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Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 455/11
vom
25. Oktober 2011
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 25. Oktober 2011 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten A. wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 10. März 2011, soweit es ihn betrifft, im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des gesamten Rechtsfolgenausspruchs; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Schuldspruch weist im Ergebnis keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
3
Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Angeklagte einer gefährlichen Körperverletzung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB (gemeinschaftlich mit einem anderen Beteiligten begangen) schuldig ist. Dagegen wird seine Annahme, dass der Angeklagte auch eine gefährliche Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB begangen hat, von den Feststellungen nicht getragen.
4
a) Eine Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung liegt vor, wenn das als Körperverletzung zu beurteilende Verhalten nach den konkreten Umständen des Einzelfalls generell geeignet war, das Leben des Opfers zu gefährden. Nicht erforderlich ist es, dass das Opfer auch tatsächlich in Lebensgefahr geraten ist (BGH, Urteil vom 25. Februar 2010 – 4 StR 575/09, NStZ-RR 2010, 176; Urteil vom 4. September 1996 – 2 StR 320/96, NStZ-RR 1997, 67 m.w.N.).
5
Nach den Feststellungen zwang der Angeklagte an einem Septemberabend den mit Jeans, Pullover und Schuhen bekleideten 21jährigen Geschädigten in die Elbe zu steigen und sich stromabwärts treiben zu lassen. Der Geschädigte war ein guter Schwimmer, ortskundig und trotz der vorhandenen Dunkelheit räumlich orientiert. Nach etwa 700 m vermochte er an einem Buhnenkopf aus dem Wasser zu steigen und zeitnah ärztliche Hilfe zu erlangen. Er erlitt eine leichte Unterkühlung (Untertemperatur von einem Grad Celsius) und wurde über Nacht im Krankenhaus mit vorgewärmten Infusionen versorgt. Die Elbe hatte zum fraglichen Zeitpunkt eine Temperatur von 15 Grad Celsius, einen Pegelstand von 92 cm über Pegel – was Niedrigwasser entspricht – und eine Fließgeschwindigkeit von 0,81 m/s. Strudelbildungen gab es in dem betreffenden Flussabschnitt nicht. Zur Wassertiefe und zum Schiffsverkehr hat das Landgericht keine Feststellungen getroffen.
6
Daraus ergibt sich nicht, dass der von dem Angeklagten erzwungene und auf Grund der eingetretenen Unterkühlung als Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) zu beurteilende Aufenthalt des Geschädigten in der Elbe unter Bedingungen erfolgt ist, die dessen Leben zumindest abstrakt in Gefahr gebracht haben. Das Wasser war mit 15 Grad Celsius noch nicht so kalt, dass eine tödliche Unterkühlung zu befürchten war (vgl. LG Saarbrücken, NStZ 1983, 414). Auch Umstände, die geeignet waren, den Geschädigten in die Gefahr des Ertrinkens zu bringen, sind nicht festgestellt. In dem gleichmäßig und eher langsam fließenden Wasser war eine körperliche Überforderung des Geschädigten nicht zu befürchten. Allein aus dem Umstand, dass der Geschädigte beim Schwimmen wegen der mit Wasser vollgesogenen Kleidung mehr Kraft als erwartet aufwenden musste, kann noch keine abstrakte Lebensgefährdung abgeleitet werden. Als sich der Geschädigte ins Wasser sinken ließ und zu schwimmen begann, konnte er noch gefahrlos stehen. Panikreaktionen oder ein Orientierungsverlust waren mit Rücksicht auf die Ortskunde des Geschädigten und sein beherrschtes Reagieren offenkundig nicht zu befürchten. Andere in der konkreten Situation angelegte, aber letztlich nicht wirksam gewordene Gefahrenquellen (vgl. RG Urteil vom 8. April 1884 – II. StrafS 783/84, RGR 6, 282) sind nicht erkennbar.
7
b) Der Bestand des Schuldspruchs wird durch die rechtsfehlerhafte Bejahung einer gefährlichen Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB nicht in Frage gestellt. Der aufgezeigte Rechtsfehler betrifft nur den Schuldumfang und damit den Strafausspruch (vgl. BGH, Urteil vom 5. Mai 1999 – 2 StR 58/99; KK-StPO/Kuckein, 6. Aufl., § 353 Rn. 13 m.w.N.). Zwischen den Feststellungen zu der den Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung tragenden gemeinschaftlichen Begehungsweise nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB und den Feststellungen zu einer möglichen das Leben gefährdenden Behandlung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB besteht auch kein innerer Zusammenhang, der eine nochmalige tatrichterliche Entscheidung über den Schuldspruch erforderlich machen würde. Beide Fragen betreffen voneinander abgrenzbare Ausschnitte des Gesamtgeschehens und können daher getrennt beantwortet werden (vgl. BGH, Urteil vom 22. August 1995 – 1 StR 393/95, BGHSt 41, 222, 223 f.; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 353 Rn. 7).
8
2. Der aufgezeigte Rechtsfehler führt jedoch zur Aufhebung des Strafausspruchs. Obgleich das Landgericht bei der Strafzumessung nicht ausdrücklich zum Nachteil des Angeklagten darauf abgehoben hat, dass zwei Tatbestände des § 224 Abs. 1 StGB verwirklicht worden sind, vermag der Senat nicht auszuschließen, dass die Strafe bei einem reduzierten Schuldumfang auch niedriger bemessen worden wäre. Der neue Tatrichter wird daher - gegebenenfalls auf der Grundlage ergänzender Feststellungen - über die Gefährlichkeit der Körperverletzung und die danach schuldangemessene Strafe neu zu befinden haben.
9
3. Auch die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB leidet an einem durchgreifenden Rechtsfehler.
10
Das Landgericht hat die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht in einer für das Revisionsgericht nachprüfbaren Weise dargelegt. Schließt sich der Tatrichter bei der Begründung einer Maßregelanordnung den Ausführungen des zu dieser Frage gehörten Sachverständigen ohne zusätzliche eigene Erwägungen an, müssen die Urteilsgründe die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Darlegungen des Sachverständigen so wiedergeben, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 14. April 2010 – 5 StR 123/10). Hieran fehlt es.
11
Die Urteilsgründe enthalten – bis auf die Erwähnung eines stationären Psychiatrieaufenthaltes im Jahre 2005, bei dem u.a. die Diagnose einer Polytoxikomanie vom Prägnanztyp eines Abhängigkeitssyndroms gestellt wurde – keine Feststellungen zum Drogen- und Alkoholkonsum des Angeklagten, sodass nicht nachvollzogen werden kann, aufgrund welcher Tatsachen der Sachverständige auf einen Hang, alkoholische Getränke und andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, geschlossen hat. Ebenso fehlt eine Darstellung der tatsächlichen Anknüpfungspunkte für die Bejahung eines symptomatischen Zusammenhangs zwischen dem Hang und der Tat; insbesondere bleibt unerörtert, ob Alkohol oder Drogen bei den zur Aburteilung gelangten früheren Straftaten des Angeklagten eine Rolle gespielt haben.
12
Schließlich wird auch die vom Sachverständigen angenommene Erfolgsaussicht (§ 64 Satz 2 StGB) nicht durch Tatsachen belegt. Angesichts des Umstandes , dass sich das bei dem Angeklagten diagnostizierte Abhängigkeitssyndrom (ICD 10: F 19.2) erst auf der Basis einer kombinierten Persönlichkeitsstörung (ICD 10: F 61.0) entwickelt hat, die durch eine latente Aggressionsbereitschaft , psychosoziale Desintegration und eine zunehmende dissoziale Entwicklung gekennzeichnet ist (UA 27), wären hierzu eingehende Ausführungen erforderlich gewesen (vgl. Schalast in: Kröber/Dölling/Leygraf/Sass, Handbuch der Forensischen Psychiatrie Bd. 3 S. 341).
13
4. Da sich das Verfahren nur noch gegen einen Erwachsenen richtet, weist der Senat die Sache an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurück (BGH, Urteil vom 28. April 1988 – 4 StR 33/88, BGHSt 35, 267). Ernemann Roggenbuck Cierniak Mutzbauer Quentin

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Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Okt. 2011 - 4 StR 455/11 zitiert 5 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafgesetzbuch - StGB | § 224 Gefährliche Körperverletzung


(1) Wer die Körperverletzung 1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,3. mittels eines hinterlistigen Überfalls,4. mit einem anderen Beteiligten gemeins

Strafgesetzbuch - StGB | § 223 Körperverletzung


(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar.

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 575/09
vom
25. Februar 2010
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. Februar
2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
der Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Dr. Franke
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 18. August 2009 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
2
1. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
3
2. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat weder zum Schuld- noch zum Strafausspruch einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufgedeckt.
4
a) Entgegen der Ansicht der Revision belegen die vom Landgericht getroffenen Feststellungen die Annahme bedingten Tötungsvorsatzes. Danach hatte sich zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen M. , die zuvor eng befreundet gewesen waren, aus vielschichtigen Gründen eine hasserfüllte Abneigung entwickelt. Bevor der Angeklagte den Zeugen aufsuchte und sogleich zweimal mit einem Schraubendreher mit einer etwa sieben Zentimeter langen Spitze auf ihn in Richtung des Brustbereichs einstach, hatte sich der Angeklagte seinen eigenen Angaben zufolge entschlossen, "den Streit zwischen ihm und dem Zeugen M. im Kampf einer abschließenden finalen Lösung zuzuführen". Hieraus und aus der Art des schnellen tätlichen Angriffs, der erst durch das Eingreifen weiterer Personen beendet werden konnte, hat das Landgericht geschlossen, dass auch das neben dem Wissenselement selbständig erforderliche Wollenselement des Tötungsvorsatzes beim Angeklagten vorgelegen hat. Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Soweit die Revision eine eigene, andere Würdigung der Feststellungen vornimmt, kann sie damit im Revisionsverfahren keinen Erfolg haben.
5
b) Dass das Landgericht tateinheitlich mit dem versuchten Totschlag auch eine gefährliche Körperverletzung in den Begehungsformen des § 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 StGB angenommen hat, begegnet - entgegen den Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift - keinen rechtlichen Bedenken.
6
§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB setzt voraus, dass die Körperverletzung "mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung" begangen wird. Erforderlich, aber auch genügend ist, dass die Art der Behandlung durch den Täter nach den Umständen des Einzelfalls generell geeignet ist, das Leben des Opfers zu gefährden ; einer konkreten Gefährdung bedarf es nicht (st. Rspr., vgl. BGH, Urt. vom 29. April 2004 - 4 StR 43/04 = NStZ 2004, 618; Beschl. vom 23. Juli 2004 - 2 StR 101/04 = NStZ 2005, 156, 157; vgl. auch Fischer StGB 57. Aufl. § 224 Rdn. 12 mit zahlreichen Nachweisen). Die Stiche mit dem Schraubendreher, bei dem es sich nach den Urteilsfeststellungen um einen harten, spitzkantigen Gegenstand handelte, waren, wie das Landgericht - den Ausführungen des rechtsmedizinischen Sachverständigen folgend - festgestellt hat, generell geeignet , lebensgefährdende Verletzungen hervorzurufen. Darauf, dass der Zeu- ge infolge seiner Abwehr letztlich nur leichtere Verletzungen erlitten hat, kommt es für die Tatbestandsverwirklichung nicht an.
7
c) Eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten im Sinne des § 21 StGB hat das sachverständig beratene Landgericht mit sorgfältiger Begründung rechtsfehlerfrei verneint. Es hat insbesondere dargelegt, warum es sich nicht vom Vorliegen einer Affekttat überzeugen konnte. Soweit der Generalbundesanwalt in diesem Zusammenhang eine weiter gehende Berücksichtigung der kulturellen Prägung des Angeklagten und des Stellenwerts, der einer Männerfreundschaft im arabischen Raum zukomme, vermisst, kann dem nicht gefolgt werden.
8
d) Soweit das Landgericht einen minder schweren Fall des versuchten Totschlags im Sinne des § 213 1. Alt. StGB verneint hat, ist dies entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts revisionsrechtlich schon deswegen nicht zu beanstanden, weil der Angeklagte durch die vorangegangenen Beleidigungen jedenfalls nicht auf der Stelle zur Tat hingerissen worden ist.
9
e) Letztlich begegnet es auch keinen durchgreifenden Bedenken, dass das Landgericht, das einen sonstigen minder schweren Fall nach § 213 2. Alt. StGB angenommen hat, den dadurch eröffneten Strafrahmen nicht nach §§ 46 a Nr. 1, 49 Abs. 1 StGB gemildert hat. Zwar hat sich der Angeklagte in einem Brief, den er aus der Untersuchungshaft an den Geschädigten gesandt hat, für die Tat entschuldigt. Für einen Ausgleich mit dem Verletzten im Sinne des § 46 a Nr. 1 StGB ist es aber regelmäßig erforderlich, dass der Täter sich gegenüber dem Opfer zu seiner Schuld bekennt und die Opfer-Position der geschädigten Person respektiert (vgl. BGHSt 48, 134, 141; vgl. auch Fischer aaO § 46 a Rdn. 10 a und b m.w.N.).
10
Nach dem Inhalt des im Urteil wörtlich wiedergegebenen Briefes des Angeklagten kann dieser jedoch nicht als Zeichen der Übernahme von Verantwortung für das Tatgeschehen angesehen werden. Der Angeklagte weist darin die Alleinschuld an der Eskalation dem Opfer zu, das ihm durch sein Verhalten "keinen anderen Weg gelassen" habe. Darauf, dass der Geschädigte in der Hauptverhandlung erklärt hat, dem Angeklagten zu verzeihen, da dieser auch Familie habe, kommt es daher nicht mehr ausschlaggebend an (vgl. BGH, Beschl. vom 25. Juni 2008 - 2 StR 217/08 = StV 2008, 464). Tepperwien Maatz Solin-Stojanović Ernemann Franke

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

5 StR 123/10

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 14. April 2010
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. April 2010

beschlossen:
Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 17. September 2009 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben. Davon ausgenom-men bleiben die Feststellungen zum äußeren Geschehensablauf der rechtswidrigen Tat, die aufrecht erhalten bleiben. Insoweit wird die weitergehende Revision nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und ein Klappmesser eingezogen. Die Revision des Beschuldigten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen weitgehenden Teilerfolg.
2
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
a) Bei dem jetzt 32 Jahre alten, nicht vorbestraften, in der Türkei geborenen und aufgewachsenen, mittlerweile in Deutschland lebenden Beschuldigten zeigten sich im Sommer 1997 psychische Auffälligkeiten. Im Oktober desselben Jahres erfolgte seine Zwangseinweisung in eine psychiatrische Klinik in Berlin. Dort wurde die Diagnose einer schizophrenen Psychose gestellt ; er wurde mit einem Neuroleptikum behandelt und im Februar 1998 aus der stationären Behandlung entlassen. Zu einem zweiten stationären Aufenthalt kam es im Juli/August 1998, bei dem die Exacerbation einer paranoidhalluzinatorischen Schizophrenie diagnostiziert und der Beschuldigte hochpotent neuroleptisch behandelt wurde. Er steht unter Betreuung und hatte zeitweise einen Einzelfallhelfer; zum Zeitpunkt der Anlasstat lebte er selbstständig in einer gemieteten Wohnung.
4
Am Tattag beobachtete eine Zeugin einen gesondert verfolgten Dritten bei der Entwendung einer Kamera aus einem Kraftfahrzeug und sah, wie der Dritte in Begleitung des Beschuldigten dessen Wohnhaus betrat. Die Zeugin machte eine uniformierte Polizeibeamtin, die Zeugin PHM’in M. , auf das Geschehen aufmerksam, die an der Wohnung des Beschuldigten klingelte. Dieser öffnete die Tür; nachdem die Polizeibeamtin ihn aufgefordert hatte, aus der Wohnung herauszutreten, schlug er indes die Wohnungstür wieder zu. Die Polizeibeamtin forderte daraufhin Unterstützung an. Es erschienen weitere sieben Polizeibeamte, unter ihnen der in Zivil gekleidete spätere Geschädigte. Sie klingelten und klopften an der Wohnungstür des Beschuldigten und riefen mit lauter Stimme: „Aufmachen, Polizei!“. Als die Tür weiterhin geschlossen blieb, forderten die Beamten einen Schlüsseldienst an. Der Beschuldigte machte jedoch die Öffnung der Tür durch den Schlüsseldienst unmöglich, indem er die Tür durch Zuschließen des Schlosses mit einem Schlüssel von innen verriegelte. Daraufhin öffneten die Beamten die Tür mit Hilfe einer Ramme. Beim Betreten der Wohnung gaben sich die Polizeibeamten wiederum laut und deutlich rufend als solche zu erkennen. Der Geschädigte betrat als Erster die Wohnung und ging auf den Beschuldigten zu. Dieser stach daraufhin in Tötungsabsicht mit einem Klappmesser mehrmals gezielt in den Oberkörperbereich des Geschädigten, der durch drei Stiche in den Bauch und den Thorax verletzt wurde und bei dem ein lebensbedrohlicher Pneumothorax entstand. Der Geschädigte konnte nur durch sofortige notärztliche Versorgung mit anschließender Notoperation gerettet werden.
5
b) Nach der Überzeugung der sachverständig beratenen Strafkammer handelte der Beschuldigte ohne Schuld; er sei „im psychotischen Zustand“ gewaltsam vorgegangen (UA S. 10). Die Gesamtwürdigung des Beschuldigten und seiner Tat ergebe, dass von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten seien und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich sei (§ 63 StGB). Insoweit schließt sich die Strafkammer der Sachverständigen an, die es für sehr wahrscheinlich erachtet hat, dass es bei einem erneuten psychotischen Schub zu ähnlichen Gewalthandlungen kommen könne. Denn die wahnhaften Verfolgungserlebnisse des Beschuldigten würden bei diesem zu Panik führen. Angesichts der dann von ihm empfundenen akuten Bedrohungssituationen sei es ausgesprochen wahrscheinlich, dass es wieder zu Gewalthandlungen gegenüber Dritten komme.
6
2. Soweit sich die Revision gegen die Maßregelanordnung wendet, greift – entsprechend der Begründung des Teilaufhebungsantrags des Generalbundesanwalts – bereits die Sachrüge durch.
7
Der Generalbundesanwalt hat hierzu ausgeführt:
8
„Die Anordnung nach § 63 StGB setzt unter anderem die positive Feststellung eines länger andauernden, nicht nur vorübergehenden Zustands voraus, der zumindest eine erhebliche Einschränkung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB sicher begründet (st. Rspr.; vgl. BGHSt 34, 22, 27). Sie bedarf einer besonders sorgfältigen Begründung, weil sie eine schwerwiegende und gegebenenfalls langfristig in das Leben des Betroffenen eingreifende Maßnahme darstellt. Den danach zu stellenden Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht. Das Landgericht hat bereits nicht hinreichend dargelegt, dass der Beschuldigte bei Begehung der Anlasstat schuldunfähig war. Darüber hinaus begegnet auch die Gefährlichkeitsprognose des Landgerichts rechtlichen Bedenken.
9
a) Wenn sich der Tatrichter − wie hier − darauf beschränkt, sich der Beurteilung eines Sachverständigen zur Frage der Schuldfähigkeit anzuschließen , muss er dessen wesentliche Anknüpfungs- und Befundtatsachen im Urteil so wiedergeben, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (vgl. Senat, Beschluss vom 28. Oktober 2008 − 5 StR 397/08; Senat, Urteil vom 19. Februar 2008 − 5 StR 599/07; BGH NStZ 2003, 307 f.; NStZ-RR 2003, 232 jeweils m. w. N.). Daran mangelt es hier. Im Rahmen der rechtlichen Würdigung verweist die Strafkammer auf die ‚insoweit getroffenen Feststellungen’, ohne diese indes darzulegen. Auf der Grundlage der Ausführungen der Sachverständigen getroffene Feststellungen lassen sich den Urteilsgründen mit Ausnahme von Darlegungen zum Lebenslauf des Beschuldigten nicht entnehmen. So stellt das Landgericht zum Krankheitsbild des Beschuldigten lediglich fest, dass im Jahr 1997 eine schizophrene Psychose und im Jahr 1998 eine Exacerbation einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie diagnostiziert wurde. Hingegen lassen sich dem Urteil selbst bei wohlwollender Lektüre die Erkenntnisse der Sachverständigen zum Krankheitsbild des Beschuldigten zum Zeitpunkt der Begutachtung und bei Begehung der Anlasstat nicht entnehmen. Die Strafkammer beschränkt sich stattdessen auf die pauschale Feststellung, die Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten sei bei Begehung der Tat aufgrund einer krankhaften seelischen Störung aufgehoben (§ 20 StGB; UA S. 9). Dies genügt den Darlegungsanforderungen ebenso wenig wie die Feststellung, der Beschuldigte sei im ‚psychotischen Schub’ (UA S. 10) vorgegangen. Dem Revisionsgericht wird daher bereits aufgrund der fehlenden Ausführungen zum Sachverständigengutachten eine rechtliche Überprüfung der Maßregelanordnung nicht möglich sein.
10
b) Angesichts des erheblichen Eingriffs, der mit der Unterbringung nach § 63 StGB verbunden ist, bestehen überdies rechtliche Bedenken, ob das Landgericht seine Überzeugung von der zukünftigen Gefährlichkeit des Beschuldigten hinreichend begründet hat. Auch hier ist es der Sachverständigen gefolgt und hat lediglich ausgeführt, dass der Beschuldigte im psycho- tischen Zustand vorgegangen und es daher sehr wahrscheinlich sei, dass es bei einem erneuten psychotischen Schub zu ähnlichen Gewalthandlungen kommen könne. Zwar teilt die Strafkammer mit, sie habe bedacht, dass es zu dieser Tat nur durch eine Verkettung von Umständen gekommen sei, die der Beschuldigte nicht zu vertreten habe. Gleichwohl lassen die Urteilsgründe vertiefende Erwägungen zu der Frage, weshalb von dem Beschuldigten infolge seines Zustands erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten seien und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich sei, vermissen. So ist schon nicht dargetan, inwieweit mit weiteren psychotischen Schüben gerechnet werden müsse, etwa weil der Beschuldigte seine Medikamente eigenmächtig absetzt oder dies zu erwarten wäre. Soweit die Strafkammer für ihre Beurteilung auf aggressive Schübe des Beschuldigten gegenüber nahestehenden, aber auch außenstehenden Personen abstellt, ist nicht erkennbar, inwieweit diese im Urteil nicht näher beschriebenen Vorkommnisse die Gefährlichkeitsprognose des Landgerichts zu untermauern vermögen.“
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Dem schließt sich der Senat mit folgenden ergänzenden Hinweisen an: Dem Urteil lässt sich über die Entwicklung der psychischen Erkrankung des Beschuldigten, das Auftreten etwaiger krankheitsbedingter Verhaltensauffälligkeiten sowie die gegebenenfalls erforderliche Behandlung des Beschuldigten und seine Behandlungsbereitschaft seit dem Jahr 1998 nichts entnehmen. Die Anlasstat wurde in einer zumindest vom Beschuldigten subjektiv als bedrohlich empfundenen Situation begangen, die auch bei psychisch gesunden Menschen geeignet ist, Fehlreaktionen hervorzurufen. Dies wird bei der Beuteilung der Gefährlichkeit des Beschuldigten besonders in Betracht zu ziehen sein.
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3. Da die genannten Rechtsfehler sich nicht auf die Feststellungen zum äußeren Geschehensablauf der rechtswidrigen Tat auswirken, können diese bestehen bleiben. Sie können durch ihnen nicht widersprechende Feststellungen ergänzt werden. Mitaufgehoben werden indes sämtliche Feststellungen, die sich auf die innere Tatseite beziehen. Sie stehen in en- gem Zusammenhang mit den allein die Schuldfähigkeit betreffenden Feststellungen. Der Senat kann daher dahinstehen lassen, ob die auf Einholung eines ärztlichen Gutachtens zur behaupteten Hörverminderung des Beschuldigten bezogene Beweisantragsrüge im Blick auf den Widerspruch zwischen der antragsablehnenden Begründung und den Feststellungen im Urteil durchgegriffen hätte.
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Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.