Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Feb. 2004 - 4 StR 24/04
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
2. Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in drei Fällen, versuchter schwerer räuberischer Erpressung und schweren Raubes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Ferner hat es seine Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und bestimmt, daß ihm vor Ablauf von zwei Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf.
1. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, ist zum Schuld- und Strafausspruch unbegründet
im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, weil die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung insoweit keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.
2. Die Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis hat hingegen keinen Bestand.
Das Landgericht hat hierzu ausgeführt, der Angeklagte habe sich durch sein Verhalten, „insbesondere durch den Einsatz seines PKWs und des Fahrzeugs seiner damaligen Freundin“ als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen im Sinne des § 69 Abs. 1 StGB erwiesen. Der Umstand, daß er die Fahrzeuge gezielt zur Durchführung der Straftaten eingesetzt habe, indiziere im Hinblick auf das Gewicht der Taten und die Bedeutung des Einsatzes der Kraftfahrzeuge bei den Überfällen bereits für sich genommen seine charakterliche Unzuverlässigkeit und damit seine Ungeeignetheit.
Diese Erwägungen tragen die Entscheidung nicht. Zutreffend ist zwar der rechtliche Ausgangspunkt des Landgerichts, daß § 69 Abs. 1 StGB nicht nur bei Verkehrsverstößen im engeren Sinne, sondern auch bei sonstigen strafbaren Handlungen anwendbar ist, sofern sie im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs begangen werden und sich daraus die mangelnde Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ergibt. Anders als bei der Begehung einer der in § 69 Abs. 2 StGB aufgeführten rechtswidrigen Taten begründet jedoch allein der Umstand, daß der Täter ein Kraftfahrzeug zur Begehung von Straftaten benutzt hat, nicht bereits eine Regelvermutung für seine charakterliche Unzuverlässigkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen; deshalb verlangt die Rechtsprechung in diesen Fällen regelmäßig eine nähere Begründung der Ent-
scheidung aufgrund einer umfassenden Gesamtwürdigung (st. Rspr.; vgl. BGHR StGB § 69 Abs. 1 Entziehung 5 und 8; Senatsbeschlüsse vom 22. Oktober 2002 - 4 StR 339/02 = NZV 2003, 46 und 5. November 2002 – 4 StR 406/02 = NZV 2003, 199). Dieser Anforderung genügt die pauschale Würdigung , mit der das Landgericht die Annahme der Ungeeignetheit im Sinne des § 69 Abs. 1 StGB begründet hat, nicht, und zwar ungeachtet der weiteren (streitigen) Frage, ob zwischen den einzelnen Taten und der Verkehrssicherheit ein (verkehrsspezifischer) Zusammenhang zu fordern ist (vgl. hierzu den Anfragebeschluß des Senats vom 16. September 2003 – 4 StR 85/03 = DAR 2003, 563 sowie BGH, Beschluß vom 26. September 2003 – 2 StR 161/03 = NStZ 2004, 144).
Dem steht nicht die vom Landgericht herangezogene Entscheidung des Bundesgerichtshofes (Beschluß vom 14. Mai 2003 – 1 StR 113/03, abgedruckt in NStZ 2003, 658) entgegen. Dort hat zwar der 1. Strafsenat die Auffassung vertreten, daß bei bestimmten schweren Straftaten, die unter Benutzung eines Kraftfahrzeuges begangen werden, in aller Regel die charakterliche Eignung des Täters zum Führen von Kraftfahrzeugen verneint werden müsse. Hierzu zähle etwa auch die Nutzung des Kraftfahrzeuges zur Flucht mit der Beute durch den Räuber oder den räuberischen Erpresser. Allerdings hat er weiterhin ausgeführt, daß auch in derartigen Fällen der Umfang der tatrichterlichen Begründungspflicht von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls, insbesondere von der Täterpersönlichkeit und vom Gewicht der Tat abhänge. Angesichts der vom Landgericht angeführten zahlreichen Strafmilderungsgründe (vgl. UA 13 bis 15), die die Persönlichkeit des Angeklagten und seine Beteiligung an den Taten zum Gegenstand haben, hätte auch bei Zugrundelegung dieser
Rechtsauffassung die Annahme der Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen näherer Darlegung bedurft.
3. Die Entziehung der Fahrerlaubnis bedarf daher erneuter tatrichterlicher Prüfung und Entscheidung. Der Senat vermag nicht auszuschließen, daß sich aufgrund der neuen Hauptverhandlung noch Umstände ergeben können, die eine Ungeeignetheitsprognose im Sinne des § 69 Abs. 1 StGB rechtfertigen und deshalb den Maßregelausspruch tragen könnten. Er war trotz des weitergehenden , auf Entfall der Maßregel gerichteten Antrags des Generalbundesanwalts nicht gehindert, im Beschlußwege wie geschehen zu entscheiden. Die Befugnis des Revisionsgerichts, nach Urteilsaufhebung die Sache zurückverweisen oder in der Sache selbst zu entscheiden, richtet sich ausschließlich nach § 354 StPO; sie setzt - mit Ausnahme der hier nicht einschlägigen Fallvarianten des § 354 Abs. 1 4. Alt. StPO – keinen entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft voraus.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so entzieht ihm das Gericht die Fahrerlaubnis, wenn sich aus der Tat ergibt, daß er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Einer weiteren Prüfung nach § 62 bedarf es nicht.
(2) Ist die rechtswidrige Tat in den Fällen des Absatzes 1 ein Vergehen
- 1.
der Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c), - 1a.
des verbotenen Kraftfahrzeugrennens (§ 315d), - 2.
der Trunkenheit im Verkehr (§ 316), - 3.
des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142), obwohl der Täter weiß oder wissen kann, daß bei dem Unfall ein Mensch getötet oder nicht unerheblich verletzt worden oder an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist, oder - 4.
des Vollrausches (§ 323a), der sich auf eine der Taten nach den Nummern 1 bis 3 bezieht,
(3) Die Fahrerlaubnis erlischt mit der Rechtskraft des Urteils. Ein von einer deutschen Behörde ausgestellter Führerschein wird im Urteil eingezogen.
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.