde durch den Aufprall über die Motorhaube in die Windschutzscheibe des Pkw geschleudert, die zersplitterte und nach innen in den Fahrgastraum gedrückt wurde. Der Angeklagte "realisierte" die Situation zunächst nicht. Erst nachdem er die Glassplitter aus seinem Gesicht gewischt hatte, bemerkte er, dass sich der Geschädigte auf der Motorhaube befand. In diesem Moment fiel der Geschädigte auch bereits vom Fahrzeug herunter und blieb am Fahrbahnrand schwer verletzt liegen. Bis dahin waren seit der Kollision drei bis fünf Sekunden vergangen und hatte der Angeklagte ca. 50 m zurückgelegt. Obwohl er zwischenzeitlich bemerkt hatte, dass er eine Person angefahren hatte, hielt er nicht an, da er sich möglichst schnell mit Heroin versorgen wollte.
4
2. Das Landgericht hat eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen - tateinheitlich mit fahrlässiger Körperverletzung (§ 229 StGB) und vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis (§ 21 Abs. 1 StVG) verwirklichter - vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315 c Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) und Nr. 2 Buchst. c) StGB angenommen. Der Angeklagte sei auf Grund der von seiner Heroinsucht ausgehenden massiven körperlichen Entzugserscheinungen "absolut fahruntüchtig" gewesen. Das Unfallgeschehen belege auch, dass der Angeklagte in Folge dieses körperlichen Mangels in seiner Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit stark beeinträchtigt gewesen sei. Darüber hinaus sei der Angeklagte grob verkehrswidrig und rücksichtslos an einem Fußgängerüberweg falsch gefahren, indem er, um so schnell wie möglich an Rauschgift zu kommen, auf seiner Flucht vor dem ihn verfolgenden Zeugen J. sich unter Missachtung des für ihn geltenden Rotlichts den "Fußgängerüberweg" überfahren und dabei den Geschädigten erfasst habe. Der Angeklagte habe sowohl hinsichtlich der Tathandlung als auch hinsichtlich der Gefährdung vorsätzlich gehandelt (sog. Vorsatz-Vorsatz-Kombination); indem er, obwohl er vor der Ampel haltende Fahrzeuge wahrgenommen habe, nach hinten geschaut und nicht auf die Lichtzeichenanlage geachtet habe, habe er zumindest billigend in Kauf genommen, dass er "eine rote Ampel überfährt“ und die auf dem dahinter liegenden Fußgängerüberweg die Fahrbahn überquerenden Passanten gefährdet.
5
Eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen versuchten Mordes hat das Schwurgericht verneint, weil dem Angeklagten ein Tötungsvorsatz nicht nachzuweisen sei. Er habe den Geschädigten nicht wahrgenommen, weil er sich nach hinten umgesehen habe; ihm sei beim "Überfahren der roten Ampel" auch nicht bewusst gewesen, dass eine Person die dahinter liegende Fußgängerfurt überquert. Mangels entsprechenden Vorsatzes hat das Landgericht auch eine gefährliche Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB) verneint.
6
Eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142 Abs. 1 StGB) hat das Landgericht nicht erörtert, nachdem die Staatsanwaltschaft mit der Anklage das Verfahren gemäß den §§ 154, 154 a StPO auf die angeklagten Tatbestände des versuchten Mordes, des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und der gefährlichen Körperverletzung beschränkt hatte.

II.


7
Revision des Angeklagten
8
Der Schuldspruch hält auf die Revision des Angeklagten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand, soweit das Landgericht den Angeklagten wegen Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315 c StGB) verurteilt hat. Wie der Generalbundesanwalt bereits in seiner Zuschrift an den Senat vom 12. Dezember 2007 zutreffend ausgeführt hat, belegen die getroffenen Feststellungen nicht, dass der Angeklagte den Tatbestand des § 315 c StGB in den beiden vom Landgericht angenommenen Tatbestandsalternativen verwirklicht hat.
9
1. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe den Tatbestand des § 315 c Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB erfüllt, weil er infolge seiner körperlichen Entzugserscheinungen "absolut" fahrunsicher gewesen sei, begegnet rechtlichen Bedenken.
10
Da sich die "absolute" von der "relativen" Fahruntüchtigkeit allein in ihrem Nachweis unterscheidet (BGHSt 31, 42, 44), erscheint bereits fraglich, ob außerhalb des Bereichs der unwiderlegbaren Vermutung der Fahruntüchtigkeit auf Grund eines Blutalkoholgrenzwerts der Begriff der "absoluten" Fahruntüchtigkeit überhaupt Verwendung finden kann. In Extremfällen (z.B. der blinde Fahrzeugführer) mag dies zutreffen; ein solcher Extremfall lag hier aber jedenfalls nicht vor. Relative Fahruntüchtigkeit (genauer: Fahrunsicherheit), wie sie hier allein in Betracht zu ziehen ist, setzt voraus, dass die Gesamtleistungsfähigkeit des Fahrzeugführers infolge geistiger und/oder körperlicher Mängel soweit herabgesetzt ist, dass er nicht mehr fähig ist, sein Fahrzeug im Straßenverkehr eine längere Strecke, auch bei Eintritt schwieriger Verkehrslagen, sicher zu steuern (BGHSt 13, 83, 90; 44, 219, 221). Zwar ist - wie bei rauschmittelbedingter Fahrunsicherheit - nicht unbedingt erforderlich, dass sich die körperlichen bzw. geistigen Mängel in Fahrfehlern ausgewirkt haben. Vielmehr können unter Umständen zum Nachweis der Fahrunsicherheit auch sonstige Auffälligkeiten im Verhalten des Fahrzeugführers genügen, sofern sie konkrete Hinweise auf eine schwerwiegende Beeinträchtigung seiner psychophysischen Leistungsfähigkeit, insbesondere seiner Wahrnehmungsund Reaktionsfähigkeit geben (vgl. BGHSt 31, 42, 44 f.; 44, 221 f.).
11
Dass es sich hier so verhält, belegen die bislang festgestellten Entzugssymptome des Angeklagten aber nicht. Die Ausführungen des Landgerichts erschöpfen sich vielmehr in der allgemein gehaltenen Aufzählung verschiedener Entzugserscheinungen wie Händezittern, Übelkeit, Schweißausbrüche, gestörtes Temperaturempfinden und Konzentrationsschwierigkeiten , ohne sich damit auseinanderzusetzen, ob sich diese körperlichen Mängel auch auf die Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit oder die Risikobereitschaft des Angeklagten ausgewirkt haben. Dies versteht sich hier nicht von selbst. Der Angeklagte lenkte nämlich nicht nur sein Fahrzeug offenbar beanstandungsfrei über V. nach S. und dort durch den innerstädtischen Verkehr, sondern er zeigte auch anlässlich seines Aufenthalts im "G. -Markt" in Unterbrechung dieser Fahrt keine körperlichen oder geistigen Auffälligkeiten; vielmehr verhielt er sich in dem Geschäft beim Versuch, einen Ladendiebstahl zu begehen, umsichtig und unternahm sogar Maßnahmen, um den versuchten Diebstahl zu vertuschen.
12
Das Landgericht hätte deshalb nach den Maßstäben der Rechtsprechung zur "relativen" Fahrunsicherheit prüfen müssen, ob weitere aussagekräftige Beweisanzeichen, insbesondere der unfallursächliche Fahrfehler, den sicheren Nachweis der entzugsbedingten Fahrunsicherheit des Angeklagten begründen konnten. Dies ist nicht geschehen. Zwar hat das Landgericht ein außergewöhnlich fehlerhaftes und risikoreiches Fahrverhalten des Angeklagten festgestellt. Dieser drehte sich beim Herannahen an die geschaltete Lichtzeichenanlage um und übersah deshalb den später Geschädigten. Gleichwohl bedurfte es näherer Darlegung, dass dieser Fahrfehler seine Ursache auch in den körperlichen Entzugserscheinungen des Angeklagten hatte. Dagegen könnte nämlich sprechen, dass das Streben des Angeklagten in dem Augenblick seines Herannahens an die Lichtzeichenanlage auf Flucht vor dem Zeugen J. ausgerichtet war. Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass sich der Angeklagte bewusst unter Inkaufnahme eines Unfalls der Verfolgung durch den Zeugen entziehen wollte.
13
Ob die extrem waghalsige Fahrweise des Angeklagten durch den Heroinentzug bedingt war, bedarf deshalb neuer tatrichterlicher Prüfung, wobei die Hinzuziehung eines Sachverständigen geboten erscheint. Dieser wird Gelegenheit haben darzulegen, ob unter Berücksichtigung der langjährigen Heroinabhängigkeit des Angeklagten die festgestellten und/oder weitere typische Entzugserscheinungen Auswirkungen auf die Wahrnehmungsund /oder Reaktionsfähigkeit des Angeklagten haben konnten oder etwa zu einer erhöhten Risikobereitschaft oder Selbstüberschätzung geführt haben.
14
2. Auch die Bejahung der Tatbestandsalternative der Nr. 2 Buchst. c) des § 315 c Abs. 1 StGB hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Regelung wurde durch das Zweite Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs in den Katalog der sog. "Todsünden" aufgenommen, weil die Unsitte, links an einem vor einem Fußgängerüberweg haltenden Fahrzeug, das den Fußgängern den Weg freimachen will, vorbeizufahren, zu schweren Unfällen geführt hatte (BT-Drucks. IV/651 S. 29; LK-König StGB 11. Aufl. § 315 c Rdn. 101). Sie erfasst ein Falschfahren aber nur an Fußgängerüberwegen im Sinne des § 26 StVO. Das sind die durch Zeichen 293 zu § 41 StVO i.V.m. mit dem Hinweiszeichen 350 zu § 42 StVO markierten Zebrastreifen. Der Senat hätte indes Bedenken, die Vorschrift des § 315 c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c) StGB von vornherein dann nicht eingreifen zu lassen, wenn der "Fußgängerüberweg" zusätzlich durch eine in Betrieb befindliche Lichtzeichenanlage gesichert ist (so aber OLG Düsseldorf VRS 66 (1984), 135; OLG Hamm NJW 1969, 440; OLG Stuttgart NJW 1969, 889; Fischer StGB 55. Aufl. § 315 c Rdn. 7; Hentschel Straßenverkehrsrecht 38. Aufl. StGB § 315 c Rdn. 35; Jagow/Burmann/Heß Straßenverkehrsrecht 20. Aufl. StGB § 315 c Rdn. 23; Lackner/Kühl StGB 26. Aufl. § 315 c Rdn. 15; LK-König aaO Rdn. 102; a.A. mit beachtlichen Gründen OLG Koblenz VM 1976, 12; Cramer/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder StGB 27. Aufl. § 315 c Rdn. 21; Horn/Wolters in SK StGB 67. Lieferung [Oktober 2006] § 315 c Rdn. 12). Dies bedarf hier jedoch keiner Entscheidung. Denn das Landgericht hat nicht festgestellt, dass die Unfallstelle ein Fußgängerüberweg im Sinne des § 26 StVO (Zebrastreifen) war.

III.


15
Revision der Staatsanwaltschaft
16
1. Die Verfahrensbeschwerden, mit denen die Staatsanwaltschaft eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht sowie des Beweisantragsrechts beanstandet, greifen aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift an den Senat genannten Gründen nicht durch.
17
2. Jedoch hat die Revision der Staatsanwaltschaft mit der Sachrüge Erfolg.
18
Im Ergebnis zu Recht beanstandet die Beschwerdeführerin, dass das Landgericht den Angeklagten nicht auch wegen gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB), ggfls. tateinheitlich mit einem versuchten Tötungsdelikt, verurteilt hat.
19
a) Das Urteil hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand, weil die Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite im ersten Tatabschnitt bis zur Kollision lückenhaft ist. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe, indem er den Geschädigten mit seinem Pkw erfaßte und lebensgefährlich verletzte, nur fahrlässig gehandelt, wird den Besonderheiten des Falles nicht gerecht und ist auch nicht ohne weiteres vereinbar mit der rechtlichen Würdigung, mit der das Schwurgericht im Zusammenhang mit § 315 c Abs. 1 StGB einen – bedingten – Gefährdungsvorsatz (sog. Vorsatz-VorsatzKombination ) bejaht hat. Nach den Feststellungen nahm der ortskundige Angeklagte wenigstens billigend in Kauf, dass die Lichtzeichenanlage für den Fahrzeugverkehr Rotlicht zeigte und die dahinter befindliche Fußgängerampel "grün" war, so dass sich Fußgänger auf der Fahrbahn befinden konnten, um die Straße zu überqueren. Diese Gefährdung der die Fahrbahn überquerenden Passanten nahm er, um so schnell wie möglich an Heroin zu kommen, billigend in Kauf. Bei dieser Sachlage hätte sich das Schwurgericht nicht damit begnügen dürfen, einen Tötungs- und ebenso einen Körperverletzungsvorsatz in diesem Tatabschnitt allein mit der Begründung zu verneinen, der Angeklagte habe den später Geschädigten zunächst nicht wahrgenommen, weil er sich nach hinten umgesehen hatte. Denn diese Erwägung trägt lediglich den Ausschluss direkten Vorsatzes, lässt aber eine – hier gebotene – Auseinandersetzung mit der naheliegenden Frage jedenfalls bedingten Vorsatzes vermissen. Dieser Prüfung war die Schwurgerichtskammer auch nicht etwa deshalb enthoben, weil sie gemeint haben mag, einen - zumindest bedingten - Tötungsvorsatz wegen der hohen Hemmschwelle gegenüber der Tötung eines Menschen von vornherein nicht nachweisen zu können. Unter den hier gegebenen besonderen Umständen erscheint vielmehr denkbar, dass dem unter starkem Suchtdruck befindlichen Angeklagten – wenn er schon die Anwesenheit von Passanten im Bereich der Fußgängerfurt und deren Gefährdung in Kauf nahm – auch deren mögliche Verletzung gleichgültig war (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 51).
20
b) Die Sache bedarf deshalb auch auf die Revision der Staatsanwaltschaft insgesamt neuer tatrichterlicher Prüfung und Entscheidung durch das Landgericht. Dort besteht auch Gelegenheit, den Vorwurf des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142 Abs. 1 StGB) gemäß § 154 a Abs. 3 StPO wieder in das Verfahren einzubeziehen. Einem entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft ist zu entsprechen (§ 154 a Abs. 3 Satz 2 StPO).
21
3. Darauf, dass die Revision der Staatsanwaltschaft auch zu Gunsten des Angeklagten wirkt (§ 301 StPO), kommt es nicht an, weil die Gründe, die Rechtsfehler des angefochtenen Urteils zum Nachteil des Angeklagten aufdecken, auf dessen Revision zu berücksichtigen sind (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 9 a.E.).
Tepperwien Maatz Ri'inBGHSolin-Stojanovi ć istinfolgeUrlaubsgehindertzu unterschreiben Tepperwien Ernemann Sost-Scheible

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 122/10
vom
27. April 2010
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Betruges
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. April 2010 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Aschaffenburg vom 18. September 2009 wird mit der Maßgabe, dass hinsichtlich der verhängten Einzelgeldstrafen die Tagessatzhöhe auf 1,-- Euro festgesetzt wird, als unbegründet verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Allerdings hat die Strafkammer hinsichtlich der verhängten Einzelgeldstrafen die Festsetzung der Tagessatzhöhe unterlassen. Dieser bedarf es aber auch dann, wenn - wie hier - aus der Einzelgeldstrafe und Einzelfreiheitsstrafen eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden ist (vgl. BGHSt 30, 93, 96; BGHR StGB § 54 Abs. 3 Tagessatzhöhe 1 und 2).
2
In entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO (vgl. BGH, Beschl. vom 8. August 2008 - 2 StR 292/08; Beschl. vom 16. Dezember 2008 - 3 StR 503/08) setzt der Senat die Tagessatzhöhe auf den Mindestsatz von einem Euro (§ 40 Abs. 2 Satz 3 StGB) fest.
3
Durch die Bejahung lediglich eines bedingten Vorsatzes ist der Angeklagte nicht beschwert. Nack Wahl Rothfuß Hebenstreit Elf

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 503/08
vom
16. Dezember 2008
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Vergewaltigung u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 16. Dezember 2008 einstimmig beschlossen
:
1. Dem Angeklagten wird nach Versäumung der Frist zur Begründung
der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom
25. Juni 2008 auf seinen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand gewährt.
Die Kosten der Wiedereinsetzung trägt der Angeklagte.
Damit ist der Beschluss des Landgerichts Oldenburg vom
11. September 2008, mit dem die Revision des Angeklagten als unzulässig
verworfen worden ist, gegenstandslos.
als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf
Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil
des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO); jedoch wird
der Schuldspruch dahin berichtigt, dass der Angeklagte im Fall II. 3.
der Urteilsgründe wegen schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit
Freiheitsberaubung verurteilt wird; im Fall II. 5. der Urteilsgründe
wird die vom Landgericht unterlassene Festsetzung der Tagessatzhöhe
nachgeholt und der Tagessatz mit einem Euro bestimmt
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der
Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.
Becker Pfister Sost-Scheible
Hubert Schäfer

(1) Die Geldstrafe wird in Tagessätzen verhängt. Sie beträgt mindestens fünf und, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt, höchstens dreihundertsechzig volle Tagessätze.

(2) Die Höhe eines Tagessatzes bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters. Dabei geht es in der Regel von dem Nettoeinkommen aus, das der Täter durchschnittlich an einem Tag hat oder haben könnte. Ein Tagessatz wird auf mindestens einen und höchstens dreißigtausend Euro festgesetzt.

(3) Die Einkünfte des Täters, sein Vermögen und andere Grundlagen für die Bemessung eines Tagessatzes können geschätzt werden.

(4) In der Entscheidung werden Zahl und Höhe der Tagessätze angegeben.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern oder, wenn der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat, von Strafe absehen, wenn der Täter

1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, daß eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß eine Straftat nach § 29 Abs. 3, § 29a Abs. 1, § 30 Abs. 1, § 30a Abs. 1 die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann.
War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nummer 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. § 46b Abs. 2 und 3 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 146/00
vom
2. Mai 2000
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. Mai 2000 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 22. Oktober 1999 wird mit der Maßgabe verworfen, daß der Angeklagte des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist (§ 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, §§ 27, 52 StGB). Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Rechtsmittels.

Gründe:

Die Revision des Angeklagten führt auf Grund der Sachrüge zu einer Ä nderung des Schuldspruchs, hat aber im übrigen keinen Erfolg. Hierzu hat der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt: "Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten 'Handelns' mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten verurteilt. Der Angeklagte war Küchenhilfe in einem Restaurant, in dem Betäubungsmittel, insbesondere Kokain, umgesetzt wurden. Er selbst verkaufte dort Anfang des Jahres 1998 in zwei Fällen je 1 g Kokain. Außerdem führte er nicht näher geschilderte Telefongespräche, die Betäubungsmittelgeschäfte betrafen. Beides ist nicht Gegenstand des Schuldspruchs. Am 19. Juli 1998 nahm er entwe-
der selbst zwei Päckchen Kokain zu je etwa 50 g und einem Reinheitsgehalt von 24 % aus einem Deckenversteck in einer auf dem Anwesen des Restaurants gelegenen Wohnung oder erhielt diese ausgehändigt, brachte sie in ein Zimmer, das er selbst bewohnte, und versteckte sie dort wieder in der Deckenverkleidung. Einer von zwei weiteren Mitbewohnern des Zimmers, der zudem an der 'Anlieferung' des Kokains beteiligt gewesen war, verkaufte am folgenden Tag eines der beiden Päckchen an einen Verdeckten Ermittler. Bei der anschließenden Durchsuchung wurde das zweite Päckchen in der Deckenverkleidung des genannten Zimmers gefunden. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass diese beiden Päckchen 'dem Angeklagten zu Handelszwecken zur Verfügung' standen, weil sie in dem auch von ihm bewohnten Zimmer versteckt waren. Andererseits hat es nicht ausschließen können, dass 'Depothalter' des Kokains - sichergestellt wurden insgesamt 300 g - ein Bruder des Restaurantbetreibers war. Gleichwohl ist es davon ausgegangen, dass der Angeklagte jedenfalls über die beiden fraglichen Päckchen verfügen konnte, das eine dem Verkäufer gezielt zur Durchführung des Geschäfts zur Verfügung gestellt habe und das zweite ebenfalls hatte veräußern wollen. In welchem 'Rangverhältnis' der Angeklagte und der Verkäufer zueinander standen, hat das Landgericht nicht feststellen können, doch hat es aus der Einbindung des Angeklagten in den im Restaurant betriebenen Drogenhandel die Überzeugung gewonnen, dass er jedenfalls einen Anteil des Erlöses hätte erhalten sollen. Diese Ausführungen tragen die Annahme täterschaftlichen Handelns nicht. Sicher festgestellt worden ist nur, dass der Angeklagte die beiden
Päckchen Kokain aus einem Zimmer in das unter anderem von ihm bewohnte andere Zimmer gebracht und dort versteckt hat, mehr nicht. Der Tatrichter ist zwar in der Beweiswürdigung frei, doch muss seine Überzeugung eine konkrete Wurzel in den getroffenen Feststellungen haben. Sie darf sich nicht soweit von einer festen Tatsachengrundlage entfernen, dass es sich letztlich nur noch um - wenn auch nahe liegende - Vermutungen handelt (st. Rechtspr., s. d. Nachw. bei KK-Engelhardt StPO 4. Aufl. § 261 Rdnr. 45). So liegt es aber hier. Der Verkäufer war schon an der Anlieferung beteiligt, 'Depothalter' der Gesamtmenge möglicherweise ein Dritter. Aus der bloßen Veränderung des Verstecks durch den Angeklagten konnte weder auf seine Verfügungsbefugnis über diese Teilmenge noch auf täterschaftliches Handeltreiben geschlossen werden, zumal auch die weiter erforderliche Eigennützigkeit seines Tuns nicht belegt ist. Daran ändert auch die Feststellung nichts, dass der Angeklagte selbstständige Kokainverkäufe getätigt und Telefongespräche geführt hat, die Betäubungsmittelgeschäften dienten. Beides besagt nur etwas über seine 'Einbindung' in den Drogenhandel, aber nichts über täterschaftliches Handeln im vorliegenden Fall. Wohl aber hat er beide Päckchen unerlaubt in Besitz gehabt. Da er sie versteckt hatte, konnte der Verkauf des einen Päckchens an den Verdeckten Ermittler nicht ohne seine Beteiligung erfolgen. Deshalb liegt hinsichtlich des verkauften Päckchens nur Beihilfe zum Handeltreiben vor, hinsichtlich der beiden Päckchen unerlaubter Besitz, jeweils eine nicht geringe Menge betreffend und zueinander in Tateinheit stehend (BGH NStZ 1994, 548).
Da weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind, kann der Senat den Schuldspruch von sich aus ändern. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil der Angeklagte keinerlei Angaben zur Sache gemacht hat, sich also nicht anders verteidigt hätte. Auf den Strafausspruch hat das keinen Einfluss, weil der Angeklagte eine nicht geringe Menge Kokain besessen hat und insofern Täter war. Damit entfällt eine Strafmilderung wegen Beihilfe zum Handeltreiben, so dass der angewandte Strafrahmen keine Veränderung erfährt. Da auch das Tatunrecht gleich geblieben ist, kann ausgeschlossen werden, dass das Landgericht bei diesem Schuldspruch auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte." Schäfer Maul Granderath Nack Wahl