Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Okt. 2018 - 1 StR 212/18

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:241018B1STR212.18.0
24.10.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 212/18
vom
24. Oktober 2018
BGHSt: nein
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
––––––––––––––––––––––––––
Zur Schleusung von Kindern und Jugendlichen.
BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2018 - 1 StR 212/18 - LG Passau
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:241018B1STR212.18.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts - zu 3. auf dessen Antrag - und des Beschwerdeführers am 24. Oktober 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Passau vom 17. Oktober 2017, soweit es ihn betrifft, im Strafausspruch aufgehoben; die Feststellungen haben mit Ausnahme der zur subjektiven Tatseite der minderjährigen geschleusten Personen getroffenen Feststellungen Bestand. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „Einschleusens von Ausländern“ in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechsJahren und neun Monaten verurteilt. Wegen weiterer Anklagevorwürfe, wonach er auch an gleichgelagerten Taten des Mitangeklagten beteiligt gewesen sein soll, hat es ihn freigesprochen. Die Auslieferungshaft in Rumänien hat es im Verhältnis 1:1 auf die Strafe angerechnet. Mit seiner Revision macht der Angeklagte ein Verfahrenshindernis geltend und rügt die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt vor dem 18. Juli 2015 fasste der rumänische Angeklagte den Entschluss, sich eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Gewicht zu verschaffen , indem er wiederholt sichtvermerkspflichtigen Drittausländern gegen ein Entgelt dazu verhalf, von Budapest über Österreich unerlaubt in das Bundesgebiet einzureisen. Die Drittausländer syrischer und irakischer Herkunft zahlten für ihren Transport in Fahrzeugen zwischen 400 Euro und 600 Euro pro Person, für Kinder in Einzelfällen die Hälfte. Teilweise hatten die Drittausländer bereits in ihren Herkunftsländern eine Gesamtzahlung für die Schleusung nach Deutschland an arabischstämmige Personen erbracht, die den Angeklagten für den Transport der Flüchtlinge von Budapest bis in die Bundesrepublik vergüteten. Den Fahrern der Transportfahrzeuge versprach der Angeklagte seinerseits zwischen 250 Euro und 1.200 Euro pro Fahrt.
4
Den beförderten Drittausländern - wobei das Landgericht Kinder unter sieben Jahren als nicht handlungsfähig angesehen hat - war bewusst, dass sie nicht über die für eine Einreise und einen Aufenthalt in der Bundesrepublik erforderlichen Dokumente verfügten. Dies wusste auch der Angeklagte, dem darüber hinaus die Transportbedingungen bekannt waren. Bei fünf Fahrten wurden die Drittausländer ungesichert auf den Ladeflächen eines Lastkraftwagens und von Kleintransportern befördert. Dass es daher schon bei einfachen Gefahr- bremsungen zu schweren Verletzungen und auch zum Tod zumindest einzelner der ungesichert beförderten Personen hätte kommen können, war dem Angeklagten bewusst und gleichgültig. Die Anzahl der jeweils beförderten Personen nahm er zumindest billigend in Kauf.
5
In der Zeit zwischen dem 18. Juli 2015 und dem 25. August 2015 leistete der Angeklagte in sechs Fällen syrischen und irakischen Staatsangehörigen Hilfe bei ihrer unerlaubten Einreise in die Bundesrepublik, indem er Fahrer für den Transport anwarb und diesen die dafür vorgesehenen Fahrzeuge in Budapest zur Verfügung stellte. Im Fall 1 der Urteilsgründe transportierte der Fahrer insgesamt dreizehn syrische Staatsangehörige - darunter vier Kinder im Alter von unter sieben Jahren - in einem Personenkraftwagen Kia Carnival. Das Fahrzeug verfügte in drei Sitzreihen über insgesamt sechs Sitzplätze mit Rückhaltesystemen. In vier weiteren Fällen wurden zwischen 20 und 28 syrische und irakische Drittausländer - neben noch nicht sieben Jahre alten Kindern gleicher Staatsangehörigkeiten - in Kleintransportern auf deren Ladeflächen mit einer Größe von etwa sechs Quadratmetern transportiert. Trotz der erheblichen Fahrtdauer machte der Fahrer nur im Fall 3 eine zehnminütige Pause, ohne dass allerdings die geschleusten Personen hierbei den Laderaum verlassen durften. Zuletzt beförderte ein Fahrer mit einem Lastkraftwagen neben sechs irakischen Kindern im Alter von unter sieben Jahren weitere 33 irakische Staatsangehörige in einem fensterlosen Aufbau, der an den Seitenwänden nur mit einer blauen Plane ausgeschlagen war. Die Fahrzeuge wurden jeweils grenznah auf dem Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland polizeilich kontrolliert.
6
2. Das Landgericht hat das Vorgehen des Angeklagten als gewerbsmäßiges und die Geschleusten einer das Leben gefährdenden Behandlung aus- setzendes Einschleusen von Ausländern in sechs Fällen gewertet (§ 96 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 5 AufenthG). In fünf Fällen hat sie der Angeklagte nach Ansicht des Landgerichts zugleich einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt.

II.


7
Ein Verfahrenshindernis liegt entgegen den Ausführungen der Revision nicht vor. Die Anklage wahrt die ihr zukommende Umgrenzungsfunktion. Die prozessualen Taten im Sinne von § 264 StPO, auf die sich der Verfolgungswille der Staatsanwaltschaft erstreckt, sind eindeutig zu identifizieren. Der konkrete Anklagesatz nennt die Tatzeiten, die geschleusten Personen (soweit bekannt), die Namen der Fahrer und die Tatfahrzeuge mitsamt amtlichen Kennzeichen.

III.


8
1. Der Schuldspruch hält der rechtlichen Nachprüfung auf die Sachrüge des Angeklagten stand. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass der Angeklagte im Fall 1 der Urteilsgründe zwei und im Übrigen jeweils drei Qualifikationstatbestände (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 29. November 2011 - 3 StR 378/11, NStZ-RR 2012, 124; BeckOK AuslR/Hohoff, 19. Ed., § 96 AufenthG Rn. 15; Senge in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze [Stand: Juli 2014], § 96 AufenthG Rn. 14; Fahlbusch in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl., § 96 AufenthG Rn. 55) des § 96 Abs. 2 AufenthG verwirklicht hat. Als Haupttaten liegen unerlaubte Einreisen nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG vor, zu denen der Angeklagte unter Verwirklichung der Schleusermerkmale des § 96 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) und b) AufenthG Hilfe geleistet hat.
9
a) Das Landgericht hat sich seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten aufgrund einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung gebildet, bei der es das - nicht der Justiz anzulastende - fehlende Konfrontationsrecht der Verteidigung gegenüber Belastungszeugen ausreichend bedacht und die Be- weise „besonders sorgfältig“ gewürdigt hat (vgl. zu den Anforderungen etwa BGH, Urteil vom 4. Mai 2017 - 3 StR 323/16, NStZ 2018, 51, 52 ff. mwN auch zur Rechtsprechung des EGMR). Wesentliche Bedeutung durfte es dabei der teilgeständigen Einlassung des Angeklagten zur Übergabe von zwei Tatfahrzeugen beimessen. Nicht zu beanstanden ist auch die näher begründete Schlussfolgerung des Landgerichts, dass der Angeklagte bereits bei der ersten „Schleusung“ gewerbsmäßig handelte (§ 96 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG; mit Wirkung vom 1. August 2018: § 96 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG).
10
b) Den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ist des Weiteren zu entnehmen, dass die geschleusten Personen einer das Leben gefährdenden Behandlung ausgesetzt wurden (§ 96 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG). Der Qualifikationstatbestand setzt ebenso wenig wie § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB voraus, dass eine konkrete Lebensgefahr eingetreten ist (vgl. MüKoStGB/Gericke, 3. Aufl., § 96 AufenthG Rn. 36; BeckOK AuslR/Hohoff, 19. Ed., § 96 AufenthG Rn. 20; Bergmann in Huber, Aufenthaltsgesetz, 2. Aufl., § 96 AufenthG Rn. 59). Er ist nicht nur in den „Ladeflächenfällen“,sondern auch im Fall 1 der Urteilsgründe erfüllt, in dem die geschleusten Personen in einem Personenkraftwagen transportiert wurden. Dieses Fahrzeug verfügte nicht über eine ausreichende Anzahl an Sitzen und Rückhaltevorrichtungen für die geschleusten Personen. Allerdings genügt das bloße Fehlen von Rückhaltesystemen nicht stets, um bereits eine Lebensgefahr durch die Schleusung zu begründen. Hier rechtfertigt aber die Gesamtheit der im Fall 1 festgestellten Umstände diese Annahme. So war das Fahrzeug mit einer Vielzahl von Personen, die sich in sehr beengten Ver- hältnissen aufhielten, überbesetzt und zudem überladen. Die vom Landgericht festgestellte Fahrtzeit von etwa vier Stunden für die Strecke von Budapest nach Passau belegt hohe Geschwindigkeiten des Fahrzeugs, so dass bei einer Gefahrbremsung , einem Ausweichmanöver und erst recht bei einer Kollision lebensgefährliche Verletzungen drohten. Dies gilt nicht nur für die ungesicherten Personen, sondern aufgrund des drohenden Zusammenpralls mit diesen oder mit Gegenständen auch für die angeschnallten Geschleusten.
11
Eine Einwilligung der geschleusten Personen konnte - sollte der Qualifikationstatbestand nicht ohnehin (auch) Gemeininteressen schützen (vgl. BT-Drucks. 15/420, S. 98; Geisler, ZRP 2001, 171, 175) - selbst ohne konkrete Todesgefahr nach den festgestellten, die Sittenwidrigkeit der Taten begründenden Gesamtumständen (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 20. Februar 2013 - 1 StR 585/12, BGHSt 58, 140, 144 ff. Rn. 10 ff.) keine rechtfertigende Wirkung entfalten. Dafür spricht auch die Gesetzessystematik. Denn bei der ebenso in § 96 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG geregelten unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung vermag die Einwilligung der Geschleusten angesichts der geschützten Menschenwürde ein tatbestandsmäßiges Handeln des Schleusers nicht zu rechtfertigen (vgl. zutreffend Hailbronner, Ausländerrecht [Stand: August 2012], § 96 AufenthG Rn. 34).
12
c) Auch die Qualifikation einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung nach § 96 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG hat das Landgericht rechtsfehlerfrei bejaht. Insbesondere hat es ausreichende Feststellungen getroffen, die eine erniedrigende Behandlung belegen. Eine solche liegt vor, wenn sie beim Geschleusten Gefühle der Angst, Ohnmacht und Minderwertigkeit erzeugt und er so herabgewürdigt und gedemütigt wird (vgl. Fahlbusch in Hofmann, Ausländerrecht , 2. Aufl., § 96 AufenthG Rn. 71; Hailbronner, Ausländerrecht [Stand: Au- gust 2012], § 96 AufenthG Rn. 34). Seine Wertung, dass die Geschleusten demgemäß in den Fällen 2 bis 6 der Urteilsgründe „wie Vieh oder Stückgut“ (UA S. 123) transportiert wurden, hat das Landgericht ohne Rechtsfehler mit den Fahrtzeiten zwischen etwa vier und acht Stunden ohne die Möglichkeit zum Toilettengang und unter äußerst beengten räumlichen Verhältnissen begründet (vgl. auch MüKoStGB/Gericke, 3. Aufl., § 96 AufenthG Rn. 37).
13
2. Hingegen kann der Strafausspruch keinen Bestand haben. Denn das Landgericht hat der Strafzumessung einen zu großen Schuldumfang zugrunde gelegt. Es hat straferschwerend jeweils auf die Anzahl der geschleusten Personen abgestellt (vgl. UA S. 126), die es nicht rechtsfehlerfrei bestimmt hat. Die Urteilsgründe belegen insbesondere nicht, dass die vom Landgericht zu den Haupttätern gezählten minderjährigen Personen ab einem Alter von sieben Jahren vorsätzlich handelten. Aufgrund der weiteren Haupttaten von Geschleusten, die der Angeklagte in sechs Fällen gefördert hat (vgl. Fischer, StGB, 65. Aufl., § 27 Rn. 31 mwN), bleibt der Schuldspruch hiervon unberührt. Über diesen ist wegen des eigenständigen Charakters einer jeden Haupttat keine nochmalige tatrichterliche Entscheidung erforderlich (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2011 - 4 StR 455/11, juris Rn. 7).
14
a) Durch die Strafvorschrift des § 96 Abs. 1 AufenthG werden nach den allgemeinen Regeln (§§ 26, 27 StGB) strafbare Teilnahmehandlungen an den in § 96 Abs. 1 AufenthG in Bezug genommenen Taten nach § 95 AufenthG zu selbständigen, in Täterschaft (§ 25 StGB) begangenen Straftaten heraufgestuft, wenn der Teilnehmer zugleich eines der in § 96 Abs. 1 AufenthG geregelten Schleusermerkmale erfüllt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. Juni 2012 - 4 StR 144/12, NStZ 2013, 483 und vom 30. Mai 2013 - 5 StR 130/13, BGHSt 58, 262, 265 f. Rn. 9; Urteil vom 11. Juli 2003 - 2 StR 31/03, NStZ 2004, 45; vgl.
MüKoStGB/Gericke, 3. Aufl., § 96 AufenthG Rn. 2). Trotz dieser tatbestandlichen Verselbständigung zur Täterschaft gelten für die Tathandlungen des § 96 Abs. 1 AufenthG die allgemeinen Regeln der Teilnahme einschließlich des Grundsatzes der limitierten Akzessorietät (vgl. BGH, Urteil vom 8. März 2017 - 5 StR 333/16, BGHSt 62, 85, 89 f. Rn. 18; Beschluss vom 13. Januar 2015 - 4 StR 378/14, NStZ 2015, 399, 400; MüKoStGB/Gericke, 3. Aufl., § 96 AufenthG Rn. 3; Senge in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze [Stand: Juli 2014], § 96 AufenthG Rn. 3; Schott, Einschleusen von Ausländern, 2. Aufl., S. 106). Die Strafbarkeit wegen vollendeten Einschleusens von Ausländern setzt daher das Vorliegen einer vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat des Geschleusten voraus.
15
b) Das jugendliche - und erst recht ein geringeres - Alter und die Unreife des Haupttäters können gegen eine Vorsatztat sprechen (vgl. BGH, Urteile vom 13. Januar 2005 - 4 StR 469/04 juris Rn. 22 und vom 3. Februar 2005 - 4 StR 492/04, ZJJ 2005, 205; Brunner/Dölling, JGG, 13. Aufl., § 3 Rn. 19; Eisenberg, JGG, 20. Aufl., § 3 Rn. 31). Auch die Wertungen von § 3 JGG, § 19 StGB sprechen dafür, den Tatvorsatz von Jugendlichen und erst recht von Kindern kritisch zu prüfen. Die pauschale Beweiswürdigung des Landgerichts, die allein auf der Kenntnis erwachsener Zeugen von fehlenden Pässen und Genehmigungen für die Einreise nach Deutschland und auf den inakzeptablen Transportbedingungen gründet, genügt daher für die minderjährigen Geschleusten den rechtlichen Anforderungen nicht. Bei Jugendlichen (§ 1 Abs. 2 JGG) liegt es zwar keineswegs fern, dass der subjektive Tatbestand der unerlaubten Einreise zu bejahen ist (vgl. auch BayObLG, Beschluss vom 31. März 2003 - 4 St RR 18/2003, NStZ-RR 2003, 275, 276). Der Tatrichter muss aber zumindest - was hier nicht geschehen ist - begründen, weshalb auch das jugendliche Alter der ihm obliegenden Überzeugungsbildung nicht entgegensteht.
16
Weitergehende Anforderungen an die Beweiswürdigung sind bei den geschleusten Kindern zu stellen. Dass etwa sieben- oder achtjährige syrische und irakische Kinder, wie sie sich nach den Feststellungen des Landgerichts in den Fällen 1, 2 und 4 bis 6 der Urteilsgründe in den Transportfahrzeugen befanden, den Tatbestand der unerlaubten Einreise nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG vorsätzlich verwirklichen, bedarf näherer und individueller Begründung. Denn aufgrund ihres divergierenden Entwicklungsstands ist zweifelhaft, ob den Kindern schon das Passieren der Staatsgrenze der Bundesrepublik Deutschland, jedenfalls aber der Umstand einer Schleusung bewusst war. Die vom Landgericht gezogenen Schlussfolgerungen gehen daher für den subjektiven Tatbestand der von ihm als Haupttäter angesehenen Kinder nicht über eine reine Vermutung hinaus.
17
Im Fall 3 der Urteilsgründe hat das Landgericht zwar festgestellt, dass - über fünf noch nicht siebenjährige Kinder hinaus - nur vorsätzlich handelnde erwachsene Personen unerlaubt eingereist seien (UA S. 11). Hierbei kann es aber ebenfalls nicht verbleiben, denn in seiner Beweiswürdigung stellt das Landgericht auf die „über 7-jährigen Beteiligten“ ab (UA S. 56). Zumal eine gesicherte Altersfeststellung nicht vorlag (UA S. 54), bleibt mithin unklar, ob sich neben den erwachsenen Zeugen A. und I. unter den als Haupttätern eingeordneten 28 Personen - wie in den anderen Fällen - Minderjährige befanden. Daher ist aus den genannten Gründen eine neue Prüfung des Alters und insbesondere des Tatvorsatzes der nicht namentlich genannten 26 Drittausländer veranlasst. Ob die weitere Annahme des Landgerichts rechtsfehlerfrei ist, dass Kinder unter sieben Jahren schon deshalb als Haupttäter ausscheiden, weil sie „nicht handlungsfähig seien“ (vgl. BayObLG, Beschluss vom 31. März 2003 - 4 St RR 18/2003, NStZ-RR 2003, 275, 276; Westphal/Stoppa, NJW 1999, 2137, 2143; kritisch Bergmann in Huber, Aufenthaltsgesetz, 2. Aufl., Vor- bem. zu §§ 96 f. Rn. 11), braucht der Senat nicht zu entscheiden. Denn hierdurch ist der Angeklagte nicht beschwert.
18
c) Das Problem der schwer zu belegenden Vorsatzerfordernisse bei den Geschleusten (insbesondere minderjährigen Personen) ist Folge des gesetzgeberischen Konzepts der sog. limitierten Akzessorität, auch im Rahmen von § 96 Abs. 2 Satz 2 nF AufenthG (vgl. dazu BT-Drucks. 19/2438, S. 26). Es ließe sich durch die Schaffung eines eigenständigen Tatbestands sachgerecht vermeiden. Denn der Schuldumfang des Einschleusens von Ausländern wird maßgeblich von der geförderten Zahl der Haupttaten mitbestimmt. Soweit - wie hier bei den mindestens siebenjährigen Kindern - eine (zurücktretende) Versuchsstrafbarkeit des Angeklagten nach § 96 Abs. 3 AufenthG in Betracht kommt, ist eine solche von gemindertem Erfolgsunwert. Dasselbe würde gelten, sollte - was der Gesetzessystematik allerdings fremd wäre - die Hilfe „zugunsten mehrerer Ausländer“ nureinen Haupttäter erfordern und zugleich auch andere Personen erfassen (vgl. dazu MüKoStGB/Gericke, 3. Aufl., § 96 AufenthG Rn. 19; aA Mosbacher in Kluth/Hund/Maaßen, Zuwanderungsrecht, 2. Aufl., § 10 Rn. 37; Aurnhammer, Spezielles Ausländerstrafrecht, S. 158 f.). Das Landgericht hat demgemäß zutreffend in erster Linie straferschwerend auf die große Anzahl der vom Angeklagten unterstützten Haupttäter abgestellt. Diese hat es jedoch - wie aufgezeigt - nicht ohne Rechtsfehler bestimmt.
19
d) Hierauf beruht das Urteil (§ 337 StPO). Das Ausmaß der tatbestandsmäßigen Rechtsgutverletzung ist ein zentraler Punkt der Strafzumessung (vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 588). Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht mildere Einzelstrafen und eine mildere Gesamtstrafe verhängt hätte, wenn es nur eine geringere Anzahl betroffener Personen hätte berücksichtigen können.
20
Der neue Tatrichter wird in den Fällen 1, 2 und 4 bis 6 der Urteilsgründe bei den minderjährigen Geschleusten über den subjektiven Tatbestand der unerlaubten Einreise zu entscheiden haben, soweit nicht Beschränkungen nach § 154a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO erfolgen. Im Fall 3 der Urteilsgründe ist ebenfalls über den Tatvorsatz der (neben den erwachsenen Zeugen und den noch nicht siebenjährigen Kindern) eingereisten Personen neu zu befinden. Hierbei ist umso größere Sorgfalt aufzuwenden, je jünger diese Personen nach den ergänzenden Feststellungen des neuen Tatrichters sind.
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(1) Wer die Körperverletzung 1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,3. mittels eines hinterlistigen Überfalls,4. mit einem anderen Beteiligten gemeins

Strafgesetzbuch - StGB | § 27 Beihilfe


(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat. (2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu milde

Strafgesetzbuch - StGB | § 25 Täterschaft


(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht. (2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

Strafprozeßordnung - StPO | § 154a Beschränkung der Verfolgung


(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind, 1. für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder2. neben einer Strafe oder Maß

Strafprozeßordnung - StPO | § 337 Revisionsgründe


(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. (2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

Strafprozeßordnung - StPO | § 264 Gegenstand des Urteils


(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt. (2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde l

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(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält,2. ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet a

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Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 1 Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich


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Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 96 Einschleusen von Ausländern


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Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 3 Verantwortlichkeit


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Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Juni 2019 - 2 StR 202/18

bei uns veröffentlicht am 04.06.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 202/18 vom 4. Juni 2019 in der Strafsache gegen wegen Vergewaltigung u. a. ECLI:DE:BGH:2019:040619B2STR202.18.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbu

Bundesgerichtshof Urteil, 04. Dez. 2018 - 1 StR 255/18

bei uns veröffentlicht am 04.12.2018

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 255/18 vom 4. Dezember 2018 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen zu 1.: gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern u.a. zu 2.: gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern ECLI:DE:B

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(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält,
2.
ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet aufhält, wenn
a)
er vollziehbar ausreisepflichtig ist,
b)
ihm eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist und
c)
dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist,
3.
entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 in das Bundesgebiet einreist,
4.
einer vollziehbaren Anordnung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 oder 2 oder § 47 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 zuwiderhandelt,
5.
entgegen § 49 Abs. 2 eine Angabe nicht, nicht richtig oder nicht vollständig macht, sofern die Tat nicht in Absatz 2 Nr. 2 mit Strafe bedroht ist,
6.
entgegen § 49 Abs. 10 eine dort genannte Maßnahme nicht duldet,
6a.
entgegen § 56 wiederholt einer Meldepflicht nicht nachkommt, wiederholt gegen räumliche Beschränkungen des Aufenthalts oder sonstige Auflagen verstößt oder trotz wiederholten Hinweises auf die rechtlichen Folgen einer Weigerung der Verpflichtung zur Wohnsitznahme nicht nachkommt oder entgegen § 56 Abs. 4 bestimmte Kommunikationsmittel nutzt oder bestimmte Kontaktverbote nicht beachtet,
7.
wiederholt einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 oder Absatz 1c zuwiderhandelt oder
8.
im Bundesgebiet einer überwiegend aus Ausländern bestehenden Vereinigung oder Gruppe angehört, deren Bestehen, Zielsetzung oder Tätigkeit vor den Behörden geheim gehalten wird, um ihr Verbot abzuwenden.

(1a) Ebenso wird bestraft, wer vorsätzlich eine in § 404 Abs. 2 Nr. 4 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder in § 98 Abs. 3 Nr. 1 bezeichnete Handlung begeht, für den Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 4 Abs. 1 Satz 1 eines Aufenthaltstitels bedarf und als Aufenthaltstitel nur ein Schengen-Visum nach § 6 Abs. 1 Nummer 1 besitzt.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 11 Absatz 1 oder in Zuwiderhandlung einer vollziehbaren Anordnung nach § 11 Absatz 6 Satz 1 oder Absatz 7 Satz 1
a)
in das Bundesgebiet einreist oder
b)
sich darin aufhält,
1a.
einer vollstreckbaren gerichtlichen Anordnung nach § 56a Absatz 1 zuwiderhandelt und dadurch die kontinuierliche Feststellung seines Aufenthaltsortes durch eine in § 56a Absatz 3 genannte zuständige Stelle verhindert oder
2.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen oder das Erlöschen oder die nachträgliche Beschränkung des Aufenthaltstitels oder der Duldung abzuwenden oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und der Absätze 1a und 2 Nr. 1 Buchstabe a ist der Versuch strafbar.

(4) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 2 Nr. 2 bezieht, können eingezogen werden.

(5) Artikel 31 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bleibt unberührt.

(6) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 steht einem Handeln ohne erforderlichen Aufenthaltstitel ein Handeln auf Grund eines durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkten oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichenen Aufenthaltstitels gleich.

(7) In Fällen des Absatzes 2 Nummer 1a wird die Tat nur auf Antrag einer dort genannten zuständigen Stelle verfolgt.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einen anderen anstiftet oder ihm dazu Hilfe leistet, eine Handlung

1.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a zu begehen und
a)
dafür einen Vorteil erhält oder sich versprechen lässt oder
b)
wiederholt oder zugunsten von mehreren Ausländern handelt oder
2.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2, Abs. 1a oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b oder Nr. 2 zu begehen und dafür einen Vermögensvorteil erhält oder sich versprechen lässt.

(2) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1

1.
gewerbsmäßig handelt,
2.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, handelt,
3.
eine Schusswaffe bei sich führt, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht,
4.
eine andere Waffe bei sich führt, um diese bei der Tat zu verwenden, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht, oder
5.
den Geschleusten einer das Leben gefährdenden, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder der Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung aussetzt.
Ebenso wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 Buchstabe a zugunsten eines minderjährigen ledigen Ausländers handelt, der ohne Begleitung einer personensorgeberechtigten Person oder einer dritten Person, die die Fürsorge oder Obhut für ihn übernommen hat, in das Bundesgebiet einreist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe a, Nr. 2, Absatz 2 Satz 1 Nummer 1, 2 und 5 und Absatz 3 sind auf Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines Schengen-Staates anzuwenden, wenn

1.
sie den in § 95 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 oder Abs. 2 Nr. 1 bezeichneten Handlungen entsprechen und
2.
der Täter einen Ausländer unterstützt, der nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzt.

(5) § 74a des Strafgesetzbuchs ist anzuwenden.

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 378/11
vom
29. November 2011
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
29. November 2011 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 8. April 2011, soweit es ihn betrifft ,
a) im Schuldspruch dahin neu gefasst, dass der Angeklagte des gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern in zwölf Fällen schuldig ist,
b) aufgehoben im gesamten Strafausspruch und im Ausspruch über den Verfall von Wertersatz; die jeweiligen Feststellungen werden jedoch aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "Einschleusens von Ausländern" in zwölf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und den Verfall von Wertersatz in Höhe von 39.000 € angeordnet. Die hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Der Senat fasst den Schuldspruch neu, wie aus der Beschlussformel ersichtlich. Das gewerbsmäßige Einschleusen von Ausländern (§ 96 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG) ist ein Qualifikationstatbestand und als solcher im Schuldspruch kenntlich zu machen (BGH, Beschluss vom 6. Juli 2007 - 2 StR 207/07, Rn. 10; vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 260 Rn. 25a).
3
2. Der Strafausspruch hat insgesamt keinen Bestand.
4
a) Das Landgericht hat bei der konkreten Strafzumessung in allen Fällen die "gesamten persönlichen Verhältnisse" des Angeklagten, so seine "Lebensgeschichte , Familienverhältnisse und gesundheitlichen Beeinträchtigungen", nicht "schuldmindernd" berücksichtigt, da "insbesondere" weder eine "wirtschaftliche Notlage noch psychische Defekte" des Angeklagten "tatmitursächlich" gewesen seien. Es hat lediglich "strafmindernd" eine "erhöhte Strafvollzugsempfindlichkeit" in Rechnung gestellt. Zu seinen Lasten hat es gewertet, dass er "ein beträchtliches Gewinnstreben gezeigt" habe.
5
b) Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
6
aa) Eine an den anerkannten Strafzwecken ausgerichtete Strafzumessung ist jedenfalls bei Straftaten von einigem Gewicht ohne Würdigung der persönlichen Verhältnisse des Täters in der Regel nicht möglich. Es bedeutet daher einen Sachmangel, wenn der Tatrichter bei der Strafzumessung die persönlichen Verhältnisse des Täters außer Acht lässt (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Dezember 1990 - 3 StR 289/90, BGHR StPO § 267 Abs. 3 Satz 1 Strafzumessung 10 mwN). Sie sind unabhängig von ihren Auswirkungen auf die Tatbegehung bei der Beurteilung der Frage heranzuziehen, welche Wirkungen die Strafe voraussichtlich haben wird (vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl., § 46 Rn. 42). Entsprechend ist es rechtsfehlerhaft, wenn der Tatrichter sie mangels Mitursächlichkeit für die Tatverwirklichung bei der Strafzumessung ausklammert. Der pauschale Verweis auf eine strafmildernde Berücksichtigung einer erhöhten Strafvollzugsempfindlichkeit gleicht diesen Mangel nicht aus.
7
bb) Das Streben nach wirtschaftlichen Vorteilen gehört zur Tatbestandsverwirklichung des gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern. Die strafschärfende Verwertung dieses Umstandes verstößt daher gegen das Verbot der Doppelverwertung von Tatbestandsmerkmalen (§ 46 Abs. 3 StGB). Dass das Gewinnstreben des Angeklagten das bereits tatbestandlich erforderliche Maß deutlich überstieg, daher in besonderer Weise verwerflich war und ausnahmsweise zum Nachteil des Angeklagten gewertet werden konnte (vgl. BGH, Beschluss vom 24. September 2009 - 3 StR 294/09, NStZ-RR 2010, 24, 25 mwN), ist nicht belegt.
8
c) Der Senat vermag nicht sicher auszuschließen, dass das Landgericht ohne die rechtsfehlerhaften Erwägungen auf niedrigere Einzelstrafen und eine mildere Gesamtstrafe erkannt hätte, und hebt daher den gesamten Strafausspruch auf.
9
3. Die Anordnung des Verfalls von Wertersatz in Höhe von 39.000 € unterliegt ebenfalls der Aufhebung, da das Landgericht die Ermessensvorschrift des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB nicht erörtert hat, obwohl dazu Anlass bestanden hätte.
10
Der Angeklagte ist nach den getroffenen Feststellungen seit Ende 2006 arbeitslos und lebt von Sozialleistungen und Einkünften aus gelegentlichen Nebenbeschäftigungen. Seine zweite Ehefrau, die mit ihm und einem gemeinsamen Kind zusammenlebt, verdient 160 € monatlich. Es liegt daher nicht fern, dass der Angeklagte die für die Taten erlangten Beträge zumindest teilweise verbraucht hat. Das Landgericht hätte deshalb Veranlassung zu der Prüfung gehabt, ob der Wert des Erlangten zur Zeit der Anordnung im Vermögen des Angeklagten nicht mehr vorhanden war und sie deshalb ganz oder teilweise zu unterbleiben hatte (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Mai 2008 - 3 StR 136/08, StV 2008, 576, 577).
11
4. Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen sind von den Gesetzesverletzungen nicht betroffen und können daher bestehen bleiben. Neue Feststellungen dürfen ihnen nicht widersprechen. Becker Pfister Hubert Mayer Menges

(1) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einen anderen anstiftet oder ihm dazu Hilfe leistet, eine Handlung

1.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a zu begehen und
a)
dafür einen Vorteil erhält oder sich versprechen lässt oder
b)
wiederholt oder zugunsten von mehreren Ausländern handelt oder
2.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2, Abs. 1a oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b oder Nr. 2 zu begehen und dafür einen Vermögensvorteil erhält oder sich versprechen lässt.

(2) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1

1.
gewerbsmäßig handelt,
2.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, handelt,
3.
eine Schusswaffe bei sich führt, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht,
4.
eine andere Waffe bei sich führt, um diese bei der Tat zu verwenden, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht, oder
5.
den Geschleusten einer das Leben gefährdenden, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder der Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung aussetzt.
Ebenso wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 Buchstabe a zugunsten eines minderjährigen ledigen Ausländers handelt, der ohne Begleitung einer personensorgeberechtigten Person oder einer dritten Person, die die Fürsorge oder Obhut für ihn übernommen hat, in das Bundesgebiet einreist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe a, Nr. 2, Absatz 2 Satz 1 Nummer 1, 2 und 5 und Absatz 3 sind auf Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines Schengen-Staates anzuwenden, wenn

1.
sie den in § 95 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 oder Abs. 2 Nr. 1 bezeichneten Handlungen entsprechen und
2.
der Täter einen Ausländer unterstützt, der nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzt.

(5) § 74a des Strafgesetzbuchs ist anzuwenden.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält,
2.
ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet aufhält, wenn
a)
er vollziehbar ausreisepflichtig ist,
b)
ihm eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist und
c)
dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist,
3.
entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 in das Bundesgebiet einreist,
4.
einer vollziehbaren Anordnung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 oder 2 oder § 47 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 zuwiderhandelt,
5.
entgegen § 49 Abs. 2 eine Angabe nicht, nicht richtig oder nicht vollständig macht, sofern die Tat nicht in Absatz 2 Nr. 2 mit Strafe bedroht ist,
6.
entgegen § 49 Abs. 10 eine dort genannte Maßnahme nicht duldet,
6a.
entgegen § 56 wiederholt einer Meldepflicht nicht nachkommt, wiederholt gegen räumliche Beschränkungen des Aufenthalts oder sonstige Auflagen verstößt oder trotz wiederholten Hinweises auf die rechtlichen Folgen einer Weigerung der Verpflichtung zur Wohnsitznahme nicht nachkommt oder entgegen § 56 Abs. 4 bestimmte Kommunikationsmittel nutzt oder bestimmte Kontaktverbote nicht beachtet,
7.
wiederholt einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 oder Absatz 1c zuwiderhandelt oder
8.
im Bundesgebiet einer überwiegend aus Ausländern bestehenden Vereinigung oder Gruppe angehört, deren Bestehen, Zielsetzung oder Tätigkeit vor den Behörden geheim gehalten wird, um ihr Verbot abzuwenden.

(1a) Ebenso wird bestraft, wer vorsätzlich eine in § 404 Abs. 2 Nr. 4 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder in § 98 Abs. 3 Nr. 1 bezeichnete Handlung begeht, für den Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 4 Abs. 1 Satz 1 eines Aufenthaltstitels bedarf und als Aufenthaltstitel nur ein Schengen-Visum nach § 6 Abs. 1 Nummer 1 besitzt.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 11 Absatz 1 oder in Zuwiderhandlung einer vollziehbaren Anordnung nach § 11 Absatz 6 Satz 1 oder Absatz 7 Satz 1
a)
in das Bundesgebiet einreist oder
b)
sich darin aufhält,
1a.
einer vollstreckbaren gerichtlichen Anordnung nach § 56a Absatz 1 zuwiderhandelt und dadurch die kontinuierliche Feststellung seines Aufenthaltsortes durch eine in § 56a Absatz 3 genannte zuständige Stelle verhindert oder
2.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen oder das Erlöschen oder die nachträgliche Beschränkung des Aufenthaltstitels oder der Duldung abzuwenden oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und der Absätze 1a und 2 Nr. 1 Buchstabe a ist der Versuch strafbar.

(4) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 2 Nr. 2 bezieht, können eingezogen werden.

(5) Artikel 31 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bleibt unberührt.

(6) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 steht einem Handeln ohne erforderlichen Aufenthaltstitel ein Handeln auf Grund eines durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkten oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichenen Aufenthaltstitels gleich.

(7) In Fällen des Absatzes 2 Nummer 1a wird die Tat nur auf Antrag einer dort genannten zuständigen Stelle verfolgt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 323/16
vom
4. Mai 2017
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen schweren Raubes u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:040517U3STR323.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4. Mai 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof Gericke, Dr. Tiemann, Dr. Berg, Hoch als beisitzende Richter,
Richterin am Amtsgericht als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten A. M. ,
Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten V. M. ,
Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 16. März 2016 werden verworfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Mit der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage sind den Angeklagten Beteiligungen an drei Raubüberfällen auf Supermärkte vorgeworfen worden. Das Landgericht hat das Verfahren wegen eines - behebbaren - Verfahrenshindernisses gemäß § 260 Abs. 3 StPO eingestellt. Hiergegen wenden sich die Revisionen der Angeklagten, mit der sie ihre Freisprechung zu erreichen suchen. Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg.
2
I. 1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen reisten die gesondert Verfolgten D. und Mi. Anfang des Jahres 2004 von Litauen nach Düsseldorf. In den folgenden Wochen hielten sie sich in der Wohnung des Angeklagten A. M. auf und lernten dessen Lebensgefährtin sowie den Angeklagten V. M. kennen. In dieser Zeit verabredeten die Angeklagten mit den gesondert Verfolgten Mi. und D. , in wechselnder Beteiligung Überfälle auf verschiedene Einkaufsmärkte zu begehen. Die Tatbeute sollte jeweils unter den Beteiligten aufgeteilt werden.
3
Am 12. März 2004 fuhren die Angeklagten mit Mi. und D. ihrem zuvor gefassten Tatplan entsprechend zu einem Supermarkt in Düsseldorf. Der Angeklagte A. M. verfügte über gute Kenntnisse dieser Räumlichkeiten, die er den übrigen Beteiligten vermittelt hatte, weil sowohl er als auch seine Lebensgefährtin in der Vergangenheit dort beschäftigt gewesen waren. Zur Durchführung der geplanten Tat hatte er zwei mit Platzpatronen geladene Pistolen besorgt. Vor dem Supermarkt blieben die Angeklagten im Auto sitzen, um die Umgebung abzusichern. Währenddessen bedrohten Mi. und D. im Supermarkt mit den Pistolen zwei Angestellte, die sie mit Handschellen und Klebeband fesselten. Anschließend nahmen sie insgesamt 7.000 € aus dem in den Geschäftsräumen befindlichen Tresor. Die Geldscheine (insgesamt 6.000 €) teilten der Angeklagte A. M. sowie die gesondert Verfolgten Mi. und D. gleichmäßig untereinander auf; der Angeklagte V. M. erhielt das Münzgeld in Höhe von 1.000 € (Fall II.2 der Urteilsgründe).
4
Am 21. März 2004 fuhr der Angeklagte V. M. die übrigen drei Beteiligten zu einem weiteren Supermarkt in Düsseldorf. Dort blieb er im Fahrzeug, um die Umgebung zu beobachten, während der Angeklagte A. M. aus dem Wagen ausstieg und das Umfeld von dort im Blick behielt. Unterdessen begaben sich Mi. und D. zur Hintertüre des Supermarktes. Sie beabsichtigten, die im Supermarkt befindliche Angestellte unter einem Vorwand dazu zu bringen, die Türe zu öffnen, sie sodann mit Hilfe der bereits bei dem ersten Überfall mitgeführten Pistolen zu überwältigen und mit Kabelbindern zu fesseln. Auf ihr Klingeln meldete sich die Zeugin B. aus dem Inneren des Supermarktes. Ihre Antwort interpretierten Mi. und D. - unzutreffend - dahin, dass die Zeugin mit der Polizei drohte.
Sie brachen ihr weiteres Vorhaben deshalb ab, weil sie davon ausgingen, der Tatplan lasse sich nicht mehr umsetzen (Fall II.3 der Urteilsgründe).
5
Schließlich begaben sich der Angeklagte A. M. und die gesondert Verfolgten Mi. und D. am 5. April 2004 zu einem Drogeriemarkt in Düsseldorf. Während der Angeklagte die Umgebung absicherte, fingierten Mi. und D. im Inneren des Marktes einen Bezahlvorgang. Als die Kassiererin daraufhin die Kasse öffnete, hielt ihr Mi. eine der bereits bei den früheren Taten verwendeten Pistolen vor. D. entnahm der Kasse etwa 1.500 €. Die Beute teilten die drei Beteiligten später zu gleichen Teilen unter sich auf (Fall II.4 der Urteilsgründe).
6
2. Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Tatbeteiligung der Angeklagten aufgrund der Aussagen der gesondert Verfolgten Mi. und D. gewonnen. D. hatte gegenüber litauischen Kriminalbehörden noch im Jahr 2004 seine Beteiligung an der Tat vom 12. März 2004 eingeräumt und als Mittäter den Angeklagten A. M. und Mi. benannt. Am 31. Juli 2007 wurde er in Litauen im Beisein eines deutschen Ermittlungsbeamten erneut vernommen. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass sich auch Mi. in Litauen in Haft befand, wurde dieser bereits am Folgetag befragt und machte ebenfalls die Angeklagten belastende Angaben. Nachdem D. im März 2011 in Düsseldorf festgenommen worden war, gab er im Rahmen einer ermittlungsrichterlichen Vernehmung von Juni 2011 eine umfangreiche geständige Einlassung ab und belastete beide Angeklagten. Im Rahmen von Verteidigererklärungen erklärten sich D. und Mi. in der Hauptverhandlung des gegen sie wegen der Fälle II.2 und 4 der Urteilsgründe geführten Strafverfahrens ein weiteres Mal zu der Tatbeteiligung der Angeklagten.
7
In der verfahrensgegenständlichen Hauptverhandlung hat die Strafkammer die gesondert Verfolgten D. und Mi. nicht vernehmen können, weil beide zwischenzeitlich aus der Strafhaft entlassen worden waren und unbekannten Aufenthalts sind. Sie hat daher auf die Angaben aus den früheren Vernehmungen zurückgegriffen und diese nach ausführlicher Würdigung - insbesondere auch unter Auseinandersetzung mit den in Betracht kommenden Falschbelastungsmotiven - für glaubhaft erachtet.
8
An einer den Feststellungen entsprechenden Verurteilung hat sie sich dennoch gehindert gesehen, weil den Angeklagten bislang entgegen Art. 6 Abs. 3 Buchst. d EMRK noch keine Gelegenheit gegeben werden konnte, D. und Mi. selbst zu befragen oder befragen zu lassen. Dies sei der Justiz zuzurechnen: Die gesondert verfolgten Zeugen seien bereits im Januar 2012 verurteilt worden und hätten sich in Strafhaft befunden. Gleichwohl seien keine Maßnahmen ergriffen worden, um den Angeklagten oder ihren im Sommer 2013 beigeordneten Pflichtverteidigern die Möglichkeit zur Befragung der Zeugen zu eröffnen. Die Anklage sei sodann erst im Juni 2014 erhoben worden; der gesondert Verfolgte Mi. sei bereits am Tage des Eingangs der Anklage aus der Haft heraus abgeschoben und D. kurze Zeit später im August 2014 entlassen worden. Gewichtige außerhalb der Aussagen der beiden gesondert Verfolgten liegende Beweismittel, die die Angeklagten belasteten, gebe es nicht.
9
Wenn die Angeklagten deshalb zwar nicht auf der Grundlage der Angaben der gesondert Verfolgten Mi. und D. verurteilt werden dürften, so könne dies dennoch - wegen des ansonsten eintretenden Strafklageverbrauchs - entgegen der vom Bundesgerichtshof vertretenen sog. Beweiswürdigungslösung nicht ihren Freispruch zur Folge haben. Vielmehr bestehe nur ein (behebbares) Verfahrenshindernis in Form eines Bestrafungsverbots.
10
II. Die Revisionen bleiben ohne Erfolg.
11
1. Es ist bereits die Zulässigkeit der Rechtsmittel zweifelhaft. Hierzu gilt:
12
Ein Angeklagter ist durch die Einstellung des Verfahrens wegen eines Verfahrenshindernisses in aller Regel nicht beschwert; etwas anderes kann nur gelten, wenn er auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen freizusprechen wäre (BGH, Urteil vom 4. Mai 1970 - AnwSt (R) 6/69, BGHSt 23, 257, 259). In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist allerdings nicht abschließend geklärt, ob diese Grundsätze, die für den Fall entwickelt worden sind, dass entweder eine endgültige Einstellung oder ein Freispruch in Betracht kam, auch auf Fälle einer (vorläufigen) Verfahrenseinstellung wegen eines behebbaren Verfahrenshindernisses zu übertragen sind (so BGH, Beschluss vom 5. Juni 2007 - 5 StR 383/06, NJW 2007, 3010, 3011), oder ob eine Beschwer des Angeklagten angesichts der verminderten Rechtskraftwirkung einer Verfahrenseinstellung wegen eines behebbaren Verfahrenshindernisses in diesen Fällen bereits dann anzunehmen ist, wenn er nur behauptet, es hätte eine endgültige Entscheidung - sei es wegen eines nicht behebbaren Prozesshindernisses, sei es wegen eines vorrangigen Freispruchs - ergehen müssen (vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 StR 524/10, NJW 2011, 2310).
13
Der Senat kann die Entscheidung dieser Rechtsfrage letztlich offen lassen, weil ein Fall, in dem die Angeklagten auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen freizusprechen gewesen wären, nicht vorliegt.
14
2. Aus diesem Grund erweisen sich die Revisionen jedenfalls als unbegründet. Dazu im Einzelnen:
15
a) Das Landgericht hat seine Feststellungen zur Beteiligung der Angeklagten rechtsfehlerfrei gewonnen. Entgegen seiner Annahme war es an ihrer Verurteilung nicht dadurch gehindert, dass sie ihr Konfrontationsrecht aus Art. 6 Abs. 3 Buchst. d EMRK nicht ausüben konnten.
16
aa) Art. 6 Abs. 3 Buchst. d EMRK garantiert - als eine besondere Ausformung des Grundsatzes des fairen Verfahrens nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK - das Recht des Angeklagten, Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen. Selbst wenn der Angeklagte zu keinem Zeitpunkt die Gelegenheit zur konfrontativen Befragung des Zeugen hatte, begründet dies nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte allerdings nicht ohne weiteres einen Konventionsverstoß. Entscheidend ist vielmehr, ob das Verfahren in seiner Gesamtheit einschließlich der Art und Weise der Beweiserhebung und -würdigung fair war (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Oktober 2009 - 2 BvR 547/08, NJW 2010, 925, 926; BGH, Beschluss vom 29. November 2006 - 1 StR 493/06, BGHSt 51, 150, 154 mwN zur Rspr. des EGMR). Diese Frage beurteilt der Gerichtshof nach der sogenannten 3-Stufen-Theorie. Danach ist zunächst zu prüfen, ob ein triftiger Grund für das Nichterscheinen des Zeugen vorlag, der die Einführung seiner Aussage über ein Beweismittelsurrogat rechtfertigen konnte. In einem zweiten Schritt ist zu beurteilen, ob die Aussage die einzige oder entscheidende Grundlage für die Beweisführung darstellte. Schließlich ist in die erforderliche Gesamtbetrachtung einzustellen, ob es ausgleichende Faktoren, insbesondere strenge Verfahrensgarantien gab, die eine etwaige Erschwernis für die Verteidigung, die sich aus der Unmöglichkeit der konfrontativen Befragung ergab, ausgeglichen haben (vgl. zu alledem EGMR, Urteil vom 15. Dezember 2015 - 9154/10, EuGRZ 2016, 511, 520 ff. mwN und Einzelheiten). Die verschiedenen Stufen bauen dabei zwar nicht aufeinander auf; sie hängen aber voneinander ab und beeinflussen sich gegenseitig. Allein das Fehlen eines triftigen Grundes für das Nichterscheinen des Zeugen in der Hauptverhandlung lässt daher noch nicht auf ein unfaires Verfahren schließen. Anderseits bleiben die ausgleichenden Faktoren auch dann zu prüfen, wenn ein solcher Grund vorlag (EGMR aaO, 522). Im Einzelfall kann eine Verurteilung auch dann konventionsrechtlich unbedenklich sein, wenn das einzige oder maßgebliche Beweismittel, auf dem sie beruht, die Aussage eines Zeugen darstellt, den der Angeklagte nicht befragen oder befragen lassen konnte (EGMR aaO, 520 f.).
17
Die Auslegung der EMRK durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist bei der Anwendung des deutschen Strafprozessrechts zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 14. Oktober 2004 - 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307, 317 ff.; vom 18. Dezember 2014 - 2 BvR 209/14 u.a., NJW 2015, 1083, 1085). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bedingt dies Besonderheiten bei der Beweiswürdigung. Von maßgeblicher Bedeutung ist dabei, ob die unterbliebene Möglichkeit zur Befragung durch kompensierende Maßnahmen (zum Beispiel durch Anwesenheit des Verteidigers bei der Zeugenbefragung) ausgeglichen wurde (BGH, Beschluss vom 17. März 2010 - 2 StR 397/09, BGHSt 55, 70, 75). Ist dies nicht der Fall und die unterbliebene konfrontative Befragung des Zeugen der Justiz zurechenbar, kann eine Verurteilung auf die Angaben des Zeugen nur gestützt werden, wenn diese durch andere gewichtige Gesichtspunkte außerhalb der Aussage bestätigt werden (BGH, Beschlüsse vom 29. November 2006 - 1 StR 493/06, BGHSt 51, 150, 155 mwN; vom 17. März 2010 - 2 StR 397/09, BGHSt 55, 70, 75). In jedem Fall bedarf die Aussage eines Zeugen, den der Angeklagte nicht befragen (lassen) konnte, einer besonders sorgfältigen und kritischen Würdigung durch das Tatgericht (BGH, Beschluss vom 17. März 2010 - 2 StR 397/09, BGHSt 55, 70, 75).
18
Im Rahmen dieser Würdigung ist zu beachten, dass die Einbettung der Angaben des Zeugen in einen bestimmten Lebenssachverhalt und der Detailreichtum seiner Aussage angesichts des Fehlens eines kontradiktorischen Verhörs von beschränktem Wert sind (BGH, Urteil vom 25. Juli 2000 - 1 StR 169/00, juris Rn. 68 [insoweit nicht abgedruckt in BGHSt 46, 93]). Andererseits kommen als außerhalb der Aussage liegende Gesichtspunkte auch Angaben desselben Zeugen in Betracht, die dieser bei anderen Gelegenheiten gemacht hat und die nicht für Polizei und/oder Justiz bestimmt waren (vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 2004 - 2 StR 156/04, NJW 2005, 1132, 1133). Selbständige Beweisergebnisse sind in diesem Zusammenhang daneben die Angaben anderer Zeugen, selbst wenn diese ihrerseits nicht konfrontativ befragt werden konnten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Oktober 2009 - 2 BvR 547/08, NJW 2010, 925, 926). Denn die Angaben verschiedener Personen sind jeweils eigenständige Beweismittel, deren Beweiswert infolge der fehlenden konfrontativen Befragung eingeschränkt sein mag; vollständig aufgehoben wird er dadurch aber nicht. Vielmehr sind die Aussagen - wenn auch mit geringerem Beweiswert - neben gegebenenfalls weiteren Beweismitteln in die Beweiswürdigung des Tatgerichts einzustellen. Würde man den Umstand, dass sich die Äußerungen verschiedener Personen - auch wenn der Angeklagte sie nicht selbst befragen oder befragen lassen konnte - vollständig oder in wesentlichen Teilen decken, pauschal außer Acht lassen, würde dies der Annahme eines Verwertungsverbots nahe kommen, das indes - auch von Verfassungs wegen - gerade nicht geboten ist (vgl. BVerfG aaO). Ein solches Vorgehen könnte auch deswegen nicht überzeugen, weil sowohl die Gründe für die jeweilige Unmöglichkeit der konfrontativen Befragung als auch das Maß der Bestätigung der jeweils anderen Aussage durch andere Beweismittel erheblich variieren können.
19
bb) Gemessen an diesen Maßstäben sind die Feststellungen des Landgerichts zu den Tatbeteiligungen der Angeklagten revisionsrechtlich nicht zu beanstanden; entgegen seiner Annahme boten die Angaben der Belastungszeugen auch eine taugliche Grundlage für eine Verurteilung der Angeklagten.
20
Die Strafkammer hat die Angaben der gesondert Verfolgten D. und Mi. einer sorgfältigen und umfassenden Glaubhaftigkeitsprüfung unterzogen. In diesem Zusammenhang hat sie sich außerdem ausführlich mit allen in Betracht kommenden Motiven auseinandergesetzt, welche die Zeugen zu einer falschen Belastung der Angeklagten veranlasst haben könnten. Dass das Landgericht verkannt haben könnte, dass einzelne Glaubhaftigkeitskriterien aufgrund der fehlenden Möglichkeit einer konfrontativen Befragung (abstrakt) einen geminderten Stellenwert haben können, ist angesichts seiner ausführlichen Auseinandersetzung mit den Grundsätzen der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs zum Konfrontationsrecht und insbesondere der vom Bundesgerichtshof vertretenen Beweiswürdigungslösung auszuschließen. Soweit sich die Strafkammer angesichts des Detailreichtums der Angaben der gesondert Verfolgten, der in ihren Aussagen liegenden Selbstbelastungen, der wechselseitigen Übereinstimmungen und des Umstandes, dass beide hinsichtlich der Tatbeteiligungen zwischen den Angeklagten differenziert haben, insbesondere den Angeklagten V. M. nicht mit der Tat vom 5. April 2004 (Fall II.4 der Urteilsgründe) in Verbindung gebracht haben, von der Glaubhaftigkeit der Aussagen überzeugt hat, gibt es hiergegen aus Rechtsgründen nichts zu erinnern.
21
Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass die Beeinträchtigung der Angeklagten in ihrem Konfrontationsrecht der Justiz zuzurechnen ist. Die Gefahr, dass D. und Mi. die Bundesrepublik Deutschland nach ihrer Entlassung aus der Haft verlassen und für die Behörden in der Folge unbekannten Aufenthalts sein könnten, lag seit deren Inhaftierung nahe. Auch die Staatsanwaltschaft hatte dies angesichts ihrer mit der Einreichung der Anklageschrift verbundenen Bitte um zeitnahe Terminierung, weil die Entlassung von D. und Mi. alsbald bevorstehe, jedenfalls nachträglich erkannt. Angesichts der sich aufdrängenden Möglichkeit eines durch den Zeitablauf eintretenden "Beweismittelverlustes" begründete das Untätigbleiben der Staatsanwaltschaft in der Zeit von Januar 2012 bis zur Anklageerhebung im Juni 2014 daher die Verantwortlichkeit der Justiz für die hierdurch verursachte spätere Beschränkung der Angeklagten in ihren Verteidigungsrechten. Dies gilt umso mehr, als bereits seit August 2011 keine verfahrensfördernden Ermittlungen mehr durchgeführt worden waren.
22
Soweit bei dieser Sachlage nach der dargelegten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Verurteilung auf die Angaben eines Zeugen, den der Angeklagte nicht befragen (lassen) konnte, nur gestützt werden können soll, wenn diese durch außerhalb der Aussage liegende wichtige Gesichtspunkte bestätigt werden, kann der Senat offen lassen, ob er dem in dieser Pauschalität folgen könnte; deren bedeutsame Umstände liegen hier vor: Die - unabhängig voneinander zustande gekommenen - Angaben von D. und Mi. bestätigen sich wechselseitig, was umso mehr ins Gewicht fällt, als die erstmalige Vernehmung von Mi. in Litauen nicht im Vorfeld geplant, sondern erst spontan im Rahmen der Vernehmung von D. kurzfristig ermöglicht werden konnte. Dass beide hinsichtlich der Tat vom 12. März 2004 (Fall II.2 der Urteilsgründe) ihre Kenntnisse über die Räumlichkeiten, die Lage des Tresors und die Betriebsabläufe von dem Angeklagten A. M. erlangt hatten, wird dadurch gestützt, dass sowohl dieser als auch seine Lebensgefährtin in der Vergangenheit in dem Supermarkt beschäftigt waren. Dass diese zudem vor der Tat vom 21. März 2004 (Fall II.3 der Urteilsgründe) auch in der Supermarktfiliale auf derBo. Straße tätig war, bringt den Angeklagten A. M. mit dieser Tat ebenfalls in Verbindung. Die Angaben der gesondert Verfolgten D. und Mi. zu ihrem Aufenthalt in Düsseldorf und ihrer Nähe zu den Angeklagten werden schließlich dadurch bekräftigt, dass sie im Zuge der Ermittlungen und im zeitlichen Zusammenhang zu der Tat vom 5. April 2004 (Fall II.4 der Urteilsgründe) in der Wohnung des Angeklagten A. M. angetroffen worden waren.
23
b) Im Ergebnis gebot die Beweis- und Verfahrenslage nach alledem den Freispruch der Angeklagten nicht. Diese hätten vielmehr entsprechend der Überzeugung der Strafkammer von ihrer Tatbeteiligung verurteilt werden können. Da auch aus anderen Gründen kein unbehebbares Prozesshindernis besteht, sind die Angeklagten durch die Verfahrenseinstellung nicht benachteiligt. Angesichts der an sich gebotenen Verurteilung gilt dies auch vor dem Hintergrund, dass das Landgericht das Verfahren durch Prozessurteil nur vorläufig eingestellt hat.
24
III. Der Fall gibt Anlass zu folgenden Bemerkungen:
25
Hatte der Angeklagte keine Möglichkeit zur konfrontativen Befragung des Zeugen, bedarf es nach den dargelegten Grundsätzen der Rechtsprechung zum Konfrontationsrecht aus Art. 6 Abs. 3 Buchst. d EMRK einer besonders sorgfältigen und kritischen Beweiswürdigung durch das Gericht, wenn dieses die Verurteilung auf die genannten Angaben stützen will.
26
Nach deutschem Strafprozessrecht ist es indes stets Voraussetzung der Verurteilung, dass sich das Tatgericht aufgrund der Ergebnisse der Hauptverhandlung von der Schuld des Angeklagten überzeugt hat (§ 261 StPO). Ihm zu unterstellen, es würde die Beweisergebnisse weniger sorgfältig würdigen, wenn der Angeklagte in der Hauptverhandlung oder in deren Vorfeld die Möglichkeit zu einer Befragung des Zeugen gehabt hätte, entbehrt jeglicher Grundlage (kritisch auch Nehm in Festschrift Widmaier, 2008, S. 371, 374; Wohlers, StV 2014, 563, 565 ff.). Das Gebot der sorgfältigen und kritischen Beweiswürdigung stellt daher zunächst nur den Hinweis an das Tatgericht dar, sich der grundsätzlich bestehenden Defizite im Beweiswert derartiger Angaben bewusst zu sein. Eine Aussage über deren tatsächliche Beweiskraft im Einzelfall ist damit ebenso wenig verbunden wie die Vorgabe, die Glaubhaftigkeit einer Aussage in eine bestimmte Richtung zu beurteilen. Aus dem Gebot folgen allerdings erhöhte Anforderungen an die Abfassung der Urteilsgründe, in denen das Gericht seine Erwägungen zur Würdigung der Aussage darlegen muss (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Oktober 2009 - 2 BvR 547/08, NJW 2010, 925, 926; BGH, Urteil vom 25. Juli 2000 - 1 StR 169/00, BGHSt 46, 93, 106).
27
Soweit in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nach der sogenannten Beweiswürdigungslösung verlangt wird, dass Aussagen von Zeugen, die - der Justiz zurechenbar - vom Angeklagten nicht konfrontativ befragt werden konnten, nur dann zur Überführung des Angeklagten verwendet werden können, wenn sie durch außerhalb der Aussage liegende, gewichtige Gesichtspunkte bestätigt werden, könnte die neuere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Urteil vom 15. Dezember 2015 (9154/10, EuGRZ 2016, 511) Anlass geben, diese Grundsätze zu überdenken. Denn in dieser Rechtsprechung wird klargestellt, dass bei der Prüfung eines Konventionsverstoßes nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Buchst. d EMRK die verschiedenen Prüfungsstufen nicht aufeinander aufbauen, sondern stets eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen ist. Angesichts dessen sprechen gegen die Beweiswürdigungslösung in ihrer bisherigen Ausgestaltung mehrere Gesichtspunkte:
28
Der Beweiswert einer Aussage wird durch vielfältige Umstände beeinflusst. Dass sich der Zeuge keiner konfrontativen Befragung durch den von ihm belasteten Angeklagten stellen musste, ist nur einer von mehreren Faktoren. Detailreiche und widerspruchsfreie Bekundungen können grundsätzlich für die Glaubhaftigkeit einer Aussage sprechen; andererseits kann sich der Wert dieser Kritierien aufgrund der durch die unterbliebene Befragungsmöglichkeit reduzierten "Angriffsfläche" relativieren. Welche Folgerungen hieraus für die Beweiskraft der Aussage im Einzelfall zu ziehen sind, entzieht sich angesichts der Bandbreite von möglichem Aussageinhalt und dem Bestehen sonstiger Glaubhaftigkeitskriterien aber - unabhängig von der Frage, inwieweit die Aussage durch andere Beweisergebnisse objektiviert ist - einer pauschalen Bewertung.
29
Die nach der Beweiswürdigungslösung vorzunehmende Differenzierung danach, ob die fehlende Befragungsmöglichkeit des Zeugen durch den Angeklagten oder dessen Verteidiger der Justiz vorwerfbar ist, ist für die vom Gericht zu klärende Frage, ob die Angaben des Zeugen als zuverlässig anzusehen sind, ohne Wert. Verfahrensfairness und Beweiswert eines Beweismittels sind nicht identisch, auch wenn sie im Einzelfall von denselben tatsächlichen Umständen beeinflusst sein können. In tatsächlicher Hinsicht ist die Minderung des Beweiswerts einer Aussage allein auf den Umstand der fehlenden Befragung als solche zurückzuführen. Auch bei mangelnder Verantwortlichkeit der Justiz für die Beschränkung der Verteidigungsrechte des Angeklagten - etwa bei Tod des Belastungszeugen - hat das Tatgericht dies in seine Würdigung einzustellen. Andererseits kann es nicht überzeugen, normativ die Anforderungen an die Überzeugungsbildung des Gerichts zu erhöhen, weil den Strafverfolgungsbehörden oder dem Gericht ein Vorwurf hinsichtlich der dem Angeklagten nicht möglichen Befragung des Zeugen zu machen ist. Dies widerspricht dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 261 StPO) und lässt zudem außer Betracht, dass das Maß an Justizverantwortlichkeit unterschiedlich stark ausgeprägt sein kann.
30
Vor diesem Hintergrund könnte zu erwägen sein, das starre Postulat, wonach die Angaben durch andere gewichtige Gesichtspunkte außerhalb der Aussage bestätigt werden müssen, auch in den Fällen der von der Justiz zu verantwortenden fehlenden Konfrontationsmöglichkeit aufzugeben (relativierend bereits BGH, Beschluss vom 17. März 2010 - 2 StR 397/09, BGHSt 55, 70, 75 ["regelmäßig"]). Vielmehr sollte die - regelmäßig über Beweismittelsurrogate eingeführte - Aussage zunächst aus sich heraus zu würdigen sein, wobei die mit der unterbliebenen Konfrontationsmöglichkeit einhergehenden (abstrakten) Auswirkungen auf die Glaubhaftigkeitskriterien in den Blick zu nehmen wären. Sodann könnte anhand der allgemeinen Grundsätze zu würdigen sein, welcher Beweiswert den Angaben trotz dieser Einschränkungen zukommt. In die Würdigung sollte zudem eingestellt werden, ob und in welchem Maße die Aussage durch andere Beweismittel bestätigt wird. Seine Erwägungen sollte das Tatgericht - insoweit in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung zum Konfrontationsrecht - in den Urteilsgründen in einer für das Revisionsgericht nachprüfbaren Weise darlegen, die sich insbesondere nicht darin erschöpfen dürfte, lediglich die rechtlichen Grundsätze zu zitieren oder in pauschaler Form zu bejahen. Verbleibenden Zweifeln könnte durch die Anwendung des Zweifelssatzes Rechnung getragen werden. Für eine - wie vom Landgericht angenommene - vorläufige Verfahrenseinstellung ist hingegen kein Raum.
31
IV. Der Senat weist darauf hin, dass ungeachtet des nicht eingetretenen Strafklageverbrauchs die Angeklagten aufgrund der materiellen Rechtskraft der Verfahrenseinstellung nicht weiter verfolgt werden dürfen, solange die Umstände, die nach Auffassung des Landgerichts zur Annahme des Verfahrenshindernisses geführt haben, unverändert sind (BGH, Beschluss vom 5. Juni 2007 - 5 StR 383/06, NJW 2007, 3010, 3011 f.).
Becker Gericke Tiemann Berg Hoch

(1) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einen anderen anstiftet oder ihm dazu Hilfe leistet, eine Handlung

1.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a zu begehen und
a)
dafür einen Vorteil erhält oder sich versprechen lässt oder
b)
wiederholt oder zugunsten von mehreren Ausländern handelt oder
2.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2, Abs. 1a oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b oder Nr. 2 zu begehen und dafür einen Vermögensvorteil erhält oder sich versprechen lässt.

(2) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1

1.
gewerbsmäßig handelt,
2.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, handelt,
3.
eine Schusswaffe bei sich führt, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht,
4.
eine andere Waffe bei sich führt, um diese bei der Tat zu verwenden, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht, oder
5.
den Geschleusten einer das Leben gefährdenden, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder der Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung aussetzt.
Ebenso wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 Buchstabe a zugunsten eines minderjährigen ledigen Ausländers handelt, der ohne Begleitung einer personensorgeberechtigten Person oder einer dritten Person, die die Fürsorge oder Obhut für ihn übernommen hat, in das Bundesgebiet einreist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe a, Nr. 2, Absatz 2 Satz 1 Nummer 1, 2 und 5 und Absatz 3 sind auf Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines Schengen-Staates anzuwenden, wenn

1.
sie den in § 95 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 oder Abs. 2 Nr. 1 bezeichneten Handlungen entsprechen und
2.
der Täter einen Ausländer unterstützt, der nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzt.

(5) § 74a des Strafgesetzbuchs ist anzuwenden.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einen anderen anstiftet oder ihm dazu Hilfe leistet, eine Handlung

1.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a zu begehen und
a)
dafür einen Vorteil erhält oder sich versprechen lässt oder
b)
wiederholt oder zugunsten von mehreren Ausländern handelt oder
2.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2, Abs. 1a oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b oder Nr. 2 zu begehen und dafür einen Vermögensvorteil erhält oder sich versprechen lässt.

(2) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1

1.
gewerbsmäßig handelt,
2.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, handelt,
3.
eine Schusswaffe bei sich führt, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht,
4.
eine andere Waffe bei sich führt, um diese bei der Tat zu verwenden, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht, oder
5.
den Geschleusten einer das Leben gefährdenden, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder der Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung aussetzt.
Ebenso wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 Buchstabe a zugunsten eines minderjährigen ledigen Ausländers handelt, der ohne Begleitung einer personensorgeberechtigten Person oder einer dritten Person, die die Fürsorge oder Obhut für ihn übernommen hat, in das Bundesgebiet einreist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe a, Nr. 2, Absatz 2 Satz 1 Nummer 1, 2 und 5 und Absatz 3 sind auf Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines Schengen-Staates anzuwenden, wenn

1.
sie den in § 95 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 oder Abs. 2 Nr. 1 bezeichneten Handlungen entsprechen und
2.
der Täter einen Ausländer unterstützt, der nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzt.

(5) § 74a des Strafgesetzbuchs ist anzuwenden.

10
Umgekehrt kann auch bei einer rechtsgutsbezogenen Auslegung des Merkmals der guten Sitten, der der Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 Abs. 2 GG nicht entgegensteht (vgl. BGH, aaO, BGHSt 49, 166, 169), die Sittenwidrigkeit nicht stets ausschließlich danach beurteilt werden, ob bei jeweils isolierter Bewertung des Gefährlichkeits- und Gefährdungsgrades einzelner Körperverletzungshandlungen im Ergebnis eine konkrete Lebens- bzw. Todesgefahr eingetreten ist. Die Feststellung des Eintritts eines solchen Gefahrerfolges erlaubt zwar regelmäßig einen Rückschluss auf den Gefährlichkeitsgrad der dafür ur- sächlichen Körperverletzungshandlung, schließt aber nicht aus, eine Überschreitung der Grenze der Sittenwidrigkeit auch aus anderen, für die Bewertung der Rechtsgutsgefährlichkeit relevanten tatsächlichen Umständen der Tatbegehung abzuleiten. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die die Sittenwidrigkeit der Tat trotz Einwilligung anhand des Gefahrengrades bewertenden bisherigen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs ganz überwiegend tatsächliche Konstellationen betrafen, in denen die Körperverletzungen nicht im Rahmen von wechselseitigen Tätlichkeiten zwischen mehreren Beteiligten verübt wurden. Für die Beurteilung der mit der Tat verbundenen Gefährdung des Opfers bzw. der Opfer waren daher bislang die Auswirkungen von gruppendynamischen Prozessen, wie etwa die Unkontrollierbarkeit der Gesamtsituation aufgrund der Beeinflussung innerhalb einer Gruppe und zwischen konkurrierenden Gruppen (dazu Pichler, Beteiligung an einer Schlägerei [§ 231 StGB], 2010, S. 23-27 mwN), nicht einzubeziehen. Solche Interaktionen bedürfen aber nach dem für die Anwendung des § 228 StGB einschlägigen Maßstabs des Gefährlichkeitsgrades der Körperverletzung der Berücksichtigung. Soweit dem Urteil des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 18. September 2008 (5 StR 224/08 Rn. 24, insoweit in NStZ 2009, 401 - 403 nicht abgedruckt) zu ent- nehmen sein sollte, dass eine Körperverletzung ausnahmslos („nur“) bei- ex post - Eintritt einer konkreten Todesgefahr trotz Einwilligung des Verletzten gegen die guten Sitten verstößt (§ 228 StGB), würde der Senat dem nicht folgen. Einer Anfrage bei dem 5. Strafsenat bedarf es nicht, weil es sich dort nicht um tragende Ausführungen handelt.

(1) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einen anderen anstiftet oder ihm dazu Hilfe leistet, eine Handlung

1.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a zu begehen und
a)
dafür einen Vorteil erhält oder sich versprechen lässt oder
b)
wiederholt oder zugunsten von mehreren Ausländern handelt oder
2.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2, Abs. 1a oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b oder Nr. 2 zu begehen und dafür einen Vermögensvorteil erhält oder sich versprechen lässt.

(2) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1

1.
gewerbsmäßig handelt,
2.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, handelt,
3.
eine Schusswaffe bei sich führt, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht,
4.
eine andere Waffe bei sich führt, um diese bei der Tat zu verwenden, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht, oder
5.
den Geschleusten einer das Leben gefährdenden, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder der Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung aussetzt.
Ebenso wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 Buchstabe a zugunsten eines minderjährigen ledigen Ausländers handelt, der ohne Begleitung einer personensorgeberechtigten Person oder einer dritten Person, die die Fürsorge oder Obhut für ihn übernommen hat, in das Bundesgebiet einreist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe a, Nr. 2, Absatz 2 Satz 1 Nummer 1, 2 und 5 und Absatz 3 sind auf Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines Schengen-Staates anzuwenden, wenn

1.
sie den in § 95 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 oder Abs. 2 Nr. 1 bezeichneten Handlungen entsprechen und
2.
der Täter einen Ausländer unterstützt, der nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzt.

(5) § 74a des Strafgesetzbuchs ist anzuwenden.

7
b) Der Bestand des Schuldspruchs wird durch die rechtsfehlerhafte Bejahung einer gefährlichen Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB nicht in Frage gestellt. Der aufgezeigte Rechtsfehler betrifft nur den Schuldumfang und damit den Strafausspruch (vgl. BGH, Urteil vom 5. Mai 1999 – 2 StR 58/99; KK-StPO/Kuckein, 6. Aufl., § 353 Rn. 13 m.w.N.). Zwischen den Feststellungen zu der den Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung tragenden gemeinschaftlichen Begehungsweise nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB und den Feststellungen zu einer möglichen das Leben gefährdenden Behandlung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB besteht auch kein innerer Zusammenhang, der eine nochmalige tatrichterliche Entscheidung über den Schuldspruch erforderlich machen würde. Beide Fragen betreffen voneinander abgrenzbare Ausschnitte des Gesamtgeschehens und können daher getrennt beantwortet werden (vgl. BGH, Urteil vom 22. August 1995 – 1 StR 393/95, BGHSt 41, 222, 223 f.; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 353 Rn. 7).

(1) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einen anderen anstiftet oder ihm dazu Hilfe leistet, eine Handlung

1.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a zu begehen und
a)
dafür einen Vorteil erhält oder sich versprechen lässt oder
b)
wiederholt oder zugunsten von mehreren Ausländern handelt oder
2.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2, Abs. 1a oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b oder Nr. 2 zu begehen und dafür einen Vermögensvorteil erhält oder sich versprechen lässt.

(2) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1

1.
gewerbsmäßig handelt,
2.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, handelt,
3.
eine Schusswaffe bei sich führt, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht,
4.
eine andere Waffe bei sich führt, um diese bei der Tat zu verwenden, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht, oder
5.
den Geschleusten einer das Leben gefährdenden, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder der Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung aussetzt.
Ebenso wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 Buchstabe a zugunsten eines minderjährigen ledigen Ausländers handelt, der ohne Begleitung einer personensorgeberechtigten Person oder einer dritten Person, die die Fürsorge oder Obhut für ihn übernommen hat, in das Bundesgebiet einreist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe a, Nr. 2, Absatz 2 Satz 1 Nummer 1, 2 und 5 und Absatz 3 sind auf Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines Schengen-Staates anzuwenden, wenn

1.
sie den in § 95 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 oder Abs. 2 Nr. 1 bezeichneten Handlungen entsprechen und
2.
der Täter einen Ausländer unterstützt, der nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzt.

(5) § 74a des Strafgesetzbuchs ist anzuwenden.

Als Anstifter wird gleich einem Täter bestraft, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat.

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

(1) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einen anderen anstiftet oder ihm dazu Hilfe leistet, eine Handlung

1.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a zu begehen und
a)
dafür einen Vorteil erhält oder sich versprechen lässt oder
b)
wiederholt oder zugunsten von mehreren Ausländern handelt oder
2.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2, Abs. 1a oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b oder Nr. 2 zu begehen und dafür einen Vermögensvorteil erhält oder sich versprechen lässt.

(2) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1

1.
gewerbsmäßig handelt,
2.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, handelt,
3.
eine Schusswaffe bei sich führt, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht,
4.
eine andere Waffe bei sich führt, um diese bei der Tat zu verwenden, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht, oder
5.
den Geschleusten einer das Leben gefährdenden, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder der Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung aussetzt.
Ebenso wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 Buchstabe a zugunsten eines minderjährigen ledigen Ausländers handelt, der ohne Begleitung einer personensorgeberechtigten Person oder einer dritten Person, die die Fürsorge oder Obhut für ihn übernommen hat, in das Bundesgebiet einreist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe a, Nr. 2, Absatz 2 Satz 1 Nummer 1, 2 und 5 und Absatz 3 sind auf Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines Schengen-Staates anzuwenden, wenn

1.
sie den in § 95 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 oder Abs. 2 Nr. 1 bezeichneten Handlungen entsprechen und
2.
der Täter einen Ausländer unterstützt, der nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzt.

(5) § 74a des Strafgesetzbuchs ist anzuwenden.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält,
2.
ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet aufhält, wenn
a)
er vollziehbar ausreisepflichtig ist,
b)
ihm eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist und
c)
dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist,
3.
entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 in das Bundesgebiet einreist,
4.
einer vollziehbaren Anordnung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 oder 2 oder § 47 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 zuwiderhandelt,
5.
entgegen § 49 Abs. 2 eine Angabe nicht, nicht richtig oder nicht vollständig macht, sofern die Tat nicht in Absatz 2 Nr. 2 mit Strafe bedroht ist,
6.
entgegen § 49 Abs. 10 eine dort genannte Maßnahme nicht duldet,
6a.
entgegen § 56 wiederholt einer Meldepflicht nicht nachkommt, wiederholt gegen räumliche Beschränkungen des Aufenthalts oder sonstige Auflagen verstößt oder trotz wiederholten Hinweises auf die rechtlichen Folgen einer Weigerung der Verpflichtung zur Wohnsitznahme nicht nachkommt oder entgegen § 56 Abs. 4 bestimmte Kommunikationsmittel nutzt oder bestimmte Kontaktverbote nicht beachtet,
7.
wiederholt einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 oder Absatz 1c zuwiderhandelt oder
8.
im Bundesgebiet einer überwiegend aus Ausländern bestehenden Vereinigung oder Gruppe angehört, deren Bestehen, Zielsetzung oder Tätigkeit vor den Behörden geheim gehalten wird, um ihr Verbot abzuwenden.

(1a) Ebenso wird bestraft, wer vorsätzlich eine in § 404 Abs. 2 Nr. 4 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder in § 98 Abs. 3 Nr. 1 bezeichnete Handlung begeht, für den Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 4 Abs. 1 Satz 1 eines Aufenthaltstitels bedarf und als Aufenthaltstitel nur ein Schengen-Visum nach § 6 Abs. 1 Nummer 1 besitzt.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 11 Absatz 1 oder in Zuwiderhandlung einer vollziehbaren Anordnung nach § 11 Absatz 6 Satz 1 oder Absatz 7 Satz 1
a)
in das Bundesgebiet einreist oder
b)
sich darin aufhält,
1a.
einer vollstreckbaren gerichtlichen Anordnung nach § 56a Absatz 1 zuwiderhandelt und dadurch die kontinuierliche Feststellung seines Aufenthaltsortes durch eine in § 56a Absatz 3 genannte zuständige Stelle verhindert oder
2.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen oder das Erlöschen oder die nachträgliche Beschränkung des Aufenthaltstitels oder der Duldung abzuwenden oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und der Absätze 1a und 2 Nr. 1 Buchstabe a ist der Versuch strafbar.

(4) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 2 Nr. 2 bezieht, können eingezogen werden.

(5) Artikel 31 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bleibt unberührt.

(6) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 steht einem Handeln ohne erforderlichen Aufenthaltstitel ein Handeln auf Grund eines durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkten oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichenen Aufenthaltstitels gleich.

(7) In Fällen des Absatzes 2 Nummer 1a wird die Tat nur auf Antrag einer dort genannten zuständigen Stelle verfolgt.

(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht.

(2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

(1) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einen anderen anstiftet oder ihm dazu Hilfe leistet, eine Handlung

1.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a zu begehen und
a)
dafür einen Vorteil erhält oder sich versprechen lässt oder
b)
wiederholt oder zugunsten von mehreren Ausländern handelt oder
2.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2, Abs. 1a oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b oder Nr. 2 zu begehen und dafür einen Vermögensvorteil erhält oder sich versprechen lässt.

(2) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1

1.
gewerbsmäßig handelt,
2.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, handelt,
3.
eine Schusswaffe bei sich führt, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht,
4.
eine andere Waffe bei sich führt, um diese bei der Tat zu verwenden, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht, oder
5.
den Geschleusten einer das Leben gefährdenden, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder der Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung aussetzt.
Ebenso wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 Buchstabe a zugunsten eines minderjährigen ledigen Ausländers handelt, der ohne Begleitung einer personensorgeberechtigten Person oder einer dritten Person, die die Fürsorge oder Obhut für ihn übernommen hat, in das Bundesgebiet einreist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe a, Nr. 2, Absatz 2 Satz 1 Nummer 1, 2 und 5 und Absatz 3 sind auf Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines Schengen-Staates anzuwenden, wenn

1.
sie den in § 95 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 oder Abs. 2 Nr. 1 bezeichneten Handlungen entsprechen und
2.
der Täter einen Ausländer unterstützt, der nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzt.

(5) § 74a des Strafgesetzbuchs ist anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 144/12
vom
6. Juni 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Einschleusens von Ausländern u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 6. Juni 2012 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten I. M. wird das Urteil des Landgerichts Detmold vom 12. Dezember 2011, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben
a) im Fall 14 der Urteilsgründe mit Ausnahme der Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten I. M. wegen Einschleusens von Ausländern in drei Fällen sowie Hehlerei zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Sein Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verurteilung wegen Hehlerei gemäß § 259 Abs. 1 StGB (Fall 14 der Urteilsgründe) wird von den Feststellungen nicht getragen.
3
a) Danach kaufte der Angeklagte I. M. von dem italienischen Staatsangehörigen A. S. für 3.000 Euro dessen Pkw Mercedes Diesel 200 S an, den S. erst im Februar 2008 für 37.500 Euro erworben hatte. Nach der Übergabe des Pkws in Dortmund am 3. März 2011 veräußerte der Angeklagte das Fahrzeug mit „beträchtlichem Gewinn“. Wie zuvor besprochen, sollte S. den bei der A. gegen Diebstahl versicherten Pkw als gestohlen melden und sich die Versicherungssumme auszahlen lassen. Am 10. Mai 2011 zeigte S. bei der Polizei in P. /Italien bewusst wahrheitswidrig einen Diebstahl seines Fahrzeugs an.
4
b) § 259 Abs. 1 StGB setzt eine Vortat voraus, die zu einer rechtswidrigen Besitzlage an der als Hehlereigegenstand in Betracht kommenden Sache geführt hat. Ein Versicherungsnehmer, der eine ihm gehörende versicherte Sache verkauft, um anschließend einen Versicherungsbetrug zu begehen, schafft keine rechtswidrige Besitzlage, weil er trotz seiner kriminellen Absichten auch weiterhin als Berechtigter verfügt. Der in dem Verkauf liegende Versicherungsmissbrauch gemäß § 265 Abs. 1 StGB (Überlassen) ist daher keine taugliche Vortat für eine Hehlerei an der versicherten Sache (BGH, Beschluss vom 17. November 2011 – 3 StR 203/11, Rn. 8; Beschluss vom 22. Februar 2005 – 4 StR 453/04, NStZ 2005, 447, 448; Beschluss vom 23. Juli 2008 – 5 StR 295/08; Stree/Hecker in Schönke/Schröder, 28. Aufl., § 259 Rn. 9).
5
c) Eine Berichtigung des Schuldspruchs kommt nicht in Betracht, weil das Landgericht keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob S. an die Versicherung herangetreten und ob es ihm dabei gelungen ist, eine Auszahlung der Versicherungssumme zu erwirken (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Juli 2008 – 5 StR 295/08). Derartige Feststellungen sind aber erforderlich, um zu ent- scheiden, ob sich der Angeklagte wegen Beihilfe zum Betrug (§ 263 Abs. 1, § 27 StGB), Beihilfe zum versuchten Betrug (§ 263 Abs. 2, §§ 22, 27 StGB) oder Versicherungsmissbrauch in der Alternative des Beiseiteschaffens der versicherten Sache (§ 265 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht hat. Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Die rechtsfehlerfrei getroffenen und lediglich zu ergänzenden Feststellungen zum äußeren Sachverhalt können bestehen bleiben.
6
2. Die Aufhebung der Verurteilung wegen Hehlerei zieht die Aufhebung der festgesetzten Gesamtstrafe nach sich.
Mutzbauer Roggenbuck Franke
Schmitt Quentin
9
Zwar wird derjenige, der fremdnützig (Erschleichen eines Aufenthaltstitels „für einen anderen“) Falschangaben macht, wegen dieser Tat grundsätzlich nicht auch der Beihilfe zur Straftat eines anderen nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG 1990) schuldig zu sprechen sein (vgl. Mosbacher aaO). Indessen sieht der Gesetzgeber den Kern des Schleusungsunrechts in entgeltlichen oder wiederholten Beihilfe- und Anstiftungshandlungen. Er hat deswegen in § 96 Abs. 1 AufenthG (§ 92a Abs. 1 AuslG 1990) in selbständigen Tatbeständen die Beteiligung zur Täterschaft erhoben (vgl. BGH, Urteile vom 25. März 1999 – 1 StR 344/98, NStZ 1999, 409; vom 11. Juli 2003 – 2 StR 31/03, NStZ 2004, 45). Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut kommt es dabei darauf an, ob der Täter des § 96 Abs. 1 AufenthG (§ 92a Abs. 1 AuslG 1990) durch seinen Beitrag (gegebenenfalls auch) zu den dort in Bezug genommenen Straftaten Hilfe geleistet oder zu ihnen angestiftet hat. Das hat die Angeklagte in Bezug auf § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG 1990) getan, indem sie den Erklärungen der im aufenthaltsrechtlichen Verfahren aufgetretenen Scheinehepartner zum Bestand der ehelichen Lebensgemeinschaft durch Bestätigung deren persönlicher Anwesenheit und damit verbundene Vorspiegelung selbst vorgenommener amtlicher Prüfung höheres Gewicht verliehen hat. Entsprechendes gilt für die anderen Verlautbarungen. Demgegenüber kann im Hinblick auf die Verselbständigung der Schleusungstatbestände nicht ausschlaggebend sein, ob der Betroffene, wenn er nur nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG 1990) verurteilt würde, als Teilnehmer oder (auch) als Täter zu bestrafen wäre (vgl. auch BGH, Beschluss vom 23. Februar 2005 – 1 StR 501/04). Dass der Gesetzgeber solche „doppelge- sichtigen“ Handlungen durch eine enge Anknüpfung an die Entscheidung für oder gegen eine Täterschaft hinsichtlich des isoliert betrachteten § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG 1990) aus den Schleusungsdelikten ausgrenzen wollte, liegt gänzlich fern. Eine Interpretation in diesem Sinn wäre geeignet, nicht auflösbare Wertungswidersprüche hervorzurufen (insoweit auch OLG Karlsruhe, aaO; Mosbacher, aaO, Rn. 262 sowie § 96 Rn. 2).

(1) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einen anderen anstiftet oder ihm dazu Hilfe leistet, eine Handlung

1.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a zu begehen und
a)
dafür einen Vorteil erhält oder sich versprechen lässt oder
b)
wiederholt oder zugunsten von mehreren Ausländern handelt oder
2.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2, Abs. 1a oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b oder Nr. 2 zu begehen und dafür einen Vermögensvorteil erhält oder sich versprechen lässt.

(2) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1

1.
gewerbsmäßig handelt,
2.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, handelt,
3.
eine Schusswaffe bei sich führt, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht,
4.
eine andere Waffe bei sich führt, um diese bei der Tat zu verwenden, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht, oder
5.
den Geschleusten einer das Leben gefährdenden, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder der Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung aussetzt.
Ebenso wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 Buchstabe a zugunsten eines minderjährigen ledigen Ausländers handelt, der ohne Begleitung einer personensorgeberechtigten Person oder einer dritten Person, die die Fürsorge oder Obhut für ihn übernommen hat, in das Bundesgebiet einreist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe a, Nr. 2, Absatz 2 Satz 1 Nummer 1, 2 und 5 und Absatz 3 sind auf Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines Schengen-Staates anzuwenden, wenn

1.
sie den in § 95 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 oder Abs. 2 Nr. 1 bezeichneten Handlungen entsprechen und
2.
der Täter einen Ausländer unterstützt, der nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzt.

(5) § 74a des Strafgesetzbuchs ist anzuwenden.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
Die sogenannte Rückführungsrichtlinie steht der Strafbarkeit
des „Schleusers“ nach § 96 AufenthG nicht entgegen.
BGH, Urteil vom 8. März 2017 – 5 StR 333/16
LG Hamburg –
ECLI:DE:BGH:2017:080317U5STR333.16.0
IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 5 StR 333/16
vom 8. März 2017 in der Strafsache gegen

1.



2.



3.



wegen des Verdachts des Einschleusens von Ausländern u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:080317U5STR333.16.0
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 8. März 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Dr. Mutzbauer, Richter Prof. Dr. Sander, Richter Prof. Dr. König, Richter Dr. Berger, Richter Prof. Dr. Mosbacher als beisitzende Richter,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt V. als Verteidiger der Angeklagten R. ,
Rechtsanwältin H. als Verteidigerin des Angeklagten B. ,
Rechtsanwältin Vo. als Verteidigerin der Angeklagten Ri. ,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 27. April 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

- Von Rechts wegen -

Gründe:


Das Landgericht hat die Angeklagten aus rechtlichen Gründen vom Vor1 wurf des gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern (§ 96 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1, § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG) freigesprochen. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihren auf Sachbeanstandungen gestützten Revisionen. Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Rechtsmittel haben Erfolg.

I.


1. Den Angeklagten wird vorgeworfen, in der Zeit vom 22. Mai 2013 bis
2
zum 13. Juni 2014 in insgesamt 14 Fällen den Tatbestand des (gewerbsmäßig begangenen) Einschleusens von Ausländern verwirklicht zu haben. Sie sollen in Venezuela dortige Staatsangehörige für die Ausübung der Prostitution in Deutschland angeworben haben. Die Angeworbenen, die über gültige Pässe verfügt hätten, seien nach Angabe eines touristischen Reisezwecks visumsfrei eingereist und hier unter Beteiligung der Angeklagten der Prostitution nachgegangen. Sie hätten sich jeweils nicht länger als drei Monate im Gebiet der Schengen-Staaten aufgehalten. Die Angeklagten R. und Ri. hätten dabei die Anwerbungen durchgeführt und den Prostituierten in Deutschland gegen Bezahlung Wohnungen bzw. ein Lokal zur Prostitutionsausübung zur Verfügung gestellt. Der Angeklagte B. habe ihnen Freier vermittelt und Prostitutionserlöse eingefordert sowie vereinnahmt. Er habe zudem in einem Fall – wie auch mehrfach die Angeklagte R. – bei der Einreise geholfen.
2. Das Landgericht hat den Sachverhalt im Wesentlichen so festgestellt,
3
wie er in der Anklageschrift geschildert ist. Danach war den AngeklagtenR. und Ri. insbesondere bewusst, dass die Angeworbenen mit dem Ziel der Aufnahme der Prostitution visumsfrei als Touristen eingereist wa- ren und „nicht über einen Aufenthaltstitel oder eine Arbeitserlaubnis“ verfügten. Eine diesbezügliche Kenntnis des Angeklagten B. hat das Landgericht nicht ausdrücklich festgestellt.
3. Das Landgericht hat den Straftatbestand des § 96 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2
4
Nr. 1 AufenthG aus rechtlichen Gründen nicht als erfüllt angesehen. Einer Strafbarkeit der Angeklagten stehe entgegen, dass das Verhalten der eingereisten Venezolaner bei europarechtskonformer Auslegung unter Berücksichtigung der sogenannten Rückführungsrichtlinie (Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger, ABl. L 348 vom 24. Dezember 2008, S. 98) nicht strafbar sei. Es fehle damit an der für die Strafbarkeit der Angeklagten vorausgesetzten „akzessorischen Haupttat“.

II.


Die Revisionen der Staatsanwaltschaft haben Erfolg. Die Freisprüche
5
halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
1. Die Annahme des Landgerichts, das Verhalten der Angeklagten erfülle
6
nicht den Tatbestand des § 96 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG, weil es an einer für die Strafbarkeit erforderlichen „Haupttat“ fehle, begegnet durchgreifenden Bedenken.

a) Durch § 96 Abs. 1 AufenthG werden nach allgemeinen Regeln strafba7 re Teilnahmehandlungen an den dort in Bezug genommenen (Haupt-)Taten bei Erfüllung der weiteren Voraussetzungen als selbständige täterschaftlich begangene Taten unter Strafe gestellt. Trotz dieser Verselbständigung gelten für die Tathandlungen des § 96 Abs. 1 AufenthG die allgemeinen Regeln der Teilnahme einschließlich des Grundsatzes der limitierten Akzessorietät; die Strafbarkeit nach dieser Vorschrift setzt daher lediglich eine vorsätzliche und rechtswidrige, nicht notwendig jedoch auch mit Strafe zu ahndende Haupttat des Geschleusten voraus (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. Juli 2015 – 2 StR 389/13, NJW 2016, 419, 420; vom 13. Januar 2015 – 4 StR 378/14, NStZ 2015, 399, 400 f.; MüKo-StGB/Gericke, 2. Aufl., § 96 AufenthG Rn. 2 f.; Mosbacher in Ignor/Mosbacher, Hdb. ArbeitsstrafR, 3. Aufl., § 4 Rn. 243, 272; NK-AuslR/Fahlbusch, 2. Aufl., § 96 AufenthG Rn. 11 ff.).

b) Die festgestellten Haupttaten entsprechen diesen Anforderungen.
8
9
Denn mit Aufnahme der Erwerbstätigkeit entfiel für die zuvor visumsfrei als vorgebliche Touristen eingereisten, ersichtlich auch insofern vorsätzlich handelnden Venezolaner als „Positivstaater“ die Befreiung vom Erfordernis ei- nes Aufenthaltstitels (§ 17 Abs. 1 AufenthV i.V.m. Art. 1 Abs. 2 und Art. 4 Abs. 3 i.V.m. Anhang II der EG-VisaVO vom 15. März 2001, ABl. L 81 vom 21. März 2001, S. 1). Damit waren sie ab diesem Zeitpunkt vollziehbar ausreisepflichtig (§ 50 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Variante 1 AufenthG; vgl. BGH, Beschluss vom 25. September 2012 – 4 StR 142/12, NStZ 2013, 481; MüKo-StGB/Gericke, aaO, § 95 AufenthG Rn. 36 ff.; Mosbacher, aaO, § 4 Rn. 191). Dieser Pflicht kamen sie nicht nach. Vielmehr hielten sie sich weiterhin – nunmehr unerlaubt – in Deutschland auf und gingen der Prostitution nach.

c) Entgegen der Ansicht des Landgerichts scheitert eine Verurteilung der
10
Angeklagten nicht an einer etwaigen, sich aus dem Vorrang des Rückführungsverfahrens ergebenden Straflosigkeit der „Haupttäter“.
aa) In Rechtsprechung und Literatur wird allerdings unter Verweis auf
11
Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH [Große Kammer], EuGRZ 2011, 687; EuGH [1. Kammer], InfAuslR 2011, 320 Rn. 53 ff.) die Auffassung vertreten, dass der in der Rückführungsrichtlinie normierte absolute Vorrang des Rückführungsverfahrens eine Bestrafung illegal aufhältiger Personen nach § 95 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG ausschließe, wenn ein behördliches Rückführungsverfahren noch nicht endgültig beendet sei und sich der Ausreisepflichtige diesem Verfahren nicht entzogen habe (vgl. HansOLG Hamburg, OLGSt AufenthG § 95 Nr. 5; KG, NStZ-RR 2012, 347; MüKo-StGB/Gericke, aaO, § 95 AufenthG Rn. 29 f.; BeckOK-AuslR/Hohoff, 12. Ed., § 95 AufenthG Rn. 27; noch weitergehend Hörich/Bergmann NJW 2012, 3339).
12
bb) Der Senat kann dahingestellt lassen, ob dieser Rechtsansicht uneingeschränkt zu folgen ist. Denn auch auf ihrer Grundlage sind die in § 96 AufenthG bezeichneten „Schleusungstatbestände“ hier vollständig verwirklicht.
(1) Hinsichtlich der Fälle 1 und 2 ist der Freispruch der Angeklagten be13 reits deswegen rechtsfehlerhaft, weil die Ausreisepflichtigen inzwischen freiwillig ausgereist sind. Nach vollzogener Ausreise kann aber kein Vorrang des Rückführungsverfahrens (mehr) gegeben sein.
(2) Die Annahme des Landgerichts, der Vorrang des Rückführungsver14 fahrens schließe in allen abgeurteilten Fällen die Tatbestandsmäßigkeit oder die Rechtswidrigkeit der „Haupttaten“ aus und führe damit zur Straflosigkeit (auch) der Angeklagten, trifft nicht zu.
(a) Die Rückführungsrichtlinie will ein harmonisiertes und effizientes Ver15 fahren zur Rückführung sich illegal in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union aufhaltender „Drittstaatsangehöriger“ gewährleisten und eine mögliche Beeinträchtigung ihrer praktischen Wirksamkeit ausschließen; eine Strafhaft wegen unerlaubten Aufenthalts ist dabei nach Meinung des EuGH grundsätzlich geeignet, das Rückkehrverfahren scheitern zu lassen bzw. zu verzögern (vgl. zuletzt EuGH [Große Kammer], InfAuslR 2016, 269 Rn. 63 mwN). Dementsprechend soll eine Freiheitsstrafe nicht allein deshalb verhängt werden, weil sich ein „Drittstaatsangehöriger“ illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhält, nachdem ihm eine Anordnung zum Verlassen des Staatsgebiets bekannt gegeben worden und die darin gesetzte Frist abgelaufen ist (vgl. EuGH [1. Kammer], InfAuslR 2011, 320 Rn. 58).
16
(b) Die Rückführungsrichtlinie und das auf ihrer Grundlage durchgeführte Rückführungsverfahren machen indes das mit einem unerlaubten Aufenthalt verbundene Unrecht nicht ungeschehen. Den zuständigen Behörden wird lediglich ein Verfahren vorgegeben, um den unerlaubten Aufenthalt bei Vorliegen der dort geregelten Maßgaben schnellstmöglich zu beenden. Davon ausgehend spricht nichts dafür, dass es unionsrechtlich geboten sein könnte, Fallkonstellationen wie die gegenständlichen als nach nationalem Strafrecht nicht tatbestandsmäßig oder nicht rechtswidrig anzusehen. Hinzu kommt, dass sich die Rechtsprechung des EuGH ausdrücklich nur gegen die Verhängung bzw. den Vollzug von Freiheitsstrafe wendet, der die Gefahr der Beeinträchtigung des Rückführungsverfahrens innewohnt (vgl. auch MüKo-StGB/Gericke, aaO, § 95 AufenthG Rn. 30 mwN), nicht dagegen aber gegen die Durchführung des Strafverfahrens als solchem. Auch daraus wird ersichtlich, dass durch die vom EuGH angestellten Erwägungen, die sich auf einer praktischen Ebene bewegen , nicht schon die Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit des illegalen Aufenthalts in Frage gestellt werden.
Darüber hinaus stehen Rückführungsrichtlinie und -verfahren in keinerlei
17
Zusammenhang mit dem Unrecht des „Schleusers“ oder sonstigen Hintermanns des unerlaubten Aufenthalts. Schon nach ihrem eindeutigen Wortlaut findet die Rückführungsrichtlinie lediglich Anwendung auf illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhältige Drittstaatsangehörige, nicht auf deren Schleuser (Art. 2 Abs. 1 Richtlinie 2008/115/EG). Es besteht insoweit sogar die in mehreren europarechtlichen Instrumenten verankerte gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung, Anstiftung und Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt wirksam zu sanktionieren (Art. 1 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 1 Buchst. a des Rahmenbeschlusses 2002/946/JI; Art. 1 Abs. 1 und Art. 3 der Richtlinie 2002/90, ABl. L 328 vom 5. Dezember 2002, S. 1, 17; hierzu EuGH, NJW 2012, 1641, 1642 Rn. 43 ff. nach Vor- abentscheidungsersuchen in BGH, Beschlüsse vom 10. Januar 2012 – 5 StR 351/11, NJW 2012, 1669, 1670 f. Rn. 17; vom 8. Februar 2012 – 5 StR 567/11,BGHR AEUV Art. 267 Abs. 4 Inhaftierung 1). Sie könnte nicht erfüllt werden, wenn die hier betroffenen „Schleusungstatbestände“ aufgrund des Fehlens einer rechtswidrigen Haupttat in einem beträchtlichen Umfang leerlaufen würden (vgl. EuGH aaO; BGH, Beschluss vom 10. Januar 2012 – 5 StR 351/11, aaO).
Danach kann aus dem Vorrang des Rückführungsverfahrens – ungeach18 tet der exakten rechtlichen Konstruktion – allenfalls die persönliche Straflosigkeit der illegal Aufhältigen bzw. ein diesbezügliches (partielles) Bestrafungsverbot hergeleitet werden (vgl. zur Einordnung als persönlicher Strafaufhebungsgrund : MüKo-StGB/Gericke, aaO, § 95 AufenthG Rn. 30 aE; BeckOKAuslR /Hohoff, aaO, § 95 AufenthG Rn. 27 aE). Da hiervon weder die Tatbestands - noch die Rechtswidrigkeitsebene tangiert ist, verbleibt es nach den Grundsätzen der limitierten Akzessorietät bei der Strafbarkeit des „Schleusers“ (zu Art. 31 Genfer Flüchtlingskonvention BGH, Urteil vom 25. März 1999 – 1 StR 344/98, NStZ 1999, 409; Beschluss vom 12. September 2002 – 4 StR 163/02, NJW 2002, 3642, 3643; MüKo-StGB/Gericke, aaO, § 96 AufenthG Rn. 3; Mosbacher, aaO, § 4 Rn. 243). Anders als das Landgericht meint, bedarf es im Zuge der vorgenommenen richtlinienkonformen Auslegung insoweit keiner ausdrücklichen gesetzlichen Regelung.
2. Das angefochtene Urteil führt hinsichtlich des Angeklagten B.
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beweiswürdigend aus, es sei nicht festzustellen gewesen, ob dieser Angeklagte dem Angeworbenen L. R. für die Einreise 1.000 € als „Vorzeigegeld“ zur Verfügung gestellt habe (UA S. 25 f.). Der Senat geht nicht davon aus, dass hiermit den Freispruch zusätzlich tragend ein vorsätzliches Handeln des Ange- klagten insgesamt in Frage gestellt werden sollte (vgl. zur „Motivation“ des Angeworbenen durch den Angeklagten UA S. 23 und zur Vereinnahmung des Prostitutionserlöses im Fall 10 UA S. 10, 12).
3. Der Senat hebt das Urteil mit den an sich rechtsfehlerfrei getroffenen
20
Feststellungen auf, weil die freigesprochenen Angeklagten keine Möglichkeit hatten, die Feststellungen mit einer Revision anzugreifen. Eines vorherigen Vorabentscheidungsverfahrens beim Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 AEUV bedarf es nicht, denn die Rechtsfrage ist eindeutig und zweifelsfrei zu beantworten („acte claire“, vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 27. Juni 2016 – 1 StR 19/16 mwN).
4. Angesichts dessen kommt es nicht mehr darauf an, ob der Freispruch
21
der Angeklagten trotz der Beschränkung gemäß § 154a StPO schon deshalb keinen Bestand haben kann, weil das Landgericht, das vor einer solchen Entscheidung zur Wiedereinbeziehung ausgeschiedener Straftatbestände verpflichtet gewesen wäre, das festgestellte Geschehen nicht in Bezug auf Verstöße gegen Straf- und Bußgeldvorschriften geprüft hat, die eine illegale Beschäftigung und Beauftragung von Ausländern oder die Teilnahme an deren illegaler Erwerbstätigkeit sanktionieren (vgl. § 404 Abs. 2 Nr. 3 SGB III, §§ 10 ff. SchwarzArbG, § 98 Abs. 2a, Abs. 3 Nr. 1 AufenthG, hierzu insgesamt Mosbacher , aaO, § 4 Rn. 1 ff.).
Mutzbauer Sander König
Berger Mosbacher

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR378/14
vom
13. Januar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Einschleusens von Ausländern u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
, zu Nr. 1. a) auf dessen Antrag, zu Nr. 1. b) mit dessen Zustimmung
, und des Beschwerdeführers am 13. Januar 2015 gemäß § 154 Abs. 2,
154a Abs. 2, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 11. März 2014 wird
a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall II. 4. der Urteilsgründe verurteilt worden ist; insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten;
b) im Fall II. 3. der Urteilsgründe der Vorwurf des versuchten Einschleusens von Ausländern von der Verfolgung ausgenommen;
c) das vorgenannte Urteil aa) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern in Tateinheit mit gewerbsmäßigem Verschaffen von falschen aufenthaltsrechtlichen Papieren , des versuchten gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern in Tateinheit mit gewerbsmäßigem Verschaffen von falschen aufenthaltsrechtlichen Papieren und des gewerbsmäßigen Verschaffens von falschen aufenthaltsrechtlichen Papieren schuldig ist; bb) mit den zugehörigen Feststellungen hinsichtlich der Einzelstrafen für die Taten II. 1. und 3. der Urteilsgründe , im Gesamtstrafenausspruch und im Ausspruch über die Einziehung aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Verschaffens von falschen amtlichen Ausweisen in drei Fällen jeweils in Tateinheit mit Einschleusen von Ausländern, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, und wegen versuchten Verschaffens von falschen amtlichen Ausweisen in Tateinheit mit versuchtem Einschleusen von Ausländern zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zwei Monaten verurteilt und drei näher bezeichnete Mobiltelefone eingezogen. Hiergegen richtet sich die auf eine Verfahrensbeanstandung und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt nach einer Verfolgungsbeschränkung in einem der abgeurteilten Fälle und einer Teileinstellung des Verfahrens zur Änderung des Schuldspruchs und zu der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilaufhebung des Rechtsfolgenausspruchs; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Nach den Feststellungen kam es im Laufe des Jahres 2012 zu Kontakten des Angeklagten mit indischen Staatsangehörigen, deren eigener Aufenthaltsstatus oder der von Verwandten oder Freunden in Deutschland bzw. der Europäischen Union nicht gesichert war. Für diese Personen beschaffte der Angeklagte gefälschte Aufenthaltskarten und Meldebescheinigungen aus Spanien, um mit deren Hilfe entweder eine Einreise nach Deutschland bzw. in einen anderen Schengen-Staat oder die Legalisierung eines bereits tatsächlich bestehenden Aufenthalts zu ermöglichen. Darüber hinaus organisierte der Angeklagte zusätzlich die Vermittlung von weiblichen Staatsangehörigen der Bundesrepublik Deutschland oder anderer europäischer Staaten, die sich gegen Entgelt für die Schließung von Scheinehen vorwiegend in Dänemark zur Verfügung stellen sollten. Zur Durchführung eines entsprechenden Auftrags nahm der Angeklagte zunächst Verbindung zu dem indischen Staatsangehörigen G. S. auf, der in Spanien sein Ansprechpartner für gefälschte Aufenthaltspapiere war und auf Bestellung falsche Aufenthaltskarten und Meldebescheinigungen besorgen konnte. Für seine Tätigkeit verlangte der Angeklagte in der Regel mindestens 1.000 €, wobei er 500 € pro Fall an G. S. weiterleitete. Die Tätigkeit des Angeklagten umfasste die Weiterleitung aller für die Fälschung erforderlichen Daten und Unterlagen an G. S. , der die Fälschung der Aufenthaltskarten nicht selbst vornahm, sondern seinerseits in Auftrag gab, die Kontrolle auf Übereinstimmung der Daten sowie die Rückleitung der falschen Papiere an seine Kunden bzw. deren Weiterleitung an die Heiratsagentur , wobei er auch die Terminsvereinbarungen koordinierte. Der Angeklagte erschloss sich durch die Schleusungshandlungen Vermögensvorteile von einiger Dauer und einigem Umfang zur Aufbesserung seiner finanziellen Situation.
3
Soweit nach der Teileinstellung des Verfahrens noch von Belang, kam es im Einzelnen zu folgenden Taten:
4
Im November 2012 nahm der indische Staatsangehörige V. S. alias M. , der sich als Asylbewerber in der Bundesrepublik Deutschland aufhielt , telefonisch Kontakt zum Angeklagten auf, um Maßnahmen gegen eine befürchtete Abschiebung in sein Heimatland zu treffen. M. hatte vor, mit einer deutschen Staatsangehörigen aus seinem Umfeld eine Scheinehe einzugehen , wusste jedoch nicht, wie er das umsetzen konnte. Zu diesem Zweck bestellte der Angeklagte für M. mit den Daten eines von diesem in Portugal bei der dortigen Botschaft erlangten echten Reisepasses eine falsche spanische Aufenthaltskarte sowie eine falsche spanische Meldebestätigung und organisierte auf der Basis dieser Identitätspapiere über eine Heiratsagentur einen Hochzeitstermin in Dänemark. Die gefälschte spanische Aufenthaltskarte wurde nach Deutschland übersandt. Zu der für den 13. Dezember 2012 angemeldeten Eheschließung in Dänemark kam es kurzfristig nicht, weil die für die Eheschließung vorgesehene Frau aus ungeklärten Umständen nicht zur Verfügung stand. Für seine Tätigkeit sollte der Angeklagte insgesamt 3.500 € erhalten, worauf M. einen Teilbetrag in unbekannter Höhe leistete (Fall II. 1. der Urteilsgründe

).


5
Nachdem die gefälschte spanische Aufenthaltskarte und der Reisepass des M. im Rahmen polizeilicher Ermittlungen in anderer Sache sichergestellt worden waren, besorgte sich M. einen neuen, auf falsche Personalien lautenden indischen Reisepass, um einen weiteren Versuch zu unternehmen, in Dänemark zu heiraten. Erneut bat er den Angeklagten darum, für ihn tätig zu werden. Der Angeklagte bestellte daraufhin bei G. S. in Spanien eine neue, auf die Daten des Ersatzpapiers lautende total gefälschte spanische Auf- enthaltserlaubnis und bemühte sich vergeblich darum, in kurzer Zeit eine andere Frau für eine Scheinehe mit M. zu finden. Dieser war zwischenzeitlich in seinem Umfeld fündig geworden und hatte eine Frau als Ehekandidatin gewinnen können. Nachdem es dem ursprünglich beauftragten Eheinstitut nicht gelungen war, mit den vom Angeklagten per E-Mail übersandten Unterlagen einen Termin bei einem Standesamt zu erhalten, machte die vorgesehene Ehepartnerin eine andere Heiratsagentur ausfindig. Der Angeklagte übernahm daraufhin wie bisher die weitere Organisation und Abstimmung zur Vorbereitung der Eheschließung. Am 19. Februar 2013 reiste M. zur Eheschließung nach Dänemark , wo er im Standesamt festgenommen und anschließend nach Indien abgeschoben wurde. Auch in diesem Fall hatte M. Geldzahlungen in unbekannter Höhe an den Angeklagten erbracht (Fall II. 2. der Urteilsgründe).
6
Um den 7. Februar 2013 traf der Angeklagte mit einer Person zusammen , die sich ihm namentlich vorstellte und einem angeblich in Italien lebenden Cousin den Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland ermöglichen wollte. In Wahrheit handelte es sich bei dieser Person um eine Vertrauensperson der Bundespolizei, die zum Schein auf das Angebot des Angeklagten eingegangen war, eine total gefälschte spanische Aufenthaltskarte zu besorgen. Der Angeklagte gab Anweisungen für die Errichtung eines E-Mail-Postfachs mit Passwort und erhielt hierüber die erforderlichen Informationen über den angeblichen Cousin, insbesondere Personendaten, Lichtbilder und Unterschrift, die er an G. S. in Spanien übermittelte. Hierfür erhielt der Angeklagte bei einem weiteren Treffen vereinbarungsgemäß als Anzahlung einen Betrag von 1.000 €, von dem er 500 € an G. S. weiterleitete. Am 25. Februar 2013 schickte der Angeklagte eine Abbildung der Aufenthaltskarte zur Kontrolle der Daten an die Vertrauensperson. Nachdem die Richtigkeit der Daten bestätigt worden war, veranlasste der Angeklagte die Fertigstellung der Karte, die am 28. März 2013 von Spanien aus direkt an die dem Angeklagten von der Vertrauensperson genannte Adresse in Stuttgart geschickt wurde (Fall II. 3. der Urteilsgründe

).


7
Ohne nähere Ausführungen zur rechtlichen Subsumtion geht die Strafkammer davon aus, dass sich der Angeklagte – jeweils in Tateinheit mit Verschaffen von falschen amtlichen Ausweisen gemäß § 276 Abs. 1 und 2 StGB – in den Fällen II. 1. und 2. der Urteilsgründe des vollendeten und im Fall II. 3. der Urteilsgründe des versuchten Einschleusens von Ausländern nach § 96 Abs. 1 und 2 AufenthG i.V.m. „§ 95 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2, Abs. 1a oder Abs. 2 Nr. 1b oder Nr. 2 AufenthG“ strafbar gemacht hat.

II.


8
1. Die Schuldsprüche wegen (gewerbsmäßigen) Einschleusens von Ausländern gemäß § 96 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 AufenthG in Tateinheit mit (gewerbsmäßigem ) Verschaffen von falschen amtlichen Ausweisen nach § 276 Abs. 1 und 2 StGB in den Fällen II. 1. und 2. der Urteilsgründe halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Die Urteilsausführungen ergeben indes, dass sich der Angeklagte im Fall II. 2. der Urteilsgründe des vollendeten und im Fall II. 1. der Urteilsgründe des versuchten gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern gemäß § 96 Abs. 4 AufenthG i.V.m. § 96 Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 2 Nr. 1 AufenthG jeweils in Tateinheit mit gewerbsmäßigem Verschaffen von falschen aufenthaltsrechtlichen Papieren nach § 276 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 276a StGB strafbar gemacht hat.
9
a) Durch die Strafvorschrift des § 96 Abs. 1 AufenthG werden sonst nach den allgemeinen Regeln (§§ 26, 27 StGB) strafbare Teilnahmehandlungen an den in § 96 Abs. 1 AufenthG in Bezug genommenen Taten nach § 95 AufenthG zu selbständigen, in Täterschaft (§ 25 StGB) begangenen Straftaten heraufgestuft , wenn der Teilnehmer zugleich eines der in § 96 Abs. 1 AufenthG geregelten Schleusermerkmale erfüllt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. Juni 2012 – 4 StR 144/12, NStZ 2013, 483; vom 30. Mai 2013 – 5 StR 130/13, BGHSt 58, 262, 265 f.; Urteil vom 11. Juli 2003 – 2 StR 31/03, NStZ 2004, 45; vgl. Gericke in MüKoStGB, 2. Aufl., § 96 AufenthG Rn. 2). Trotz dieser tatbestandlichen Verselbständigung zur Täterschaft gelten für die Tathandlungen des § 96 Abs. 1 AufenthG die allgemeinen Regeln der Teilnahme einschließlich des Grundsatzes der limitierten Akzessorietät (vgl. Gericke aaO, Rn. 3; Senge in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze [Stand: Juli 2014], § 96 AufenthG Rn. 3). Die Strafbarkeit wegen vollendeten Einschleusens von Ausländern setzt daher das Vorliegen einer vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat des Geschleusten voraus.
10
Fehlt es an einer in § 96 Abs. 1 AufenthG genannten Bezugstat oder wird diese nur versucht, kommt für den mit Schleusermerkmalen handelnden Teilnehmer eine Strafbarkeit wegen versuchten Einschleusens von Ausländern nach § 96 Abs. 3 AufenthG in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Juni 2012 – 4 StR 144/12 aaO; Urteil vom 25. März 1999 – 1 StR 344/98, NStZ 1999, 409). Für die durch § 96 Abs. 3 AufenthG strafrechtlich erfasste versuchte Teilnahme gelten die allgemeinen zur Versuchsstrafbarkeit entwickelten Grundsätze. Sowohl für die Anforderungen, die an den Tatvorsatz des Täters zu stellen sind, als auch für die Prüfung des unmittelbaren Ansetzens kann ergänzend die Rechtsprechung zur versuchten Anstiftung nach § 30 Abs. 1 StGB herangezogen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Juni 2012 – 4 StR 144/12 aaO; Urteil vom 23. März 1999 – 1 StR 344/99 aaO). Der Versuch des Einschleusens von Ausländern in der Tatbestandsalternative des Hilfeleistens erfordert danach in subjektiver Hinsicht, dass der Vorsatz des Schleusers auf die Förderung einer in ihren wesentlichen Merkmalen oder Grundzügen konkretisierten Bezugstat im Sinne des § 96 Abs. 1 AufenthG gerichtet ist (vgl. BGH, Urteile vom 29. Oktober 1997 – 2 StR 239/97, NStZ 1998, 347, 348; vom 21. April 1986 – 2 StR 661/85, BGHSt 34, 63, 66; vgl. Schünemann in LK-StPO, 12. Aufl., § 30 Rn. 24 ff.). Die objektiven Voraussetzungen des Versuchs sind erfüllt, wenn der Täter eine Handlung vornimmt, mit der er nach seiner Vorstellung von der Tat unmittelbar zur Förderung der präsumtiven Bezugstat ansetzt. Maßgebend ist, wie weit sich der Täter bereits dem von ihm anvisierten Unterstützungserfolg angenähert und durch sein Handeln eine Gefahr für das betroffene Rechtsgut begründet hat (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Juni 2012 – 4 StR 144/12 aaO).
11
b) Den im angefochtenen Urteil zu den Fällen II. 1. und 2. der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen lassen sich vom Angeklagten geförderte Bezugstaten im Sinne des § 96 Abs. 1 AufenthG nicht entnehmen. Da der indische Staatsangehörige V. S. alias M. zum Zeitpunkt der Unterstützungshandlungen des Angeklagten bereits in das Bundesgebiet eingereist war und sich als Asylbewerber aufgrund der aus § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG resultierenden gesetzlichen Aufenthaltsgestattung für die Dauer des Asylverfahrens (zu den Erlöschensgründen vgl. § 67 Abs. 1 AsylVfG) erlaubt in der Bundesrepublik Deutschland aufhielt, scheidet eine unerlaubte Einreise nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG oder ein unerlaubter Aufenthalt gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AufenthG als Bezugstaten aus. Ein späteres möglicherweise ins Auge gefasstes Erschleichen eines Aufenthaltstitels gemäß § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG durch unrichtige Angaben gegenüber der Ausländerbehörde über das Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft sollte durch die Eheschließung in Dänemark erst vorbereitet werden. Feststellungen zu diesbezüglichen Vorstellungen des Angeklagten enthält das Urteil nicht.
12
c) Die Urteilsfeststellungen ergeben indes, dass der Angeklagte – jeweils unter Verwirklichung des Schleusermerkmals des § 96 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG sowie gewerbsmäßig handelnd – im Fall II. 2. der Urteilsgründe bei einer Zuwiderhandlung gegen die Rechtsvorschriften über die Einreise nach Dänemark Hilfe geleistet und im Fall II. 1. der Urteilsgründe dies versucht hat (vollendetes und versuchtes gewerbsmäßiges Einschleusen von Ausländern gemäß § 96 Abs. 4 AufenthG i.V.m. § 96 Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 2 Nr. 1 AufenthG).
13
Indem der Angeklagte die Beschaffung der für die Einreise nach Dänemark und die dortige Eheschließung erforderlichen gefälschten spanischen Aufenthaltserlaubnis aus Spanien übernahm und die Eheschließung in Dänemark organisatorisch vorbereitete, leistete er im Fall II. 2. der Urteilsgründe einen die Einreise des V. S. alias M. nach Dänemark am 19. Februar 2013 objektiv fördernden Beitrag. Die Einreise erfolgte unter Zuwiderhandlung gegen die Rechtsvorschriften Dänemarks über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern. Hierfür reicht aus, dass die Einreise nach Maßgabe der dänischen Rechtsordnung unerlaubt war (vgl. BGH, Beschluss vom 8. November 2000 – 1 StR 447/00, NStZ 2001, 157, 158; Mosbacher in GK-AufenthG [Stand: Juli 2008], § 96 AufenthG Rn. 52 f.; enger Gericke aaO, § 96 AufenthG Rn. 41 unter Verweis auf BGH, Beschluss vom 5. September 2001 – 3 StR 174/01, NStZ 2002, 33). Dies war hier der Fall, da dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe noch hinreichend zu entnehmen ist, dass V. S. alias M. , der als Negativstaatler der Visumspflicht nach Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates vom 15. März 2001 (EG-VisaVO) unterlag, ein für die Einreise nach Dänemark erforderliches Visum nicht besaß.
14
Im Fall II. 1. der Urteilsgründe war der Vorsatz des Angeklagten darauf gerichtet, V. S. alias M. bei der Eheschließung in Dänemark und der dafür erforderlichen Einreise nach Dänemark zu unterstützen. Da der Angeklagte mit seiner Mitwirkung bei der Beschaffung der gefälschten spanischen Aufenthaltskarte und der Organisation des Hochzeitstermins in Dänemark wesentliche Teile seiner Unterstützungshandlungen erbracht hat, liegt auch das unmittelbare Ansetzen zur Hilfeleistung vor.
15
d) Tateinheitlich zu den Verstößen gegen das Aufenthaltsgesetz hat sich der Angeklagte in den Fällen II. 1. und 2. der Urteilsgründe durch das mittäterschaftlich mit seinem Hintermann in Spanien bewirkte Einführen der falschen Aufenthaltspapiere ins Inland jeweils des gewerbsmäßigen Verschaffens von falschen aufenthaltsrechtlichen Papieren nach §§ 276a, 276 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StGB strafbar gemacht. Durch die Vorschrift des § 276a StGB, die den Anwendungsbereich des § 276 StGB u.a. auf aufenthaltsrechtliche Papiere erstreckt , werden auch ausländische aufenthaltsrechtliche Papiere von Schengen -Staaten erfasst, die aufgrund der im Schengen-Raum geltenden Rechtsregeln (vgl. etwa Art. 21 SDÜ, Art. 5 Abs. 1b Schengener Grenzkodex) im Inland unmittelbare aufenthaltsrechtliche Bedeutung besitzen (vgl. Gesetzentwurf zum Verbrechensbekämpfungsgesetz, BT-Drucks. 12/6853, S. 30; Heger in Lackner/ Kühl, StGB, 28. Aufl., § 276a Rn. 1). Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist zu entnehmen, dass auch die gefälschte Aufenthaltserlaubnis im Fall II. 2. der Urteilsgründe vor der Fahrt des V. S. alias M. nach Dänemark ins Inland gelangte.
16
e) Der Senat ändert die Schuldsprüche in den Fällen II. 1. und 2. der Urteilsgründe entsprechend. § 265 StPO steht nicht entgegen, da sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
17
2. Im Fall II. 3. der Urteilsgründe nimmt der Senat mit Zustimmung des Generalbundesanwalts den Vorwurf des Einschleusens von Ausländern gemäß § 154a Abs. 2 StPO von der Verfolgung aus, weil die bisherigen Feststellungen einen auf die Förderung einer hinreichend konkretisierten Haupttat im Sinne des § 96 Abs. 1 AufenthG gerichteten Tatvorsatz des Angeklagten nicht belegen. Die Verfolgungsbeschränkung führt zur Änderung des Schuldspruchs, wobei der Angeklagte sich auch in diesem Fall des gewerbsmäßigen Verschaffens von falschen aufenthaltsrechtlichen Papieren strafbar gemacht hat. § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen.
18
3. Soweit der Angeklagte im Fall II. 4. der Urteilsgründe verurteilt worden ist, stellt der Senat das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts nach § 154 Abs. 1 StPO aus verfahrensökonomischen Gründen ein.
19
4. Die Schuldspruchänderungen in den Fällen II. 1. und 3. der Urteilsgründe führen zu der Aufhebung der zugehörigen Einzelstrafen. Demgegenüber kann die Einzelstrafe von zwei Jahren im Fall II. 2. der Urteilsgründe mit Blick auf die identische Strafandrohung und die durch die Schuldspruchänderung nicht berührten Strafzumessungserwägungen des Landgerichts bestehen bleiben. Die Aufhebung der Einzelstrafaussprüche in den Fällen II. 1. und 3. der Urteilsgründe und der Wegfall der Einzelstrafe infolge der Teileinstellung des Verfahrens haben die Aufhebung der Gesamtstrafe zur Folge. Die Einziehungsentscheidung kann ebenfalls nicht bestehen bleiben, weil nach den Urteilsausführungen nicht auszuschließen ist, dass eingezogene Mobiltelefone allein bei der nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellten Tat II. 4. der Urteilsgründe gebraucht wurden.
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin

(1) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einen anderen anstiftet oder ihm dazu Hilfe leistet, eine Handlung

1.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a zu begehen und
a)
dafür einen Vorteil erhält oder sich versprechen lässt oder
b)
wiederholt oder zugunsten von mehreren Ausländern handelt oder
2.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2, Abs. 1a oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b oder Nr. 2 zu begehen und dafür einen Vermögensvorteil erhält oder sich versprechen lässt.

(2) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1

1.
gewerbsmäßig handelt,
2.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, handelt,
3.
eine Schusswaffe bei sich führt, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht,
4.
eine andere Waffe bei sich führt, um diese bei der Tat zu verwenden, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht, oder
5.
den Geschleusten einer das Leben gefährdenden, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder der Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung aussetzt.
Ebenso wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 Buchstabe a zugunsten eines minderjährigen ledigen Ausländers handelt, der ohne Begleitung einer personensorgeberechtigten Person oder einer dritten Person, die die Fürsorge oder Obhut für ihn übernommen hat, in das Bundesgebiet einreist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe a, Nr. 2, Absatz 2 Satz 1 Nummer 1, 2 und 5 und Absatz 3 sind auf Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines Schengen-Staates anzuwenden, wenn

1.
sie den in § 95 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 oder Abs. 2 Nr. 1 bezeichneten Handlungen entsprechen und
2.
der Täter einen Ausländer unterstützt, der nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzt.

(5) § 74a des Strafgesetzbuchs ist anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 469/04
vom
13. Januar 2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen schweren Raubes mit Todesfolge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 13. Januar
2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Athing,
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten Sch. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten W. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten B. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 19. Dezember 2003 in den Strafaussprüchen mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die weiter gehenden Revisionen der Angeklagten und die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das vorbezeichnete Urteil werden verworfen.
3. Die Staatskasse trägt die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und die hierdurch den Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel der Angeklagten, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten Sch. des schweren Raubes mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie des Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen für schuldig befunden und ihn zu einer Jugendstrafe von neun Jahren verurteilt. Den Angeklagten W. hat es wegen schweren Raubes mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung eines Urteils des Amtsgerichts Naumburg vom 27. Februar 2003 zu einer Einheitsjugendstrafe von acht Jahren sechs Monaten und den Angeklagten B. wegen schweren Raubes mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie weiter wegen Unterschlagung unter Einbeziehung eines Urteils des Amtsgerichts Naumburg vom 27. Februar 2003 zu einer Einheitsjugendstrafe von acht Jahren neun Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen , mit denen sie die Verletzung sachlichen Rechts, die Angeklagten Sch. undB. auch die Verletzung formellen Rechts rügen. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer zu Ungunsten der drei Angeklagten eingelegten, auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision, daß das Landgericht die Angeklagten im Fall II. 3 der Urteilsgründe nicht wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts verurteilt hat. Die Rechtsmittel der Angeklagten haben zu den Strafaussprüchen Erfolg; dagegen erweisen sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft insgesamt als unbegründet.

I.


Das Landgericht hat festgestellt:
Die Angeklagten gehörten zu einer Clique von Jugendlichen aus vorwiegend sozial schwierigen Verhältnissen in Naumburg, die sich gemeinsam mit Alkohol und Haschisch ihre Langeweile vertrieben. Das spätere Tatopfer, Andreas Oe., wohnte mit dem Angeklagten B. im selben Haus. Oe. war homosexuell veranlagt und geistig behindert. B. erzählte in der Clique, zu der gelegentlich auch die wesentlich älteren Brüder Be. stießen, Oe. suche sexuelle Kontakte zu Jugendlichen und bezahle dafür. Dies ließ unter den Angeklagten und weiteren Mitgliedern der Clique den Entschluß reifen, die Neigung des Oe. auszunutzen, um ihn bei einer solchen Gelegenheit zu überfallen und zu berauben.
Mit diesem Entschluß suchten die Angeklagten am Abend des 20. März 2003 Oe. auf, der jedoch nur die Angeklagten W. und Sch. in seine Wohnung ließ. Dort täuschteSch. dem Oe. vor, dieser dürfe ihn gegen Bezahlung oral befriedigen. Als sich Oe. darauf vor Sch. hinkniete, trat ihm der Angeklagte W. absprachegemäß mit dem beschuhten Fuß mit voller Wucht ins Gesicht, wodurch Oe. zu Boden ging. Beide Angeklagte traten nunmehr gemeinsam auf Oe. ein, der schließlich hilflos mit starkem Nasenbluten liegen blieb, nachdem ihm bereits durch den ersten Tritt zwei Schneidezähne herausgebrochen waren. Die AngeklagtenSch. und W. zogen ihm sodann die Geldbörse mit 14,50 Euro aus der Hosentasche und verließen fluchtartig die Wohnung (Fall II. 1 der Urteilsgründe).
Am späten Nachmittag des folgenden Tages (21. März 2003) trafen sich die Angeklagten Sch. und B. wiederum mit ihrer Clique. Sie berichteten von dem Geschehen des Vortages. Auch wurde darüber gesprochen, Oe. mißbrauche auch Kinder und müsse deshalb "bestraft" werden; zudem sei bei ihm "etwas zu holen" und er könne leicht ausgeraubt werden. Sch. und B. sowie die Brüder Be. und zwei weitere aus der Clique begaben sich daraufhin zur Wohnung des Oe. und verschafften sich gewaltsam Zutritt. Nachdem zunächst Silko Be. auf Oe. eingeschlagen und ihn ins Schlafzimmer gedrängt hatte, schlugen und traten dort beide Brüder Be. weiter auf den Geschädigten ein. "Auch die Angeklagten Sch. und B. schlugen und traten zu, wer genau welchen Tritt und Schlag ausführte, ließ sich nicht mehr mit Sicherheit feststellen". Während Oe. von den Be. -Brüdern im Schlafzimmer noch weiter "traktiert" wurde, durchsuchten die Angeklagten Sch. und B. sowie die übrigen anwesenden Mitglieder der Clique die Wohnung nach mitnehmenswerten Gegenständen. Sch. nahm die Geldbörse des Geschädigten mit ca. 6 Euro und auch die Wohnungsschlüssel an sich, während sie im übrigen noch Lautsprecherboxen, eine Videocassette und 10 bis 15 Flaschen Bier mitnahmen und damit die Wohnung verließen (Fall II. 2 der Urteilsgründe).
Anschließend kam die Gruppe an ihrem üblichen Treffpunkt zusammen, wo auch der AngeklagteW. hinzustieß. Dort entschlossen sie sich, den Geschädigten erneut aufzusuchen, da dieser "noch nicht genug geschlagen worden" sei und sich in seiner Wohnung noch weiteres Bier und andere mitnehmenswerte Gegenstände befänden. Die drei Angeklagten sowie die beiden Brüder Be. begaben sich daraufhin erneut zu der Wohnung des Oe. Die Be. -Brüder hatten sich jeder einen sog. Bikerhandschuh angezogen, deren Handrücken und Innenflächen mit Plastikteilen verstärkt waren, "um wirkungs-
voller auf Andreas Oe. einschlagen zu können". Die Angeklagten und die Be. -Brüder gelangten mit Hilfe des von dem Angeklagten Sch. zuvor entwendeten Schlüssels in die Wohnung. Sie fanden Oe. mit völlig verschwollenem Gesicht, blutverschmiert und hilflos im Schlafzimmer liegend vor. Er konnte sich nicht mehr wehren. Die Brüder Be. schlossen die Tür zum Schlafzimmer und begannen sofort, erneut auf ihn einzuschlagen und einzutreten. „Derweil" durchsuchten die Angeklagten die Wohnung nach weiteren mitnehmenswerten Gegenständen. Ob sie auch dieses Mal selbst auf Oe. "einwirkten", ließ sich nicht feststellen. Jedenfalls nahmen sie die Stereoanlage des Geschädigten und weitere Bierflaschen mit und verließen die Wohnung, nachdem "alle noch einmal einen Blick auf den zu der Zeit bäuchlings vor seinem Bett liegenden und sich nicht mehr rührenden, offensichtlich schwer verletzten Herrn Oe. geworfen hatten. Sie ließen ihn liegen, obwohl ihnen bewußt war, daß er aufgrund seiner schweren Verletzungen sterben könnte". Oe. erlitt massive Frakturen und weitere Verletzungen im Kopf- und Gesichtsbereich. Insbesondere eine Halsmarkzerrung mit Zerreißung des Bandapparates zwischen Wirbelsäule und Schädel führte "kurz danach" zum Tod des Geschädigten. Ob Oe. schon verstarb, als die Angeklagten noch in der Wohnung waren oder kurz nach ihrem Verlassen der Wohnung, konnte nicht geklärt werden. Jedenfalls hätte er nach Beibringung der Halsmarkzerrung nicht mehr gerettet werden können (Fall II. 3 der Urteilsgründe).
Die anschließende Nacht verbrachten die Angeklagten in der Wohnung eines der beiden Brüder Be. . Sie unterhielten sich darüber, daß Oe. "wohl nicht überleben werde". Auch am nächsten Morgen wurde wieder darüber geredet , daß Oe. "bestimmt tot" sei. Der Angeklagte B. und ein weiteres Mitglied der Clique suchten nunmehr erneut die Wohnung des Oe. auf. Dort fan-
den sie ihn tot auf dem Boden liegend vor. Sie durchsuchten die Wohnung wiederum , nahmen den Fernseher und ein Videogerät des Oe. mit und begaben sich zurück in die Wohnung des Be. (Fall II. 4 der Urteilsgründe).
Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat die Jugendkammer im Fall II. 1 die Angeklagten Sch. und W. sowie im Fall II. 2 die Angeklagten Sch. und B. jeweils des gemeinschaftlich begangenen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§§ 249 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4 StGB), im Fall II. 3 alle drei Angeklagten des gemeinschaftlich begangenen schweren Raubes mit Todesfolge (§ 251 i.V.m. § 250 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a) und b) StGB) in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4 StGB) und im Fall II. 4 den Angeklagten B. der Unterschlagung (§ 246 Abs. 1 StGB) für schuldig befunden.

II.


Revisionen der Angeklagten
A. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen der Angeklagten hat zu den Schuldsprüchen keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.
1. Die Angeklagten Sch. und B. dringen mit den von ihnen erhobenen Verfahrensrügen zum Schuldspruch nicht durch.

a) Sowohl der Angeklagte Sch. als auch der Angeklagte B. beanstanden , ihren in der Hauptverhandlung anwesenden Müttern als ihren ge-
setzlichen Vertreterinnen sei entgegen § 67 Abs. 1 JGG i.V.m. § 258 Abs. 2 Halbsatz 2 StPO das letzte Wort nicht erteilt worden. Es kann dahinstehen, ob die von dem Angeklagten B. erhobene Rüge schon deshalb unzulässig ist (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil dieser Beschwerdeführer verschweigt, daß die Beweisaufnahme jeweils in Anwesenheit seiner Mutter nicht nur am letzten Hauptverhandlungstag, dem 19. Dezember 2003, sondern bereits zuvor zunächst am 4. Dezember und sodann ein weiteres Mal am 15. Dezember 2003 geschlossen worden war und jeweils Schlußanträge gestellt worden waren. Jedenfalls könnte diese von den beiden Beschwerdeführern erhobene Rüge nur zur – schon aus sachlichrechtlichen Gründen gebotenen (s.u. II. B) – Aufhebung der sie betreffenden Strafaussprüche führen, weil die Schuldsprüche auf ihm nicht beruhen können. Die Angeklagten haben sich in der Hauptverhandlung nicht zur Sache eingelassen; ihre Mütter waren bei dem Tatgeschehen nicht anwesend; deshalb ist auszuschließen, daß sie bei Erteilung des letzten Wortes Ausführungen hätten machen können, die Einfluß auf die Schuldsprüche hätten haben können (vgl. BGHR JGG § 67 Erziehungsberechtigter 3 m.w.N.).

b) Die von dem Angeklagten Sch. erhobene Rüge, das Landgericht habe eine Wahrunterstellung nicht eingehalten, ist jedenfalls unbegründet. Das Urteil setzt sich mit der unter Beweis gestellten Behauptung, der Arzt Dr. T. habe am 21. März 2003 am Körper und im Gesicht des Geschädigten, der sich bei ihm für eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgestellt habe, aus einem Meter Entfernung keinerlei Verletzungen am Körper oder im Gesicht, insbesondere auch keine Zahnlücken erkannt, nicht in Widerspruch.

c) Die weitere, ebenfalls allein von dem Angeklagten Sch. erhobene Rüge, das Landgericht habe entgegen dem von der Verteidigung in der Hauptverhandlung erklärten Widerspruch die Zeugin S. , vernehmende Richterin im Ermittlungsverfahren, über die Vernehmung des Angeklagten bei seiner Verhaftung vernommen und ihre Aussage verwertet, obwohl weder die Mutter des Angeklagten als Erziehungsberechtigte noch der bereits bestellte Verteidiger bei der Vernehmung anwesend und sie auch von dem Termin nicht unterrichtet worden seien, ist nicht zulässig ausgeführt (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Insoweit hätte es der vollständigen Mitteilung des bei der richterlichen Vernehmung dem Angeklagten vorgelesenen und von ihm bestätigten Protokolls seiner polizeilichen Vernehmung vom 24. März 2003 bedurft (vgl. Kuckein in KK 5. Aufl. § 344 Rdn. 39). Daran fehlt es. Der Senat kann deshalb dahingestellt sein lassen, ob diese Rüge auch in der Sache deshalb keinen Erfolg haben könnte, weil nicht bewiesen ist, daß die Mutter des Angeklagten und der von der Ermittlungsrichterin vor Beginn der Vernehmung bestellte Verteidiger von dem Vernehmungstermin nicht unterrichtet waren. Daß sie bei der Vernehmung nicht anwesend waren, begründet für sich keinen Verfahrensverstoß. Im übrigen erscheint zweifelhaft, ob § 168 c Abs. 5 Satz 1 StPO unter den hier gegebenen Umständen eine Pflicht für die Ermittlungsrichterin begründete, den Verteidiger vor Eintritt in die Vernehmung zu benachrichtigen. Der Wortlaut der Vorschrift („vorher“) und ihr Sinn und Zweck legen nahe, daß die Benachrichtigungspflicht nur in der Zukunft liegende Termine erfaßt. Daran fehlt es jedoch, wenn – wie hier – die Vorführung bereits stattfindet und erst während dieses Termins durch die Bestellung des Verteidigers dessen Berechtigung zur Teilnahme begründet wird. Ob Grundsätze des fairen Verfahrens in einem solchen Fall es gebieten, mit der förmlichen Vernehmung innezuhalten, bis der Verteidiger Gelegenheit hatte zu erscheinen, ist eine Frage des Einzelfalls, die hier
nicht zu entscheiden ist, weil der Beschwerdeführer hierauf seine Rüge nicht gestützt hat.

d) Soweit der Angeklagte Sch. schließlich rügt, die Jugendkammer habe eine Vielzahl von Zeugen vernommen, ohne sich mit deren Aussage im Urteil auseinanderzusetzen, ist die Rüge ebenfalls schon deshalb unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil der Inhalt der Aussagen der im einzelnen genannten Zeugen nicht mitgeteilt wird. Im übrigen dienen die schriftlichen Urteilsgründe nicht dazu, die gesamte Beweisaufnahme im einzelnen wiederzugeben. Der Tatrichter muß sich im Urteil nur mit den für die Entscheidung maßgebenden Umständen auseinandersetzen. Bleibt ein Beweismittel unerwähnt , so ist deshalb daraus nicht zu schließen, daß es übersehen worden ist (vgl. Meyer-Goßner StPO 47. Aufl. § 267 Rdn. 12 m.w.N.).
2. Die Schuldsprüche halten auch der sachlich-rechtlichen Nachprüfung stand. Die getroffenen Feststellungen beruhen auf einer ausreichenden Beweisgrundlage. Die Beschwerdeführer erheben insoweit auch keine Einwendungen. Die Angeklagten haben sich in der Hauptverhandlung zwar nicht zur Sache eingelassen. Die Jugendkammer hat ihre Überzeugung vom Tatgeschehen und der Beteiligung der Angeklagten aber – rechtlich unbedenklich – auf die durch Angaben von Zeugen bestätigten geständigen Einlassungen der Angeklagten bei ihren Vernehmungen durch die Polizei und die Haftrichterin gestützt. Der Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe läßt erkennen, daß die Angeklagten im Ermittlungsverfahren das äußere Tatgeschehen im Umfang der Feststellungen auch hinsichtlich der Fälle II. 2 und 3 der Urteilsgründe nicht in Abrede gestellt haben. Von den Feststellungen zum äußeren Sachverhalt wird auch die im Rahmen der rechtlichen Würdigung getroffene Wertung getragen,
für jeden Anwesenden sei "bei Anspannung der zur Verfügung stehenden intellektuellen und geistigen Möglichkeiten klar ersichtlich" und "jedem vernünftig Denkenden" sei klar gewesen, daß durch die Verletzungen für den Geschädigten die Gefahr des Todes bestand.
B. Dagegen können die Strafaussprüche nicht bestehen bleiben. Sie begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Zwar ist nicht zu beanstanden, daß die Jugendkammer gegen die Angeklagten Jugendstrafen sowohl wegen schädlicher Neigungen als auch wegen der Schwere der Schuld verhängt hat. Auch ist aus Rechtsgründen nichts dagegen zu erinnern, daß die Jugendkammer gemeint hat, die zu verhängenden Strafen müßten „äquivalent“ zur Tatschuld „im oberen Bereich“ des Strafrahmens festgesetzt werden, „um den erzieherischen Effekt zu erzielen, daß die Angeklagten endlich über ihre große Schuld nachdenken“. Das Landgericht hat jedoch die Höhe der erkannten Strafen nur unzureichend begründet. Zumal angesichts dessen, daß die Strafen dem gesetzlichen Höchstmaß nahe kommen , hätte es eingehenderer Erörterung und Darlegung bedurft, weshalb die Strafen in dieser Höhe zur Nachreifung der Angeklagten aus erzieherischen Gründen erforderlich sind (vgl. BGHR JGG § 18 Abs. 2 Erziehung 3, 7 , 8, 10). Das von den Angeklagten in der Hauptverhandlung gezeigte „völlig coole und überheblich-arrogante Verhalten“ läßt nicht ohne weiteres auf eine grundsätzlich rechtsfeindliche Gesinnung schließen, sondern kann auch Ausdruck der noch fehlenden Reife und eines gewissen gruppendynamischen Drucks sein. Schließlich läßt der – nach dem Gesamtzusammenhang im Rahmen der Strafzumessungserwägungen ersichtlich allein den Fall II. 3 der Urteilsgründe betreffende – Klammerzusatz auf UA 30: „(wobei die Kammer bis zuletzt erhebli-
che Zweifel behalten hat, ob nicht auch bei den Taten am Freitag die Angeklagten sich selbst an den Tätlichkeiten beteiligten)“ besorgen, daß die Jugendkammer den auch für die Strafzumessung uneingeschränkt geltenden Grundsatz in dubio pro reo (st. Rspr.; vgl. BGHSt 43, 195, 209; BGH StV 1986,
5) verkannt hat. Ebenfalls nicht unbedenklich erscheint in diesem Zusammenhang , daß die Jugendkammer den Angeklagten moralisierend anlastet, daß sie Oe. „schließlich voraussehbar töteten“, obwohl es nach den Feststellungen nicht die Angeklagten, sondern die Brüder Be. waren, die – nicht ausschließbar hinter der geschlossenen Schlafzimmertür, d.h. ohne daß die Angeklagten unmittelbare Zeugen des Geschehens waren – dem Geschädigten die letztlich todesursächlichen Verletzungen beibrachten.
Über die Strafen ist deshalb neu zu befinden. Dabei wird der neue Tatrichter den Eindruck zu vermeiden haben, er laste den Angeklagten auch an, daß sie in der Hauptverhandlung von ihrem Schweigerecht Gebrauch gemacht haben. Soweit es den Angeklagten Sch. betrifft, wird der neue Tatrichter auch die im angefochtenen Urteil versehentlich unterbliebene Einbeziehung des noch nicht erledigten Urteils vom 27. Februar 2003 (vgl. UA 31) nachholen können.

III.


Revisionen der Staatsanwaltschaft
Ohne Erfolg wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihren Revisionen dagegen, daß das Landgericht (im Fall II. 3 der Urteilsgründe) die Angeklagten nicht wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts verurteilt hat.
1. Das Landgericht hat einen - auch nur bedingten - Tötungsvorsatz der drei Angeklagten trotz der Brutalität und Rücksichtslosigkeit des Vorgehens nicht mit letzter Sicherheit festzustellen vermocht. Die Jugendkammer hat hierbei "das Alter, die mangelnde Lebenserfahrung, die hohen Defizite der Angeklagten auf ethischem Gebiet und die sonstigen Persönlichkeitsakzentuierungen" berücksichtigt. Diese Wertung hält sich noch im Rahmen der dem Tatrichter obliegenden Würdigung und ist deshalb vom Revisionsgericht hinzunehmen , zumal da es – wie ausgeführt – nicht die Angeklagten, sondern die Brüder Be. waren, die dem Geschädigten die letztlich todesursächlichen Verletzungen beibrachten. Entgegen der Auffassung der Revision ist auch nicht zu besorgen, daß das Landgericht überhöhte Anforderungen an die Feststellung eines (bedingten) Tötungsvorsatzes gestellt hat. Die Wendung im Urteil, "ein ausdrückliches Bekenntnis, daß er bei den Handlungen das Risiko [erg.: eines tödlichen Erfolges] bewußt einkalkuliert habe", habe keiner der Angeklagten abgegeben, gibt keinen Anlaß zu der Annahme, die Jugendkammer mache allgemein die Feststellung eines bedingten Tötungsvorsatzes von einem Geständnis zur subjektiven Tatseite abhängig. Vielmehr hat sie dadurch lediglich zum Ausdruck gebracht, daß in einem solchen Fall erhöhte Anforderungen an die Feststellungen zur subjektiven Tatseite zu stellen sind. Das läßt Rechtsfehler nicht erkennen.
2. Allerdings hat - worauf der Generalbundesanwalt bereits in seiner Antragsschrift vom 18. Oktober 2004 zutreffend hingewiesen hat - das Landgericht nicht erkennbar geprüft, ob den Angeklagten nicht zumindest bedingter Tötungsvorsatz für den Zeitpunkt zur Last fällt, in dem sie im Fall II. 3 der Urteilsgründe durch die wieder offen stehende Schlafzimmertür den "sich nicht mehr rührenden, offensichtlich schwer verletzten" Oe. bäuchlings vor seinem
Bett liegen sahen und sie ihn in diesem Zustand ohne Hilfe in der Wohnung zurückließen, "obwohl ihnen bewußt war, daß er aufgrund seiner schweren Verletzungen sterben könnte". Doch führt dies hier nicht zu einem Erfolg der Revisionen der Staatsanwaltschaft, auch wenn die Angeklagten eine Garantenpflicht aus Ingerenz traf und sie deshalb für das Leben des Oe. einzustehen hatten.
Vollendeter Totschlag durch Unterlassen (vgl. zu dieser Sachverhaltskonstellation BGHSt 44, 196, 201) käme hier nach den Feststellungen schon deshalb nicht in Betracht, weil der Geschädigte nicht ausschließbar bereits tot war, als die Angeklagten noch in der Wohnung waren. Die Feststellungen ergeben aber auch nicht, daß die Angeklagten sich zumindest des versuchten Totschlags durch Unterlassen schuldig gemacht haben. Tatsächlich war - wie das Landgericht aufgrund des Ergebnisses des rechtsmedizinischen Gutachtens festgestellt hat - das Leben des Geschädigten bereits aufgrund der ihm von den Brüdern Be. beigebrachten Halsmarkzerrung nicht mehr zu retten. Insoweit käme, bezogen auf die Angeklagten, lediglich ein untauglicher Versuch des Totschlags durch Unterlassen in Betracht. Das setzte aber die Feststellung voraus, daß die Angeklagten, als sie die Wohnung verließen, die Vorstellung hatten, das Leben des Oe. könne noch durch ihnen mögliche Maßnahmen gerettet oder in rechtlich erheblicher Weise verlängert werden. Dafür ist jedoch nichts hervorgetreten.
Tepperwien Maat z Athing
Ernemann Sost-Scheible

Ein Jugendlicher ist strafrechtlich verantwortlich, wenn er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug ist, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Zur Erziehung eines Jugendlichen, der mangels Reife strafrechtlich nicht verantwortlich ist, kann der Richter dieselben Maßnahmen anordnen wie das Familiengericht.

Schuldunfähig ist, wer bei Begehung der Tat noch nicht vierzehn Jahre alt ist.

(1) Dieses Gesetz gilt, wenn ein Jugendlicher oder ein Heranwachsender eine Verfehlung begeht, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist.

(2) Jugendlicher ist, wer zur Zeit der Tat vierzehn, aber noch nicht achtzehn, Heranwachsender, wer zur Zeit der Tat achtzehn, aber noch nicht einundzwanzig Jahre alt ist.

(3) Ist zweifelhaft, ob der Beschuldigte zur Zeit der Tat das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat, sind die für Jugendliche geltenden Verfahrensvorschriften anzuwenden.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält,
2.
ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet aufhält, wenn
a)
er vollziehbar ausreisepflichtig ist,
b)
ihm eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist und
c)
dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist,
3.
entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 in das Bundesgebiet einreist,
4.
einer vollziehbaren Anordnung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 oder 2 oder § 47 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 zuwiderhandelt,
5.
entgegen § 49 Abs. 2 eine Angabe nicht, nicht richtig oder nicht vollständig macht, sofern die Tat nicht in Absatz 2 Nr. 2 mit Strafe bedroht ist,
6.
entgegen § 49 Abs. 10 eine dort genannte Maßnahme nicht duldet,
6a.
entgegen § 56 wiederholt einer Meldepflicht nicht nachkommt, wiederholt gegen räumliche Beschränkungen des Aufenthalts oder sonstige Auflagen verstößt oder trotz wiederholten Hinweises auf die rechtlichen Folgen einer Weigerung der Verpflichtung zur Wohnsitznahme nicht nachkommt oder entgegen § 56 Abs. 4 bestimmte Kommunikationsmittel nutzt oder bestimmte Kontaktverbote nicht beachtet,
7.
wiederholt einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 oder Absatz 1c zuwiderhandelt oder
8.
im Bundesgebiet einer überwiegend aus Ausländern bestehenden Vereinigung oder Gruppe angehört, deren Bestehen, Zielsetzung oder Tätigkeit vor den Behörden geheim gehalten wird, um ihr Verbot abzuwenden.

(1a) Ebenso wird bestraft, wer vorsätzlich eine in § 404 Abs. 2 Nr. 4 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder in § 98 Abs. 3 Nr. 1 bezeichnete Handlung begeht, für den Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 4 Abs. 1 Satz 1 eines Aufenthaltstitels bedarf und als Aufenthaltstitel nur ein Schengen-Visum nach § 6 Abs. 1 Nummer 1 besitzt.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 11 Absatz 1 oder in Zuwiderhandlung einer vollziehbaren Anordnung nach § 11 Absatz 6 Satz 1 oder Absatz 7 Satz 1
a)
in das Bundesgebiet einreist oder
b)
sich darin aufhält,
1a.
einer vollstreckbaren gerichtlichen Anordnung nach § 56a Absatz 1 zuwiderhandelt und dadurch die kontinuierliche Feststellung seines Aufenthaltsortes durch eine in § 56a Absatz 3 genannte zuständige Stelle verhindert oder
2.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen oder das Erlöschen oder die nachträgliche Beschränkung des Aufenthaltstitels oder der Duldung abzuwenden oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und der Absätze 1a und 2 Nr. 1 Buchstabe a ist der Versuch strafbar.

(4) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 2 Nr. 2 bezieht, können eingezogen werden.

(5) Artikel 31 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bleibt unberührt.

(6) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 steht einem Handeln ohne erforderlichen Aufenthaltstitel ein Handeln auf Grund eines durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkten oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichenen Aufenthaltstitels gleich.

(7) In Fällen des Absatzes 2 Nummer 1a wird die Tat nur auf Antrag einer dort genannten zuständigen Stelle verfolgt.

(1) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einen anderen anstiftet oder ihm dazu Hilfe leistet, eine Handlung

1.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a zu begehen und
a)
dafür einen Vorteil erhält oder sich versprechen lässt oder
b)
wiederholt oder zugunsten von mehreren Ausländern handelt oder
2.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2, Abs. 1a oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b oder Nr. 2 zu begehen und dafür einen Vermögensvorteil erhält oder sich versprechen lässt.

(2) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1

1.
gewerbsmäßig handelt,
2.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, handelt,
3.
eine Schusswaffe bei sich führt, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht,
4.
eine andere Waffe bei sich führt, um diese bei der Tat zu verwenden, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht, oder
5.
den Geschleusten einer das Leben gefährdenden, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder der Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung aussetzt.
Ebenso wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 Buchstabe a zugunsten eines minderjährigen ledigen Ausländers handelt, der ohne Begleitung einer personensorgeberechtigten Person oder einer dritten Person, die die Fürsorge oder Obhut für ihn übernommen hat, in das Bundesgebiet einreist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe a, Nr. 2, Absatz 2 Satz 1 Nummer 1, 2 und 5 und Absatz 3 sind auf Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines Schengen-Staates anzuwenden, wenn

1.
sie den in § 95 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 oder Abs. 2 Nr. 1 bezeichneten Handlungen entsprechen und
2.
der Täter einen Ausländer unterstützt, der nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzt.

(5) § 74a des Strafgesetzbuchs ist anzuwenden.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.

(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind,

1.
für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder
2.
neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat,
nicht beträchtlich ins Gewicht, so kann die Verfolgung auf die übrigen Teile der Tat oder die übrigen Gesetzesverletzungen beschränkt werden. § 154 Abs. 1 Nr. 2 gilt entsprechend. Die Beschränkung ist aktenkundig zu machen.

(2) Nach Einreichung der Anklageschrift kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Beschränkung vornehmen.

(3) Das Gericht kann in jeder Lage des Verfahrens ausgeschiedene Teile einer Tat oder Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbeziehen. Einem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einbeziehung ist zu entsprechen. Werden ausgeschiedene Teile einer Tat wieder einbezogen, so ist § 265 Abs. 4 entsprechend anzuwenden.